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I Zeitschriftfur Allg. Mikrobiologie 1 11 I 5 I 1971 I 367-371 I (Sektion Biologie - Pf lanzenphysiologie - der Friedrich-Schiller-Universitat Jena) Untersuchungen uber die Aufnahme und Verwertung von Phosphatverbindungen durch Phosphatmangelzellen von Candida utilis I. Die Aufnahme von Pyrophosphat F. JUNGNICKEL (Eingegangen am 25.1.1971) Bei Phosphatmangelzellen von Candida utilis ist die Aufnahmerate fur Pyrophosphat vergleichbar mit der von 0rthophospha.t. Ebenso wie Orthophosphat kann auch Pyro- phosphat nur bei Bereitstellung zellularer Stoffwechselenergie in die Synthese von makro- molekularen anorganischen Polyphosphaten einbezogen werden. Bei Candida utilis erreicht der Orthophosphat-Pool in zuckerfreien, ortho- phosphathaltigen Medien rasch ein konstantes Niveau ( JUNGNICKEL 1966, 1969 a, b, 197 1). Die sich anschlieBende intracellulare Synthese anorganischen Polyphosphates ist von bereitgestellter Stoffwechselenergie abhangig und be- stimmt im Sinne eines FlieBgleichgewichtes die weitere Phosphataufnahme. In diesem Zusammenhang interessierte die Frage, ob die Phosphataufnahme- rate von Phosphatmangelzellen wesentlich beeinflufit wird, wenn im Medium anstelle des Orthophosphates andere Phosphatverbindungen vorliegen. Ins- besondere war eine bevorzugte Verwertung energiereicher Phosphatverbindun- gen zu vermuten. ZunLchst sol1 uber Untersuchungen zur Pyrophosphatauf- nahme berichtet werden. Material und Methoden Herkunft und Vorkultur des Untersuchungsmaterials wurden bereits beschrieben ( JUNG- NICKEL 1966). Die dreimal gewaschenen Zellen wurden vor Versuchsbeginn eine Stunde aerob bei 30 "C und Magnetruhrung in aqua dest. vorbehandelt. Nach Zusatz von Na,P2O7 bzw. Na,HPO, (Kontrolle) wnrden die Veranderungen folgender Phosphatfraktionen der Zellen unter- sucht : Orthophosphat, Trichloressigsiiure (TES) 4osliche Phosphatverbindungen, heiBer HClO,-Extrakt (im wesentlichen anorganisches Polyphosphat). Die Zunahme des Gesamt- phosphates der Zellen wird als Phosphataufnahme bezeichnet. Auch bei der Fraktionierung und Bestimmung der Phosphatanteile in den Zellen bzw. im Medium folgten wir weitgehend fruheren Angaben (JUNCNICKEL 1966). Zur Pyro- phosphatbestimmung im Medium wandelten wir Angaben von PULSS (1960) zweckentspre- chend geringfugig ab. Fur die Ermittlung des Pyrophosphatgehaltes der TES-Extrakte eignete sich die papierchromatographische Auftrennung nach BANDURSKI u. AXELROD (1951) auf Keilstreifen nach MATTHIAS (1954) - Typ FN 18 L des VEB Spezialpapier- fabrik Niederschlag/Erzg. Die Behandlung der Chromatogramme nach ROSENBERG (1959) IaBt das Pyrophosphat durch eine violette Farbung hervortreten. 26.

Untersuchungen über die Aufnahme ünd Verwertung von Phosphatverbindungen durch Phosphatmangelzellen von Candida utilis I. Die Aufnahme von Pyrophosphat

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I Zeitschriftfur Allg. Mikrobiologie 1 11 I 5 I 1971 I 367-371 I

(Sektion Biologie - Pf lanzenphysiologie - der Friedrich-Schiller-Universitat Jena)

Untersuchungen uber die Aufnahme und Verwertung von Phosphatverbindungen durch

Phosphatmangelzellen von Candida utilis I. Die Aufnahme von Pyrophosphat

F. JUNGNICKEL

(Eingegangen am 25.1.1971)

Bei Phosphatmangelzellen von Candida utilis ist die Aufnahmerate fur Pyrophosphat vergleichbar mit der von 0rthophospha.t. Ebenso wie Orthophosphat kann auch Pyro- phosphat nur bei Bereitstellung zellularer Stoffwechselenergie in die Synthese von makro- molekularen anorganischen Polyphosphaten einbezogen werden.

Bei Candida utilis erreicht der Orthophosphat-Pool in zuckerfreien, ortho- phosphathaltigen Medien rasch ein konstantes Niveau ( JUNGNICKEL 1966, 1969 a, b, 197 1) . Die sich anschlieBende intracellulare Synthese anorganischen Polyphosphates ist von bereitgestellter Stoffwechselenergie abhangig und be- stimmt im Sinne eines FlieBgleichgewichtes die weitere Phosphataufnahme.

I n diesem Zusammenhang interessierte die Frage, ob die Phosphataufnahme- rate von Phosphatmangelzellen wesentlich beeinflufit wird, wenn im Medium anstelle des Orthophosphates andere Phosphatverbindungen vorliegen. Ins- besondere war eine bevorzugte Verwertung energiereicher Phosphatverbindun- gen zu vermuten. ZunLchst sol1 uber Untersuchungen zur Pyrophosphatauf- nahme berichtet werden.

Material und Methoden

Herkunft und Vorkultur des Untersuchungsmaterials wurden bereits beschrieben ( JUNG- NICKEL 1966).

Die dreimal gewaschenen Zellen wurden vor Versuchsbeginn eine Stunde aerob bei 30 "C und Magnetruhrung in aqua dest. vorbehandelt. Nach Zusatz von Na,P2O7 bzw. Na,HPO, (Kontrolle) wnrden die Veranderungen folgender Phosphatfraktionen der Zellen unter- sucht : Orthophosphat, Trichloressigsiiure (TES) 4osliche Phosphatverbindungen, heiBer HClO,-Extrakt (im wesentlichen anorganisches Polyphosphat). Die Zunahme des Gesamt- phosphates der Zellen wird als Phosphataufnahme bezeichnet.

Auch bei der Fraktionierung und Bestimmung der Phosphatanteile in den Zellen bzw. im Medium folgten wir weitgehend fruheren Angaben (JUNCNICKEL 1966). Zur Pyro- phosphatbestimmung im Medium wandelten wir Angaben von PULSS (1960) zweckentspre- chend geringfugig ab. Fur die Ermittlung des Pyrophosphatgehaltes der TES-Extrakte eignete sich die papierchromatographische Auftrennung nach BANDURSKI u. AXELROD (1951) auf Keilstreifen nach MATTHIAS (1954) - Typ FN 18 L des VEB Spezialpapier- fabrik Niederschlag/Erzg. Die Behandlung der Chromatogramme nach ROSENBERG (1959) IaBt das Pyrophosphat durch eine violette Farbung hervortreten. 26 .

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368 F. JIJNGNICKEL

Ergebnisse Phosphatmangelzellen von C. utilis nehmen sowohl Pyro- als auch Ortho-

phosphat unter aeroben Bedingungen aus zuckerfreiem Medium intensiv auf. Die Aufnahrnerate fur Pyrophosphat stimrnt sowoh1 bei kurz- als auch bei lang- fristigem Phosphatangebot mit der fiir Orthophosphat weitgehend iiberein (Abb. 1). In beiden Fallen ergeben sich aber hohere Aufnahmeraten bei gerin- gerer Zellzahl pro Volumeneinheit ; diese Unterschiede diirften durch die ver- schiedene Sauerstoffversorgung der Zellen bedingt sein.

Minufen M/i?uIen Abb. 1. Aerobe Phosphataufnahme bei Pvro- bzw. Orthouhosphatangebot (1 x &I Na,P,O, = 0, 2 x 16-3 M Na,HPO, = A T ; Zellmasse/Vol;men- (mg &ischgewicht/ml):

a = 100, b = 10

Da die in Abbildung 1 dargestellte Orthophosphataufnahme im wesentlichen auf eine intensive Synthese saureunloslicher anorganischer Polyphosphate zu- riickzufuhren ist (JUNGNICKEL 1966, 1969b, c), war zu priifen, ob von C. utilis auch Pyrophosphat fur den Aufbau dieser Verbindungen benutzt wird. Aus Abbildung 2 ergibt sich, daB auch nach Pyrophosphatangebot intensive Poly- phosphatsynthese erfolgt ; der Hauptanteil des aufgenommenen Phosphates liegt wiederum als TES-unlosliches, labiles Phosphat vor (HC10,-Extrakt). Wesentliche Unterschiede im Orthophosphatgehalt der Zellen sind nur wahrend der ersten Minuten zu erkennen ; auch nach Pyrophosphatangebot erfolgt ein rascher Anstieg der Orthophosphatfraktion, die aber das Niveau des Kontroll- versuches (Orthophosphatangebot) nicht ganz erreicht. Die TES-loslichen Phosphatverbindungen weisen ebenfalls nur geringfugige Unterschiede auf ; nach Pyrophosphatangebot erfolgt der Anstieg dieser Fraktion zuniichst etwas ra- scher, doch sind diese Unterschiede spater nicht mehr gesichert. Pyrophosphat war nur unmittelbar nach Pyrophosphatzusatz zum Medium in den Zellen papier- chromatographisch nachweisbar, so daD ein intensiver Umsatz dieser Verbin- dung anzunehmen ist.

Wir iiberpriiften nunmehr, ob von den Zellen der Energiegehalt des Pyro- phosphates ohne Bereitstellung zellularer Stoffwechselenergie (die endogenen Reserven unseres Objektes konnen nur veratmet, aber nicht vergoren werden) zur Phosphataufnahme und Polyphosphatbildung verwendet werden kann. Deshalb inkubierten wir die Zellen unter streng anaeroben Bedingungen ( JUNG-

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Pyrophosphataufnahme bei C. utilis

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NICKEL 1969 c) mit Pyrophosphat und verfolgten die Phosphataufnahme sowie die Bildung anorganischer Polyphosphate (Kontrolle : aerob). Da die HC10,- Fraktion unter anaeroben Bedingungen unverandert bleibt (Abb. 3), diirfte auch bei Pyrophosphatangebot - ahnlich wie bei Orthophosphatangebot (vgl. JUNGNICKEL 1969 c) - keine Polyphosphatbildung ohne Bereitstellung zellu- larer Stoffwechselenergie moglich sein. Die anfangs trotzdem zu beobachtende Phosphataufnahme ist vergleichbar mit der initialen Orthophosphataufnahme unter anaeroben Bedingungen ( JUNGNICKEL 1969 c). Der aerobe Kontrollver- such bestatigt die bereits dargestellten Befunde.

Aus friiheren Untersuchungen war bekannt, dalj Natriumazid die Polyphos- phatsynthese und die dadurch bedingte Orthophosphataufnahme weitgehend entkoppelt (JUNGNICKEL 1969 a). Wie Abbildung 4 zeigt, sind beide VorgLnge durch Natriumazid entsprechend beeinfluat, auch wenn Pyrophosphat als Phosphatquelle vorliegt.

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0 5 70 15 20 Minufen

0 5 70 15 20 Minufen

Abb. 3. Phosphataufnahme nnd HC10,-Extrakt nach Angebot von Na,P,O, (1 X Aerob:

M) = Phosphataufnahme, o = HC10,-Extrakt: anaerob: A = Phosphataufnahme, 0 = HClO,-Extrakt. Zellmasse/Volumen = 10 mg Frischgewicht/ml

U

! P

70 75 20 Minufen

Abb. 4. Aerobe Phosphataufnahme und HClO,-Extrakt nach Angebot von Na4Pz0, (1 X lo-, \I). EinfluB von NaN, ( 2 x M ) : A = Phosphataufnahme, e = HC10,- Extrakt. Kontrolle: A = Phosphataufnahme, o = KClO,-Extrakt. Zellmasse/Volumen =

10 mg Frischgewicht/ml

Diskussion

Die Annahme, dalj der Energiegehalt des Pyrophosphates die intracellulare Synthese anorganischen Polyphosphates und soniit auch die Phosphataufnahme forclern konne, lie8 sich nicht bestatigen. Vielmehr sind die Phosphataufnahme-

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Pyrophosphataufnahme bei C. utilis 371

raten bei Pyrophosphat- bzw. Orthophosphatangebot weitgehend gleich. Beide Verbindungen werden nur unter Einbeziehung zellularer Stoffwechselenergie in TEX-unlosliches anorganisches Polyphosphat uberfiihrt und vorwiegend in dieser Form von den Zellen gespeichert.

Die Netko-Phosphataufnahme bei Orthophosphatangebot wird im wesent- lichen durch die intracellulare Polyphosphatsynthese limitisrt (JUNGNICKEL 1966). Wenn Pyro- und Ort,hophosphat unter gleichen Voraussetzungen mit fast identischer Geschwindigkeit in Polyphosphat iiberfiihrt werden, ist mit groBer Wahrscheinlichkeit auch eine entsprechende Begrenzung durch vergleich- bare Reaktionen anzunehmen.

Da der Energiegehalt des Pyrophosphates unter anaeroben Bedingungen (bzw. bei AzideinfluR) nicht zur Polyphosphatsynthese verwendet werden kann (Abb. 3,4) , lie@ offenbar keine Pyrophosphat-spezifische Phosphotransferase vor (vgl. BALTSCHEFFSKY 1967) oder Rber das Pyrophosphat gelangt nicht zum Reaktionsort,. Ursache hierfur konnten Permeabilitatsprobleme oder eine rasche Umsetzung des Pyrophosphates unter Verlust des Energiepotentials sein. Insbesondere ist bei Hefezellen eine hohe Aktivitat von Phosphohydro- lasen zu beriicksichtigen (GUNTHER u. KATTNER 1968).

Herrn Prof. Dr. H. ATJUSTEN bin ich far unterstutzende Diskussionen und Frau M. FIEDLER fur gewissenhafte technische Assistenz zu Dank verpflichtet.

L i t e r a t u r

BALTSCHEFFSRY, MARCARETA, 1967. Inorganic pyrophosphate as an energy donor in pho- tosynthetic and respiratory electron transport phosphorylation systems. Biochem. hio- physic. Res. Commun., 28, 270-276.

BANDURSKI, R. S. and AXELROD, B., 1951. The chromatographic identification of some bio- logically important phosphate esters. J. biol. Chemistry, 193, 405 -310.

GUNTITER, TH. und KATTNER, W., 1968. tfber die Funktion der sauren Hefephosphatase. Z. Naturforsch., 33b, 77-80.

JUNCNICKEL, F., 1966. Verglcich des Einflusses der Veratmung endogener und exogener Substrate auf Polyphosphatbildung und Kaliumaufnahme bei phosphatverarmten Zellen von Candida utilis. Arch. Mikrobiol., 5b, 175- 186.

JUNGNICREL, I?., 1969 a. Die Aufnahme von Phosphat und Kalium dnrch P-Mangelzellen von Candida utilis unter Kaliumcyanideinflulj. Z. Allg. Mikrobiol., 9. 227 -230.

JUNGNICKEL, F.. 1969 b. Zur OrthophosphatsMtigung bei Phosphatmangelzellen von Can- d i d ~ utilis. Zbl. Bakteriol., Abt. 11, 153, 685-691.

JUNCNICKEL, F., 1969 c. Die Aufnahme von Phosphat durch Phosphatmangelhefe unter aeroben und anaeroben Bedingongen. Z. Allg. Mikrobiol., 9, 449 -455.

JUNCNICKEL, F., 1971. Untersuchungen zum Uberkompensationseffekt bei Phosphatman- gelhefe. Z. Allg. Mikrobiol., 11, 307-317.

JUNGNICKEL, F., 1972. Untersuchungen uber die Aufnahme und Verwertung von Phosphat- verbindungen durch Phosphatmangelzellen von Cundida utilis. 11. Pyrophosphatase- aktivitat der Zellen. Z. Allg. Mikrobiol., 12, im Druck.

MATTHIAS, W., 1954. Serienuntersuchungen mit Hilfe einer neuen Form der Streifen-Pa- pierchromatographie. Naturwissenschaften, 41, 17 - 18.

PTJLSS, G., 1960. Eine einfache Mikrobestimmung der Phosphorsiiure im Kjeldahl-Auf- schlulj von biologischem Material nach der Molybdat-Vanadat-Methode. Z. analyt. Chem., 176,412-421.

ROSENBERG, H., 1959. The detection of phosphates on chromstograma. J.Chromatog., 2,

Anschrift : Dr. F. JUNGNICKEL,

487-4459.

Sektion Biologie - Pflanzenphysiologie - der Friedrich-Schiller-Universitiit Jena DDR-69 Jena, von-Hase-Weg 3