Upload
e-zelihic
View
216
Download
4
Embed Size (px)
Citation preview
Notfall Rettungsmed 2010 · 13:324–326DOI 10.1007/s10049-010-1332-9Online publiziert: 27. Mai 2010© Springer-Verlag 2010
E. ZelihicKlinikum Bogenhausen/Städtisches Klinikum München
Vergleich von Dopamin und Noradrenalin im Rahmen der SchockbehandlungEine Multicenterstudie zur Überlebens- und Nebenwirkungsrate
Notfall aktuell – Für Sie gelesen
In der Therapie des Kreislaufversagens mit Schockfolge führt oft nur die Ga-be von Katecholaminen zu einer Stabili-sierung des Blutdrucks. Dazu werden in der Notfall- oder Intensivmedizin ent-weder Noradrenalin, Dopamin oder Ad-renalin verwendet, die sich in einer dif-ferenziellen Wirkung auf die Adreno-zeptoren unterscheiden. Bei Noradrena-lin dominiert die α-adrenerge vasokons-triktorische Wirkung, was bedeutet, dass für das Herz die Nachlast gesteigert wird, während die Herzfrequenz nicht steigt, sondern oft über den Baroreflex verlang-samt wird. Adrenalin und Dopamin ver-fügen je nach Dosis neben ihrer vasokons-triktorischen auch über eine β-adrenerge Wirkung, die eine positive Inotropie und Chronotropie hervorruft, d. h. Herzfre-quenz und -auswurf steigen. Für Dopa-min ist zudem eine dopaminerge vasodi-latatorische Wirkung im Splanchnikusge-biet bekannt.
Obwohl jedes Katecholamin ein eige-nes Wirkspektrum besitzt, ist ihr diffe-renzierter Einsatz in der Therapie eines Schocks bisher nicht in einer größeren prospektiven Studie verglichen worden. Das für eine solche Studie Bedarf exis-tiert, legte 2006 die „Sepsis occurrence in acutely ill (SOAP) study“ nahe [1]. Hier
war der Einsatz von Dopamin mit einer erhöhten Mortalität korreliert. Aufgrund dieser Hinweise und einer sehr unbefrie-digenden Datenlage haben de Backer et al. in einer prospektiven Studie das Out-come unter dem Einsatz von Dopamin oder Nordarenalin zur Behandlung eines Schocks bei 1679 Patienten verglichen.
Studiendesign
In einer prospektiven Multicenterstu-die (8 Zentren in Belgien, Österreich und Spanien) wurden 1679 Patienten mit ma-nifestem Schock eingeschlossen. Sie wur-den randomisiert einem Behandlungsarm zugeteilt, 858 erhielten primär Dopamin und 821 Noradrenalin zur Kreislaufstabi-lisierung. Den behandelnden Ärzten und Pflegekräften sowie den die Studie aus-wertenden Wissenschaftlern war die initi-ale Katecholamintherapie nicht bekannt.
In die Studie eingeschlossen wurden alle Patienten über 18 Jahre mit Schock-symptomatik, welche trotz einer adä-quaten Volumengabe eine Therapie mit Katecholaminen benötigten. Der Schock-zustand wurde als ein mittlerer Blut-druck <70 mmHg oder ein systolischer Blutdruck von <100 mmHg verbunden mit Zeichen der Organminderperfusi-on (Bewusstseintrübung, Oligo-/Anurie, etc.) definiert. Die Studienausschlusskri-terien waren: Alter unter 18 Jahren, The-rapie mit Katecholaminen länger als 4 h vor Eintreffen im Krankenhaus, schwere Herzrhythmusstörungen, Hirntod). Von
den 1679 Patienten hatten 1044 einen sep-tischen, 280 einen kardiogenen und 263 einen hypovolämischen Schock erlitten. Von den Patienten wurde bei der Aufnah-me der Acute Physiology And Chronic Health Evaluation (APACHE) II Score, im Verlauf der Sequential Organ Failure As-sessment (SOFA) Score berechnet.
Der Vergleich der Behandlungsgrup-pen erfolgte nach dem „intention-to- treat“-Prinzip.
Hauptzielparameter der Studie war:FMortalität nach 28 Tagen.
Nebenzielparameter waren:FMortalität nach 6 und 12 Monaten,FLiegezeit auf der Intensivstation,FAnzahl der Tage ohne Einsatz von
Organersatzverfahren (Beatmung und Nierenersatz),
FZeit bis zum Erreichen hämodyna-mischer Stabilität sowie
FEinsatz von Dobutamin oder anderer Inotropika.
Zusätzlich wurden folgende Nebenwir-kungen der unterschiedlichen Therapie-regimes erfasst:FArrhythmien,FMyokardnekrosen,Fperiphere Ischämien,FHautnekrosen sowieFsekundäre Infektionen.
Für die 3 vor Studienbeginn definierten Untergruppen des Schocks (septisch, kar-diogen, hypovoläm) wurden Subgrup-
Originalpublikation
De Backer D, Biston P, Devriendt J et al (2010) Comparison of dopamine and norepinephri-ne in the treatment of shock. N Engl J Med 362:779–789
RedaktionC. Dodt, MünchenK.-G. Kanz, MünchenV. Wenzel, Innsbruck
324 | Notfall + Rettungsmedizin 4 · 2010
penanalysen für die oben genannten End-punkte duchgeführt.
Ergebnisse
Die Gruppen waren bezüglich der Patien-tenmerkmale sowie der klinischen Aus-gangssituation gut vergleichbar und un-terschieden sich in den Risiko-Scores nicht signifikant.
Während bei 1656 Patienten (98,6% des Ausgangskollektivs) statistische Aussagen zur 28 Tage-Mortalität nach Beginn der Therapie gemacht werden konnten, war dies nach 6 und 12 Monaten noch bei 1443 (85,9%) bzw. 1036 Patienten (61,7%) mög-lich. Die Mortalität war in der „overall“-Analyse zwischen den beiden Behand-lungsgruppen zu keinem Zeitpunkt signi-fikant unterschiedlich, sie belief sich bei den mit Dopamin behandelten Patienten nach 28 Tagen auf 52,5% vs. 48,5% in der Noradrenalin-Gruppe (p=0,1). Während in der Betrachtung der Gesamtheit der be-handelten Patienten sowie der Subgrup-pen mit einem septischen oder hypovo-lämen Schock keine signifikanten Mor-talitätsunterschiede festgestellt werden konnten, zeigte sich in der Gruppe der Patienten mit kardiogenem Schock, die mit Dopamin behandelt wurden, eine si-gnifikant höhere Mortalität (p<0,03). Die Liegezeit auf der Intensivstation, die An-zahl der Tage ohne supportive Maßnah-men, (Katecholamingabe, Beatmung, Dia-lyse und Intensivstationsaufenthalt) sowie die Zeit bis zum Erreichen einer hämody-namischen Stabilität unterschieden sich ebenfalls nicht signifikant.
Bei der Untersuchung der Nebenwir-kungen fiel ein erhöhtes Auftreten von Herzrhythmusstörungen in der Dopa-min-Gruppe auf. So kam es bei 24% der mit Dopamin behandelten Patienten zu Arrythmien, wobei es sich bei 20,5% um Vorhofflimmern (VHF), bei 2,4% um ventrikuläre Tachykardie (VT) und bei 1,2% um Kammerflimmern (KF) handel-te. Demgegenüber lag der Anteil der Pati-enten mit Herzrhythmusstörungen in der Noradrenalin-Gruppe bei 12,4% (VHF 11%, VT 1,0%, KF 0,5%). Der Unterschied erwies sich als hochsignifikant (p<0,001). Aufgrund von schweren Herzrhythmus-störungen musste bei 6,1% der Patienten der Dopamin-Gruppe der Einsatz der
Studienmedikation abgebrochen werden, während dies bei nur 1,6% der Patienten, welche mit Noradrenalin behandelt wur-den, der Fall war (p<0,001). Unter Dopa-min war die 28-Tage-Mortalität bei kardio-genem Schock höher als unter Noradre-nalin (Log-Rank-Test, p=0,03,).
Diskussion
Die multizentrische, randomisierte Studie vergleicht den Einsatz von Dopamin und Noradrenalin im Rahmen der Schockbe-handlung. In der Diskussion verweisen die Autoren auf eine hohe Validität, da zum einen hohe Patientenzahlen und zum anderen nur sehr wenige Ausschlusskri-terien bezüglich des Patientenkollektivs vorhanden waren.
Obwohl die Gesamtmortalität in bei-den Behandlungsarmen nicht signifikant unterschiedlich war, zeigte die Studie ei-ne signifikant höhere Arrhythmierate bei Einsatz von Dopamin vs. Noradrenalin in der Schockbehandlung. Diese Rhythmus-störungen waren teilweise so schwer, dass sie zum Abbruch der Dopamintherapie führten.
Zusätzlich wurde bei Patienten mit kardiogenem Schock eine signifikant ge-ringere Überlebensrate bei Dopaminthe-rapie festgestellt. Eine Begründung hier-für geht nicht direkt aus der Studie hervor. Die Autoren verweisen jedoch auf eine er-höhte Frühtodesrate, welche durch hohe Herzfrequenzen und die dadurch erhöhte Zahl an kardialen Ischämieereignissen be-dingt sein könnte.
Kommentar
Den Autoren dieser Studie muss für her-vorragende Leistungen im Rahmen der Untersuchung der Frage, welches Katechol-amin für die Schocktherapie besser geeig-net ist, ausdrücklich gedankt werden. Bei einer Studienpopulation mit einer hohen Mortalität von etwa 50% sind die Ergeb-nisse, die in einem wenig selektionierten Krankengut gewonnen werden, von ho-her Relevanz für den klinischen Alltag.
In einer Situation höchster Instabilität und eingeschränkter Organfunktionen sind die für Dopamin überzufällig häu-fig berichteten Nebenwirkungen in Form von Herzrhythmusstörungen ein wich-
tiges Argument gegen Einsatz dieses Ka-techolamins, ganz besonders, aber nicht nur bei vorerkranktem Myokard und Vorliegen eines kardiogenen Schocks. Es muss allerdings kritisch angemerkt wer-den, dass eine genauere Analyse bezüg-lich der Arrhythmierate bei kardiogenem Schock unter Dopamin zur weiteren Klä-rung der erhöhten Mortalität in die-ser Gruppe hilfreich gewesen wäre. Dies wurde jedoch nicht durchgeführt. Da be-kannt ist, dass die Sepsis häufig mit ei-ner Kardiomyopathie einhergeht [1], ist auch bei diesem Krankheitsbild zur Vor-sicht beim Einsatz von Dopamin zu mah-nen, auch wenn die Mortalität in der Un-tergruppe mit septischem Schock nicht unterschiedlich war. Dopamin wird der-zeit als Katecholamin der ersten Wahl in den Leitlinien der Surviving Sepsis Cam-paign empfohlen [2]. Insgesamt lässt sich aus der Studie schließen, dass Dopamin in der Schocktherapie seinen Stellenwert verloren hat und im Rettungsdienst, den Notaufnahmen und den Intensivstationen durch Noradrenalin ersetzt werden kann.
KorrespondenzadresseDr. E. ZelihicKlinikum Bogenhausen/Städtisches Klinikum MünchenEnglschalkinger Str. 77, 81925 Mü[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
1. Sakr Y, Reinhart K, Vincent JL et al (2006) Does do-pamine administration in shock influence out-come? Results of the Sepsis Occurrence in Acutely Ill Patients (SOAP) Study. Crit Care Med 34:589–597
2. Dellinger RP, Levy MM, Carlet JM et al (2008) Sur-viving Sepsis Campaign: international guidelines for management of severe sepsis and septic shock. 2008. Crit Care Med 36:296–327
325Notfall + Rettungsmedizin 4 · 2010 |
326 | Notfall + Rettungsmedizin 4 · 2010
Michels/KochanekRepetitorium internistische IntensivmedizinSpringer-Verlag GmbH, 2010, ca. 508 S., 72 Abb., LP 39,95€, ISBN: 978-3-642-02719-2
Wissen, worauf es ankommt!Die Kombination der beiden großen Fächer
„Innere Medizin“ und „Intensivmedizin“ ist
eine Herausforderung an Wissen und Können!
Doch welche Infor-
mationen sind für
Verständnis, Praxis
und Prüfung tat-
sächlich wichtig?
Im Repeti-torium können angehende und auch bereits tätige Inten-sivmediziner nachlesen, wor-auf es wirklich
ankommt. Erfahrene Intensivmediziner stellen das gesamte Spektrum des Fachge-bietes praxisnah, übersichtlich und kom-pakt dar. Aufgrund der vielen Praxis-Tipps sowie Übersichten und Tabellen ist das Buch sowohl für die Klinikalltag als auch die Prüfung bestens geeignet. Für alle Ärzte auf internistischen Intensivstationen zum schnellen Nachschlagen im Klinikalltag oder zum Lernen für die Prüfung.
Interview mit den Herausgebern Herrn Dr. Michels und Herrn Dr. Kochanek
? Was ist das Besondere an Ihrem Buch?Dr. Michels: Die internistische Intensivme-
dizin ist ein Komplex aus Innerer Medizin,
Notfallmedizin, Anästhesie und Neurologie.
Das Besondere an unserem Buch ist, dass alle
diese Themenkomplexe besprochen werden
- von der Erstellung eines Ernährungsplans,
der Durchführung einer Reanimation, der
Erstellung eines „Weaning-Protokolls“ bis zur
Veranlassung einer Hirntoddiagnostik. Wir
haben besonderen Wert darauf gelegt, dass es
viele konkrete Angaben zum genauen Vorge-
hen gibt. Darüber hinaus werden die Inhalte
mit zahlreichen Tipps und Tricks von praktizie-
renden Intensivmedizinern „gewürzt“, so dass
Buchtipp
Theorie und Praxis in idealer Weise verknüpft
werden. Uns war auch wichtig, dass die
Inhalte nachvollziehbar sind und verstanden
werden. Das erleichtert die Arbeit enorm.
Stures Auswendiglernen macht keinen guten
Intensivmediziner.
? An wen richtet sich das Buch?Dr. Michels: Das Repetitorium Internisti-
sche Intensivmedizin richtet sich an alle in-
tensivmedizinisch tätigen Kolleginnen und
Kollegen, insbesondere an diejenigen, die
im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt
für „Innere Medizin“ oder „Innere Intensiv-
medizin“ auf einer Intensivstation arbeiten.
Ein Teil unserer Autoren gehört zu dieser
Zielgruppe. So konnten wir auf die Bedürf-
nisse direkt eingehen und Probleme bzw.
Fragestellungen aus der täglichen Arbeit
direkt mit aufnehmen.
? Sind die Inhalte des Repetitoriums auf alle Intensivstationen in Deutsch-land übertragbar?Dr. Kochanek: Das hängt vom Versor-
gungsstatus der Klinik ab - Haus der Mini-
mal- versus Maximalversorgung. Natürlich
spielen die Voraussetzungen und Ressourcen
einer Klinik, d.h. Fachpflegepersonal, Dia-
lysemöglichkeiten, Herzkatheterlabor etc.
eine Rolle. Aber im Prinzip sind die Inhalte
auf alle Intensivstationen übertragbar. Viele
der Diagnostik- und Therapiemethoden sind
von logistischen oder personellen Vorausset-
zungen unabhängig.
? Haben Sie eine Strategie für die opti-male Behandlung Ihrer Patienten? Dr. Kochanek: Es gibt verschiedene Stra-
tegien. Neben der klinischen Erfahrung, die
extrem wichtig ist, kann durch regelmäßige
klinikinterne oder –externe
Weiterbildung oder „autodidak-
tische“ Fortbildung, z.B. durch
Nachlesen ein sicherer Umgang
mit Intensivpatienten erreicht
werden. Eine Garantie dafür,
dass alles klappt, gibt es nicht.
100%ig vorbereiten kann man
sich nicht, da jeder Patient, jede
Situation ein wenig anders ist.
Mit der Erfahrung wächst glück-
licherweise das Gespür, auch für
kritische Situationen.
? Nach welcher Systematik können Kollegen für eine erfolgreiche Prüfung lernen? Dr. Michels: Das Repetitorium bietet eine
optimale Prüfungsvorbereitung. In den beiden
Hauptkategorien - allgemeine und spezielle
Intensivmedizin - werden alle wichtigen und
prüfungsrelevanten Themen didaktisch, leit-
liniengerecht und hochaktuell auf den Punkt
gebracht. Der Repetitorium-Stil garantiert
dabei den Blick aufs Wesentliche und absolute
Praxisnähe. Aber auch das Verständnis kommt
nicht zu kurz. Die Physiologie spielt dabei eine
wichtige Rolle. Ohne deren Verständnis ist gute
Intensivmedizin nicht möglich.
? Welchen Tipp können Sie Kollegen geben, die die Intensivstation noch vor sich haben?Dr. Kochanek: Um nach kurzer Zeit eine ge-
wisse „Sicherheit“ auf Intensivstation zu erlan-
gen, sind im Grunde drei Dinge wichtig: erstens
- ein guter Mentor, der mit Rat und Tat zur Seite
steht, zweitens - ein gutes Buch zum Nachschla-
gen und Lernen und drittens – Intensivschwes-
tern und Intensivpfleger, die ihr Wissen und
ihren Erfahrungsschatz mit Ihnen teilen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Anna Krätz,
Springer Medizin Heidelberg
Doch welche Infor-
mationen sind für
Verständnis, Praxis
und Prüfung tat-
sächlich wichtig?
torium können angehende und auch bereits tätige Inten-sivmediziner nachlesen, wor-auf es wirklich
ankommt. Erfahrene Intensivmediziner
7 Die Autoren ...
8 Dr. Michels8 Dr. Kochanek