21
1 Universitätsklinik für Kinderheilkunde Diabetes mellitus bei Cystischer Fibrose (engl. CFRD= CF related Diabetes) Skript zur Instruktion von Patienten und Eltern (Dr. T. Haamberg, Prof. P. E. Mullis, Dezember 2015)

Universitätsklinik für Kinderheilkunde · Beim Turnen, Wandern, Baden, Ski fahren etc. kann/soll er aktiv teilnehmen. Allerdings sollten gefährliche Sportarten wie Klettern, Gebirgswanderungen

Embed Size (px)

Citation preview

1

Universitätsklinik für Kinderheilkunde

Diabetes mellitus bei Cystischer Fibrose

(engl. CFRD= CF related Diabetes)

Skript zur Instruktion von Patienten und Eltern (Dr. T. Haamberg, Prof. P. E. Mullis, Dezember 2015)

2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Stoffwechsel

2.1 beim Gesunden

2.2 beim CF Patienten mit pathologischer Glukosetoleranz

2.3 beim CF Patienten mit intermittierendem Diabetes mellitus

2.4 beim CF Patienten mit chronischem Diabetes mellitus

2.5 bei Insulinmangel

3. Unterschiede zum Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2

4. Krankheitsverlauf

5. Screening und Kontrollen bei CF Patienten

5.1. Warum lohnt sich eine gute BZ-Kontrolle bei CF?

5.2. Screening während der CF-Sprechstunde

5.3. Diagnosekriterien

6. Kontrollen bei manifestem CFRD

7. Behandlung des Diabetes

7.1 Die 3 Säulen der Therapie: Ernährung, Sport, Insulin

8. Therapieüberwachung

8.1. Blutzuckermessungen

8.2. Urinkontrollen

8.3. Dokumentation

9. Insulintherapie

9.1. Therapieformen

9.1.1. 2-/3-Spritzentherapie

3

9.1.2. Funktionelle Insulintherapie

9.1.3. Pumpentherapie

9.1.4. Spritz-Ess-Abstand

9.2. Insulin-Anpassung

9.2.1. Sofort-Regel Hyperglykämie

9.2.2. Sofort-Regel Hypoglykämie

9.2.3. Eintageregel

9.2.4. Zweitageregel

9.3. Besondere Situationen

9.3.1. Krankheit

9.3.2. Sport

10. Notfälle

10.1. Hypoglykämes Koma

10.2. Ketoazidose

4

1. Einleitung

Cystische Fibrose (= Mukoviszidose, kurz: CF) ist eine angeborene Erkrankung auf

Zellniveau, d.h. auf dem Niveau der kleinsten Bausteine unseres Körpers. Dabei sind

die Salzkanäle (genauer der Chloridtransporter) betroffen. Die Zusammensetzung von

Körpersekreten wird so verändert, dass die Sekrete dickflüssig werden und so die

abführenden Kanälchen, sei es in den Lungen oder in anderen Organen (Bsp.

Bauchspeicheldrüse) verstopfen können.

Die Veränderungen im Bereich der Bauchspeicheldrüse führen primär zu einer

sogenannten exokrinen (= nach aussen sezernierend) Pankreas-Insuffizienz

(= Schwäche). Diese manifestiert sich als Gedeihstörung mit übelriechenden

Fettstühlen und ev. Bauchschmerzen. Die Verdauungssäfte des Pankreas sind

notwendig, um die durch die Nahrung zugeführten Fette und Eiweisse aufzuspalten.

Therapiert wird diese exokrine Pankreasinsuffizienz durch die Zufuhr von

Pankreasenzymen in Form von Kapseln (Creon®), die gleichzeitig mit den Mahlzeiten

eingenommen werden müssen.

Neben dieser exokrinen Funktion besitzt das Pankreas aber auch eine endokrine

(= nach innen sezernierend) Funktion; die wichtigste darunter ist die Produktion von

Insulin zur Regulation des „Zucker“ (=Glukose)-Haushaltes.

Diabetes mellitus (=DM) bei CF ist die Folge einer Insulinproduktionsschwäche der

Bauchspeicheldrüse. Verursacht wird der DM bei CF durch eine chronische

„Verstopfung“ und damit Schädigung des Organs. DM bei CF tritt praktisch immer bei

Patienten auf, die bereits schon länger eine Schwäche der exokrinen Funktion des

Pankreas gezeigt haben.

DM bei CF tritt selten vor dem 10.Lebensjahr auf. Für CF-Patienten nimmt das Risiko,

einen Diabetes zu entwickeln, mit zunehmendem Alter zu. Ca. 20% der Adoleszenten

und 40-50% der Erwachsenen CF-Patienten haben einen DM.

Zucker- und Stärkeprodukte (=Kohlenhydrate) in unserer Ernährung, welche ca. 50%

der Kalorien einer ausgewogenen Mahlzeit ausmachen, sind die

Hauptenergielieferanten für unseren Körper. Um Kohlenhydrate in Energie umsetzen

zu können, braucht es genügend Insulin. Für den CF-Patienten ist es sehr wichtig,

genügend Energie bereitstellen zu können, da sein durchschnittlicher

Energieverbrauch um die Hälfte höher ist als beim Gesunden.

5

2. Stoffwechsel

2.1 Beim Gesunden

Vergleichbar mit einem Motor, zu dessen Betrieb Brennstoff (Benzin) nötig ist,

braucht auch der menschliche Körper Energie zum Leben, Bewegen, Spielen,

Denken usw. Die Substanzen, aus denen unser Organismus Energie generieren

kann, beziehen wir aus der Nahrung.

Eine ausgeglichene Ernährung besteht vor allem aus:

- Kohlenhydraten (Energiespender): Siehe unten

- Eiweissen (Bausubstanz): Fleisch, Fisch, Eiweiss, Milch und Milchprodukte

- Fetten (Reservestoffen): Öl, Butter, Speisefett, Käse

Kohlenhydrate = Energiespender

Haupt-Energielieferant in der Nahrung sind die Kohlenhydrate. Kohlenhydrat ist ein

Überbegriff für verschiedene Arten von „Zucker“. Sie kommen vor allem in Kristall- und

Traubenzucker, Süssigkeiten, Früchten, Kartoffeln, Mehl, Brot, Teigwaren, Reis, Mais und

allen anderen Getreideprodukten vor. Damit aus diesen Kohlenhydraten Energie

gewonnen werden kann, müssen sie zuerst im Magen-Darm-Trakt in Einzelteile zerlegt

und in dieser Form in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Im Blut zirkulierende

Kohlenhydrate werden als Blutzucker oder Blutglukose bezeichnet.

Insulin

Der Zucker kann nur im Inneren von Körperzellen und nicht im Blut zu Energie

umgewandelt werden. Der Eintritt des Zuckers in die Zellen benötigt Insulin. Dieses

lebenswichtige Hormon kann verglichen werden mit einem Schlüssel, der die Zellen für

den Eintritt der Glukose öffnet.

6

2.2. … beim CF-Patienten mit pathologischer Glukosetoleranz

Beim Patienten mit cystischer Fibrose welcher bereits eine exokrine

Pankreasinsuffizienz hat, entwickelt sich mit der Zeit häufig auch eine sekundäre

Schwäche der Insulinproduktion. Primär bemerkt man diese Schwäche nur bei

extremer Kohlenhydratbelastung, d.h. nimmt der Patient grosse Mengen an

„Zucker“ zu sich, reicht die notwendige Insulinproduktion nicht mehr aus. Der

Blutzucker steigt typischerweise nach dem Essen an und wird bei Werten über

10mmol/l (=Nierenschwelle) durch die Nieren ausgeschieden. Dies bedeutet

einen Verlust an Energie und auch Wasser, was zu weiterer Eindickung der

Sekrete führen kann und sich so sehr schädlich auswirkt. Jetzt ist der Zeitpunkt

gekommen, wo der CF-Patient mittels intermittierenden BZ-Messungen und

Azeton-Tests im Urin seine Stoffwechsellage kontrollieren muss.

2.3. … beim CF-Patienten mit intermittierendem Diabetes mellitus

Bevor sich der Diabetes mellitus bei CF etabliert, zeigt er sich häufig zuerst nur in

„Krisenzeiten“, wie bei Infekten oder unter Steroidtherapie. In solchen

„Krisenzeiten“ muss häufig bereits Insulin gespritzt werden, um die

Stoffwechsellage zur Überwindung der „Krise“ günstig zu beeinflussen.

2.4. ... beim CF-Patienten mit „chronischem Diabetes mellitus“

Sobald die Insulinproduktion zur Aufnahme der Kohlenhydrate in die

energieverbrauchenden Zellen nicht mehr ausreicht, muss Insulin gespritzt

werden. Häufig besteht am Anfang noch eine ausreichende Basis-Insulin-

Produktion, welche zum Fasten ausreicht. Hingegen muss zum Essen zusätzlich

Insulin gespritzt werden (kurzwirksames Essensinsulin, meist Novorapid®), da

das Pankreas die Produktion von Insulin nicht mehr entsprechend steigern kann.

Ist die Insulinproduktion gänzlich am Versiegen, braucht auch der CF-Patient mit

Diabetes zur Deckung des Basisbedarfes zusätzlich langwirksames Basis-Insulin

(meist Levemir®). Sein Diabetes gleicht dann dem insulin-abhängigen Diabetes

mellitus Typ.

2.5. … bei Insulinmangel

Bei einem absoluten Insulinmangel kann der Zucker nicht mehr in die Zelle

eintreten. Somit steigt der Zucker im Blut an. Ab einer gewissen Höhe des

Blutzuckerspiegels (ca. 10mmol/l) wird die so genannte Nierenschwelle

überschritten, und die Niere scheidet mit dem Urin Zucker aus (Glukosurie).

Stark zuckerhaltiger Urin kann von der Niere nicht mehr konzentriert werden, viel

Wasser und Salze sowie Energie gehen damit verloren.

7

3. Unterschiede zum Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2

Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, bei welcher der Körper Antikörper

gegen die eigene Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und insulinproduzierenden β-Zellen

bildet. Antikörper haben normalerweise die Funktion, körperfremde Partikel wie

Bakterien oder Viren zu vernichten. Aus unbekannten Gründen können sich Antikörper

aber auch gegen die sogenannten β -Zellen der Langerhans’schen Inseln in der

Bauchspeicheldrüse wenden. Diese sind die Insulin-produzierenden Zellen und werden in

einem schmerzlosen Prozess zerstört. Die Folge davon ist, dass der Körper immer

weniger und schliesslich kein Insulin mehr produzieren kann.

Die Bauchspeicheldrüse bildet neben Insulin noch ein anderes Hormon, das Glukagon,

sowie verschiedene Verdauungsenzyme. Diese Funktionen bleiben beim Diabetes

mellitus Typ 1 vorerst vorhanden.

Gelangt kein Zucker mehr in die

Zelle (bei Insulinmangel oder bei

Zuckermangel), kann die Zelle

auch direkt aus der Verbrennung

von Fetten Energie gewinnen. Bei

diesem Vorgang werden

Abbaustoffe gebildet, die zu einer

Ansäuerung (Ketoazidose) führen.

Der Körper scheidet diese Stoffe

als Azeton im Urin und in der

Ausatmungsluft aus. Azeton im

Körper verursacht Unwohlsein,

Übelkeit, Erbrechen und

Bauchschmerzen.

8

Im Gegensatz zum Typ 1 (früher: Jugend-) Diabetes, bei dem wegen Untergangs der β -

Zellen ungenügend bis kein Insulin mehr produziert wird, besteht beim Typ 2

(früher: Alters-) Diabetes initial kein Insulinmangel sondern eine Insulinresistenz. Das

heisst, dass zwar Insulin gebildet wird, dieses aber ungenügend wirksam ist. Hier helfen

anfangs auch Tabletten zur Verbesserung der Insulinempfindlichkeit, Steigerung der

Insulinausschüttung oder aber auch Gewichtsabnahme und Anpassung der Ernährung. In

einem späteren Stadium braucht dann aber meist auch der Typ 2 Diabetiker im Verlauf

eine Insulintherapie.

4. Krankheitsverlauf

Allen Diabetesformen gemeinsam ist ein absoluter oder relativer Insulinmangel. Folgen

für den Stoffwechsel sind in Absatz 2.5. beschrieben.

Anders als Kinder oder Jugendliche mit Typ 1 Diabetes zeigen CF-Patienten mit Diabetes

weniger häufig ketoazidotische Entgleisungen, da sie oft noch lange Zeit eine

verbleibende Insulin-Rest-Produktion haben und der Diabetes einen schleichenden

Verlauf zeigt.

5. Screening und Kontrollen bei CF Patienten

5.1. Warum lohnt sich eine gute BZ-Kontrolle bei CF?

Studien bei CF-Patienten haben gezeigt, dass eine gute Blutzuckerkontrolle bei CF-

induziertem Diabetes mellitus einerseits für das Gedeihen (Gewicht), andererseits aber auch

für die Infektanfälligkeit und die erzielte Lungenfunktion eine Rolle spielt. Je besser die

Blutzuckereinstellung, desto stabiler der Gewichtsverlauf, die Lungenfunktion und folglich

desto geringer die Infektanfälligkeit.

Daneben geht auch der CF-Patient mit DM und schlechter Stoffwechselkontrolle sämtliche

Risiken der vaskulären Spätschäden ein. Am Frühesten treten dabei Schäden an den

Gefässen des Augenhintergrundes auf, welche der Diabetiker als Sehverminderung

wahrnimmt (Latenz ca. 10 Jahre). Später folgen die Nierenschädigung und die diabetische

Nervenschädigung. Zur frühzeitigen Erkennung solcher Langzeitschäden wird der CF-Patient

mit Diabetes regelmässig in der Diabetes Sprechstunde sowohl klinisch als auch mittels Blut-

und Urinkontrollen daraufhin untersucht. Zudem sind jährliche Augenkontrollen beim

Augenarzt empfohlen.

5.2. Screening während der CF-Sprechstunde

Ab einem Alter von 10 Jahren wird ein OGTT (oraler Glukosetoleranztest) mit maximal 75g

(1.75g/kg) Glukosebelastung durchgeführt. Impaired fasting glucose ( gestörte

Nüchternglukose; 5.6-6.9 mmol/l) bei präpubertären Kindern mit CF ist verdächtig für ein

Frühstadium des CFRD.

9

Die Untersuchung findet 1x/Jahr statt (sowie immer vor Einleitung einer Transplantation,

wenn die letzte Untersuchung älter als 6 Monate alt ist).

CF Patienten mit akuter Exazerbation (intravenöse Antibiotikagabe und/oder systemische

Glukokortikoidgabe) werden mittels Nüchternglukose und 2h postprandialer

Glukosemessung für mind. 48 h monitorisiert (Blutzuckertagesprofil).

5.3. Diagnosekriterien

a) 2h OGTT Glukose bzw. 2h postprandial > 11.1mmol/l

b) nüchtern Glukose > 7mmol/l

c) HbA1c > 6.5%

d) klassische Symptome eines Diabetes (Polyurie, Polydipsie), Zufallsglukose > 11.1mmol/l

- bei CF-Patienten mit akuter Exazerbation, bei denen a) und b) für mehr als 48 h zutreffen

6. Kontrollen bei manifestem CFRD

Sobald die Diagnose eines CFRD gestellt wurde, sollten regelmässige Kontrollen zur

Beurteilung Diabetes assoziierter Folgeerkrankungen stattfinden. Diese beinhalten:

- Blutdruckmessung bei jeder klinischen Kontrolle (mind. alle 3 Monate), sollte dieser >P 90

für das entsprechende Alter sein, sind weitere Kontrollen des Blutdruck zu einem anderen

Zeitpunkt notwendig, um die Diagnose einer arteriellen Hypertonie zu reevaluieren.

- HbA1c Messungen alle 3 Monate, Ziel ≤ 7%

- einmal jährliche Kontrollen bzgl. mikrovaskulärer Komplikationen (gemäss ADA Guidelines):

- jährliche Messung der Albumin Exkretion sowie Kreatininbestimmung (GFR)

- in den ersten 5 Jahren nach Diagnosestellung Beurteilung des Augenhintergrundes durch

einen Ophtalmologen, bei unauffälligem Befund weitere Kontrollen jährlich

- einmal jährliche Kontrolle des Lipidstatus

7. Behandlung des Diabetes

7.1. Die 3 Säulen der Therapie: Ernährung, Sport, Insulin

Die Diabetestherapie ist ein Balanceakt zwischen Ernährung, körperlicher Aktivität und

Insulin.

10

Ernährung

Eine gleichmässige, den Bedürfnissen des CF-Patienten angepasste, Ernährung ist eine

Voraussetzung für eine gute Kontrolle. Anders als bei der einfachen „Diabetes-Diät“,

muss dem vermehrten Energiebedarf des CF-Patienten und seinen oftmals

verminderten Kräften Rechnung getragen werden. Die Insulintherapie muss deshalb

vorwiegend seiner „Wunschkost“ angepasst werden. Der CF-Patient mit Diabetes

mellitus lernt dabei durch Erfahrung seinen Insulinbedarf für verschiedene Mengen

Kohlenhydrate zu verschiedenen Tageszeiten kennen. Voraussetzung hierfür ist jedoch

eine grundlegende Kenntnis über den Kohlenhydrat-Gehalt verschiedener

Nahrungsmittel. Dieses Wissen eignet sich der CF-Patient und seine Familie durch

gezielte Ernährungs-/Diätberatung an. Bei CF-Patienten besteht keine Natrium- und

Proteinrestriktion.

Sport

Regelmässige körperliche Betätigung hilft, die Stoffwechsellage des diabetischen CF-

Patienten im Gleichgewicht zu halten. Beim Turnen, Wandern, Baden, Ski fahren etc.

kann/soll er aktiv teilnehmen. Allerdings sollten gefährliche Sportarten wie Klettern,

Gebirgswanderungen oder Schwimmen nur gemeinsam mit anderen Personen ausgeübt

werden, die über den Diabetes orientiert sind und wissen, was in Notfallsituationen zu

tun ist.

Insuline

Seit 1921 ist die Eiweissstruktur des Insulins bekannt. Dieses kann inzwischen

gentechnologisch hergestellt werden und steht somit zur Therapie des Diabetes zur

Verfügung. Unter richtiger Insulindosierung, regelmässiger Blutzuckerkontrolle und

gewissen Ernährungsrichtlinien können an Diabetes erkrankte Personen ein weitgehend

normales Leben führen. Allerdings muss auch heute noch das Insulin je nach

Behandlungsschema 2-6 Mal am Tag gespritzt werden. Eine orale Aufnahme ist nicht

möglich, da das Insulin im Magen zerstört würde. Während beim Altersdiabetes unter

Umständen mit Diät, Gewichtsabnahme und Tabletten eine recht gute

Blutzuckereinstellung erreicht werden kann, hat die Erfahrung gezeigt, dass der

Diabetes bei CF wie der Typ 1 Diabetes direkt mit Insulin behandelt werden soll.

Tabletten nützen nichts oder nur kurzfristig, da die insulinproduzierenden Zellen

ohnehin geschwächt oder fehlend sind und ihnen keine Extraleistung mehr abverlangt

werden sollte.

Die Erfahrung zeigt, dass Kinder die Insulinspritzen meistens gut tolerieren und sich im

Allgemeinen schnell daran gewöhnen.

Mittels geschickter Kombination von verschiedenen Insulinpräparaten kann man die

physiologische Insulinausschüttung des Gesunden imitieren. Verschiedene

Behandlungsschemata kommen dafür zur Anwendung:

11

- 2(oder 3)-Spritzentherapie

- Funktionelle Insulintherapie (FIT)

- Insulinpumpentherapie

Insulinprofil

Blutzucker- und Insulinprofil beim Gesunden:

Der BZ bewegt sich in engen Grenzen. Während der Mahlzeiten steigt er leicht an. Sofort

wird von den β-Zellen Insulin ins Blut abgegeben, welches bewirkt, dass der Zucker vom Blut

in die Zellen gelangen kann und dort zu Energie verarbeitet wird.

12

Insuline und ihr Wirkprofil

8. Therapieüberwachung

Wir sprechen von einer guten Einstellung des Diabetes, wenn der CF-Patient mit

Diabetes normal gedeiht, sich psychisch und physisch fit fühlt und der Blutzucker

möglichst wenig schwankt. Der Blutzucker soll einerseits nicht zu hoch ansteigen

(Hyperglykämie), anderseits nicht zu tief absinken (Hypoglykämie). Der mittlere

Blutzucker soll im Vergleich zu Gesunden nur wenig erhöht sein.

Der Insulinbedarf ist individuell verschieden, nimmt aber oft mit dem Alter des Patient

und dem Schweregrad der Pankreasbeteiligung durch die Grundkrankheit CF zu.

Körperliche Betätigung, Änderung der Ernährung oder des Lebensrhythmus, Krankheiten

oder psychische Belastung, die Pubertätsentwicklung, aber auch unbekannte Gründe

bewirken zusätzlich, dass die Insulindosis im Alltag immer wieder neu angepasst werden

muss.

Diese Anpassungen geschehen mit Hilfe von regelmässig durchgeführten

Blutzuckerbestimmungen. Diese Kontrollen und die entsprechenden Insulinanpassungen

werden durch die Eltern und das Kind zu Hause gemeinsam vorgenommen. Mit etwa 10 -

14 Jahren sollten die Jugendlichen ihren Diabetes selber einstellen können.

13

8.1. Blutzuckermesserungen

Blutzuckerzielbereich

Wann soll der Blutzucker kontrolliert werden?

8.2. Urinkontrollen

Die Urinkontrollen sollten durchgeführt werden, wenn:

- der Morgen-Blutzucker >10mmol/l beträgt

- das Kind krank ist

Die Urinkontrollen zeigen, ob der Blutzucker seit der letzten Blasenentleerung im

Normbereich war oder nicht. Der Urin enthält normalerweise keinen Zucker. Wird

Urinzucker nachgewiesen, bedeutet dies, dass die Nierenschwelle für den Zucker

überschritten wurde. In der Regel ist die Nierenschwelle bei einer Blutzuckerhöhe von ca.

10 mmol/l.

Das Auftreten von Urinazeton bedeutet, dass die Zelle wegen Zuckermangels auf

Fettverbrennung umgestellt hat. Dies kommt vor:

- bei Insulinmangel (Hyperglykämie)

- bei Zuckermangel (Hypoglykämie)

14

Interpretation

Zusammenfassung

8.3. Dokumentation

Die Resultate von Blutzucker- und Urinkontrollen sollten immer sofort nach jeder

Untersuchung ins Kontrollbüchlein eingetragen werden. Dieses stellt ein äusserst wichtiges

Dokument zur richtigen Anpassung der Insulindosis dar. Ebenso sollen die verabreichten

Insulindosen fortlaufend im Kontrollbüchlein dokumentiert werden.

15

9. Insulintherapie

9.1. Therapieformen

9.1.1. 2-/3 Spritzentherapie

Diese ist die einfachste Form der Insulintherapie. Sowohl morgens als auch abends werden

ein schnell wirkendes und ein Verzögerungsinsulin gespritzt. Geeignet ist dieses

Therapieschema vor allem für Kinder unter 10 Jahren.

Vorteile: Nur 2 bis 3 Mal täglich Insulininjektionen, BZ-Messungen nur 4 bis 5 Mal täglich,

einfachere Methode.

Nachteile: Fixe Mahlzeiten in Menge und Zeit. Weniger Flexibilität im Alltag.

9.1.2. Funktionelle Insulintherapie (FIT)

Mit der FIT soll die natürliche Insulinsekretion noch physiologischer nachgeahmt werden.

Der Insulingrundbedarf wird dabei morgens und abends in Form eines langwirkenden

Insulins verabreicht. Der Mahlzeitenbedarf (Essensinsulin) wird als rasch wirkendes Insulin

vor jeder Mahlzeit gespritzt.

Vorteile: Freie Wahl der Essensmenge und -zeit, keine fixen Zwischenmahlzeiten nötig,

Mahlzeiten können ausgelassen werden, Ausschlafen ist möglich.

Insgesamt mehr Flexibilität im Alltag und genauere Blutzuckereinstellung möglich.

Nachteile: Häufigeres Spritzen, häufigere Blutzuckerkontrollen, anspruchsvollere Methode.

16

9.1.3. Pumpentherapie

Über eine elektronische Pumpe wird kontinuierlich Insulin in das Unterhautfettgewebe

abgegeben. Es sind mehrere Basalraten programmierbar, die auch kontinuierlich angepasst

werden können. Ebenso können die Essens-Boli individuell angepasst werden. Es wird nur

noch ein Insulin, Novorapid, verwendet.

Vorteile: Es sind keine Insulininjektionen mit Pen nötig. Der Katheter muss alle zwei bis drei

Tage ersetzt werden. Optimale Blutzuckerkontrolle möglich.

Nachteile: Gefahr einer ketoazidotischen Entgleisung, falls die Insulinzufuhr unterbrochen

wird. Die Pumpe muss Tag und Nacht getragen werden, was von manchen Diabetikern als

störend empfunden werden kann.

9.1.4. Spritz-Ess-Abstand

Der Zeitabstand zwischen Insulininjektion und Mahlzeit hängt vom Blutzucker ab:

Je höher der Blutzucker, desto länger soll der Spritz- Essabstand sein. Umgekehrt soll bei

Hypoglykämien zuerst gegessen werden, bevor Insulin verabreicht wird.

Merke: Das bedeutet, dass rasch nach dem Aufstehen am Morgen der Blutzucker bestimmt

wird.

Das Einhalten des Spritz-Ess-Abstandes ist nicht immer möglich.

9.2. Insulin-Anpassung

Bekanntlich bewirkt das Insulin eine Senkung des Blutzuckers. Daraus ergibt sich:

- bei hohem Blutzucker braucht es im Allgemeinen mehr Insulin

- bei normalem oder tiefem Blutzucker braucht es gleichviel oder weniger Insulin.

17

Zur Vereinfachung der Insulinanpassung, empfehlen wir folgenden Regeln zu folgen:

9.2.1. Sofort-Regel Hyperglykämie

Bei einem Blutzucker >15mmol/l (bei FIT >12 mmol/l, vor dem Essen >10mmol/l) besteht

die Gefahr, dass der Diabetes entgleist, da ein Insulinmangel besteht und der Blutzucker

noch weiter ansteigen kann.

Deshalb soll sofort rasch wirkendes Insulin (Novorapid®) nachgespritzt werden. Wir

berechnen die Dosis nach folgender Formel:

Blutzuckerwert – 8

x

X ist ein Faktor (bei Ihrem Kind aktuell..........) und bedeutet, dass eine Einheit Novorapid®

den Blutzucker um X mmol/l senkt.

Etwa 3 Stunden nach der Korrektur sollte der Blutzucker kontrolliert werden. Liegt dieser

weiterhin >15mmol/l, so wird erneut nach derselben Formel Insulin nachgespritzt.

Achtung

Novorapid® sollte nicht häufiger als alle 2.5 h gespritzt werden, da die max. Wirkung zuerst

abgewartet werden muss.

Am Abend (ab 18Uhr) soll nur die Hälfte der errechneten Nachspritz-Dosis verabreicht

werden (Gefahr einer unerkannten Hypoglykämie während der Nacht).

9.2.2. Sofort-Regel Hypoglykämie

1 Wert schnelle Kohlenhydrate (KH) sind: 1dl Orangensaft, 3 Stück Traubenzucker

langsame KH: 3 Stück Dar Vida, 1 Stück Vollkornbrot

Achtung

Nach einer Hypoglykämie muss der Blutzucker innert ca. 30 Minuten kontrolliert werden. Bei

persistierender Hypoglykämie (<4mmol/l) obiges Prozedere wiederholen.

18

9.2.3. Eintageregel

Bei einem Blutzucker <4mmol/l soll das verantwortliche Insulin am nächsten Tag um ½-1E

reduziert werden, um nicht das Risiko einer erneuten Hypoglykämie einzugehen.

9.2.4. Zweitageregel

Ist der Blutzucker an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zur selben Tageszeit >10mmol/l, wird

das verantwortliche Insulin um ½-1 E erhöht.

Achtung: Bei wiederholt erhöhtem BZ beim Aufstehen am Morgen muss, bevor die

abendliche Insulindosis gesteigert wird, ein reaktiver Anstieg nach unerkannten nächtlichen

Hypoglykämien ausgeschlossen werden (Blutzuckermessung in der Nacht gegen 2 Uhr).

9.3. Besondere Situationen

9.3.1. Krankheit

Bei Krankheiten und bei Unfällen steigt der Insulinbedarf meistens an. Der Blutzucker soll

deshalb in solchen Zeiten häufig kontrolliert werden. Bei Bedarf (BZ > 15 mmol/l) soll nach

der Sofortregel nachgespritzt werden.

Achtung

Auch bei Appetitmangel, Übelkeit oder Erbrechen braucht der Körper Insulin. Verweigert das

kranke Kind jede Nahrung, soll die Insulindosis auf etwa 2/3 der üblichen Dosis reduziert

werden.

Bei Unterzuckerung soll Traubenzuckerlösung, Orangensaft oder zuckerhaltige

Limonadengetränke in kleinen Schlucken verabreicht werden.

Übelkeit und Erbrechen können die ersten Zeichen einer ketoazidotischen Entgleisung

sein. Eine Urinkontrolle (Azeton) hilft, den Schweregrad einzuschätzen.

Eine ärztliche Kontrolle ist notwendig bei:

- Unsicherheit

- persistierendem Erbrechen, verweigern jeder Nahrungsaufnahme

- sehr stark schwankenden Blutzuckerwerten

- persistierendem Nachweis von Azeton im Urin

- Verschlechterung des Zustandes

19

9.3.2. Sport

Körperliche Betätigung vermindert den Insulinbedarf. Bei unveränderter Insulingabe kann es

deshalb zu Hypoglykämien beim Sport kommen.

Sportwertregel

Unmittelbar vor der sportlichen Betätigung soll 1 KHW (am besten Brot oder Obst)

eingenommen werden.

Bei länger dauernder körperlicher Aktivität soll in ca. stündlichen Abständen erneut 1 KHW

gegessen werden, falls die Insulindosis nicht reduziert worden ist.

Bei geplanter ganztägiger Aktivität (z.B. Sporttag, längere Wanderung, Fussballturnier,

Skitag…) kann am Morgen die Insulindosis auf ca. 2/3 reduziert werden. Regelmässige

Blutzuckerkontrollen während des Tages sind notwendig.

Bei BZ > 20 mmol / l und Azeton im Urin liegt ein absoluter Insulinmangel vor. In dieser

Situation führt körperliche Betätigung nicht zum Absinken, sondern eher noch zum

Ansteigen des Blutzuckers. Zunächst muss unbedingt Insulin nachgespritzt werden, um den

Zucker wieder in die Muskelzellen eintreten zu lassen. Die Wirkung des Insulins muss

abgewartet werden, bevor die körperliche Aktivität wieder aufgenommen werden kann.

10.Notfälle

10.1. Hypoglykämes Koma

Bei Bewusstlosigkeit: Ruhe bewahren! Nichts zu trinken geben!

1. Weckversuch mittels Schmerzreiz (Klemmen)

2. Blutzucker messen

3. Traubenzucker zwischen Zähne und Wangen stecken

4. Falls der Patient erwacht, Traubenzucker zu essen oder Orangensaft zu trinken geben.

Falls der Patient nicht innerhalb einiger Minuten erwacht: Glukagon spritzen (bei Kindern

>25 kg ganze Ampulle senkrecht in Oberschenkel; bei Kindern <25 kg halbe Ampulle)

5. 10 Min. warten. Wenn Patient erwacht: Nahrung zuführen, da Speicher leer. Wenn Patient

nach 10 Min. nicht erwacht: Arzt oder Ambulanz rufen.

20

10.2. Ketoazidose

Wird bei stetig ansteigendem Blutzucker nicht oder ungenügend Insulin gespritzt, kommt es

allmählich zur Verschlechterung der Stoffwechsellage, d.h. der Diabetes entgleist. Es treten

dieselben Zeichen auf, wie zu Beginn des Diabetes (bei CF-Patienten seltener).

21

Die schwere Ketoazidose entwickelt sich erst langsam und kann in den meisten Fällen durch

häufige Blutzuckerbestimmungen und Urinproben sowie konsequentes Nachspritzen nach

der erwähnten Sofortregel vermieden werden.

Wenn aber die richtige Behandlung nicht rechtzeitig einsetzt und die oben beschriebenen

klinischen Zeichen auftreten, muss sofort ein Arzt konsultiert/benachrichtigt werden. Eine

Behandlung ist dann nur noch im Spital zu verantworten, da es sich um einen sehr

gefährlichen Zustand handelt.

Fremdwörter

Azeton: Schlackenstoff, der bei Verbrennung von Fett entsteht

Autoimmunität: Antikörperbildung gegen körpereigene Zellen

Azidose: Saure Stoffwechsellage

Glukagon: Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet und ins Blut

abgegeben wird. Bewirkt über den Weg der Zuckerfreigabe aus den

Reserven der Leber einen Anstieg des Blutzuckers.

Gluconeogenese: Neubildung von Glukose in Leber aus Aminosäuren, Pyruvat, Laktat

Glukose: Zucker

Glukosurie: Zucker im Urin

Hämoglobin: Roter Blutfarbstoff

HbA1c: glykosyliertes Hämoglobin = Glucose haltiges Hämoglobin

Hyperglykämie: zu hoher Blutzucker

Hypoglykämie: zu tiefer Blutzucker

Hypoglykäm. Koma: Bewusstlosigkeit infolge zu tiefen Blutzuckers

Insulin: Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet und ins Blut

abgegeben wird. Bewirkt eine Senkung des Blutzuckers. Ist wichtig für

den normalen Stoffwechsel und das normale Wachstum.

Ketoazidose: Entgleisung des Stoffwechsels infolge vermehrter Fettverbrennung und

Übersäuerung als Folge von Insulinmangel.

Koma: Bewusstlosigkeit

Lipodystrophie: Schwellung des Fettgewebes an der Stelle der Insulininjektionen,

infolge ungenügendem Wechsel der Injektionsstelle

Pankreas: Bauchspeicheldrüse