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24. AUGUST x935 KLINISCHE WOCHENSCHRiF-T. 14. JAHRGANG. Nr. 34 1223 metrische Messungen keilie fl-Strahlung nachweisen. Auch der Einflut3 von sekulld~irer d-Strahlung scheilit wegen der kleinen Reichweite tier ~-Strahlen ausgeschlossen zu sein. Was die schwache RSntgenstrahlulig, die yon CHADWICK und RUSSEL l, RUTHERFORD und RICHARDSON ~ sowie yon SLATER s beim Auftreten yon a-Strahlen auf Materie beobachtet wurde, betrifft, kommt auch diese Strahlung in unserer Ver- suchsanordnung nicht in Betracht, was durch Abschirmungs- versuche festgestellt wurde. Es bleibt also nur eine einzige Erkl~LrungsmSglichkeit iibrig, und zwar dab es sich um H-Strahlen handelt, Da wir nun in Luft bestrahlt haben, wo die Gelegenheit zum direkten Zusarnmenstoi3 der c~-Teil- chen mit H-Kernen sehr gering ist, scheilit es ulis wahrschein- lich, dab die H-Strahlen, ~ihnlieh wie dies auch I. CtmlE und F. JOLIOT* beobachtet haben, aus zertriimmerten Stickstoff- rnolektilen stammen. Weitere Versuche, die diese Annahme best~tigen sollen, sind im Gange. Wird dadurch einwandfrei bewieseli, dab es sich wirklich urn H-Strahlen handelt, die dutch Zertrfimlilerulig yon Stickstoffmolekfilen entstehen,w~ire damit, soweit uns bekanlit ist, zum erstenmal die durch Zertrfimme- rung der Materie freigewordelie Energie biologisch nachge- wiesen und gemessen. (Aus dem Radiologischen Institut de~ Masaz'yk-Universit~t in Bri2nn [Direktor: Pro]. Dr. B. Bou ~ek].) Literatur: 1 Proc. roy. Soc. A. 88, 217 (I913). -- ~ Philosophic. Mag. 25, 73I (1913). -- z Philosoptfic. Mag. 42, 904 (1921). C. r. Acad. sci. Paris I89, 127o (1929). KASUISTISCHE MITTEILUNGEN. VASOMOTORISCHE STORUNGEN MIT INTERMITTIEREN- DEM HINKEN NACH EPIDEMISCHER ENCEPHALITIS. Von G. PErt~.~Y, Assistent der t Mediziuischen Klinik der kgl, ungar, P~ter Phzm~ny-Universlt~it in Budapest (Direktor: Prof. F. HERZOG), An einem Kranken beobachteten wir eine dem intermittierenden Hinken sehr ~hnliche Gangst6rung, welche auf einer gleichseitigen St6rung der Gef~13innervation beruhte. Auf Grund der Anamnese und des Untersuchungsbefundes sind wit zur Annahme berechtigt, dal3 dieser Zustand eine bisher wenig bekann%e, serene Spiitfolge einer epidemischen Encephalitis darstellt. Der 36j~hr. Kranke 2. W. hatte mit 20 Jahren nach katar- rhalischen Erscheinungen eine 3 ,Wochen tange fieberhMte Krank- heir durchgemacht, worliber uns yore behandelnden Arzt mit- geteilt wurde, dab sie mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Nacken- steifigkeit und Schtafsucht einherging. Eine Lumbalpunktion linderte die Kopfschmerzen, im Liquor land sich eine Lympho- cy%ose. Sonstige Nervensymptome wurden vermiBt, es wurde an eine Meningitis gedacht. Der Kranke war naeh Aufh6ren des Fiebers noch Wochen hindurch leicht ermfidbar, spftter erholte er sich vollkommen. Die Beschwerden, welche die Aufnahme in die Klinik veranlaBten (11. III. I935), setzten vor 3 Jahren ein. Das rechte Bein wurde nach Zurticklegung einer Strecke yon I--lX]zkm, sparer bereits yon einigen ioom leistungsunfAhig: Die Bewegl[chkeit in der Hflfte und im Kniegelenk bleibt un- gest6rt, hingegen, berfihrt der ~ul3ere FuBrand beim Vorw~rts- schwingen den Boden, weiterhin wird das Heben der FuBspitze unm6gtich, der PuB h~ngt beim Erheben sehlaff und kippt ein- w~xts urn, so daB der Kranke zum Stehenbleiben gezwungen wird. Nach kurzem Ausruhen vermag er weiterzuschreiten. Seit der gleichen Zeit ist auch der rechte Arm etwas schw~tcher, die Hand ungeschiekt und beim Schreiben zittert sie bald. Die rechts- seitigen GliedmaBen schwitzen leicht and ausgiebig, das Schwitzen ist aber aueh links gesteigert. -- Der Kranke ist fieberfrei, der Befund an Brust- und Bauchorganen normal. Wassermann- and Kahn-Reaktion im Serum negativ. Keine pathologischen Harn- bestandteile. Nervensystem: Rechte Pupille etwas welter, Ver- engerung auf Belichtung and beim Naheeinstellen beiderseits gleich lebhaft. Beiderseits normaler Augenhintergrund, volle SehschArfe und freie Gesichtsfelder. Auf dem Gebiete der Gehirn- nerven nichts Pathologisches. Der Tonus der Gliedmat~en beider- seits gleich, normal. Die Muskelkraft der rechtsseitigen Glied- maBen ist etwas vermindert. Der rechte Arm schwingt beim Leben nicht mit. Beim Schreiben, manchmal bei anderen Be- wegungen oder in der Ruhe, gerAt die rechte Hand in ein Zittern. Im Liegen ist auch am rechten Ful3 ein mittelschl~giges Zittern bemerkbar. Keine SensibilitA• Die tiefen Reflexe der oberen Gliedmal3en sind gleich, lebhaft. Patellar- und Achilles- sehnenreflex reehts gesteigert. Bauchdeckenreflexe gleich, Sohlen- reflex beiderseits nornlal. Keine pathologischen Reflexe. -- Die bereits erw~hnte Gangst6rung bedarf noch einer eingehenderen Schilderung: Der Selbstbeobachtung des Kranken gem~il3 ist die StSrung yon der Richtung der Aufmerksamkeit abh~tngig. Wenn er auf unsere Veranlassung herumgeht und die Ermfidung des Beines gewissermal3en erwartet, so tritt diese in 5~-7 Minuten ein, wahrend sie ohne eine solche seelische Einstellung frfiher erfolgt, trotz eines vielleicht langsameren Ganges. Bei der Entkr~iftigung des Beines spl~rt er darin keinen Schmerz, keine Miidigkeit, keine Par~sthesien, sondern bemerkt nur, dal3 sich der Ful3 beim Vor- wi~rtsschwingen framer schwerer in Dorsalflexion bringen IAl3t. Dabei geraten anfangs die Zehen in eine hochgradige Dorsalflexion, offenbar well dadurch eine Kompensation der Schw~che der fibrigen Muskeln versucht wird. Endlich h~ingt der Ful3 beim Erheben dermal3en erschlafft herab, dal3 der Kranke nicht mehr darauf zu treten vermag und zum Stehenbteiben gezwungen wird. Nun ist der FuB ffir einige Sekunden v01tst~ndig gelAhmt, danach ~drd innerhalb einer Zeitspanne yon h6chstens I Minute die aktive Beweglichkei t der l~eihe nach in den ~,Vadenmuskeln, in den Zehen- beugern und -streckern, im M. tibialis ant. und schtiel3Iich in den Mnl. peronaei wiederhergestellt. Bis all dies erfolgt, ist jede Muskel- gruppe des Unterschenkels vollkommen erschlafft, der sonst ge- steigerte Achillessehnenreflex fehlt, der Sohlenreflex verhiilt sich normal, die elektrische Erregbarkeit der Unterschenkelmuskeln ist nicht merklich ver~indert, und diese weisen keine myasthenische Reaktion auf. Durch die Methode der Chronaximetrie liel3 sich allerdings eine rasch vortibergehende m'al3ige Erh6hung des Reiz- zeitbedarfs nachweisen. Von besonderer Tragweite erwies sich die Beobachtung, dab rechts die Pulsation der Art. dorsalis pedis und tibialis post. best~ndig schw~cher war als links. Daher wurden in bezug auf die Blutstr6mung und auf die vegetativen Funktionen der Haut noch die folgenden Untersuchungen ausgeiiihrt: Der oszillometrische Index war oberhalb des Sprunggelenks rechts 1,3, links 1,4; nach einem 5 Minnten langen raschen Herumgehen rechts 1,3, links 2,o, nach. einem Fu/3bad yon 40 ~ rechts 1,6, links 2,o (MESZAROS). Wurde der Oberschenkel mitte]s einer Reckling- hausenschen Manschette komprimiert und fiber der Art. poplitea auskultiert, so fand sich rechts der systolische Druck um 25, der diastolische um io mm niedriger, das Klopfen der Gefiil3wand auch leiser als links. Nach l~ngerem Herabh~ingen ist die Farbe der Ffil3e die gleiche, die Hyper~mie nach W~irmeeinwirkung eben- falls. Im Versuch yon MoszKov~cz erfolgt die reaktive Hyper~mie rechts'um etwa 5 Sekunden sparer. Die Hyper~mie auf nlechanischen !Reiz ist an beiden K6rperh~ilften die gleiche. Der Pals der Ful3- arterien rechts bleibt im Verlauf der GangstSrung unver~indert. ]Die Hauttemperatur beider FftBe wies keinen Unterschied auf. Die SchweiBabsonderung ist an der rechten Hand, noch mehr am rechten Ful3 gesteigert, besonders im Moszkoviczschen Versuch gleichzeitig mit der reaktiven Hypergmie. Das Kneten des M. tra- pezius ruft eine lebhafte Piloreaktion hervor, welche beiderseits gleichmli/3ig ist und bis auf die Schenkel fortschreitet, yore Kranken aber rechts schi%rfer geffihlt wird. Das Fehlen des Mitschwingens des rechten Armes sowie das Wackeln und Zittern der rechten GtiedmaBen Iassen das gesamte Krankheitsbild als die Folge einer epidemischen Encephalitis erscheinen. Das mag die in der Anamnese erw~hnte, vor 16 Jahren itberstandene K~-ankheit gewesen sein. Uber vasomotorische St6rungen im Gefolge der epidemischen Encephalitis finden sich besonders in der franzSsischen Literatur Angaben. ANDRE THOMAS 1 beschrieb bereits im Jahre I922 eine St6rung der Hautgef~Binner- ration. Jfingstens beriehteten TI~IEL, ECK und SCHIFF 2 fiber einen Pall yon postencephalitischem Hemiparkinsonismus mit gleich- seitigcn vasomotorischen St6rungen, welche in einer Atonie der Capillaren und in einem Spasmus der kleineren Arterien bestanden (an der Hand war kein Puls zu ftihlen). Ein Thalamussyndrom mit vasomotorischen St6rungen beschrieben CORNIL und MOSINGERS; dieser Fall ist in bezug auf unseren Kranken deshalb yon Bedeutung, weiI die Autoren nach der Lericheschen Operation keine Besserung der vasomotorischen StSrungen, im Oegenteil eine Steigerung der Sehmerzen infolge der GefaHspasmen be0bachten konnten. Bei der capsul~ren Hemiplegie sind Ver~nderungen der Gef~13inner-

Vasomotorische Störungen mit Intermittierendem Hinken nach Epidemischer Encephalitis

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Page 1: Vasomotorische Störungen mit Intermittierendem Hinken nach Epidemischer Encephalitis

24. AUGUST x935 KLINISCHE WOCHENSCHRiF-T. 14. JAHRGANG. Nr. 34 1223

met r i s che Messungen keilie f l -St rahlung nachweisen. Auch der Einflut3 von sekulld~irer d -S t rah lung scheil i t wegen der kle inen Reichwei te tier ~-Strahlen ausgeschlossen zu sein. W a s die schwache RSntgens t rah lu l ig , die yon CHADWICK und R U S S E L l , R U T H E R F O R D u n d R I C H A R D S O N ~ sowie y o n S L A T E R s

be im A u f t r e t e n yon a -S t r ah l en auf Mater ie b e o b a c h t e t wurde, betr i f f t , k o m m t auch diese S t r ah lung in unserer Ver- s u c h s a n o r d n u n g n i ch t in Be t rach t , was d u r c h Absch i rmungs - versuche fes tges te l l t wurde . Es b le ib t also nur eine einzige Erkl~LrungsmSglichkeit iibrig, und zwar dab es sich u m H - S t r a h l e n hande l t , Da wir n u n in L u f t be s t r ah l t haben , wo die Gelegenhei t z u m d i r ek t en Zusarnmenstoi3 der c~-Teil- chen mi t H - K e r n e n sehr ger ing ist, scheil i t es ulis wahrsche in -

lich, dab die H-S t rah len , ~ihnlieh wie dies auch I. CtmlE und F. JOLIOT* b e o b a c h t e t haben , aus ze r t r i immer t en St ickstoff - rnolektilen s t a m m e n . Wei te re Versuche, die diese A n n a h m e bes t~ t igen sollen, s ind im Gange. W i r d d a d u r c h e inwandfre i bewieseli, dab es sich wirkl ich urn H - S t r a h l e n handel t , die d u t c h Zertrf imli lerul ig yon St ickstoffmolekf i len entstehen,w~ire dami t , sowei t uns bekan l i t ist, zum e r s t enma l die durch Zer t r f imme- rung der Mater ie freigewordel ie Energ ie biologisch nachge- wiesen und gemessen. (Aus dem Radiologischen Institut de~ Masaz'yk-Universit~t in Bri2nn [Direktor: Pro]. Dr. B. Bou ~ek].)

L i t e r a t u r : 1 Proc. roy. Soc. A. 88, 217 (I913). -- ~ Philosophic. Mag. 25, 73I (1913). - - z Philosoptfic. Mag. 42, 904 (1921).

C. r. Acad. sci. Paris I89, 127o (1929).

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G E N .

VASOMOTORISCHE STORUNGEN MIT INTERMITTIEREN- DEM HINKEN NACH EPIDEMISCHER ENCEPHALITIS.

V o n

G. PErt~.~Y, Assistent der t Mediziuischen Klinik der kgl, ungar, P~ter Phzm~ny-Universlt~it in

Budapest (Direktor: Prof. F. HERZOG),

An einem Kranken beobachteten wir eine dem intermittierenden Hinken sehr ~hnliche Gangst6rung, welche auf einer gleichseitigen St6rung der Gef~13innervation beruhte. Auf Grund der Anamnese und des Untersuchungsbefundes sind wit zur Annahme berechtigt, dal3 dieser Zustand eine bisher wenig bekann%e, serene Spiitfolge einer epidemischen Encephalitis darstellt.

Der 36j~hr. Kranke 2. W. hatte mit 20 Jahren nach katar- rhalischen Erscheinungen eine 3 ,Wochen tange fieberhMte Krank- heir durchgemacht, worliber uns yore behandelnden Arzt mit- geteilt wurde, dab sie mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Nacken- steifigkeit und Schtafsucht einherging. Eine Lumbalpunktion linderte die Kopfschmerzen, im Liquor land sich eine Lympho- cy%ose. Sonstige Nervensymptome wurden vermiBt, es wurde an eine Meningitis gedacht. Der Kranke war naeh Aufh6ren des Fiebers noch Wochen hindurch leicht ermfidbar, spftter erholte er sich vollkommen. Die Beschwerden, welche die Aufnahme in die Klinik veranlaBten (11. III . I935), setzten vor 3 Jahren ein. Das rechte Bein wurde nach Zurticklegung einer Strecke yon I-- lX]zkm, sparer bereits yon einigen i o o m leistungsunfAhig: Die Bewegl[chkeit in der Hflfte und im Kniegelenk bleibt un- gest6rt, hingegen, berfihrt der ~ul3ere FuBrand beim Vorw~rts- schwingen den Boden, weiterhin wird das Heben der FuBspitze unm6gtich, de r PuB h~ngt beim Erheben sehlaff und kippt ein- w~xts urn, so daB der Kranke zum Stehenbleiben gezwungen wird. Nach kurzem Ausruhen vermag er weiterzuschreiten. Seit der gleichen Zeit i s t auch der rechte Arm etwas schw~tcher, die Hand ungeschiekt und beim Schreiben zi t ter t sie bald. Die rechts- seitigen GliedmaBen schwitzen leicht and ausgiebig, das Schwitzen ist aber aueh links gesteigert. - - Der Kranke is t fieberfrei, der Befund an Brust- und Bauchorganen normal. Wassermann- and Kahn-Reaktion im Serum negativ. Keine pathologischen Harn- bestandteile. Nervensystem: Rechte Pupille etwas welter, Ver- engerung auf Belichtung and beim Naheeinstellen beiderseits gleich lebhaft. Beiderseits normaler Augenhintergrund, volle SehschArfe und freie Gesichtsfelder. Auf dem Gebiete der Gehirn- nerven nichts Pathologisches. Der Tonus der Gliedmat~en beider- seits gleich, normal. Die Muskelkraft der rechtsseitigen Glied- maBen ist etwas vermindert. Der rechte Arm schwingt beim Leben nicht mit. Beim Schreiben, manchmal bei anderen Be- wegungen oder in der Ruhe, gerAt die rechte Hand in ein Zittern. Im Liegen ist auch am rechten Ful3 ein mittelschl~giges Zittern bemerkbar. Keine SensibilitA• Die tiefen Reflexe der oberen Gliedmal3en sind gleich, lebhaft. Patellar- und Achilles- sehnenreflex reehts gesteigert. Bauchdeckenreflexe gleich, Sohlen- reflex beiderseits nornlal. Keine pathologischen Reflexe. - - Die bereits erw~hnte Gangst6rung bedarf noch einer eingehenderen Schilderung: Der Selbstbeobachtung des Kranken gem~il3 ist die StSrung yon der Richtung der Aufmerksamkeit abh~tngig. W e n n er auf unsere Veranlassung herumgeht und die Ermfidung des Beines gewissermal3en erwartet, so t r i t t diese in 5~-7 Minuten ein, wahrend sie ohne eine solche seelische Einstellung frfiher erfolgt, trotz eines vielleicht langsameren Ganges. Bei der Entkr~iftigung des Beines spl~rt er darin keinen Schmerz, keine Miidigkeit, keine Par~sthesien, sondern bemerkt nur, dal3 sich der Ful3 beim Vor-

wi~rtsschwingen framer schwerer in Dorsalflexion bringen IAl3t. Dabei geraten anfangs die Zehen in eine hochgradige Dorsalflexion, offenbar well dadurch eine Kompensation der Schw~che der fibrigen Muskeln versucht wird. Endlich h~ingt der Ful3 beim Erheben dermal3en erschlafft herab, dal3 der Kranke nicht mehr darauf zu treten vermag und zum Stehenbteiben gezwungen w ird. Nun ist der FuB ffir einige Sekunden v01tst~ndig gelAhmt, danach ~drd innerhalb einer Zeitspanne yon h6chstens I Minute die aktive Beweglichkei t der l~eihe nach in den ~,Vadenmuskeln, in den Zehen- beugern und -streckern, im M. tibialis ant. und schtiel3Iich in den Mnl. peronaei wiederhergestellt. Bis all dies erfolgt, ist jede Muskel- gruppe des Unterschenkels vollkommen erschlafft, der sonst ge- steigerte Achillessehnenreflex fehlt, der Sohlenreflex verhiilt sich normal, die elektrische Erregbarkeit der Unterschenkelmuskeln ist nicht merklich ver~indert, und diese weisen keine myasthenische Reaktion auf. Durch die Methode der Chronaximetrie liel3 sich allerdings eine rasch vortibergehende m'al3ige Erh6hung des Reiz- zeitbedarfs nachweisen. Von besonderer Tragweite erwies sich die Beobachtung, dab rechts die Pulsation der Art. dorsalis pedis und tibialis post. best~ndig schw~cher war als links. Daher wurden in bezug auf die Blutstr6mung und auf die vegetativen Funktionen der Haut noch die folgenden Untersuchungen ausgeiiihrt: Der oszillometrische Index war oberhalb des Sprunggelenks rechts 1,3, links 1,4; nach einem 5 Minnten langen raschen Herumgehen rechts 1,3, links 2,o, nach. einem Fu/3bad yon 40 ~ rechts 1,6, links 2,o (MESZAROS). Wurde der Oberschenkel mitte]s einer Reckling- hausenschen Manschette komprimiert und fiber der Art. poplitea auskultiert, so fand sich rechts der systolische Druck um 25, der diastolische um io mm niedriger, das Klopfen der Gefiil3wand auch leiser als links. Nach l~ngerem Herabh~ingen ist die Farbe der Ffil3e die gleiche, die Hyper~mie nach W~irmeeinwirkung eben- falls. Im Versuch yon MoszKov~cz erfolgt die reakt ive Hyper~mie rechts 'um etwa 5 Sekunden sparer. Die Hyper~mie auf nlechanischen !Reiz ist an beiden K6rperh~ilften die gleiche. Der Pals der Ful3- arterien rechts bleibt im Verlauf der GangstSrung unver~indert. ]Die Haut temperatur beider FftBe wies keinen Unterschied auf. Die SchweiBabsonderung ist an der rechten Hand, noch mehr am rechten Ful3 gesteigert, besonders im Moszkoviczschen Versuch gleichzeitig mit der reaktiven Hypergmie. Das Kneten des M. tra- pezius ruft eine lebhafte Piloreaktion hervor, welche beiderseits gleichmli/3ig ist und bis auf die Schenkel fortschreitet, yore Kranken aber rechts schi%rfer geffihlt wird.

Das Fehlen des Mitschwingens des rechten Armes sowie das Wackeln und Zittern der rechten GtiedmaBen Iassen das gesamte Krankheitsbild als die Folge einer epidemischen Encephalitis erscheinen. Das mag die in der Anamnese erw~hnte, vor 16 Jahren itberstandene K~-ankheit gewesen sein. Uber vasomotorische St6rungen im Gefolge der epidemischen Encephalitis finden sich besonders in der franzSsischen Literatur Angaben. ANDRE THOMAS 1 beschrieb bereits im Jahre I922 eine St6rung der Hautgef~Binner- ration. Jfingstens beriehteten TI~IEL, ECK und SCHIFF 2 fiber einen Pall yon postencephalitischem Hemiparkinsonismus mit gleich- sei t igcn vasomotorischen St6rungen, welche in einer Atonie der Capillaren und in einem Spasmus der kleineren Arter ien bestanden (an der Hand war kein Puls zu ftihlen). Ein Thalamussyndrom m i t vasomotorischen St6rungen beschrieben CORNIL und MOSINGERS; dieser Fall ist in bezug auf unseren Kranken deshalb yon Bedeutung, weiI die Autoren nach der Lericheschen Operation keine Besserung der vasomotorischen StSrungen, im Oegenteil eine Steigerung der Sehmerzen infolge der GefaHspasmen be0bachten konnten. Bei der capsul~ren Hemiplegie sind Ver~nderungen der Gef~13inner-

Page 2: Vasomotorische Störungen mit Intermittierendem Hinken nach Epidemischer Encephalitis

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ra t ion ebenfatts bekann t (UTTL~). Bei unserem Kranken beweisen die mitgeteil ten Untersuchungen eine Tonussteigerung an d~el! gr6t3eren Arterien, welehe wohl mi t Recht gleichfalls auf die eigen- a t t i re Lokalisation der Encephalit is zurfickzufi~hren ist: h6chst- wahrscheinlich auf eine SchAdigung des Str iatum, wie auch ex- perimentelle Untersuchungert auf die Rolle der Stammganglien bei der GefABinnervation hinweisen~. Auf Grund des beschriebenen Verha l tens des oszillometrischen Indexes an beiden Seiten bei unserem Kranken darf vermute t werden, dab unter normalen Verh/~ltnissen yon diesem Gebiet der gef~Berweiternde Impuls ausgeht, welcher gteichzeitig mi t dem Bewegungsimpuls d ie ge- steigerte Durchblu tung der arbeitenden Muskula tur gewAhrleistet; Auf dieser Sch~digung seines Nervensys tems beruht offenbar auch das intermit t ierende Hinken bei nnserem Kranken. Die Bedin- gungen zu letzterem k6nnen nebst lokalen vasomotorischen St6run~ gen oder Gef~Bkrankheiten auch im Nervensys tem gegeben sein. Sein Yorkommen bei Polyneurit is wird yon FREJDOVlC n erwlihnt. Sein Ursprung aus den vasomotorischen Rt~ckenmarkskernen ist bisher nicht bekannt; offenbar auch deshalb nicht, weft bei Rficken- markskrankhei ten neben den motorischen LAhmungen solehe Fotgen einer eventuellen vasomotorischen St6rung sich gar nicht i~uBern k6nnten. DE3ERINE v beschrieb dagegen das intermit t ierende Hin- ken des Rfickeumarks, auf dessen zeitweise unzureichende Blut- versorgung er dieses Syndrom zuri~ckf~hrte, welches eigentlich in einer w~hrend der Bewegung wiederkehrenden Parese besteht. Eine seltene Form des intermit t ierenden Hinkens als eine Nach-. krankhei t der epidemischen Encephalit is wurde yon LE~os s be- schrieben. Sein Pa t ien t bekam Schreibkrampf, einen Spasmus in den Kaumuskeln , konjugierte SeitwArtsdrehung der Augen mad des Kopfes, auBerdem ents tand nach Zurficklegen einer ge- wissen Wegstrecke eine Muskelkontraktur in einer unteren Extremi- ta t , welche ihn zum Stehenbleiben zwang und in der Ruhe sich bald 16ste. Diese extrapyramidale Kont rak tur wurde durch Scopolamin

K L I N I S C H E \ u 14 . J A H R G A N G . N r . 34 ~4. AUGUST 1935

gfinsfig beeinfluBt~ Bei u n s e r e m , K r a n k e n ist das Bild und die Pathogenese des intermit t ierenden Hinkens davon v611Jg ver- schieden, es h~ngt zweifetlos mit der vasomotorischen St6rung zusammen. Dafiir spricht das Ergebnis unserer Untersuchungen, wonach das OsZillieren der Schlagaderwand beim Gehen auf der rechten Seite nicht zunimmt, d. h. das Gef/iB kann sich nicht an den gesteigerten Blutbedarf der arbeitenden Muskeln anpassen. Es wird also das intermitt ierende Hinken unseres Kranken durch eine IschAmie der Unterschenkelmuskeln bedingt. Zwar fehlt hier der charakterist ische Schmerz~ dieser U ms ta nd widerlegt aber die hier gegebene Deutung nicht. Nach den Untersuchungen yon L~wls , PICKERING und ROTHSCHILD 9 wird der Muskelschmerz nicht unmit te lbar durch die An0xie ausget6st; in i1~ren Versuchen steltte sich der Schmerz nach derselben Arbeitsleistung ein, gleich- wohl ob der Btutzuflut~ beim Beginn derselben oder u m eine be- tr/~chtliche Zeitspanne fr~her abgesperrt wurde. Sic ftihren den Schmerz auf die Ens tehung eines Stoffes oder auf eine physikalisch- chemischeVerAnderung (,,P-Faktor") wikhrend der Ermfidung zurtick. Naeh MENDEL 10 kann der Schlnerz auch b e i m durch Gef~Bkrank- heir bedingten intermit t ierenden Hinken hier und da fehlen. In unserem Falle kann das Fehlen des Schmerzes auch dadurch be- dingt sein, dab die zentrale St6rung der GefABinnervation vielleicht nicht ganz yon der gteichen W i r k u n g ist, wie die dutch lokale Krankhei t hervorgerufene Kreislaufst6rung, es kann aber auch die vegetat ive Innervat ion des Muskels daran beteiligt sein, welche bei unserem Kranken ebenfalls gest6rt sein mag. Es kann jedenfalls mi t g u t e m Grunde behaupte t werden, dab der hier beschriebene Fall eine Form des intermittiereflden Hinkens darstellt, welche durch eine vasomotorische St6rung cerebralen Ursprungs bedingt wird.

Literatur : * Revue neur. 1~22 II, I479. -- a Revue neur. 1~]2 I, 4 7 7 . - - ~ Revue neut. 19~ I, ~9o. -- * Ref. Zbl. Neur. ~2, 786 (~93~). *- ~ L. R. MOLLER, Lebensnerven und Lebenstriebe. S. 179 Berlin: Julius Springer ~931.-- ~ Ref. Zbl. Neut. $9, 662 (193i). -- r Revue neur. 19@6, 34 I. -- s Revue neur. 1924 II, 425. -- ~ Ref. Zbl. Neur. 62, ~;22

(1932) ' ~ ~0 Zbl. Neur. ~7, 65 (1922).

REFERATENTEIL. BUCHBESPRECHUNGEN.

Gesundheit durch riehtige und einfache Ern~hrung. Yon M. H I N D H E D E . Gekfirzte deutsche Ausgabe v. L MEYER. 6 Text- abb. X, I96 S. Leipzig: J o h a n n Ambrosius Ba r th 1935. RM. 5.4 o.

In diesem Buche bringt M. HINI~HB~E eine Darstel lung seiner Laborator iumsversuche fiber Minimum des EiweiBbedarfs, iiber Ausnti tzungswerte bei ~Tberwiegerr der Brot- und Kartoffelkost, fiber votkswirtschaftliche Bedeutung solcher' Kost, iiber seine SchluBfolgerungen und Theorien in bezug auf Volksern~hrung. Die Empfehlung niedriger EiweiBzufuhr wird erneuert. Alle son- sfigen Bet rachtungen und RatschI~ge sind nicht der Eigenart H. entsprungen, sondern sind seit langem a11gemein bekannte Regeln. Nicht nur die Lehren H.s, sondern auch seine experimentellen und stat is t ischen Unter lagen sind im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte bis in die neueste Zeit s tarker Kri t ik ausgesetzt gewesen, darunter vor allem auch seine EiweiBfurcht. Daran sind mehrere deutsche Gelehrte und auch Dozent Dr. Jo~A~NA CHRISTIANS~N aus Kopenhagen im Laufe der letzten beiden Jahre beteiligt ge- wesen. DaB H. in seinen Folgerungen sich zu welt vorgewagt hat , d~rfte wohl feststehen. Es handel t sich durchweg urn recht wich- tige Fragen der Ern~hrungslehre, deren endgfiltige Entscheidung nicht mehr lange wird auf sich warren lassen. In einem Referate darauf einzugehen, wfirde zu welt ifihren. Unzweifelhaft is t das Verdienst M. H.s, den Beweis fi~r bessere Ausnfitzbarkeit kleien- halt igen Brotes, als man nach M. RUBBER annahm, erbracht zu haben und sehr nachdrficklich ffir dessert Gebrauch eingetreten zu sein, freilich nicht als erster. Aus dem Jahre 19o2 bereits s t a m m t eine diesbezfigliche Arbeit yon R. BARANY (jetzt in Upsala) aus meiner Frankfur ter Klinik, worin auf die gesundheitl iche Bedeu- tung dieses Brotes hingewiesen wurde (Wien. reed. Wschr. 19o2, Nr 9; Resul ta te der Ausnfl tzung freilich erst mitgetei l t 192o im Han d b u ch der Erni~hrungslehre, S. 416). Obwohl ich selbst immer sehr s tark fflr kleienreiches Brot eingetreten bin (seit I896), muB ich doch bemerken, dab die gute Ausnfitzung~desselben keineswegs durchgAngig ist. Sie ist auch bei vol lkommen guten Magen-Darm- VerhAltnissen s tark an die Eigenart der Pers6nlichkeit und auch s tark an die Methode der Zermahlung des Getreides gebunden. Die Ausniltzungscrage ist in bezug auf ihre volkswirtschaftliche Trag- weite i~bertrieben worden. Die Bek6mmlichkeitsfrage ist viet wichtiger. CARL V. NOORDE~, Wien.

Salzlose Di~t und doch schmackhaftl Das Kochbuch bei Herz- und Nierenleiden, Blutdrucksteigerung, Arterienverkalkung mit 324 erprobten und~rzt l ich geprfiften Rezepten, Speisenfolgen ffir alle Jahreszeiten und ausfi~hrlicher Anleitung zum salzlosen Wfirzen. v o n B. MICKLINGHOFF-MALTEN. io8 S. S tu t tgar t : Si~ddtsch. Verlagshaus G: m. b, H. 1935. Geh, RM. 2.50, geb. RM. 3.80.

Die kochsalzfreie bzw, kochsalzarme Kost hat sich eine zu- nehmend starke Anwendungsbrei te errungen. Es sind zwar schon manche Bfiehlein iXber deren Aufbau erschienen. Aber es sind bei weitem noch nicht alIe Schwierigkeiten fiberwunden, die sich l~ngerer oder gar dauernder Durchfflhrung solcher Kost in den Weg stellen. Die theoretischen AnforderUngen sind den praktisch durct~filhrbaren M6glichkeiten vorausgeeilt. Jegliches Bt~chlein bringt, der Eigenart des Verf. entsprechend, manches, teilweise sogar viel Neues und Brauchbares in bezug auf K~ichentechnik und Gcsamtaufbau der genannten Kost. Von diesem S t a n d p u n k t aus betrachtet , ist wegen der groBen Zahl der Rezepte und darunter mancher ganz neuer auch das vorliegende Bflchlein willkommen. Weniger befriedigend scheint mir trotz anscheinender Vielseitigkeit der Aufbau der Speisenfolgen zu sein. In Wirklichkeit wirken sic sich gesehmacklich und in bezug auf natfirliches und berechtigtes Begehren nach Abwechslung doch ziemlich einseitig aus. Beachtens- wert ist, daB, im Gegensatz zu vielen vorausgegangenen Vor- schrfften f iber kochsalzfreie Kost, dem N a t r i um des Kochsalzes gegenfiber Bedenken erhoben werden. DaB dies bei manchen krankhaf ten Zust~nden (entzfindliche Krankhei ten ira allgemeinen, Nierenleiden und einige andere Zusti~nde) bereehtigt ist und d a b dies manchen, die seit langem mit kochsalzarmer Kost arbeiteten, entgangen ist, hob ieh sehon vor l~ngerer Zeit mehrfach hervor. Im allgemeinen aber ist die Natronirage noeh nicht so schlfissig, wie der V e r f . des Bfichleins darstellt. Die ganze Kos to rdnung strebt a.uf rein vegetabile Ern~hrung bin, ebenso auf EiweiB- a r m u t der Kost, vor allem auch auf basisch gerichtete Kost. Daher auch die L0sung: vcenig Brot. Ich bin sicher, dab die ]3eft~rworter der basisch geriehteten Kost (keineswegs tXbereinstimmend mi t vegetabitischer Kost, wenn auch durch diese begfinstigt) noch manche En t t~uschung erteben werden.

CARL V. N00RDEN, ~u