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Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung in der Kapitalanlageberatung von Markus Zuber und Markus Guthier - Abstract Als Leitlinie für eine strukturierte sowie individuelle und damit qualitativ gute Kapitalanlageberatung kann die Portfolio-Theorie herangezogen werden. Ihr zufolge stellt die Ermittlung der individuellen Risikoeinstellung des Anlegers einen wichtigen Punkt für die Qualität einer Anlageberatung dar. Ohne Kenntnisse und Informationen über die persönliche Risikoeinstellung eines Kapitalanlegers ist keine adäquate Anlageberatung im Sinne der Portfolio-Theorie möglich. Aus diesem Grund werden nachfolgend verschiedene Verfahren zur Erhebung der individuellen Risikoeinstellung vorgestellt. Die Verfahren werden dabei in psychologische und ökonomische Verfahren eingeteilt. Darüber hinaus werden sie hinsichtlich verschiedener Kriterien auf ihre Eignung und Umsetzbarkeit in einem persönlichen Beratungsgespräch oder einer Online-Beratung überprüft. - Dipl.-Kfm. Markus Zuber ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing I an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, Tel. 069/798-28504, Fax: 069/798-23402, E-Mail: [email protected] frankfurt.de. Markus Guthier ist Student am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing I an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] frankfurt.de. Unser Dank gilt Herrn Prof. Dr. Frank Wimmer für zahlreiche konstruktive Hinweise.

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Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung in der Kapitalanlageberatung

von Markus Zuber und Markus Guthier-

Abstract

Als Leitlinie für eine strukturierte sowie individuelle und damit qualitativ gute

Kapitalanlageberatung kann die Portfolio-Theorie herangezogen werden. Ihr zufolge stellt die

Ermittlung der individuellen Risikoeinstellung des Anlegers einen wichtigen Punkt für die

Qualität einer Anlageberatung dar. Ohne Kenntnisse und Informationen über die persönliche

Risikoeinstellung eines Kapitalanlegers ist keine adäquate Anlageberatung im Sinne der

Portfolio-Theorie möglich.

Aus diesem Grund werden nachfolgend verschiedene Verfahren zur Erhebung der

individuellen Risikoeinstellung vorgestellt. Die Verfahren werden dabei in psychologische

und ökonomische Verfahren eingeteilt. Darüber hinaus werden sie hinsichtlich verschiedener

Kriterien auf ihre Eignung und Umsetzbarkeit in einem persönlichen Beratungsgespräch oder

einer Online-Beratung überprüft.

- Dipl.-Kfm. Markus Zuber ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing I an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, Tel. 069/798-28504, Fax: 069/798-23402, E-Mail: [email protected] frankfurt.de.

Markus Guthier ist Student am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing I an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] frankfurt.de.

Unser Dank gilt Herrn Prof. Dr. Frank Wimmer für zahlreiche konstruktive Hinweise.

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1 Notwendigkeit der Ermittlung der Risikoeinstellung von Kapitalanlegern

Untersuchungen der Qualität von Kapitalanlageberatungen weisen seit Jahren auf eine

mangelhafte Beratungsqualität hin. Die Stiftung Warentest kommt beispielsweise in ihren

Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass sich viele Berater vor der Empfehlung kein

umfassendes Bild von ihren Kunden machen (vgl. Stiftung Warentest 2000; 1997 und 1995).

Vielfach wird versäumt, Informationen über den Kunden einzuholen, ohne die eine

qualitätsvolle Kapitalanlageberatung nicht möglich ist. In den Beratungen mangelt es häufig

an strukturiertem Vorgehen und an der Individualität der Empfehlung. Gerade dieser Mangel

verwundert allerdings, da es mit der Portfolio-Theorie (1) eine normative Theorie gibt, die

eine Leitlinie für strukturiertes und individuelles Vorgehen bei Kapitalanlageentscheidungen

darstellt (vgl. Rudolph 1995; Kern 1993; Kaas/Schneider/Zuber 2002 und Zuber 2002). Die

Portfolio-Theorie besteht aus drei Elementen:

Abbildung 1: Konstituierende Elemente der Portfolio-Theorie

E

In Anlehnung an Schmidt/Terberger 1997, S. 336.

§ Das erste Element des Modells der Portfolio-Theorie (vgl. Abbildung 1) ist die

Effizienzlinie PME, auf der alle effizienten Portefeuilles liegen. Ein Portefeuille ist dann

effizient, wenn es kein anderes gibt, welches bei gleicher erwarteter Rendite (µ) ein

geringeres Risiko (s) und bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite besitzt.

§ Das zweite Element des Modells der Portfolio-Theorie ist die Risikoeinstellung der

Anleger, die in Abbildung 1 durch Indifferenzkurven (U1 – U4) dargestellt wird. Abbildung 1

zeigt je eine Indifferenzkurve von vier Anlegern mit unterschiedlicher Risikoscheu (zur

Erläuterung siehe weiter unten).

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§ Das dritte Element des Modells der Portfolio-Theorie ist die Ermittlung des optimalen

Portefeuilles eines Anlegers , das sich dort befindet, wo eine seiner Indifferenzkurven die

Effizienzlinie tangiert. Anleger können sich dabei auf zwei Anlageoptionen beschränken: auf

das Marktportefeuille M, das wie eine Art großer Investmentfonds alle auf dem Kapitalmarkt

handelbaren Aktien enthält und eine festverzinsliche Anlage mit dem sicheren Zinssatz i. Ihre

unterschiedliche Risikoaversion (2) wirkt sich dabei so aus, dass sie einen unterschiedlich

hohen Anteil ihres Kapitals in das riskante Marktportefeuille investieren. Extrem risikoscheue

Anleger (wie Typ U1) investieren alles in die sichere Anlage, weniger risikoscheue Anleger

(Typ U2) entscheiden sich für eine Aufteilung ihres Kapitals auf die beiden

Anlagemöglichkeiten oder investieren ihr gesamtes Kapital in das Marktportefeuille (Typ

U3). Anleger können aber auch ein höheres Risiko als das Marktrisiko wählen, indem sie

zusätzlich zum Zinssatz i Kapital aufnehmen und in das Marktportefeuille investieren (Typ

U4).

Der mangelnde Einbezug dieser drei Elemente in die Beratung deutet darauf hin, dass die

Erkenntnisse der Portfolio-Theorie in der Praxis der Beratung nicht ausreichend bekannt sind.

Ein weiteres Problem könnte die Ermittlung der Risikoeinstellung sein, die in der Portfolio-

Theorie eine Austauschregel zwischen Ertrag (Rendite) und Risiko darstellt (vgl.

Schmidt/Terberger 1997, S. 295). Diese Austauschregel in Form der Risikoeinstellung gibt

an, um wie viel höher der erwartete Ertrag (Rendite) einer Anlagealternative ax in Relation zur

Alternative ay sein muss, damit das höhere Risiko von ax im Vergleich zu ay aus Sicht des

Anlegers kompensiert wird. Es handelt sich demnach um die subjektive Bewertung von

Ertrag und Risiko durch den Anleger. Diese subjektive Bewertung kann, wie gezeigt, mit

Hilfe von Indifferenzkurven in einem µ-s -Diagramm abgebildet werden. Solche

Indifferenzkurven enthalten die Gesamtheit aller von einem Anleger gleich bewerteten

Kombinationen von Ertrag und Risiko. Weiter links oben liegende Kurven bezeichnen dabei

bevorzugte Kombinationen von Ertrag und Risiko, da hier ein bestimmtes Ausmaß an Risiko

immer mit einem höheren Ertrag verbunden ist als auf den darunter liegenden Kurven. Der

Anleger, dessen Indifferenzkurven in Abbildung 2 dargestellt sind, bewertet beispielsweise

die Alternativen a1 und a3 identisch. Gleichzeitig würde er a2 allen anderen Alternativen

vorziehen.

Für die Mehrzahl der Anleger ist die Risikoeinstellung allerdings etwas Abstraktes. Sie sind

nicht in der Lage, ihre Risikoeinstellung in der Sprache der Portfolio-Theorie zu beschreiben

oder gar in ein µ-s -Diagramm einzuzeichnen. Somit spielt die Ermittlung der

Risikoeinstellung eines Anlegers eine elementare Rolle für die Individualität der Empfehlung

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und stellt das Kernproblem einer adäquaten Anlageberatung dar. Ohne Informationen über die

subjektive Risikoeinstellung eines Anlegers ist eine angemessene Anlageempfehlung im

Sinne der Portfolio-Theorie nicht möglich. Aus diesem Grund wird auch vom Gesetzgeber die

Erhebung der Risikoeinstellung in der Beratung gefordert (vgl. WpHG 2000, § 31; Frei-

Gebele 1996, S. 14 und Kienle 1997, S. 2902).

Abbildung 2: Bewertung von Anlagealternativen im µ-s -Diagramm

In Anlehnung an Schmidt/Terberger 1997, S. 295.

Ziel des Beitrags ist es, Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung aus der Literatur auf

ihre Eignung für den Einsatz in der Kapitalanlageberatung zu überprüfen. Zu unterscheiden

sind hierbei „psychologische Verfahren“ wie z.B. Befragungen und „ökonomische Verfahren“

wie z.B. Lotterievergleiche. Auf Grund der zunehmenden Verbreitung von

Beratungssystemen im Internet soll auch die Eignung dieser Verfahren für den Einsatz in

einer Online-Beratung überprüft werden (vgl. Institut für Bankinformatik (ibi) 1999). Da der

Einsatz von IT auch in der persönlichen Beratung (Offline-Beratung) immer mehr zunimmt,

unterscheiden sich zudem die Anforderungen an Verfahren zur Ermittlung der

Risikoeinstellung für eine On- bzw. Offline-Beratung kaum.

Im weiteren Verlauf werden zuerst die Kriterien dargestellt, anhand derer die Eignung der

verschiedenen Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung in einer On- oder Offline-

Beratung untersucht werden kann. Daran schließt sich die Darstellung und Überprüfung der

einzelnen Verfahren an.

2 Kriterien zur Beurteilung der Eignung verschiedener Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung

Für den Einsatz der einzelnen Verfahren in einer Off- oder Online-Beratung können

grundsätzlich die gleichen Bewertungskriterien zugrunde gelegt werden (siehe

zusammenfassend Tabelle 1).

σ „Risiko“

µ „Ertrag“

• a1

• a2 • a3

• a4

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Tabelle 1: Beurteilungskriterien

Kriterium Beschreibung Reliabilität Zuverlässigkeit der Messmethode Validität Übereinstimmung des Messergebnisses mit dem Sachverhalt Komplexität Verständlichkeit und Erklärungsbedarf Zeitaufwand Benötigte Zeit zur Erhebung der Risikoeinstellung Risikoklassen/RNF Erhebung von Risikoklassen oder einer Risiko-Nutzen-Funktion Eignung Gesamturteil

Zu diesen Kriterien gehören zunächst die generellen Gütekriterien der Reliabilität und

Validität (vgl. Homburg/Giering 1996). Bei der Reliabilität handelt es sich um ein Maß für

die Zuverlässigkeit einer Messmethode, bei wiederholten Messungen unter unveränderten

Bedingungen dieselben Ergebnisse zu liefern. Die Validität ist eine Maßgröße dafür, ob mit

einer Messmethode tatsächlich das beabsichtigte Merkmal gemessen wird. Die Reliabilität

stellt dabei eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für Validität dar (vgl. Peter

1979, S. 6 und Homburg/Giering 1996, S. 7).

Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung ist die Komplexität eines Verfahrens, welche die

Verständlichkeit und den Erklärungsbedarf umfasst. Die Komplexität spielt allerdings bei der

Online-Beratung eine wichtigere Rolle als bei der Offline-Beratung, da der Anleger in der

Online-Beratung bei Verständnisschwierigkeiten und Unsicherheiten keine unmittelbaren

Fragen stellen kann. Auch bei Online-Hilfen ist der Anleger mehr auf sich selbst gestellt als

bei einer unmittelbaren Interaktion mit einem menschlichen Berater. Allerdings darf das

Verfahren für den Anleger auch nicht zu abstrakt erscheinen, d.h. eine zu geringe Komplexität

aufweisen. Sie könnte dazu führen, dass der Anleger kein Vertrauen in die Beratung setzt.

Darüber hinaus spielt die Komplexität auch aus Sicht des Anbieters eine Rolle. Für ihn kann

eine hohe Komplexität zu höheren Kosten bei der Implementierung und Wartung der EDV

führen. Eng verknüpft mit der Komplexität ist auch der Zeitaufwand, der zur Durchführung

der Erhebung der Risiko-Nutzen-Funktion bzw. Risikoeinstellung anfällt.

Weiterhin kann unterschieden werden, ob mit dem jeweiligen Verfahren nur eine Einteilung

der Anleger in Risikoklassen möglich ist (z.B. konservativ, wachstumsorientiert etc.) oder ob

eine vollständige Risiko-Nutzen-Funktion (RNF) ermittelt werden kann. Letzteres

ermöglicht eine sehr viel individuellere Anlageberatung, da hier der Nutzen von bestehenden

Anlagealternativen direkt durch Einsetzen der jeweiligen realen Parameter (µ und s) in die

Risiko-Nutzen-Funktion für den Anleger ermittelt werden kann.

Zusammenfassend soll schließlich mit dem Kriterium der Eignung ein Gesamturteil für den

Einsatz in einer On- oder Offline-Kapitalanlageberatung ermittelt werden.

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3 Verfahren zur Erhebung der Risikoeinstellung

In der Literatur finden sich zahlreiche Ansätze zur Erhebung der Risikoeinstellung. Da die

Risikoeinstellung in der Portfolio-Theorie durch Indifferenzkurven abgebildet wird, die

wiederum Risiko-Nutzen-Funktionen mit konstantem Nutzenerwartungswert darstellen,

handelt es sich bei den Ansätzen in erster Linie um Verfahren zur Erhebung von Risiko-

Nutzen-Funktionen (vgl. zur Ableitung von Indifferenzkurven aus Risiko-Nutzen-Funktionen

Laux 1998, S. 203 ff.). Diese Verfahren können in ökonomische und psychologische

unterteilt werden (vgl. Krahnen/Rieck/Theissen 1997a und Schade/Steul 1998). Während die

psychologischen Verfahren in subjektive und objektive Verfahren untergliedert werden

können, lassen sich bei den ökonomischen Verfahren anreizkompatible und nicht-

anreizkompatible Verfahren unterscheiden (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Ansätze zur Ermittlung der Risikoeinstellung

3.1 Psychologische Verfahren

Als psychologische Verfahren werden Tests zur Messung der Merkmalsausprägung

„Risikoeinstellung“ bezeichnet. In der Psychologie wird unter einem Test ein

wissenschaftliches Verfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer Persönlichkeitsmerkmale

verstanden (vgl. Lienert/Raatz 1994, S. 1). Dabei wird das Ziel verfolgt, eine möglichst

quantitative Aussage über den relativen Grad der Merkmalsausprägung zu treffen. Handelt es

sich dabei um einen „subjektiven Test“, geben Probanden selbst Auskunft über ihre eigene

Merkmalsausprägung und sind sich bewusst, wie ihre Antworten ausgelegt werden. Bei einem

„objektiven Test“ wird dagegen unmittelbar das Verhalten einer Person erfasst, ohne dass

diese sich selbst beurteilen muss.

Ansätze zur Ermittlung der Risikoeinstellung

Psychologische Verfahren Ökonomische Verfahren

subjektiv objektiv anreizkompatibel nicht-anreizkompatibel

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3.1.1 Subjektive psychologische Verfahren

Zu den subjektiven psychologischen Verfahren (direkte Selbsteinschätzung) gehören die

Befragung (one shot) und Risk Ruler. Bei beiden Verfahren gibt der Anleger selbst Auskunft

über seine Risikoeinstellung.

§ Befragung (one-shot)

Es kann sich bei einer Befragung (one shot) um direkte Fragen wie z.B. „Wie groß ist Ihre

Risikobereitschaft in finanziellen Entscheidungssituationen?“ handeln, die mittels

Ratingskalen zu beurteilen sind. Ebenso denkbar ist die Auswahl eines konkreten Wertes für

Rendite oder Risiko (aus z.B. ≤ 5%, 10%, 15%, 20%, > 20%) auf Fragen wie: „Wie hoch sind

Ihre Renditeerwartungen?“ oder „Welche Kursschwankungen sind Sie bereit zu tragen?“.

Es gibt allerdings Hinweise, dass Probanden bei der Selbsteinschätzung einer systematischen

Fehleinschätzung dahingehend unterliegen, dass sie ihre Handlungen riskanter wahrnehmen,

als dies in der Realität zutrifft (vgl. Higbee 1971; Pennings/Smidts 2000 und

Krahnen/Rieck/Theissen 1997a). Auf Grund dieser systematischen Verzerrung der

Selbstwahrnehmung sind Reliabilität, aber vor allem die Validität des Verfahrens als gering

einzuschätzen. Allerdings ist auch die Komplexität gering, wodurch die Verständlichkeit für

die Anleger hoch und der Erklärungsbedarf niedrig ausfallen. Mittels einer Befragung (one

shot) können Anleger aber lediglich in Risikoklassen eingestuft werden, was wiederum

keinen hohen Zeitaufwand für die Beantwortung der Fragen erfordert. Zusammenfassend

stellt die Befragung (one shot) also ein einfaches Verfahren dar, das weder an den Anleger

noch an den Berater oder das Beratungstool hohe Ansprüche stellt. Allerdings ist die Validität

und Reliabilität dieses Verfahrens gering, wodurch die Eignung für die Kapitalanlageberatung

gering ist.

§ Risk Ruler

Risk Ruler dienen als standardisierte Verfahren (z.B. Befragungen) zur Ermittlung der

Risikoeinstellung bzw. Risikoaversion von Anlegern und der Empfehlung des Anteils des

Anlagebetrags, der in die risikoreiche Anlagealternative investiert werden sollte

(Risikoexposure). Die Risikoaversion wird durch Fragen oder Statements erhoben, so dass

der Anleger eine direkte Selbsteinschätzung abgibt (siehe Abbildung 4). Diese Verfahren

teilen die Anleger in unterschiedliche Klassen der Risikoaversion ein. Die Klassenanzahl

schwankt dabei in der Regel zwischen 3 – 5, wobei sich die Klassen hinsichtlich des

empfohlenen Risikoexposures unterscheiden (vgl. Spremann 1999, S. 321 f.). Treffen für den

Anleger mehr die Aussagen in Spalte A zu, so wird er dem konservativen Segment

zugeordnet und ein risikoreicher Anteil von 33% vorgeschlagen. Treffen dagegen häufiger die

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Aussagen aus Spalte B zu, so ist der Anleger dem wachstumsorientierten Segment

zuzuordnen, was zu einem risikoreichen Anteil von 66% führt. Stimmt ein Anleger je zur

Hälfte den Statements in Spalte A und in Spalte B zu, so gehört er zum ausgewogenen

Segment und bekommt einen risikoreichen Anteil von 50% vorgeschlagen.

Abbildung 4: Beispiel eines Risk Rulers mit kontrastierenden Statements

In Anlehnung an Spremann 1999, S. 324.

Zu beachten ist bei Risk Rulern die Wahl einer angemessenen Tiefendimension. Die

Tiefendimension bezeichnet den Abstand zwischen der Sprachebene der Faktoren (Fragen

oder Statements) und des zu erklärenden Konstrukts (Risikoaversion). Risk Ruler mit geringer

Tiefendimension, deren Fragen oder Statements auf Begriffen aus der Entscheidungstheorie

basieren und direkt auf finanzielle Risiken abzielen, sind möglicherweise für viele Anleger

unverständlich. Eine hohe Tiefendimension, also Fragen oder Statements, die keine Begriffe

aus dem Bereich der Entscheidungstheorie enthalten sowie auch nicht-finanzielle Risiken

berücksichtigen, tragen zwar zum Verständnis bei, sind aber nicht unbedingt dazu geeignet

die Risikoeinstellung im Hinblick auf finanzielle Risiken zu erheben.

Zu den Risk Rulern mit hoher Tiefendimension gehören beispielsweise die Fragenkataloge

nach Brengelmann (vgl. Brengelmann/von Quast 1987). In diesen Fragekatalogen wird

versucht, die Risikoeinstellung mit Hilfe von Statements zu operationalisieren, in denen

Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Risiken erfasst werden (siehe Abbildung 5).

Dabei wird keineswegs nur auf finanzielle Risiken abgestellt, sondern auch auf andere

Lebens- und Entscheidungssituationen, in denen Risiken zu bewältigen sind. Beispielsweise

verwendet die Direkt Anlage Bank (www.diraba.de) ein auf Brengelmann zurückgehendes

verhaltenswissenschaftliches Modell der Risikowahrnehmung und Risikoeinstellung, in das

A B Beachtliche Wertschwankungen meines Vermögens würden mich sehr beunruhigen.

Beachtliche Wertschwankungen meines Vermögens würden mich nur wenig beunruhigen.

Wenn der Wert meiner Anlage in einem Jahr um 5% fiele, würde mich das stark belasten.

Wenn der Wert meiner Anlage in einem Jahr um 5% fiele, würde mich das nur wenig belasten.

Ich habe bisher nur wenige Erfahrungen mit Geldanlagen gesammelt und mein Wissen in Finanzfragen ist nicht groß.

Ich habe einige Erfahrungen mit Geldanlagen gesammelt und mein Wissen in Finanzfragen ist umfangreich.

Ich denke man sollte für die Zukunft vorsorgen, weil viele Ereignisse im Leben nicht beeinflussbar sind.

Ich denke man kann die Ereignisse im Leben zu einem gewissen Maß steuern und sollte deshalb aktiv etwas unternehmen.

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auch das Bedürfnis bzw. die Bereitschaft zur Kontrolle der eingegangenen finanziellen

Risiken eingeht (vgl. Frei-Gebele 1996). Das Segment, dem der Anleger zugeordnet wird,

wird mit Hilfe von 19 Statements erhoben, welche auf die zwei Dimensionen „Risiko“

(Risikobereitschaft, Risikoaversion) und „Kontrolle“ (Steuerung, Ablenkung) verdichtet

werden.

Abbildung 5: Beispiel eines Risk Rulers mit Statements, zu denen der Anleger seine Zustimmung angeben soll A B C D Auch in finanziell schwierigen Situationen behalte ich den Überblick. Ich gehe Unbekanntem aus dem Weg. Ich betrachte riskante Situationen als eine Herausforderung. Gerade in riskanten Situationen passieren mir hin und wieder Fehler. Von der Qualität meiner finanziellen Entscheidungen bin ich überzeugt.

Wenn es um Geld geht, bedenke ich nicht immer alle Konsequenzen. Auch bei großen Risiken bleibe ich gelassen. A = trifft gar nicht zu, B = trifft eher nicht/ein wenig zu, C = trifft überwiegend/weitestgehend zu, D = trifft vollkommen zu tetralog 2003. Da Risk Ruler bei der Beantwortung des Fragenkataloges auf einer Selbsteinschätzung des

Anlegers beruhen, gelten die bei der Befragung (one-shot) bereits erwähnten

Einschränkungen seitens der Güte des Verfahrens zum Teil auch hier. Die Reliabilität und die

Validität sind hier allerdings höher einzuschätzen, da bei einer adäquaten Tiefendimension

mögliche Verzerrungen durch die größere Zahl an Fragen reduziert werden können (vgl.

Schade/Steul 1998). Die Verständlichkeit des Verfahrens ist als hoch anzusehen (zumindest

bei einer nicht allzu geringen Tiefendimension), der Erklärungsbedarf ist somit niedrig,

woraus sich eine geringe Komplexität ergibt. Der Zeitaufwand liegt auf Grund der teilweise

hohen Anzahl an Fragen oder Statements höher als bei einer Befragung (one-shot). Risk Ruler

lassen ebenfalls nur eine Einstufung der Anleger in Risikoklassen zu. Insgesamt kann vor

allem auf Grund der immer noch geringen Komplexität und der höheren Güte als bei einer

Befragung (one-shot) eine hohe Eignung für den Einsatz in der Kapitalanlageberatung

konstatiert werden.

3.1.2 Objektive psychologische Verfahren Zu den objektiven psychologischen Verfahren (indirekte Selbsteinschätzung) gehören das

Polaritätendiagramm von Gerke und Heilig sowie Wahldilemma-Fragen. Bei beiden

Verfahren wird die Risikoeinstellung so erhoben, dass die Anleger nicht bemerken, dass sie

sich selbst einschätzen.

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§ Polaritätendiagramm

Mit Hilfe des Polaritätendiagramms (semantisches Differential) kann zwischen

risikogeneigten und risikoabgeneigten Personen unterschieden werden (vgl. Gerke/Heilig

1975). Hierzu müssen die Anleger den Begriff „Risiko“ mittels Polaritäten wie „rauh –

glatt“, „liberal – konservativ“, „aktiv – passiv“, „voll – leer“, „kalt – warm“, „anziehend –

abstoßend“ und „zuverlässig – unberechenbar“ auf einer siebenstufigen Skala beschreiben,

wobei die Polaritäten die Pole dieser Skalen bilden (vgl. Abbildung 6). Der Anleger gibt also

auf jeder Skala an, in welchem Ausmaß er Risiko mit einem der beiden Pole assoziiert. In

mehreren Untersuchungen zeigte sich, dass sich die Polaritätsprofile risikogeneigter Anleger

in der einen Richtung und die Profile risikoabgeneigter Anleger in der anderen Richtung von

einem Durchschnittsprofil unterscheiden. Je nach Abweichung des Profils des Anlegers von

diesem Durchschnittsprofil auf den einzelnen Skalen, wird der Anleger demnach als

risikogeneigt oder risikoabgeneigt eingeordnet.

Abbildung 6: Polaritätendiagramm

In Anlehnung an Gerke/Heilig 1975, S. 113.

Die Güte des Polaritätendiagramms ist besser, als die der Verfahren der direkten

Selbsteinschätzung, weil die Gefahr (bewusst) falscher Angaben zur Vermeidung sozial

unerwünschter Antworten durch das indirekte Verfahren vermindert wird. In mehreren

wiederholten Versuchen wurde dem Polaritätendiagramm eine hohe Validität und auch

Reliabilität bescheinigt (vgl. Gerke/Heilig 1975). Die Komplexität und damit auch der

Zeitaufwand erweisen sich dabei für den einzelnen Anleger als (sehr) gering, da lediglich eine

Bewertung über unspezifische Assoziationen abgegeben werden muss, was keinerlei

voll leer

leise laut

aktiv passiv

rauh glatt

risikoabgeneigt risikogeneigt

Durchschnittsprofil

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Fachkenntnisse hinsichtlich Finanzanlagen erfordert. Daraus kann sich im praktischen Einsatz

aber auch ein Problem ergeben, wenn Anleger auf Grund der Abstraktheit (hohe

Tiefendimension) und der indirekten Vorgehensweise keinen Zusammenhang zur Beratung

erkennen und deshalb gegenüber der Beratung misstrauisch werden. Ein weiterer Nachteil

dieser Methode besteht darin, dass nur eine sehr grobe Klassifizierung der Anleger in

risikogeneigte und risikoabgeneigte Personen vorgenommen wird, was für konkrete

Anlageempfehlungen unzureichend ist. Zusammenfassend kann man festhalten, dass das

Verfahren zwar lediglich sehr geringe Anforderungen an Anleger und Berater stellt, aber

insbesondere auf Grund der nur sehr groben Klassifizierung der Anleger und des hohen

Abstraktionsgrades die Eignung für den Einsatz in einer Kapitalanlageberatung sehr gering

ist.

§ Wahldilemma-Fragen

Bei Wahldilemma-Fragen werden dem Anleger Alternativsituationen vorgegeben, zwischen

denen er sich entscheiden muss. Eine solche Wahldilemma-Frage könnte folgendermaßen

formuliert sein (vgl. Six 1978, S. 319):

Entsprechende Alternativsituationen können auch für monetäre Situationen konstruiert

werden. Dabei wird immer eine „mittelgute“, aber sichere Alternative mit einer Situation

verglichen, in der entweder eine „bessere“ oder „schlechtere“ Konsequenz eintritt.

In eine ähnliche Richtung gehen auch indirekte Fragen, bei denen der Anleger eine

Berufsbeschreibung vorgelegt bekommt und auf einer Rating-Skala angeben muss, wie

attraktiv er den Beruf findet. Aus den risikospezifischen Merkmalen des Berufs kann dann auf

die Risikoeinstellung des Anlegers geschlossen werden (vgl. Jackson/Hourany/Vidmar 1972,

S. 489).

Häufig ist die Art der Auswertung bei diesem Verfahren für den Anleger leicht

durchschaubar. Außerdem sind die Fragen hypothetischer Natur. Fraglich ist beispielsweise,

Herr F ist Vater eines 8-jährigen Jungen, der bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt

worden ist, dass er seitdem linksseitig gelähmt ist. Diese einseitige Lähmung könnte

durch eine Operation beseitigt werden; derartige Operationen können jedoch misslingen

und dazu führen, dass eine beidseitige Lähmung auftritt. Herr F steht jetzt vor der

schweren Entscheidung, seinen Sohn entweder operieren zu lassen, auf die Gefahr hin,

dass bei Misslingen der Operation auch die andere Seite gelähmt wird oder den Jungen

nicht operieren zu lassen mit dem Wissen, dass er für immer auf einer Seite gelähmt

bleibt.

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ob Herr F hinsichtlich der Operation nicht vielleicht risikofreudiger ist und nichts unversucht

lässt, während er bei Anlageentscheidungen doch eher konservativ ist. Somit ist die Güte von

Wahldilemma-Fragen vor allem hinsichtlich der Validität gering. Außerdem ist mittels

Wahldilemma-Fragen wiederum nur eine Einteilung der Anleger in Risikoklassen möglich.

Dafür sind allerdings die Komplexität und der erforderliche Zeitaufwand zur Erhebung der

Risikoeinstellung gering. Insgesamt erscheinen Wahldilemma-Fragen aber auf Grund der

geringen Güte nur gering für die Anwendung in einer Kapitalanlageberatung geeignet.

3.2 Ökonomische Verfahren

Bei ökonomischen Verfahren wird in erster Linie versucht, über den Vergleich von Lotterien

die Risikoeinstellung zu ermitteln. In der Regel werden ausschließlich monetäre Risiken

berücksichtigt. Handelt es sich dabei um eine hypothetische Situation, in der ein Anleger

keinen Anreiz hat, seine wahre Risikoeinstellung zu offenbaren, spricht man von nicht-

anreizkompatiblen Verfahren. Geht es dagegen um einen Vergleich, der für den Probanden

monetäre Konsequenzen nach sich zieht, können auch anreizkompatible Verfahren eingesetzt

werden.

Das Kriterium der Anreizkompatibilität soll hier allerdings nur als Unterscheidungskriterium

und nicht als Beurteilungskriterium herangezogen werden, da die monetären Konsequenzen

der realen Anlageentscheidung für den Anleger einen ausreichenden Anreiz darstellen sollten,

auch bei nicht-anreizkompatiblen Verfahren seine wahre Risikoeinstellung zu offenbaren.

3.2.1 Nicht-anreizkompatible ökonomische Verfahren

Mit der Hilfe von hypothetischen Lotterievergleichen wird in der Regel versucht, das

Sicherheitsäquivalent des Anlegers zu erheben, das Auskunft über die Risikoeinstellung gibt.

Hierzu wird eine unsichere Lotterie (xmax, p, xmin) mit einem sicheren Betrag x

(Sicherheitsäquivalent) verglichen, wobei die Notation bedeutet, dass der Betrag xmax mit

einer Wahrscheinlichkeit p, der Betrag xmin mit der Gegenwahrscheinlichkeit (1 – p) erzielt

wird. Demzufolge können auch (hypothetische) Kapitalanlagen als unsichere Lotterien

betrachtet werden, da sie mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten zu demnach unsicheren

Auszahlungen führen (vgl. Jungermann/Pfister/Fischer 1998, S. 197).

§ Lotterievergleiche

Die Ermittlung der Risikoeinstellung mittels Lotterievergleichen beruht auf der

Erwartungsnutzentheorie (vgl. Bernoulli 1738; von Neumann/Morgenstern 1947; Laux

1998, S. 162 ff. und Schmidt 1996, S. 663 ff.), wobei im Wesentlichen die vier in Tabelle 2

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dargestellten Methoden unterschieden werden können. Bei den einzelnen Methoden sind

jeweils drei Parameter gegeben, die vierte Größe ist variabel und vom Anleger so festzulegen,

dass für ihn die Indifferenzrelation gilt, d.h. der erwartete Nutzen der Lo tterie dem Nutzen der

sicheren Zahlung entspricht.

Tabelle 2: Methoden der Lotterievergleiche

In Anlehnung an Farquhar 1984, S. 1285.

Bei der Sicherheitsäquivalent-Methode muss der Anleger beispielsweise angeben, bei

welchem sicheren Betrag x (Sicherheitsäquivalent) er indifferent zwischen diesem Betrag und

einer Lotterie ist, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4 (p) zu einem Gewinn von 100 €

(xmax) und der Gegenwahrscheinlichkeit von 0,6 (1 – p) zu einem Gewinn von 10 € (xmin)

führt. Ein risikoneutraler Anleger würde in diesem Fall einen Betrag (Sicherheitsäquivalent)

in Höhe von 46 € angeben. Dieser Betrag entspricht dem Erwartungswert der Lotterie

(0,4 * 100 + 0,6 * 10).

Durch eine Variation der gegebenen Parameter und mehrfache Befragung des Anlegers

können sog. „Stützpunkte“ der Risiko-Nutzen-Funktion ermittelt werden (vgl. für die

detaillierte Vorgehensweise Laux 1998, S. 164 f.; Eisenführ/Weber 1999, S. 227 f. und Bitz

1984, S. 1079). Aus diesen Stützpunkten kann die Risiko-Nutzen-Funktion entweder durch

lineare Interpolation zwischen den Stüt zpunkten oder durch Zugrundelegung einer expliziten

Funktionsgleichung und Anpassung der entsprechenden Parameter unter Anwendung

geeigneter Verfahren approximiert werden (vgl. hierzu von Nitzsch/Weber 1986, S. 847 f. und

Keeney/Raiffa 1976, S. 196 ff.).

Die Güte der verschiedenen Verfahren der Lotterievergleiche, ausgedrückt durch die

Reliabilität und Validität kann als gering erachtet werden. Darauf weisen verschiedene

Abweichungen vom rationalen Verhalten hin, d.h. Abweichungen von der

Erwartungsnutzentheorie, die beim Einsatz dieser Methoden auftreten können. Dazu gehören

Certainty-Effekte (3), welche bei der Sicherheitsäquivalent-Methode auftreten können und

Reframing-Effekte (4), die sich in der Wahrscheinlichkeitsäquivalent-Methode ereignen

können. Allerdings lassen sich diese Effekte teilweise reduzieren, indem die Lotterien

Methode Zu vergleichende Größen (Die vom Anleger anzugebenden Größen sind hervorgehoben)

Sicherheitsäquivalent-Methode (xmax, p, xmin) ~ x

Wahrscheinlichkeitsäquivalent-Methode (xmax, p, xmin) ~ x

Wertäquivalent-Methode (xmax, p, xmin) ~ x

Vergleich zweier unsicherer Lotterien (xmax, p, xmin) ~ (ymax, q, ymin)

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tatsächlich ausgespielt werden und so die Angaben der Anleger zu realen monetären

Konsequenzen führen (vgl. Smith 1976). Gegen den Einsatz monetärer Anreize spricht aber

die wohl nur geringe Bereitschaft eines Anlegers die realen monetären Konsequenzen einer

unsicheren Lotterie zu tragen. Außerdem ist die Komplexität dieser Verfahren hoch, da

Anleger in der Regel nicht mit dem Konzept der Wahrscheinlichkeiten vertraut sind und

somit auf Verständnisschwierigkeiten stoßen (vgl. Eisenführ/Weber 1999, S. 159). Aus der

schwierigen Verständlichkeit resultiert ein hoher Erklärungsbedarf, der zu einem hohen

Zeitaufwand führt. Allerdings kann mit Lotterievergleichen sowohl eine Klassifizierung in

Risikoklassen als auch die Ermittlung einer Risiko-Nutzen-Funktion erfolgen. Trotzdem ist

dieses Verfahren auf Grund der hohen Komplexität für den Einsatz in einer

Kapitalanlageberatung nur gering geeignet.

§ Bewertung hypothetischer Kapitalanlagen

Die Bewertung hypothetischer Kapitalanlagen stellt einen Trade-off zwischen der Rendite

und dem Risiko dar, den der Anleger bewerten muss (vgl. Kaas/Schneider 2002). Methodisch

beruht dieses Verfahren auf der Conjoint-Analyse, die ein dekompositionelles Verfahren ist,

d.h. es wird eine Bewertung eines gesamten Produkts als Bündel von Eigenschaften

vorgenommen und aus der Gesamtbewertung erfolgt dann die Ableitung der Bedeutung

einzelner Eigenschaften respektive Eigenschaftsausprägungen (vgl. zur Vorgehensweise bei

der Conjoint-Analyse Skiera/Gensler 2002a; 2002b und Backhaus et al. 2003, S. 543 ff.).

Der Anleger muss in diesem Falle eine bestimmte Anzahl von hypothetischen Kapitalanlagen

(Stimuli) bewerten, welche die beiden Attribute Rendite und Risiko besitzen. Dabei sollten

die Stimuli so gewählt werden, dass eine systematische Variation der Ausprägungen der

Attribute erfolgt (also Kombinationen von niedriger Rendite/niedrigem Risiko bis zu hoher

Rendite/hohem Risiko). Die Schätzung der individuellen Risiko-Nutzen-Funktion erfolgt

dann mittels einer Regressionsanalyse. Wenn die Teilnutzenwerte der einzelnen

Eigenschaftsausprägungen bekannt sind, lassen sich auch die Nutzenwerte von anderen

Anlagealternativen berechnen, die nicht in den ursprünglichen Stimuli vorhanden waren.

Dieses Verfahren wird beispielsweise beim cliXXon-Fonds-Preference-Analyzer

(www.clixxon.de) eingesetzt (vgl. Kaas/Schneider/Zuber 2002, S. 661 ff.).

Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen, auch im Kontext von Finanzprodukten,

bescheinigen der Conjoint-Analyse eine hohe Reliabilität und Validität (vgl.

Green/Srinivasan 1990; Hensel-Börner 2000 und Kaas/Schneider 2002). Die hohe Reliabilität

und Validität in diesen Untersuchungen lässt demnach auch bei der Erhebung der

Risikoeinstellung eine hohe Güte der Conjoint-Analyse vermuten. Die Komplexität der

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Methode ist (bei einer angemessenen Zahl von Stimuli) geringer als bei Lotterievergleichen,

da lediglich eine Präferenzreihenfolge der Stimuli erstellt werden muss. Da die

hypothetischen Anlageprodukte aus Sicht der Anleger realistisch und greifbar sind, hält sich

der nötige Erklärungsaufwand in Grenzen und die Verständlichkeit ist demzufolge gut. Ein

weiterer Vorteil besteht darin, dass mit dieser Methode neben Risikoklassen auch eine

vollständige Risiko-Nutzen-Funktion ermittelt werden kann, was eine sehr individuelle

Anlageberatung ermöglicht. Der Zeitaufwand zur Bewertung der hypothetischen Anlagen und

Ermittlung der Risiko-Nutzen-Funktion ist dabei mit dem bei einem Risk Ruler vergleichbar.

Demzufolge ist die Eignung dieses Verfahrens für den Einsatz in einer Kapitalanlageberatung

sehr hoch.

3.2.2 Anreizkompatible ökonomische Verfahren

Die anreizkompatiblen ökonomischen Verfahren basieren ebenfalls auf Lotterievergleichen.

Neben dem realen Ausspielen der Lotterien kommen hier allerdings noch anreizkompatible

Mechanismen wie die Vickrey-Auktion oder der Becker-DeGroot-Marschak-Mechanismus

(BDM) zum Einsatz. Dies hat zur Folge, dass Anleger einen Anreiz haben, ihre wahre

Risikoeinstellung zu offenbaren.

§ Vickrey-Auktion

Als eine anreizkompatible Methode zur Ermittlung der persönlichen Risikoeinstellung wird in

der Literatur die Vickrey-Auktion vorgeschlagen, mit der bei einer Versteigerung von

Lotterien die individuellen Sicherheitsäquivalente ermittelt werden können (vgl.

Krahnen/Rieck/Theissen 1997a und Krahnen/Rieck/Theissen 1997b). Bei dieser Auktionsform

geben Bieter ein verdecktes Gebot für eine unsichere Lotterie ab. Den Zuschlag erhält der

Bieter mit dem höchsten Gebot zum Preis des Bieters mit dem zweithöchsten Gebot. Durch

diesen Mechanismus, dass der zu zahlende Preis bei Gewinn der Auktion vom eigenen Gebot

unabhängig ist, besteht theoretisch ein Anreiz zur Abgabe von Geboten, die den wahren

Präferenzen entsprechen (Anreizkompatibilität) (vgl. Vickrey 1961). Diese

Anreizkompatibilität kann mathematisch nachgewiesen werden. Wird die Auktion wiederholt

durchgeführt, lassen sich wiederum mehrere Stützpunkte ermitteln, aus denen eine Risiko-

Nutzen-Funktion abgeleitet werden kann.

Die theoretische Anreizkompatibilität und damit die Reliabilität und die Validität einer

Vickrey-Auktion konnte in mehreren empirischen Untersuchungen nicht nachgewiesen

werden (vgl. Krahnen/Rieck/Theissen 1997b und Kaas/Ruprecht 2003). Die Untersuchungen

kamen vielmehr zu dem Ergebnis, dass Bieter nicht ihre wahren Präferenzen offenbaren und

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eine Tendenz zum Unterbieten besteht, da sie den Mechanismus der Vickrey-Auktion nicht

verstehen und zudem nur vage ihr Sicherheitsäquivalent für die zu versteigernde Lotterie

angeben können (vgl. Krahnen/Rieck/Theissen 1997b und Kaas/Ruprecht 2003). Demzufolge

ist die Reliabilität und Validität einer solchen Auktion zur Erhebung der Risikoeinstellung

gering. Für die Durchführung einer Auktion ist zudem die Interaktion mit anderen

Teilnehmern erforderlich, da zum Auktionstermin mehrere Gebote verschiedener Personen

vorliegen müssen. Zudem kann es dadurch zu erheblichen, nicht mehr akzeptablen

Zeitverzögerungen kommen, bis die Risikoeinstellung vorliegt. Eine Alternative wäre der

Einsatz von „virtuellen Bietern“ (softwarebasierte Agenten), die gegen den Anleger antreten.

Hierdurch steigt allerdings die Komplexität dieses Verfahrens für den Anbieter der Beratung

sehr stark. Aber auch für die Anleger ist die Komplexität sehr hoch, wie sich in verschiedenen

Untersuchungen gezeigt hat (vgl. Krahnen/Rieck/Theissen 1997a). Zudem wird kaum ein

Anleger bereit sein, zwecks einer Anlageberatung gegen einen Geldbetrag eine unsichere

Lotterie zu ersteigern, deren monetäre Konsequenzen er im Falle des Zuschlags zu tragen hat.

Allerdings können mittels einer Vickrey-Auktion nicht nur Risikoklassen, sondern auch eine

Risiko-Nutzen-Funktion erhoben werden. Auf Grund der angesprochenen Problematik ist

aber die Eignung einer Vickrey-Auktion zur Ermittlung der Risikoeinstellung im Rahmen

einer Kapitalanlageberatung insgesamt nur als sehr gering anzusehen. Erschwerend kommt

hinzu, dass die auszahlungswirksamen Lotterien, die den Anlegern bereitgestellt werden

müssen, für den Anbieter einen möglicherweise nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor

darstellen.

§ Becker-DeGroot-Marschak-Mechanismus

Zur Ermittlung von Sicherheitsäquivalenten von Anlegern wird in der Literatur auch der

BDM vorgeschlagen (vgl. Krahnen/Rieck/Theissen 1997a und Becker/DeGroot/Marschak

1964). Die Probanden sollen in diesem Fall einen Preis (P) nennen, zu dem sie bereit sind,

eine vorgegebene Lotterie (xmax, p, xmin) zu kaufen. Danach wird eine Zufallszahl X gezogen,

die zwischen der maximalen und minimalen Auszahlung der Lotterie liegt. Ist dabei X = P, so

erhält der Proband die Lotterie zum Preis der gezogenen Zufallszahl X; andernfalls geht er

leer aus. Auch für dieses Verfahren kann, genau wie bei der Vickrey-Auktion, gezeigt

werden, dass es für einen rationalen Anleger optimal ist, sein wahres Sicherheitsäquivalent in

Form des Kaufpreises P zu nennen. Durch wiederholte Anwendung lassen sich auch hier

mehrere Stützpunkte ermitteln, aus denen eine Risiko-Nutzen-Funktion abgeleitet werden

kann.

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In empirischen Untersuchungen konnte die theoretische Anreizkompatibilität und damit die

Reliabilität und Validität des BDM nachgewiesen werden (vgl. Wertenbroch/Skiera 2002). Es

gibt aber auch hier Untersuchungen, die zeigen, dass Bieter aus den gleichen Gründen wie bei

einer Vickrey-Auktion nicht ihre wahren Präferenzen offenbaren und eine Tendenz zum

Unterbieten besteht (vgl. Kaas/Ruprecht 2003). Insgesamt lässt sich auf Grund der

empirischen Ergebnisse aber von einer höheren Reliabilität und Validität des BDM im

Vergleich zur Vickrey-Auktion ausgehen. Des Weiteren ist der BDM grundsätzlich für

einzelne Anleger ohne Interaktion mit anderen Teilnehmern durchführbar, obgleich auch hier

erhebliche Probleme bei der Umsetzbarkeit auftreten. Außerdem ist das Verfahren sehr

komplex und schwer verständlich, wodurch sich ein hoher Erklärungsbedarf ergibt. Auf

Grund dessen und der Tatsache, dass das Procedere mehrfach durchgeführt werden muss, um

einige Stützstellen einer Risiko-Nutzen-Funktion zu erhalten, ergibt sich ein hoher

Zeitaufwand. Diese Argumente lassen den BDM für den Einsatz in einer

Kapitalanlageberatung nur als gering geeignet erscheinen. Hinzu kommt der bereits bei der

Vickrey-Auktion angesprochene Kostenfaktor möglicher Auszahlungen.

4 Fazit

Auf Grund der in verschiedenen Untersuchungen festgestellten hohen Validität und

Reliabilität der Conjoint-Analyse kann der Erhebung der Risikoeinstellung mittels der

Bewertung hypothetischer Anlagealternativen die beste Eignung für den Einsatz in einer

Offline- wie auch Online-Beratung bescheinigt werden. Dieses Ergebnis wird auch durch

Heins (2002) Untersuchung von Verfahren zur Präferenzmessung von Anlegern bestätigt.

Zudem halten sich bei diesem Verfahren die Komplexität, sowohl für den Anleger wie auch

für den Anbieter der Beratung, und der Zeitaufwand im Rahmen. Demnach ist dieses

Verfahren für die Praxis am ehesten zu empfehlen.

Ebenfalls als geeignet erscheint der Einsatz von Risk Rulern. Dieses Verfahren wird von

Banken in der Offline-Beratung häufig innerhalb des sog. „Wertpapierhandelsbogens“

eingesetzt (z.B. von der SEB-Bank). Dieser Bogen dient dazu, die Anforderungen des WpHG

in der Beratung umzusetzen und zu dokumentieren. Zunehmend wird dieses Verfahren aber

auch in Online-Beratungen implementiert (z.B. von der Direkt Anlage Bank). Der Grund

hierfür mag vor allem in der einfachen technischen Umsetzbarkeit und dem somit geringen

Aufwand für den Anbieter der Beratung liegen.

Im Gegensatz zu den beiden genannten Verfahren weisen die restlichen Verfahren nur eine

geringe bzw. sehr geringe Eignung für den Einsatz in einer Off- oder Online-Beratung auf

(siehe Tabelle 3).

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Tabelle 3: Bewertung der Verfahren

Reliabilität h

Validität h

Komplexität h

Zeitaufwand h

Risikoklassen / RNF h

Eignung h

Subjektive psychologische Verfahren

Befragung (one-shot)

Risk Ruler

Polaritätendiagramm

Wahldilemma-Fragen

Lotterievergleiche

Bewertung hyp. Anlagen

Vickrey-Auktion

BDM

sehr gering

gering

gering

hoch

gering

sehr hoch

RK / RNF

RK / RNF

RK

RK

RK / RNF

RK / RNF

Nicht-anreizkompatible ökonomische Verfahren

hoch hoch

sehr gering

sehr hoch

sehr hoch

gering

hoch

Anreizkompatible ökonomische Verfahren

hoch

sehr hoch

gering

sehr gering

RK

mittel

hoch

Subjektive psychologische Verfahren

mittel mittel gering

gering

mittel

hoch sehr gering

gering

mittel

gering

Objektive psychologische Verfahren

gering

mittel

gering

hoch

gering

mittel

RK geringgering gering gering gering

RK = Risikoklassen, RNF = Risiko-Nutzen-Funktion

Anmerkungen:

(1) Als Portfolio-Theorie wird hier die Portfolio-Selektion von Markowitz und das Separationstheorem von Tobin verstanden (vgl. Markowitz 1952 und Tobin 1958).

(2) Die Portfolio-Theorie geht von risikoscheuen Anlegern aus. Demzufolge geht es bei der Bestimmung der Indifferenzkurven um die Bestimmung des Ausmaßes der Risikoaversion.

(3) Certainty-Effekte bezeichnen das Auftreten systematischer Fehler durch Höherbewertung von Auszahlungen bei Sicherheit als in unsicheren Situationen. Dies führt bei höheren Wahrscheinlichkeiten für unsichere Auszahlungen zu einem zunehmend risikoaversen Verhalten, d.h. das Ausmaß der Risikoaversion eines Anlegers ist stark von der Gestaltung der zu bewertenden Lotterien abhängig (vgl. McCord/de Neufville 1986).

(4) Reframing-Effekte können bei Anwendung der Wahrscheinlichkeitsäquivalent-Methode auftreten. Hierbei besteht die Gefahr, dass der Entscheider die sichere Auszahlung als neuen Status quo ansieht und die unsichere Lotterie geistig an diesem Referenzpunkt umcodiert. Aus einem Lotterievergleich von (200, p, 0) ~ 100 könnte bei Vorliegen von Reframing der neue Lotterievergleich von (100, p, -100) ~ 0 resultieren, was zur Verschiebung der Risikoeinstellung führen kann (vgl. Schoemaker/Hershey 1992).

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