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1959 V. FRANZEN und H. KUNTZE 15 Untersuchungen uber Carbene, IV* REAKTIONEN VON CARBENEN MIT ALIPHATISCHEN AMINEN von VOLKER FRANZEN und HANSPETER KUNTZE Aus dem Max-Planck-Institut fur Medizinische Forschung, Heidelberg, Institut fur Chemie Eingegangen am 23. Juni 1959 Methylen reagiert mit N-Methyl-pyrrolidin ausschlieRlich an den C - H-Bin- dungen unter Substitution von H durch CH3 ; eine Ringerweiterung konnte nicht beobachtet werden. Bei der Umsetzung von Carbathoxycarben mit Triathylamin ist die Substitution an den zum Stickstoff a-standigen C --H- Bindungen gegenuber derjenigen an den P-standigen C - H-Bindungen wesent- lich begunstigt. Diese Selektivitat des Carbathoxycarbens wird durch sein eiektrophiles Verhalten gedeutet. Daneben findet in geringem MaBe eine P-Eli- minierung statt. Beim Benzyldimethylamin laBt sich eine Einschiebung des Carbathoxycarbens zwischen Benzylrest und Stickstoffatom beobachten. Das elektrophile Verhalten von Carbenen 1) sollte sich bei Umsetzungen rnit ter- tiaren Aminen in zweierlei Weise manifestieren : einerseits in der Selektivitat der Substitution von H-Atomen durch CH3-Gruppen an C - H-Bindungen, andererseits durch Angriff des Carbens am einsamen Elektronenpaar des Stickstoffatoms. Die Reaktion konnte dabei eine Ylid-Zwischenstufe durchlaufen. Als Reaktionsprodukte waren Verbindungen zu envarten, die durch Umlagerung aus den entsprechenden Yliden entstehen, niimlich solche, bei denen das Carben sich zwischen das Stickstoff- atom und ein benachbartes Kohlenstoffatom geschoben hat. Eine Reaktion des Carbens an der C--N-Bindung ist am leichtesten bei cyclischen Aminen zu erkennen, da sie zu einer Ringenveiterung fuhrt. Eine Einschiebung des Methylens in aliphatische C -C-Bindungen ist bisher niemals beobachtet worden. Nimmt man an, dal3 das Methylen mit allen C-H-Bindungen und den C-N-Bin- dungen zu reagieren vermag, so sind bei der Umsetzung von N-Methyl-pyrrolidin mit Methylen vier Reaktionsprodukte zu envarten. Zwei Reaktionsprodukte entsprechen der Substitution an den beiden Arten von CHa-Gruppen, das dritte (N-Methyl- piperidin) sollte sich durch Reaktion der C -N-Bindung bilden. Das vierte Reaktions- produkt (N-Athyl-pyrrolidin) konnte sowohl durch Reaktion des Methylens an der Methylgruppe als auch durch Einschiebung in die C -N-Bindung entstehen. Als ein- deutiger Beweis fur eine Reaktion des Methylens an der C-N-Bindung kann deshalb nur das Auftreten von N-Methyl-piperidin angesehen werden. *) 111. Mitteilung: V. FRANZEN und L. FIKENTSCHER, Liebigs Ann. Chem. 617, 1 (1958). 1) P. S. SKELL und R. M. ETTER, Chem. and Ind. 1958, 624.

Untersuchungen über Carbene, IV Reaktionen von Carbenen mit Aliphatischen Aminen

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1959 V. FRANZEN und H. KUNTZE 15

Untersuchungen uber Carbene, IV*

REAKTIONEN VON CARBENEN M I T ALIPHATISCHEN AMINEN von VOLKER FRANZEN und HANSPETER KUNTZE

Aus dem Max-Planck-Institut fur Medizinische Forschung, Heidelberg, Institut fur Chemie

Eingegangen am 23. Juni 1959

Methylen reagiert mit N-Methyl-pyrrolidin ausschlieRlich an den C - H-Bin- dungen unter Substitution von H durch CH3 ; eine Ringerweiterung konnte nicht beobachtet werden. Bei der Umsetzung von Carbathoxycarben mit Triathylamin ist die Substitution an den zum Stickstoff a-standigen C --H- Bindungen gegenuber derjenigen an den P-standigen C - H-Bindungen wesent- lich begunstigt. Diese Selektivitat des Carbathoxycarbens wird durch sein eiektrophiles Verhalten gedeutet. Daneben findet in geringem MaBe eine P-Eli- minierung statt. Beim Benzyldimethylamin laBt sich eine Einschiebung des

Carbathoxycarbens zwischen Benzylrest und Stickstoffatom beobachten.

Das elektrophile Verhalten von Carbenen 1) sollte sich bei Umsetzungen rnit ter- tiaren Aminen in zweierlei Weise manifestieren : einerseits in der Selektivitat der Substitution von H-Atomen durch CH3-Gruppen an C - H-Bindungen, andererseits durch Angriff des Carbens am einsamen Elektronenpaar des Stickstoffatoms. Die Reaktion konnte dabei eine Ylid-Zwischenstufe durchlaufen. Als Reaktionsprodukte waren Verbindungen zu envarten, die durch Umlagerung aus den entsprechenden Yliden entstehen, niimlich solche, bei denen das Carben sich zwischen das Stickstoff- atom und ein benachbartes Kohlenstoffatom geschoben hat.

Eine Reaktion des Carbens an der C--N-Bindung ist am leichtesten bei cyclischen Aminen zu erkennen, da sie zu einer Ringenveiterung fuhrt. Eine Einschiebung des Methylens in aliphatische C -C-Bindungen ist bisher niemals beobachtet worden. Nimmt man an, dal3 das Methylen mit allen C-H-Bindungen und den C-N-Bin- dungen zu reagieren vermag, so sind bei der Umsetzung von N-Methyl-pyrrolidin mit Methylen vier Reaktionsprodukte zu envarten. Zwei Reaktionsprodukte entsprechen der Substitution an den beiden Arten von CHa-Gruppen, das dritte (N-Methyl- piperidin) sollte sich durch Reaktion der C -N-Bindung bilden. Das vierte Reaktions- produkt (N-Athyl-pyrrolidin) konnte sowohl durch Reaktion des Methylens an der Methylgruppe als auch durch Einschiebung in die C -N-Bindung entstehen. Als ein- deutiger Beweis fur eine Reaktion des Methylens an der C-N-Bindung kann deshalb nur das Auftreten von N-Methyl-piperidin angesehen werden.

*) 111. Mitteilung: V. FRANZEN und L. FIKENTSCHER, Liebigs Ann. Chem. 617, 1 (1958). 1 ) P. S. SKELL und R. M. ETTER, Chem. and Ind. 1958, 624.

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CH2 ~~ CH2 CH2- CH2 CH2-CH-CH3 CH2 --CH2

CH2 CH2 - ----+ CH CH-CHl t CH2 CH2 + CH2 CH2 I I :CH2 1 I I I I I

\;/ \” ‘N’ I I

”’ I

CH3 CH3 CH3 CH2-CH3 I

Die bei der Belichtung von Diazomethan in N-Methyl-pyrrolidin anfallenden Reaktionsprodukte wurden nach Fraktionierung gaschromatographisch untersucht. Neben den den Dimethylpyrrolidinen zuzuordnenden Banden war noch eine weitere vorhanden, die sowohl dem N-Methyl-piperidin als auch dem N-Athyl-pyrrolidin zugeschrieben werden kann. Beide Substanzen liefen im Gaschromatogramm unter verschiedenen Bedingungen gleich schnell.

N-Methyl-piperidin und N-Athyl-pyrrolidin unterscheiden sich jedoch in ihreni IR-Spektrum. N-Methyl-piperidin besitzt bei 13p eine starke, charakteristische Bande, die im Spektrum des N-Athyl-pyrrolidins fehlt. Die Fraktion, in deren Gaschromato- gramm das Maximum des N-Methyl-piperidins bzw. N-Athyl-pyrrolidins auftritt, zeigt keine Bande bei 1 3 ~ . N-Methyl-piperidin war demnach bei der Einwirkung des Methylens auf N-Methyl-pyrrolidin nicht entstanden, das Carben scheint lediglich an den C -H-Bindungen reagiert zu haben.

Bei der Umsetzung von Carbathoxycarben mit Triiithylamin konnten als Reaktions- produkte nachgewiesen werden: wenig Diathylamin, Diathylaminoessigsaiure- athylester, P-Diathylamino-buttersaureathylester und y-Diathylamino-buttersaure- athylester. Die beiden letzten Verbindungen liegen nach Fraktionierung an der Dreh- bandkolonne im Verhaltnis 4.4 : 1 vor. P-Diathylamino-buttersaureathylester ist das Hauptprodukt und lal3t sich bequem in reiner Form gewinnen. Die Ausbeute betragt 45 % d. Th. (ber. auf eingesetzten Diazoessigester). Die Umsetzung von Carbathoxy- carben mit Trialkylaminen scheint ganz allgemein fur die Darstellung von P-Dialkyl- amino-carbonsaureestern brauchbar zu sein.

CH3 CH3 C H ~ - C H ~ - C O Z C ~ H ~

CH2 ~~~ ~~~ + CH2-CO2CzH5 :CHCO~C~HS I I

+ C H - C H ~ - C O ~ C ~ H S + CH2 I

I I I I N(C2H5h N(C2H5)2 N(CzHjh N(C2Hsh

Die Anwesenheit von cc-Diathylamino-buttersaureathylester im Gemisch der Reaktionsprodukte konnte mit Hilfe der Gaschromatographie zweifelsfrei ausge- schlossen werden. Auch bei dieser Umsetzung findet demnach in der Hauptsache eine Einschiebung des Carbens in eine C-H-Bindung der Alkyl-Liganden des Amins statt, wobei die Substitution am a-C-Atom gegenuber der am p-C-Atom wesentlich iiberwiegt. Eine Einschiebung in die C-N-Bindung findet nicht statt.

Die Umsetzung des Carbathoxycarbens mit Triathylamin zeigt eine stark ausge- pragte Selektivitat bezuglich der Reaktion an den verschiedenen C -H-Bindungen.

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Bei einem elektrophilen Angriff des Carbiithoxycarbens muB ein Ubergangszustand, in dem die Elektronendichte am Carben-C-Atom gegenuber dessen Ausgangszustand erhoht ist, von grol3er Bedeutung fur den Reaktionsablauf sein. Ubergangszustande fur die Carben-Einschiebung in die a- und p-C ---Bindungen des tertiaren Amins lassen sich durch die folgenden mesomeren Grenzstrukturen baschreibon :

‘N-CH ’- I HC: H

R/

\o 0

/’ I -~ N-CH-

HC R’ \H

0 \N=CH- / - HC I

R/ 0 \H

b

>N-CH-

R/ 0

/-- 1 HCi

f H e

\ CE ‘N-CHz-CH- N-CH;! -CH- ‘N-CH2 -CH- / 6 4 /- - _ / - I

R/ G 11 I

HC: H HCI HCI H- H R/ o\ CPC H’ R’

a b C

Die mesomere Beteiligung von Carbenkohlenstoff-Liganden ist hier nicht beruck- sichtigt, da sie bei beiden Substitutionen gleichermal3en wirken. Fur die Substitution am a-C-Atom ergeben sich funf mesomere Grenzstrukturen (Ib -f) mit erhohter Elektronendichte am Carben-C-Atom, fur die Substitution am P-C-Atom nur zwei (I1 b, r,). Bei der Substitution am a-C-Atom sind unter Beteiligung des einsamen Elek tronenpaares am Stickstoff zusatzliche Moglichkeiten fur die Delokalisierung der positiven Ladung gegeben; dadurch wird der Energieinhalt des Ubergangszustandes dieser Substitutionsreaktion gegenuber der Substitution am p-C-Atom gesenkt. Die Betrachtung des Ubergangszustandes erklart also das Uberwiegen von p-Di- athylamino-buttersaureathylester gegenuber dem y-Isomeren bei der Umsetzung von Carbathoxycarben mit Triathylamin.

Die Bildung von Diathylaminoessigsaureathylester mochten wir durch eine p- Eliminierung deuten, ahnlich wie die Atherspaltung durch Carbene 2 ) .

In den mesomeren Grenzstrukturen I b und I c ist formal die gleiche Elektronen- anordnung vorhanden wie bei den Stickstoff-Yliden3). Da Stickstoff-Ylide ohne mesomeriefiihige Reste in freier Form nicht bestandig sind, sondern sofort in Tri- alkylamin und Carben-Folgeprodukt zerfallen3), ist nicht zu erwarten, dal3 bei der

2) V. FRANZEN und L. FIKENTSCHER, Liebigs Ann. Chem. 617, 1 (1958). 3) G. WITTIG und G. FELLETSCHIN, Liebigs Ann. Chem. 555, 133 (1944).

Liebigs Ann. Chem. Bd. 627 7

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Umsetzung einfacher Carbzne rnit Trialkylaminen Ylid-Zwischenstufen auftreten. Die Reaktion verlauft quasi ,,an einem Ylid-Zustand vorbei", und zwar wahrschein- lich um so naher, je mehr durch mesomeriefahige Reste der Energieinhalt der Ylid- anordnung gesenkt wird.

Aus der Betrachtung des ubergangszustandes laBt sich noch eine weitere Reaktions- moglichkeit ablesen: Tragt das Amin einen Rest, der leicht kationisch wandert, so sollte - bedingt durch die starke Erniedrigung der Elektronendichte am Stickstoff- atom im Ubergangszustand der Reaktion mit dem Carben - die Wanderung des betreffenden Restes an das ursprungliche Carben-C-Atom moglich sein. Als Reak- tionsprodukt tritt dann eine Verbindung auf, bei der das Carben sich zwischen den betreffenden Rest und das Stickstoffatom geschoben hat.

Eine Gruppe, die leicht kationisch wandert, ist der Benzylrest; deshalb wurde die Umsetzung von Carbathoxycarben mit Benzyldimcathylamin untersucht. Als Reaktions- produkte konnten a-Dimethylamino-p-phenyl-propionsaureathylester und Zimtsaure- ester identifiziert werden. Der Zimtsaureester war zweifellos unter den Bedingungen der Umsetzung und der nachfolgenden Fraktionierung aus @-Dimethylamino-@- phenyl-propionsaureathylester entstanden. Dieser Ester spaltet in der Hitze leicht Dimethylamin ab. Ein Vergleichspraparat, das durch Anlagerung von Dimethylamin an Zimtsaureester in Gegenwart von Zinn(1V)-chlorid synthetisiert worden war, ging beim Erhitzen auf 100- 150" quantitativ unter Abgabe von Dimethylamin in Zimtsaureester uber.

C ~ H ~ * C H ~ . N ( C H ~ ) Z -__ :cHco*R+ CbHs.CHz.CH.N(CH,), + C ~ H ~ . C H . N ( C H ~ ) Z I

CHz.COzCzH5 I

C02CZH5

HN(CH3)z + C ~ H S . C H : C H . C O ~ C ~ H ~ I Durch den Nachweis von a-Dimethylamino- @-phenyl-propionsaureathylester ist der

Beweis dafiir erbracht, da13 das Carbathoxycarben sich tatsachlich in die C -N- Bindung geeignet substituierter Amine einschieben kann. Daneben findet aber auch die Substitution an den C-H-Bindungen statt.

In Ubereinstimmung damit sind die Ergebnisse von W. R. BAMFORD und T. S. ST EVENS^), die bei der Umsetzung von 9-Diazo-fluoren mit Benzyldimethylamin eine Einschiebung des Diphenylenmethylens zwischen Stickstoff und Benzylrest fest- gestellt haben.

Die Reaktion von Carbenen rnit tertiaren aliphatischen Ammen ist schematisch in der nachfolgenden Darstellung wiedergegeben.

Betrachtet man vergleichbare Paare von Reaktionspartnern, so hat es den Anschein, als ob die Umsetzungen von Carbenen rnit tertiaren Aminen und die Reaktionen von

4) W. R. BAMFORD und T. S. STEVENS, J. chem. SOC. [London] 1952, 4675.

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R' HC: I + 'N-CH2-CH2 R R'

R' R' R 'N + CH2 ';;N-CH-CHz- 'N-CH2- CH2--

I R" &-R R-CH--R R" I I1

CH2-R CH- Eliminierung Substitution Einschiebung

quartaren Ammoniumsalzen mit Protonenacceptoren einander verwandt sind. Die intermediare Ausbildung einer Ylid-Zwischenstufe scheint im Falle der Carben-Amin- Reaktion nicht so begiinstigt zu sein wie bei der Umsetzung quartarer Ammoniuni- salze mit alkaliorganischen Verbindungen, wenn auch hier meist keine freien Ylide, sondern Ylid-Metallhalogenid-Komplexe entstehen. Eine derartige Stabilisierungs- moglichkeit entfallt bei den Carben-Reaktionen, eine vollkommene Analogie der Reaktionsergebnisse aus beiden Umsetzungsarten ist deshalb auch nicht zu erwarten.

Herrn Prof. Dr. R. KUHN danken wir fur seine wohlwollende Unterstutzung.

B E S C H R E I B U N G D E R V E R S U C H E

Umsetzung von Methylen rnit N-Methyl-pyurolidin: 12 g Diazometlznn werden langsam mittels eines Stickstoffstromes von unten her in einen Kolben, der mit einer wassergekuhlten Quecksilbertauchlampe HANAU S 80 versehen ist und in dem sich 150 g N-Methyl-pyrrolidin befinden, eingeleitet. Das Diazomethan ist in 600 ccm Decalin gelost und wird aus dieser Losung durch allmahliches Erwarmen und Einblasen von Reinstickstoff langsam ausge- trieben. Nach etwa 10 Stdn. ist alles Diazomethan aus dem Decalin ausgetrieben. Auf gleiche Weise werden weitere 12 g Diazomethan eingeleitet.

Wahrend der Belichtung scheiden sich geringe Mengen zahfliissiger, dunkelbrauner Harze ab. Nach beendeter Reaktion wird von den Harzen abgegossen und die Hauptmenge des Losungsmittels iiber eine Kolonne abdestilliert. Zum Ruckstand gibt man etwa die gleiche Menge Xylol und destilliert weiter. Es lassen sich so 20 ccm einer zwischen 78 und 138' siedenden Fraktion gewinnen, die die Reaktionsprodukte enthalt. Durch Fraktionierung an einer Drehbandkolonne 1af3t sich eine weitere Auftrennung erzielen.

Tabelle 1. Laufzeiten der moglichen Reaktionsprodukte

Substanz Sdp.760 Laufzeit Bemerkung ~ ~~~

N-Methyl-pyrrolidin (I) 77" 130 Sek. neben 11: 142 Sek. N-Methyl-2-methyl-pyrrolidin (11) 96' 178 Sek. N-Athyl-pyrrolidin (111) 105" 236 Sek. neben IV: 248 Sek. N-Methyl-piperidin (IV) 105" 250 Sek. neben 111: 248 Sek.

2'

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Die einzelnen Fraktionen werden gaschromatographisch analysiert. Tabelle 1 enthalt die Laufzeiten, wie sie sich mit einem BECKMAN-Gaschromatographen (Sihconoljziegelsplit- Kolonne, Temp. 90", Eingangsdruck 1.8 at, Wasserstoff als Tragergas) ergeben.

Bei Mischungen der Vergleichssubstanzen treten geringe Abweichungen der Laufzeiten von den fur die reinen Substanzen erhaltenen Werten ein (Tab. 1, letzte Spalte).

Die zwischen 95 und 101" siedenden Fraktionen bestehen nach Gaschromatogramm und 1R-Spektrum zum iiberwiegenden Teil aus Dimethylpyrrolidinen. Die bei 102" iibergehende Fraktion ergibt im Gaschromatogramm Maxima mit Laufzeiten von 185, 250 und 280 Sek. ; die Flachen unter den Kurven verhalten sich wie 5 : 3 : 2. Die Substanz mit der Laufzeit 250 Sek. ist rnit N-Athyl-pyrrolidin (111) identisch. Nach dem IR-Spektrum ist im Reaktionsprodukt kein N-Methyl-piperidin vorhanden.

Darstellung von I .2-Dimethyl-pyrrolidin: Zu einer frisch bereiteten Losung von 1 Mol Methylmagnesiumbromid in 700 ccm absol. Ather wird unter Riihren und Eiskiihlung in schneller Folge 1 Mol N-Methyl-pyrrolidon-(2) in 150 ccm Ather zugetropft. Etwa 112 Stde. nach Zugabe und Entfernen der Eiskuhlung setzt die Reaktion unter Aufsieden des Athers ein. Gleichzeitig fallt eine graue Masse aus. Diese laBt sich nach Stehenlassen iiber Nacht leicht unter Ather zerkleinern. In die bei schneller Turbinierung entstehende Suspension tropft man 0.5 Mol LiAIH4 in 500 ccm Ather. AnschlieDend riihrt man 6 Stdn. und laDt dann 48 Stdn. stehen. Durch langsames Zufugen von 110 ccm Wasser wird das Reaktionsprodukt hydrolysiert. Die Ltherische Losung wird vom hellbraunen Niederschlag abgetrennt und 4 ma1 mit insgesamt 250 ccm 5 n Schwefelsaure ausgeschiittelt. Aus der sauren Losung scheidet man das Amin unter intensiver Eiskuhlung mit konz. Kalilauge ab. Das Amin trennt man im Scheidetrichter ab und trocknet mit KOH. Durch Fraktionierung an einer Full- korperkolonne laBt sich das 1.2-Dimethyl-pyrrolidin in reiner Form gewinnen: Sdp. 95", Ausbeute 48 %. Pikrat: Schmp. 238 -239' (Zers.).

C L ~ H ~ ~ N ~ O , (318.3) Ber. C 43.90 H 4.91 N 17.07 Cef. C 44.05 H 4.86 N 17.17

Umsetzung von Carbathoxycarben rnit Triathylamin: 15 ccm Diazoessigsaureathylesier werden in 250 ccm Triathylamin gelost und 5 Tage mit einer wassergekuhlten Quecksilber- tauchlampe HANAU S 80 belichtet. Die Losung hat sich nach der Belichtung dunkelgelb ge- farbt. Man destilliert die Hauptmenge Triathylamin an einer Fiillkorperkolonne ab und unterwirft den Riickstand der Vakuumdestillation. Bei der Feinfraktionierung des bei der Vakuumdestillation gewonnenen Destillates an einer Drehbandkolonne ergeben sich drei scharfe Fraktionen:

Die erste Fraktion, Sdp.12 68', enthalt Diathylaminoessigsaureathylester.

Die zweite Fraktion, Sdp.12 87", ist reiner P-Diathylnmino-buitersaureathylester (nach dem

C10H21N02 (187.3) Ber. C 64.13 H 10.76 N 7.48

Die dritte Fraktion, Sdp.12 95", ist reiner y-Diathylarnino-butiersaureathylester (nach dem

Gaschromatogramm frei von Isomeren). Cef. C 64.36 H 11.02 N 7.41

Gaschromatogramm frei von Isomeren).

C ~ Q H ~ ~ N O ~ (187.3) Ber. C 64.13 H 10.76 N 7.48 Gef. C 64.37 H 11.05 N 7.51

Umsetzung von Benzyldimethylamin mit Carbathoxycarben. ~ a) Thermisch: In einem mit Riihrer, RuckfluBkuhler und Tropftrichter versehenen 250-ccm-Dreihalskolben werden

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100 ccm Benzyldimethylamin auf 150" erhitzt. Unter Riihren werden dann 20 ccm Diazoessig- siiureathylester in 20 ccm Benzyldimethylamin langsam zugetropft. Die Losung farbt sich dunkel. Nach Entfernen der Hauptmenge des Losungsmittels i. Vak. sieden die Reaktions- produkte (insgesamt 30 ccm) zwischen 70 und 150"/9 Torr. Die Feinfraktionierung erfolgt mittels einer Drehbandkolonne. Die einzelnen Fraktionen werden dann gaschromatogra- phisch analysiert. Als Gaschromatograph diente das Gasfraktometer der Fa. RUBARTH. Thermostatentemp. : 180", Tragergas: Wasserstoff, 98 ccm/Min. ; Kolonne: Siliconfett C + Na-Capronat auf Sterchamols); Lange: 3 m. 3-Dimethylamino-p-phenyl-propionsaureester zerfallt unter diesen Bedingungen in Di-

methylamin und Zimtsaureathylester; letzterer gibt ein scharfes Maximum, das zur Identifi- zierung herangezogen werden kann. Das cr-Isomere ist unter den Bedingungen vollig stabil.

Eine eindeutige Trennung laRt sich an der Drehbandkolonne nicht erzielen. Nach dem Gaschromatogramm sind fast alle Fraktionen Gemische von a-Dimethylamino-B-phenyl- propionsaureathylester und p-Dimethylamino-p-phenyl-propiotisaureathylester. Ersterer iiber- wiegt in den hoheren Fraktionen.

b) Phoiochemisch: 10 ccm Diazoessigester, in 160 ccm Benzyldimethylamin gelost, werden rnit einer Quecksilbertauchlampe unter Wasserkiihlung belichtet. Nach 5 Tagen ist der Diazoessigester verschwunden. Die Aufarbeitung erfolgt, wie oben beschrieben. Durch gas- chromatographische Analyse konnten als Reaktionsprodukte wiederum a-Dimethylamino-p- phenyl-propionsaurathylester und j-Dimethylamino-p-phenyl-propionsaureathylester nach- gewiesen werden. Die Mengenverhaltnisse sind etwa die gleichen wie bei der thermischen Zer- setzung der Diazoverbindung.

Dnrstellung von cx-Din2ethylnmino-j-p/ienyl-propionsaureathylester: DL-cr-Amino-@-phenyl- propionsaure wurde mit Formaldehyd entsprechend den Angaben von R. E. BOWMAN und H. H. STROUD~) reduktiv methyliert. Als Katalysator diente Pd(OH)*/BaS04 nach R. KUHN und H. J. HAAS'). Veresterung rnit Athano1 nach P. KARRER~) .

Dnrsiellung von ~-Dimethylamino-p-phenyl-propionsaureathylester9): 50 g Zimtsaure- iithylester werden rnit 16 g Dimethylurnin zusammen in 100 ccm Athanol gelost. Unter Zugabe von 5 g wasserfreiem SnCl4 erhitzt man 70 Stdn. im Bombenrohr auf 100". Nach Entfernen des Losungsmittels i. Vak. scheidet sich ein gelber, amorpher Niederschlag aus. Dieser wird 5 ma1 rnit je 50 ccm Ather extrahiert. Nach dem Trocknen der Atherlosung leitet man HCI ein; es scheidet sich ein weiRer Niederschlag ab. Man leitet so lange ein, bis nichts mehr aus- fallt. Der Niederschlag wird abgetrennt, rnit Ather gewaschen und getrocknet. Man gibt ihn in einen Vakuumexsikkator, der mit konz. H2SO4 beschickt ist und bewahrt ihn i. Vak. darin 16 Stdn. auf. Die schwachen Basen, wie Zimtsauredimethylamid, gehen dabei in die Schwefel- saure iiber. Danach wird der Riickstand in wasserfreiem Chloroform suspendiert und rnit NH3 der Aminosaureester freigesetzt. -_

5 ) E. BAYER, K.-H. REUTHER und F. BORN, Angew. Chem. 69, 640 (1957). 6 ) R. E. BOWMAN und H. H. STROUD, J. chem. SOC. [London] 1950, 1342. 7) R. KUHN und H. J. HAAS, Angew. Chem. 67,785 (1955). 8) P. KARRER, W. KARRER, H. THOMANN, E. HORLACHER und W. MADER, Helv. chim.

9 ) Darstellung aus p-Amino-dihydrozimtsiiureester vgl. E. GRAF und H. BOEDDEKER, Acta 4, 76 (1921), und zwar S. 95.

Liebigs Ann. Chem. 613, 1 1 1 (1958).

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22 V. FRANZEN Bd. 627

Nach dem Entfernen des Chloroforms wird der Ruckstand destilliert. Der erhaltene P-Dimethylomino-P-phenyl-propionsaureathylester siedet bei 115 -- 117”/25 Torr. Ausbeute 6.5 g, n’,” = 1.5040.

C13H19N02 (221.3) Ber. C 70.55 H 8.65 N 6.33 Gef. C 70.23 H 8.36 N 6.21

Die Verbindung zerfallt beim Erhitzen in Dimethylamin und Zimtsiureathylester.

Untersuchungen uber Carbene, V”

REAKTIONEN VON CARBENEN MIT ALKYLHALOGENIDEN EINE EINFACHE SYNTHESE

VON NEOPENTYLCHLORID UND NEOPENTYLBROMID von VOLKER FRANZEN

Aus dem Max-Planck-Institut fur Medizinische Forschung, Heidelberg, Institut fur Chemie Eingegangen am 23. Juni 1959

Carbene reagieren rnit Alkylhalogeniden unter Substitution an der C-H- und der C -Halogen-Bindung. Letztere wird wesentlich leichter angegriffen als die C-H-Bindungen. Neben der Substitution (-H 4 -CH3 und -Hal -+

--CHzHal) lauft besonders beim Carbathoxycarben auch noch eine Halo- genwasserstoffabspaltung einher. Tert.-Butylchlorid und tert.-Butylbromid

liefern rnit Methylen in glatter Reaktion Neopentylchlorid bzw. -bromid.

Methylen und Carbathoxycarbzn reagieren nach den Untersuchungen von W. H. URRY und J. R. EISZNER~) sowie H. MEERWEIN und Mitarbb.2) rnit C-C1- und C -Br-Bindungen. Im Gegensatz zur Reaktion der Carbene rnit aliphatischen Atherd) und Trialkylaminen4) tritt bei der Reaktion mit Halogeniden eine Einschiebnng des Carbens zwischen Kohlenstoff- und Heteroatom ein, es erfolgt also eine direkte Substitution analog wie bei der C -H-Bindungs). Die bisherigen Ergebnisse geben

* ) IV. Mitteilung: V. FRANLEN und H. KUNTZE, Liebigs Ann. Chem. 627, 15 (1959). 1) W. H. URRY und J. R. EISZNER, J. Amer. chem. SOC. 74, 5822 (1952); W. H. URRY und

2 ) H. MEERWEIN, H. DISSELNK~TTER, F. RAPPEN, H. v. RINTELEN und H. VAN DE VLOED,

3) V. FRANZEN und L. FIKENTSCHER, Liebigs Ann. Chem. 617, 1 (1958). 4) V. FRANZEN und H . KUNTZE, Liebigs Ann. Chem. 627, 15 (1959). 5 ) H. MEERWEIN, H. RATHJEN und H. WERNER, Ber. dtsch. chem. Ges. 75, 1610 (1942);

W. VON E. DOERING, R. G. BUTTFRY, R. G. LAUGHLIN und N. CHAUDHURI, J. Amer. chern. SOC. 78, 3224 (1956).

J . W. WILT, ebenda 76, 2594 (1954).

Liebigs Ann. Chem. 604, 151 (1957), und zwar S. 157.