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[• dem hygienisohen Institut der Universit~t Berlin.] Untersuchungen fiber die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien. Yon Dr. M. Kirchner, Stabsarzt. Unter den auch den gesteigerten • der neueren Sohule gegeniiber als wirksam anerkannten Desinfectionsmitteln giebt es bekannt- lieh keines, das mit der Hitze in Gestalt des strSmenden Wasserdampfes yon 100 ~ C. coneurriren k5nnte. Sie verniehtet nicht nur sporenfreie Mikro- organismen mit Sicherbeit, sondern auch unter den widerstandsf~higen Sporen sind bis jetzt noch keine bekannt geworden, die diesem ]gittel nicht fiber kurz oder lang unterlegen w[~ren. Leider aber giebt es Substanzen, besonders eiweissreiche Flfissigkeiten, welehe eine so lange Einwirkung der Hitze, als zur Sterilisirung derselben efforderlich ist, nicht vertragen, ohne wesentliche Ver~nderungen in ihrer Zusammensetzung zu erleiden. Bei einer Reihe derselben bedient man sieh bekanntlich mit Vortheil der discontinuirlichen Sterilisation, bei der man an drei auf einander folgenden Tagen die Temperatur yon 100 ~ jedesmal 15 bis 30 Minuten lang einwirken l~sst und daher die Substanzen im Ganzen bei Weitem nicht so lange zu koehen braucht, als es bei der Sterilisation dutch einmaliges Erhitzen nothwendig w~re. Ffir die Sterili- sation unserer gebr~uehliehen Nhhrmedien- Bouillon, Gelatine, Agar, Kartoffeln, Bred u. s.w. -- ist dies bekanntlich die allgemein fibliche ~Kethode in den Laboratorien geworden. Allein auch diese vorsichtige Anwendung der Siedehitze kSnnen viele Substanzen nieht aushalten. Zuckerhaltige Stoffe gehen Zersetzungen ein, Zeitsehr. f. Hygiene. VIIL 30

Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

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Page 1: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

[• dem hygienisohen Institut der Universit~t Berlin.]

Untersuchungen fiber die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien.

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Dr. M. Kirchner, Stabsarzt.

Unter den auch den gesteigerten • der neueren Sohule gegeniiber als wirksam anerkannten Desinfectionsmitteln giebt es bekannt- lieh keines, das mit der Hitze in Gestalt des strSmenden Wasserdampfes yon 100 ~ C. coneurriren k5nnte. Sie verniehtet nicht nur sporenfreie Mikro- organismen mit Sicherbeit, sondern auch unter den widerstandsf~higen Sporen sind bis jetzt noch keine bekannt geworden, die diesem ]gittel nicht fiber kurz oder lang unterlegen w[~ren.

Leider aber giebt es Substanzen, besonders eiweissreiche Flfissigkeiten, welehe eine so lange Einwirkung der Hitze, als zur Sterilisirung derselben efforderlich ist, nicht vertragen, ohne wesentliche Ver~nderungen in ihrer Zusammensetzung zu erleiden. Bei einer Reihe derselben bedient man sieh bekanntlich mit Vortheil der discontinuirlichen Sterilisation, bei der man an drei auf einander folgenden Tagen die Temperatur yon 100 ~

�9 jedesmal 15 bis 30 Minuten lang einwirken l~sst und daher die Substanzen im Ganzen bei Weitem nicht so lange zu koehen braucht, als es bei der Sterilisation dutch einmaliges Erhitzen nothwendig w~re. Ffir die Sterili- sation unserer gebr~uehliehen N h h r m e d i e n - Bouillon, Gelatine, Agar, Kartoffeln, Bred u. s.w. - - ist dies bekanntlich die allgemein fibliche ~Kethode in den Laboratorien geworden.

Allein auch diese vorsichtige Anwendung der Siedehitze kSnnen viele Substanzen nieht aushalten. Zuckerhaltige Stoffe gehen Zersetzungen ein,

Zeitsehr. f. Hygiene. VIIL 30

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die Milch ~ndert ihre Reaction, Eiweissstoffe beginnen zu gerinnen, und es werden chemische Umsetzungen verschiedener und in jedem einzelnen Falle schwer zu controlirender Art eingeleitet, die es w(inschenswerth erscheinen lassen, so hohe Temperaturen nicht anwenden zu mtissen. Am ffihlbarsten machte sigh dieser Uebelstand bei dem Blutserum, das ja scholt bei Tem- peraturen yon 68 o bis 70 0 erstarrt.

Fiir die Sterilisation solcher Substanzen ging man nach dem Vorgange yon Tynda l l mit der Temperatur herunter und erhitzte, start an 3 Tagen jedesmal 1/~ bis I/~. Stunde lang auf 100 o, an 6 his 8 Tagen jedesmal 1 bis 2 Stunden und 1/inger auf 55 o his 58 o C. Man ging dabei VOlt der An- nahme aus, dass durch diese Hitze die sporeltfreien Mik-roorganismeii ge- t~dtet, die Sporen abet nach uiid nach zum Auswachsen veranlasst und als Bacterien an den folgendeii Tagen vernichtet wiirden, und nahm an, dass IIach Ablauf dieser Zeit keine entwickelungsfiihigen Sporen mehr iibrig w~ren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese .~niiahme ffir die Mehrzahl der F~lle zutrifft, und dass es in der That gelingt, eine grosse Reihe eiweisshaltiger Substanzen dutch diese fractionirte Sterilisatiolt sicher keim- frei zu machen.

Alleilt gerade beim Blutserum l'~sst, wie Jeder, tier bacteriologisch arbeitet, effahreii haben wird, dieses Verfahren zuweileii im Stiche, ltnd zum Erstauiieii und Aerger des Experimeiitators kommt es vor, dass alle RShrchen, die er sicher sterilisirt zu haben glaubte, dutch Bacterienwuche- rungen zlt Gruiide gehen. Auch derVorsohlag yon tIt tppe, 1 die R6hrchelt nach 8 tiigiger Sterilisation bei 58 o flit 2 bis 3 Tage in den Briitschraiik zu stellen und danii aufs Nelte an 2 Tagen bei 58 o zu sterilisiren, fffllrt nicht immer zum Ziele. Denii es #ebt, worauf schon Miquel ~ ltnd van T ieghem 8 hingewieselt, wie des Speciellen aber erst Globig 4 gezeigt hat, eiiie grosse Reihe yon Bacterien, die zwischen 500 und 70 o gedeihen, deren Temperatur-0ptimum bei 560 bis 58 o C. liegt, also gerade bei der Temperatur, die wir bei der fractionirten Sterilisation aiiweiiden. Globig koiinte bekanntlich 30 verschiedene Arten derartiger Bacterieii alts Erde isoliren. Es ist klar, dass, wenii zuf~llig Keime derselbeii in das Blutserum gelaiigen, die fractionirte Sterilisatioii sich als unwirksam erweisen muss.

Fiir solche F~lle w~re es hSchst wiinschenswerth, yon der Desinfeetion dutch Bitze ganz Abstand nehmen und eiii chemisches Desinfectioiismittel aiiwenden zu kSltnen. Dieses mfisste freilich verschiedenen Ansprfichen

1 .Die .~Iet~ode~ der .Bacterienforscs Wiesbaden 1889. 4. Aufl. S. 183. Zes organlsmes vivants de l'atmospT&re. 1883. p. 183. - - 2t~nualre de l'ob-

servatoire de ~Montsouris. 1885. p. 571. s .Bulletin de la Soeidtd botanize de France. 1851. p. 35. 4 .Diese Zeitsehrift. 1887. Bd. III. $. 295.

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~[BER DIE EINWBKUNG DES CHLOROFORMS &L'F DIE BACTERLEN. 467

geniigen. Es dfirfte 1. keine wesentlichen Ver~nderungen in der Zusammen- setzung der Substanzen bewirken, es mfisste 2. absolut sicher wirksam sein, und 3. nach geschehener Desinfection sich auf irgend eine Weise leicht und vollst~ndig aus der damit behandelten Substanz wieder ent- fernen lassen, da dieselbe sonst unf~hig werden wiirde, als Nahrungsmittel ffir Menschen oder als N~ihrmedium ffir M_ikroorganismen, und um solcke Dinge handelt es sich ja hauptsiichlich, verwendet zu werden. Subhmat, Carbols:ciure, Kalk u. s.w. konnten also hierbei gar nicht in Frage kommen, vielmehr musste sich ein bei niedrigen Temperaturen flfichtiges 3fittel am meisten empfehlen. I-Iierbei musste man in erster Linie an das Chloroform denken, welches schon bei 61.2 o C. siedet, leider aber inWasser nut ausser- ordenthch wenig 15shch ist (etwa zu 1/2 Volumproeent oder 7.5 grm im Liter).

Dass dem Chloroform, welches schon 1851 yon Robin 1 zum Conser- viren yon Getreide empfohlen wurde, aueh gewisse wachsthumhemmende oder gar vernichtende Wirkungen gegenfiber den Baeterien beiwohnen, wurde zuerst yon Mfintz ~ betont, welcher nachwies, dass das Chloroform G~ihrungen, die dutch organisirte Fermente bedingt sind, aufzuheben ver- mag. Mfintz und ]~[onckton 3 empfahlen daher aueh das Chloroform zur Conservirung des Fleisches. Genauere Untersuchungen fiber die entwicke- lungshemmenden Wirkungen des Chloroforms rfihren yon De la Croix 4 her, der eine Reihe yon Antisepticis bezfiglich ihrer Einwirlmng auf Bac- terien aus Fleischwasser studirte. Er fand, class Chloroform die Entwicke- lung yon aus Fleischwasser stammenden Bacterien verhinderte in Ver- dfinnungen yon 1 : 90, die ErtSdtung schon entwickelter Bacterien erzielte in Verdfinnungenyon 1:112 und die Entwickelung in ungekochtes Fleisch- wasser hineinfallender Bacterienkeime verhinderte in Verdfinnungen yon 1:103; dass es dagegen das FortpflanzungsvermSgen der Bacterien selbst in Verdfinnungen yon 1 : 0.8 nicht aufzuheben vermochte. Danach musste das Chloroform also als ein ganz gutes Antisepticum, dagegen als ein giinzlich unwirksames Desinfectionsmittel erscheinen. Hiermit stimmte die yon R. Koch 5 gefundene Unwirksamkeit des Chloroforms gegenfiber den M_ilzbrandsporen selbst bei 100t~igiger Einwirkung auf dieselben sehr wohl fiberein.

Ein Versuch, den Herr Geheimrath Koch Ausgangs des Jahres 1887 machte, Blutserum dutch einen Zusatz yon Chloroform im Ueberschuss zu conserviren, gab die Veranlassung zu erneuten Prfifungen seiner bacterien-

t Compt. rend. t. XX. Nr. 2. Compt. rend. t. LXXX. Nr. 1250.

s .Engl. .P.S. Nr. 1493 yore 20. Mai 1867. 4 2irchiv fis exloerimentelle -Pat~ologle. Bd. X'III. S. 250. 5 .Mi~tlzeilungen de8 Reiehs.qesundheitsamte~. Bd. L S. 234--282.

30*

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468 M. KmcmmR:

vernichtenden Wirksamkeit. Es zeigte sich, dass you zwei Kflbchen mit Blutserum, die beide gleiche Mengen Chloroform erhalten batten und beide im Eisschrank aufbewahrt worden waren, nach zwei Monaten das eine anscheinend steril geblieben, im anderen aber eine fippige Kahmhaut yon Bacterien an der Oberfl~che der Flfissigkeit entstanden war. tIier hatte entweder der kaum glaubliche Zufall gewaltet, dass das eine Kflbchen yon vornherein keimfreies, das andere baeterienhaltiges Blutserum enthielt, oder man musste annehmen, dass das Chloroform ebenso wie die Tempe- ratur yon 56 o bis 58 o C. wohl im Stande sei, eine Reihe yon Baeterien zu vernichten, dass es aber eine vielleicht gar nicht so kleine Zahl yon Mikro- organismen gebe, denen gegenfiber das Chloroform maohtlos sei.

Auf Anregung des Herrn Geheimrath Koch habe ich diese Frage zum Gegenstande yon Untersuehungen gemaeht, deren Ergebniss ieh im Nachstehenden zusammenfassen mfchte.

W~hrend ich mit diesen Untersuchungen, die rich wegen anderer zeitraubender Arbeiten, die ich gleichzeitig vorzunehmen hatte, etwas in die Liinge zogen, besch~ftigt war, erschienen zwei Arbeiten yon Sal- kowski fiber denselben Gegenstand, auf die ich erst noch kurz eingehen mfchte. In der ersten, 1 ,,Ueber die antiseptisehe Wirkung des Chloroform- wassers", ffihrt Salkowski aus, dass das Chloroform alle dutch die Lebens- th~tigkeit yon Mikroorganismen bedingten Fermentationsvorg~nge verhin- deft, so die alkoholische G~hrung, die ammoniakalische Harnstoffg~hrung, die fermentative Spaltung der Hippurs~ure, die Milchs~uregiihrung, die bacteritische Eiweissf~ulniss; vomusgesetzt, dass das Chloroform aus seinen Lfsungen nieht dutch Verdunsten entweichen kann. Er fand, class Milch, mit Chloroform versetzt, dauernd ihre neutrale resp. schwach saure Reac- tion behalf; dass Rohrzucker- und Tmubenzuckerlfsungen, mit Hefe und etwas Chloroform durehgeschfittelt, nicht g~ihren; dass Fleischauszug und selbst gehacktes Fleisch, mit Chloroform behandelt, sterfl bleiben; dass yon Bacterien wimmelnder Fleischauszug in 1 Stunde dutch Zusatz yon Chloroform keimfrei wurde. Ges~ittigte w~sse~ige L6sung yon Chloroform es 15st sieh in Wasser im Verh~ltniss yon 5:1000) vernichtete sporen- freie MJlzbrandf~den in 30 Minuten, w~hrend sie den 5Iilzbrandsporen selbst in 3 Tagen niehts anzuhaben vermochte. Cholerabacfllen wurden durch 1/4Procent. Chloroformlfsung schon in 1 Minute vernichtet. Auf Grund dieser Beobaehtungen empfahl S alkowski das ,,Chloroformwasser", (d. h. die gesfttigte w~sserige Lfsung yon Chlorofom 1. zur Conservirung yon Ham, Fermentlfsungen, eiweisshaltigen Flfissigkeiten u. dgl. m., 2. zur Aufbewahrung anatomischer Pr~pamte, 3. zu Heilzwecken (Desinfeetion

t Deutsche medlelnlsche FFoehenseh~ift. 1888. Nr. 16.

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~BER DIE EINWLRKUNG DES CHLOROFORMS AUF DIE BACTERIEN. 469

des Darmcanals, z. B. bei Cholera, Mundwasser, event, als Antisepticum). In tier zweiten Arbeit, 1 ,,Zur Kenntniss derWirkungen des Chloroforms", berichtete Salkowski fiber Versuche, das Chloroform zur Desinfection des Darmcanals zu verwerthen. Er setzte tIunde in Stickstoffgleichgewicht bei Ffitterung mit Fleisch und Fett and bestimmte - - a a f die chemischen Untersuchungen gehe ich hier nicht e i n - den Bacteriengehalt der Faces w~hrend der Darreichung yon 200 corn Chloroformwasser tfiglich. Es zeigte sich recht betriichtliche • der Bacterien, eine vollstiindige Des- infection des Darmcanals erreichte Salkowski jedoch nicht.

Da ich bei meinen Untersuchungen yore B l a t s e r u m ausging, so suchte ich zun~chst festzustellen, ob dieses durch die l~ngere Berfihrung mit dem Chloroform seine Erstarrungsf~higkeit einbtisst oder Veriinderangen" in seiner Zasammensetzang erf~hrt, welche es ungeeignet machen, als N~hrboden fiir Bacterien zu dienen. Ich stellte zuniichst die LSslichkeit des Chloroforms in Blutserum dutch liingeres Schfitteln und Absitzenlassen lest und fand, dass sich dieselbe auf 0"4 Volumprocent = 6 ~m im Liter bel~uft bei einer Temperatur yon 15 o C. Ich setzte dann 3 mit je 50 ocm frischen Blutserums geffillten Er lenmeyer ' schen KSlbchen je 1 r also 2 Volamprocent Chloroform hinzu and brachte eins dieser KSlbchen (a) in den Brfitschrank, das zweite (b) in gew5hnliche Temperatar and das dritte (c) in den Eisschrank bei 6 o bis 8 o C. Nach Verlauf yon 2 ~[o- naten war das Blutserum in allen 3 KSlbchen yon alkalischer Reaction, in 5 u n d c vSllig flfissig, nut in a ein wenig geronnen; die Farbe in c war schSn blutroth, in b hellblutroth, in a hellbraunroth. In allen KSlb- chen war die unterste Schicht, die mit dem in Gestalt grosser Tropfen am Boden liegenden Chtoroformfiberschuss in Berfihrung gewesen war, weissgrau verf~rbt. Ich ffillte nun aus allen 3 KSlbchen eine Anzahl sterilisirter ReagensrShrchen mit je 10 r176 Blutserum und brachte sic in den Erstarrangsapparat. Alle erstarrten in der gewShnlichea Zeit bei 68 o zu einer schSnen Gallerte, die nut etwas weisser War und nicht so schSn durchscheinend als das gewShnliche Blutserumo jedoch nioht mehr nach

Chloroform roch und nur in Folge des Entweichens des Chloroforms durch die Verdanstung yon zahlreichen kleinen Can~lchen durchsetzt war. Ich impfte dieses Blatserum mit Orange-Sarcine, Bacillus prodigiosus und Tuberkelbacfllus, welche alle in tier schSnsten Weise gediehen. Es hatte sich also gezeigt, dass das Blutserum durch eine zweimonatliche Berfih- rung mit dem Chloroform seine Erstarrungsfahigkeit nieht einbfisst, dass das Chloroform beim Erstarren des Blatserums aus demselben entweicht, und dass dann auf dem Blutserum schSnes Bacterienwachsthum stattfindet.

* V i r c h o w ' s .4rc~iv. 1889. Bd. CXV. S. 839.

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4 7 0 } I . K a ~ C H ~ E a :

Einen ~hnhchen u machte ich mit Milch. Ich setzte drei KSlbchen mit 50 co= Milch je 0.5 oom= 1 Volumprocent Chloroform zu and setzte eins (a) in den Brfitschrank, eins (b) in gewShnliche Tem- peratur, eins (c) in den Eisschrank. Nach 2 Monaten war die Milch in b und c vollkommen, in a ziemlich flfissig and nut ein leichter weisslicher Bodensatz vorhanden; Fettabscheidung hatte nicht stattgefunden, und die Reaction war in allen KSlbchen schwach alkaUsch. Die Milch in b undc hatte vollkommen die 1%rbe und alas Aussehen yon ffischer Milch.

Diese ~erschiedenen Temperaturen hatte ich gew~hlt, yon der An- nahme ausgehend, dass die LSshchkeit des Chloroforms bei denselben viel- leicht eine verschiedene, and seine Wirksamkeit bei hSherer Temperatur vielleicht eine st~rkere sein mSchte als bei niedriger. Dies ist auch bis zu einem gewissen Grade der Fall. Allein da sich zeigte, dass sowohl das Blutserum wie die Milch im Brfitschrank offenbar st~rkere Ver~nde- rungen erhtt, die bei gewShnhcher Temperatur und die im Eisschrank gehaltenen KSlbchen dagegen fast genau das gleiche Aussehen bewahrten, so ging ich bei meinen spRteren Versuchen yon der Anwendung verschle- dener Temperaturen als unwesentlich ab und hlelt die zu prfifenden :Flfissigkeiten einfach bei Zimmertemperatur.

Bei der bacteriologischen Untersuchung tier beiden yon Herrn Geheim- rath Koch mit Chloroform versetzten Blutserumproben zeigte sich, dass die eine steril war - - und sie ist es auch jetzt noch - - , wRhrend sich in der anderen grosse Mengen yon Bacterien fanden, die jedoch nut zwei Arten angehSrten. Es waren das ein ziemlich grosser Staphylococcus, der sich mit allen Anilinfarben gut f'arbte, auf der Platte in Gestalt yon un- regelm~ssig rundhchen, schwefelgelben Colonieen wuchs und die Gelatine

T a b e l l e

Einwirkung des Chloroforms

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~BER DIE EINWIRKUNG DES CHLOROFORMS AUF DIE ~ACTERLEIW. 471

veritfissigte, und ein sehr kleiner, zierlisher, lebhaft beweglicher Basfllus, welsher keine Sporen bfldete, sich gleichfalls mit den gebr~ushlichen Anilin- farben gut f'Arbte, auf der Gelatineplatte in tier Tiefe in wetzsteinfSrmigen, graugelblish durshscheinenden, auf der 0berflache in Form yon unregel- m~issig begrenzten, an Porzellansshfippshen erinnernden Colonieen wuchs und die Gelatine nicht verflfissigte. Beide wurden in Reincultur gezfichtet.

Ich ging nun dazu fiber, zu versuchen, ob es nicht doch mSglich sei, auch diese Basterien dutch Chloroform zu vernichten. u war es dazu nur an der ~ussersten Grenze seiner LSslishkeit und in l~ngerer Be- riihrung mit den Bacterien im Stands. Ich ffillte daher 10 sterilisirte Erlenmeyer'sche KSlbchen mit je 40 ~cm frischen, nieht sterilisirten Blur- serums, impf~e 5 mit dem Coccus, die 5 anderen mit dem Bacillus und versetzte dann yon jeder Reihe eins mit 0.1, sins mit 0.2, sins mit 0.3, sins mit 0 .4 osm Chloroform, was einem Gehalt yon 1/4 , 1/2 , 3/4 bezw. 1 Volumprocent entsprach; die beiden ffinften KSlbchen blieben zur Con-

trole yon jedem Chloroformzusatz frei. Aus s~mmtlichen KSlbchen wurden nash bestimmten Zeitr~umen Proben mit geglfihter PlatinSse entnommen, in flfissige N~hrgelatine gebracht und diese in Esmarch'sshe RSllchen ausgerollt. Das Ergebniss dieser Versushsreihe war, wie die nachstehende Tabelle Ia zeigt, recht fiberrasshend.

Erkl~irung der Tabellen.

§ d. bedeutet sehr reichliches Wachsthum, § ,, reichliches Wachsthum, :h ,, vermindertes Wachsthum, -- ,, gar kein Waehsthum.

Ia.

auf die Blutserum-Basterien.

~ I~ 7 18 19 jlo11111 14115L 16 18 Tagen

§ 2 4 7 d.d.

§ -i-d.

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§ 2 4 7 § 2 4 7 d.d. § d-d- d-d- § § § d . §

d.d. d.d. § d.d. d . § § 2 4 7 d . § § 2 4 7 d.d- d-d-

§ 2 4 7 -i-d- d-d- § d - § d.-t- § § 2 4 7

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472 ~f. KIRCH~rER :

Es zeigte sich also in tier That, dass auch diese beiden Bacterien dem Chloroform bei geeigneter Behandlung unterlegen waren, und zwar der Bacillus dutch ~]2 Procent in 11 Tagen, der Coccus dutch 3/, Procent in 4 Stunden. Da, wie schon, oben erw~hnt, Chloroform nut zu etwa 0.4 Proeent in Blutserum 15slich ist, so ergiebt sich, dass die unges~ttigte LSsung beiden Mikroorganismen nichts anzuhaben vermochte, w~hrend sic in der ges~ttigten auf die Dauer nieht fortzuleben vermochten.

]Hit diesem Ergebniss war aber die Thatsache in keiner Weise in Einklang zu bringen, dass beide Mikroorganismen in dem Kolben mit Blutserum, trotz des reichlichen Bodensatzes yon ungelSst gebliebenem Chloroform, nicht nut vorhanden waren, sondern sieh offenbar reichlich darin vermehrt hatten. Als einzige Erklarung fur diese Thatsaehe konnte ich nur annehmen, class ein winziger Sprung, den ich bei genauer Be- trachtung am Halse des Kolbens entdeckte, dem Chloroform best~indig zu verdunsten gestattete und so verhinderte, dass die LSsung die zur Bac- terienvernichtung efforderliche Concentration hatte. Ob diese Annahme richtig oder nicht, musste sich leicht feststellen lassen. Gelang es, dieses Blutserum, in dem die Bacterien gediehen, noch beim Ffillen in eine andere vSllig unversehrte Flasche durch erneutes Durchschiitteln mit Chloroform im Ueberschusse keimfrei zu machen, so war der Beweis ffir die Richtigkeit jener Annahme erbraeht.

Ich fiillte also am 10.]VI. 89 das Blutserum aus dem Kolben in zwei kleinere um und ffigte dem Kolben a kein neues Chloroform zu, w~hrend ich den Kolben b mit einer betr~chtlichen ~Ienge Chloroform durch- schiittelte. Aus beiden entnahm ich dann nach 1 bezw. 8 Tagen Proben und legte dabei Platten (Original und 2 Verdiinnungen) an. Das am 13.]VI. beobachtete Bacterienwachsthum ist aus Tabelle Ib ersichtlich.

T a b e l l e Ib. Einwirkung des Chloroforms im Ueberschuss auf die Blutserumbacterien.

Probe aus | nach 24 Stunden Kolben a ~ l l . /VI. 1889

nach 24 Stunden Probe aus l l . /VI. 1889 Kolben b nach 8 Tagen

18./VI. 1889

Original- I. i II. platte Verdiiunung

+ + Coccus u. Baeill.

3 Col. des Coccus 1 . . . . Bacill.

2._

+ + 200 Colonieen Coccus u. Bacill. Coccus u. Bacill.

2 Col. des Coccus 3 Col. des Coccus I .... Bacill.~

Wie aus der vorstehenden Tabelle hervorgeht, gelang es in der That, die in dem anfangs vergeblich mit Chloroform behandelten KSlbchen ge- wachsenen Keime schliesslich doch noch dutch erneutes Durchschfitteln

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mit Chloroform zu sterilisiren. Wie ich mieh vor wenigen Tagen fiberzeugt babe, ist dieses Blutserum auch jetzt noch, also nach 11/2 Jahren, vSllig keimfrei geblieben. Dichtigkeit des Verschlusses, welche das u des Chloroforms verhindert, ist also eine noth~endige Bedingung zu seiner Wirksamkeit.

Trotzdem es aber schliesslich gelungen war, dieses Resultat zu er- reichen, so gehSrten doch diese beiden h[ikroorganismen zu denjenigen, die dem Chloroform einen reeht betrRchtliehen Widerstand entgegensetzten. Es kam mir nun darauf an, festzustellen, ob wohl die Zahl dieser ehloro- formwiderst~ndigen Bacterien eine grosse, und wo dieselben hauptsfichlich zu finden seien.

Zun~chst wurde mehrmals frisches Blutserum, sowohl vom Berliner Sehlacht- und Viehhof als aus der Berliner Albuminfabrik stammend, mit Chloroform im Ueberschuss versetzt und in "verschiedenen Zeitr~iumen bacteriologisch untersueht, stets mit dem gleiehen Ergebniss. Ein Liter s01ches Blutserum, am 18./III. 88 in dieser Weise behandelt und dann im Eisschrank aufbewahrt, zeigte sich stets bacterienfrei, z. B. noch am l l./VL 89, also naeh 5/~ Jahren. Bei einem zweiten derartigen Versueh fanden sich naeh 8 Tagen 14, naeh einem Mortar 4 Bacteriencolonieen auf einer mit 1 cr yon dem Blutserum gegossenen Gelatineplatte~ Zahlen, die so gering sind, dass sic sehr wohl als in die zulassigen Fehlergrenzen fallend erachtet werden kSnnen. Die Einzelheiten dieses Versuches er- geben sich aus Tabelle II.

T a b e l l e II. Einwirkung des Chloroforms auf frisches Blutserum.

(Zusatz yon Chloroform im Ueberschuss.)

Aufbewahrt seit 24./VII. 88. Platten yon 24./VII. 1888 31./VII. 1888 28./VIII. 1888

im Eisschrank desgt.

bei 150 C. desgl.

im Briitschrank desgl.

1 ccm

112 ~

1 ,,

I/2 ~

I ,,

i]2 "

unz~hlbar ~ ~

~ ,

14 10

14 13

10 10

Bemerkenswerth ist, dass yon einem solchen Blutserum, yon dem ein Theft dutch Zusatz yon Chloroform conservirt worden war, ein an- derer dutch 6 Tage hindureh fortgesetztes t~iglich 6stfindiges Erhitzen auf 56 o nicht sterilisirt werden konnte: es war eine dichte Kahm- haut auf s~immtliehen RShrchen gewachsen, die aus einem Bacillus and einem Coccus aus der Reihe der Globig'schen Bacterien bestand. Hier

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474 M. KIRCm'~E~:

hatte also das Chloroform sieh in augenf~lliger Weise als tier fraetio- nirten Sterilisation fiberlegen gezeigt.

Es wurde nun eine Reihe yon an Bacterien reichen Flfissigkeiten darauf kin untersucht, ob unter diesen Baeterien chloroformwiderstiindige sich befinden.

Ein Theil Spreewasse r wurde mit 4 Theilen Blutserum gemischt und 5 KOlbchen mit je 50 ~cm dieser )fischung geffillt. Diesen KOlbchen wurde 1/s , 1/~, a/s bezw. l/2~m Chloroform zugesetzt, was eiuem Gehalt yon 1/4 , 1/,., a/t bezw. 1 Volumpro.cent entspraeh; das ffinfte KOlbchen blieb frei yon Chloroform. Naeh bestimmten Zeitr~umen wurden aus diesen KOlbchen Proben entnommen und Esmarch 'sehe Gelatine-ROll- ehen damit angelegt. Das Ergebniss dieses Versuchs war das folgende. (S. Tabelle HI).

Spreewasser, das an der Kurffirstenbrfieke entnommen war, wo es nach den bekannten Untersuchungen yon F r a n c k 1 so ~iberaus reich an Bacterien ist, war also dutch einen Zusatz yon 1/2 Procent Chloroform in 24 Stunden keimfrei gemacht worden.

Wie wesentlich abh~ngig die Wirksamkeit des Chloroforms yon seiner LOslichkeit ist, beweist die Wiederholung des vorstehenden Versuches, wobei jedoeh das Spreewasser start mit Blutserum mit Bouillon gemischt wurde. W~ihrend das Blutserum nur 0 .4 Volumprocent Chloroform 1Gst, 10st Bouillon 0.5 Volumprocent, und daraus erkl~t es sich jedenfalls, dass das Chloroform in Bouillon frfiher und energischer auf die Bacterieu wirkt als im Blutserum. Das geht zur GenQge aus tier Tabelle IV hervor.

Zusatz yon 1/3 Procent Chloroform hatte also nicht einmal 24 Stunden bedurft, um alas so baeterienreiche Spreewasser kehnfrei zu machen.

Aus Tabelle III und IV aber ergiebt sich gleichm~ssig, dass ein Zusatz yon 1 Volumprocent zum Spreewasser dasselbe in 30 Minuten sterilisirt, eine ffir die Pra~is in der That wohl zu beherzigende Thatsache.

Bei den folgenden Versuchen nalnn ich auf die Temperatur Rack- sicht, hauptsiichlich, um zu sehen, ob das Chloroform auch gegenfiber den Globig'schen Bacterien wirksam sei. Ich bereitete yon jeder zu untersuchenden Fl~issigkeit u. s.w. 4 Gemisehe mit Blutserum, yon denen ich eins in den Eisschrank bei 6 ~ bis 8 ~ eins in das Laboratorium bei 150 bis 18 ~ eins in den Brfitschrank bei 36 ~ und eins in den Blut- serum-Sterilisirungsapparat bei 560 C. stell~e.

40 ~176 Blu tsenun , mit 10 ~ Wasse r aus der Ber l ine r Canal i - sa t ion gemischt und mit Chloroform im Ueberschuss versetzt, waren am 4. Tage keimfrei; auch in Ana~robenculturen erfolgte kein Wachsthum.

1 JDiese Zei tschri f t . 1888. Bd. III. S. 357--403.

Page 11: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

I~BER DIE EIN~WIRKUNG DES CHLOROFOR~i$ AU-F DIE BACTERIEN. 475

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Page 12: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

476 M. KIRCHNER:

40 ccm Blutserum, mit 10 ~176 Abwasser aus e iner Zucke r fab r ik gemischt und mit Chloroform im Ueberschuss versetzt, waren glcichfalls am 4. Tage steril; auch in Anaerobenculturen war kein Wachsthum erfolgt.

40 ~ Blutserum, mit f a u l e n d e m Blur geimpft und mit Chloro- form im Ueberschuss versetzt, waren am 4. Tage keimfrei; doch wuchsen in Anaerobenculturen einige Colonieen eines verflfissigenden, sporenbil- denden Bacillus.

40 ~cm Blutserum, mit M e n s c h e n k o t h vermischt und mit Chloro- form im Ueberschuss versetzt, waren am 5. Tage keimfrei, auch in Ana~- robenculturen.

Der Aufenthalt der Fliissigkeiten in den verschiedenen Temperaturen hatte keinen wesentlichen Unterschied hervorgebracht, nut effolgte die Wirkung im Eisschrank etwas langsamer; jedenfalls hatten die etwa in den Flfissigkeiten vorhandenen Globig'schen Bacterien dem Chloroform ebenso wenig widerstanden wie die anderen.

Bekannthch ist die G a r t e n r e d e sehr reich an ~usserst widerstands- f~ihigen Sporen. Es lag nahe, auch sie in das Bereich der Untersuchungen zu ziehen.

Am 26./V. 88 wurden 9 sterilisirte Er lenmeyer ' sche KSlbchen mit je 40 ocm frischen unsterilisirten Blutserums geffiL.l.t und mit einer kleinen Messerspitze Gartenerde versetzt. Je 3 wltrden dann mit 0.1 bezw. 0.2 o~m Chloroform gemi~cht bezw. ohne Chloroformzusatz gelassen. Yon jeder dieser 3 Reihen wurde das eine KSlbchen im Eisschrank~ das zweite in gcwShnhcher Temperatur, das dritte im Brfitschrank gelassen. Am 2.]VI. wurden yon s~mmtlichen 9 KSlbchen Platten gegossen. Die Zahl der auf den Platten gewachsenen Colonieen geht aus folgender Ta -~ belle Va hervor.

T a b e l l e Va. Einwirkung des Chloroforms auf Gartenerde in Blutsenun.

Aufbewahr t Platte Kein CttC1S I]4 Procent 1]~ Procent CHCls CHCIs

i m ~ Eisschrank

bei 15 o C.

i m Briitschrank

Original I. Verdiinnung

Original I. Verdiinnung

Original !i I. Verdiinnung

II. ,,

6OOOO 4320

5

324000 20225

1920

16 2 P

18 10 9

34 9

4

11 1 2

24968 560

57

15 6 4

Page 13: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

]~BER DIE EINWIRKUNG DES CHLOROFORMS AUF DIE BACTERIEN. 477

Also in 7 Tagen hatte ein Zusatz selbst yon 1/~ Proeent Chloroform zum Blutserum die demselben zugesetzten Baoterienkehne nicht ver- nichtet.

Am 5./I. 89, also nach 7 Monaten, waren die KSlbchen, die keinen Chloroformzusatz erhalten hatten, s~mmtlich s die mit Chloro- formzusatz dagegen hatten sich vorztighch gehalten. Auf den am 5./I. 89 davon gegossenen Platten wuchsen nut wenige Colonieen, wie auf Ta- belle Vb ersichthch gemaeht.

T a b e l l e u

Einwirkung des Chloroforms auf Gartenerde in Blutserum.

A u f b e w a h r t

im E i s s ch rank

bei 150 C.

im Brf i~schrank

Pla t te Kein CHC1 s

Orignal

1/4 P rocen t CHCla

56

240 ?

1/2 Procent CHCIs

1

0

0

Die Deutung dieses Ergebnisses ist nicht schwierig. In dem KSlbchen mit '/~ Preterit Chloroform hatte in den 7 ~Ionaten offenbar eine, wenn auch geringe Vermehrung der Bacterien stattgefunden; in den KSlbehen mit 1/2 Pror dagegen waren sie in dieser Zeit doch noch zu Grunde gegangen. Wie sell man sich das erkl~ren? Wit werden sparer auf diesea hSchst bemerkenswerthen Versuch zurfickkommen.

Versuche mit Erde machte ich noch mehrere, yon denen ich nur den folgenden anffihren will. Am 5./u 89 warden 4 KSlbchen mit je 40 ~om frischen, unsterilisirten Blutserums mit Gartenerde gemisoht' und mit Chloroform im Ueberschuss versetzt, je eines bei 6 ~ 15 ~ 360 und 560 aufbewahrt, und aus allen vier in bestimmten Zwischenr~umen Es- march'sche RSllchen angefertigt. Folgendes war das Ergebniss. (S. Ta- belle u

T a b e l l e Vc.

Einwirkung des Chloroforms im Ueberschuss auf Gartenerde.

Aufbewahr~

im E i s s c h r a n k . . . . . bei 15 o C . . . . . . . im Br f i t s ch rank . . . . b e i 56 0 C . . . . . . .

Colonieen nach

Tagen

26 100 150 300

14 l0 13

250

17 7 11 5 14 33

20o .~0

22

25 5

1 4 14

Page 14: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

478 M. KIRcm~.a:

Auch dieser Versuch zeigt, dass die Bacterien der Gartenerde sehr widerstandsf~hig sind gegen das Chloroform, dass jedoch auch sie, und zumal die so zahlreichen Globig'schen, unter der Einwirkung des Chloro- forms eine, wenn auch langsame, so doch stetige Abnatnne erfahren. H~tte ich, was leider nieht mSglich war, diesen Versuch ebenso lange fortsetzen kSnnen, wie den vorher beschriebenen, so wfirde, wie ich nicht zweifle, auch hier schliesslich vSllige Keimfreiheit erzielt worden sein; abet auch erst voraussichtlich in Monaten!

Aus diesen Colonieen konnte ich 9 versehiedene Mikroorganismen in Reincultur zfichten, s~mmtlich Bacillen, yon denen 4 beweglich, 5 unbe- weglich waren, 6 die Gelatine verflfissigten, 3 dagegen nicht, und die siimmtlich Sporen bildeten.

Dieser letztere Umstand giebt dell Schlfissel fox das merkwfirdige u des Chloroforms gegeniiber tier Gartenerde. Ihr reicher Gehalt an widerstands~higen Sporen ist vielleicht die Veranlassung ihrer schweren Desinficirbarkeit dutch Chloroform. Dass dieses endlich abet doch ihrer Herr wird, kommt daher, dass allm~hlich die Sporen zu Bacillen aus- wachsen, die dann rettungslos der Wirkung des Chloroforms anheimfallen. Je giinstiger die Temperatur,:um so eher geht dieses Auswachsen vor sich, um so eher wird also auch das Chloroform seine Wirksamkeit ent- falten. Dass diese Auffassung keine blosse Idee ist, sondern auf That- sachen beruht, wird sich im Verlaufe der Untersuchung zeigen.

Hier ist der Ort, nochmals anf die u mit der Milch zurfick- zukommen, die ich, wie Eingangs erw~hnt, dutch Chloroformzusatz Mo- nate hindurch conserviren konnte. Die bacteriologische Untersuchung dieser Milch zeigte, dass auch in ihr chloroformwiderstandsf~hige Mikro- organismen vorhanden waren, und dass die dutch das Chloroform ,,con- servirte" Milch also durchaus nicht keimfrei geworden war. Ein der- artiger Versuch mag des Genaueren angeffihrt sein.

Am 2./VI. 88 wurden 9 sterilisirte Er lenmeyer ' sche KSlbchen mit je 50 ~r frischer Milch geffillt und je drei mit 0.5 und 0.25 c~m, bezw. keinem Chloroform versetzt. Yon jeder dieser drei Reihen wurde je ein KSlbohen im Eisschrank, bei Zimmertemperatur und im Brfitschrank auf- bewahrt.

Am 7./Vii. 88 wurden yon s~mmtlichen KSlbchen Platten gegossen nach Einbringung yon einer PlatinSse Milch in ein RShrchen verfliissigter Gelatine und Anlegung yon zwei Verdfinnungen. Am 10./VII. wurden die gewachsenen Colonieen geziihlt. (S. Tabelle Via.)

Es hatte also in den 35 Tagen der Einwirkung eine entschiedene Abnahme der Bacterien in der Milch stattgefunden, yon einer Sterili- sirung konnte aber keine Rede sein. Die meisten Colonieen gehSrten

Page 15: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

~BER DIE EINWIRKUI~'G DES CHLORO~'ORSIS AUF DIE BACTERIEN.

T a b e l l e Via. Einwirkung des Chloroforms auf M_ilchbacterien.

479

Aufbewahrt

im Eissehrank

bei 15 0 C.

i m Briitschrank

Platte

Original I. Verdiinnung

IL ,,

Ori~nal I. u

II. ,,

Original I. Yerdfinnung

II. ,,

Kein CHCI3

unz~ihlbar

1/2 Proeent CHCI3

9450 26 10

880 16 11

10 4 5

1 Procent CHC1 s

?

4 1

39 23 I I

25 10 1

einem unbeweglichen Bacillus an, welcher Sporen bildete, die Gelatine nicht verfliissigte und in der Tiefe rundhche, auf der 0berflache uaregel- massig begrenzte Colonieen bildete; die 5iinderzahl der Colonieen war yon einem gleichfalls unbeweglichen und Sporen bildenden, jedoch die Gelatine verfltissigenden Bacillus gebildet,, der ebenso wie jener die Neigung hatte, zu langeren Verbanden auszuwachsen. Dieselben waren, wie schon aus der alkahschen Reaction, die die Milch zeigte, zu schhessen gewesen ware, mit den Bacfllen tier Milch- bezw. der Buttersaareg~hrung nicht identisch.

Am 30./X. 88, also nazh 4 Monaten und 28 Tagen, warden aufs Neue Platten gegossen, doch nut yon den mit Chloroform versetzten KSlbchen, da die fibrigen ausgefault waren. Diesmal warde nicht eine PlatinSse genommen und u angelegt, sondern die Platten warden mit 1, 1/., bezw. I/lO~~ Milch gemacht. Am 2./II. warden die gewachsenen Colonieen gez~hlt. (S. Tabelle VIb.)

T a b e l l e VIb. Einwirkung des Chloroforms auf Milchbacterien.

1]~ Procent 1 Proeent Aufbewahrt Platten yon CHCI3 CHCI 3

1 ccm

im Eissehrank 1/2 ,, 1/10 ~,

i 1 ,,

bei 15 o C. / 112 )9

t 1/10 ~

im Briitschrank i/., ,,

2800 2720 2430

200 lio 26

18 9 5

792 693 390

36 16 12

44 22 16

Page 16: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

480 M. KIRCtIN-ER :

Offenbar hatte eine ganz bedeutende • der Bacterien statt- gefunden, namentlich in den im Brfitschrank aufbewahrten KSlbchen, yon denen alas mit 1/2 Procent Chloroform nur noch zwischen 18 und 50, das mit 1 Procent nur noch zwischen 44 und 160 Kehne im Cubik- centimeter enthielt. • Keimfreiheit war aueh nach fast 5 Monaten ~ficht erreicht, nur die Giihrung und F~iulniss verhindert worden.

Auch dieser Versuch aber beweist meiner Ansicht nach die Bedeutung der Temperatur ffir die Wirksamkeit des Chloroforms. Im Eisschrank, wo die Sporen nicht die geeignete Temperatur zum Auskeimen finden, h~lt sich der Bacteriengehalt l~inger hoch als bei der Temperatur yon 15 o C. und gar bei derjenigen yon 36 o bis 37 ~ wo die Spore n verh~lt- nissm~issig viel schneller zu Bacterien auswaehsen, die dann unverzfiglich der Einwirkung des Chloroforms zum Opfer fallen. Nut so kann ich mir die Thatsache erkl~iren, dass die durch 1/2~ Chloroform conservirte :~iilch im Eisschrank zwischen 2800 und 24300, bei Zimmertemperatur zwisehen 200 und 260, im Brfitschrank zwischen 18 und 50 Keimen in 1 e~ enthielt, and class sich in der durch 1 Procent Chloroform conser- virten Milch im Eisschrank zwisehen 792 und 3900, bei Zimmertempe- ratur zwischen 36 und 120, im Brfitschrank zwischen 44 und 160 Bac- terienkeime in 1 ecru fanden. Die Unterschiede in der LSslichkeit des Chloroforms bei verschiedenen Temperaturen sind dagegen zu unbedeutend~ um diese bedeutenden Verschiedenheiten in seiner Wirkung erkl~ren zu kSnnen.

Da das Blutserum, das der Ausgangspunkt meiner Untersuehungen gewesen war, yore Rinde stammte, so lag der Gedanke nahe, dass jene Bacterien, die doch offenbar wahrend des Schlachtens hineingelangt waren~ in der Umgebung des Rindes zu finden sein mSchten. Ich liess mir daher yore Centralviehhof Rinderkoth und Rinderhaare kommen, brachte yon jedem etwas in je 4 K61behen mit 40 ~~ Blutserum, setzte Chloro- form im Ueberschuss hinzu und verfuhr dann in tier schon mehffach angegebenen Weise.

Zuvor hatte ich reich dutch das Anlegen yon Platten yon d.em wahr- haft enormen Bacteriengehalt dieser Substanzen fiberzeu~.

Der Sterilisirungsversuch der R i n d e r h a a r e hatte folgendes Er- gebniss. (S. Tabelle VII.)

Die Colonieen~ die auf den Platten yon Rinderhaar~ mit Chloroform behandelt, wuchsen, gehSrten 4 Baeillen und 1 Coccus an. Alle 5 ver- fliissigten die Gelatine, yon den Bacillen waren 2 beweglich, 2 unbe- weglich, alle 4 bildeten Sporen. Leider konnte auch dieser Yersuch nicht weiter fortgesetzt werden. Anaerobenculturen, welche am 9. Tage aus allen 4 KSlbchen angelegt wurden, blieben steril.

Page 17: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

~BER DIE EINWLRKUNG DES CHLOROFORMS AUF DIE BACTERIEN. 481

T a b e l l e VII. Einwirkung des Chloroforms im Ueberschuss auf Rinderhaare.

Colonieen nach Aufbewahrt

1 Tag 2 Tagen.~ 3 Tagen L9_9 Tagen

im Eisschrank + + 400 f 15 60

bei 15~ C. 6 3 I �9 4 2 im Briitschrank 3 4 2 3

bei 560 C. 5 1 -- 2

Ebenso wenig wie die Rinderhaare gelang es, R inde rko th in 9 Tagen durch Chloroform keimfrei zu machen. Es wuchsen auf den Platten 3 verschiedene Baeillen, welche s~immtlich Sporen bildeten und beweglich waren, yon denen jedoch nut einer die Gelatine verflfissigte. Alle 3 waren sehr klein und erinnerten an die menschlichen Fiicesbacillen in Gestalt und Wachsthum.

Nachdem ich so gefunden hatte, dass es sich bei den chlorofolza- widerst~ndigen Mikroorganismen zumeist um Sporen handelte, w~hrend die sporenfreien Mit:roorganismen diesem M_ittel meist sehr schnell unter- lagen, konhte ich dazu fibergehen, einige tier bekannten Mi~oorganismen, besonders aus der Reihe der pathogenen, auf ihr Verhalten gegen das Chloroform zu prfifen.

Hierzu wiihlte ich zun~ichst zwei durch ihre Farbstoffbfldung sich am Besten bemerkbar machende, n~mlich den Baci l lus prodigiosus und die Sarc ina auran t iaca . Sterihsirte Seidenf~den warden mit einer w~sserigen Aufschwemmung yon Kartoffelculturen dieser Mikroorganismen impr~gnirt, im Exsiccator getrocknet und hlerauf thefts in reines Chloro- form, thefts in ges~ttigte wiissrige ChloroformlSsung (,,Chlorofomwasser") gelegt. Nach verschiedenen Zeitr~umea warden F~den mit sterihsirter Pincette herausgenommen, in destillirtem sterilisirten Wasser grfindlich abgespfilt, in verflfissigte N~hrgelatine gebracht, und diese zu Esmarch ' - sehen R511chen ausgerollt.

Reines Chloroform fibt sowohl auf den B. prodigiosus "als auf die orange Sarcine selbst innerhalb 3 Stunden keine Wirkung aus. Durch Chiorofomwasser wurde der Bacillus prodigiosus schon innerhalb 48 Stunden vernichtet, die orange Sarcine dagegen selbst innerhalb yon 18 Tagen nicht angegriffen.

Nunmehr ging ich zu pathogenen Mikroorganismen fiber. Sporenf re ie ~ i l z b r a n d f ~ d e n in Blutserum wurden dutch 1 Proc.

Chlorofom in ann~hernd 30, in Bouillon durch 1/~ Proeent Chloroform schon in weniger als 10 Minuten getSdtet. Seidenfi4den mit angetrock- neten • i l z b r a n d s p o r e n gelang es mir jedoch weder dutch reines Chloro-

Zeitechr. f. Hygiene. VIIL 31

Page 18: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

482 M. KI~CH~R:

form noch dutch Chlorofonnwasser auch bei wochenlanger Einwirkung nicht keimfrei zu machen oder auch nur ihre Virulenz abzuschw~chen, wie nach den Untersuchungen yon R. Koch ja auch nicht anders zu erwarten war.

Sehr viel wirksamer erwies sich dagegen das Chloroform gegenfiber dem S t a p h y l o c o c c u s pyogenes aureus , den ich zu meinen Unter- suchungen w~hlte nicht allein mit Rficksicht auf seine Bedeutung als einer der wichtigsten Erreger tier Eiterung, sondern auch wegen seiner bekannten nicht geringen WiderstandsfShigkeit gegen Desinficientien. Ein solcher Versuch verlief folgendermassen.

Es wurden am 18./II. 88 ffinf Er lenmeyer ' sche KSlbchen mit je 40 c~ frischen unsterilisirten Blutserums geffillt und mit 0.1, 0.2, 0.3 bezw. 0 .4 ~c~, d. h. mit 1/4 , 1/2 , 8/4 bezw. 1 Volumprocent Chloroform versetzt, w~hrend das ffinfte zur Controle keinen Chloroformzusatz erhielt. Alle 5 waren vorher mit einer frischen Agarcultur yon St. pyog. aur. ge- impft worden. Es warden dann in verschiedenen Zeitr~umen RollrShrchen gemacht, in denen das Wachsthum sich wie folgt gestaltete. (S. Ta- belle VIII.)

T a b e l l e VIII. Einwirlmng des Chloroforms auf Staphylococcus pyogenes aureus.

Chloroform-

zusatz

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112 J~

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Nach

Tagen

----__-_-_- In Blutserum mit nur 1/4 Procent Chloroform ging also der St. pyog.

aur. in weniger als 6 Tagen, in Blutsenun mit 1/2 Procent in etwas mehr ats 1 Stunde, in Blutserum mit einem Ueberschuss yon Chloroform in weniger als 40 Minuten zu Grunde. Nach dem Yerhalten der iibrigen MJkroorganismen dfiffen wir annehmen, dass der Eitererreger durch w~ssrige ChloroformlSsungen in sehr viel kfirzerer Zeit vernichtet wird.

Bei der geringen Widerstandsfihhigkeit des Baci l lus der Cholera as ia t i ca gegen chemische Agentien durfte man erwarten, class er auch dem Chloroform sehr schnell erliegen wth'de. Diese Annahme wurde voll- kommen best~tigt, wie aus folgenden beiden Versuchen hervorgeht.

Am 22./II. 89 wurden ffinf Er lenmeyer ' sche KSlbchen mit je 40 c~ Bouillon geffillt und mit einer frischen Bouilloncultur yon Chlolerabacillen geimpft. Dann wurden 0.1, 0.2, 0.3, 0.4, dem fiinften gar kein

Page 19: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

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Page 20: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

484 M. Kzaca~rEa:

Chloroform zugesetzt, and nach bestimmten Zeitr~umen RollrShrchen ge- macht mit folgendem Resuita~. (S. Tabelle IX a.)

Also schon 1/~ Proeent Chloroform hatte den Cholerabaeillus in weuiger als 10 Minuten verniehtet.

Noch besser wird die Wirksamkeit des Chloroforms dutch folgenden Versuch gezeigt.

Am 2./III. 89 wurden ffinf Er lenmeyer ' sche KSlbehen mit je 40 ccm Bouillon gefiillt, mit einer frischen Bouilloncultur yon Cholerabacillen ge- impft und ffir 24 Stundeu in den Brfitschrank gestellt. Wie dutch die Untersuchung im h~ngenden Tropfen festgestellt wurde, war es in allen KSlbchen zu einer colossalen Vermehrung der Baeillen gekommen. Nun wurden den KSlbchen 0.1, 0.2, 0.3, 0.4 c~ bezw. kein Chloroform zu- gesetzt und dann in der iiblichen Weise zum Anlegen yon RollrShrehen geschritten. Das Ergebuiss dieses Yersuches weicht yon dem vorigen etwas ab. 1/4 Procent Chloroform vermoohte diese so kr-~ftige Cholera- cultar erst in 60 Minuten zu vernichten, 1/2 Procent abet hatte diese Wirkung sehon in nicht ganz 2, 1 Proeent gar in weniger als einer Mi- nute. Das N~here geht aus der vorstehenden Tabelle IXb hervor.

Ges~ttigte LSsungen yon Chloroform sind also im Stande, selbst Massenculturen yon Cholerabacillen in etwas mehr als 1/2 Minute keim- frei zu machen.

Nicht so energisch, a~er gleichfalls unverkennbar ist die Wirkung des Chloroforms gegenfiber dem Baci l lus des T y p h u s abdomina l i s . 3 KSlbchen mit je 50 r Bouillon wurden am 2.]IL 89 mit einer frischen Bouilloncultur des Typhusbaeillus geimpft und dann mit 0.5, 0.25 bezw. gar nicht mit Chloroform versetzt. In dem letzten K51bchen kam es zu einer fippigen Entwickelung der Bacillen, die nach einer Stunde aus den beiden anderen KSlbchen mit ~/.. bezw. 1 Procent Chloroform geimpften RollrShrchen blieben steril. Ob die Einwirkung des Chloroforms auf den Typhusbacillus nieht schon vor Ablauf einer Stunde erfolgt, habe ich nicht festgestellt, halte es jedoeh ffir wahrscheinlieh.

Ebenso wie die Typhusbacfllen wurden frische Bouillonculturen yon B a c i l l u s sub t i l i s , Bac t e r i um Zopfii, Wurze lbac i l l u s vor Ablauf einer Stunde dureh einen Zusatz yon 1/2 Volumprocent Chloroform keimfrei gemacht; die Culturen hatten, wie vorher dutch die mikrosko: pische Untersuehung festgestellt war, keine Sporen enthalten. Die Sporen des Heubacillus konnten, wie sich bei der Behandlung der Gartenerde, in der sic sich ziemlich zahlreieh fanden, herausstellte, mit Chloroform nicht vernichtet werden.

Page 21: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

I]BF_~ ])I~ ErNwIREUN(~ DES CHLOaOJ~O]~iS AUF ])r~ BXCTERZEN. 485

Bemerkenswerth ist die Angabe yon Ki tasa to , 1 dass es ihm nicht gelang, eine 3 Tage alte, sporenhaltige Bouilloncultur des Te tanus - baci l lus durch zweit~igige Behandlung mit 10 Volumprocent Chloroform zu vernichten, ja nicht einmal ihrer Virulenz zu berauben.

Fasse ich die Ergebnisse meiner Unt%rsuchungen zusammen, so sind dieselben die folgenden.

1. Das Chloroform entfaltet eine nicht unbetrSchtliehe Wirksamkeit gegenfiber einer gro~sen 2~nzahl yon Baeterien, vermag dagegen den Sporeu der Mehrzahl derselben nichts anzuhaben. Unter den pathogenen Bac- terien werden der Milzbrand-, Cholera- und Typhusbacillus, sowie der Staphylococcus pyogenes aureus durch das Chloroform sehr schnell, die ~[ilzbrand- und Tetanussporen dagegen auch nach l~ngerer Einwir],~ung nicht v6rnichtet.

2. Das Chloroform wirkt auf die Sporen nicht einmal entwickelungs- hemmend. Bei geeigneter Temperatur wachsen diese trotz der Gegenwart des Chloroforms zu Bacterien aus und fallen dann der Einwirkung des Chloroforms anheim. Es wird daher bei liingeren Zeitr'~umen der Bac- teriengehalt auch sporenhaltiger Substanzen dutch das Chloroform ver- mindert.

3. Das Chloroform ist daher kein Desinfectionsmittel im strengeren Sinne des Wortes, wohl aber ein sehr werthvolles • und sehr ge- eignet zur Conservirung eiweissreicher Substanzen, da es die GShrung und Fiiulniss hlntanh~lt.

4. In Wirksamkeit tritt das Chloroform nicht in ungelSstem Zu- stande, sondern in ges~tti~en LSsungen und bei sor~ltiger Hinderung der Verdunstung.

Hieraus ergeben sich zwanglos die Gelegenheiten, bei denen eine Verwerthung der bacterienvernichtend.en Eigenschaften des Chloroforms sich empfehlen wfirde.

Vor Allem empfiehlt sich die Sterilisirung des Blutserums durch Zu- satz yon Chloroform im Ueberschuss, da e~ sich Mcht aus demselben entfernen l~sst, die Zusammensetzung und Gerinnbarkeit desselben nicht wesentlich ~ndert und seine Verwendbarkeit als N~rbode~ fiir Bacterien nicht beeintr~chtigt. Es verdient den Vorzug vor der fractionirten Sterili- Sation, weft es auch die Globig'schen Bacterien vernichtet. Um ganz sicher zu gehen, k5nnte man das mit Chloroform eonservirte Blutserum vor dem Erstarrenlassen noch einige Tage lang ffir einige Stunden tfiglieh der Temperatur yon 560 C. aussetzen. Die Verbindung des Chloroforms

1 JOiese Zeltsehri~t. Bd. VII. 1889. S. 230.

Page 22: Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms auf die Bacterien

486 M. KIRCHNER:

mit derjenigen der KMte (Conservirung im Eisschrank) ist dagegen nicht zu empfehlen, das Blutserum vietmehr am Besten bei gewShnlioher Tem- perattu" zu halten.

Die schnelle und energische Wirkung des Chloroforms auf die Typhus- und Cholerabacterien ist yon hervorragender hygienischer Bedeutung. Denn es hat vor anderen wirksamen Desinfectionsmitteln den u nach geschehener Wirkung sich zu verflfichtigen. Behandlung der Leib- w~ische, tier Ausleerungen, Abwaschen der Hiinde, Tische, Gebrauohsgegen- st~nde mit Chloroformwasser wfirden bei Typhus- und Cho]era-Epidemieen yon Vortheil sein. Auch die Milch und das Trinkwasser-aus verd~ichtigen Brunnen wfirden durch einen Chloroformzusatz bis zur S~ttSgung (1/2 Proc.) jedenfalls yon den etwa darin befindlizhen Typhus- und Cholerakeimen sicher befreit werden, ohne an ihrer Geniessbarkeit einzubfissen. �9 ;[eden- falls wfirde alas Auswaschen der Melkeimer mit Chloroformwasser unbe- denklich sein und gewiss manche Uebertragung yon Typhus oder Cholera verhiiten, die beim Ausspfilen mit Wasser aus verd~tchtigen Brunnen erfolgt.

Ffir die s ist die Frage tier Verbesserung verd'~chtigen Trink- wassers auf Miirsohen und in Cantonnements yon der allergrSssten Be- deutung. Yerd~chtige Brunnen zu sohliessen oder zu vermeiden, wie in der Garnison, ist dort nicht immer mSglich. Nur zu oft muss das Wasser genossen werden so wie es sich eben bietet. Grfindliohes Kochen tSdtet ja die verd~chtigen Keime sioher; abet wer wollte dem dutch ~[iirsche und Anstrengungen aller Art erschSpften Soldaten zumuthen, abgekochtes Wasser zu geniessen? Nach den Untersuchungen yon Lfideri tz 1 gehen im Kaffeeaufguss (10 Procent) Typhusbacillen in 1 bis 3 Tagen, Cholera- bacillen in 3 his 4 Stunden zu Grunde. Mit Recht wird ja tier Kaffee den Mannschaften zum Ffillen der Feldflasche statt des auf ~[~rsohen schw~ichenden Branntweins empfohlen. Allein angenommen, der Kaffee wird in die mit typhus- oder choleraverd~chtigem Wasser ausgespfilte Feldflasche geffillt, so werden die auf diese Weise in den Kaffee gelangten Keime his zu dem Zeitpunkt, wo der Kaffee getrunken wird, nicht ver- nichtet. D~s Chloroformwasser ist dem Kaffee in seiner Wirkung ganz riesig fiberlegen. Es fragt sich nur, ob der Zusatz desselben zum Trink- wasser nieht zu theuer oder gar gesundheitsge~hrlieh ist. Beides mSchte ich bezweifeln. Nimmt man den Verbrauch an Trinkwasser zu 1/.~ Liter pro Kopf und Tag an, so wfirden 2.5 eem = 3.75 grin Chloroform pro Kopf und Tag genfigen, um die Armee vor hnsteckung mit Typhus und Cholera durch das Trinkwasser zu bewahren. Seine Verweudung wfirde natfirlich nur in verseuchten Gegenden eintreten und jedenfalls rationeller sein, als

1 .Diese Ze i t , e~rift. 1889. Bd. u S. 248. 252.

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~BER D]~ EZNWLRKUNC~ DES CHLORO~FORMS AU'F DIE BACT~ERIEN. 487

die Verabfolgung yon Thee und Zucker oder yon Citronens~ure an die Truppen, welche jetzt zur Verbesserang verd~chtigen Trinkwassers vor- geschrieben sind.

Zur Desinfection yon • Typhus- oder Cholerakranker wfirde dagegen das Chloroform entschieden zu kostspielig sein und hierbei auch um so weniger in Frage kommen, als wit nach den Untersuohungen yon P f u h l I in der Kalkmilch eia ebenso billiges wie sicheres Desinfec- tionsmittel fiir diesen Zweck besitzen.

Die Wirkung de~ Chloroforms auf die Typhus- und Cholerabacterien und die ]~[Sglichkeit der Desinfeetion menschlicher F~ces durch Chloro- form, die ieh erzielte, lassen den Vorschlag Salkowski ' s , mit dem Chloroform therapeutische Versuche zu machen, als in hohem Grade be- herzigenswerth erscheinen. Ich bin fest iiberzeugt, dass bei innerlicher Anwendung des Chloroformwassers, sei es per os oder im Klysma, die SommerdiarrhSen der Kinder, die Jahr aus Jahr ein eine so beden:kliche Sterblichkeit unter denselben veranlassen, einen sehr viel besseren Verlauf nehmen wfirden. Die Gabe, die dem Menschen ungestraft einverleibt werden kann, ist bekanntlich individuell sehr verschieden. Ieh konnte einem Meerschweinchen kurz hiatereinander 15 ~ Chloroformwasser, d. h. 0.075 corn oder 0.1125 or~ reines Chloroform beibringen, ohne dass es ver- endete, was bei einem Gewieht yon 3 3 6 ~ einer Menge yon 1/29s ~ des KSrpergewichts entspricht. Berechnet man die entsprechende ]~enge Chloroform ffir einen ~[enschen yon 70 k ~ KSrpergewieht, so wfirde diese 2 3 . 4 ~ oder 35.1 corn betragen, was einer Menge yon 7 Litera Chloro- formwasser entsprechen wiirde. • sohon zu recht hohen Eingiessungen wtirde ein einziges Liter genfigem

Es sollte daher die zul~ssige Gabe des Chloroforms ffir Erwachsene uud Kinder duroh klinische Versuche auf's Neue festgestellt, und der yon Sa lkowski gemachte Vorschlag der Verwendung desselben bei Cholera nostras und namentlich bei der asiatischen Cholera wohl beherzigt werden. Die Wirksamkeit des Chloroforms bei Cholera dutch Thierversuche zu prfifen, biu ich noeh besch~ftigt, doch kann ich das Ergebniss derselben augenblicklich noch. nicht fibersehen. Schon der vergebliche Versuch Salkowski 's , den Darm des lebenden tIundes d~ch Chloroformwasser zu sterilisiren, sprieht jedenfalls daffir, dass die Chlolerabacillen im KSrper des Kranken dem Chloroform nicht so leicht zum 0pfer fallen werden, wie das beim Laboratoriumsversueh im Reagensglase der Fall ist.

Der Verwendung des Chloroforms zu Zwecken der Wundbehandlung redet Salkowski weniger das Wort. Allein auch hlerzu scheint es mir

Diese Zeitsel~rif~. Bd. VI. S. 97--104. Bd. VII. S. 363--378.

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wegen der yon mir nachgewiesenen recht energischen Wirksamkeit gegen- fiber dem Staphylococcus pyogenes aureus durchaus geeignet, wenn auch seine Machtlosigkeit gegenfiber den Tetanussporen seinen Werth ent- schieden herabsetzt. Allein diese letzteren sind ja nicht so verbreitet, dass nicht die Verwendung gewShuliehen Wassers mit 1/2 Volumprocent Chloroform zum Reinigen dez Haut und zum Absp(ilen yon Wunden als zul~ssig erscheinen sollt% zumal in Ffillen, wo die fiblichen Sublimat- oder CarbollSsungen nicht zur Hand sind, oder ihre • contra- indicirt ist. Ffir die geburtshfilfliche und gynakologisehe Praxis, aus der die zahlreichen bedenklichen Erfahrungen mit dem Sublimat dieses Mittel mit Recht fast ganz verdr~ngt haben, wfirden sich meines Er- achtens Versuche mit der Yerwendung des Chloroformwassers zu Scheiden- und Uterus-Ausspfilungen ganz besonders empfehlen.

Auch die Verwendung des Chloroformwassers als Mundwasser muss um go dringender empfohlen werden, je mehr sich die Ffille h~iufen, iu denen es gelingt, pathogene h[ikroorganismen- Pneumoniekokken, Diph- theriebacillen u. a.m. - - in tier ~undhOhle yon gesunden Menschen nachzuweisen.

Am Schlusse meiner Arbeit ist es ffir reich eine angenehme Pflicht, meinem hochverekrten Lehrer, Herrn Geheimrath Dr. R. Koch, ffir die Anregung zu derselben und die mannigfachen werthvollen Rathschl~ge, die er mir im Verlauf tier Untersuchungen ertheilte, meinen verbind- lichsten Dank auszusprechen.