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Peptid-Polymer-HybrideDOI: 10.1002/ange.200502436
Umwickeln von Peptidr�hren – Konvergenz vonbiologischer Selbstorganisation und Polymersynthese**Marco A. Balbo Block und Stefan Hecht*
Stichw�rter:Bionanotechnologie · Hybridmaterialien · Peptide ·Polymere · Selbstorganisation
Transmembrankanle und -poren zh-len zu den beeindruckendsten nat�rli-chen Strukturen, insbesondere hinsicht-lich der nahezu perfekten Selektivitt,Geschwindigkeit und Schaltbarkeit dervon ihnen vermittelten Transportpro-zesse. Ihr modulares Design basiert oft-mals auf B�ndeln von a-Helices, wie imFall des Kaliumkanals,[1] aber auch al-ternative Strukturen wie Proteinfsserund b-Helices, man denke nur an denGramicidin-A-Kanal,[2] sind im Laufeder Evolution entstanden. Außer derModifizierung existierender biologi-scher Poren[3] steht heutzutage eineVielzahl an Wegen zu tubularen Struk-turen auf der Basis synthetischer R�ck-grate zur Verf�gung.[4] Insbesondere anPeptid-basierten R6hrensystemen be-steht großes Interesse, und im Folgen-den wollen wir sowohl Konzepte zumgenerellen Design als auch neuesteFortschritte auf diesem sich rasant ent-wickelnden Gebiet aufzeigen.Das b-Faltblattmotiv, wie es in meh-
reren Varianten in a-Peptiden vor-liegt,[5] hat sich als außergew6hnlichergiebiges Designelement f�r die Nach-ahmung nat�rlicher kanalbildenderStrukturen erwiesen: Die parallele oderantiparallele Anordnung mehrfacherWasserstoffbr�cken zwischen Baustei-nen unterschiedlicher Kr�mmung f�hrt
zur Bildung stabiler tubularer Aggrega-te von b-Fssern �ber b-Helices bis hinzu gestapelten Makrocyclen (Abbil-dung 1).
b-Fass-bildende Proteine wie dasnat�rlich vorkommende a-Hmolysin[6]
werden aus b-Faltblattdauben zusam-mengesetzt. Der Designansatz von Ma-tile et al. basiert auf der kontrolliertenAggregation steifer Octa(para-phenyle-ne), die kurze a-Peptid-Seitenkettentragen, die mit Seitenketten benachbar-ter Dauben verzahnt sind und so anti-parallele b-Faltbltter bilden.[7] Alterna-tiv dazu haben Percec und MitarbeiterPoren aus amphiphilen dendritischen a-Dipeptiden aufgebaut; diese entspre-chen kurzen Dauben, die durch Selbst-organisation eine helicale Anordnungeinnehmen.[8,9] Beim ersten Ansatz lsstsich der innere Durchmesser mit derZahl der Dauben sowie der Lnge dera-Peptidseitenketten einstellen, beimzweiten erreicht man dies durch Varia-tion der Konfiguration an den Dipep-tideinheiten. Dagegen lsst sich in bei-
den Fllen die R6hrenlnge nur indi-rekt, nmlich durch den Aufbau derR6hre innerhalb von limitierenden Li-piddoppelschichten steuern.Ein alternativer Weg zum Aufbau
von Kanalstrukturen ist bei der Familieder Gramicidinpeptide verwirklicht:[2]
Das Verdrehen eines a-Peptidstrangsmit einer Sequenz aus alternierendend- und l-a-Aminosuren f�hrt zur Bil-dung einer Einzelstrang-b-Helix, bei derintramolekulare Wasserstoffbr�ckenhnlich wie in einem parallelen b-Falt-blatt vorliegen. Zustzliche Wechselwir-kungen zwischen unterschiedlichenStrngen erm6glichen gestapelte oderineinander verschlungene b-Helices.Die Zahl an Aminosureeinheiten proWindung (4.8 bis 8.2 Einheiten) istgr6ßer als in der a-Helix, was zu brei-teren Hohlrumen mit Durchmessernzwischen 2.3 und 4.7 D f�hrt. Whrendder Helixdurchmesser hauptschlichvon eingelagerten Gastkationen ab-hngt, wird die Lnge unmittelbar vonder Aminosurekettenlnge bestimmt.
Abbildung 1. Tubulare Strukturen, abgeleitet vom b-Faltblattmotiv, das in Form von linearen, ge-kr+mmten oder cyclischen Peptidstr,ngen vorliegt.
[*] M. A. Balbo Block, Dr. S. HechtMax-Planck-Institut f+r KohlenforschungKaiser-Wilhelm-Platz 145470 M+lheim an der Ruhr(Deutschland)Fax: (+49)30-306-2979E-mail: [email protected]
[**] Wir danken der Max-Planck-Gesellschaftf+r finanzielle Unterst+tzung. M.A.B.B.dankt der Studienstiftung des deutschenVolkes f+r ein Doktorandenstipendium.
Highlights
7146 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2005, 117, 7146 – 7149
Eine elegante Erweiterung des b-Helixdesigns prsentierten Ghadiriet al. in Form von Peptidr6hren ausgestapelten Makrocyclen einer geradenZahl alternierender d- und l-a-Amino-suren.[10] Das hohe Seitenverhltnisund die chemische Stabilitt dieser tu-bularen Aggregate beruhen auf denstarken Wasserstoffbr�cken zwischenden einzelnen Ringen, die ein kreisf6r-miges ausgedehntes zweidimensionalesb-Faltblatt bilden. Die Zunahme derEinheiten pro Cyclus vom Cycloocta-mer zum Cyclododecamer f�hrt zurVergr6ßerung des Innendurchmessersvon 7 auf 13 D bei einer konstantenPeriodizitt von 4.7 D entlang der Sta-pelrichtung.[11] Die Steuerung der R6h-renlnge ist wiederum nur �ber denAufbau innerhalb einer Lipiddoppel-schicht m6glich.[12]
Aus diesem kurzen Gberblick wirdersichtlich, wie viele Anstze zur Her-stellung von Peptidr6hren es bereitsgibt. Allerdings bleiben noch einigeAufgaben zu l6sen:* Eine Lngenkontrolle der selbstor-ganisierten tubularen Objekte ohnedie Zuhilfenahme einer begrenzen-den Doppelschicht ist noch nicht inSicht.[13] Ein L6sungsansatz ist dieBeimischung von Terminierungsmit-teln bei der supramolekularen Poly-
merisation,[14] z.B. von Janus-Ma-krocyclen, die nur auf einer SeiteWasserstoffbr�cken bilden k6n-nen.[15] Trotzdem kann eine breiteLngenverteilung nicht vermiedenwerden. Die Arbeiten von Stuppet al. zur kontrollierten endlichenAggregation mithilfe von raumf�l-lenden Seitenketten, wie mit seinen„Nanopilzen“ demonstriert,[16] sindwahrscheinlich der zurzeit vielver-sprechendste Ansatz.
* Eine gesteuerte Funktionalisierungder Innen- und Außenflchen istentscheidend f�r die praktische An-wendung solcher tubularer Struktu-ren. Whrend die innere Funktiona-lisierung sowohl Effizienz als auchSelektivitt der Transportprozessebeeinflusst, wirken sich funktionelleGruppen an der Peripherie auf dieIntegration in Doppelschichten oderin andere hierarchisch organisierteKonstrukte aus. Insbesondere dieußere Modifizierung mit Polyme-ren bietet eine attraktive M6glich-keit zum Einstellen von Materialei-genschaften und zur Steuerung vonMusterbildungen auf der Nanome-terskala.[17] Peptid-Polymer-Hybri-de[18] sind mit kontrollierten radika-lischen Polymerisationstechniken,[19]
die entweder eine Graft-from-/At-
tach-to-Postfunktionalisierung odereine Polymerisation geeigneter Ma-kromonomere einbeziehen, leichtzugnglich.[20]
* Die Isolierung der tubularen Bau-steine und ihre Integration in hier-archisch organisierte Strukturensind Grundvoraussetzungen f�r denAufbau und die Nutzung von Hy-bridmaterialien mit gew�nschten Ei-genschaften.
Vor kurzem berichtete die Arbeits-gruppe von Biesalski von einem inter-essanten Ansatz zur Bewltigung eini-ger der oben genannten Probleme.[21]
Dabei nutzten Sie die Graft-from-Poly-merisation an der ußeren Oberflchevon selbstorganisierten Peptidnanor6h-ren, um die Eigenschaften der Nano-r6hren zu verndern (Abbildung 2). Da-zu wurden octamere d,l-alternierendeCyclo-a-peptide, die Bromisobutyr-amid-Initiatorgruppen an Lysin-Seiten-ketten trugen, zu Peptidnanor6hren zu-sammengesetzt. Die Autoren gaben N-Isopropylacrylamid-Monomer sowie diePolymerisationskatalysatormischung zuund nutzten die kontrollierte Atom-transferpolymerisation (ATRP), um ei-ne H�lle aus Poly(N-isopropylacryl-amid) (PNIPAM) von homogenerSchichtdicke um den intakten zylindri-
Abbildung 2. Aufbau einer Polymerh+lle an vororganisierten PeptidrAhren:[21] d,l-Cyclo-a-peptide mit Initiatorgruppen stapeln sich unter Bildungzylindrischer Strukturen, an deren Oberfl,che PNIPAM mittels ATRP w,chst; HMTETA=1,1,4,7,10,10-Hexamethyltriethylentetramin. Unten linkswerden AFM-Bilder von Peptid-PNIPAM-Hybriden gezeigt (Skalen: 2 mm und 800 nm). Teilweise wiedergegeben aus Lit. [21].
AngewandteChemie
7147Angew. Chem. 2005, 117, 7146 – 7149 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de
schen Peptidkern zu wickeln. Mit Ras-terkraftmikroskopie(AFM)-Aufnah-men vor und nach der Postpolymerisa-tion konnte gezeigt werden, dass B�ndelaus Peptidr6hren mit Lngen zwischen100 und 500 nm zu einzelnen, stabf6r-migen Strukturen mit Dimensionen von80� 20 nm Lnge und 12� 3 nm H6heaufgebrochen wurden. Diese Beobach-tungen zeigen, dass durch die Steuerungdes Molekulargewichts der Polymersei-tenketten das Ausmaß der lokalen ste-rischen Hinderung und damit die Lngedes tubularen Hybridger�sts beeinflusstwerden k6nnen.Francis und Mitarbeiter demon-
strierten die Polymerfunktionalisierungdes Tabakmosaikvirus (TMV), einerwohldefinierten tubularen selbstorgani-sierten Einheit. Mithilfe neuartiger Me-thoden zur Biokonjugation[22] dekorier-ten die Autoren die ußere und innereOberflche des TMV-H�llenproteins.[23]
So konnten durch die chemo- und re-gioselektive Modifizierung des periphersitzenden Tyr 139 mittels elektrophileraromatischer Substitution Ketofunktio-nen eingef�hrt werden,[24] die wiederummit verschiedenen Hydroxylaminen ein-schließlich Poly(ethylenglycol)(PEG)-Derivaten umgesetzt wurden (Abbil-dung 3). Dieses „Anheften“ liefert in-takte R6hren mit hervorragendem L6-sungsverhalten in verschiedensten orga-nischen L6sungsmitteln und erm6glichtsomit die konventionelle Weiterverar-beitung dieser PEG-TMV-Hybride zuden gew�nschten Endmaterialien. Essoll noch erwhnt werden, dass dieses
R6hrensystem einer perfekten Lngen-kontrolle unterliegt, da ein diskreterRNA-Strang im Inneren der entstehen-den R6hre als Schablone fungiert unddie Selbstorganisation des TMV-H�l-lenproteins steuert.Die vorgestellten Arbeiten zeigen
den fortschreitenden Trend zur Ver-schmelzung klassischer Disziplinen wieder Biologie, der organischen Syntheseund der Polymerchemie. Indem man diecharakteristischen Eigenschaften diesersich oft ergnzenden Felder kombiniert,kann man gegenwrtige Einschrnkun-gen �berwinden und die M6glichkeitenzum Design maßgeschneiderter Hybrid-materialien enorm erweitern. Die kon-trollierte Modifizierung von Peptidenund Peptid-basierten Objekten mithilfemoderner Polymerisationstechnikenwird ein aktives Forschungsgebiet blei-ben, und durch die Manipulation derEigenschaften von Peptidr6hren k6n-nen interessante neue Anwendungenauf dem aufstrebenden Gebiet der Bio-nanotechnologie erschlossen werden.
[1] R. MacKinnon, Angew. Chem. 2004,116, 4363 – 4376; Angew. Chem. Int.Ed. 2004, 43, 4265 – 4277.
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[9] F�r ein weiteres exzellentes Beispielzum Aufbau von Diphenylalanin-Pep-tidr6hren als Schablonen f�r die Gene-rierung von Silbernanodrhten siehe:M. Reches, E. Gazit, Science 2003, 300,625 – 627.
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Abbildung 3. Anbringen einer Polymerh+lle an vororganisierte TMV-RAhren:[23] Peripheres Tyr 139 des TMV-H+llenproteins (PDB-Code: 1ei7) wird+ber eine Diazoniumkupplung zum Ketointermediat funktionalisiert, an das dann PEG-basierte Hydroxylamine gekn+pft werden. Rechts ist einTEM-Bild des PEG-TMV-Hybrids nach dem Transfer in CHCl3 gezeigt. Teilweise wiedergegeben aus Lit. [23].
Highlights
7148 www.angewandte.de � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2005, 117, 7146 – 7149
[13] Sonderausgabe „Supramolecular Che-mistry & Self-Assembly“: Science 2002,295, 2395 – 2421.
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[17] In einer Pionierarbeit haben H6ger undMitarbeiter an stapelnde Phenylenethi-nylen-Makrocyclen Polystyrolsegmenteangebracht, um so eine Polymerh�lleum das selbstorganisierte Nanorohr zuwickeln: S. Rosselli, A.-D. Ramminger,T. Wagner, B. Silier, S. Wiegand, W.Haussler, G. Lieser, V. Scheumann, S.H6ger, Angew. Chem. 2001, 113, 3233 –3237; Angew. Chem. Int. Ed. 2001, 40,3138 – 3141.
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[24] Die Ketofunktion hat sich als außerge-w6hnlich vielseitig in der Biokonjugati-on erwiesen, so z.B. in der selektivenFunktionalisierung von Zelloberfl-chen: L. K. Mahal, K. J. Yarema, C. R.Bertozzi, Science 1997, 276, 1125 – 1128.
AngewandteChemie
7149Angew. Chem. 2005, 117, 7146 – 7149 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de