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UNTERSUCHUNGSMETHODEN; DIAGNOSE UND EINTEILUNG

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UNTERSUCHUNGSMETHODEN; DIAGNOSE UND EINTEILUNG.

I. ALLGEMEINE KLINISCHE UNTERSUCHUNG.

Wenn man sich das Ziel steckt, die Beobachtungen beim Stu- dium der Thpeotoxikose mit Hilfe einer Reihe spezieller Unler- suchungsmethoden von der subjektiven Auffassung moglichst unabhangig zu machen und dadurch eine festere Grundlage fur die Diagnose zu schaffen, so darf man die Bedeutung einer sorgfaltig und sachkundig ausgefuhrten allgemeinen klinischen Untersuchung doch nicht ausser Acht lassen. Da bei einer solchen der subjektiven Auffassung gleichwohl ein gewisser Spielraum nicht abgesprochen werden kann, ist es fur die Einheitlichkeil des hlate- rials einer Untersuchungsserie von entscheidender Bedeutung, dass die Untersuchung in allen Fallen nach denselben Prinzipjen vor- genommen und die objektiven Beobachtungen am liebsten von demselben Untersucher gemacht werden.

In vorliegender Arbeit wurde in samtlichen Fallen die Ana- mnese von mir personlich aufgenommen und die objektive Unler- suchung desgleichen von mir ausgefuhrl. Die hierdurch erreich l e Einheitlichkeit des Verfahrens kann vielleicht einigermassen tlazu beitragen, die Knappheit des Materials in bezug auf die Bedeutung des klinischen Bildes auszugleichen.

In der Kasuistik sind fast durchgehends nur die positiveri Befunde angefuhrt worden. Unten werden die Richtlinien der allgemeinen klinischen Untersuchung kurz angegeben, und aus- serdem wird auch die Haufigkeit der einzelnen Symptome in der Serie und ihre eventuelle Bedeutung fur die Diagnose sowie fur die Auffassung der Falle im Vorbeigehen beriihrt werden.

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1. ANAMNESE.

H e r e d i t a r e V e r h a 1 t n i s s e. wurde auf den Nachweis einer hereditar

Besonderes Gewicht degenerativen Anlage,

damille nkvropatique)) (CHARCOT), gelegt, die von den Konstitu- tionspathologen als eine Conditio sine qua non fur die Entstehung der Thyreotoxikose bezeichnet worden ist. Zu diesem Zweck wurde nach dem Vorkommen von Struma und sBasedow’scher Krankheit)), Nerven- und Geisteskrankheiten, Tuberkulose, Lues und Herzleiden in der Familie gefragt. In 7 Fallen konnle eine solche Anlage nachgewiesen werden.

K i n d h e i t. Es wurde nach Zeichen neuropathischer Konstitution sowie nach Rachitis und spasmophiler Diathese geforscht. Bezeichnenderweise ergab in allen 7 Fallen mit nacli- weisbarer hereditar degenerativer Anlage die Schilderung des Gesundheitszustandes wahrend der Kindheit das Vorhandensein einer neuropathischen Konstitution, die ubrigens auch in 6 anderen, insgesamt also in 13 Fallen feststellbar ist.

d u r c 11 g e- n i a c h t e K r a n k h e i t e n u n d d e r e n B e h a n d l u n g . Auf diesem Gebiete wurden besonders die niannigfaltigen, niit physischem oder psychischem Kraftverbrauch verbundenen, exo- genen Momente, die auslosend auf die Thyreotoxikose einwirken konnen, beachtet, wie Missbrauch von Alkohol oder Narkolika, andauernde oder plotzliche physische oder psychische An- strengung oder Trauma, andere Krankheiten, besonders akute In- fektionskrankheiten, Chlorose, Tuberkulose, Lues und bei Frauen Graviditat, Abortus und Partus. Dabei wurde den Patienten stets Gelegenheit gegeben, ihren eigenen Eindruck iiber das Vorhanden- sein eines solchen auslosenden Momenles zu aussern.

Dass solche exogenen Faktoren in der Pathogenese der Tliyreo- toxikose eine beudeutende Rolle spielen, ist allgemein anerkannt. Der deutliche Einfluss, den alles, was ini Gebiet des Affektlebens Reiz heisst, in dieser Hinsicht ausubt, ist als Beweis der Bedeutung der Glandula thyreoidea - glande de l’emotion - fur die psychi- schen Funktionen und vor allem fur das Gefuhlsleben angefuhrt worden. Es scheint auch, als seien die anamnestischen Angaben uber die die Krankheit auslosenden Momente nicht am unwichtig- sten als h s e r u n g e n einer neuropsychischen Degeneration, einer

D i e

F r ii h e r e L e b e n s v e r h a I t n i s s e,

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\)thyreotoxischen Konstitution)) (BAUER) oder, warum nicht, einer Thyreolabilitat, die ‘die Patienten veranlasst hat, zur Ent- steliung ihrer Krankheit Vorgange in Beziehung zu setzen, die viel- leicht zu unbedeutend sind, um von einem gesunden Individuum auch nur bemerkt zu werden.

Unter den fur die Entstehung der Thyreotoxikose bedeutsamen exogenen Faktoren verdient die Medikation mit Jod oder Thyreoidea- praparaten eine besondere Erwahnung. Zahllos sind die Beispiele des Ausbruches der Krankheit nach Einnahme von Jod auch in sehr kleinen Dosen, ja nach Pinselung der Haut oder der Schleim- haute mit einem Jodpraparat (siehe die geschichtliche Ubersicht). Von verschiedenen Seiten ist hervorgehoben worden, wie oft ein solcher Einfluss aufzuspiiren ist, wenn man den Patienten nur genau nach den Heilmitteln ausfragt, die zur Zeit des Ausbruchs der Krankheit zur Anwendung gekommen sind.

Die Entstehung von Thyreotoxikose im Anschluss an Medika- tion mit Thyreoideapraparaten ist glucklicherweise ziemlich selten, sie scheint aber doch vorzukommen. Hier hahen die rAbmage- rungskureno mit Thyreoidin, sowohl die van Arzten geleitelen als die von den Patienten auf eigene Faust vorgenommenrn, - die gefahrlichen Thyreoideapraparate werden ja frei verkaufl - bei manrher gesunden Frau zu andauernder Kranklichkeit gefiihrt.

In Fall X I vorliegender Arbeit ist die Krankheit augenscheinlich infolge der langwierigen und intensiven Jod- und Thyreoidinbe- handlung, der Pat. untenvorfen worden ist, Zuni Ausbruch gekom- men. Dieser Kausalzusammenhang ist um so wahrscheinlicher, da die ersten Symptome der Thyreotoxikose wahrend der Medi- kation auftraten und eine Besserung einsetzte, als diese unter- brochen wurde. Auch Fall XV ist wahrscheinlich als eine Jod- thyreotoxikose zu betrachten, und in zwei weiteren Fallen (X und XVII) ist der Verlauf im Anschluss an eine Pinselung der Struma mit Jodvasogen sichtlich akuter geworden.

Nach A. KOCHER wurde eine Disposition fur Thyreotoxikose durch eine friihere Jodbehandlung entstehen konnen, wahrend die Krankheit erst Jahre danach infolge einer Gelegenheitsursache zum Ausbruch kommen konnte. Die Falle I, I1 und XI waren wegen Pubertatsstruma resp. 3, 7 und 15 Jahre vor dem Ausbruch der Thyreotoxikose mit Jod behandelt worden, die beiden letztge-

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nannten mit gunstigem Resultat. Es durfte kaum berechtigt sein, aus derartigen Verhaltnissen einen Schluss in dem von A. KOCHER angegebenen Sinne zu ziehen.

Der schwerste und akuteste von den Fallen der Serie (XX) war ein Jahr nach der Erkrankung und ein halbes Jahr, bevor Pat. unter Beobachtung kam, mit Jod in Dosen von der Grosse behandelt worden, die als Prophylaktikum gegen endemische Struma zur Anwendung gekommen sind (0,00125 gr Kal. jodid.), was einen gunstigen Einfluss gehabt zu haben scheint.

Der Z e i t p u n k t d e s A u f t r e t e n s d e r e r s t e n S y m p t o m e schwankt in dieser Serie zwischen 6 Jahren und 3 Monaten, bevor die Patienten unter Beobachtung gekommen waren. Die Dauer der Krankheit weist in den verschiedenen Gruppen keine allzu grossen Variationen auf. Am langsten ist sie in Gruppe B (leichte Falle) mit 3 Jahren und a m kurzesten in Gruppe C (mittelschwere Falle) mit 8 Monaten im Durchschnitt.

In 11 Fallen war die Struma vor dem Auftreten der thyreotoxischen Symptome mit einem Interval1 zwischen 2 und 29 Jahren, im Mittel ca. 12 Jahre, beobachtet worden. In wenigstens 7 dieser 11 Falle sieht es aus, als ob die Struma im Anschluss an den Eintritt der Pubertat entstanden ware. Im Hinblick auf die Begriffe ))primarer und sekundarer Basedows (MOBIUS), aStruma basedowificata)) (KOCHER) und ))goitre basedowi- fib) (PIERRE MARIE) konnte es vielleicht ein gewisses Interesse besilzen, dass von diesen 11 Fallen nur zwei zur Gruppe C (mittel- schwere) und nur einer zur Gruppe D (schwere Falle) gestellt worden sind; in den beiden letzteren Gruppen dominieren die ))primairen)) Falle, von denen jedoch einer (111) zur Gruppe A (Grenzfalle) gehort. In drei Fallen (VII, XI1 und XVIII), verteilt auf die Gruppen B (leichte), C (mittelschwere) und D (schwere Falle), war Struma uberhaupt nicht beobachtet worden (vgl. objektive Untersuchung).

S u b j e k t i v e A u g e n s y m p t o m e, von den Patienten geschildert als ein Gefuhl von Spannung, Druck gegen die Hinter- seite des Augapfels, ))wie wenn ein Band zwischen die Augen gespannt ware)), Schmerzen in oder um die Augen und eine Empfin- dung von Schwellung oder Steifheit in den Augen, kamen in samt- lichen Fallen mit mittelstarkem oder starkem, aber nur in einem

S t r u m a.

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der drei Falle mit leichtem Exophthalmus vor. Dagegen ,waren solche Empfindungen wahrgenommen worden in zwei Fallen mit Dalrymple’s Symptom, in einem rnit geschwollenen Augenlidern und einer Andeutung von Graefe’s Symptom (VII ) sowie in einem (X), wo bei der objektiven Untersuchung keinerlei Augensymptomr bemerkt worden waren.

H a a r a u s f a 1 1, der im Anschluss an die iibrigen Symptorrie aufgetreten war, kam in nicht weniger als 14 Fallen zur Beobach- tung. Direkter diagnostischer Wert kann diesem Symptom kaum beigemessen werden, da es ja sowohl bei anderen endokrinen Stiirungen wie iiberhaupt bei stark erschopfenden Krankheils- zuslanden vorkommt. Indessen ist es doch besonders bei deri leichtesten, unklaren Fallen von einer gewissen Bedeutung als Stigma endokriner, wahrscheinlich pluriglandularer Storung.

A b 111 a g e r u n g wahrend des Verlaufs der Krankheit war in 14 Fallen beobachtet worden. Ein gewisses Interessr mag es bieten, dass dieses bedeutungsvolle Symptom, ausser in zwci Fallen mit normalem ( I und VI) und in ebenso vielen niit Icichl gesteigertem Grundumsatz (IV und VII), auch in Fall XI rnit 39 (yi und in Fall XIX rnit 75 yo Grundumsatzsteigerung verniissl wurde. Die anamnestischen Angaben iiber Abmagerung miissen jedoch selbstverstandlich in der Mehrzahl der Falle init grosser Reservation aufgenommen werden.

M a t t i g k e i t. Das charakteristische Schwachegefiihl fehlte n u r in zweien der Grenzfalle ( I und 111).

S c h w e i s s war in samtlichen Fallen vorhanden, nnd zwar selir starker auch bei den meisten Patienten mit normalem otler nur leicht gesteigertem Grundumsatz.

S y m p t o m e. Dass nerviisc und psychische Storungen vor allem auf dem Gebiet des Affektlrbcns in innigem Kontakt mit dem Thyreotoxikosesyndrom stelirn, wird allgemein zugegeben. Die abnorme Reizbarkeit, die Empfind- lichkeit fur Eindriicke aller Art, die in gewissem Masse maniachali- s h e , mitunter auch an Zyklothymie erinnernde Gemiitsstimmung, die von MOBIUS rnit einem leichten Rausch verglichen wird und die manchmal in Psychose ubergeht, ist ja wohlbekannt und in den schwereren Fallen sehr gewohnlich. In den leichteren Fallen treten leichtere psychoneurotische Storungen ahnlichen Charak-

P s y c h o n e u r o t i s c h e

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ters oft urn so mehr hervor, als das iibrige Krankheitsbild da unklar sein kann und gegenuber reiner Psychoneurose diagnostische Schwierigkeiten entstehen konnen. Begriffe wie nBasedowoidn (STERN), oSchilddrusenneuroseo (KRAUS), sneurotisch-thyreotoxi- sches Temperament)) (R. F. WEISS) und ))hyperthyreotoxisches Temperament)) (DE SAVAREL) zeugen von der Aufmerksamkeit, die man diesen Krankheitsformen gewidmet hat. Die Frage ist vor allem die, ob man mit den Konstitutionspathologen die Psycho- neurose als eine Ausserung der degenerativen Konsti tution des Thyreotoxikers ansehen soll, oder ob sie als eine direkte Manifestation der abnormen Thyreoideafunktion oder vielleicht als ganz sekun- dar, durch den starken Kraftverbrauch bei der Krankheit her- vorgerufen zu betrachten ist.

Dass es in den meisten Fallen moglich ist, eine hereditar degene- rative Anlage nachzuweisen, spricht fur die konstitutionspatholo- gische Auffassung. Auch der Umstand, dass der stark psycho- neurotische Thyreotoxiker gewohnlich, auch nach dem Verklingen der eigentlichen thyreotoxischen Symptome, Psychopath bleibt (A. KOCHER, R. F. WEISS), deutet darauf, dass der psycho- neurotische Charakter in solchen Fallen sozusagen primar sein wiirde. Die Storungen in der Thyreoideafunktion, in dem vege- tativen Nervensystem und in den psychischen Funktionen schei- nen untereinander jedenfalls in inniger Wechselbeziehung zu stehen.

In dieser Serie war in samtlichen Fallen eine derartige psycho- neurotische Gleichgewichtsstorung zur Beobachtung gekommen oder eine friiher bereits vorhandene hatte sich wBhrend der Krank- heit starker ausgepragt. Von den charakteristischsten diesbeziig- lichen Symptomen seien erwahnt eine abnorm starke Reaktion auf psychische Eindriicke (Leichtigkeit zu lachen und in Tranen auszubrechen), Empfindlichkeit, Reizbarkeit, Jaktation, fliegende Hitze, Schreckhaftigkeil, besonders bei Gerauschen, in manchen Fallen starkes Unbehagen gegeniiber Menschenmengen und Widerwille gegen Gesellschaftsleben. In einigen Fallen kommeri formliche Angstanfalle mit Schweiss und starkem Zittern im ganzen Korper vor, in anderen melancholische, deprimierte Ge- miitsstimmung, herabgesetztes Selbstgefiihl und Menschenscheu. Mehrere der Patienten hatten selbst beobachtet, dass manche

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ihrer Symptome, wie Herzklopfen, Schwitzen, Schmerzen in der Brust u. dgl., in hohem Grade von der Stimmung abhingen, und in gewissen Fallen konnten dieselben sogar durch einen Willensak t unterdriickt werden.

T r e m o r . In 17 Fallen hatten die Patienten selbst ihreii Tremor bemerkt und sich davon belastigt gefiihlt. Mitunter ,war der Tremor in den Handen beim Schreiben oder bei feinerer Hand- arbeit hinderlich gewesen. In anderen Fallen dominierte das charak- teristische ))innere Zitterns im ganzen Korper, und dieses war in einem Fall so stark, dass odas Bett in der Nacht riittelte)).

V a s o m o t o r i s c h e S y m p t o m e . Angaben iiber Sym- ptome, die einer vasomotorischen Hyperirritabilitat zugerechnet werden konnen, wurden in fast allen Fallen erhalten. Gewohnlich handelte es sich um Leichtigkeit, die Farbe zu wechseln, um kalte und feuchte Hande und Fiisse, Blutandrang zum Kopf, Kopf- schmerzen, Ohrensausen, Schwindel, bisweilen um Ohnmachls- anfalle u. dgl.' In zwei Fallen (IV und XII), beide ausgeprigte Vasomotoriker, kamen migraneartige Anfalle vor.

N e i g u n g z u B 1 u t u n g e n . Dem Chirurgen ist die Neigung der Thyreotoxiker zu Blutungen im Anschluss an Strumektomie wohlbekannt. Eine Verlangsamung der Koagulation des Blutes ist auch von KOTTMANN u. LIDSKY sowie von TH. KOCHER und bei uns von T. SANDELIN nachgewiesen worden und diirfte wohl als die Hauptursache zu der bei Thyreotoxikose nicht seltenen Neigung zu spontanen oder durch unbedeutende Anlasse hervorgerufenen Hautblutungen angesehen werden konnen. Eine solche arudimentare hamorrhagische Diatheseo wurde von EHR- STROM im grosseren Teil eines ambulanten Materials von ca. 100 Fallen angetroffen.

In dieser Serie war in 7 der Falle eine wahrend der Krankheit auftretende Neigung zu blauen FIecken beobachtet worden, die spontan von mehreren Patienten angegeben wurde und in manchen Fallen mit den iibrigen Symptomen an Intensitat wechseln sollte. In zweien der schwersten Falle (XVIII und XX) war ausserdem im Verlauf der Krankheit Nasenbluten aufgetreten, das in dem einen Fall (XX) wahrend der Besserung, die sich bei der Jodbe- handlung einstellte, aufhorte und wahrend der darauffolgenden Verschlimmerung von neuem auftrat.

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K a r d i o v a s k u 1 a r e S y m p t o m e. Von subjektiven, dieser Gruppe zugehorenden Symptomen kam Herzklopfen konstant auch in den leichtesten Fallen, mitunter hauptsachlich im Anschluss an korperliche Anstrengungen, manchmal aber mehr bei psychi- schen Reizen vor. In ungefahr der Halfte der Falle waren die Patienten auch von Pulsationen, zumeist im Hals, im Kopf und der Brust, in einem Fall in den Ohren, in einem anderen in den Fingerspitzen und bisweilen im ganzen Korper belastigt worden.

D i a r r h o e. Ziemlich konstant beschleunigte Darmtatigkeit war in zwei Fallen (VII und XII) und profuse Diarrhoen in dreien (VI, XVIII und XX) vorhanden.

D u r s t. Vier Patienten (die Falle VIII, XI, XIV und XVIII) klagten iiber starken Durst.

2. OBJEKTIVE UNTERSUCHUNG.

K o r p e r b a u. Als ein Zeichen konstitutioneller Degeneration ist bei Thyreotoxikern das relativ gewohnliche Vorkommen eines abnormen Korperbaus hervorgehoben worden. Teils hat man gesprochen von einer Neigung zu mangelhafter Proportion sowohl hinsichtlich des Knochengeriistes als der Muskulatur und des Unterhautfettgewebes (CHVOSTEK), teils von asthenischem Ha- hitus mit erhohtem Langenwachstum der Knochen (HOLMGREN), besonders mit langen und schmalen Fingern mit spitzen Endpha- langen, ))Madonnafingerno.

In vorliegender Serie bestand in drei Fallen ausgepragter und in einem weniger deutlicher Habitus asthenicus im Sinne STILLER’S, woneben der Korperbau in zwei Fallen als grazil gezeichnet worden ist. In zweien der Falle mit deutlicher Asthenie und in zweien mit mittelkraftigem Korperbau waren ))Madonnafingers vor- handen.

u n d -g e w i c h t. Im Anschluss an die Grundumsatzuntersuchungen wurden Korperlange und Netto- gewicht bei nuchternem Magen gemessen.

D i e H a u t. Die feuchte, weiche und gewohnlich warme Haut gehort zu den konstantesten Symptomen der Thyreotoxikose. Hande und Fusse sind in der Regel feucht, aber oft, besonders in den Fallen, WO die vasomotorische Neurose das Krankheitsbild

K 6 r p e r 1 a n g e

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beherrscht, kalt, oft auch zyanotisch. Pigmentierungen kommen hin und wieder vor und sind als Zeichen einer Storung in den Nebennieren bzw. Genitaldrusen gedeutet worden. In bezug auf Hautveranderungen war in .dieser Serie nichts zu finden, was einer besonderen Erwahnung wert ware.

A u g e n s y m p t o m e. Eines der charakteristischsten Sym- ptome bei den hochgradigeren Formen der Thyreotoxikose ist der Exophthalmus, der ja auch den Namen fur die Krankheit hergege- ben hat (exophtalmic goiter, goitre exophtalmique, Glotzaugen- krankheit). Der Exophthalmus, worunter nur die reine Protrusio bulbi zu verstehen ist, wird oft mit einem anderen Augensymptom, der Erweiterung der Lidspalte, DALRYMPLE’S Zeichen verwechsell. Das letztere ist fast irnmer bei Exophthalmus vorhanden, kann aber auch fehlen. Eben Dalrymple’s Zeichen verursacht den bei leichteren Fallen so charakteristischen, fragenden Blick, der bei hochgradigeren Fallen mit Exophthalmus in den bekannten ))Ausdruck des tiefsten Entsetzensn iibergeht.

Auch GRAEFE’S Zeichen, der Mange1 an Koordination in der Bewegung des Bulbus und des oberen Augenlides beim Abwarts- blicken, wobei das Augenlid xmruckbleibt)), kommt meist in Fallen mit Exophthalmus vor, kann aber fehlen, und es ist auch zu finden, ohne dass Exophthalmus oder Dalrymple’s Zeichen vorhanden sind.

STELLWAG’S Zeichen, der seltene Lidschlag, und MOBIUS’ Symptom, die Konvergenzinsuffizienz, die hier und da in ausge- pragten Fallen vorkommen, sind von geringerem Interesse.

Das eigentumliche feste Odem im Augenlid, besonders dem oberen, ist dadurch von speziellem Interesse, dass es nicht selten in leichten Fallen auftritt und sogar allen iibrigen klinischen Sym- ptomen sol1 vorausgehen konnen (ENROTH).

Der feuchte Glanz der Augen ist zwar bei Thyreotoxikose gewohnlich, er kommt aber auch oft bei Neurose ohne nachweis- bare Thyreoideastorung vor. Dasselbe gilt von dem Zittern der Augenlider, das am besten bei geschlossenen Augen hervortritt. Die oft zu beobachtenden dunklen Ringe um die Augen sind auch nicht fur die Krankheit spezifisch. Dass die Pupillen oft dilatiert sind, ist von verschiedenen Seiten angemerkt worden, man muss sich aber hiiten, diesem Symptom, das so stark von individuellen

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Variationen, ausseren Verhaltnissen und der subjektiven Auffas- sung des Untersuchenden abhangt, zu vie1 Gewicht beizumessen.

Die am haufigsten vorkommenden, charakteristischsten und daher auch wichtigsten dieser Augensymptome sind also der Exophthalmus oder die Protrusio bulbi, Dalrymple’s und Graefe’s Zeichen und das Odem der Augenlider. Sie bilden eine abnehmende Skala, beginnend mit dem fur die schweren Falle charakteristischen Exophthalmus und abschliessend mit dem Lidodem, das aucli bei sGrenzfallen)) vorkommen kann. Eine befriedigende Erklarung der Entstehung dieser Symptome gibt es nicht.

Exophthal- Fall Lidodruen Dalrymple Graefe

I 11

I l l

IV V

VI VII

VIII IX X

XI XI I

XI11 XIV XV

XV I XVII

XVIII XIX X X

Gruppe A - - -

Gruppe B -

-

-

-

++ - -

Gruppe <: + I +

++ I -

Gruppe D

++ ++ ++ +++ ++

Aus der obenstehenden Tabelle geht die Verteilung der oben erwiihnten wichtigsten Augensymptome in der Serie hervor. Man

6

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sieht, wie relativ hochgradige Falle ohne Exophthalmus und tiller- haupt ohne Augensymptome vorkommen (IX, X und XIII), wie der bei den schwereren Fallen dominierande Exophthalmus in deli leichteren durch ein hier und da positives Dalrymple’sches oder Graefe’sches Zeichen ersetzt wird, und wie das typische Lidodeni, das manchen dieser Patienten ein eigentumlich gedunsenes AUS- sehen verleiht, relativ oft vorkommt und in ))Grenzfallen)) ( I und I I) seinerseits einen Beitrag zu der Auffassung von der Thyreotoxizilii 1 des Falles liefert.

Der H a a r w u c h s war in den meisten Fallen, in Uberein- stimmung mit den anamnestischen Angaben, schlecht; meist war das Haar da trocken, fein und dunn.

G l a n d u l a t h y r e o i d e a . In jedem Fall wurde das aussere Aussehen des Kropfes (taxierte Grosse), das Vorhanden- sein dilatierter Subkutanvenen und die sichtbare Pulsation in den Halsgefassen oder diffus in der Driise als Ganzem notiert. Die Palpation wurde nach HOLMGREN mit beiden Handen, die Daunien vor der Schilddruse und die iibrigen Fingerspitzen parallel hin Ler den hinteren Randern der Musculi sternocleidomastoidei ausge- fuhrt, wobei der Kopf des Patienten leiclit nach vorn gebeugt isl.

Sich durch Palpation eine Vorstellung von der morphologischen Beschaffenheit der Kropfes zu bilden, ist schwierig und oft unmog- lich. In vorliegender Serie wechselte der palpatorische Befund stark. In samtlichen Gruppen kommen sowohl weiche, diffuse als mehr oder weniger feste, in bezug auf die Konsistenz gewohnlich ungleich- massige, oft kleinknotige Kropfe vor. Die bei der klinischen Unter- suchung festgestellte Form und Konsistenz des Kropfes ist also nicht dazu angetan gewesen, eine Einteilung in adenomatose und Basedowstruma, in primare und sekundare Thyreotoxikose zu stutzen.

Bei der Messung des Halsumfangs wurde darauf gesehen, dass das Messband auf der Hinterseite uber die am tiefsten eingebuchtete Partie des Nackens und vorn uber die am starksten prominierende Partie des Kropfes ging.

Bei der Untersuchung des Kropfes wurde besonders auf die charakteristischen Pulsationen, das palpable Schwirren und die bei Auskultation horbaren Gerausche verschiedener Art geacht et. In der Mehrzahl der Falle, besonders bei den hochgradigeren Formen,

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waren solche Syniptome vorhanden, doch fehlten sie in niehreren und zeigten sich andererseits auch in mehreren der Ieichten (V, VII, VIII, IX, X) und in eineni oGrenzfallo (I) um so deutlicher, je mehr die kardiovaskularen Symptome das Krankheitsbild beherrschten.

In vier Fallen (111, VII, XI1 und XVIII) wurde die Glandula Ihyreoidea, obwohl gut palpabel, als nicht sicher vergrossert angesehen; in zweien von ihnen (XI1 und XVIII) wurden starke und in einem (VII) leichte Gefasssymptome uber der Schilddruse a ngetrof f en.

In zwei Fallen (V und XIII) wurde ein retrosternaler Kropf konsta tiert; der Befund wurde durch Rontgenuntersuchung kontrolliert.

Der T r e m o r der Hande wurde bei ausgestrecktem Arm und gespreizten Fingern und der der Fusse bei im Sitzen ausgestrecktem Bein mit dem Fuss in Plantarflexion gepruft. Fur die Qualitat des Tremors sind die Bezeichnungen ))feinschlagigv, ))mittelfeino und ogrobn angewandt worden, und zwar ist mit der letzten ein Tremor von ungefahr der Stufe gemeint, die bei chronischeni Alko- holismus gewohnlich ist.

In der Regel war ein feinschlagiger Tremor von dem Typus vorhanden, den schon PIERRE MARIE als fur die Krankheit charak- teristisrh beschrieben hat. In zwei der hochgradigsten Falle (XVII und XX) befand sich der ganze Korper in einem Zustand per- manenten Zitterns, oetat de vibration perpetuelles.

D e r m o g r a p h i e war fur die Hand fast durchgehend, an Intensitat wechselnd von der an das Physiologische grenzenden, bei Streicheln mit der Fingerspitze hervortretenden Rotung bis zur Bildung einer dicken, erhabenen, weissen Quaddel.

R e f 1 e x e. Fur die Qualitat der Sehnen- und Periostreflexe sind die Bezeichnungen ogewohnlichr, omassig lebhafts, debhaft)) und s e h r lebhafto angewandt worden.

Das H e r z wurde in den Fallen, 'wo klinische Zeichen einer organischen Veranderung vorlagen, einer genauen Untersuchung unterworfen, so weit moglich mit Rontgenkontrolle. Von den haufigst vorkommenden Abweichungen von der Norm seien die fast in allen Fallen nachweisbaren klappenden Herztone und die sausenden Gerausche uber der Spitze und der Pulmonalis erwahnt.

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a4

P 11 1 z f r e q u e n z. Bei den Grundumsatzbestimrnungen wurde der Puls mindestens dreimal wahrend des Versuches gezahlt, untl durch Berechnung des Mittelwertes der Resultate wurde d i c . durchschnittliche Pulsfrequenz nach 1 1/2-2 Stunden Ruhe, der als uRuhepulss bezeichnete Wert erhalten. Um die Lypischt. Labilitat der Pulsfrequenz zu ermitteln, wurde diese auch im Anschluss an die objektive Untersuchung des Herzens beslimmt.

B 1 u t d r u c k. (Siehe spezielle Untersuchungsmethoden.) V e r d a u u n g s o r g a n e. Der Zustand der Zahne, auf

Konstitutionsanomalie deutende Abnormitaten in der Hohe des Gaumenbogens wie auch das Vorhandensein hypertrophischer Tonsillen und Follikel an der Zungenbasis und der hinteren Pharynx- wand wurden noliert.

11. SPEZIELLE UNTERSUCHUNGSMETHODEN.

Zu dieser Gruppe der in vorliegender Arbeit angewandtcn Untersuchungsniethoden sind die Untersuchung auf latenle Te- tanie, die Bestimmung der Blutdruckamplitude, des Blutbildes. der alimentaren Glykamiereaktion und des Grundumsatzes gerech- net. ,411e diese wurden herangezogen, um eine tiefere und objek- livere Kenntnis des Charakters der Falle zu ermiiglichen, als sie die allgemeine klinische Untersuchung allein zu geben vermag.

Die Crrundumsatzbestimniung hat auch die wichtige Aufgabe gehabt, als schnellster Indikator fur Veranderungen des Krank- heitszustandes nebst dem Nettogewicht und dem Ruhepuls zur Kontrolle hezuglich der Einwirkung der Jodmedikation zu dienrn. Es ware ohne Zweifel von Interesse gewesen, auch die Blutunler- suchung und die Blutzuckerreaktion im Verlauf der Behandlung zu wiederholen. Um den Patienten weitere Belastigungen, beson-

ersparen, wurden jedoch diese Untersuchungen nur einmal in1 Anschluss an die erste Untersuchung gemacht.

Ursprunglich umfasste der Arbeitsplan auch GOETSCH’ Adrena- linprobe und KOTTMANN’S kolloidchemische Serumreaktion. Die erstere ist indessen zu beschwerlich und oft wirklich peinlich fur den Patienten, um bei einer Untersuchungsserie von ambulantem Material in Betracht zu kommen, wahrend die letztere weggelassen worden

ders die vielen Venenpunktionen bei der Blutzuckerreal-1’ 1 1011 ZLI

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ist, weil das Unbehagen einer weiteren Venenpunktion abschreckend auf die labilen und angstlichen Thyreotoxiker zu wirken schien.

Die Blutuntersuchung und die alimentare Glykamiereaktion wurden im Laboratorium der I. medizinischen Klinik von dern in diesen Methodiken sehr bewanderten Laborator Herrn KARL LINDSTROM ausgefuhrt. Im ubrigen sind alle Untersuchungen und Beobachtungen, welche diese Arbeit enthalt, von mir personlich gemacht.

I . UNTERSUCHUNG AUF LATENTE TETANIE.

Wie bei Struma (CARRISON) ist auch hin und wieder bei Thyreo- toxikose eine mehr oder minder ausgepragte Tetanie beobachtet worden. Man hat in solchen Fallen nach Strumektomie die Teta- niesymptome verschwinden sehen, was man, wie die mitunter bei der Thyreotoxikose vorkommende Neigung zum Sprodewerden der Nagel und Zahne sowie zu osteomalakischen Symptomen seitens des Knochensystems, als Ausdruck einer mit der Thyreo- toxikose assoziierten Affektion der Glandulae parathyreoideae hat deuten wollen (A. KOCHER). Ebenso ist die Vermutung auf- geworfen worden, dass die Muskelschwache der Thyreotoxiker ahnlich wie die echte Myasthenie ihren Grund in einer Affektion der Epithelkorperchen habe (CHVOSTEK).

Als pathologisch-anatomische Stiitze fur eine solche Auffassung betreffs eines Zusammenhangs zwischen der Thyreotoxikose und einer Affektion der Nebenschilddrusen ist eine Beobachtung uber Atrophie der letzteren angefuhrt worden, die durch Dehnung der Schilddrusenkapsel und dadurch auch der an ihr haftenden Epithelkorperchen wahrend des Wachstums der Struma entstanden ware (ERDHEIM).

Von Interesse ist eine Angabe von KAHN u. FALTA, dass sie in einer Reihe von Tetaniefallen im akuten Stadium Symptome leichter Thyreotoxikose bemerkt haben, wie auch der von v. FRANKL-HOCHWART beschriebene und von ihm ))Tetanoido genannte Symptomenkomplex mit Struma, Tachykardie, Tremor und vaso- motorischer ifberempfindlichkeit, kombiniert mit positivem Erb’- schem und Chvostek’schem Zeichen.

So wenig wie die obigen Beobachtungen mehr als eine zufallige Koinzidenz zwischen Thyreotoxikose und Tetanie beweisen, kann

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man aus ihnen einen Schluss auf die Genese einer der beiden Krank- heiten ziehen. Auch ist zu merken, wie oft Schlusse z. B. aus einem isoliert auftretenden positiven Chvostek’schen Zeichen gezogen worden sind, obwohl samtliche bei der Priifung auf latente Tetanic gewohnliche Symptome, besonders Chvostek’s Zeichen, isolierl und in massigerem Grade vorhanden sein konnen, auch ohne dass man annehmen darf, es liege Tetanie vor.

Trotzdem ist bei diesen Untersuchungen der Vollstandigkeit halber sowohl bei der Aufnahme der Anamnese als des Status praesens die Moglichkeit des Vorkommens latenter Tetanie in Betracht gezogen worden. Zu der Untersuchung des Nerven- systems wurde eine Priifung der drei gewohnlichsten Symptome der auch bei latenter Tetanie konstanten ifberempfindlichkeit der peripheren Nerven fur mechanische und elektrische Reize, der Zeichen von ERB, CHVOSTEK und TROUSSEAU hinzugefugt.

Bei der Untersuchung der galvanischen Reizbarkeit (Erb’s Zeichen) wurde in der Hauptsache die von STINZING angegebene Methodik befolgt.

Nach der in der Spezialliteratur ublichen Auffassung ist eine bei einer Stromstarke von weniger als 0,5 Milliampere auftretende Kathoaenschliessungszuckung (K.S.Z.) pathognomisch fur Te- tanie. In vorliegender Serie traf dies in keinem Falle zu. Dagegen wurde in drei Fallen (XI, XV und XVIII) eine umgekehrte Zuckungsformel erhalten, so dass eine Anodenfiffnungszuckung (A. 0.Z.) bei schwacherem Strom als die Anodenschliessungs- zuckung (A.S.Z.) auftrat, was, obwohl micht beweisend, wie angenommen wird, in hohem Grade fur Tetanie spricht. Dieses Verhalten ist in der Kasuistik mit ERB +? bezeichnet.

Bei der Untersuchung auf Chvostek’s Phanomen wurden die positiven Resultate nach v. FRANKL-HOCHWART bezeichnet : bei Schlagen in die Gegend vor dem ausseren Gehorgang auftretende Zuckungen im ganzen Facialisgebiet als CHVOSTEK I, Zuckungen im Nasenfliigel und Mundwinkel bei Beklopfen des Gebietes unter dem Arcus zygomaticus als CHVOSTEK I1 und nur im Mundwinkel als CHVOSTEK 111. Keiner dieser Reaktionsgrade wird als beweis- kraftig betrachtet; von positivem Chvostek I, wenn er ausgepragt ist, wird aber angenommen, dass er in hohem Grade fur das Vor- handensein von Tetanie spricht.

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In dieser Untersuchungsserie wurde in vier Fallen (VII, IX, XV und XVIII) positiver Chvostek I und in ebenso vielen (IV, X, X I und XX) Chvostek I11 + erhalten.

Trousseau’s Phanomen war in samtlichen Fallen negativ. Wie man sieht, kommt in der Serie kein sicherer Fa11 von mani-

fester oder latenter Tetanie vor.

2. DIE BLUTDRUCKAMPLITUDE.

ifber das Verhalten des Blutdrucks bei Thyreotoxikose findet man in der Handbuchliteratur recht weit auseinandergehende Angaben. Wahrend er nach FALTA selten gesteigert und nach CHVOSTEK meistens normal, eher an der unteren Grenze gelegen isl, wird er von A. KOCHER als selten dauernd verandert und dann meist leicht gesteigert und von H. ZONDEK und SOUQUES als im allgemeinen leicht gesteigert bezeichnet. Dagegen ist man daruber einig, dass der Blutdruck bei der Thyreotoxikose auffal- lend labil ist, so dass man bei ein und derselben Person bei ver- schiedenen Messungen recht grosse Differenzen erhalten kann. So weist E. ROMBERG darauf hin, dass man unter der psychischen Einwirkung der ersten Untersuchung oft zu hohc Werte bekommt. Diese Empfindlichkeit des Blutdrucks, die durchaus kein Charaktc- ristikum der Thyreotoxikose ist, ist von CHVOSTEK, SILATscHEri u. a. als eine Ausserung der bei dieser Krankheit so ausgepragten vasoneurotischen Labilitat erklart worden. Auch bei Gesunden hat man im Anschluss an psychische Reize bedeutende Schwankun- gen beobachtet (C. TIGERSTEDT).

Unter den alteren, bedeutenderen Untersuchungsserien uber den Blutdruck bei Thyreotoxikose seien die von DONATH und SPIETHOFF erwahnt, nach denen derselbe in der Mehrzahl der Falle normal, fast ebenso oft leicht gesteigert und selten gesenkt ist.

Alles dies gilt fur den systolischen oder maximalen Blut- druck. Seitdem die Messung des diastolischen oder minimalen Blutdrucks, namentlich in den Vereinigten Staaten, zu einer allge- mein angewandten klinischen Untersuchungsmethode geworden ist, hat man die Aufmerksamkeit auf eine andere Eigenschaft des Blutdrucks bei Thyreotoxikose, die ziemlich gewohnlich zu sein scheint, gelenkt, namlich auf eine Steigerung der Differenz zwischen dem systolischen und dem diastolischen Druck, die

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Systol. Blut- druck bei der ersten Messung

mm Hg

von v. RECKLINGHAUSEN die Amplitude und von STRASSBURCER der Pulsdruck genannt wird. In CRILE’S Monographie bezeichnet J. PHILLIPS teilweise auf Grund weitlaufiger Untersuchungen, die wahrend des letzten Jahrzehnts an der Mayo-Klinik ausgefuhrt wurden, den Pulsdruck bei Thyreotoxikose als im allgemeinen gesteigert, ahnlich wie bei der Aortavalvelinsuffizienz. Eine von J. MARION READ 1922 veroffentlichte Untersuchungsserie, die 300 Untersuchungen umfasst, deutet in ubereinstimmung mit den Arbeiten der Englander I. HARRIS und DAVIES u. EASON ent- schieden in dieselbe Richtung.

Die Ergebnisse der bei vorliegender Arbeit vorgenommenen Blutdruckmessungen sind unten in Tabellenform wiedergegeben.

Systol. Blut- dmck, Mitlel- Amplitude,

wert Mittelwert

mm Hg mm Hg

Fall Alter Jahre

I I1

I I I

IV V

V I V I I

V l I I 1X X

XI XI1

XI11 X I V xv

XVI XVII

XVIlI XIX X X

19 27 27

27 14 42 29 27 31 35

30 38 68 18 35

51 38 32 41 14

Gruppe A 150 110 135 Gruppe B 120 1 GO 110 110 155 110 115

Gruppe C 155 100 135 110 140

Gruppe D 140 130 135 155 125

150 112 135

120 160 105 110 135 109 112

150 107 135 113 138

131 130 130 145 121

GO 45 60

45 60 43 40 45 37 30

63 48 58 50 78

65 56 45 65 64

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In samtlichen Fallen wurde derselbe Apparat benutzt, ein Federtonometer nach v. RECKLINGHAUSEN (Fabrikat von BOSCH & SPEIDEL), das a b und zu mit einem gewohnlichen Quecksilber- apparat kontrolliert wurde. Der diastolische Druck wurde nach KOROTKOW’S auskultatorischer Methode bestimmt. Bei den Mes- sungen wurde zuerst der Druck in v. Recklinghausen’s Manschette erhoht, bis sich der Radialpuls verwischte, wonach er allmahlich unter gleichzeitiger Palpation der Arteria radialis und Auskulta- tion in der Fossa cubiti mit einem biaurikularen Phonendoskop gesenkt und der maximale und minimale Blutdruck notiert wurden.

Wie friiher bemerkt, wird der Blutdruck bei Thyreotoxikose als besonders labil angesehen. Um die hierdurch bedingte Fehler- quelle soweit wie moglich auszuschalten, muss man, was auch in der Arbeit von READ betont wird, danach streben, die Messungen unter moglichst ,basalen)) Verhaltnissen auszufuhren, d. h. mit moglichst sorgfaltiger Vermeidung aller Reize, die irgendwie steigernd auf den Blutdruck einwirken konnen. Zu diesem Zweck wurden die Blutdruckmessungen bei vorliegender Arbeit im Zu- sammenhang mit den Grundumsatzbestimmungen, also bei nuchter- nem Magen und nachll 54-2 stundiger Bettlage gemacht. Der Patient hatte da in der Regel schon einige Tag? unter Beobachtung gestanden und sich dabei an den Untersucher gewohnt.

In der ganzen Serie wurden insgesamt 63 Blutdruckmessungen ausgefiihrt, in den meisten 3-4 im Verlauf der Beobachtungszeit.

Die maximale Variation des systolischen Druckes bei ein und demselben Patienten war im allgemeinen nicht bedeutend: in einem Fall 25, in einem anderen 20, in fiinf 15 mm Hg, und oft wurde bei bis funf verschiedenen Messungen auf den Millimeter der gleiche Wert erhalten. In der Tabelle ist auch der systolische Blutdruck bei der ersten Messung wiedergegeben, der, wie man sieht, in hochst unwesentlichem Grade von dem Mittelwert abweicht.

Der systolische Blutdruck ist meistenteils normal, nur in drei Fallen (I, V und XI) kann man von einer bestimmten Hypertonie leichteren Grades reden, und nur in ungefahr der Halfte der Falle reicht her systolische Blutdruck bis uber 130 mm Hg.

Uber die Grosse der normalen Amplitude sind die Ansichten ebenso geteilt wie in der Frage des normalen systolischen Druckes; sie wird von MACKENZIE zu 60-70 mm Wasser (= 45-50 mni Hg)

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und von ROMBERG zu 3 0 d O mm Hg angegeben, wahrend PLESCH meint, dass sie ein Viertel bis ein Drittel des Blutdrucks betrage, ohne dass er angibt, ob er damit den systolischen oder den Durch- schnittsdruck im Auge hat.

Wie der systolische Druck ist die Amplitude in der Tabellc in Mittelwerten, nach den verschiedenen Messungen berechnel, wiedergegeben, Sie ist, wie man sieht, im allgemeinen hoch, nach der ROMBERG’SChen Auffassung uber die Grosse der normalen Amplitude in samtlichen Fallen ausser drei (YII, IX und X) gesteigert und nimmt im grossen und ganzen mit der Schwere der Falle zu. In den Fallen, wo die ubrigen Symptome, vor allem Grundumsatz und Pulsfrequenz, wahrend der Beobachtungszeit betrachtlichere Veranderungen erlitten, konnte jedoch in der Grosse der Amplitude eine entsprechende Verschiebung nicht wahrgenom- men werden. Auch wurden die hochsten Amplituden nicht immer in den Fallen konstatiert, in denen die Grundumsatzsteigerung oder die Tachykardie am starksten war; dies widerspricht READ’S Auffassung, die Amplitude und die Pulsfrequenz variierten derart Hand in Hand mit dem Grundumsatz, dass man grob empirisch mit Hilfe einer Formel aus den ersteren den letzteren berechnen konne.

Die Resultate der vorliegenden Arbeit deuten in dieselbe Richtung wie die moderne, vor allem von amerikanischen Forschern vertretene Auffassung, dass die Steigerung des Blutdrucks wie auch die Grundumsatzerhohung, die Tachykardie und der Tremor zu d e n konstantesten Symptomen der Thyreotoxikose gehoren. Sie kann, wie die anderen t)Kardinalsymptomet) in recht ausgepragten Fallen (X) fehlen und scheint andererseits in einigen vGrenzfallen)) vorhanden zu sein, wo sie in erheblichem Grade zur Sicherstellung der Diagnose beitragt.

3. DAS BLUTBILD.

Schon seil langer Zeit ist das Blutbild bei Thyreotoxikose Gegen- stand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Auffallig sind die schroffen Meinungsverschiederiheiten bezuglich desselben, und hesonders in der Frage des sog. BKOCHER’S c 11 e n B 1 u t b i 1 d e SB sind die Wogen des Kampfes hoch gegangen. Bei einer Durch- sichl der reichen einschlagigen Literatur kann man sich des Ein-

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drucks nicht erwehren, dass teils aus einem recht knappen Material oft recht weitgehende Schliisse gezogen worden sind und man teils die Verschiedenheiten der Resultate, welche bei hamatologischen Untersuchungen aus Abweichungen in der Methodik, der Appara- tur und vor allem der subjektiven Auffassung des Untersuchenden herfliessen konnen, zu gering eingeschatzt hat.

Die alte Anschauung, dass die bei Thyreotoxikose recht ge- wohnliche blasse Hautfarbe durch eine mit der Krankheit einherge- hende Anamie bedingt sei, gilt heute im allgemeinen als wider- legt. Diese Blasse wird eher als eine ))Pseudoanamiej) angesehen, die durch eine Zusammenziehung der Hautkapillaren infolge nervos vasomotorischer Einflusse hervorgerufen ist, und die Zahl der Erythrozyten sowie der Hamoglobingehalt werden im grossen und ganzen als normal bezeichnet. Doch macht CHVOSTEK darauf aufmerksam, dass man nicht selten leichten Graden von Anamie begegnet, die er, wenn keine andere Atiologie nachzuweisen ist, der Thyreotoxikose zuschreiben miichte. Andererseits hat H. ZONDEK in einer Anzahl von Fallen eine leichte Polyzythamie aufgezeigt - eine Beobachtung, die auch andere gemacht haben - und sogar nach Thyreoidinmedikation bei Gesunden eine Ver- mehrung der roten Blutkorperchen bis auf eine halbe bis eine ganze Million gesehen.

Das von TH. KOCHER 1908 angefiihrte Blutbild, das nach ihm seinen Namen erhalten hat, besteht in typischen Fallen in leichter Leukopenie und relativer und oft auch absoluter Lymphozytose mit einer entsprechenden Herabsetzung der prozentualen und absoluten Menge polymorphkerniger Leukozyten. Dieses Blutbild ware nach KOCHER besonders ausgepragt in schweren, prognostisch ungunstigen Fallen, konnte aber mitunter gerade in 'besonders schweren Fallen auch vermisst werden. Nach einer gegliickten chirurgischen und internen Behandlung viirde es sich nach der Norm hin verandern. Obwohl KOCHER nie behauptet hat, dass das von ihm beschriebene Blutbild fur die Thyreotoxikose spezi- fisch sei (A. KOCHER), meinte er doch, dass es fur die Differential- diagnose gegeniiber weinfacher)) Struma wie gegeniiber oNeurosen mit ahnlichen Symptomen)) von Bedeutung ist. Nachdem v. HOSSLIN und SAUER eine relative Lymphozytose bei einer Reihe funktioneller Neurosen, wie Neurasthenie, Hysterie, traumatisclier

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Neurose und Alkoholismus, sowie CH. MULLER, BIELAJEW und bei uns T. SANDELIN bei Struma ohne Thyreotoxikose nachgewiesen haben, sind diese Hoffnungen zu nichte geworden. Das Vorkommen vollig normaler Blutbilder bei hochgradigen Thyreotoxikosen ist von Forschern wie FALTA, NAEGELI und HIRSCHFELT hervor- gehoben worden. Gegen die Behauptung, dass die Leukopenie wenigstens in ausgepragten Fallen ziemlich konstant sei, haben sich mehrere Autoren auf Grund eines umfangreichen Materials bestimmt ausgesprochen. Beziiglich der Veranderung des Blut- bildes im Anschluss an einen Riickgang der iibrigen Symptome divergieren die Ansichten in hohem Grade. Bei uns hat T. SANDE- LIN nach Operationen mit gutem Resultat die absolute und rela- tive Leukozytose in den meisten Fallen zuriickgehen sehen, und in einem vor kurzem veroffentlichten Aufsatz berichtet BIEDL iiber eine Steigerung der Zahl der neutrophilen Leukozyten und inithin einen Riickgang von relativer Lymphozytose nach der Norm hin im Anschluss an eine Besserung wahrend Therapie mit kleineti Joddosen. Die experimentellen Untersuchungen der KOCHER’- schen Schule, nach denen man durch Medikation mit Thyreoideapra- paraten bei Gesunden ein aKocHER’sches Blutbildn sollte hervor- rufen konnen, hab’en J. BAUER u. HINTEREGGER nicht zu bestatigen vermocht. Indessen ist man im grossen und ganzen einig iiber das ziemlich allgemeine Vorkommen einer relativen Lymphozy- tose - nach einigen Autoren nie einer absoluten, sondern stets einer auf absoluter Neutropenie beruhenden -, obwohl man ihr wegen ihres Auftretens bei einer grossen Menge von anderen krankhaften Zustanden alle Bedeutung hat absprechen wollen. Wie es sich mit der sehr umstrittenen Atiologie dieser bei der Thyreotoxikose allgemein vorkommenden relativen Lymphozytose auch verhalten mag, diirfte sie doch fiiglich zu den thyreotoxischen Symptomen gerechnet werden konnen, die fur sich allein jegliclier diagnostischen Bedeutung entbehren, aber im Ve;ein mit anderen, mehr oder weniger charakteristischen Zeichen ein Indiz fur die Diagnose darstellen und dazu beitragen, das typische Krankheits- bild auszugestalten.

Die Resultate der im Anschluss an diese Arbeit ausgefiihrten Blutuntersuchungen ergeben sich aus untenstehender Tabelle. Sie sind in demselben Laboratorium, unter denselben Kautelen

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und von demselben Untersucher vorgenommen wie die von LIND- STROM u. TALLQVIST veroffentlichlen Normalzahlen mit Beriick- sichtigung von Geschlecht, Alter und Wohnort in der Stadt oder auf dem Land, weshalb diese Normalzahlen fur die vorliegende Serie volle Gultigkeit besitzen.

Fall

I I 1

I l l 1V \’

V I \‘I 1

V I I I IS x

XI XI1

XI11 XIV XV

XVI XVII

XVIII XIX xx

4,430,000 4,300,000 4,020,000 3,910,000 3,880,000 4,390,000 3,570,000 3,990,000

4,250,000 4,240,000 3.740 000 3,450,000 4,420,000 3,910,000

4 ,~so .noo

4,250,000

4,090,000

4,150,000 4,250,000 3,760,000

- - 3

* Y is ? $ ? s

- 80 80 70 70 70 80 70 75 80 80 80 70 70 80 70 75 80 80 80 70

- 0)

E E G c) h 0 3 1 s -

13,800 7,200 6,250 4,900 6,800 6,800 4,850 7,760 6,250 4,600 4,200 5,500 6,700 5,450 8,100 7,100 5,050 6,900 4,750 7.050

- - s. 01 - .- fi e 2 r ZJ

- 66.2 52 75,s 52,4 59,3 42,l 62 73,s 77,n 57,% 59,s 71,1 68,5 66,6 53,? 5 1 , ~ 59,3 40,!1 44,3 50,l

- 2 2 3

>?

5 c)

>a

0 c cs h cl

v

- 24,a 34,; 1 8 , ~ 3 2 , ~ 31 50,b

31,l 22,:i 16,2 34,s 26.5 21,3 21 27,3 27,a 36,i; 31 49,l 39.2 43,:t

33, 42, s 24.; 47, f b

37,s 56,!4 37, t 24,s 22,s 41,v 3G.Y 2 8 , ~ 29, :i 32,s 44, i 45,8 40, i

53,7 47,s

59,l

Bei der Durchmusterung der Resultate fallen in erster Linic die vergleichsweise niedrigen Wcrte fur Hamoglobin und rote Blulkorperchen ins Auge. In samtlichen Fallen mit einer Ausnahme (XIV) licgt entweder der eine oder beide unter dem entsprechenden Minimalwrt der Tabellen von LINDSTROM und TALLQVIST, und in nicht weniger als 9, d. h. etwa in der Halfte der Falle, ist eine leichte Anamie von sekundarem Typus mit eineni Hanioglobinwert von ca. 170 o/o und einer Erythrozylenzahl bis 3,450,000 herab

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vorhanden. Da nur in einem Fall (XII) eine andere, einleuchtendr Erklarung zu dieser Anamie zu finden ist - Genitalblutung und Operation -, muss man dieselbe in den ubrigen 8 Fallen als wahr- scheinlich mit der Thyreotoxikose assoziiert betrachten. In diesel Hinsicht wiirde das vorliegende kleine Material die Auffassung unterstiitzen, mit der CHVOSTEK sonst ziemlich allein zu stelien scheint.

Relative Lymphozytose ist in vier Fallen (VI, XVIII, XIX und XX) vorhanden. Unter diesen ist in zweien (XVIII und XIX) auch die Prozentzahl der mononuklearen Leukozyten und ifher- gangsformen und in dreien (VI, XVIII und XIX) die gesanite Prozentzahl der mononuklearen Elemente vermehrt. husserdeni ubersteigt in zwei anderen Fallen (IV und XV) die Prozentzahl der mononuklearen Leukozyten und der Ubergangsformen die in LINDSTROM’S und TALLQVIST’S Tabellen angegebene Maximal- zahl um ein bedeutendes. Man kann also in vier Fallen, von denen drei zu den hochgradigsten in Gruppe D (schwere Falle) und eincr zu Gruppe B (leichte Falle) gehoren, von einem K O C H E R ’ S C ~ ~ I I Blutbild und in zweien, einem in Gruppe B und einem in Gruppe C (mittelschwere Fallel, von einer Andeutung eines solchen sprecheii. Von diesen hat das Verhalten des weissen Blutbildes in den zii

Gruppe B gehorenden Fallen (IV und VI) die Auffassung uber ihre Thyreotoxizitat mitbekraftigt.

In einem Fall (I) war Leukozytose ohne andere Veranderungen in dem weissen Blutbild und in einem anderen (11) leichte Eosino- philie vorhanden, die wahrscheinlich durch den Bothriocephalus in diesem Fall verursachl sein diirfte.

4. ALIMENTARE GLYKAMIEREAKTION UND ALIMENTARE GLYKOSURIE.

Dass bei Thyreotoxikose nicht selten eine Storung des Kohlc- hydratumsatzes in Form von alimentarer Glykosurie auftritt, ist bekannt, seitdern KRAUS u. LUDWIG und CHVOSTEK im Anfang der neunziger Jahre ihre diesbezuglichen Untersuchungen veriiffen t- lichten. Die Angaben uber ihr Vorkommen sind verschieden mit Variationen zwischen 16 und 60 yo der Falle; bei den in CHVOS- TEK’S Klinik gemachten Versuchen konnte nach Genuss von 100

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gr Glykose in 50 yo der Falle Glykosurie konstatiert werden. Die Bedeutung fur die Differentialdiagnose, die man der alimen- taren Glykosurie anfangs als spezifisches ))Basedowsyrnptorno zuerkennen wollte, hat sich jedoch spater verringert, aIs man die- selbe auch bei ITallen von ))einfacher)) Neurose hatte beobachten konnen (CHVOSTEK). Da es aber moglich ist, bei manchen Gesun- den durch Medikation mit Thyreoideaprapara ten alimentare Glykosurie hervorzurufen, spricht dies deutlich fur einen Zusam- menhang rnit der abnormen Hormonenwirkung der Schilddruse bei Thyreotoxikose, und zwar wahrscheinlich in Form einer Hem- mung der endokrinen Tatigkeit seitens des Insularapparats des Pancreas ( F A r r A ) . Die Konstitutionspathologen mit CHVOSTEK an der Spitze wollen jedoch der bei der Thyreotoxikose vorkom- menden degeneraliven Anlage auch in dieser Hinsicht eine ent- scheidende Bedeutung beimessen.

Seitdem man angefangen hat, dem Blutzuckerspiegel bei den endokrinen Stiirungen spezielle Aufmerksanlkeit zii widmen, hat man in der alimentaren Glykamiereaktion, den1 ernpfindlichsten Indikator fur Storungen im Kohlehydratumsatz, ein Mittel zum Nachweis derartiger Erscheinungen bei den meisten Thyreotoxikern gefu nden.

Fur die.direkte Abhangigkeit dieses Symptoms von der Thyre- oideawirkung gibt es auch einige experimentelle Belege. BODANSKY konnte bei Schafen nach Thyroxininjektionen gesteigerte Bl~i t - zuckerreaktionen beobachten, und zwar auch, wenn die Schafe zuersl einer Thyreoidektomie unterzogen worden waren. WILSON sowie SANGER u. HUN haben, ersterer nach Rontgenbehandlung, letztere nach Strumaresektion mit klinisch gutem Resultat, gesehen, dass sich die Zuckerkurve in der Richtung auf das Normale ver- anderte.

Auf sein grosses Material gestutzt, spricht GRAY die Ansicht aus, dass der ))Hyperthyreoidisrnus)) absolut die gewohnlichste Ursache zu einer Verstarkung der alimentaren Glykamiereaktion ist und daher ausgeschlossen werden muss, bevor man auf Grund einer solchen die Diagnose auf Diabetes stellt. Ihre grosste Bedeu- tung gewinnt die Blutzuckerreaktion nach JANNEY u. HENDERSWN bei den leichteren Formen von Thyreotoxikose, wo man mit ihrer Hilfe Storungen der Thyreoideafunktion wiirde nachweisen konnen,

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auch wenn die klinischen Symptome undeutlicli sind und der Grundumsatz normal sein kann. Bei hochgradigen Fallen ware sie dagegen oft weniger ausgepragt und niitunter sogar normal (JANNEY u. ISACSON); dies konnte wenigstens teilweise dadurch erklart werden, dass bei der starken Steigerung des Stoffwechsels auch in grossen Mengen mobilisierte Glykose verbrannt wurde, bevor eine alimentare Hyperglykamie entstehen kbnnte (HOLSTI).

ifber den diagnostischen Wert der alimentaren Glykamiereak- tion im Vergleich zu anderen Symptomen sind die Ansichten geteilt. So betrachten BOOTHBY und LABBE die Blutzuckerreaktion als weniger charakteristisch fur die Thyreotoxikose als die Grund- umsatzsteigerung. In Wirklichkeit scheint es jedoch, als verhalte es sich mit der Verstarkung der alimentaren Glykamiereaktion ahnlich wie mit so nianchen anderen Teilsymptomen des Thyreo- toxikosesyndroms: sie kann fehlen (BOOTHBY, SANCER u. HUN), ist aber gewohnlich vorhanden und liefert dann, besonders in den leich- ten Fallen, einen ausserst wertvollen Beitrag zur Sicherstellung der Diagnose. Die Blutzuckerreaktion kann die Grundumsat z- bestimmung nicht ersetzen, noch kann eine Parallele zwischen ihnen gezogen werden (HOXIE); beide sind notwendig, wenn man eine eingehende Auffassung von der Beschaffenheit des Falles gewinnen will, und jedes Symptom fur sich und bcsonders beide zusammen sind oft von entscheidender Bedeutung fur die Diagnose.

Was das Verhaltnis der beiden Faktoren der alimentaren Tole- ranz, der alimentaren Glykosurie und der Hyperglykamie, anbe- langt, mag erwahnt werden, dass die renale Zuckertoleranz, die auch bei Gesunden erhebliche individuelle wie bei derselben Person unter verschiedcnen Verhaltnissen wechselnde Variationen zeigl, bei der Thyreotoxikose im allgemeinen etwas gesenkt ist (WILDER 11. SANSUM, MAJOR) und in sehr hohein Grade schwankt (MAJOR) hlanche der bei thyreotoxischen Zustanden vorkommenden ali- mentaren Glykosurien treten daher auf, trotzdem die Blutzucker- kurve normal ist, wahrend die alimentare Glykamiekurve in ande- Ten Fallen stark gesteigert sein kann, ohne dass im Harne Zucker zu finden ist.

Im Zusammenhang mit seiner 1924 erschienenen Arbeit uber das Vorkommen abnormer Blutzuckerreaktionen bei rheuma- tischer Arthritis hat HOLSTI eine Normalserie von 10 Fallen ver-

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offentlicht. HOLSTI’S Resultate stimmen sowohl in bezug auf den Hungerwert als den Verlauf der Kurve gut mit den Ergebnissen zahlreicher von ihm zitierter fruherer Forscher wie auch mit spateren grossen Versuchsserien (ZUCKERMANN, NAKAYAMA) uberein.

HOLSTI’S Versuche wurden nach der LEWIS-BEN~DICT’SChen kolorimetrischen Methode ausgefuhrt, wie sie von MYERS und BAILEY entwickelt und spater von BENEDICT modifiziert worden is\. Die Ahlesung wurde rnit HELLIGE’S Kolorimeter vorgenommen. Kachdem zuerst der Blutzucker bei nuchternem Magen bestimmt was, bekam die Versuchsperson 100 gr Glykose in 300 ccm U‘asser einzunehmen, worauf der Blutzucker jede halbe Stunde bestimint wurde, ein Verfahren, das von mehreren Seiten als die geeignetsle Methode zum Nachweis solcher, auf endokrinen Affektionen beruhender Storungen der Zuckerregulierung empfolilen worderi is1 (KERN u. JONAS, ROSENBERG).

Der berechnete Mittelwert VOR HoLsm’s Kormalwerten wird hicr wiedergegeben:

Blutzucker auf iiiichternen Magen 0.10 gr D ?/z St. nach Einnahme von

100 gr Glykose in 800 ccm Wasscr 0 , 1 4 )>

P 11/, 0 1) 0 , l O 1)

B 1 1) 1) 0.1 I 1,

1) 2 B I) 0.CIS B

I n vorliegender Serie wurde in samtlichen Fallen iiii Zusainnien- hang mit der ersten Untersuchung auch die alimentare Glykamie- reaktion gemaclit, um eine sorgfdtige Analyse der Falle zu ermog- lichen. Die Versuche wurden im Laboratorium der I. medizinischen Klinik unter genau denselben Kautelen wie diejenigen HOLSTI’S ausgefuhrt, weshalb seine Normalserie aucli in bezug auf diese volle Giiltigkeit besitzt. Die Ergebnisse sind tahellarisch in Zusam- menhang mit den betr. Krankengeschichten (siehe die Kasuistik) urid ausserdein der Deutlichkeit halbes in den beifolgenden Diagram- men graphisch wiedergegeben. Die Blutzuckerkurve ist fur jedeti Fall mit einer ausgezogenen Linie bezeichnet, und zum Vergleich ist die aus HOLSTI’S Normalfallen berechnete Rlit telwertkurve

-

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100

in Gestalt einer gestrichelten Linie beigef ugt. Die Abszisse bezeicli- net 0,og gr :& ausser in Fall 111, wo sie 0,07 angibt; die Absliintlta zwischen den Teilstrichen atif der Ordinate bezeichnen 0,04 gr :/;,.

In Gruppe A (Grenzfalle) kann die Reaktion, wie man sielil, als normal, in Fall 111 sogar als subnormal angesprochen werden.

In Gruppe B (leichte Falle) sieht man, wie die Zuckerkurve, die in Fall IV, dem leichtesten der Gruppe, niclit verstiirkt, sondern nur prolongiert ist, fast gleichmbsig von Fall zu Fall jtl nach deren Schwere ansteigt. Eine Ausnahme maclit Fall X mil einer Kurve, die ahnlich wie die in Fall IV prolongiert ist, ohnc verstarkt zu sein. Eigentiirnliclierweise ist dieser Fall, der wegeii seiner iibrigen Symptome’ als der hochgradigste dieser Cruppcl angeselien worden ist, eine Ausnahme auch hinsichtlich des Puls- drucks, der in demselben der niedrigste in der ganzen Serie ist. In den zwei Fallen, wo die Blutzuckerreaktionen am stiirkstcii sind ( V I I und VIII), trat eine alimentare Glykosurie von 0,ci bzw. 0,2 yo atif. I

In der folgenden Gruppe, C (mittelschwere l-?ille), ist die ali- mentare Glykamiereaktion durchschnittlich am stiirkstcn. Nur in einem Fall (XIII) ist sie annahernd normal. Dass der Patient eine Stunde nach dem Genuss des Zuckers Erbreclieri hatte, kann kaum in hoherem Grade auf den Blutzucker eingewirkt haben. der, wie man sieht, im allgemcinen nach diesem Zeitpunkt niclit nennenswert anstieg. Zu beachten ist, dass dieser Patient 68 Jahre alt war, wiilirend fast alle anderen Falle der Serie junge Personen waren.

Der als leiehtester angesehene Fall der Gruppe D (schwere Falle) hat die starkst ausgepragte Kurve der garizen Serie, wiihrentl sic11 die ubrigen in auffallendem Grade der Normalkurve n ” l a iern. In Fall XVII wurde zwei Stuiiden nacli dem Genuss der Glykose positive Nylander’sche Reaktion im Harn erhalten, was als ein Beleg fur die Behauptung (MAJOR) gedeutet werden konnte, dass manche bei der Thyreo to xikose auftretenden alimentaren Glykos- urien sozusagen ))renal)) bedingt sind. Leider wurde keine andere Zuckerreaktion zur Bestatigung des positiven Nylander gemacht, weshalb man die Moglichkeit in Betracht ziehen muss, dass dieser durch eine andere reduzierende Substanz im Harne verursacht worden sein kann.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass die Resultate der Blutzuckerreaktionen in dieser Serie in eklatanter Weise die voii .JANNEY u. HENDERSON ausgesprochene Auffassung unterstutzen, class die alimentare Glykamiereaktion in leichten Fallen oft ge- steigert ist, wahrend die ubrigen Symptome - auch der Grundum- satz - nicht deutlich sind. Ebeiiso auffallig ist die Ubereinstini- iiiung mit der Erfahrung JANNEY’S u. ISACSON’S, dass schwache und sogar normale Reaktionen bei schweren Fallen gewolinlich sind.

Die Resultate der alimeiitaren Glykamiereaktionen in dieser Untersuchungsserie haben die Auffassung uber deli Charakter der Rille sehr stark beeinflusst und sind fur die Diagnose tler leichteren 17alle von unschatzharem Nutzen gewesen.

5. DER GRUNDUMSATZ.

In der modernen Thyreotoxikoseforschung ninimt die Brstini- mung des Grundumsatzes den ersten Platz ein. Das Interesse, das man clieser Frage gewidmet hat, findet einen Ausdruck in der stetig anwachsenden, beinahe unubersehbaren Flut von Ver- offentlichungen, die wahrend der letzten zehn Jahre auf diesem Gebiet erschienen sind. In diesen Arbeiten ist die zeiitrale Stellung, welche die Steigerung des Grundumsatzes in dem Thyreotoxikose- syntirom einnimmt, stark betont worden. Dies sowie die Tatsache, tlass sich die Grunclumsatzbestimmung als empfindlichster uncl schnellster Indikatoi fur Verbiderungen der Thyreoidea-Aktivitat in einzigartiger Weise zum hlittel moglichst exakter Beobachtung der Wirkungen einer Behaiidlungsmethode eignet, ist die Ursache dam, dass dieser Untersuchungsmethocle in eiii so hreiter Raum gewahrt worden isl.

Das Verdienst, die Aufmerksamkeit auf Stoffwechselbeslimmung fur die praktische

vorliegender Arbeit

die Wichtigkeit der Medizin gelenkt zu

liaben, gebuhrt v. NOORDEN. Die ersten Untersuchungen uber tlas Verhalten des Stoffwechsels bei Thyreotoxikose wurden 18‘33 von FR. MULLER veroffentlicht. Er wies nach, dass Patienten, (lie an Tliyreotosikose leiden, eine grossere Menge Nahrung kon-

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suinieren, als ihrem normaleii I<alorienbedarf entspricht, uiicl

niisserdein eine grossere Menge Stickstoff im Harn absondrrii. als sie mit der Nahrung einnehmen. Die Untersuchungen MULLI<R'\

lieferten eine ErklBrung fur die hei der Thyreotoxikose, besonder5 bei den schwereren, akuteren Formen so typische Abmageruiig wie aucli fur den recht oft ausgepragten Heisshunger: ein patho- logisch gesteigerter Stoffwechsel. Dies wurde zwei Jahre spatci

, von MAGNIJS-LEVY bestatigt. Bei seinen in v. NOOHDEN'S Klinili ausgefuhrten Untersuchungen konnte er eine Steigerung ties Stoffwechsels bei 'Thyreotoxikose und eine entsprechende Herah- setzung desselbeii bei Myxodem nachweiseii. Er beobachtete auch eine Steigerung des Stoffwechsels bei einem fettleibigen Patienteii unter Einwirkung von Tliyreoideamedikation.

Die Entdeckung FH. MULLEX'S und RIAC,UUS-LEVY'S gab (lie Anregung zu der lebhaften wissenschaftlichen Arbcit, die seiltleni arif diesem Gebiet betrieben worden ist urid die ilire Richtigkeit in vollein Masse bestcitigt hat. Wie sich gezeigt hat, ist sie von grundlegender Bedeutung f iir unsere Auffassung von dcr patliolo- gischen Physiologie der Schilddruse sowie fur dic Klinik u n t l

Therapie tler auf Storungen ihrer endokrinen Funktion beruhcndeii Krankheiten, der Thyreotoxikose und des Myxodenis.

Unter Grundumsatz verstehen wir das Miniinuni vdii

Stoffwechsel, das hei inogliclist vollstandigem .4usscliluss allcr Organtatigkeit stattfindet, ohne (lass die fur die Erhaltung des Lebens notwendigen, physiologischen Funktionen gestort werden. Der Grundumsatz, nach MAGNUS-LEVY udie sicherste Gruridlage cler vergleichenden Untersuchung in der Physiologie iiberhaupt unt l namentlicli auf den1 Gebiete der meiischliclien Pathologic)), kann durrh Messung des Gaswechsels bei niichternem Magen, ca. 12 Stundeii nach der letzten Mahlzeit, in bequemer Ruhelage, unter sorgfaltiger Vermeidung aller Jluskelspaiiiiung untl aucli tler geringsten Bewegungen bestinimt werdeii. Enter diesen Bedin- guiigeii schwankte tler Stoffwechsel bei eiiier der Versuchspersoneii MAGXUS-LEVY'S wihrend einer Beobachtungszeit von zwei .Jahreii hochstens 11 "/o uber und 8 "/o unter den Mittelwert. Ware es nicht moglich, in dieser Weise durch direkte Kalorirnetrie mit Bestiiii- iiiuiig nur der Menge konsumierten Sauerstoffes und produziertcti Kohlendioxyds fur die klinischc Anwendung genugend tsakte Wertr

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Z I I crhalten, so hiitte die klinische Kalorinietrie nie in deiii Uiiifang vcrwcrtet werden konnen, dass sie praktisclien Nutzen gewann.

A. KROCH hat Einspruch gegen den Ausdruck ))Grundunlsatn (basal metabolism) erhoben, dessen eigentliche Bedeutung nncli wilier Ansicht der postuIierte minimale Stoffwechsel in einem ;I us tlem Organisinus herausgesclinitteneii, nicht funktionierentlen, abilr dorh lebenderi Organ ist. Fur den Begriff, um den es sic11 hicr Iiandelt, schlagt er die Benennung ))Standardumsatzo vor, tler bereits hier und da in der skandinavischen Literatur aut- gctaucht ist. Da die alte Benennung )tGrundumsatzr, wie oben ausgefuhrt, auf das Minimum VOII Stoffwechsel abzielt, das unter normalen Verhaltnissen erreicht werderi kann, ist es hier niclit 1110 tiviert erschienen, sie aufzugeben.

Nach den oben erwhhnten Priiizipieii sind eine Reihe Sl of[- wwchselapparate fur den klinischen Gebrauch konstruiert wortlrn, von denen hier tlie Standardtypen angefuhrt seien: in Deutschland tler von ZUNZ-GEPPERT, in Frarikreich der von TISSOT unrl in clen Vereinigteli Staateli der von BENEDICT, bei denen allen es sich rrni tlie Messung und Analyse der Hespirationsgase handelt. Nit tliesen Apparaten ist die Arbeit ausgefuhrt worden, die in wenigrir h h r e n namentlich uber Storungen der Thyreoideafunktion so l~edeutungsvolle Resultate geliefert hat. Hierbei haben die ameri- ltanischen Forscher, mit den Physiologen ANTWATER, BENED tcr, Lrwc sowie E. und D. nu Bois und den Klinikerii PLUMUEH, BOOTHBY, MEANS, AUB, R k , CASKEY und CHRISTIE an der Spitze, einv Klasse fur sich gebildet, wie sie es inirner noch tun. Beispiels- weise sei erwahnt, dass eine einzige Klinik zwischen 1022 und 1923 uber 25,000 Messungen veroffentlichen konnte, die im Laufe voii f unf Jahren an nahezu 9,000 Personen vorgenommen worden sind (BOOTHBY u. SANDIFORD).

Bei klinischen Grundumsatzbestinuriuugeri ist eine der wichtig- sten Forderungen, die man an die Methodik stellrn iiiuss, dass die TJntersuchung in so kurzer Zeit wie moglich stattfindet untl so weiiig wie moglich physisch anstrengend und psychisch irritierentl f u r den Patienten ist. Dass psychische Unruhe an sich auch bei Psychoneuro tikern ohne Struma und ohne Zeichen einer Thyreo- toxikose eine erhebliche Steigerung des Grundumsatzes verursachen I<:iiin, ist von verscliiedenen Seiten betont worden (GRAFE 11. TRAF

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MA", ZIEGLEH u. LEVINE). Mit uin so mehr Grund muss man diese Moglichkeit zu Fehlerquellen bei der Thyreotoxikose mit ihrcr Neigung zu starken Affekten beachten. Dass eine langwierigr, physisch ermudende Untersuchung, die es dem Patienten schwer macht, sich still zu verhalten, das Resultat in hohem Grade beein- flussen kann, lie@ offen zutage. Grosstmogliche Einfachheit tlcs Betriebes Hand ih Hand niit grosstmoglicher Exaktheit, ohne tiass sich die Methode fur den klinischen I Gebrauch in grosseni Massstab zu kompliziert gestaltet, sind die Hauptvoraussetzungen fur einen praktisch anwendbaren Apparat zur klinischen Bestim- mung des Grundumsatzes.

Der Apparat, der bei den vorliegenden Untersuchungen zur Anwendung gekonimen ist, KROGH'S s e 1 b s t r e g i s t r i e r e 11-

tl e r R e s p i r a t i o n s a p p a r a t B e s t i m in ti 11 g t l e s G r u n d u m s a t z e s, ist einer der modernen Apparatc, die den oben angegebenen Forderungen am besten entsprecheii.

Krogh's Apparat ist in mehreren Veroffentlichungen (A. KROGM, LIEBESNY, J. HOLST) mit Hilfe diagrammatischer Abbildungcii genau beschrieben, weshalb hier nicht eingehender iiber ihn berichtet zu werden braucht. Sein wichtigster Teil ist ein Spirometer niit einer Aiuminiumglocke, die in einem Wasserverschluss ruht uiitl

mi t einem von einem Uhrwerk angetriebenen Kymographion zu- sammengebaut ist. In dem Spirometer befindet sich ein Brlidter, gefullt mit Natronkalk, das direkt mit dem Gase in1 Apparat in Verbindung ist. Zu Beginn des Versuches wird die Spirometer- glocke mit Sauerstoff gefullt, den die Versuchsperson durch eiii mit einem Inspirationsventil versehenes Rohr einatmet. Durrli ein anderes, mit einem Exspirationsventil versehenes Rohr atniet tier Patient aus, so dass die Exspirationsgase die Natronkalk- scliicht passieren, wobei das Kohlendioxyd resorbiert wird untl der Restsauerstoff in das geschlossene System zuruckkommt . Bei den Atmungsbewegungen der Versuchsperson macht die Spiro- meterglocke, die an zwei Stahlspitzen schwingt, Exkursionen, die von einem Schreibhebel auf der Registriertromniel eingetrageii werden. Diese bewegt sich mit einer bestimmten Ceschwiiidigkeit, wobei die Respiration quantitativ registriert wird, wahrend eine spezielle Zeitregistrierung unnotig wird, und man erhiilt ein Dia- gramm, das die Menge des konsumierten Sauerstoffs in der lei1 -

z u r

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einheit direkt angibt. Diese Sauerstoffmenge wird auf -1 0’ und 760 mm Druck reduziert, wonach die I(alorienproduktioi1 durch eine einfache Rechnung bestimmt wird.

Krogh’s Apparat arbeitet also ohne Gasanalyse uiid registrierl wje der kleinere, transportable Apparat von Benedict nur den koii - suinierteii Sauerstoff. .4uf diese Weise ist nicht nur eine Verein- fachung der Methode erreicht, eoiidern es ist auch die Fehlerrluclle bcseitigt worden, die die Moglichkeit einer ifberventilation lose gebundenen Kohlendioxydes zu Beginn des Versuchs und einer criieuten Speicherung am Schluss desselben in sicli schliesst. 1% ist voii verschiedenen s i t e t i behauptet worden (KNIPPING u . a. ) , class der Verzicht auf die Bestinimung des ausgeatmeten Kohleii- tlioxyds und damit auch der respiratorischen Quote das Resultat weniger exakt mache. Nach Untersuchungen von KHOGH ti. LIND- I i A m kann man indesseii mit Hilfe einer proteinarmen, haupt- srichlich aus Kohlehydraten bestehenden Diiit whhrend zwei Tagen vor dem Versuch die respiratorische Quote bei einem hlini- inurn von 0 , ~ - 0 , 9 fixieren. Der kalorische Wert der Sauerstoff- konsumtion wird dann 4,9 Kalorien je Liter Sauerstoff init einer Fehlergrenze, die selten ein Prozent iiberschreilet. Die Kichtigkeit tlieses Verhaltens ist durch Kontrollversuche von 11. KROGH 11.

0. RASMUSSEN bestatigt worden. Die Exaktheit der Krogh’scheri 1Jntersuchungsmethodik habeii ausserdem LIEBESNY und seinr JIitarbeiter sowie M. KROGH u. 0. RASMUSSEN durch vergleichendc IJntersuchungen niit Zunz-Geppert’s gasanalytischer, als biolo- gisrhe Standardmethode mgesehener Apparatur kontrolliert. Hier- bei wurde eine grosse ifbereinstimmung i n der Genauigkeit fest - gestellt; dass Krogh’s Methode eine Neigung zu etwas niedrigereil Werteii (1-2 yo) als die gasanalytische zu zeigen scheint, ist prak- tisch nicht von Bedeutung.

Die Moglichkeit, class bei Fettsiichtigen die respiratorisclie Quote bei iiiichternem Magen unter 0,s herabgehen kann, obwohl die Versuchsperson am vorhergehenden Tag eine Diat beobaclitel hat, die einer respiratorischen Quote vonO,i~ entspricht (HAGI:DORN). ist gewiss zu bcachlen, sic kaiin aber bei Untersucliungen a n Thyreotoxikern kaum in Frage kommen.

Eine Bestimmung der respiratorischen Quote kann natiirlicher- weise bei gewissen klinischen Stoffwechselun tersuchungen, bcsonders

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bei Diabetes und manchen Studien iiber den intermediareii UIII- satz notig werden. Fiir diesen Zweck sind Modifikationeii dcs Krogh’schen Apparates mit gleichzeitiger graphischer Registric- rung der Kohlendioxydproduktion von HAGEDORN, LIEBESIV) u. SCHWARZ sowie von DUSSER D E BARENNE u. B~JRGER angegebrri worden.

\Vie oben bemerkl wurde, hat man nachweisen konnen (Mz\<iNus-

Lr:vu), dass der Grundumsatz bei Gesunden eine konstante, inner- halb enger Grenzen variable Griisse ist. Auf Grund dieser Tatsachc hat man verschiedene Tabellen ztir Berechnung des normalen Grund- it trisatzes aufgestellt, von denen die am meisten benutzten hier crwahnt seien,

Nach dem von RIEGNAULT-REISE r und RICHET ausgesproche- nen und von RUBNER in ein System gebrachten Prinzip von dern \‘t.rhallnis der Verbrennung zur Griisse der Kiirperoberflache haben L. u. D. Du BOIS ihre Formel zur Bestimmung der Quadralobcr- flache des Kixpers aus Kijrperlhnge und -gewictit hergeleitel und ihre Normaltabellen zur Berechnung der Crundumsatzes pro Quadratmeler Korperoberflache bei bekanntem Alter und Geschlecht ausgearbeitet. HARRIES u. BENEDICT wiederuni haben durch rein statistische Methoden auf Griind zahlreicher Untcr- suchungen an Gesunden ihre Tabellen zur direkten Beslinimung dcs Grundumsatzes unter Beriicksichtigung von Alter, Geschlecht, Lange und Gewicht aufgestellt. Die Vorziige der I h Bois’schen Methode, die gegenwartig in den Vereinigten Staaten am meisten angewandt werden diirfte und auf der Mayo-Klinik benulzt wird, sind von den Spezialisten des Gebietes an der letztgenannten A4nslalt (BOOTHBY 11. SANDIFORD) liervorgehoben worden. Obwohl die ‘Tabellen von IIAHRIES u. BENEDICT infolge ihrer stalistischen Na tur vielleichl weniger exakte Resultate geben, wenn es sic11 um Per- sonen holien Alters handell oder wenn der Kijrperbau in hohem Grade von der Norm abweicht, diirfte Du Bois’ Methode dagegen etwas zu hohe Werte geben (A. KROGH). Auch LIEBESNY mil seinem fur europiiische Verhaltnisse unerhiirt grossen Material ha1 die b’ormeln von HAHRIES 11. BENEDICI vollig hefriedigend gefurtden.

Bei vorlicgender Arbeil wurde der normale Grundumsatz nach HARRIES-BEXEDICT’S Tabellen herechnet, deren gule Uberein-

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stinimting mil dem in den unlersuchlen Normalfallen (siehe unten) get undenen Wurl ihrerseits fur deren Zuverlassiglteit spricht.

Unabhhngig von der Wahl der Melhodik ist die wissenschafl- liche Zuverlassigkeit klinischer Grunduinsatzbestinimungen i n hohem Grade dadurch hedingt, dass bei der Ausfiihrung ausserslc horgfall heobaclitel wird. Eine genaue Kenntnis der Methodik und ihrer physiologischcn Grundlagen sowie unablassige Beaclitung aller Jloglichkeilen zu Fehlerquellen sind hierbei iinumgangliche Yoraussetzung.

Hei der Arbeil mit dem KRoGH’schen Apparal mussen niii I<ucksicht auf die Tatigkeit der Apparatur selhst dann und wann Kon t rollversuclie angestellt werden.

Yon ausserordentlich grosser Wichtigkeil ist cs nachzusehen, dass das geschlossene %irkulalionssysleiri, das von den Respirations- wcgen des Patienten, den mit Ventilen versehenen Verhindungh- roliren aus Gummistoff und dem Spirometer gehildet wird, nirgends die geriIig5k Undichtheil aufweist. Das Gummimundstuck niiiss gut sitzen, so dass zwischen ihni und den Lippen des Patienlen licine 1,uft durchgehen kann. Die Ilichligkeit des Spirornelers h i ~ l h s l 1st hinreichend oft einer Konlrolle zu unterziehen, ebenso die Prazision- des Uhrwerks. Die in den Apparat eingehaulen €~rs~irationsventile von IAVEN’S Modell Bind oft nachzusehen und das ~u1tel)ercIiapapier zii erneuern, wenn es undichl gewor- rlen 1st .

Iler Begrifi’ Grundumsatz selbst setzt voraus, dass in bezug ;iuf die \‘ersuc:isperson eine Reihe von Bedingungen erfiillt sind. \‘or deiii Yersuch muss konstatiert werden, dass keine Erhohung der Korperlemperatur vorhanden ist. odem, das auf das \‘erhalten des Korpergewichts stbrend einwirken kann, darf nicht zu finden sein. Perner niiiss der Palient zwei Tage lang vor dem Versuch die liir die Exaklheil so notwendige Diat beobachten, wenigslens am Tage vorlier grossere ltorperliche Anstrengungen vermeiden und walirend der letzten 12-1 4 Sturiden vor der Untersuchung keine Nahrung zu sich nehmen.

Yon grosster Wichligkeit ist, dass die Versuchspwson walirend des Gangs der Untersuctiung wirklich alle Bewegungen und soweit inoglich alle Xluskelspannung vermeidet, was nur moglich i h l , wenn \ie dabei vollig bequem liegt und nichl von dem Mundsluck

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des Apparates, nicht von enger Kleidung belastigt noch irgendwie irriliert wird. Von grosser Bedeutung ist auch, dass die Unttlr- suchungen immer von derselben Person ausgefiihrt werden, a m liebsten von dem behandelnden Arzte selbst, der durch seinen Ein- fluss auf den Patienten der aus dem Versuch an sich herfliessenden psychischen Agitation entgegenwirken und zugleich den Patienten dazu vermogen soll, nach Kraften dazu beizutragen, dass alle Voraussetzungen zu einem wohlgelungenen Versuch erfiillt werden.

Indem man wahrend des Gangs des Versuches die Pulsfrequenz verfolgt, kann man auch kontrollieren, dass sich der Patient in] l’erlauf desselben ruhig verhalt.

Bei ruhigeni Atmen erhalt man eine Kurve, deren Gipfelpunkte, welche die Exspirationsstellung bei Huhe aller Respirations- muskeln bezeichnen, durch eine und nur eine gerade Link verhun- den werden konnen.

Dass bei Thyreotoxikose nicht selten unregelmassige ALmung vorkommt, ist von HOFBAUER sowie von EPPINGER u. HESS her- vorgehoben worden. Gewohnlich besteht diese Unregelmassigkeil in mit ziemlich regelmassigen Intervallen wiederkehrenden t ieferen Inspirationen, wahrend die Exspiration gleichformig ist und es lteine Schwierigkeit bereitet, die eben envahnte Linie zu ziehen. Milunter aber kommen auch Kurven mit nicht ganz regelmassigen Exspirationspunkten vor. Der geiihte Untersucher kann in solchen Fallen die Linie oft so ziehen, dass das ResulLat doch annahernd exakt wird, und-seine Erfahrung hat zu entscheiden, welche Kurven hrauchbar sind und welche ausrangiert werden mussen.

Bei Untersuchungen an amhulantem Material ist die Miiglichkei 1 zu kontrollieren, dass die Versuchsperson die oben erwahnten vorbereitenden Massregeln befolgt, natiirlicherweise einigermassen iwschriinkt.. Doch sind poliklinische Untersuchungen auch friiher mil Erfolg angestellt worden. BARACH u. DRAPER, welche eine Serie von iiber 400 poliklinisch untersuchten Fallen veroffttntliclil haben, haben dabei als nicht sicher abnorm Werte betrachtel, die urn 15 yo oder weniger von dem herechneten Normalwert abweichen, s ta t t 10 %, die sonst in allgemeinen zur Anwendung gekommen sind. Auch hier besteht fur den Arzt die Mijglichkeit, die Patienten durch seinen personlichen Einfluss dazu zu bringen, dass sie die angegehenen einfachen Vorschrif ten befolgen.

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Bemerkenswert ist, dass fasl alle in Betracht kommenden Fehlerquellen zu hohe und nicht zu niedrige Werte verursachen.

Ini Anschluss an vorliegende Arbeit wurden wiihrend 1 Jahrc. gegen 200 Grundumsatzhestimmungen gemacht. Die Resultatc der erslen Untersuchungen, die vor der Einleitung der Jodtherapic a usgef uhr 1 wurden, werden un ten wiedergegeben.

15. XI. 23.

1 25. 11. 25. j 22. 11. 25.

/ 12. v. 24. 1 15. v. 24.

Grundumsatz Fall 1 Datum

+ 2

- - G + 25 + 24

._ f o I

I 1

I l l

SI 1-1. S I I . 23. Sl l 6. VIII . 24.

S l I I z;. I . 25. s IV 7. IV. 24.

/ 18. 11. 25. ( 23. 11. 25.

S V

1V v

VI V I I

VIII IX S

+ 39 + 22 + 4.1 + 16 + 40 + 39

Gruppe I3 (leichte IWle) 80. VII. 24.

0. XI. 23. 21. 11. 25. 7. 111. 24.

20. XI. 23. t i . v. 24.

20. 1 1 1 . ‘13.

+ “1 i- 25 + 1 + 25 + 1s + 20 + 31

Gruppe D (schwere Falle)

S V I

XVII

XVIII

s IS

xx

23. I. 25. 29. I . 25. s. I . 24. 7. IX. 24.

3. IV. 24. 10. 11. 24. 14. 11. 25.

{ lti. IX. 24.

+ 40 + 38 + 55 + 74 + 77 + 75 + 92 + 91

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%'erte, die uni 15 76 oder mehr den mit Hilfe der Il.hr<i<ii:\-

BENEDIcT'schen l ' a b e h bercchneten normalen Grundumsa(/. iiberstiegen, wurden als pathologisch betrachtel. h f u r dass diesc Erhohung der Grenze zwischen normalem und pathologisch gestci- gcrtem Grundumsatz - nach dem Obigen werden bei klinischcri Versuclien 10 % im allgemeinen als Grenzwert betrachtet - genufil haben, die Steigerung der Werte zu eliminieren, mil der die Vcr- wendung von anibulanteni Material annahmegemass verbuntlcari sein kann, spricht das Resultat der unlersuchten Nornialfalle: bci 22 Un tersucliungen an 8 Personen, bei denen kein Verdach t :I ii I Thyreotoxikose zu bestehen schien, schwankte dcr Wert zumcisl innerhalb 5 yo, iiberschritt nur dreimal + 10 y; und erreichic in keinem Fall + 15 %. Auch die in diesen Normalfallen, 1x4 Untersuchungen zu diagnostischem Zweck und in aCrenzfallciio recht oft vorhandene ifbereinstimmung bis auf einige Dezinialcn mit dem berechneten Normalwcrt deutet auf die Exakthcit dcr Methodik und ist zugleich ein Kriteriuni fur die Brauchliarkcil der Tabellen.

Eine Anzahl Versuche wurden durch die Unruhe der slark tier-

vosen Pa tienten vereitelt, und einige Kurven mussten ausgeschlos- sen werden, weil sie fur die Gewinnung eines nuverlgssigen Resulta- tes zu ungleichmassig waren. In Fallen, wo die Kurve nichl vbllig gleichmassig war, aber doch als brauchbar angesehcn wurde, ist das Resultat mit ca. x yo bezeichnet worden (siehe die Kasuistik).

Teils weil das Ergebnis des ersten Versuchs in einigen Fallen aus einem oder dem anderen Grunde verdachtig erschien, tcils urn die Methodik mittels einiger Stichproben einer Kontrollc LU

unterziehen, wurde in 6 Fallen (11, 111, XV, XVI, XVIII und XX) die Untersuchung von neuem gemacht, bevor Versuche mil Jod- therapie eingeleitet wurden. Die Variation erwies sich hierbvi als minimal, resp. 6, 1, 1, 2, 3 und 1 yo. Dies ist um so bemerkcns- werter, als unter diesen ITalle mit hohem Grundumsa tz dominieren (XV mit + 3 9 - 4 0 yo. XVI mit + 38-40 Yo, XVIII mit + 71 -77 yo und XX mit + 91-92 x).

In vorliegender Arbeit ist es die Hauptaufgabe der Grund- umsatzbestimmungen gewesen, als moglichst exakten und vor allem schnell reagierenden Indikator fur Veranderungen des Krank-

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lieitzsustands den Effekt derjenigen Therapieform aufzuzeigen, rnit der die Versuche angestellt wurden. niese Eigenschaft des Grundumsatzes ist seilens derjenigen, welche in dieser Frage Erfahrung haben, zu allgemein anerkannt, als dass hier Zitate vonnijten waren.

In bezug auf die Differentialdiagnose der unsicheren Falle vun Thyreotoxikose spielt der Grundumsatz nicht annahernd dieselbe Rolle wie hinsichtlich der herabgesetzten Thyreoidea-Aktivitat, weil er in den leichtesten Thyreotoxikosefallen in der Regel normal ist. So ist in dieser Serie sicher normaler oder an den normalen grenzender Grundumsatz in Fallen angetroffen worden, die auf Grund anderer Symptome als unzweifelhafte Thyreotoxikosen angesehen worden sincl (VI und VIII), sowie in einem Fall (XIV) von recht akuter Thyreotoxikose mit bedeutender Abmagerung, starkem Tremor und Tachykardie sowie Exophthalmus. Anderer- seits aber kann ein abnormer Grundumsatz in einem unsicheren Fall, wo andere physiologische oder pathologische Ursachen dessel- ben ausgeschlossen werden kiinnen, die Diagnose entscheiden (Fall

Die Grundumsatzsteigerung kann also, wie so manche anderen Symptome des Thyreotoxikosesyndroms, in deutlichen Fallen fehlen oder hochst unsicher sein, sie ist in den leichtesten, unsicheren Fallen sclien vorhanden, kann aber dann ausschlaggebende Bedeu- tung fur die Diagnose gewinnen. Obwolil es grundfalsch ware, die Thyreotoxikosen lediglich auf Grund des Verhaltens der Grunduni- salzsleigerung zu klassifizieren, ist diese in den ausgepragten Fallen eins der konstantesten Symptome und spielt in der Regel eine entscheidende Rolle fur die Auffassung uber den Charakter des Falles.

I I I).

111. DIAGNOSE UND EINTEILUNG.

Bei den hochgradigen Thyreotoxikosen mil den1 klassischen Symptomenkomplex bereitet die Diagnose auch dem weniger Er- fahrenen geringe Schwierigkeit. J e leichter aber der Fall, je arrner an Symptomen und je atypischer das Krankheitsbild ist, desto schwieriger wird die Differentialdiagnose gegeniiber oeinfachers Neurose mit oder ohne Struma, gegenuber Struma ohne Thyreotoxi-

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kose, anderen Herzaffektionen und sonstigen Krankheitszustandeu, die mit den thyreotoxischen Ahnlichkeit haben.

Obwohl sich bei der zentralen Thyreoideastorung, die nacli- Meislich wenigstens zum Teil in einer Hyperfunktion der Glandula thyreoidea besteh t, eine gewisse Auffassung iiber die Pathogencse dicser Zustande ergeben hat, hat man beharrlich an der altcn, syinptomatischen Anschauung aus v. BASEDOW’S Zeiten festgehal- ten. Um die Diagnose zu erieichtern, hat man sich bemiiht, einc Menge ))Basedowsymptonie)) von mehr oder minder sekundarerri Charakter hervorzuheben, die, wenn nicht direkt pathognomiscli, von entscheidender Bedeutung fur die Diagnose sein sollten. Infolgc cler verschiedenen Bewertung solcher Symptonie hat die persbn- liche Auffassung, der ))nllgemeine Eindriicki), einen recht breiten Spielraum bei der Stellung der Diagnose erhalten, und diese isl, wie sich CHvosnx ausdriickt, ))Gefuhlssache geworden,.

Urn hiervon loszukommen und die grosstmogliche Exaktheit und Ohjektivitat bei der Diagnosestellung zu erreichen, hat mail in jungerer Zeit seine Zuflucht zu einer Reihe spezieller diagnosti- scher Methoden, wie zu h3matologischen und serologischen Blul- untersuchungen, pharmakologischen Proben, Stoffwechselunter- siicliung u. dgl. genommen. In solchen Laboratoriumsmethodrn ha t man eirie Reaktion auf Thyreotoxikose zu finden gehofft, durch die alle zu dieser Gruppe gehiirenden Falle ohne Schwierigkeil und ohne die Moglichkeit einer Beeinflussung durcli den subjektivcii Eindruck abgegrenzt werden kiinnten, -- ))tested out)), wie der hczeichnende englische Ausdruck lautet.

Hier kommt jedoch der als uproteusartigu. als uphinxahnlichJt wid mit anderen derartigen, melir oder weniger gelungenen Nanien Iwzeichnete S y n d r o m c h a r a k t e r der Thyrrotoxikose zur Ckltung. Ebenso wenig wie irgendein klinisches Symptom hat bisher eine als spezifischer ,test of hyperthyroidism)) vorgefiihrtc 1.nboratoriumsmethode auf die Dauer den in allen Fallen absoiut ausschlaggebenden Wert behaupten konnen, den man ihr anfangs hat zuschreiben wollen. Dies ist mit dein KocHEn’schen Blutbild der Fall gewesen, und so verhiilt es sich auch mit der alimentareti Glykamiereaktion und der Grundumsatzbestimmung.

Die speziellen Untersuchungsmethoden besitzen nichtsdesto- weniger einen grossen Wert, der ihrien weder abgesprochen werden

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kann noch darf. Sie - vor allem die Grundumsatzbestimmung und die alimentare Glykamiereaktion - haben, abgesehen davon, dass durch sie unsere Kenntnis von dem Charakter der Thyreo- toxikose vertieft worden ist, uns wertvolle Mittel zur Sicherstellung der Diagnose geschenkt in vielen Fallen, wo dies das klinische Syinptomenbild allein nicht zu tun vermag. Die alimentare Glyka- mierenktion scheint einer der empfindlichsten Indikatoren fur 1 e i c h t e Steigerungen der Thyreoidea-Aktivitat zu sein, wahrencl andererseits der Grundumsatz, der ja in den leichteren Fallen of1 normal ist oder nur eine unsichere Steigerung zeigt, hauptsach- lich als Indikator fur Veranderungen des Krankheitszustandes von Belang ist.

Der diagnostische Wert der speziellen Untersuchungsmethoden, die bei der vorliegenden Arbeit zur Anwendung gekommen sind, is1 ini Zusammenhang mit dem Bericht uber die Methodik naher eriirtert worden, und aus der jeder Krankengeschichte beigefugten Epikrise (siehe die Kasuistik) geht hervor, aus welchen Grundeii die Diagnose gestellt worden ist und worauf die Auffassung uber den Charakter des Falles beruht hat. Die Hauptrichtlinie is1 liierbei gewesen, dass ein klinisches Symptom wie eine positive Keaktion nie allein den Ausschlag fallen durfte. Den Ausdruck fur die Thyreotoxizitat liefert das geineinsame Ganze, das Syndrom, das die anamnestischen Angaben, das klinische Bild und der Aus- fall der speziellen Reaktionen geben, und so wird es wahrlich blei- ben, wenigstens bis die Atiologie der Krnnkheit einnial definitiv aufgeklart ist.

Unter diesen Umstanden verstelil es sich von selbst, dass die Grenze mach untenu gegen die Heinfachen)) Neurosen bis zu einem gewissen Grade fliessend bleiheri wird und dass Falle vorkommeri, uber die trotz sorgfaltigster klinischer Untersuchung und trotz peinlichster Verwertung spezieller Untersurhungsmethoden keine bestimmte Entscheidung getroffen werden kann.

Das Material der vorliegenden Arbeit ist der leichteren uber- sicht wegen in vier Gruppen .eingeteilt worden. Aber in Uberein- stimmung mit der befolgten Anschauungsweise hat keine der bisher gebrauchlichen Einteilungen dabei zur Anwendung kommen kon- ncn. Diese grunden sich namlich samtlich, wie in der Einleitung dieser .\rbeit kurz dargelegt wurde, auf das Vorhandensein geM' riser

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Syniplome oder auf das Ergebnis gewisser spezieller Meihodr~l und werden infolgedessen mehr oder weniger kunstlich. Hicr ist darauf ausgegangen worden, die Falle soweit wie moglich m c l i ihrer thyreotoxischen Schwere einzuteilen, ohne dass man sicli dabei an ein besonderes Syniptom oder eine Reaktion band. \Vii. bei der Diagnose hat auch in dieser Hinsicht der allgemcine Charak- ter des Falles, wie derselbe im Krankheilsbild als Ganzenr hcrvortritt, den Ausschlag zu geben gehabt.

Die Falle sind nach ihrer Schwere numeriert. Daxnit das Material ein moglichst vollstandiges Bild von dem Thyreotoxikosesyndrom gebe, wurden die Falle I, I1 und I11 der Serie einverleibt, in der . sie eine gesonderte Gruppe, Gruppe A (Grenzfalle): Thpreotoxi- cosis (?) bilden. Diese Grenzfalle sind jedoch ausgewahlt, um Beispiele von Fallen zu geben, die mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit als Thyreotoxikosen zu betrachten sind; sic. stehen auf der Grenze zu der winfachen)) Neurose mit uberwiegendrn Slorungen seitens des vegetativen Nervensystems und der Zirkula- tionsorgane, gehoren aber eher auf die bobere)) Seite.

Nach denselben Prinzipien sind die iibrigen Griippcn t i n I cr- scliieden worden: Gruppe B, 1 e i c h t e (T h y r e o t o s i c o s i s

1 e v i s), Gruppe C, m i t t e 1 s c h w e r e ( T h y r e o t o s i c o- s i s ) , und Gruppe D, s c h w e r e F a l l e ( T h y r e o i o s i c o - s i s g r a v i s ) .