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Aus der Sportphysiologischen Abteilung der Sporthochschule K51n (Vorstand: Prof. Dr. reed. H. Mies). Untersuchungen iiber die ,,vegetative" Umstimmung im Training. Von H. Mies. Mit 1 Textabbildung. Fiir die XVirkung wiederholter harter k6rperlicher Arbeit werden im Schrifttum sehr verschiedene Grtinde angegeben. Diese lassen sich vielleicht in drei Gruppen einteilen: 1. Vermeidung 5berflfssiger Mitinnervation und dadurch gr613ere 0konomie des Muskeleinsatzes, also Verbesserung der Koordination der Muskeltiitigkeit; 2. Vervoll- kommnung der Austauschvorg~inge in der Peripherie; 3. Umstim- mung der vegetativen Steuerung des Organismus. Die Verbesserung der peripheren Austauschvorgiinge kann wohl auch als ein Tell der ,,vegetativen Umstimmung" aufgefal~t werden. Die Angaben im Schrifttum (siehe die zusammenfassenden Darstellungen) stimmen weitgehend darin iiberein, dab nicht ein einzelner Faktor die Trainingswirkungen herbeizufiihren vermag, dab es vielmehr des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren bedarf. Es ist Ieicht mSglich, die Verbesserung der Koordination der Muskeltiitigkeit wiihrend eines Trainings naehzuweisen. Es gelingt auch, die Xnderungen der Austauschvorgiinge in der Peripherie zu erfassen. Dagegen st613t der Naehweis der ,,vegetativen Umstim- mung" auf erheblich gr61~ere Schwierigkeiten. Mit der Feststellung des Absinkens der Ruhewerte in bezug auf Puls, Blutdruck, Blut- menge und Atmung im Training diirfte eine ,,Umstimmung" noch nieht hinreichend bewiesen sein. Bei diesen eben aufgefiihrten Gr6Ben ist wohl am h~iufigsten mit der Abnahme der Ruhewerte eine VergrSl~erung der Spanne bis zum physiologischen Maximalwert verbunden. Ein derartiges Ruhe-Absinken anderer, ebenfalls vegetativ gesteuerter GrSBen, etwa des Systems ,,Blut", l~il~t sich aber nicht mit Sicherheit nachweisen. Es ist daher noch unentsehieden, ob es im Training iiberhaupt zu einer eindeuligen Abnahme aller Ruhe- werte kommen mull. So sind im allgemeinen bei einer Arbeit im

Untersuchungen über die „vegetative” Umstimmung im Training

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Page 1: Untersuchungen über die „vegetative” Umstimmung im Training

Aus der Sportphysiologischen Abteilung der Sporthochschule K51n (Vorstand: Prof. Dr. reed. H. Mies).

Untersuchungen iiber die ,,vegetative" Umstimmung im Training.

Von

H. Mies. Mit 1 Textabbildung.

Fiir die XVirkung wiederholter harter k6rperlicher Arbeit werden im Schrifttum sehr verschiedene Grtinde angegeben. Diese lassen sich vielleicht in drei Gruppen einteilen: 1. Vermeidung 5berflfssiger Mitinnervation und dadurch gr613ere 0konomie des Muskeleinsatzes, also Verbesserung der Koordination der Muskeltiitigkeit; 2. Vervoll- kommnung der Austauschvorg~inge in der Peripherie; 3. Umstim- mung der vegetativen Steuerung des Organismus. Die Verbesserung der peripheren Austauschvorgiinge kann wohl auch als ein Tell der ,,vegetativen Umstimmung" aufgefal~t werden. Die Angaben im Schrifttum (siehe die zusammenfassenden Darstellungen) stimmen weitgehend darin iiberein, dab nicht ein einzelner Faktor die Trainingswirkungen herbeizufiihren vermag, dab es vielmehr des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren bedarf.

Es ist Ieicht mSglich, die Verbesserung der Koordination der Muskeltiitigkeit wiihrend eines Trainings naehzuweisen. Es gelingt auch, die Xnderungen der Austauschvorgiinge in der Peripherie zu erfassen. Dagegen st613t der Naehweis der ,,vegetativen Umstim- mung" auf erheblich gr61~ere Schwierigkeiten. Mit der Feststellung des Absinkens der Ruhewerte in bezug auf Puls, Blutdruck, Blut- menge und Atmung im Training diirfte eine ,,Umstimmung" noch nieht hinreichend bewiesen sein. Bei diesen eben aufgefiihrten Gr6Ben ist wohl am h~iufigsten mit der Abnahme der Ruhewerte eine VergrSl~erung der Spanne bis zum physiologischen Maximalwert verbunden. Ein derartiges Ruhe-Absinken anderer, ebenfalls vegetativ gesteuerter GrSBen, etwa des Systems ,,Blut", l~il~t sich aber nicht mit Sicherheit nachweisen. Es ist daher noch unentsehieden, ob es im Training iiberhaupt zu einer eindeuligen Abnahme aller Ruhe- werte kommen mull. So sind im allgemeinen bei einer Arbeit im

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e i n z e l n e n n e b e n e rgo t ropen gleichzei t ig a u c h t ropho t rope Reak t ions - ab l / iufe zu b e o b a c h t e n .

Die v o r l i e g e n d e n U n t e r s u c h u n g e n h a t t e n da he r das Ziel, das Pro- b l e m der , ,vegetat iven U m s f i m m u n g " i m T r a i n i n g a n z u g e h e n . Dabe i f a n d vor a l l em die F rage , wie sich die R u h e w e r t e u n t e r d e m T r a i n i n g verha l ten , ob b ie r genere l l e ine n i ed r ige re R u h e - E i n s t e l l u n g e in t r i t t oder n ich t , e ine ganz b e s o n d e r e Bedeu tung . Dies setzte na t i i r l i ch voraus , dart bei d e n V e r s u c h e n v o n s t r engs ten R u h e - B e d i n g u n g e n - - G r u n d u m s a t z b e d i n g u n g e n - - a u s g e g a n g e n wurde .

M e t h o d i k .

Die Untersuchungen wurden art insgesamt 21 Sportstudenten, und zwar mit ver- einzelten Ausnahmen unter Grundumsatzbedingungen durchgeffihrt. Die Versuche erstreckten sieh auf das Verhalten yon Blutdruek, Herzschlagzahl, Atmung, Alkali- reserve, Blutmilchs/iure- und Brenztraubens/iui-espiegel sowie Kalium- und Calcium- gehhlt des Blutes; in. einer Reihe yon Versuchen wurde noch die Gerinnungszeit des Blutes gemessen. Es war technisch nicht mSglich, alle Bestimmungen in ein and demselben Versuche durchzuf/ihren. Daher warden in jedem Versuch Blutdruck, Pulszahl und Atmung registriert, aul]erdem wenigstens zwei der iibrigen Besfim- mungen in wechselnder Kombination durchgeffihrt. Dagegen kann das Bedenken gettend gemacht werden, dal~ so Ergebnisse miteinander kombiniert werden, die nicht in ein und demselben Versuch gewonnen wurden. Demgegenfiber mull jedoch betont werderr, dab es durch Zahlreiche frfihere Versuche erwiesen ist, dat] bei gleichem k6rperlichen Leistungszustand und bei streng gleichen Versuchsbedingungen Stets ein gleichartiges Verhalten der oben angeffihrten Testobjekte festgestellt Wet- den konnte. Daher diirfte die Zusammenfassung zeitlich nut kurz auseinander liegender Versuche erlaubt sein.

Ein anderer, wohl schwerwiegenderer Einwand is~ aber mSgllch: Bisher ist eine fortlaufende Aufzeichnung nut des Blutdruckes, der Pulszahl und der Atmung durch- zuffihren. Alle iibrigen angeffihrten Untersuchungen erlauben vorerst lediglieh die Gewinnung yon Stichproben. Grunds/itzlich schon ist eine dutch Verbindung yon Stichproben gewonnene Kurve mehr oder weniger fraglich. Da abet dem Faktor ,,Zeit" bei den vegetativen Reakfionen eine sehr groBe, im einzelnen noch viel zu

wenig bekannte Rolle zukommt, ist die Gfiltigkeit solcher Kurven noch mehr ein- geschriinkt.

In jedem Versuch wurde zun{ichst der Ruhewert und 3 Minuten spiiter dec Aus- gangswert bestimmt. Unmittelbar darauf erfolgte die Belastung. Als solche wurde stets der rotatorische Vestibularisreiz gew/ihlt, well es dadurch am ehesten gelingt, eine gleichmfiBig reproduzierbare Erregung des vegetativen Nervensystems auszulSsen (Mies). Sofort - - d.h. liingstens 20 Sekunden - - nach Beendigung des Reizes, 2, 3 und 5 Minuten spiiter, wurden wieder Blutentnahmen fiir die e4nzelnen Bestim- mungen durchgeftihrt.

Bezfiglich der Methode der Milchsfiure- and Brenztraubens/iurebestimmung sei auf die Arbeiten yon Kottmeyer und Engel verwiesen.

Versuehsergebnisse. Ausgangswerte: Die vor der Be l a s tung g e w o n n e n e n W e r t e h ie l ten

sich vor B e g i n n der T r a i n i n g s p e r i o d e s / imtl ich im Bere ich der als phys io iog i sch a n g e s e h e n e n Grenzen . Es w a r ke ineswegs fes tzus te l len ,

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Untersuehungen fiber die ,>vegetative,, Umstimmung im Training 151

dab sie sich gehfiuft an der oberen oder unteren Grenze der Norm befanden. Unter dem Training wurde eine eindeutige ~nderung der Ausgangswerte nur des Blutdruekes, der Herzsehlagzahl und der Atmung beobaehtet. Bei allen iibrigen beobaehteten Gr6Ben waren keine klaren, fiber das MaB der physiologisehen Sehwankungen

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A B

Abb. 1. Versuehsperson 9. A vor dem Training, B nach 10 "Wochen Training. Auf der Abszisse sind der Ruhewert (R), der Ausgangswert (A), die Dauer der rotatorischen u (= ) , sowie die Zeit nach der Reizung in Min. eingetragen. Blutdruck in mm Hg, Puls und Atmung je Min., Alkalireserve in Vol. ~ CO~, die iibrigen Werte in mg~ . Alle Mal~st~be sind so angelegt~

dag einer adrenergischen Reaktion ein Ansteigen der Kurve en~spr~chr

hinausgehenden Anderungen der Ausgangswerte festzustellen. Es war zwar eine gewisse Bewegung in Riehtung ,,Vita minima" ange- deutet; so sank z. B. der Blutkalziumspiegel vielfaeh ab, ein gleieh- sinmges Verhalten zeigte nieht so selten aueh der Blutmilehs~iure- spiegel u .a . (vgl. Abb.). Diese Anderungen waren jedoeh nicht

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signifikant, so dab hieraus keine weiteren Schlfisse gezogen werden sollen. Es war also nur bei den Funktionen, die dutch besondere Rezeptoren - - Pressorezepioren, Chemorezeptoren - - gesteuert wet- den, eine eindeutige Xnderung der Ausgangslage unter dem Training zu erkennen.

Verhalten nach Belastung: Vor Beginn der Trainingsperiode re- agierten die Probanden auf den rotatorischen Vestibularisreiz sehr unterschiedlich. Am einheitliehsten war noch das Verhalten yon Blutdruek, Herzsch.lagzahl und Atmung; hier tral fast regelm~il~ig eine Steigernng bzw. eine Beschleunigung ein: Die fibrigen unter- suehten Gr61~en verhielten sieh sehr verschieden; neben Gleich- bleiben wurden ebenso Senkung wie Steigerung der Werte nach- gewiesen. Es verliefen also adrenergisehe und eholinergische Reak- tionen zusammen mit nieht nachzuweisender Reaktion (vgl. Abb.). Eine Giiltigkeit des Wi~derschen ,,Ausgangswertgesetzes" war nieht immer zu erkennen.

Nach einer l~ingeren T r a i n i n g s p e r i o d e - mindestens zwei Monate - - war dagegen das Bild der Reaktionsabl~iufe ganz anders. Das auf- fallendste Merkmal war deren Einheitliehkeit. Sfimtliche Reaktionen waren dann adrenergiseher Natm" (vgl. Abb.). Es waren jedoeh anch hier noch bestimmte Besonderheiter~ festzustellen. Das Ausmal~ der Re- aktion yon Bluldruek, Herzschlagzahl und Atmung war beim Trainier- ten eindeutig geringer als beim Untrainierten. Anl]erdem gingen diese genannten Gr61~en nach Beendigung des Reizes beim TraiIfierten raseher auf den Ausgangswert zurfiek als vor dem Training. Bei den iibrigen Tests ergab sich bei den Trainierten der Eindruek einer ausgiebigeren und bisweilen auch I/inger anhaltenden Reaklion. Wegen der im Abschni~t Methodik er6rterten grundsiitzliehen Sch,~ierigkeiten der Auswertung ein,er aus Sfiehproben entstandenen Kurve wurde die statisfisehe Sicherung dieser Beobachtung nieht versucht.

Auf die Gesehwindigkeit des Eintrittes dieser vegetativen Reak- tionen wurde in friiheren Arbeiten wiederholt hingewiesen (Mies); sie war auch in allen vorliegenden Versuehen wieder zu beobachten.

Die eben besehriebene Einheifliehkeit der Reaktionen war an die strenge Einhaltung der Grundumsatzbedingungen geknfipft. Ab- weichung yon diesen Versuchsbedingungen, etwa nur Nikotingenul~, konnte die Einheiflichkeit der Reaktion fiir l~ingere Zeit st6ren, so z. B. beim Kaliumspiegel bis zu zwei Siunden. Uberhaupt ging aus diesen Untersnchungen wiederum hervor, wie lange die vegetative Reaktion den Reiz zu iiberdauern vermag. Dementspreehend mull aueh das IntervalI zwischen zwei l:teizen gew~ihlt werden, bis der wiederholte Reiz den gleiehen Reakfionsablauf bewirkt, wie der erste

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Untersuchungen fiber die ~vegetative<, Umstimmung ~m Training. 153

Reiz. Auch wenn der Ausgangswert wieder erreicht war und ein- gehalten wurde, waren damit der Ausgangszustand und die ur- sprfingliche Reaktionsbere]tschaft noch nicht immer wiederher- gestellt. Am kfirzesten war diese Zeit ffir die noch durch besondere Rezeploren gesteuerten Funktionen des Kreislaufes und der Atmung. Ffir das System ,Blut" dauerte sie sehr viel l~inger, ffir jeden ein- zelnen Faktor d]eses Systems aber wieder verschieden lang.

Besprechungen der Versuchsergebnisse .

Die durch ein k6rperliches Training bewirkte ,,vegetative Um- stimmung" des Organismus diirfte nach den vorliegenden Unter- suchungsergebnissen darin bestehen, dab es zu einer einheitlich ge- richteten Reaktion des vegetativen Nervensystems kommt. Beim Un- trainierien meistert das vegelative System offenbar jegliche Anfor- derung au.s der augenblicklichen Situation hera~ts. Je naeh dem derzeitigen Funktionszustand, vor allem woh,1 der Peripherie, kann die Reaktion sehr untersehiedlich sein. Es k6nnen im einzelnen gleichzeitig nebeneinander adrenergische und eholinergische Re- aktionsabl/iufe festgestellt werden. Diese Meisterung einer Belastung aus der Situation heraus beweist gewiB die hohe Anpassungsf/ihig- keit des Organismus. Es diirfte aber verst/indlieh seth, dab hier noch nieht der HShepunkt der 0konomie und damit tier Leistungsf/ihig- keit angenommen werden kann. Dieser dfirfte jedoch bet ether gleich- gerichleten Reaktion des vegetativen Nervensystems erreicht sein.

Fiir eine derartige Ausrichtung der vegetativen Reaktionen wurde bisher eine tibermSBige St/irke des Reizes g e f o r d e r t - Notfalls- funktion (Cannon). Es dfirfte nunmehr naehgewiesen seth, dab durch regelm/iBig wiederholte Belastung - - Training - - eine Bereit- sehaft des vegetativen Systems zu einer einheitlichen Reaktions- weise erzielt werden kann. Dann genfigt offenbar ]eder Reiz, um eine einheitlich gerichtete Reaktion auszul6sen. Es wird der hier als Be- lastung angewandte Vestibularisreiz wohl kaum schon als ,,Not- fallsreiz" angesehen werden kSnnen. Ebenso wie bet der Skelett- nmskulatur so scheint auch innerhalb des vegetativen Systems eine Steigerung der Koordination durch wiederholte Belastnng mSglich zu sein. Damit wSre also eine Einheitlichkeit in der Wirkung des Trainings auf den mensehliehen Organismus festzustellen.

Das Absinken der Ruhewerte gait bisher als :eines der auff/illigsten Kennzeichen der ',,vegetativen Umstimnmng" dutch alas Training. Durch die eigenen Untersuchungen diirfte erwiesen seth, daf] dies nur in beschr/inktem Umfang zntrifft. Nur bezfiglich des Blut- druckes, der Herzschlagzahl und der Atmung war ein signifikantes Absinken der Ruhewerte festzustellen, so wie es fibereinstimmend

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auch im S chrifltum angegeben wird. Bei allen iibrigen untersuehten Gr6Ben war keine eindeutige )~nderung der Ruhewerte zu erkennen. Darauf wiesen aueh E. A. Miiller, Robinson und Harmon u. a, hin. Es waren zwar vielfaeh gewisse )~nderungen im Sinne eines grSl~eren eholinergisehen Einflusses angedeutet. Diese )i.nderungen hielten sich jedoeh stets im Rahmen der ohnehin sehon vorhandenen physio- logisehen Sehwankungen; sie k6nnen nieht als signifikant bezeiehnet werden. Da alle Bestimmungen der Ruhe- und Ausgangswerte unter Grundmnsatzbedingungen durchgeffihrt wurden, dfirften die vor- liegenden Versuche die Frage nach dem Verhalten der Ruhewerte im Training weitgehend gekl~irt haben. Auf die Einhaltung einer solehen Gleiehm~iBigkeit der Versuehsvorbedingungen wie h,ier scheint bisher noch nicht geaehtet worden zu sein.

Es scheint nieht ganz einfaeh zu sein, eine Erkl~irung daffir z u geben, warum nur die Funktionen allein eine )~nderung der Ruhe- werte im Training zeigen, die noch durch besondere RezePtoren - - Pressorezeptoren, Chemorezeptoren - - gesteuert werden. Es dfirfte so sein, dab es unter dem Einflul~ wiederholler harter Arbeit zu einer Tonus~nderung der Gef~l~e kommt. Sofern diese Tonusfinderung auch die Rezeptorenfelder der Aorta und des Carotissinus betrifft, findert sieh die Erregungsgr6Be der yon dort ausgehenden Rezep- toren. Dadureh kann das Absinken von Blutdruek und Herzsehlag- zahl bedingt sein. Von Heymans und seinen Mitarbeitern wurde naehgewiesen, dab 1-Adrenalin und 1-Noradrenalin solehe Elastizi- tiiis/inderungen der Rezeptorenfelder der Aorta und des Carotissinus bewirken k6nnen. Diese Befunde wurden sp~iter von mehreren Autoren (Palme, Zotterman und Mitarbeiter, Schroeder und An- schiitz) best~itigt. Da die genannten Wirkstoffe aber die Reaktions- lage des gesamten vegelativen Systems und aller von ihm abh/ingi- gen Gr6Ben beeinflussen, erscheint eine einheitliche Erkliirung des Verhaltens der Ruhewerte im Training trotz der bei der Beobachtung im einzelnen sich ergebenden Unierschiede doch als sehr wohl mSg- lich. Aus diesem Befund k6nnte der SchluB gezogen werden, dag nur Kreislauf und Atmung fiber eine Steuerung durch besondere Reze~pto- ren verffigen. Den fibrigen hier untersuchten GrSl]en s cheint eine solche zu mangeln, vielleicht nur ein Mangel an Spezifit~it. Auf wel- chem Wege aul~er durch Adrenalin bzw. Noradrenalin diese Steige- rung der Koordination des vegetativen Systems zustande kommen kann, soll weiter unten behandelt werden.

Ein anderes Versuchsergebnis sei zun~ichst noch er6rtert: Es ist bekannt (u. a. Borgard, Mathiessen und Zaeper), und auch aus den eigenen Unlersuchungen ersichtlich, da~ die Reaktion von Blutdruck, Herzschlagzahl und Atmung auf eine Belastung beim Trainierten

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Untersuehungen fiber die ~vegetativer Umstimmu~g im Training. 155

geringer ist und nur kiirzere Zeit dauert als beim Untrainier ten. Alle anderen hier untersuchten Gr6Ben oder Funk t ionen zeigten eher ein entgegengesetztes Verhal[en. Die Reaktion auf die Belastung hat[e beim Tra in ie r ten v ie l fach ein grSBeres Ausmat~ und dauerte lfinger als beim Untrainier ten. Diese Beobachtung lfiBt sich vorerst nu r mit ganz besonderer Vorsicht auswerten. Es handel t sich bier im me r nur, wie bereits ausgefiihr[, um Stichproben, deren Verbin- dung zu einer Kurve letztlich nicht mehr als eine Annahme sein kann . Diese Beobachtungen mfissen daher noch weiter verfolgt wer- den. Insbesondere ist eine Verbesserung der Methodik der Bestim- mung mit dem Ziel einer for t laufenden Aufzeichnung anzustreben.

Schlieglich soll die Frage wieder aufgegriffen werden, wodurch die Verbesserung der Koordinat ion des vegetativen Systems bedingt sein kann. Auf die Bedeutung yon Adrenal in bzw. Noradrenal in wurde oben bereits hingewiesen. Daneben wird gewil] das Hypo- physen-Nebennieren-Sys tem eine Rolle spielen (Benetato, Bezndk, Selye, dort aueh weitere Li tera tur angegeben). Zwisehen den eigenen Beobaehtungen und den Symptomen des sogenannten zweiten Sta- diums, dem des Widers tandes (naeh Selye), bestehen gewisse Par- allelen. Damit allein abet diirfte die Koordinat ion des vegetaliven Systems noeh nieht gekl~irt sein. Es wirken sieher aueh noeh andere F a k to r e n mit. Hier seien die Beobaehtungen yon Wachholder und Uhtenbroock sowie von Schroll u . a . angefiihrt. Sie stellten im Muskel unter dem Tra in ing eine Steigerung des Gehaltes an redu- Zierenden Substanzen, insbesondere der Aseorbinsiiure lest. Damit steht in ~bere ins t immung, dab dureh liinger dauernde Zufuhr yon hohen Aseorbinsfiuregaben eine auffal lend gleiehe Umstel lung des Organismus erzielt werden kann wie dureh k6rperliehes Tra ining (zusammenfassende Darstel lung bei Hoitink). Dem Vitamin B1 soll e ine / ihnl iehe Bedeutung z u k o m m e n (Bezndk, Asmussen u. a.) Damit diirfte eine t /eihe yon MSgliehkeiten angefi ihr t sein, die gewig an der Zunahme der Koordinat ion des vegetativen Systems im Training mit- wirken. Die Bedeutung der er6r[erten Fak to ren gegeneinander abzu- wiigen, muB weiteren Versuehen vorbehal ten bMben. Es ist nieht ausgesehlossen, dab der Milehs/iure hier die Rolle eines ausl6senden Fak tors z ukommt (Mies).

Zusammenfassung. 1. Unter der Wirkung eines k6rperlichen Trainings kommt es zu einer Ver-

besserung der Koordination des vege[afivea Systems. Es besteht damit eine Parallelit~it zu der trainingsbedingten Steigerung der Koordinafion der Muskeltiitigkeit.

2. Nur die Ruhewerte yon Blutdruck, Herzschlagzahl und Atmung sinken wiihrend des Trainings ab. Die iibrigen untersuchten Ruhewerte - - Alkalireserve, Milchs~4ure, Brenztraubens~iure, Kalium, Calcium, Gerinnungszeit - - ~indern sich praktisch nicht

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(Bestimmung stets unter Grundumsatzbedingungen!). Die Ursache der Nnderungen der Ruhewerte des Kreislaufes and der Atmung ilegt wahrseheinlieh in einer ge- ~nderten Einstellung der Rezeptorenfdder der Aorta und des Carotissinus.

3. Es werden die MSgliehkeiten er6rtert, die an der Zunahme der Koordination des vegetativen Systems im Training mitwirken.

Summary. 1. An improvement of the coordination of the vegetative system is attained with

the aid of physical training. With that exists a parallelism with the increase in coordination of musenhr activity due t o training.

2. Only lhe rest values of blood pressure, heart rate, and respiration fall during the training. The other rest values subjected to examination - - . aleali reserve, lactic acid, pyruvie aeid, potassium, calcium, coagulation time - - almost do not ehange (determination always under conditions of basal metabolism!). The cause of the changes of the rest values of eirculation and respiration lies probably in a changed position of the receptor areas of aorta and earotide sinus.

3. The author discusses the possibilities which play a part in the inerease in coordination of the vegetative system during the training.

R6sum6. 1. Une am61ioration de la coordination du syst~me v6g6tatif est atteinte au moyen

d'un entrainement physique. Un parall61isme existe alors ~t l'augmen~tation de la eoordinatinn de l'actlvit~ museniaire par suite de l'entralnement.

2. Seulement les velours de ropes d~ la tension art6rielle, de la fr6qnence du coeur e t de la re~irat ion baissent pendant l'entrainement. Les autres valeurs de repos - - r6serve alealine, aeide lacfique, aeide pyruvique, potasse, ealeimn, temps de coagula- tion ~ n e s e ehangent que pea eonsid6rablement (d6terminalion toujours sous des conditions du m6tabolisme de base!). La cause des ehangements des va}eurs de ropes de la eireulatinn et de la respiration est probalYl,ement une position chang6e des r6gions r6ceptriees de l'aorte et du sintts earotidien.

3. I2auteur diseute los possibiilt6s qui jouent un r61e dmls Fau,gmentation de la coordination du syst~me vfggtatif pendant l'entrainement.

Literatur.

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