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Zur Vollendung des Energiebinnenmarkts gilt die übergreifende Energiepolitik als eine entscheidende Variable. 1 In Anbetracht der vom Europäischen Rat festgelegten Frist für die Vollendung des Strom- und Gasbinnenmarkts bis zum Jahre 2014, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch die Interkonnexi- onen zu Staaten außerhalb der EU-27 in vollem Umfang auszubauen. 2 Der Ausbau erneuerbarer Energien wird in allen europäischen Staaten als ein wichtiger Pfeiler für den Umbau der Energieversor- gung angesehen. 3 Die alleinige Förderung erneuerbarer Energien in einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht ausreichend, da sie ohne eine europäische Verbundlösung der Netze lückenhaft bleiben muss. Für den Strombereich ist deshalb eine stärkere Kooperation bei grenz- überschreitenden Leitungssystemen erforderlich. 4 In unserem Beitrag sollen anhand des geplanten Leitungsausbaus, dem Projekt NorGer zwischen Norwegen und Deutschland, rechtli- che Faktoren dargestellt und im Folgenden analysiert werden. I. Ausgangslage und energiepolitischer Hintergrund NorGer ist neben dem Projekt NORD.LINK 5 eine von zwei geplanten Leitungsverbindungen zur Hochspan- nungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) durch die Nord- see zwischen Norwegen und Deutschland. 6 Norwegen plant seine eigenen Windressourcen zu nut- zen und benötigt ein größeres Marktvolumen 7 für die zu- künftige Produktion von Windkraft, die die Wasserkraft ergänzt. Die Kabelverbindung nach Deutschland wird den Zugang zu einem größeren Energiemarkt sichern und eine bedeutende Rolle bei den zukünftigen Windkraft-Initiati- ven Norwegens spielen. 8 Ass. iur. Marcel Wemdzio, LL.M. (Umweltrecht), Dipl.-Pol. Ulf Roßegger und Assessor iur. Ralf Ramin, Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften der Technischen Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland fahren- und Konfliktpotential hinreichend erfasst und ein Vorhaben auch einer Umweltgesichtspunkte umfassenden behördlichen Prüfung unterworfen wird. Wie bei (fast) al- len neuen oder wiederentdeckten großtechnischen Anwen- dungen, wird allerdings auch bei entsprechendem gesetz- geberischen Tätigwerden das Konfliktpotential vor dem Hintergrund des Sankt-Florian-Prinzips nur eingedämmt, nicht aber insgesamt verhindert werden können. 6. Zusammenfassung Die bei der Erkundung und Förderung von unkonventi- onellem Erdgas, einem bergfreien Bodenschatz i. S. d. § 3 BBergG, angewendeten technischen Methoden sind nicht neu. Das Fracking-Verfahren wird bereits seit vielen Jah- ren auch in Deutschland angewendet und bedarf nach dem BBergG der Zulassung, bevor mit der Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeit begonnen werden darf. Daneben ist i. d. R. eine wasserrechtliche Zulassung er- forderlich. In den Zulassungsverfahren ist eine Öffentlich- keitsbeteiligung gesetzlich vorgesehen oder aber durch die Behörde fakultativ durchführbar. Eine UVP ist für die Auf- suchung und Gewinnung nach dem geltenden Recht i. d. R. nicht verpflichtend durchzuführen, kann aber von Beteiligten aus Akzeptanzgründen freiwillig durchgeführt werden. Es ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, ob weitergehende Um- weltanforderungen oder Beteiligungsrechte bei der Förde- rung von unkonventionellem Erdgas festgelegt werden. DOI: 10.1007/s10357-012-2249-5 Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Hochspannungs- Gleichstrom-Übertragung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone am Beispiel der Kabelverbindung NorGer Marcel Wemdzio, Ulf Roßegger und Ralf Ramin © Springer-Verlag 2012 NuR (2012) 34: 239–247 239 Wemdzio/Roßegger/Ramin, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der HGÜ 123 1) So EU-Kommission, Zur Energieversorgungssicherheit und inter- nationalen Zusammenarbeit – „Die EU Energiepolitik: Entwick- lung der Beziehungen zu Partnern außerhalb der EU“ v. 7. 9. 2011, KOM (2011), 539, S. 4. 2) EU-Kommission, (Fn. 1). 3) Siehe EurActiv, Yellow Paper, EU Energiepolitik, S. 1 ff.; Richt- linie 2009/28/EG v. 23. 4. 2009, zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl. EU 2009, L 140, S. 16 ff. 4) Entscheidung Nr. 1364/2006/EG v. 6. 9. 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze, ABl. EU 2006, L 262, S. 1 ff.; Entschließung des EU-Parlaments v. 25. 11. 2010, Weg zu einer neuen Energiestrategie für Europa 2011–2020, EU- Parlament-Bericht (2010/2108(INI), http://www.europarl.europa. eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A7-2010-0313& language=DE#title4, Abruf am 29. 12. 2011. 5) Statnett , NORD.LINK, http://www.statnett.no/en/Projects/ NORDLINK1/, Abruf am 29. 12. 2011. 6) NorGer, http://www.norger.biz/norger/deutsch/, Abruf am 29. 12. 2011; Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Ver- braucherschutz und Landesentwicklung (NMELVL), Projekt NorGer, http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id= 20023&article_id=72831&_psmand=33, Abruf am 22. 9. 2011; Ficht- ner , HGÜ-Kabelverbindung zwischen Norwegen und Deutschland, Stuttgart 2010, S. 1-1 ff.; siehe zu ähnlichen Projekten auch: Kim, NuR 2009, S. 31 ff.; Wolf, ZUR 2007, S. 24 ff.; Jensch, NordÖR 2010, S. 373 ff. 7) Am 8. 12. 2010 haben Schweden und Norwegen die Richtli- nien für einen geplanten gemeinsamen grünen Stromzertifikate- Markt unterzeichnet. Ab 2012 wird ein gemeinsames Fördersys- tem für erneuerbare Stromproduktion etabliert. Entsprechend der Richtlinien sollen bis 2020 zusätzlich ca. 26,4 TWh erneuerbare Stromproduktion in die Netze eingespeist werden, GTAI Nor- wegen und Schweden legen Richtlinien für gemeinsame „grüne“ Stromzertifikate fest, vom 21. 12. 2010, https://www.gtai.de/DE/ Content/__SharedDocs/Links-Einzeldokumente-Datenbanken/ fachdokument.html?fIdent=MKT201012208005&source=DBN L&sourcetype=NL, Abruf am 29. 12. 2011. 8) Ministry of Petroleum and Energy, Legislation on offshore renewable energy production, Press release Nr. 18/09 v. 16. 2. 2009, http:// www.regjeringen.no/en/dep/oed/press-center/Press-releases/ 2009/legislation-on-offshore-renewable-energy.html?id=546161, Abruf am 29. 12. 2011.

Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht

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Page 1: Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht

Zur Vollendung des Energiebinnenmarkts gilt die übergreifende Energiepolitik als eine entscheidende Variable. 1 In Anbetracht der vom Europäischen Rat festgelegten Frist für die Vollendung des Strom- und Gasbinnenmarkts bis zum Jahre 2014, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch die Interkonnexi-onen zu Staaten außerhalb der EU-27 in vollem Umfang auszubauen. 2

Der Ausbau erneuerbarer Energien wird in allen europäischen Staaten als ein wichtiger Pfeiler für den Umbau der Energieversor-gung angesehen. 3 Die alleinige Förderung erneuerbarer Energien in einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht ausreichend, da sie ohne eine europäische Verbundlösung der Netze lückenhaft bleiben muss. Für den Strombereich ist deshalb eine stärkere Kooperation bei grenz-überschreitenden Leitungssystemen erforderlich. 4

In unserem Beitrag sollen anhand des geplanten Leitungsausbaus, dem Projekt NorGer zwischen Norwegen und Deutschland, rechtli-che Faktoren dargestellt und im Folgenden analysiert werden.

I. Ausgangslage und energiepolitischer Hintergrund

NorGer ist neben dem Projekt NORD.LINK 5 eine von zwei geplanten Leitungsverbindungen zur Hochspan-nungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) durch die Nord-see zwischen Norwegen und Deutschland. 6

Norwegen plant seine eigenen Windressourcen zu nut-zen und benötigt ein größeres Marktvolumen 7 für die zu-künftige Produktion von Windkraft, die die Wasserkraft ergänzt. Die Kabelverbindung nach Deutschland wird den Zugang zu einem größeren Energiemarkt sichern und eine bedeutende Rolle bei den zukünftigen Windkraft-Initiati-ven Norwegens spielen. 8

Ass. iur. Marcel Wemdzio, LL.M. (Umweltrecht), Dipl.-Pol. Ulf Roßegger und Assessor iur. Ralf Ramin, Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften der Technischen Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

fahren- und Konfliktpotential hinreichend erfasst und ein Vorhaben auch einer Umweltgesichtspunkte umfassenden behördlichen Prüfung unterworfen wird. Wie bei (fast) al-len neuen oder wiederentdeckten großtechnischen Anwen-dungen, wird allerdings auch bei entsprechendem gesetz-geberischen Tätigwerden das Konfliktpotential vor dem Hintergrund des Sankt-Florian-Prinzips nur eingedämmt, nicht aber insgesamt verhindert werden können.

6. Zusammenfassung

Die bei der Erkundung und Förderung von unkonventi-onellem Erdgas, einem bergfreien Bodenschatz i. S. d. § 3 BBergG, angewendeten technischen Methoden sind nicht

neu. Das Fracking-Verfahren wird bereits seit vielen Jah-ren auch in Deutschland angewendet und bedarf nach dem BBergG der Zulassung, bevor mit der Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeit begonnen werden darf.

Daneben ist i. d. R. eine wasserrechtliche Zulassung er-forderlich. In den Zulassungsverfahren ist eine Öffentlich-keitsbeteiligung gesetzlich vorgesehen oder aber durch die Behörde fakultativ durchführbar. Eine UVP ist für die Auf-suchung und Gewinnung nach dem geltenden Recht i. d. R. nicht verpflichtend durchzuführen, kann aber von Beteiligten aus Akzeptanzgründen freiwillig durchgeführt werden. Es ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, ob weitergehende Um-weltanforderungen oder Beteiligungsrechte bei der Förde-rung von unkonventionellem Erdgas festgelegt werden.

DOI: 10.1007/s10357-012-2249-5

Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone am Beispiel der Kabelverbindung NorGerMarcel Wemdzio, Ulf Roßegger und Ralf Ramin

© Springer-Verlag 2012

NuR (2012) 34: 239–247 239Wemdzio/Roßegger/Ramin, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der HGÜ

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1) So EU-Kommission, Zur Energieversorgungssicherheit und inter-nationalen Zusammenarbeit – „Die EU Energiepolitik: Entwick-lung der Beziehungen zu Partnern außerhalb der EU“ v. 7. 9. 2011, KOM (2011), 539, S. 4.

2) EU-Kommission, (Fn. 1).3) Siehe EurActiv, Yellow Paper, EU Energiepolitik, S. 1 ff.; Richt-

linie 2009/28/EG v. 23. 4. 2009, zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl. EU 2009, L 140, S. 16 ff.

4) Entscheidung Nr. 1364/2006/EG v. 6. 9. 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze, ABl. EU 2006, L 262, S. 1 ff.; Entschließung des EU-Parlaments v. 25. 11. 2010, Weg zu einer neuen Energiestrategie für Europa 2011–2020, EU-Parlament-Bericht (2010/2108(INI), http://www.europarl.europa. eu/ sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A7-2010-0313& language=DE#title4, Abruf am 29. 12. 2011.

5) Statnett, NORD.LINK, http://www.statnett.no/en/Projects/NORDLINK1/, Abruf am 29. 12. 2011.

6) NorGer, http://www.norger.biz/norger/deutsch/, Abruf am 29. 12. 2011; Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Ver-braucherschutz und Landesentwicklung (NMELVL), Projekt NorGer, http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id= 20023&article_id=72831&_psmand=33, Abruf am 22. 9. 2011; Ficht-ner, HGÜ-Kabelverbindung zwischen Norwegen und Deutschland, Stuttgart 2010, S. 1-1 ff.; siehe zu ähnlichen Projekten auch: Kim, NuR 2009, S. 31 ff.; Wolf, ZUR 2007, S. 24 ff.; Jensch, NordÖR 2010, S. 373 ff.

7) Am 8. 12. 2010 haben Schweden und Norwegen die Richtli-nien für einen geplanten gemeinsamen grünen Stromzertifikate-Markt unterzeichnet. Ab 2012 wird ein gemeinsames Fördersys-tem für erneuerbare Stromproduktion etabliert. Entsprechend der Richtlinien sollen bis 2020 zusätzlich ca. 26,4 TWh erneuerbare Stromproduktion in die Netze eingespeist werden, GTAI Nor-wegen und Schweden legen Richtlinien für gemeinsame „grüne“ Stromzertifikate fest, vom 21. 12. 2010, https://www.gtai.de/DE/Content/__SharedDocs/Links-Einzeldokumente-Datenbanken/fachdokument.html?f Ident=MKT201012208005&source=DBNL&sourcetype=NL, Abruf am 29. 12. 2011.

8) Ministry of Petroleum and Energy, Legislation on offshore renewable energy production, Press release Nr. 18/09 v. 16. 2. 2009, http://www.reg jeringen.no/en/dep/oed/press-center/Press-releases/ 2009/ legislation-on-offshore-renewable-energy.html?id=546161, Abruf am 29. 12. 2011.

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Die deutschen und norwegischen Stromversorgungs-systeme unterscheiden sich grundlegend. Während die Versorgung Deutschlands gegenwärtig hauptsächlich auf thermischen Kraftwerken basiert, 9 speist sich die Versor-gung Norwegens fast zu 100 % aus Wasserkraft. Unter-schiede bei den Tages- und Nachtpreisen auf den beiden Märkten machen den Import und Export von elektri-schem Strom zwischen den beiden Systemen potenziell profitabel. 10

Das NorGer-Konsortium plant die Verbindung des deut-schen und des norwegischen Energiemarktes mit zwei See-kabeln. 11 Bei der verwendeten HGÜ-Verbindung handelt es sich um ein Kabelsystem, bestehend aus zwei 500-kV-Gleichstromkabeln. 12 Das Vorhaben ist ein weiterer Bau-stein für die europaweite Verkoppelung der Stromnetze, die eine wichtige Funktion im Zusammenhang mit dem Umbau hin zu einer regenerativen Stromerzeugung besitzt. Die Produktion von elektrischer Energie richtet sich nach der Nachfrage. Da Wasserkraft leicht steuerbar ist, wird die Produktion nachts reduziert, wenn der Strombedarf nied-rig ist. Die deutschen Kraftwerke sind auf eine Ganztags-produktion (24 Stunden am Tag) angewiesen, was nied-rigere Strompreise in der Nacht und entsprechend höhere Preise am Tag bedeutet.

Das Geschäftskonzept basiert laut NorGer-Projektgesell-schaft auf der Übertragung von überschüssigem Strom aus den deutschen thermischen Kraftwerken und Windparks nach Norwegen bei Nacht, wenn die Preise in Deutschland am niedrigsten sind. Norwegische Stromerzeuger können das Wasser in ihren Stauseen halten. 13 Am Tag, wenn der Strombedarf und die Preisniveaus in Deutschland hoch sind, fließt der in Norwegen erzeugte Wasserkraft- und Windkraftstrom nach Süden und ergänzt so den Bedarf im Spitzenverbrauch. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die NorGer-Leitung grundsätzlich auch konventionellen Energieträgern zur Verfügung steht. Ziel beim Betrieb des kommerziellen Leitungskabels ist es letztlich, die Differen-zen beim Strompreis zwischen Deutschland und Norwe-gen zu nutzen.

Das für die Projektplanung, den Bau und den Betrieb zuständige Unternehmen NorGer KS, mit Sitz in Nor-wegen, befindet sich zurzeit vollständig im Besitz des norwegischen Übertragungsnetzbetreibers Statnett SF. 14 Im Jahr 2006 wurde die NorGer AS KS gegründet und in Norwegen als Unternehmen eingetragen. 2007 folg-ten dann Studien und Folgeanalyse für Norwegen. 15 Am 3. März 2009 hat das Konsortium NorGer bei der EU-Kommission, der Bundesnetzagentur (BNetzA) und den norwegischen Behörden einen Antrag entsprechend Art. 7 der EU-Verordnung 1228/2003 über die Netz-zugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel eingereicht.

Derzeit erfolgt die Projektgenehmigung und es wer-den Ausschreibung und Investitionsentscheidung getätigt. Ab 2012 soll der Bau beginnen, so dass die Nordseeleitung NorGer 2015/2016 in Betrieb gehen kann. 16

Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwick-lung (NMELVL) – Regierungsvertretung Oldenburg – hat am 29. 3. 2011 die Landesplanerische Feststellung für eine raumverträgliche Trasse und einen Suchraum (Stand-ort) für die Konverterstation getroffen. Dadurch wurde das Raumordnungsverfahren für das Projekt NorGer abgeschlossen. 17 Das See- und Landkabel soll als HGÜ-Kabel mit einer Übertragungskapazität von 1.400 MW ausgeführt werden. Das NorGer-Kabel hat eine Gesamt-länge von mehr als 600 km und soll von der Südspitze Norwegens bei Kristiansand durch das Skagerak und die Nordsee nach Deutschland verlaufen. Die landesplane-risch festgestellte Trasse verläuft im Küstenmeer nördlich der Inseln Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge so-wie im weiteren Verlauf östlich des Jadefahrwassers. 18 Die

Anlandung ist in der Gemeinde Butjadingen (Landkreis Wesermarsch) nördlich von Eckwarderhörne vorgesehen. Die Erdkabeltrasse durch den Landkreis Wesermarsch hat eine Länge von rund 47 km und wurde insbesondere unter Berücksichtigung der Belange Wohnen, Erholung und Tourismus, Naturschutz und Landwirtschaft festge-legt. Die Errichtung der Konverterstation zur Anbindung an das 380 kV-Höchstspannungsnetz ist am noch neu zu schaffenden Netzknoten „380 kV-Schaltanlage Moor-riem“ (Stadt Elsfleth) vorgesehen. Derzeit werden zwi-schen dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT und der Stadt Elsfleth noch Alternativstandorte zum bisher vor-gesehenen Standort der Schaltanlage östlich von Barden-fleth abgestimmt. 19

II. Rechtliche Rahmenbedingungen

Neben den Genehmigungen in Deutschland erfordert das NorGer-Projekt auch Genehmigungen in Dänemark und Norwegen. In Norwegen wird eine Genehmigung für den Bau und den Betrieb der Leitung in der norwegischen Aus-schließlichen Wirtschaftszone (AWZ), der 12-Seemeilen-Zone und dem Festland benötigt sowie für den Bau und Betrieb der dortigen Konverterstation. Im November 2009 wurde hierfür ein Antrag auf Baugenehmigung bei den zu-ständigen Behörden eingereicht. In Dänemark wird eine Genehmigung für den Bau und den Betrieb der Leitung in der dänischen AWZ benötigt. Hierzu wurden die An-tragsunterlagen im Juni 2008 bei den zuständigen Behör-den eingereicht. 20

Im Folgenden soll der rechtliche Rahmen für Deutsch-land geklärt werden. Dabei wird zunächst das Rechtsre-gime am Festland und im Küstenmeer erläutert. Für die Analyse sind ferner die rechtlichen Auswirkungen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) zu prüfen. Aufgrund der Aktualität liegt aber besonderes Augenmerk auf der AWZ.

1. Festland und Küstenmeer

Werden Kabel aus der AWZ zum Land hin verlegt, errei-chen sie zunächst das Küstenmeer und damit das Hoheits-

Wemdzio/Roßegger/Ramin, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der HGÜ

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9) AGEE-Stat, Stand August 2011, Strommix 2010 in Deutschland: Kernenergie 22 %, Kohle 42 %, Gas 13 %, Erneuerbare Energien 17 % und Sonstige 6 %.

10) Siehe NorGer, (o. Fußn. 6). 11) Siehe zu ähnlichen, bereits realisierten Projekten Skog/Kore-

man/Pääjärvi/Worzyk/Andersröd, The nordned HDC-Cable link, http://www05.abb.com/global/scot/scot221.nsf/verity display/f3a6c2afe601d185c125718e002e3823/$file/the%20norned%20hvdc%20cable%20link.pdf, Abruf am 29. 12. 2011; Statnett, NordNed, http://www.statnett.no/no/, Abruf am 23. 9. 2011.

12) Nach vorläufiger Planung handelt es sich um zwei Kabel mit ei-nem Außendurchmesser von ca. 130 mm; das Kabelgewicht be-trägt ca. 50 kg/m je Kabel; Fichtner, (Fn. 6), S. 3–6 f.

13) NorGer, (o. Fußn. 6).14) Siehe dazu auch: Statnett, (o. Fußn 11).15) NorGer, (o. Fußn. 6).16) Realisierung möglicherweise erst im Jahre 2021; Zur Diskussion

der Umsetzung des Projekts, http://www.umspannwerk-moor-riem.de/allgemein/norger-ruckzug-der-investoren/, Abruf am 29. 12. 2011.

17) NorGer, (o. Fußn. 6).18) NMELVL, (o. Fußn. 6).19) Niedersächsische Staatskanzlei, Netzausbau in Niedersachsen,

http://www.netzausbau-niedersachsen.de/verfahren/norger-ka-bel/index.php, Abruf am 29. 12. 2011; zur Kontroverse Netzkno-ten Moorriem vs. Alternativstandorte, siehe dazu, http://www.umspannwerk-moorriem.de/allgemein/norger-leitung-konnte-in-hohe-des-kernkraftwerkes-unterweser-ans-netz-gehen/, Ab-ruf am 29. 12. 2011.

20) NorGer, (Fn. 6).

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gebiet des Anrainerstaats. Sie unterliegen dann dem jewei-ligen Raumordnungsrecht. 21 Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sind nach § 15 ROG einem besonderen Verfahren, dem Raumordnungsverfahren, zu unterwer-fen, wenn sie in der Raumordnungsverordnung aufgeführt sind. Sie müssen dann untereinander und mit den Bedürf-nissen der Raumordnung abgestimmt werden. Insbeson-dere wird die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung sowie die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen geprüft. 22 In der Raumordnungsverordnung werden die Planungen und Maßnahmen aufgeführt, für die ein Raumordungs-verfahren durchgeführt werden soll; Seekabel oder Erd-kabel sind nicht aufgeführt. Gemäß § 13 des Niedersäch-sischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung (NROG) können jedoch Raumordnungsverfahren, ne-ben den in der Raumordnungsverordnung genannten Pla-nungen und Maßnahmen, auch für andere raumbedeut-same Vorhaben von überörtlicher Bedeutung durchgeführt werden. Vom NMELVL – Regierungsvertretung Olden-burg – wurde bestimmt, dass für die NorGer-Kabel ein Raumordnungsverfahren für das Festland und das Küsten-meer bis zur Grenze der 12-Seemeilen-Zone durchzufüh-ren ist. 23 Weiterhin wurde festgelegt, dass ein gemeinsa-mes Raumordnungsverfahren für die Kabel an Land und im Küstenmeer durchgeführt werden soll und das Verfah-ren behördlich von der Regierungsvertretung Oldenburg geführt wird. 24

Nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens folgt das Genehmigungsverfahren.

Gemäß § 43 EnWG ist für größere Leitungsvorhaben ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. 25 § 43 Satz 1 Nr. 4 EnWG schreibt für grenzüberschreitende Gleich-strom-Hochspannungsleitungen, die als Freileitung oder Erdkabel verlegt werden und keine Offshore-Anbin-dungsleitungen sind, im Bereich des Küstenmeeres und bei landseitiger Fortführung ein Planfeststellungsverfah-ren vor. Es handelt sich hierbei insbesondere um interna-tionale Leitungen für den Stromhandel. Ergänzend dazu eröffnet § 43 Satz 3 EnWG die Möglichkeit eines Plan-feststellungsverfahrens für Hochspannungsleitungen mit einer Nennspannung von 110-kV, die als Erdkabel im Küstenbereich von Nord- und Ostsee verlaufen. Die Vor-schrift gilt unabhängig davon, ob das Erdkabel dem An-schluss einer Offshore-Anlage oder einer sonstigen Er-zeugungsanlage an das Netz dient. Darüber hinaus ist ein fakultatives Planfeststellungsverfahren auch in § 2 Abs. 3 Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) vorgesehen. Hier-nach kann ein Planfeststellungsverfahren gem. § 43 EnWG für bestimmte im Gesetz festgelegte Leitungstrassen, auf denen der Einsatz von Erdkabeln im Höchstspannungs-übertragungsnetz als Pilotvorhaben getestet werden soll, durchgeführt werden. Gemäß § 43 Satz 5 EnWG gelten für das Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe des Energie-wirtschaftsgesetzes die §§ 72 bis 78 VwVfG. Diese Maß-gaben sollen nach § 43 Satz 6 EnWG entsprechend gelten, soweit das Verfahren landesrechtlich durch ein Verwal-tungsverfahrensgesetz geregelt ist.

Damit wird das Verfahren vorrangig durch das Ener-giewirtschaftsgesetz bestimmt, wobei es in den §§ 43 a ff. EnWG die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungs-verfahrensgesetzes des Bundes bzw. der Verwaltungsver-fahrensgesetze der jeweiligen Länder modifiziert. 26

In der bereits durchgeführten Raumverträglichkeitsstu-die wurde für das Küstenmeer besonderes Augenmerk auf die Belange der Schifffahrt, der Natur und der Landschaft gelegt. Mehrere Trassenvarianten wurden eingehend na-turschutzfachlich analysiert. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Umweltauswirkungen des Projekts in erster Linie während der Bauphase auftreten werden. Nicht kompensierbare artenschutzrechtliche Konflikte sind nicht ersichtlich. 27

2. Rechtliche Auswirkungen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes

Der forcierte Umbau der Energieversorgung auf regene-rative Energien bedeuten eine Zäsur für den Ausbau der Netzinfrastruktur. 28 Der Ausbau muss erheblich beschleu-nigt werden, damit der Öko-Strom zum Verbraucher ge-langen kann. Die Herausforderung besteht darin, für den Umbau der Energieversorgung die entsprechende Netzin-frastruktur bei den Stromnetzen bereitzustellen. Ein Maß-nahmenpaket soll dafür sorgen,

die zeitliche Komponente der Planungs- und Geneh-migungsverfahren zu reduzieren,

für mehr Akzeptanz des Leitungsbaus bei den Men-schen zu sorgen und

optimale Investitionsbedingungen zu schaffen.Um vorgenannte Ziele zu erreichen, beschloss der Bun-

destag, das Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze 29, mit dem im Artikel 1 das „Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG)“ zum 5. 8. 2011 in Kraft trat und Änderungen im Energie- und Umweltrecht des Bundes (Art. 2–6 des Ge-setzes) 30 vollzogen wurden.

Ziel des NABEG ist es, die Genehmigungsverfahren – über das fortbestehende Energieleitungsausbaugesetz hi-naus – zu beschleunigen. Wegen der bundesweiten Be-deutung des Netzausbaus sollen die bisher notwendigen unterschiedlichen Genehmigungsverfahren abgeschafft werden. Nötig ist ein bundesweit einheitliches Geneh-migungsverfahren. Damit soll das Verfahren vereinfacht werden. Hierzu wird zukünftig eine in dem Bereich ein-heitliche Bundesfachplanung angestrebt. Diese wird von der Bundesnetzagentur in Abstimmung mit den betroffe-nen Ländern durchgeführt. Das Ergebnis der Bundesfach-planung ist der Bundesnetzplan: Darin werden die not-wendigen Trassenkorridore bundesweit ausgewiesen und für den Bau von Höchstspannungsleitungen reserviert. Eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit ist vorge-sehen. Der neue Rechtsrahmen sieht u. a. als ersten Schritt die Aufstellung eines 10-Jahres-Netzentwicklungsplans vor (§§ 12 a ff. EnWG). Dieser Plan enthält insbesondere alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Opti-mierung, zur Verstärkung und zum Ausbau des Strom-netzes, die in den nächsten zehn Jahren erforderlich sind. In einem zweiten Schritt übergibt die Bundesnetzagentur den 10-Jahres-Netzentwicklungsplan der Bundesregie-rung als Entwurf für den „Bundesbedarfsplan Übertra-gungsnetze“, die den Plan dem Bundesgesetzgeber vorle-

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21) Brandt/Dreher, NordÖR 2003, S. 138, 140.22) Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.23) NMELVL – Regierungsvertretung Oldenburg – Landesplane-

rische Feststellung. Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung für eine HGÜ-Kabelverbin-dung zwischen Deutschland und Norwegen (Projekt NorGer), S. 20, abgerufen am 9. 1. 2012, unter: http://www.netzausbau- niedersachsen.de/downloads/norger---landesplanerische-fest stellung.pdf

24) Siehe Fichtner, (Fn. 6), S. 2–3.25) Kaltenborn, LKRZ 2010, S. 321, 323.26) Siehe näher zu dem Prüfungsumfang Kaltenborn. LKRZ 2010,

S. 321, 323.27) So NorGer, (Fn. 6).28) Dazu und im Folgenden BMWI, Eckpunktepapier für ein Netz-

ausbaubeschleunigungsgesetz („NABEG“), http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eckpunkte-netzausbau-nabeg, property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf, Abruf am 29. 12. 2011.

29) BGBl. I 2011, S. 1690 ff.30) Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Bun-

desnaturschutzgesetzes (BNatSchG), der Stromnetzentgeltver-ordnung, der Anreizregulierungsverordnung und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, siehe BGBl. I 2011, S. 1690, 1698 ff.

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gen wird. Auf dieser Grundlage sollen nach dem kürzlich verabschiedeten Netzausbaubeschleunigungsgesetz die weiteren konkreten Netzausbauplanungen vorangetrieben werden. Grundlage für die fundierte Erstellung des Netz-entwicklungsplans ist der von den Übertragungsnetzbe-treibern erarbeitete Szenariorahmen (§ 12 a EnWG), 31 der den energiewirtschaftlich notwendigen Netzausbau maß-geblich bestimmen wird. Die Übertragungsnetzbetreiber haben gemäß der gesetzlichen Vorgaben drei Szenarien über einen zehnjährigen Zeithorizont ermittelt, die im Rahmen der energiepolitischen Ziele der Bundesregie-rung die Bandbreite der wahrscheinlichen Entwicklung der nächsten zehn Jahre beinhalten. Eines der Szenarien stellt darüber hinaus auf die Entwicklung der nächsten 20 Jahre ab. Mit dem Szenariorahmen liegen die Rand-bedingungen für eine Simulation des künftig zu erwar-tenden Kraftwerkseinsatzes für Deutschland und für Eu-ropa vor. Das Ergebnis sind die entsprechend zu treffenden Netzausbaumaßnahmen. Aus den vorgeschlagenen Netz-ausbaumaßnahmen wird schließlich der Netzentwick-lungsplan erstellt.

Nach § 12 e EnWG übermittelt die Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) den Netzentwicklungsplan alle drei Jahre der Bundesregierung als Entwurf für einen Bundes-bedarfsplan. Die Beschleunigung des Ausbaus der länder-übergreifenden und grenzüberschreitenden Höchstspan-nungsleitungen im Sinne des § 12 e EnWG erfolgt nach Maßgabe des NABEG.

Sofern das Projekt NorGer zum Netzentwicklungsplan gehört – was nach derzeitigem Stand nicht der Fall ist –, würde sich das weitere Verfahren nach dem NABEG zu richten haben.

Nach den §§ 4 ff. NABEG werden für Höchstspan-nungsleitungen, die nach dem Bundesbedarfsplan über-regional oder europäisch bedeutsam sind, Trassenkorri-dore (500–1000 m Breite) festgelegt. Danach erfolgt eine Prüfung der Raumverträglichkeit, einschließlich mög-licher Alternativen. Die Raumverträglichkeit ist die Grundlage für die Planfeststellung. Eine Entscheidung über die Bundesfachplanung wird durch die Bundesnetz-agentur, mit der Festlegung des Trassenkorridors, einer Bewertung der Umweltauswirkungen sowie dem Ergeb-nis der Alternativenprüfung, gefällt. Die Entscheidung ist dann verbindlich für die nachfolgende Planfeststellung (§§ 15 ff. NABEG). Nach § 18 ff. NABEG erfolgt sodann die Planfeststellung.

Das beschriebene Procedere findet aber nur Anwen-dung, soweit es sich um das Verfahren für das bundesdeut-schen Festland und das Küstenmeer handelt. In der AWZ ist das NABEG nicht anwendbar. So gilt das Gesetz nach § 1 S. 1 NABEG für den Ausbau der länderübergreifenden und grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen, worunter grundsätzlich auch Leitungen in der AWZ fal-len, jedoch ist die Intention des Gesetzgebers maßgeblich: eine Beschleunigung des Ausbaus der Übertragungsnetze mit überregionaler oder europäischer Bedeutung. 32 Damit will die Legislative den raschen Ausbau der Leitungen in Deutschland fördern. 33

Die Seeanlagenverordnung – das einschlägige Spezialge-setz für die AWZ – wurde für das neue Bundesrecht nicht geändert. Auch wird das Energiewirtschaftsrecht mit sei-nen neuen Vorschriften nicht auf die AWZ ausgeweitet. Darüber hinaus schreibt § 43 Satz 1 Nr. 3 EnWG für Hoch-spannungsleitungen, die zur Netzanbindung von Off-shore-Anlagen dienen und als Seekabel, landeinwärts als Freileitung oder Erdkabel bis zu dem technisch und wirt-schaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes verlegt werden sollen, ein Planfeststellungsverfahren vor. Die Vorschrift wird aber ausdrücklich auf das Küstenmeer beschränkt. Demzufolge gilt das NABEG nur auf dem deutschen Festland und im deutschen Küstenmeer.

3. Genehmigung in der AWZa) Rechtlicher Überblick

Die Verlegung von Transit-Rohrleitungen und Unterwas-serkabeln unterliegt nach § 2 Abs. 3 BBergG dem Berg-recht. Nach § 133 Abs. 1 BBergG bedarf die Errichtung und der Betrieb einer Transit-Rohrleitung in oder auf dem Festlandsockel einer Genehmigung. § 133 Abs. 4 BBergG erstreckt die Genehmigungspflicht auch auf die Verlegung und den Betrieb von Unterwasserkabeln.

Bergrechtliche Genehmigungen sind als gebundene Ent-scheidungen ohne Ermessensspielraum ausgestaltet. 34 Eine Genehmigung darf nach § 133 Abs. 2 Satz 1 BBergG nur versagt werden, wenn eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder von Sachgütern oder eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Inte-ressen zu besorgen ist, die nicht durch eine Befristung, durch Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgegli-chen werden kann. Die Versagungsgründe des § 133 Abs. 2 Satz 1 BBergG sind abschließend. 35 Es sind keine weiteren Erwägungen zulässig, mit denen eine Versagung begrün-det werden könnte. 36

Eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher In-teressen liegt nach § 133 Abs. 2 Satz 2 BBergG insbeson-dere in den in § 132 Abs. 2 Nr. 3 BBergG genannten Fäl-len vor. Dazu zählen unter anderem die Beeinträchtigung der Pflanzen- und Tierwelt in unvertretbarer Weise (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) sowie die Besorgnis der Verunreini-gung des Meeres (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 lit. d). Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) fehlt. 37 Nach § 133 Abs. 2a BBerGG, ist eine UVP durchzuführen, soweit es sich um eine Anlage im Sinne des § 3 UVPG handelt. Das ist bei HGÜ-Kabeln nicht der Fall. 38

Kompetenzrechtlich ist nach § 133 Abs. 1 BBergG bei der Genehmigung von Transit-Rohrleitungen und Kabeln

in bergbaulicher Hinsicht und hinsichtlich der Ordnung der Nutzung und Benut-

zung der Gewässer über dem Festlandsockel und des Luftraumes über diesen Gewässern

zu unterscheiden. 39 Für die Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

BBergG sind die Bergbehörden, für die Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBergG ist das Bundes-amt für Seeschifffahrt und Hydrographie zuständig (§ 133 Abs. 1 Satz 2 BBergG). Verfahrensrechtlich handelt es sich dabei nicht um eine, sondern – ausweislich des Wortlauts des § 133 Abs. 2 Satz 1 BBergG – um zwei rechtlich selbst-ständige Genehmigungen. Zwischen den beiden Geneh-migungen besteht aber ein innerer Zusammenhang. Die Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBergG darf nur nach Vorliegen einer Genehmigung nach § 133

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31) Dazu näher BNA, Szenariorahmen für den Netzentwicklungs-plan 2012, http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Down loads/ DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/Energienetzausbau/SzenariorahmenNEP_2012pdf.pdf?__blob= publication File, Ab-ruf am 29. 9. 2011.

32) Siehe § 1 S. 1 RegEntwNABEG, BT-Drs. 17/6073, S. 7.33) Siehe BT-Drs. 17/6073, S. 17, 22 f.34) Siehe Wolf, AWZ-Vorhaben: Rechtliche und naturschutzfach-

liche Aspekte beim Bau und Betrieb von Stromkabel, 2004, S. 20 ff.; Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.

35) Boldt/Weller, Bundesberggesetz-Kommentar, 1984, § 133, Rdnr. 6.36) Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.37) Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.38) So auch BSH, Genehmigungsverfahren Transit-Rohrleitungen

und Unterwasserkabel, http://www.bsh.de/de/Meeresnutzung/Wirtschaft/Rohrleitungen/index.jsp, Abruf am 29. 12. 2011.

39) Siehe dazu Wolf, AWZ-Vorhaben: Rechtliche und naturschutz-fachliche Aspekte beim Bau und Betrieb von Stromkabel, 2004, S. 20 ff.

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Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBergG erteilt werden (§ 133 Abs. 1 Satz 3 BBergG). Es besteht zwischen beiden Genehmi-gungen daher Akzessorietät. Daraus resultiert die Gefahr, dass sich die jeweils zuständigen Behörden gegenseitig blockieren. Dies erscheint zumal deswegen problematisch, weil sie durch unterschiedliche Gebietskörperschaften er-folgen. Die Bergbehörden sind Behörden der Länder, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie ist eine Bundesbehörde. Konflikte, die nicht übereinstimmend beigelegt werden können, laufen daher auf eine Bund-Länder-Streitigkeit 40 hinaus. 41 Eine Konfrontation des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) – als zuständige Landesbehörde 42 – mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie scheint im untersuchten Fall aber wenig wahrscheinlich. Vielmehr sind kommu-nale Streitigkeiten bezogen auf den Anlandungspunkt des Unterwasserkabels festzustellen. 43 Daneben wird Kritik – der Vorwurf fehlender Transparenz – bei der Bürgerbe-teiligung im Zusammenhang mit dem Raumordnungs-verfahren geäußert. 44

b) Tatbestände des § 133 Abs. 2 BBergGaa) Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder Sachgütern zu besorgen ist. Da es sich hier um eine Anlagengenehmigung handelt, darf die gängige Definition aus dem Immissionsschutzrecht als Richtmaß dienen. Eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder Schädigung von Sachgü-tern ist anzunehmen, wenn nach den bestehenden Erkennt-nismöglichkeiten die vernünftigerweise nicht auszuschlie-ßende Möglichkeit (hinreichende Wahrscheinlichkeit) besteht, dass durch die Anlage

der Tod eines Menschen, die Schädigung der Gesundheit eines Menschen oder die Schädigung einer Sache hervorgerufen werden. 45 In Betracht kommen Beeinträchtigungen durch den

Baubetrieb, einschließlich der durch baubedingten Ver-kehr hervorgerufenen Lichteinwirkungen, des Baulärms und der Schadstoffemissionen. Vorhabenbedingte Beein-trächtigungen, wie optische Wirkungen sowie Lärm- und Schadstoffemissionen sind nicht zu befürchten. Die Bauarbeiten werden wahrscheinlich in einzelne Bauab-schnitte begrenzt und damit in zeitlicher Hinsicht über-schaubar sein. 46 Anlagenbedingt und betriebsbedingt kommen Beeinträchtigungen durch Instandhaltungs-, Wartungs- sowie Überwachungsarbeiten in Betracht. Das Befahren der Trasse mit einem Schiff kann vergleich-bare Auswirkungen, wie sie in der Bauphase auftreten, hervorrufen. 47 Die Wirkungsintensität wird aber wahr-scheinlich geringer ausfallen, da es sich bei Reparaturar-beiten um punktuelle und kurzfristige Instandhaltungs-maßnahmen handelt. Überwachungsarbeiten sorgen für die Sicherheit der Kabeltrasse, so dass eventuell nicht vor-hersehbare Gefahren auf ein Minimum reduziert werden können.

In Betracht kommen auch Gefährdungen von Sachgü-tern. Hier ist bau- und betriebsbedingt an die Gefährdung von Kultur- und Sachgütern (z. B. andere Seekabel oder Schiffswracks) zu denken. Durch archäologische Vorun-tersuchungen sollte sichergestellt werden, dass keine der-artigen Güter zu Schaden kommen. Sollten während der Bauarbeiten Schiffswracks oder andere Kulturdenkmäler entdeckt werden, gelten die Bestimmungen des § 14 Nie-dersächsisches Denkmalschutzgesetz, wonach der Boden-fund und die Fundstelle bis zum Ablauf von drei Werk-tagen nach der Anzeige unverändert zu lassen und vor Gefahren für die Erhaltung des Bodenfundes zu schüt-zen sind. Dadurch wird die Beschädigung bislang noch unbekannter Schiffswracks und von Kulturdenkmälern verhindert.

Submarine Kabel sind in Seekarten dokumentiert, so dass bei Verlegungsarbeiten darauf Rücksicht genommen wer-den muss.

bb) Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessenaaa) SchifffahrtGemäß § 133 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3a und b BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn der Be-trieb und die Wirkung von Schifffahrtsanlagen und -zei-chen sowie die Benutzung der Schifffahrtswege bzw. die Schifffahrt in unvertretbarer Weise beeinträchtigt werden und dies nicht durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden kann. Eine ordnungsgemäße und nach den Re-geln der guten Seemannschaft betriebene Schifffahrt muss auch nach Verlegung und Inbetriebnahme der Leitungen möglich sein. 48 Durch die Verlegung des Unterwasserka-bels könnte der nutzbare Bereich der Fahrwassertiefe für die Schifffahrt verringert werden, was für Schiffe mit er-höhtem Tiefgang zu Einschränkungen führen könnte. Die Verlegung von Leitungen auf dem Meeresboden könnte in-soweit ein Hindernis im Meer darstellen. Um eine solche Gefährdung möglichst gering zu halten, werden verlegte Leitungen generell in die Seekarten eingetragen, damit sich jeder Schiffsführer über die genaue Position der Leitun-gen informieren und einen für ihn sicheren Weg der Kreu-zung wählen kann. Grundsätzlich ist es Obliegenheit der verantwortlichen Schiffsführung, die Betriebsform (Tief-gang, Abladung, und Geschwindigkeit) auf die örtlichen Gegebenheiten einzurichten. 49 Ferner ist das Seekabel we-nige Dezimeter dick. Zudem wird es unter den Meeres-boden verlegt. Eine Beeinträchtigung ist demnach kaum vorstellbar.

bbb) Luftfahrt

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3b BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Be-nutzung des Luftraumes in unvertretbarer Weise beein-trächtigt wird und dies nicht durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden kann. Nach § 6 Abs. 1 Luftverkehrs-ordnung gilt im Sichtflug eine Mindestflughöhe von 150 m

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40) Siehe dazu näher: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 61. Erg.-Lief. 2011, Art. 93, Rdnr. 49 ff.; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG-Kommentar, 34. Erg.-Lief 2011, § 13, Rdnr. 69 ff.

41) Siehe zu Entscheidungsfaktoren in der öffentlichen Verwaltung generell: Puchert, Entscheidungsfaktoren in der öffentlichen Ver-waltung am Beispiel der Windenergie im Landkreis Aurich, 2010.

42) LBEG, Organisationsplan, http://www.lbeg.niedersachsen. de/portal/live.php?navigation _id=628&article_id=916&_psmand=4, Abruf am 29. 12. 2011.

43) Informationsportal NorGer UW Moorriem, http://www.umspann werk-moorriem.de/norger-kabelverbindung-deutschland-norwegen/news/kritik/, Abruf am 29. 12. 2011; NMELVL, (o. Fußn. 6).

44) Siehe Informationsportal NorGer UW Moorriem, (o. Fußn. 43).45) OVG Münster, Beschl. v. 24. 6. 1994 – 21 B 847/94; Hansmann,

in: Landmann/Rohmer, BImSchG, 2011, § 25 Rdnr. 25.46) Siehe dazu Ausführungen bei Norned, http://www.norned-

auction.org/default.aspx, Abruf am 22. 9. 2011; Stehmeier, Ver-legung von Unterwasserkabeln in Bundeswasserstraßen sowie küstennahen Bereichen, 2006; Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.

47) Dazu Nordstream, Vorhaben und Zulassung für den deutschen Zuständigkeitsbereich, 2009, S. 66 ff.; siehe zur Bauphase auch: Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.

48) Brandt/Gaßner, SeeAnlV-Kommentar, 2003, § 3, Rdnr. 17 ff.49) BSH, Genehmigungsbescheid für die Errichtung und den Betrieb

der Erdgashochdruckleitung „Nord Stream“ vom 28. 12. 2009 (Az. 522/Nord Stream/M5384), S. 20 ff.; siehe auch: Skog/Ko-reman/Pääjärvi/Worzyk/Andersröd, The norned HDC-Cable link, http://www05.abb.com/global/scot/scot221.nsf/verity display/f3a6c2afe601d185c125718e002e3823/$file/the%20norned%20hvdc%20cable%20link.pdf, Abruf am 23. 9. 2011.

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über freiem Gelände, Hindernisse sind mit einem Mindest-abstand von 150 m zu umfliegen. Jeglicher anderer Flug-verkehr findet in größeren Höhen statt. Die durch den Baubetrieb zu erwartenden Schiffsverkehre und Verle-gungsarbeiten finden unmittelbar auf dem Wasser in gerin-ger Höhe statt, so dass der Luftraum über dem Baubetrieb nicht beeinträchtigt wird. Hochaufragende Kräne sind nach dem Stand der Technik ohnehin nur auf solchen Ver-legeeinheiten zugelassen, wenn sie nachts mit einer roten Warnbefeuerung ausgerüstet sind. Eine Beeinträchtigung des Luftraumes ist also auch eher unwahrscheinlich.

ccc) Fischerei

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3b BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn der Fisch-fang in unvertretbarer Weise beeinträchtigt wird und dies nicht durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden kann. Während der Bauphase könnte es zu kleinräumigen und temporären Einschränkungen kommen. Diese werden wohl in Relation zum gesamten Einzugsbereich als ver-nachlässigbar gering einzustufen sein. Zudem gibt es im deutschen Festlandsockel keine räumlich definierten Fi-schereirechte im Sinne einer individuellen Zuordnung. Es besteht nur die grundsätzliche Möglichkeit, im Rahmen der vorgegebenen Fischfangquoten Fisch zu fangen und wirtschaftlich zu verwerten. Nach der gefestigten höchst-richterlichen Rechtsprechung haben Fischer im Meer kei-nen Anspruch auf Schaffung oder Aufrechterhaltung be-stehender günstigen Benutzungsverhältnisse. Vielmehr müssen sie Veränderungen im Meer durch Naturgewalten ebenso hinnehmen wie die erlaubte Benutzung des Meeres durch andere. Sie haben auch sonst das rechtmäßige Vorge-hen Dritter zu dulden. 50 Es folgt aus der ständigen Spruch-praxis des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine Rechtsbe-einträchtigung eines Fischereibetriebes erst dann vorliegt, wenn der Bestand des Betriebes gerade durch die Zulassung eines Vorhabens ernsthaft gefährdet wird, weil die vorge-gebene Situation nachhaltig verändert und hierdurch der Betrieb schwer und unerträglich getroffen werden würde. 51 Eine solche Betroffenheit ist nicht erkennbar. Fischereibe-triebe werden durch die kurzzeitigen Verlegungsarbeiten nur äußerst marginal betroffen. Aufschluss zu den Auswir-kungen könnte z. B. eine Risikostudie geben. 52

Auch die Gewährleistung einer ausreichenden Versor-gung der Bevölkerung mit dem Nahrungsmittel Fisch ist kein überwiegendes öffentliches Interesse, das einer Ge-nehmigung entgegensteht. Ein maßgeblicher Einfluss auf die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch ist nicht zu er-warten. Die Fanggründe im Bereich des deutschen Fest-landsockels sind, wie sich aus den o. a. Ausführungen zu den erzielten Erträgen ergibt, im Vergleich zu den Berei-chen im Küstenmeer insgesamt von nachrangiger Bedeu-tung. Zudem werden im Zuge einer nachhaltigen Fische-reipolitik und der Vorsorge zum Erhalt der Fischbestände Schutzmaßnahmen wie z. B. jährliche Höchstfangmengen ergriffen. 53

ddd) Ozeanographische und wissenschaftliche Forschungen

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3c BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn ozeano-graphische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen mehr als nach Umständen vermeidbar beeinträchtigt wer-den und dies nicht durch Nebenbestimmungen ausgegli-chen werden kann. In Betracht kommen vor allem For-schungen des BSH. So könnten baubedingt, aber auch betriebsbedingt empfindliche Messstationen, Messnetze oder Monitoringprogramme gefährdet werden. Hier sollte sichergestellt sein, dass vor allem die Bauphase auf einen kompakten, möglichst kurzen Zeitraum beschränkt wird. Baubedingte Beeinträchtigungen können durch zeitliche Befristungen vermieden werden. Betriebsbedingt ist da-

für zu sorgen, dass das Kabel dem Stand der Technik ent-spricht und Forschungshandlungen nicht unverhältnismä-ßig beeinträchtigt.

eee) Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland

Gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3e BBergG ist die Genehmigung zu versagen, wenn

die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefähr-det ist. Unter Heranziehung des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB bedeutet die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland die „äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die innere Sicherheit ist der Zustand relati-ver Ungefährdetheit von Bestand und Verfassung gegen-über gewaltsamen Aktionen innerstaatlicher Kräfte. Die äußere Sicherheit ist der Zustand relativer Ungefährdetheit gegenüber fremden Staaten. 54

Die Sicherheit wäre gefährdet, wenn der Bau oder der Betrieb des Seekabels militärische Anlagen beeinträchtigen würde, die der Landesverteidigung dienen. Das bedeutet, dass das Kabel keinerlei Störungen für Radaranlagen oder Überwachungstationen hervorrufen dürfte.

fff ) Meeresumwelt

Durch die Realisierung des Vorhabens darf keine Be-einträchtigung der Pflanzen- und Tierwelt (§ 133 Abs. 2 Satz 1, 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3b BBergG sowie keine Verunreinigung des Meeres (§ 133 Abs. 2 Satz 1, 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3d BBergG) oder eine sonstige Gefähr-dung der Meeresumwelt (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BBergG) zu erwarten sein.

§ 132 Abs. 2 Nr. 3b BBergG bezieht sich auf die gesamte Pflanzen- und Tierwelt. Kriterium ist dabei nicht das Vor-liegen einer polizeilichen Gefahr, sondern bereits eine un-vertretbare Beeinträchtigung. 55 Die Formulierung deutet darauf hin, dass nicht jede unerhebliche Störung ausge-schlossen werden muss. Die Erheblichkeit des Eingriffs ist insbesondere nach Ort, Dauer und Schwere des Eingriffs zu ermitteln. Da § 133 BBergG die seevölkerrechtlichen An-forderungen des Art. 79 SRÜ implementiert, liegt es nahe, in Bezug auf den Begriff der Verunreinigung des Meeres im Sinne des § 133 Abs. 2 Nr. 3d BBergG die Definition der Meeresverschmutzung nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ zu-grunde zu legen. Danach liegt eine Meeresverschmutzung vor, wenn sich aus der unmittelbaren oder mittelbaren Zu-führung von Stoffen oder von Energie durch den Menschen in die Meeresumwelt abträgliche Wirkungen ergeben oder ergeben können. 56 Da ortsfeste Anlagen wie Leitungen selbst nicht als zuführbare Stoffe betrachtet werden können, kom-men als Zuführung von Stoffen und von Energie nur Pro-zesse in Betracht, die aus den Leitungen selbst stammen. 57

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50) BGH, Urt. v. 31. 1. 1966 – III ZR 110/64, NJW 1966, 1120; OVG Lüneburg, Beschl. v. 16. 2. 2005 – 7 ME 289/04, NuR 2005, 604 ff.; Dazu näher Wemdzio/Ramin, NuR 2011, S. 189 ff.

51) BSH, (Fn. 49), S. 20 ff.52) Siehe dazu näher: Spangenberger, Theorie und Praxis der qua-

litativen und quantitativen Risikoanalysen als Grundlage für behördliche Entscheidungen, in: Brandt, Das Spannungsfeld Windenergieanlagen – Naturschutz in Genehmigungs- und Ge-richtsverfahren, 2011, S. 67 ff.; Brandt/Spangenberger, Windener-gieanlagen und Rotmilane – Anforderungen an die Bewertung des Tötungsrisikos, RATUBS 1/2011, S. 17 ff.

53) BSH, (Fn. 49), S. 20 ff.54) Steinmetz, in: MüKo-StGB, Bd. 2, 2005, § 92, Rdnr. 18

m. w. N.55) So Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30.56) Siehe dazu auch Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Par-

laments und des Rates vom 17. 6. 2008 zur Schaffung eines Ord-nungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie), ABl. EU 2008, L 164, S. 19 ff.

57) Dazu Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30.

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Das Kriterium der Besorgnis gebietet dabei nicht nur Ge-fahrenabwehr, sondern bereits die Vorsorge. Da die Ver-sagensalternativen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 BBergG nur ex-emplarischen Charakter haben, liegt in der weit gefassten Formulierung der Beeinträchtigung überwiegender öffent-licher Interessen nach § 133 Abs. 2 BBergG der maßgebli-che Bezugsrahmen.

Beeinträchtigungen könnten in vielfältiger Weise entste-hen. 58 So könnten bestimmte Tiergruppen durch optische und akustische Störungen während der Bauphase und wäh-rend Instandhaltungs- oder Wartungsarbeiten beeinträch-tigt werden.

Die für Seekabel notwendigen Verlege- und Trans-portschiffe entsprechen grundsätzlich langsam fahrenden, großen Schiffen. 59 Vor allem für Seevögel sind Gewöh-nungseffekte gegenüber solchen Schiffen bekannt. Durch geringe Geschwindigkeiten der Verlegeschiffe werden keine fluchtartigen Reaktionen der Vögel ausgelöst. Beleuchtun-gen der Verlegetechnik könnten ebenfalls kurzzeitig zu Be-einträchtigungen von störungsempfindlichen Rastvögeln und von Nahrungsgästen wie Seetauchern oder Meeresen-ten führen. Diese Beeinträchtigungen werden aber eben-falls lediglich vorübergehend auftreten. 60

Im Bereich der Kabeltrasse ist baubedingt mit Geräusch-emissionen im Wasser durch den Einsatz von Schiffen und Baumaschinen zu rechnen. Intensiver nieder- und hochfre-quenter Schall kann bei Fischen im Nahbereich Schreck- und Fluchtreaktionen hervorrufen. Dabei reagieren viele Fische nur anfänglich mit Fluchtreaktionen. Schon nach kurzer Zeit treten Gewöhnungseffekte ein.

Als Schwellenwerte für physische Schädigungen von Fi-schen werden 180 bis 220 dB angenommen, als Schwellen-wert für Vermeideverhalten 160 bis 180 dB (re 1 µPa). 61 Die Geräuschemissionen während der Kabelverlegung werden bei der Verlegung z. B. beim NorNed-Kabels auf 45 dB am Eingriffsort veranschlagt, wobei sich die Geräuschin-tensität nach je 800 m um jeweils 5 dB verringert. Wen-det man diese Werte auf die angegebenen Schwellenwerte an, so geht von den Kabelverlegearbeiten bei dem ähnli-chen Projekt NorGer keine Schädigung von Fischen aus. In geringer Entfernung werden durch den emittierten Schall vermutlich Fluchtreaktionen ausgelöst. Diese Wirkung ist als kurzfristig anzusehen, da die Fische nach Beendigung der Arbeiten voraussichtlich in das Gebiet zurückkehren werden. 62

Schattenwurf und Lichtreflexion durch die fahrenden Schiffe sind in ihrer Auswirkung auf die oberen Wasser-schichten begrenzt und somit ausschließlich für oberflä-chennah lebende, pelagische Fischarten von Bedeutung. 63 Pelagische Fische leben im offenen Meer zwischen Wasser-oberfläche und Meeresgrund. Das Pelagial ist die Region des freien Wassers im Meer und im Binnengewässer. 64 Mög-licherweise führt eine visuelle Unruhe zu einer Meidung der oberflächennahen Wasserschichten durch pelagische Arten. 65 Auch Suchscheinwerfer oder starke Beleuchtungs-einrichtungen der Baggerschiffe und die Baustellenbe-leuchtung (baubedingt) könnten nachts beispielsweise auch potenzielle Lebensräume von Meeressäugern erreichen. Daraus können Beunruhigungen durch visuelle Störreize resultieren. Hierdurch wären aufgrund von bau- und be-triebsbedingten Beeinflussungen vorübergehende Scheuch-effekte zu erwarten.

Fraglich ist, ob bei Robben und Seehunden ebenfalls eine vorübergehende Beeinflussung zu erwarten ist. Bis-herige Untersuchungen im Wattenmeer und an Land be-legen, dass Seehunde auf Segel- und Motorboote in einer Entfernung von bis zu 250 m mit Flucht und bis 500 m Verhaltensreaktionen zeigen. Dabei ist das Ausmaß der Reaktion einerseits abhängig von der Art der Störquelle und andererseits auch von anderen Faktoren wie Jahreszeit, Witterung, Tide und Geburts- sowie Säugephasen. 66 Wei-terhin ist noch unklar, ob sich diese Reaktionen auf Off-

shorebedingungen übertragen lassen. Zumindest wird eine Verhaltensreaktion (Aufschrecken und Unterbrechung von Verhaltensweisen) gegeben sein. Die Auswirkungen wer-den jedoch kleinräumig, von geringer Intensität und von kurzer Dauer sein, da sie auf die Verlegetätigkeiten be-schränkt sind. Lediglich Verhaltensreaktionen sind zu erwarten.

Benthische Lebensgemeinschaften können durch Verle-gen der Kabel zeitweise vertrieben oder zerstört werden. 67 Artengruppen können durch Trübungsfahnen, Sedimen-tationen, Nährstoffsuspensionen und andere kurzzeitige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit beeinflusst wer-den. Benthosorganismen benötigen 1 bis 3 Jahre zur Wie-derbesiedlung von zerstörten Flächen. Es handelt sich auf-grund des geringen Durchmessers der Kabel (130 mm) 68 um kleinräumige Auswirkungen. Nicht alle Benthosorga-nismen werden in der näheren Umgebung betroffen sein. Der vorübergehende Verlust von Benthos ist als sehr klein-flächig einzustufen. 69

Zudem kommen auch temporäre Beeinträchtigun-gen von Meeresgewässern während der Verlegung durch Schadstoffeintrag (Direkteinleitung von Schmiermitteln, diffuse Einträge, Handhabungsverluste, auch durch Stör-fälle) in Betracht. Moderne Kabelmaterialien weisen jedoch eine hohe Beständigkeit auf und auch das Schadstofffreiset-zungspotenzial wird als gering angesehen. 70 Insgesamt sind die zuvor genannten Folgereaktionen mithin als vernach-lässigbar anzusehen. 71

Ferner könnte durch das Verlegen der Kabel der Mee-resboden in seinem morphologischen Aufbau verändert werden. 72 Dauerhafte strukturelle Veränderungen durch Verschüttung und Versandung von Steinen, Geröllen oder Muschelbänken sind nicht auszuschließen, wenn die Ka-bel vergraben werden. Jedoch muss bedacht werden, dass die Kabel lediglich einen Außendurchmesser von 130 mm 73 aufweisen.

Zudem zeigen Untersuchungen an einem vergleichba-ren Kabel im schwedischen Kalmarsund, dass nach zwei-einhalb Jahren in den Riffbereichen Steine und Gerölle als auch teils das auf dem Meeresboden verlegte Kabel mit

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58) Dazu und im Folgenden: BSH, (Fn. 49), S. 20 ff. 59) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, Anforderungen

des Umweltschutzes an die Raumordnung in der deutschen Aus-schließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – einschließlich des Nut-zungsanspruches Windenergienutzung, 2008, S. 88 ff.

60) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 59).61) Evans, The Natural History of Whales and Dolphins, 1998;

Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, Anforderungen des Umweltschutzes an die Raumordnung in der deutschen Aus-schließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – einschließlich des Nut-zungsanspruches Windenergienutzung, 2008, S. 88 ff.

62) Evans, (Fn. 61); Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).

63) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).64) Lexikon der Aquakulturtechnik, Pelagische Fische, http://www.

aquakulturtechnik.de/Lexikon/p/pelagischefische.htm, Abruf am 9. 10. 2011.

65) Dazu und im Folgenden: Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).

66) Vogel, Robben im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Schrif-tenreihe Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer; 2000, Heft 12, S. 3–25, Bach, Einfluss anthropogen bedingter Störungen auf eine Seehundgruppe (Phoca vitulina vitulina Linne) auf Mäkläppen (Südschweden). Seevögel Band 12, 2000, Sonder-heft 1, S. 7–9.

67) Dazu und im Folgenden: BSH, (Fn. 49), S. 20 ff.68) Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.69) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).70) So Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).71) So auch Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).72) BSH, (Fn. 49), S. 20 ff.73) Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.

Page 8: Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht

Rot algen bewachsen waren. 74 Derartige Untersuchungen belegen, dass sich selbst sensible Gebiete wie Riffe mit der Verlegung von Seekabeln nicht wesentlich verändern. 75

Bei Betrieb von HGÜ-Kabeln tritt in der Außenwirkung primär nur ein magnetisches Gleichfeld auf. Das elektrische Feld baut sich innerhalb des Isoliermaterials des Kabels auf und tritt nicht nach außen. Beim Ein- und Ausschalten des Kabels sowie bei Stromänderungen verändert sich das äu-ßere Magnetfeld entsprechend und verbleibt dann statisch in dem jeweiligen Zustand. 76

Um diese Wirkung zu vermeiden, werden zunehmend sog. Flat-Type HGÜ-Kabel verwendet. Bei diesen Kabeln hebt sich das Magnetfeld durch eine besondere Konstruk-tion weitestgehend auf. 77 Keine umweltrelevanten Außen-felder sind bei Drehstromverbindungen gegeben, die al-lerdings wegen ihrer begrenzten Kapazität weniger für Fernleitungen geeignet sind. 78 Gegenwärtig gibt es keine Erkenntnisse über Auswirkungen elektromagnetischer Fel-der auf marine, benthische und wirbellose Organismen. Unbekannt ist, ob sie elektromagnetische Felder wahrneh-men können oder diese Felder eine Bedeutung für ihre Le-bensweise besitzen, und ob bzw. bei welchen Feldstärken physiologische oder verhaltensbiologische Effekte möglich sind. Ebenfalls unbekannt ist, ob mögliche Auswirkungen messbar sein werden. 79

Für eine Reihe von Fischarten, wie Lachs oder Aal ist eine Orientierung am Erdmagnetfeld dokumentiert. 80 Diese Arten könnten durch das kabelbedingte Magnetfeld desorientiert werden. Allerdings konnte mit weitaus hö-heren als den zu erwartenden Feldstärken kein eindeutiger Nachweis der Verhaltensbeeinflussung bei Jungaalen nach-gewiesen werden. Untersuchungen über die Auswirkung schwacher elektrischer Felder auf marine Organismen lie-gen bislang nicht vor. 81

Ebenfalls ist noch weitgehend unbekannt, wie sich Wale und Delphine während längerer und kürzerer Wanderun-gen orientieren. 82 Neben der Orientierung durch Sonar (akustischer Sinn) wird zusätzlich eine Magnetkompass-orientierung (Orientierung im elektromagnetischen Erd-feld) angenommen. 83 Es wird vermutet, dass Wale und Delphine magnetische Rezeptoren dazu nutzen, ihre Posi-tion mittels lokaler Erdmagnetfelder zu bestimmen. Bisher gibt es für diese Hypothese lediglich indirekte Beweise: Massenstrandungen von Walen und Delphinen scheinen teilweise mit Anomalien der lokalen magnetischen Topo-graphie sowie mit geomagnetischen Störungen im Stran-dungsgebiet zusammenzuhängen. 84 Auswirkungen auf-grund anhaltender Überlagerungen des Erdmagnetfeldes durch das Magnetfeld von Kabeln, auf die Orientierung von Schweinswalen, können bisher nicht ausgeschlos-sen werden. Die Beeinträchtigungen liegen jedoch nur im mittleren Bereich, da Schweinswale ihr Verhalten auf Wanderrouten ändern oder ihre Wanderungen unterbre-chen können. 85

Erfahrungsgemäß sind bei bereits installierten HGÜ-Kabeln nie erhebliche umweltrelevante Beeinträchtigun-gen 86 zu verzeichnen gewesen. 87 Wahrscheinlich werden lediglich während der Bauphase größere Beeinträchtigun-gen 88 – die jedoch durch zeitliche Beschränkungen einge-grenzt werden können – in Betracht kommen. Inwieweit diese Beeinträchtigungen vertretbar sind, kann erst nach einer umfassenden naturschutzfachlichen Prüfung 89 fest-gestellt werden. Bisherige Untersuchungen zeigen jedoch, dass keine erheblichen Auswirkungen zu befürchten sind. Ein zyklenorientiertes Monitoring könnte Aufschluss über weitere Beeinträchtigungen liefern.

Bei Eingriffen in die (Meeres-)Umwelt stellt sich immer die Frage nach einer wirksamen Kompensationsregelung. Nach § 15 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen sowie unvermeidbare Be-einträchtigungen auszugleichen oder in sonstiger Weise

zu kompensieren. Voraussetzung für einen Eingriff ist die Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen (§ 14 BNatSchG). Dazu gehört auch das Gewässerbett. 90 Allerdings ist die naturschutzrechtliche Erstreckungsklau-sel gemäß § 56 Abs. 3 BNatSchG bis zum 1. 1. 2017 in der AWZ nicht anwendbar. 91

Allerdings sieht das Zulassungsrecht in § 133 Abs. 2 BBergG die Verhütung oder den Ausgleich von Beein-trächtigungen durch Befristungen, Bedingungen und Auflagen vor. Eine korrespondierende materiell-rechtli-che Regelung ist damit vorhanden, auf deren Grundlage kompensatorische Maßnahmen vom Vorhabenträger ver-langt werden können. 92 In diesem Fall greift die Rechtsfol-genkaskade der Eingriffsregelung nicht und Landesrecht-liche Bestimmungen über die Ausgleichszahlungen finden in der AWZ keine Anwendung. Es ist jedoch nach Maß-gabe von § 132 Abs. 2 BBergG zulässig, dem Vorhabenträ-ger die Erfüllung von Auflagen aufzugeben, mit denen die

Wemdzio/Roßegger/Ramin, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der HGÜ

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246 NuR (2012) 34: 239–247

74) Malm, Wind power plants in the sea – A method to locally in-crease the biodiversity in the Baltic Sea? Report to the Natio-nal Energy Agency, Wind research program. Stockholm Univer-sity Department of Botany, section for plant ecology. February 2005.

75) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).76) Kullnik/Marhold, Abschätzung direkter und indirekter biologi-

scher Wirkungen der elektrischen und magnetischen Felder des EuroKabel/Viking Cable HGÜ-Bipols auf Lebewesen der Nord-see und des Wattenmeers, 1999, S. 4 ff.; Wolf, AWZ-Vorhaben: Rechtliche und naturschutzfachliche Aspekte beim Bau und Be-trieb von Stromkabel, 2004, S. 20 ff.

77) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).78) Wirtz/Schuchardt, Auswirkungen von Rohrleitungen und Strom-

kabel, in: Lozán/Rachor/Reise/Sündermann/Westernhagen (Hrsg.): Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer. Eine ak-tuelle Umweltbilanz. Hamburg: Wissenschaftliche Auswertun-gen, S. 154 ff.; zur Begründung bei NorGer siehe auch: Fichtner, (Fn. 6), S. 1-1 ff.

79) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).80) Kullnik/Marhold, Abschätzung direkter und indirekter biologi-

scher Wirkungen der elektrischen und magnetischen Felder des EuroKabel/Viking Cable HGÜ-Bipols auf Lebewesen der Nord-see und des Wattenmeers, 1999, S. 4 ff.

81) Debus, Elektrosmog im Meer durch gleichstromerzeugte elek-trische und magnetische Felder – eine Literaturstudie. Deutsche Hydrographische Zeitung, Supplement 1998; 8, S. 167 ff.

82) Siehe auch Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).

83) Siehe u. a. Müller/Frings, Tier- und Humanphysiologie – Eine Einführung, 4. Aufl. 2009, S. 500.

84) So Klinowska, The cetacean magnetic sense – evidence from stran-dings, in: Bryden/Harrison (Hrsg.), Research on dolphins, 1996, S. 401 ff.

85) Janssen/Sordyl/Albrecht/Konieczny/Wolf/Schabelon, (Fn. 61).86) Siehe zur Feststellung von Erheblichkeiten mittels Risikoanaly-

sen: Brandt, Das Spannungsfeld Windenergieanlagen – Natur-schutz in Genehmigungs- und Gerichtsverfahren, 2011, S. 67 ff.; Brandt/Spangenberger, Windenergieanlagen und Rotmilane – An-forderungen an die Bewertung des Tötungsrisikos, RATUBS 1/2011, S. 17 ff.

87) Siehe dazu näher Andrulewicz/Napierska/Otremba, The environ-mental effects oft he installation and functioning of the sub-marine SwePol Link HVDC transmission line, 2002, S. 1 ff.; Merck/v. Nordheim, Technische Eingriffe in marine Lebensräume, BfN, 2000, S. 1 ff.

88) Siehe zum Begriff Beeinträchtigungen näher bei Wemdzio, Der unbestimmte Rechtsbegriff „erhebliche Beeinträchtigungen“ im Spannungsverhältnis Windenergieanlagen und Naturschutz – unter besonderer Berücksichtigung des Rotmilans, (erscheint in NuR 2012, Heft 7).

89) Siehe zu naturschutzfachlichen Prüfungen und deren Reichweite auch: Wemdzio, (Fn. 38).

90) VGH München, Urt. v. 21. 4. 1998 – 9 B 92.3454, NuR 1999, S. 153 ff.

91) Dazu Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.92) Wolf, UPR 1998, S. 281, 286; Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.

Page 9: Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht

Die durch neue gesetzliche Regelungen teilweise bereits eingeleitete Energiewende hat in erster Linie den Ausstieg aus der Atomenergie und den zügigen Ausbau der erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung zum Ziel. Dies sowie der optimale wirtschaftliche Einsatz konventio-neller Kraftwerke und der verstärkte grenzüberschreitende Stromhandel machen den raschen Ausbau des Höchstspannungs-Übertragungs netzes in Deutschland erforderlich. Dem soll das Netzausbaubeschleunigungs-gesetz Übertragungsnetz (NABEG) Rechnung tragen. Zu den darin enthaltenen Beschleunigungsfaktoren gehört die vorzeitige Besitzein-weisung nach § 27 Abs. 1 NABEG, die einem Vorhabensträger bereits vor Erlass eines Enteignungsbeschlusses, ja sogar vor Erlass eines Plan-feststellungsbeschlusses, den Zugriff auf erforderliche, im Verhandlungs-weg nicht erhältliche Flächen ermöglicht.

I. Einleitung

Die ersten Gesetze zur Energiewende sind in einem um-fangreichen Paket im Juli und August 2011 verkündet

Oberregierungsrat Dr. iur. Alfred Scheidler, Landratsamt Neustadt an der Waldnaab, Lehrbeauftragter an der Uni-versität Bayreuth und Dozent an der Bayerischen Verwaltungsschule, Tirschenreuth, Deutschland

worden. 1 Im Vordergrund steht dabei der erheblich be-schleunigte Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie-nutzung zur Erzeugung von Elektrizität durch das 13. Ge-setz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. 7. 2011 (BGBl. I 1704). 2 Der Atomausstieg setzt einen zügigen Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Strom-erzeugung und einen optimalen wirtschaftlichen Ein-satz konventioneller Kraftwerke voraus, was – zusammen mit dem verstärkten grenzüberschreitenden Stromhan-del – den raschen Ausbau des Höchstspannungs-Über-tragungsnetzes in Deutschland dringend erforderlich macht. Der engpassfreie Transport innerhalb Deutsch-lands ist Voraussetzung für die Integration des Stroms aus erneuerbaren Energien und damit der angestrebten Ener-giewende. 3 Zu diesem Zweck wurde als Teil des Geset-zespakets zur Energiewende das „Netzausbaubeschleuni-

Wirkung von Eingriffen gemindert und/oder ausgeglichen werden können. 93

c) Gebietsschutz

Soweit HGÜ-Kabel Auswirkungen auf Schutzgebiete des europäischen Netzes „Natura 2000“ (§ 31 BNatSchG) haben könnten, sind die Bestimmungen gemäß § 34 BNatSchG i. V. m. § 56 BNatSchG zu beachten. 94 Die Vor-schrift erfasst Projekte, die Auswirkungen auf ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der Definition des § 7 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG oder einem europäischen Vogelschutzgebiet im Sinne der Begriffsbestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 7 BNatSchG haben können. § 34 BNatSchG ordnet an, die Projekte vor ihrer Zulassung oder Durch-führung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets oder eines europäischen Vogelschutzge-bietes zu überprüfen. Beide Gebietstypen zusammen bilden das kohärente Europäische ökologische Netzwerk „Natura 2000“ (§ 31 BNatSchG). Ergibt die Prüfung der Verträg-lichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigun-gen des Gebiets gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG). Abweichend hiervon darf ein Projekt nur zu-gelassen oder durchgeführt werden, soweit es nach § 34 Abs. 3 BNatSchG aus zwingenden Gründen des überwie-genden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozi-aler oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist (Nr. 1) und zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder in geringeren Beein-trächtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind (Nr. 2). 95

III. Zusammenfassung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für HGÜ in der AWZ wurden für Deutschland exemplarisch anhand des NorGer Projekts dargestellt und analysiert. In Deutschland wird die Genehmigung für das Projekt NorGer in meh-rere Abschnitte eingeteilt: An Land und im Meer inner-halb der 12-Seemeilen-Zone (Küstenmeer) ist ein Plan-feststellungsverfahren notwendig. In der AWZ sind zwei Genehmigungen nach Bergrecht notwendig. Das NABEG hat nach aktueller Rechtslage keine Auswirkungen auf das Projekt NorGer, d. h. es wird im untersuchten Fall keine Anwendung finden. Bei HGÜ-Kabeln ist keine verpflich-tende Umweltverträglichkeitsprüfung festgeschrieben. Na-turschutzrechtlich ist eine Vielzahl von Beeinträchtigungen möglich, die jedoch kompensiert werden können, da die Eingriffe zeitlich begrenzt werden. Die Streitpunkte bezie-hen sich weniger auf das bergrechtliche Genehmigungsre-gime als vielmehr auf die Diskussion im Hinblick auf den Netzanschlusspunkt des NorGer-Kabels an Land. Beteiligt an der Diskussion sind u. a. der zuständige Netzbetreiber TenneT, die NorGer Projektgesellschaft, Bürgerinitiativen und Kommunen.

Die vorzeitige Besitzeinweisung nach § 27 Abs. 1 NABEG als enteignungsrechtlicher Beitrag zur Energiewende Alfred Scheidler

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NuR (2012) 34: 247–253 247Scheidler, Die vorzeitige Besitzeinweisung nach § 27 Abs. 1 NABEG

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1) Siehe im Einzelnen Sellner/Fellenberg, NVwZ 2011, 1025; Scholtka/Helmes, NJW 2011, 3185.

2) Zur Verfassungskonformität des neuerlichen Atomausstiegs siehe Ewer, NVwZ 2011, 1035.

3) Amtl. Begründung zum NABEG, BT-Drs. 17/6073, S. 17.

93) Wolf, ZUR 2007, S. 24, 30 ff.94) Dazu und im Folgenden Hentschel, Umweltschutz bei Errich-

tung und Betrieb von Windkraftanlagen, 2010, S. 554 ff.; Geller-mann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BNatSchG, § 34, Rdnr. 1 ff.

95) Dazu auch: Wemdzio, (Fn. 38).