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UNTERSUCHUNGEN AN EXPLANTIERTEN GANZEN ORGANEN. Von KARL BAUER I Mit 3 Textabbildungen. (~ingega~en am 7. De,tuber 1937.) Im AnsehluB an friihere Experhnente der gleiehen Art besehreibt A. C~EL 1937 eine Technik der Explantation ganzer Organe in der von ihm und C~. Ln~DBERG~ angegebenen Apparatur. Die explantierten Schilddrfisen konnten 3--21 Tage fang am Leben erhalten werden, lhr morphologisches Bild zeigte im histologisehen Sehnittpr~parat keine Abweiehungen vonder Norm, ihre Vitalit~t wurde geprifftin Flasehen- kulturen, wo Fragmente der explantierten Driise nach 18t~gigem Auf- enthalt in der Pumpe aktives Waehstum in Form epithelialerBildungen zeigten. Die Aufgabe der bier ausgefiihrten Versuche war es, mit der gleichen Teehnik und Apparatur das Verhalten anderer Organe zu priifen (Lymph~ knoten und Ovarien) und zu versuehen, ob sich in solchen Organen biologisehe Reaktionen nachweisen lassen. Es wurde untersucht, das Verhalten gegeniiber akuten Reizen und Einwirkungen (Vitalspeieherung, Fremdk6rperreiz mittels Kiese]gur). Beziiglich der benutzten Apparate sei verwiesen auf C~. Ln~DB~ 2 und A. C~EL 3. Es handelt sieh um eine Vorrichtung, welehe eine konstante, sterile und pulsierende FliissigkeitsstrGmung auf beHebig lange Zeit ermSglieht. Die Operationen wurden ausgefiihrt an erwachsenen Katzen und Kaninehen, die 24 Stunden vorher niichtern gehalten wurden. Unter strenger Beaehtung aller aseptischen l~IaBnahmen wird ein etwa kirsch- kerngrol~er Lymphknoten im Mesenterium aufgesucht und eine feine Glaskantile in eine der grSl~eren Darmarterien, yon weleher ein diinner Ast zu der betreffenden Driise hinfiihrt, oder in die Aorta eingebunden. Alle Seitenaste der Arterie, die nicht zu der betreffenden Driise hinfiihren, werden dureh Anlegen yon Ligaturen mSglichst vollstandig unterbunden. Die Venen bleiben intakt. Zur Sterilisierung der Haut und Tiicher sowie Instrumente erweist sieh die C~RRET,-DA~wsehe LSsung als vorziiglich geeignet. Sie greift die Organgewebe nicht an und gefahrdet in keiner Weise die Explantation. Nach Anlegen aller Ligaturen und Einbringen der Kaniile in das zufiihrende GeIaB wird die Driise in situ Zur Zeit New York, Rockefeller Institute for Medical Research. 2 L~NDBW.RGH, C]t.: J. of exper, lYIed. 198~. - - 3 CARRY.L, A.: J. of exper. Med. 1937.

Untersuchungen an explantierten ganzen Organen

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UNTERSUCHUNGEN AN E X P L A N T I E R T E N GANZEN ORGANEN.

Von KARL BAUER I

Mit 3 Textabbildungen.

(~ingega~en am 7. De,tuber 1937.)

Im AnsehluB an friihere Experhnente der gleiehen Art besehreibt A. C~EL 1937 eine Technik der Explantation ganzer Organe in der von ihm und C~. Ln~DBERG~ angegebenen Apparatur. Die explantierten Schilddrfisen konnten 3--21 Tage fang am Leben erhalten werden, lhr morphologisches Bild zeigte im histologisehen Sehnittpr~parat keine Abweiehungen vonder Norm, ihre Vitalit~t wurde geprifft in Flasehen- kulturen, wo Fragmente der explantierten Driise nach 18t~gigem Auf- enthalt in der Pumpe aktives Waehstum in Form epithelialer Bildungen zeigten.

Die Aufgabe der bier ausgefiihrten Versuche war es, mit der gleichen Teehnik und Apparatur das Verhalten anderer Organe zu priifen (Lymph~ knoten und Ovarien) und zu versuehen, ob sich in solchen Organen biologisehe Reaktionen nachweisen lassen. Es wurde untersucht, das Verhalten gegeniiber akuten Reizen und Einwirkungen (Vitalspeieherung, Fremdk6rperreiz mittels Kiese]gur).

Beziiglich der benutzten Apparate sei verwiesen auf C~. Ln~DB~ 2 und A. C~EL 3. Es handelt sieh um eine Vorrichtung, welehe eine konstante, sterile und pulsierende FliissigkeitsstrGmung auf beHebig lange Zeit ermSglieht.

Die Operationen wurden ausgefiihrt an erwachsenen Katzen und Kaninehen, die 24 Stunden vorher niichtern gehalten wurden. Unter strenger Beaehtung aller aseptischen l~IaBnahmen wird ein etwa kirsch- kerngrol~er Lymphknoten im Mesenterium aufgesucht und eine feine Glaskantile in eine der grSl~eren Darmarterien, yon weleher ein diinner Ast zu der betreffenden Driise hinfiihrt, oder in die Aorta eingebunden. Alle Seitenaste der Arterie, die nicht zu der betreffenden Driise hinfiihren, werden dureh Anlegen yon Ligaturen mSglichst vollstandig unterbunden. Die Venen bleiben intakt. Zur Sterilisierung der Haut und Tiicher sowie Instrumente erweist sieh die C~RRET,-DA~wsehe LSsung als vorziiglich geeignet. Sie greift die Organgewebe nicht an und gefahrdet in keiner Weise die Explantation. Nach Anlegen aller Ligaturen und Einbringen der Kaniile in das zufiihrende GeIaB wird die Driise in situ

Zur Zeit New York, Rockefeller Institute for Medical Research. 2 L~NDBW.RGH, C]t.: J. of exper, lYIed. 198~. - - 3 CARRY.L, A.: J. of exper.

Med. 1937.

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mit TyrodelSsung durchspiilt und weiter in situ unter Vermeidung irgendwelcher Torsionen und Strangulationen oder Lagevers auf eine Glimmerplatte yon der GrSBe eines gewShnlichen Objekt- tr~gers fiir mikroskopische Pr~parate placiert und festgebunden. Diese Fixation in situ hat ohne Zerrungen und Lageveri~nderungen zu ge- schehen, um die folgende Zirkulation nicht zu gefi~hrden. Dann wird mit einer Schere das Pr~parat umschnitten und unter Beachtung der be- sonders daffir nStigen VorsichtsmaBregeln in die Organkammer der Pumpe eingefiihrt.

Die Zirkulation beginnt etwa 20 Min. nach Anfang der Operation mit einer Pulszahl von 80 pro Minute und einem Druck Yon 120:80mm ttg. Die verwandte Gasmischung, deren wechselnder Druck sieh auf die DurchstrSmungsfliissigkeit in dem Reservoir der Pumpe iibertr~gt, besteht aus 02 80%, CO S 3%, N 17%. Die zirkulierende Fliissigkeit hatte verschiedene Zusammensetzung. Da die Frage der geeigneten Zu- sammensetzung der Ns zur Zeit noch Gegenstand ein- gehender Untersuchungen ist, kann hier nicht genauer darauf eingegangen werden. GewShnlich wurde benutzt: 40% Katzenserum, TyrodelSsung mit dreifachem Glukosegehalt und ein geringer Zusatz von Phenolrot zur kolorimetrischen Messung des lag; PH war in diesem Falle zu Beginn der Zirkulation-----7,3 und sank dann im Laufe des Versuches auf etwa 7,0.

Sofort nach Einbringung des Organes in die Apparatur und Beginn der Zirkulation ist deutliche Pulsation der Haupt- und kleineren Neben~ste zu beobachten. Das Organ schwillt etwas an nach den ersten Stunden der kiinstlichen Perfusion und zeigt ein deutliehes (~dem. Dieses initiale ()dem der explantierten ganzen Organe ist ein sehr wichtiges Kriterium der guten DurchstrSmung. Es ist tagelang zu beobachten und eine vitale Reaktion, we]che nur an lebenden Organen zu sehen ist, nicht bei schlecht durchstrSmten und abgestorbenen.

Die Experimente sind in diesem Fa]le nach 4 5 Tagen unterbrochen worden. Die mikroskopischen Befunde der kfinstlieh durchstrSmten Organe zeigen, abgesehen yon dem ()dem, im wesentlichen keine Be- sonderheiten und Abweichungen yon der Norm. Schlecht durchstrSmte Organe oder Stellen und Teile der Lymphknoten sind nekrotisch und leicht zu diagnostizieren. Wie die beigegebene Abb. 1 erkennen ls ist der normale Aufbau der Lymphdriise nicht ver~ndert. Zellkerne, Plamaleib und die Anordnung der Rinden- und Marksubstanz sind in ihrer Struktur erhalten. Die Gef~l~e sind erweitert.

Die Einw~rkung yon Trypanblau gesehah derart, dal3 der Ns 15sung yon der Zusammenstezung der oben angegebenen 0,005 % Trypan- blau beigegeben wurde, p~ liegt etwa bei 7,2. Die Versuchsanordnung war im fibrigen die gleiche wie bei den anderen Experimenten. Am 4. Tag

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wurde das Experiment unterbrochen, nachdem eine leichte Trfibung des Mediums beginnende Infektion angezeigt hatte. Explantierte Lymph- drfisen zeigen h/~ufig einige Tage nach erfo]gter Operation Infektion des Mediums, welche wohl daher riihrt, dab die in den Drfisen vorhandenen Bakterien im Laufe der Zeit mobilisiert werden. Im mikroskopischen

Abb. l . S c h n i t t d u r c h e inen L y m p h k n o t e n bei s t~ rke re r Vergr6l~erung, Rands inus , L y m p h o c y t e n , S t romaze l len , t~apselzellen.

Schnitt sind vereinzelte Nekrosen zu erkennen, welche sich daraus er- kl~ren lassen, dab nicht immer alle Stellen des Organes gleichmi~l~ig durchstrSmt werden. Vitalspeicherung ist naehweisbar in Makrophagen und Fibrocyten, die iibrigen Elemente sind frei yon Farbstoff. Das Ver- halten der explantierten Drfisen nach 4 5 Tagen bei best~ndig einwir- kendem Trypanblau ist also im wesentlichen normal.

Die Kieselgurapplikation gesehah derart, daB, nachdem die Driise durehspfilt und auf die Glimmerplatte plaeiert worden war, mit einer feinen Nadel eine Inj ektion einer Kieselguraufschwemmung vorgenommen wurde, die 1 ccm Substanz auf 50 ccm Tyrode enthielt. Injiziert wurde etwa

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1 Tropfen. Die Driise zeigte nach der Explantation in die Organkammer der Pumpe die bekannten Erscheinungen. Sie wurde etwas 6dematSs und geschwollen, nachdem mit der gleichen Pulszahl und dem gleichen Druck wie bei der vorhergehend beschriebenen die Zirkulation in Gang gesetzt worden war.

Abb. 2. Ova.r. Zellen und Primarfollikel fiberall intakt. Erweiterte Gewebezwischenr~tume. Odem.

Der mikroskopische Befund nach 4 Tage langer Einwirkung ergab folgendes Bild: An der Stelle der Kieselgureinwirkung, die sehr gut erkennbar und abgrenzbar ist, linden sich Nekrosen, wie das bekanntlich auch im erwachsenen Organismus bei der entsprechenden Einwirkung der Fall ist (s. K. BAUER, 1936). In diese nekrotischen Gebiete sind nun, wie das Schnittpr/~parat eindeutig erkennen li~l~t, zahlreiche Rundzellen und kleine Lymphoeyten eingewandert, Elemente mit einfach gebautem Kern und gut abgrenzbarem Plasmaleib, der keinerlei Granulierung aufweist. Man vermil~t in diesem F~lle die Polymorphie der Zellformen,

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wie man es im erwachsenen Organismus zu sehen gewohnt ist. l~iesenzell- bildung konnte nicht beobachtet werden.

Die Explantation der Ovarien geschah in derselben Weise, wie sie oben bei den Lymphdriisen beschrieben wurde. Der hier gegebenen Beschrei- bung liegt ein Ovar einer 11/2 Jahre alten Katze zugrunde, welches 3 Tage lang explantiert worden war. Die Kanfile wurde in die Bauchaorta ein- gebunden, die nach Unterbindung aller abgehenden Seiteni~ste in einer

Abb. 3. ~ a c h s e n d e r Follikel des be t re f fenden Ovars bei s t~rkerer VergrSl]erung.

GrS~e von etwa 3 cm reseziert wurde unter Schonung der zum Ovar abgehenden Arterie. Die DurehstrSmungsflfissigkeit hatte folgende Zu- sammensetzung: 20% Katzenserum, TyrodelSsung mit dreifaehem Glukosegehalt, Phenolrot. Die Operation dauerte bis zum E~nbringen in die Organkammer und Beginn der Zirkulation 25 Min. Die Pulszahl war etwa 80, der Druek 120:80, PIt ~ 7,4 am Anfang und sank auf 7,0 bei der Unterbrechung des Experimentes.

Die Driise zeigt kurz nach Beginn der DurchstrSmung gute Pulsation der kleinen Gef~13e, die bei Beobaehtung mit der Lupe auch in den kleineren ~sten deutlich zu erkennen ist. Das Organ wird etwas 5demat6s und ver-

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harr~ in diesem Zustand die ganze Zeit der Explantation fiber. Das histo- logisehe Bild ergibt folgenden Befund: Mgltiges {)dem, besonders in den peripheren Teilen des Organes (Abb. 2). Die dort liegenden Prim~r- follikel sind gut erhalten und infolge des 0dems etwas disloziert und aus- einandergeriiekt. Die Gewebszwischenrs sind erweitert, wie es ffir ein 0dem charakteristiseh ist. Die Zellen sind gut erhalten. Die ge- samte Drfise zeigt nirgends Nekrosen. Abb. 3 gibt einen Schnitt dureh einen wachsenden Follikel wieder, dessen Ei den Kern deutlieh erkennen l~ftt. Infolge der dureh die Paraffineinbettung entstandenen Sehrump- fung ist im Eiplasma ein schmaler Spalt entstanden. Die morpholo- gisehen Verhs der Theca und der zentralen Partien der Driise weisen keine Besonderheiten oder abnormen Abweichungen auf.

Die hier kurz beschriebenen Versuche haben gezeigt, daft Lymph- drfisen und Ovarien naeh 3--5 Tage langem Aufenthalt in der LI~D- BEI~GHschen Apparatur ~m allgemeinen morphologisch normale Verhs nisse erkennen lassen. Es sind als wesentliche vitale t~eaktionen in diesen Organen zu beobaehten gewesen: (Jdem, in den Lymphdriisen ferner Vitalspeicherung und Immigration kleiner Lymphocyten in die nekrotischen Kieselgurherde.