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B. BROUWER, Untersuchungen iiber die Projektion der Retina usw. 9 gereichten RSntgenbildern mSchte ich mit Vorsicht begegnen; ich ver- mag an ihnen nichts Pathologisches zu entdecken. Wie Herr Anton habe auch ich in der VerknScherung der Membrana atlantooccipitea ein ttinde™ fiir die Punktion der Cisterna cerebello-medullaris gefunden. In einem Falle von Tumor des Halsmarkes konnte deswegen die Lipo- jodolprobe nicht via Zisternenpunktion, sondern nur via Lumbalpunk- tion mit konsekutiver entsprechender Schrgglagerung ausgeffihrt werden. Die Synostosis atlantooccipitea braucht nicht der Ansdruck einer kon- genitalen Mil~bildung zu sein. Sie kommt auch im Rahmen der chro- nisch ankylosierenden Wirbelsgulenversteifung nnd der Osteoarthritis deformans ver. Schar zu trennen ist natiirlich das Malum suboccipi- tale, die Tuberculosis atlantooccipitea, auf die Herr Nonne hier hin- gewiesen bat. Ich mSchte nur Herrn Nonne mitteilen, daB ihm bai der Durchsicht der neurologischen Literatur ein von mir verSffent- lichter Fall von Malum suboccipitale entgangen sein diirfte, in dem ich dureh Implantation eines Stiickes Fibula zwischen Occiput nnd Dornfortsatz der Vertebra prominens eine Immobilisation geschaffen und eine v611ige Ausheilung erzielt habe. Anton (Schlul~wort): Die Kranken mit VerlStung des Atlas-ttinter- hauptgelenkes kommen wohl zum geringeren Telle deshalb in grztliche Behandlung. Die Gefahrenzone ist deshalb hier vorhanden, weil die Lage der Telle variabel ist. Kluge hat durch eine Reihe von Er- fahrungen nachgewiesen, dal3 bai Erweiterung des ttinterhauptloches pl6tzliche Todesarten auftreten. Die RSntgenbilder vorher aufzunehmen, ist off erwiinscht zur Vorbeugung. 18. Herr B. Brouwer (Amsterdam): Untersuchungen iiber die Projektion der Retina ira Zentralnervensystem. In meinem Vortrag m~)chte ich iiber Untersuchungen berichten, die ich gemeinsam mit Dr. Z e e ma n, Professor der Ophthalmologie in Amsterdam, gemaeht habe. Vielleicht ist es in dieser Ver- sammlung fiberfltisiig, daran zu erinnern, dal3 zwei Auffassungen von der Fortleitung der optisehen t~eize im Gehirn einander schroff gegeniiberstehen. Es sind diejenigen von Hensehen und von von ~onakow: In Henschens Theorie gibt es eine sehr seharfe Lokatisation der Retina ira Zentra]nervensystem. Die oberen Quadranten der Retina liegen ira Corpus geniculatum exter- hum, in der Sehstrahlung und in der okzipitalen Rinde immer dorsal, die unteren bleiben iiberal] ventral. Die Macul~ bat aine inself6rmige Vertretung, es gibt a]so aine kortika]e Retina. Naeh

Untersuchungen über die Projektion der Retina im Zentralnervensystem

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B. BROUWER, Untersuchungen iiber die Projektion der Retina usw. 9

gereichten RSntgenbildern mSchte ich mit Vorsicht begegnen; ich ver- mag an ihnen nichts Pathologisches zu entdecken. Wie Herr A n t o n habe auch ich in der VerknScherung der Membrana atlantooccipitea ein ttinde™ fiir die Punktion der Cisterna cerebello-medullaris gefunden. In einem Falle von Tumor des Halsmarkes konnte deswegen die Lipo- jodolprobe nicht via Zisternenpunktion, sondern nur via Lumbalpunk- tion mit konsekutiver entsprechender Schrgglagerung ausgeffihrt werden. Die Synostosis atlantooccipitea braucht nicht der Ansdruck einer kon- genitalen Mil~bildung zu sein. Sie kommt auch im Rahmen der chro- nisch ankylosierenden Wirbelsgulenversteifung nnd der Osteoarthritis deformans ver. Schar�9 zu trennen ist natiirlich das Malum suboccipi- tale, die Tuberculosis atlantooccipitea, auf die Herr Nonne hier hin- gewiesen bat. Ich mSchte nur Herrn Nonne mitteilen, daB ihm bai der Durchsicht der neurologischen Literatur ein von mir verSffent- lichter Fall von Malum suboccipitale entgangen sein diirfte, in dem ich dureh Implantation eines Stiickes Fibula zwischen Occiput nnd Dornfortsatz der Vertebra prominens eine Immobilisation geschaffen und eine v611ige Ausheilung erzielt habe.

An ton (Schlul~wort): Die Kranken mit VerlStung des Atlas-ttinter- hauptgelenkes kommen wohl zum geringeren Telle deshalb in grztliche Behandlung. Die Gefahrenzone ist deshalb hier vorhanden, weil die Lage der Telle variabel ist. Kluge hat durch eine Reihe von Er- fahrungen nachgewiesen, dal3 bai Erweiterung des ttinterhauptloches pl6tzliche Todesarten auftreten. Die RSntgenbilder vorher aufzunehmen, ist off erwiinscht zur Vorbeugung.

18. Herr B. B r o u w e r (Amsterdam):

U n t e r s u c h u n g e n iiber die P r o j e k t i o n de r Re t ina ira Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m .

In meinem Vortrag m~)chte ich iiber Untersuchungen berichten, die ich gemeinsam mit Dr. Z e e ma n, Professor der Ophthalmologie in Amsterdam, gemaeht habe. Vielleicht ist es in dieser Ver- sammlung fiberfltisiig , daran zu erinnern, dal3 zwei Auffassungen von der Fortleitung der optisehen t~eize im Gehirn einander schroff gegeniiberstehen. Es sind diejenigen von H e n s e h e n und von v o n ~ o n a k o w : In H e n s c h e n s Theorie gibt es eine sehr seharfe Lokatisation der Retina ira Zentra]nervensystem. Die oberen Quadranten der Retina liegen ira Corpus geniculatum exter- hum, in der Sehstrahlung und in der okzipitalen Rinde immer dorsal, die unteren bleiben iiberal] ventral. Die Macul~ bat aine inself6rmige Vertretung, es gibt a]so aine kortika]e Retina. Naeh

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v o n ~ o n a k o w steht noch ziemlich wenig tiber die Lokalisation der Quadranten fest, jedenfalls mu~ die Macula eine sehr diffuse und ausgebreitetœ Vertretung ira Gehirn haben.

Seit den Kriegserfahrungen ist die Theorie von H e n s c h e n fast atlgemein angenommen. Man darf aber nieht vergessen, da• Obduktionsbefunde dieses Kriegsmateriales kaum vorliegen und dag Kon~rollen an Serienschnitten iiberh~upt nicht ver~ffentlicht worden sind. Es ist darum nieht zu verwundern, dal~ die Hirn- anatomen sich der Theorie von H e n s c h e n nicht ohne weiteres anschlieBen k5nnen.

Professor Zee m a n und ieh haben nun das Problem von einer ~ndern Seite angegriffen. In 1895 haben P i c k und H e r r e n - h e i s e r kleinœ L~sionen in der Reting von Kaninchen und Katzen gemacht und die sekundgren Degenerationen im Nervus opticus, ira Chiasm~ und ira Tractus optieus mit der Marchimethode stu- diert. Zum Studium der Verhgltnisse in den prim~ren Opticus- zentren selbst sind sie und ihre Nachfolger nicht gekommen.

Wir haben nun den Weg, den P i c k und H e r r e n h e i s e r ge- wiesen haben, weiter verfolgt. Professor Z e e m a n machte Lg- sionen in der Retina von Kaninehen, Katzen und Affen. Die Tiere wurden nach 18 T agen get5tet und die sekundgren Degenerationen mit der Marehimethode verfo]gt. Wir verfiigen jetzt iiber unge- �9 50 Schnittserien, bel versehiedenen dieser Tiere wurde aul~er dem Gehirn aueh das Auge in Schnittserien untersueht. Ein Teil unserer Ergebnisse ist sehon an anderer Stelle 1) verOffentlicht worden. Ieh m5ehte nun einige unserer weiteren Erfahrungen hier mitteilen.

Beziiglich der Projektion der Retina ira Gehirn muB man den monokul~ren Teil des Gesiehtsfeldes von dem binokuliren Teil unterscheiden. Beim Kaninchen, dessen Augen noeh ganz seit- w~rts im Kopfe stehen, ist das binokul~re Gesiehtsfeld noch klein. Es wird bedeutend gr8~er bel der Katze und wgchst sehr stark beim Affen. ~ a n darf aber nicht vergessen, da~ beim Affen und sicher aueh beim ~enschen ein Teil des Gesichtsfeldes nur ein-

1) B. Brouwer, Experimentell-ana™ Untersuchungen liber die Pro- jektion der Retina auf die primgren Opticuszentren. Schweiz. Arch. f. Neurol. u. Psychiatrie 1923, Bd. 13 (Festschrift fiir v. ~onakow). -- B. Brouwer und W. P. G. Zeeman, Experimental anatomical investigations eoneerning the pro- jection of the retina on the primary optie centres in the apes Journ. of neurol, a. psychopathol. 1925, Vol. VI.

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iugig gesehen wird. Behr h�87 uns die Bedeutung dieser Tatsaehe fiir die mensehlichœ Pathologie gelehrt.

Die Projektion des monokulgren und des binokul~ren Gesiehts- feldes zeige ich Ihnen an Zeichnungen. Beim Kaninchen nimmt das binokulgre Gesichtsfeld einen Teil des medialen Gebietes dieses Gang]ions ein. Wir haben die Resultate von Minkowsk i in dieser Beziehung ganz bestitigen k6nnen. Der gr6Gte Teil wird rem monokuliren Gesichtsfe]d eingenommen. Beim Affen nimmt da- gegen das binokul~re weithin den gr6Gten Teil der Corpus geni- culatum externum ein, das monukulire liegt als schmaler Streifen am ventra]en I~ande.

Die verschiedenen Quadranten projizieren sich beim K�87 in der Weise, dag die ganze Retina umgekehrt wird. Sie liegen ~lso ira Genieulatum wie ira Gesichtsfeld. Das trifft nicht nur iiir die monukul~re, sondern aueh ftir die binokul~re zu. Die Verh~lt- nisse bel der Katze werden innœ kurzer Zeit von meinem Sehttler, Dr. Overbosch l ) , publiziert werden. Ich m6ehte nur hervorheben, daB aueh bei diesem Tier eine exakte Projektion auGerordentlieh wahrscheinlieh ist. Nur ist die Lage der Qua- dranten anders als beim Kaninchen, ira allgemeinen h a t d i e obere H~lfte der Retina eine Tendenz, sich frontal von der unteren H~lfte zu legen.

Beim Affen liegen die oberen Quadranten medial, die unteren lateral. Bei diesem Tier muG man aber mit der 1Vfacula Rechnung halten. Beim Kaninehen fehlt sie noeh, bei der Katze ist sie nur sehwaeh angedeutet, beim Affen ist diese Stelle der Retina jœ ebenso deutlich entwickelt wie beim 1Vfensehen. Es ist Professer Z e e m a n gelungen, aueh isolierte L~sionen in der Macula zu setzen. Das war dadureh m0glieh, d̀ er seine Experimente immer unter Fiihrung des Ophthalmoskopes maehtœ

Das •tudium der sekundiren Degenerationen nach isolierten Lisionen in der Macula lehrt nun, dag die Ausbreitung im Corpus geniculatum externum eine ausgedehnte ist. Doeh ist eine Lokali- sation ira allgemeinen Sinne sicher da, denn wir finden die Osmium- k0rner meistens an Stellen, an dœ sie naeh Lisionen der iibrigen Retina fehlen, n~mlieh in der Mitte des Ganglions. Nur ira oralen Teil ist eine derartige exakte Lokalisation nicht se scharf. Es

1) Dr. Ove rbosch , Inauguraldissertation Amsterdam. 1926.

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scheint, als ob hier eine ~berlagerung (,,Overlap") der Maculateile mit anderen Teilen der Retina stattf~nde. Etwas Derartiges sehen wir aueh nach Lisionen in den oberen und in den unteren Qua- dranten der Maeula. Im allgemeinen kann man sagen, dat~ die Fasern, welche von den unteren Quadranten der Macula kommen, sich naeh lateral wenden, wihrœ die oberen mehr medial bleiben. Das ist Mso in Ubereinstimmung mit den Erfahrungen nach Be- sch~digungen in der peripheren Retina. Nur im oralen Teil des Ganglions fiberlagern die versehiedenen Telle der Maeula einander.

Diœ Frage drgngt sich nun auf: Wœ diese Verhiltnisse im orMen Teil des Genieulatum auf eine wirkliehe Uberlagerung hin, oder ist diese nur eine scheinbare? Wir sind hier an der Grenze der M5gliehkeiten angelangt, die man mit der ~aehimethode er- reiehen kann. Denn es w~re ganz gut m0glich, daB die Fasern in dieser oralen Partie nur das Ganglion durehlaufen und nieht hier enden. Ein wichtiger Teil der Traktusfasern dringt eben hier ira oralen Teil in das Ganglion eln. Dazu kommt noeh, daB wir aus nnserer ganzen Untersuehungsreihe das Gefiihl gewonnen habœ dag das Lokalisationsprinzip hier miBgebend sein m u e Darum habe ich unsere Schlugfolgerungen in dieser Weise sehematisch �9 Die obš Quadranten der I~etina projizieren sieh medial, die unteren lateral. Die Macula liegt dazwischen, die obere ttglfte eben�9 medial, die untere lateral.

Diese Erfahrungen scheinen uns aueh von Bedeutung fiir die Vbrh~ltnisse beim 3/iensehen. Denn das Corpus genieulatum ex- te rnum hat sieh in der Phylogenese allm~hlich naeh auBen ge- schoben, liegt aber beim Arien bereits an derselben Stelle wie beim iViensehen. Ffigt man nun hinzu, daB die Stellung der Augen, die anatomisehen Verhiltnisse in der t~etina, die Art der Kreuzung im Chiasma, beim Affen und beim Mensehen kaum Unterschiede zeigen, so versteht man unsere Erwartung, dag unsere Ergebnisse auch auf den 3/Ienschen iibertragen werden diirfen. Wenn dies riehtig ist, so kann man folgendes schlieBen: Das Lokalisations- prinzip von H e n s e h e n besteht zu Recht, nur liegen die Quadran- t e n d e r t~etina im Corpus genieulatum anders, und hat die 3~acula eine zwar lokalisierte, aber ausgedehnte Projektion. Es wird Ihnen ohne weiteres deutlich sein, daB die hier gegebenen Tatsachen Wert haben fiir die Projektion der Retina ira zweiten Neuron.

Demonstration von Mikrophotographien.

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W. SPIELMEYER, Zur Pathogenese 5rtlich elektiver Gehirnver~nderungen. 13

Aussprache: W a l l e n b e r g (Danzig) fragt den Vortr., ob er wie LSpp vor

15 Jahren unter Wal lenbergs Leitung undl spiter Minkowski (Ziirich) eine andere Lokalisation der Degeneration in dem mit der Lision gleichseitigen Corpus geniculatum laterale als in dem gekreuzteil gefunden hat.

B rouwer antwortet, dal~ die ungekreuzten l~asern des Opticus beim Kaninchen in einem zirkumskripten Teil des Corpus geniculatum externum enden, und wohl ganz medial. Bas ist in ?Jbereinstimmung mit den Erfahrungen von Minkowski.

19. Herr W. S p i e l m e y e r (Miinchen):

Zur Pathogenese 5rtlich elektiver Gehirnver~nderungen. Um die Entstehungsbedingungen 0rtlich elektiver Hirnver-

~nderungen zu erkennen, miissen wir zun~chst einfache Objekte wihlen, wo wir Aussicht haben, An�9 des Prozesses zu treffen und ihn durch einzelne Phasen zu verfolgen, und wo das Quantum der jeweiligen histopathologisehen Vorginge grol~ genug ist �9 unsere immer noch grobe Analyse. � 9 Anbetracht der K0mp]iziert- heit de r Verh~ltnisse bel Heredodegenerationen und ]ungsam ver- laufenden Systemerkr~nkungen wollen wir zun~ehst einmal an ein�9 Objekten arbeiten, um daran iiberhaupt erst das Pro- blem und dieFragestel lung schgrfer zu erfassen. Anstat t von vorn- herein nach e i n e r e i n h e i t l i e h e n Erklarung fiir die raumlich elektiven Veranderungen zu suehen, worin manche Autoren das Ziel sehen , wo]len wir priifen, ob nicht die Pathogenese recht v er- schiedenartig sein kann. Tats~chlich ergibt sich aus meinen Untersuchungen, iiber die hier berichtet werden sol], daB der lokale bzw. der genetische Faktor fiir die 0rtliche Elektivit~t kein einheitlieher ist. Naeh meinen seit Kriegsende darauf gerichteten Studien meine ich, das ara Kleinhirn und Ammonshorn zeigen zu k5nnen.

1. Die von mir besehriebene isolierte Erkrankung des 1Vucleus dentatus bei Typhus stellt sieh a]s reine, raumlich isolierte De- generation dar. Weiter gehen unter dem Einflul~ versehiedener •oxen (Infektionskrankheiten, Schiibe chronischer Prozesse, epi- leptische Staten) die Purkinjezel]en zugrunde, ohne da$ hier etwa Entziindungen oder vaskul~re Prozesse nachweisbar wiren; es handelt sieh wohl ebenfalls um eine reine Degeneration anatomisch