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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universitat Halle a.S. -- I)irektor: Geheimrat ProL Dr. Anion.) Untersuchungen iiber die Muskelh~rte bei Encephalitikern und die Wirkung des Scopolamins auf dieselbe*). Von Dr. H. V. Kurella und Dr. Ft. Schramm, Assistenten der Klinik. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 6. August 1924.) Die moderne Dualithtstheorie der Muskelfunktion, dal~ Tonus und Tetanus zwei verschiedene Prozesse sui generis sind, wurzelt hauptsitchlich in zoologischen und pharmakologischen Befunden. Bei Seeigeln und Muscheln sind einige Muskeln funktionell und ana- tomisch in zwei verschiedene Bestandteile, den Bewegungsmuskel und den Haltemuskel differenziert. Ferner ist die doppelgipflige Kon- traktionskurve des Warmblfitermuskels bei der Veratrinvergiftung von Bot$azzi 1) als Ausdruck der toxischen Dissoziation des tetanischen und tonischen Anteils des Muskels gedeutet worden. Die zunachst sehr widerspruchsvollen Befunde fiber Energieverbrauch und elek- trisches Verhalten dabei haben ihre abschliel~ende Deutung erst durch die letzten Untersuchungen Dittlers 2) gefunden; er hat nachgewiesen, dal~ die Kontraktion der Handmuskeln bei der kfinstlichen Atmungs- tetanie aktionsstromfrei vert~uft, wenn der zugehSrige l~eflexbogen durch Novocaininjektion in den betr. Nerven ausgeschaltet ist, dais sie dagegen ohne diese Aussch~ltung, wenn die afferenten und effe- renten Nervenbahnen intakt sind, stets AktionsstrSme hervorruft. Diese sind offenbar als der Effekt einer sekundhr durch die tonische Contractur propriozeptiv ausgelSsten reflektorischen, d. h. tetani- schen (~berlagerung aufzufassen [was durch die Untersuchungen v. Weizsdckers 3) fiber die AktionsstrSme bei neuritischer Ataxie schon wahrscheinlich gemacht worden war]; damit erkli~ren sich auch die i~ul~erlich gegen die Dualit~tstheorie sprechenden Befunde frfiherer Autoren, vor allem Hansens, P. Ho//manns und v. Weizsdckersa), dal~ n~mlich Kontraktionsprozesse, die man unter die tonischen ein~ *) Nach einem im ~rzteverein Halle am 29. II. 1924 gehaltenen Vortrage.

Untersuchungen über die muskelhärte bei encephalitikern und die wirkung des scopolamins auf dieselbe

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Page 1: Untersuchungen über die muskelhärte bei encephalitikern und die wirkung des scopolamins auf dieselbe

(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universitat Halle a.S. --

I)irektor: Geheimrat ProL Dr. Anion.)

Untersuchungen iiber die Muskelh~rte bei Encephalitikern und die Wirkung des Scopolamins auf dieselbe*).

Von

Dr. H. V. Kurella und Dr. Ft. Schramm, Assistenten der Klinik.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 6. August 1924.)

Die moderne Dualithtstheorie der Muskelfunktion, dal~ Tonus und Tetanus zwei verschiedene Prozesse sui generis sind, wurzelt hauptsitchlich in zoologischen und pharmakologischen Befunden. Bei Seeigeln und Muscheln sind einige Muskeln funktionell und ana- tomisch in zwei verschiedene Bestandteile, den Bewegungsmuskel und den Haltemuskel differenziert. Ferner ist die doppelgipflige Kon- traktionskurve des Warmblfitermuskels bei der Veratrinvergiftung von Bot$azzi 1) als Ausdruck der toxischen Dissoziation des tetanischen und tonischen Anteils des Muskels gedeutet worden. Die zunachst sehr widerspruchsvollen Befunde fiber Energieverbrauch und elek- trisches Verhalten dabei haben ihre abschliel~ende Deutung erst durch die letzten Untersuchungen Dittlers 2) gefunden; er hat nachgewiesen, dal~ die Kontraktion der Handmuskeln bei der kfinstlichen Atmungs- tetanie aktionsstromfrei vert~uft, wenn der zugehSrige l~eflexbogen durch Novocaininjektion in den betr. Nerven ausgeschaltet ist, dais sie dagegen ohne diese Aussch~ltung, wenn die afferenten und effe- renten Nervenbahnen intakt sind, stets AktionsstrSme hervorruft. Diese sind offenbar als der Effekt einer sekundhr durch die tonische Contractur propriozeptiv ausgelSsten reflektorischen, d. h. tetani- schen (~berlagerung aufzufassen [was durch die Untersuchungen v. Weizsdckers 3) fiber die AktionsstrSme bei neuritischer Ataxie schon wahrscheinlich gemacht worden war]; damit erkli~ren sich auch die i~ul~erlich gegen die Dualit~tstheorie sprechenden Befunde frfiherer Autoren, vor allem Hansens, P. Ho/ /manns und v. Weizsdckersa), dal~ n~mlich Kontraktionsprozesse, die man unter die tonischen ein~

*) Nach einem im ~rzteverein Halle am 29. II. 1924 gehaltenen Vortrage.

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reihte (Starre des Wundstarrkrampfes, katatonische, encephalitische und Enthirnungsstarre), doch u. U. AktionsstrSme aufwiesen.

Es erschien somit gerechtfertigt, die genannte Auffassung heuri- stisch auch in tier klinischen Betrachtung zu verwenden. Der Aus- gangspunkt war fiir uns die auff~tllige Tatsache, dal] das Scopolamin bei den Erkrankungen der Parkinsongruppe bewegungsfSrdernd wirkt, also den Rigor und auch den Tremor verringer~ (yon Erb wurde es zuerst bei der Paralysis agitans therapeutisch empfohlen), w~thrend es bei Psychosen, bei der Chorea und bei nich$ Nerven- und Geistes- kranken (Narkose!) eine gerade entgegengesetzte, d. h. bewegungs- hemmende Wirkung ausilbt. Die genauere Analyse ist sowohl yon klinischem wie physiologischem Interesse.

Als Mel~methode verwandten wit die yon Noyons und v. Uexk~ill 5) begrtindete und von Mangoldt 6) verbesserte Sklerometrie (Hi~rtemessung) des ruhenden Muskels, deren Prinzip darin besteht, die H~rte eines Muskels durch seine Eindriickbarkeit durch verschiedene Gewichte unter verschieden gestalteten Bedingungen zu bestimmen. Schon bei dieser Art der Messung ergaben sich unerwartete Befunde, die im folgenden geschildert werden sollen. Eine Untersuchung der Resistenz des passiv gedehnten Muskels gegen Geschwindigkeits- i~nderungen ist als Erganzung nOtig, jedoch bedarf es dazu wohl noch einer Verfeinerung der einfachen yon v. Weizsgcker 7) hierfiir ange- gebenen Methode.

Das Sklerometer liellen wir entsprechend den Angaben Mangoldts yon einem hiesigen Pr~zisionsmechaniker anfertigen. Es besteht im Prinzip aus einem zweiarmigen Hebel, der in der wagrechten Achse und nur in vertikaler Ebene drehbar an einem Stativ aufgehangt ist; an dem einen li~ngeren Hebelarm (240 mm von der Achse bis zur Spitze) tri~gt er in 40 mm Entfernung v o n d e r Achse eine (40 mm lang) gestielte Pelotte mit ebener ovaler Grundfl~che yon 7 : 11 mm Durchmesser, die auf dem Muskel aufliegt; in 80 mm Entfernun'g yon der Achse befindet sich ein an einem Metallzylinder befestigtes Hi~kchen zum Einh~ngen der Gewichte; der Hebel l~uft am Ende in eine Spitze aus, die seine Ausschli~ge an einem in Millimeter ge- teilten MaSstab registriert. An dem anderen kurzen tIebelarm ist ein zylindrisches, verschiebliches Metallgewicht angebracht, das zur horizontalen Ausbalancierung des Hebels dient. Die genannten Dimen- sionen sind so gew~hlt, dal] die Hebelspitze die Einsenkung der Pelotte in den Muskel in 6 facher VergrSl~erung anzeigt.

Als Objekt ftir die Messungen w~hlten wir den Biceps brachii, ein- mal weil er von den grOf~eren Muskeln die Spindelform am deutlichsten zeigt, dann, weil er ohne eine zu unbequeme Haltung der Versuchs- person in eine genau horizontale Lage gebracht werden kann. Um

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die Versuchsbedingungen m6glichst gleichm~l~ig zu gestalten, lagerten wir den linken Arm der Vp. in die Manschetten eines Zanderappa- rates fiir passive Bewegungen des Ellenbogens und mal~en bei ge- strecktem und bei rechtwinklig gebeugtem Unterarm; die Vp. saB bequem auf einem Stuhl, die Lage der Manschetten ftir Ober- und Unterarm, sowie die Stelle, wo die 1)elotte aufsal~, wurde auf dem Arm mit Hautstift genau markiert. Die Ablesung der Ausschl~ge am Mal~stab, der an einem Stativ verschiebbar (zur jeweiligen Neuein- stellung des Nullpunktes) eingespannt war, geschah durch den einen Beobachter, wahrend der andere die Gewichte einh~ngte und nach erfolgter Ablesung sogleich wieder abnahm. Wir haben anfangs stets mit mehreren Gewichten (1, 2, 5, 10, 20 g) gepriift, sparer, entsprechend den Angaben Mangoldts, nurmehr die Gewichte von 10 und 20 g ver- wendet. Das Einsinken der Pelotte verlief in zwei deutlich verschie- denen Phasen, einer raschen, ausgiebigen, der ein langsames Nach- sinken um ca. 11/2 mm Hebelausschlag folgte; am l'~bergangspunkte beider 1)hasen, der sich nach einiger (~bung leicht erkennen liel~, wurde abgelesen, d. h. das Nachsinken [bzw. die elastische Nachwirkung (Mangoldt)], das bei hSherer Muskelspannung fast ganz fehlte, wurde unberiicksichtigt gelassen. -- Die Scopolamininjektionen wurden zur Vermeidung lokaler Wirkungen stets in den rechten Arm der Vp. gemacht, nur der linke Biceps wurde gemessen.

Als StSrungsquellen erwiesen sich Schwankungen in der Haltung der Hand und des Rumpfes einerseits, Ermiidung und Tagesschwan- kungen des Allgemeinbefindens (welch letztere ja gerade bei Ence- phalitikern sehr deutlich sind) andererseits. Die Vpp. gewOhnten sich entsprechend ihrem Bildungsgrad mehr oder weniger schnell daran, immer in der gleichen ungezwungenen Haltung dazusitzen, sie wurden am Tage der Messung von jeder Arbeit befreit und muSten sich mSglichst ruhig verhalten; dadurch gelang es, die genannten StOrungen, bis auf die Tagesschwankung, die sich auch in unseren Kurven wiedergibt, einigermal~en auszuschalten.

Im folgenden seien nun unsere Resultate in graphischer Dar- stellung aufgezeigt. Die Ordinate bedeutet die Eindriickbarkeit der 1)elotte in Millimeter (6fach vergrOl~ert!), die Abszisse die Zeit. Die mit 0 bezeichneten Linien geben die Kurven ohne Scopolamin, S die Kurven mit Scopolamin an; der Zeitpunkt der Einverleibung des Mittels ist durch einen Pfeil markiert mit Angabe der Dosis in Milli- gramm. Die gestrichelten Kurven zeigen die I-I~rtewerte bei recht- winklig gebeugtem Unterarm (ira folgenden kurz als B-Stellung be- zeichnet !), die ausgezogenen Kurven die Werte bei gestrecktem Unter- arm (~ S-Stellung !). S~mtliche Kurven sind bei einer Hebelbelastung mit einem 20 g Gewicht gewonnen.

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Abb. 1 zeigt die Schwankungen der Muskelh~rte im Verlaufe des Tages bei einem Normalen. Das Scopolamin wirkt in der B-Stellung deutlich ttarte vermindernd, d. h. erschlaffend, die Eindriickbarkeit ist vergrSSert, wie das auch zu erwarten war. In der S-Stellung ist die Wirkung weniger ausgepr~gt und h~lt sich innerhalb der Grenzen der Tagesschwankung.

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Abb. 1.

Bei Messungen an anderen Normalen haben sich ungef~hr die gleichen Resultate ergeben und wit haben aus diesen Befunden die Mittelwerte fiir die B- und S-Stellung berechnet, die bei etwa 30 mm in der B-Stellung und 20 mm in der S-Stellung liegen (bei 6facher VergrSl~erung!). In den folgenden Kurven sind diese als Vergleichs- werte mit einer geraden Linie N eingezeichnet.

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Abb. 2.

Abb. 2 veranschaulicht die H~rte bei einem Spastiker (Pyramiden- lasion unklarer Genese). Die Werte der B-Stellung sind deutlich ver- mindert, der Muskel ist h~rter, weniger eindriickbar; in der S-Stellung ergibt sich keine konstante Abweichung. Versuche mit Scopolamin wurden hier nicht gemacht.

Abb. 3 gibt den yon uns als ,,ersten Typus" der Encephalitiker bezeichneten Befund wieder. Es pr~gt sich bier das aus, was nach dem klinischen Bilde des Rigor bei der Encephalitis zu erwarten war: vermehrte Harte, d. h. verringerte Eindriickbarkeit in beiden Stel-

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lungen, verglichen mit dem Befunde beim Normalen, sowie Ver- schiebung dieser Werte zur Norm hin durch das Scopolamin, d. h. eine erschlaffende, bzw. I-I~rte vermindernde Wirkung durch dasselbe.

Abb. 4 zeigt den ,,zweiten Typus" der Encephalitiker in reiner Auspr~gung: vermehrte Eindriickbarkeit ohne Scopolamin, weitere Vermehrung derselben mit Scopolamin, sowohl in der B- wie in der

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A b b . 3.

S-Stellung. Dabei handelt es sich klinisch um einen unzweifelhaften Fall yon Encephalitis, bei dem die allgemeine Bewegungshemmung wie speziell der Rigor der Ellbogenbeuger und -strecker (bei der ge- wShnlichen 1)riifung dutch das Muskelgefiihl des Untersuchers) un- verkennbar ist. Das Scopolamin veri~nderte hier den Zustand der H~rte nich~ zur Norm hin, sondern umgekehrt yon der Norm weg,

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A b b . 4.

wirkt aber trotzdem klinisch-therapeutisch sowohl subjektiv wie objektiv giinstig, im Sinne der Bewegungserleichterung.

Bei Abb. 5 liegt ein ahnlicher Typus vor wie bei Abb. 4. Jedoch ist hier die H~rte nur in der S-Stellung vermindert, in der B-Stellung dagegen normal. Das Scopolamin beeinflu~t in der B-Stellung die H~rte im Sinne der Verminderung, d. h. von der Norm weg (wie bei Abb. 4), in der S-Stellung ist die Wirkung nicht eindeutig.

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Zur Deutung unserer Befunde ware nun folgendes zu s~gen: l~igor und Harte stehen anscheinend nicht, wie man bisher implizite

annahm, in einem eindeutigen, geraden Abh~ngigkeitsverh~ltnis, sondern kSnnen nach unseren Befunden sowohl gleichsinnig wie im entgegengesetzten Sinne ver~ndert sein.

Mit der unit~rischen Theorie diirfte man diesen Umstand, wenn iiberhaupt, nur durch Einbau yon Hilfshypothesen vereinb~ren kSnnen; vom Standpunkte der dualistischen Theorie lassen sich diese Fakten ohne weiteres in das Bisherige einftigen: der tonische und der tetanische Prozel~ sind hier im entgegengesetzten Sinne gestSrt, und zw~r be- finder sich der eine in Hypofunktion, der andere hingegen in Hyper- funktion. Die Entscheidung, ob es sich um Hypotonie und Hyper- tetanus (diese Bezeichnungen jetzt nicht klinisch-deskriptiv, sondern in dem oben definierten Sinne der Dualitgtstheorie genommen!) oder

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Abb, 5.

um Hypertonie und Hypotetanus h~ndelt, l ~ t sich zwingend auf Grund der bisher bekannten Tats~chen u. E. noch nicht erbringen.

Fiir den Hypertetanus sprechen die Reflexsteigerung, die man oft, wenn such nicht immer, bei den Encephalitikern beobachtet, und die elektromyographischen Befunde yon Mayer und JohnS); ferner mul~ die l~esistenz gegen Geschwindigkeits~nderungen (Bremsungen und Zerrungen) nach den Untersuchungen yon P. Ho//mann und v. Weizsdclcer 9) dem tetanischen System zugeschrieben werden, und diese pr~gt sich bei den Encephalitikern eben in ihrem l~igor aus. -- Fiir die Hypotonie (d. h. die Hypofunktion des tonischen Apparates) spricht der klinische Befund, da~ bei einigen Muskeln des Encephali- tikers die Funktionsminderung im Sinne der Schlaffheit iiberwiegt, so besonders in den Kopfhebern, Masseteren, im Orbicularis oris, in den Rumpf- und Kniestreckern, d. h. gerade bei denjenigen Muskeln, die dem Ausdruck der Willensst~rke dienen (man denke auch an die Etymologie des Wortes ,,hartn~ckig"!). Schon H. H. Meyer und Fr6hlich lo) haben es wahrscheinlich gemacht, da~ die Beziehungen des quergestreiften Wirbeltiermuskels zum Willens- und Affektleben den tonischen Anteil betreffen, was in der Theorie der sympathischen

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Innerwtion weiterhin richtunggebend gewesen ist [vgl. auch Frank 11)].

Ffir die andere M6glichkeit: Hypotetanus und Hypertonie ist da- gegen u. E. nichts Positives anzuffihren.

~ber die Scopol~minwirkung l~l~t sich ~us mehreren Griinden nur vermutungsweise etw~s ~ussagen. Zun~chst kennen wir die Muskel- h~rte bei der Chorea, dem Gegenpol der P~rkinson-Enceph~litis, noch nicht (klinisch besteht verminderte Resistenz gegen passive Be- wegungen, also d~s, was der Kliniker kurzweg Hypotonie zu nennen pflegt); die Wirkung des Scopolamins ~uf dieselbe ist uns gleichf~lls noch nicht bekannt. M6glicherweise spielt ferner hierbei auch das Arndt-Schulzsche pharmakodyn~mische Grundgesetz eine Rolle (bei unseren Fallen konnten wir ~us ~uIleren Grfinden dies nicht fest- stellen, da bei kleinen Dosen die Ver~nderung innerh~lb der Fehler- grenzen blieb und grol~e Dosen [fiber 0,5 mg] aus klinischen Rfick- sichten nicht ~ngewandt werden konnten).

Augenscheinlich wird aber der Hyl0ertet~nus durch d~s Scopol~min verringert; das entsprache auch der Wirkung bei den psychotischen Erregungszustanden und bei der N~rkose (wo die Funktion der pyramidal-tet~nischen intentionalen Bewegungen in erster Linie ge- 1/~hmt wird). In welcher Weise die tonische Komponente der Beein- flussung durch das Scopolamin unterliegt, lal]t sich mit Sicherheit noch nicht bestimmen. Die Muskelharte ist im wesentlichen wohl der Ausdruck des Zustandes des tonischen App~rates; da sie nun durch d~s Scopol~min immer im Sinne der Her~bsetzung ver~ndert wird, so k~nn man nicht umhin, eine 1/~hmende Wirkung desselben auch ~uf die tonische Komponente anzunehmen. Allerdings spricht die klinische Erf~hrung hinsichtlich der gen~nnten ,,Willensmuskeln" nicht in diesem Sinne, dies mfi~te aber erst noch mit ex~kten Methoden gemessen werden.

Die Bewegungsst6rung bei der Encephalitis leth~rgica ist ver- mutlich weniger eine L~sion der Funktion des einzelnen Muskels an sich, sondern vielmehr eine Lasion der Fahigkeit der Muskeln zur Synergie bei komplizierten Bewegungen. Die Magnusschen Versuche 12) haben die l~byrinth~re Abh~ngigkeit der l~eaktionsweise des Muskels auf Reize des zugeh6rigen motorischen Nerven (Erschlaffung oder Kontraktion je nach der Stellung des Kopfes zum Rumpf) erwiesen, was auch mit dem Uexki~llschen Gesetze bei Wirbellosen [speziell den ,,Halbtierversuchen" bei Schnecken yon H. Jordan l~)] in Zusammen- hang steht. Die Formung von Bewegungstypen, die Bewegungsfigur, die aus der Zusammenfassung funktioneller Antagonisten und Syner- gisten entsteht, erfolgt wohl in groBem Umfange durch solche zentrale Steuerungen, und diese Synergie ist bei der Encephalitis lethargic~

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durch eine Verminderung der Ansprechbarkei t auf die Reize, die zur Bewirkung der synergischen Funk t ion ausgesandt werden, gest6rt. Dabei bedarf es freilich erst noch der Analyse, welche Rolle bei diesem Vorgang die tetanische und welche die tonische Funk t ion t ibernimmt. - - Das Scopolamin wirkt nun vielleicht nicht nur durch eine Verr ingerung des Hyper te t~nus gfinstig, sondern auch, infolge einer Vermehrung der Hypotonie , durch eine Verst~rkung der Ansprechbarkei t der tonischen Komponen te des Muskels auf schwache Reize, die zur Ausl6sung der Auxil i~rfunktion ausgeschickt werden. Dies widersprache abet in gewissem Sinne wieder dem oben fiber die Wirkung auf die Willens- musku la tu r GeauBerten, wie i iberhaupt wir uns bier noch im Gebiete reiner Hypo thesen bewegen. Die ~bertr~gbarkei~ des Uexki~llschen

Gesetzes auf den tonischen oder te tanischen Appara t der hSheren Tiere finder ihre Begrenzung wohl schon darin, da~ dieses mit zu ein- fachen physikalischen Metaphern (meist des Druckes; des Gasdruckes und des Druckes in einer inkompressiblen Flfissigkeit etwas promiscue) arbei te t und da~ diese Probleme humor~le d. h. chemische sind. Die genauere Analyse der Scopolaminwirkung wird aber in dieser l~ichtung zu einer weiteren Kl~rung beitragen.

Zum Schlu~ ist cs uns eine angenehme Pflicht, Her rn Geheimrat A n t o n ffir seine reiche Anregung und sein wohlwollendes Interesse auch an dieser Stelle unseren D a n k auszusprechen.

Literaturverzeichnis. 1) JBottazzi, Engelmanns Arch. 1901. -- 2) Dittler und Freudenberg, 1)fltigers

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