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LEHRSTUHL FÜR KONSTRUKTIONSTECHNIK Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr.-Ing. Harald Meerkamm Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse (nach TRIZ) Diplomarbeit von Karolin Dorn

Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

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Page 1: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

LEHRSTUHL FÜR KONSTRUKTIONSTECHNIK Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr.-Ing. Harald Meerkamm

Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI)

und Funktionsanalyse (nach TRIZ)

Diplomarbeit

von

Karolin Dorn

Page 2: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

Bestätigung

Ich versichere, dass ich die Arbeit ohne fremde Hilfe

und ohne Benutzung anderer als der angegebenen

Quellen angefertigt habe und dass die Arbeit in

gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen

Prüfungsbehörde vorgelegen hat und von dieser als

Teil einer Prüfungsleistung angenommen wurde. Alle

Ausführungen, die wörtlich oder sinngemäß

übernommen wurden, sind als solche

gekennzeichnet.

Erlangen, 30. Juni 2008

Karolin Dorn

Page 3: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

i

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung 1

2 Wertanalyse 32.1 Projekt vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Objektsituation analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Soll-Zustand beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Lösungsideen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.5 Lösungen festlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.6 Lösungen verwirklichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3 Funktionsanalyse 123.1 Funktionsanalyse für die Produktverbesserung . . . . . . . . . . . . . . 14

3.1.1 Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.1.2 Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.3 Funktionsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.2 Wertanalytische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.3 Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.4 Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.4.1 Erweiterte zeitliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.4.2 Varianten der Funktionalitäts- und Wertberechnung . . . . . . . 473.4.3 Indikatoren für das Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4 Lehrbeispiele 594.1 Lagerabdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

4.1.1 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.1.2 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.1.3 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.2 Injektionsspritze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744.2.1 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754.2.2 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864.2.3 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

5 Industriebeispiel 915.1 Prozessbeschreibung und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

5.1.1 Grundschritte des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925.1.2 Komponenten der Läuferwellenpresse . . . . . . . . . . . . . . . 935.1.3 Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.1.4 Kosten der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975.1.5 Ziele der wertanalytischen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . 97

5.2 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2.1 Projekt vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Page 4: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

Inhaltsverzeichnis ii

5.2.2 Objektsituation analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2.3 Soll-Zustand beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055.2.4 Lösungsideen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1085.2.5 Lösungen festlegen und verwirklichen . . . . . . . . . . . . . . . 110

5.3 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.3.1 Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.3.2 Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115.3.3 Funktionsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125.3.4 Kennwertberechnungen und mögliche Strategien . . . . . . . . . 1155.3.5 Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

5.4 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

6 Erkenntnisse 1266.1 Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266.2 Unterschiede und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1276.3 Anwendungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

7 Zusammenfassung 131

A Wertanalyse 132

B Funktionsanalyse 137

Literaturverzeichnis 148

Page 5: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

1

1 Einführung

Seit Jahren findet unter anderem durch die voranschreitende Globalisierung eine stän-

dige Verschärfung der Wettbewerbssituation statt. Unternehmen müssen mit einer zu-

nehmenden Anzahl von Wettbewerbern konkurrieren. Die Kunden haben die Möglich-

keit, aus einer breiten Palette von Produkten der oft auch international operierenden

Firmen auszuwählen. Eine einseitige Konzentration auf Kostenführerschaft oder ho-

he Qualität reicht daher meist nicht mehr aus. In der Regel setzt ein Erfolg am Markt

Produkte von hoher Qualität bei konkurrenzfähigen Preisen voraus.

Der Wert eines Produkts, der aus dem Quotienten aus Funktionalität und Kosten gebil-

det wird, muss laufend überprüft und gesteigert werden. Abhängig von seiner Position

im Lebenszyklus müssen daher die Funktionalität erhöht und die Kosten reduziert wer-

den. Dies gilt nicht nur für Produkte sondern auch für Prozesse in Unternehmen.

Zur Erzielung von Wertsteigerungen gibt es verschiedene Ansätze. Diese Diplomarbeit

befasst sich mit der Wertanalyse nach VDI und der Funktionsanalyse nach TRIZ. Die

Wertanalyse wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und hat einen hohen

Verbreitungsgrad erreicht. Sie geht dabei von den Funktionen aus, die ein Produkt oder

ein Prozess erfüllen muss. Die Funktionsanalyse dagegen ist eine relativ neue Metho-

de. Sie zerlegt das Produkt oder den Prozess in einzelne Komponenten und analysiert

die Funktionen zwischen den Komponenten untereinander und den Funktionen mit ei-

nem ihm übergeordneten System. Ziel dieser Arbeit ist, die beiden wertanalytischen

Ansätze zu untersuchen und zu vergleichen.

Zunächst werden die beiden Methoden vorgestellt. Da zur Wertanalyse nach VDI um-

fassende Literatur verfügbar ist, werden nur ihre wesentlichen Punkte erläutert. Auf

die Funktionsanalyse nach TRIZ wird hingegen ausführlich eingegangen, da sie in der

Literatur bisher noch nicht umfassend dokumentiert ist. Aktuell existieren nur einige

literarische Quellen und das Computerprogramm TechOptimizer zu diesem Thema. In

Page 6: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

1 Einführung 2

dieser Arbeit wird daher die Funktionsanalyse für den praktischen Einsatz dokumen-

tiert, strukturiert und weiterentwickelt.

Im Anschluss an den Theorieteil wird der Einsatz beider Verfahren an zwei Lehrbei-

spielen beschrieben. Dabei handelt es sich einmal um ein Standardlehrbeispiel für die

Wertanalyse und das andere Mal um eins für die Funktionsanalyse. Für beide Lehrbei-

spiele wird das jeweils andere Verfahren zusätzlich eingesetzt und anschließend beide

Verfahren für jedes Beispiel verglichen.

Danach werden beide Methoden bei einem realen Industrieprojekt eingesetzt und be-

wertet. Dabei wird ein Fertigungsschritt bei der Herstellung großer elektrischer Motoren

analysiert.

Zum Abschluss werden die Wertanalyse und die Funktionsanalyse miteinander vergli-

chen und die Erkenntnisse dazu vorgestellt.

Page 7: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3

2 Wertanalyse

Die in diesem Abschnitt näher vorgestellte Wertanalyse (WA) ist seit vielen Jahren in

Unternehmen erfolgreich im Einsatz. Sie wird definiert als “ein organisierter und krea-

tiver Ansatz, der einen funktionenorientierten und wirtschaftlichen Gestaltungsprozess

mit dem Ziel der Wertsteigerung eines WA-Objektes zur Anwendung bringt” [12]. Ihr

Einsatz bewirkt, dass Organisationen durch Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

ihrer Produkte leistungsfähiger werden. Die Wertanalyse unterstützt ein Team bei der

richtigen Formulierung und bei der anschließenden Lösung von Problemen [12].

Die Projekte, die mit der Wertanalyse durchgeführt werden, können nach ihrer Art

und Positionierung im Lebenszyklus unterschieden werden. Die drei Projektarten sind

Grundsatzuntersuchung & Planung, Neuentwicklung & Gestaltung sowie Verbesse-

rung & Optimierung eines Prozesses, eines Produkts oder einer Dienstleistung.

Wertplanung Wertgestaltung

Wertverbesserung

Planung Entwicklung PflegePhasen imLebenszyklus

Bewertungs-größe

Bild 2.1: Projektarten abhängig von der Lage im Lebenszyklus [17]

Bei der Lage im Lebenszyklus werden Wertplanung, Wertgestaltung und Wertverbes-

serung unterschieden. Die Wertplanung wird bei Grundsatzuntersuchungen und Mach-

barkeitsstudien eingesetzt. Das Ziel ist vor allem, Risiken, Chancen, Einflussfaktoren

und Rahmenbedingungen, die für die Entwicklung eines neuen Produkts relevant sind,

zu erkennen. Die Wertgestaltung wird bei neuen Produkten, die sich noch in der Ent-

wicklung befinden, angewendet. Dabei ist vor allem wichtig, das Produkt ganzheitlich

zu verstehen und zu gestalten. Bestehende und bereits in Nutzung sich befindende

Page 8: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 4

Produkte sind die Anwendungsgebiete für die Wertverbesserung. Dabei besteht hier

die Zielsetzung, das Produkt umfassend zu verstehen und an veränderte Bedingungen

anzupassen. Abhängig von der Position im Lebenszyklus unterscheiden sich die Auf-

gabenabgrenzung, die Teamzusammensetzung, die Tiefe der Informationssammlung

und -bearbeitung sowie die Genauigkeit der Kostenbetrachtung. Die funktionsorientier-

te Vorgehensweise, die interdisziplinäre Teamarbeit, Kreativität und der Wertanalyse-

Arbeitsplan sind allerdings gleich [17].

Bei der erfolgreichen Anwendung der Wertanalyse interagieren die Grundelemente

Verhaltensweisen, Management und Methodik miteinander (Bild 2.2). Ihre Durchfüh-

rung wird stark von den Verhaltensweisen der involvierten Personen beeinflusst. Sie

sollten die Wertanalyse fördern und zur Verwirklichung der Projektziele beitragen. Eben-

so ist die Unterstützung des Managements für einen erfolgreichen Einsatz der Wert-

analyse notwendig. Die Methodik ist gekennzeichnet durch eine funktionenorientierte,

wirtschaftliche, kreative und systematische Vorgehensweise. Sie wird im Folgenden

anhand ihres Arbeitsplans ausführlicher erläutert [15].

MethodikVerhaltens-weisen

Management

Umfeld

Bild 2.2: Grundelemente der Wertanalyse [15]

In der zwischenzeitlich zurückgezogenen Norm DIN 69910 erfolgt die Einteilung der

Wertanalyse in sechs Schritte. Nach der europäische Norm DIN EN 12973, die erst

2000 in Kraft trat, besteht die Wertanalyse aus zehn Schritten. Die Vorgehensweise ist

trotz der verschiedenen Unterteilungen bei beiden ähnlich [16]. Die Tabelle 2.1 zeigt

eine Gegenüberstellung der Grundschritte der beiden verschiedenen Arbeitspläne.

Page 9: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 5

Tabelle 2.1: Arbeitsschritte nach DIN 69910 [16] und VDI 2800 alt und DIN EN 12973 [12]

Grund- Arbeitsschritte nach Grund- Arbeitsschritte nachschritt DIN 69910 schritt DIN EN 129731 Projekt vorbereiten 0 Vorbereitung des Projektes

1 Projektdefinition

2 Planung

2 Objektsituation analysieren 3 Umfassende Daten über die Studie sammeln

3 Soll-Zustand beschreiben 4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele

4 Lösungsideen entwickeln 5 Sammeln und Finden von Lösungsideen

5 Lösungen festlegen 6 Bewertung der Lösungsideen

7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge

8 Präsentation der Vorschläge

6 Lösungen verwirklichen 9 Realisierung

Auf Grund der sehr ähnlichen Vorgehensweise wird nur ein Arbeitsplan näher vorge-

stellt. Da der sechsstufige Arbeitsplan, auch wenn die dazugehörende Norm zurückge-

zogen wurde, laut eines Mitglieds des Leitungsteams des Arbeitskreises Wertanalyse

des VDI-Stuttgart, einen deutlich höheren Verbreitungsgrad hat, wird im Folgenden nur

dieser betrachtet. Der höhere Verbreitungsgrad liegt vor allem daran, dass der sechs-

stufige Arbeitsplan seit mehreren Jahrzehnten verwendet wird, während die DIN EN

12973 erst vor einigen Jahren in Kraft trat. Eine genauere Untergliederung des sechs-

stufigen und des zehnstufigen Arbeitsplans befindet sich im Anhang (Tabellen A.1 und

A.2). Die ersten beiden Schritte des sechsstufigen Arbeitsplans befassen sich mit der

Vorbereitung des Projekts und der Analyse der Objektsituation. In diesen beiden Pha-

sen geht es hauptsächlich um das Erkennen, Erfassen und Verstehen des Projekts

und seiner Situation. Hier stellt sich vor allem die Frage: „Was ist?” Im dritten Schritt

wird der Soll-Zustand beschrieben. Es soll die Frage „Was soll sein?” beantwortet wer-

den. Anschließend werden Lösungsideen entwickelt. Die hier zu beantwortende Frage

lautet: „Wie kann es gehen?” Die letzten beiden Schritte umfassen die Festlegung und

Verwirklichung der Lösung. Findet bei den einzelnen Schritten eine Annäherung an die

Zielvorgabe nicht statt oder scheint es auf Grund neuer Erkenntnisse angebracht zu

sein, werden die einzelnen Schritte wiederholt durchlaufen (vgl. Bild 2.3) [15], [16].

Page 10: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 6

1. Projekt vorbereiten Projekt-beginn

AZ2. Objektsituation analysieren

3. Soll-Zustand beschreiben

4. Lösungsideen entwickeln

5. Lösungen festlegen

6. Lösungen verwirklichen

AZ

AZ

AZ

Projekt-abschluss

nein

ja

nein

nein

nein

ja

ja

ja

AZ: Annäherung an Zielvorgabe

Bild 2.3: Schritte des sechsstufigen Arbeitsplans [15]

Nachstehend erfolgt eine kurze Vorstellung der einzelnen Schritte. Der Schwerpunkt

liegt dabei beim zweiten Grundschritt, da hier die Besonderheiten im Vergleich zur

Funktionsanalyse nach TRIZ liegen.

2.1 Projekt vorbereiten

Im ersten Schritt erfolgt die Wahl des Wertanalyse-Objekts, die Festlegung quantifi-

zierbarer Ziele, die Bildung der Arbeitsgruppe und die Planung des Ablaufs [25].

Für die Wahl des WA-Objekts können geschäftspolitische Gesichtspunkte wie Vertriebs-

und Verkaufsanalysen ausschlaggebend sein. Ein geeignetes Mittel beispielsweise für

die Auswahl des Objekts anhand der Höhe der Umsätze und Erträge wäre die ABC-

Analyse. Wichtig ist auch die Betrachtung des Lebenszyklus der einzelnen Produkte

für die Auswahl. Abhängig von der Phase im Lebenszyklus, in der sich das Produkt

befindet, unterscheiden sich die verfolgten Ziele. Am Anfang des Lebenszyklus kön-

nen Verbesserungen am Produkt kostengünstiger eingeführt werden. Um strategische

Lücken zu vermeiden, könnte die Wertanalyse auch am Ende des Lebenszyklus ein-

gesetzt werden, um die Lebensdauer zu verlängern [25].

Page 11: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 7

In diesem Grundschritt erfolgt die Festlegung des Ziels, welches durch die Wertanalyse

erreicht werden soll. Das Ziel besteht prinzipiell in einer Verbesserung des Werts des

Objekts. Der „Wert beschreibt dabei die Beziehung zwischen dem Beitrag der Funkti-

on (oder des WA-Objekts) zur Bedürfnisbefriedigung und den Ressourcen, z.B. Kosten

der Funktion (oder des WA-Objekts), die für diese Befriedigung zum Einsatz kommen”

[17]. Zur Steigerung des Werts müssen der Beitrag der Funktionen erhöht und / oder

die Kosten reduziert werden [25]. Das ausgewählte Ziel sollte spezifisch, messbar, er-

reichbar, realistisch und terminiert sein. Die Zielsetzung ist ein kritischer Erfolgsfaktor

für die Durchführung. Nicht konkret formulierte Ziele können zu keiner aussagekräfti-

gen Erfolgskontrolle führen. Oft wird als Ziel eine Kostensenkung um einen bestimmten

Wert verwendet. Eine Standardregel von Wertanalytikern besagt, dass zehn Prozent

eigentlich immer möglich seien. Häufig sind die Effizienzsteigerungsmöglichkeiten viel

höher [20].

Zur Durchführung der Wertanalyse ist die Bildung einer Arbeitsgruppe aus vier bis

sechs Personen erforderlich. Die Auswahl sollte sorgfältig erfolgen, da von ihr das Ge-

lingen der Wertanalyse abhängt. Als Letztes erfolgt die Planung des weiteren Ablaufs

[4].

2.2 Objektsituation analysieren

Im zweiten Grundschritt erfolgt die Sammlung, Ordnung und Analyse der relevanten

Daten des Objekts. Hierbei ist es wesentlich, die sachliche Richtigkeit und die problem-

bezogene Vollständigkeit in Bezug auf das Ziel des Projekts zu beachten. Es sollten

nur die Daten, die für die Zielsetzung relevant sind, erfasst werden. Vor allem gilt es,

Objekt-, Umfeld- und Kosteninformationen zu beschaffen [3].

Als Nächstes sind die Funktionen des Wertanalyse-Objekts zu ermitteln. Unter Funk-

tion wird in diesem Zusammenhang die Wirkung eines Produkts oder eines seiner

Bestandteile verstanden [13]. Funktionen werden durch ein Substantiv und ein Verb im

Infinitiv benannt. Das Substantiv zeigt an, welchem Objekt oder durch welches Objekt

etwas passiert oder passieren soll. Das Verb beschreibt, was geschieht oder gesche-

hen soll [26].

Page 12: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 8

So führt beispielsweise eine Glühbirne die Funktion Raum erhellen aus. Es sollte ver-

sucht werden, Verben mit aktiven Bedeutungen zu verwenden, die das direkte Gesche-

hen wiedergeben und nicht nur die Möglichkeit dazu. Beispielsweise ist Flüssigkei-

ten fördern besser als Flüssigkeitsförderung ermöglichen [18]. Die Funktionen sollten

möglichst quantifizierbar sein. Bei der Formulierung der Funktionen ist es außerdem

wichtig, einen optimalen Abstraktionsgrad einzuhalten. Werden die Funktionen zu we-

nig abstrakt formuliert, wird das Finden neuer Ansätze erheblich erschwert [18].

Die Funktionen lassen sich nach Funktionsarten und Funktionsklassen unterteilen. Die

Unterscheidung der Funktionsarten erfolgt in Gebrauchsfunktionen und Geltungsfunk-

tionen. Unter Gebrauchsfunktionen werden jene verstanden, die zur sachlichen Nut-

zung des Wertanalyse-Objekts erforderlich sind. Geltungsfunktionen hingegen sind

meist nur subjektiv wahrnehmbar und beeinflussen die personenbezogene Wirkung

des betrachteten Objekts. Sie sind nicht zur unmittelbar sachlichen Nutzung des Wert-

analyse-Objekts erforderlich. Beispiele dafür sind Aussehen, Komfort oder Prestige

[26].

HF

Ist-

Situ

atio

n

Sol

l-Zie

le Hauptfunktionen (HF)

Gesamtfunktionen (GF)(Grundfunktionen)

Nebenfunktionen (NF)

Teilfunktionen (TF)

Elementar-Funktionen (EF)

Fun

ktio

nenb

aum

1 HF

NF NF NF

2

3 4 5

GF 2GF 1 GF 3 GF 4 GF 5

TF TF TF TF TF TF TF TF

TF TF TF TF TF TF TF

TF TF TF TF

TF

- H

iera

chie

stuf

en

1

2

3

unte

rste

EF EF EF

... ...

Bild 2.4: Gliederung der Funktionsklassen [15], [18]

Im Bild 2.4 ist die Gliederung der Funktionsklassen abgebildet. Bei den Funktionsklas-

sen wird zwischen Haupt- und Nebenfunktionen unterschieden. Die Unterteilung der

Funktionen erfolgt nach ihrer Wichtigkeit und ist von den vorher definierten Zielen des

Page 13: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 9

Projekts abhängig. Haupt- und Nebenfunktionen sind voneinander unabhängig. Jedes

Wertanalyse-Objekt besitzt mindestens eine Hauptfunktion. Die „Gesamtfunktion ist

die Gesamtwirkung aller ihrer in einer Funktionsstruktur untergeordneten Funktionen”

[18]. Für diese Funktion können auch andere Benennungen wie z.B. Basisfunktion

und Grundfunktion zur Verwendung kommen. Eine Gesamtfunktion kann in mehrere

Teilfunktionen aufgeteilt werden. Die einzelnen Teilfunktionen können selbst weiter in

andere Teilfunktionen unterteilt werden. Dadurch ergeben sich verschiedene Hierar-

chieebenen von Teilfunktionen. Auf der untersten Ebene befinden sich die Elementar-

Funktionen, die nicht weiter unterteilt werden können [15], [18]. Die Benennungen für

die Funktionsklassifizierung sind in der Literatur nicht überall identisch.

Zur Ermittlung der Ist-Funktionen bietet es sich an, zuerst die Funktionen im Team zu

sammeln. Danach werden die Funktionen in Gebrauchs- und Geltungsfunktionen und

in Haupt- und Nebenfunktionen unterteilt. Anschließend kann die Funktionsstruktur

erstellt werden. Dazu bietet sich beispielsweise der Funktionenbaum oder das FAST

(Funktionen-Analyse-System-Technik) Diagramm an [6], [18].

Nach dem Aufstellen der Funktionen müssen lösungsbedingte Vorgaben festgelegt

werden. Das sind für das Projekt relevante Anforderungen, die durch die Funktions-

struktur nicht abgebildet werden [4].

Als Letztes sind die ermittelten Kosten den Funktionen zuzuordnen. Dies dient zur

Schwerpunktfindung und zur Problemgewichtung und ist häufig sehr zeitintensiv [4].

2.3 Soll-Zustand beschreiben

Dieser Schritt dient zur Festlegung des Soll- und damit des gewünschten Ziel-Zustands.

Erst durch die Gegenüberstellung von Ist- und Soll-Zustand ergibt sich die eigentliche

Aufgabe (vgl. Bild 2.5).

Page 14: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 10

IST SOLL

IST = SOLL

abschaffen erhalten erschaffen

Situation Ziel

Problem gelöst

Problem =Nichtübereinstimmen zwischen IST und SOLL

Aufgabe =Σ von Arbeiten oderTätigkeiten

Lösung =Übereinstimmen zwischenIST und SOLL

Bild 2.5: Definition von Problem, Aufgabe und Lösung [4]

Zur Ermittlung der Soll-Funktionen wird, beginnend bei den Gesamtfunktionen der Ist-

Funktionen, überprüft, ob die betrachtete Funktion notwendig bzw. zweckmäßig ist.

Kann dies uneingeschränkt bejaht werden, so handelt es sich um eine Soll-Funktion.

Bestehen jedoch Möglichkeiten für andere Lösungswege, so handelt es sich um ei-

ne produktbezogende Ist-Funktion. Dieser Vorgang wird anschließend für die nächste

Gliederungsstufe wiederholt. Die Soll-Funktionsgliederung soll keine unnötigen Funk-

tionen enthalten [4].

Als Letztes sind die Kostenziele für die Soll-Funktionen festzulegen, um beispielswei-

se die höchsten Gewinnchancen zu identifizieren. Die Soll-Funktionen müssen, um

einen geeigneten Ansatzpunkt für Rationalisierungen zu finden, hinsichtlich ihrer Ist-

Kosten (Funktionskosten), ihrer realistischen Soll-Kosten (Kostenziel) und hinsichtlich

ihrer unterschiedlichen Nutzwerte untersucht werden. Das Kostensenkungspotenzial

ist dort am höchsten, wo die größte Differenz zwischen Funktionskosten und Kosten-

ziel liegt. Dabei müssen die Nutzwertunterschiede und der Rationalisierungsaufwand

berücksichtigt werden. Für die so identifizierten Schwerpunkte beginnt anschließend

die intensive Suche nach weiteren Lösungen [4].

2.4 Lösungsideen entwickeln

Der vierte Grundschritt umfasst das Sammeln von vorhandenen Lösungsideen und

das Entwickeln neuer Ideen zu den erkannten Schwachpunkten. Hierbei gilt zunächst

Quantität vor Qualität [25].

Für die Erarbeitung von Problemlösungen gibt es verschiedene Techniken. Zu den

bekanntesten intuitiven Verfahren gehört das Brainstorming, die Methode 635 und

Page 15: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

2 Wertanalyse 11

die Delphimethode. Es können aber auch systematische Kreativitätstechniken wie der

Morphologische Kasten und die Bionik eingesetzt werden [4], [8].

Hier sollten bereits Bewertungskriterien festgelegt und Lösungsideen bewertet werden,

um aus der großen Anzahl an Ideen eine Vorauswahl zu treffen [4].

2.5 Lösungen festlegen

In diesem Grundschritt werden Konzepte, Entwürfe und ganzheitliche Lösungsvor-

schläge aus den gesammelten und entwickelten Ideen erarbeitet. Die Lösungsideen,

die nach der Vorauswahl übrig geblieben sind, werden zusammengestellt. Oft sind dies

nur Teillösungen, die sich nicht gegenseitig ausschließen sondern ergänzen können.

Anschließend werden diese Lösungsansätze bewertet. Mindestens drei realistische

Vorschläge sollten ausgearbeitet werden. Die Beurteilung der Vorschläge erfolgt durch

Bewertungsverfahren wie beispielsweise die Nutzwertanalyse. Da die Mitglieder des

Wertanalyseteams nicht die Entscheidungsträger sind, müssen sie die Lösungsalter-

nativen vorstellen und die Entscheidungsfindung unterstützen [4].

2.6 Lösungen verwirklichen

Nachdem eine Entscheidung für eine Lösung getroffen wurde, erfolgt deren Realisie-

rung. Dazu ist eine detaillierte Planung sowie die Abstimmung der Termin-, Nutzwert-

und Kostenziele mit den betroffenen Stellen erforderlich. Anschließend muss die Rea-

lisierung eingeleitet und überwacht werden. Das Projekt wird mit einem Abschlussbe-

richt offiziell beendet [3].

Page 16: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

12

3 Funktionsanalyse

In diesem Abschnitt wird die Funktionsanalyse nach TRIZ vorgestellt. TRIZ ist ein rus-

sisches Akronym und bedeutet sinngemäß „Theorie zur Lösung von Erfindungsaufga-

ben” [2]. Die Funktionsanalyse ist in den Problemdefinitionsprozess einzuordnen. Mit

ihr kann die Funktionsweise eines existierenden Systems detailliert untersucht werden.

Die Funktionsanalyse ist daher eine Methode, die für existierende Systeme angewen-

det werden kann. Sie ist nicht geeignet, um komplett neue Produkte zu entwickeln. Die

meisten neuen Produkte basieren jedoch auf älteren. Dabei kann es sich sowohl um

eigene als auch um Produkte von anderen Unternehmen handeln.

Die Funktionsanalyse nach TRIZ ist nicht so standardisiert wie die Wertanalyse nach

VDI. Sie ist an sich eine IST-Zustandsbeschreibung. Bei der Wertanalyse erfolgt das

Beschreiben des IST-Zustands im zweiten der sechs Grundschritte.

Funktionsanalyse

Wie kann das System

verbessert werden?

Wie kann der Wert des Systems

gesteigert werden?

Wie kann das Systemradikal

innoviert werden?

Wie kannein gegnerischesPatent umgangen

werden?

Wie könnenneue Features in

mein Systemeingebracht

werden?

Supersysteme modellieren, Trimming im Supersystem

Unabhängigen Anspruch

modellieren, Trimming beliebiger

Komponenten

Trimming von Komponenten, Trimmingtiefe

bestimmt Radikalität

Berechnung der Indizes der

Komponenten, Auswertung des

Stärkediagramms

Modellierung der Erfüllungsgrade

und der schädlichen Interaktionen

Produkt-verbesserung

wertanalytische Betrachtung

Trimming Patent-umgehung

Funktionsraub

Bild 3.1: Funktionsanalyse als Basis für weitere Analysen [1]

Wie im Bild 3.1 dargestellt, ist die Funktionsanalyse Basis für weitere Analysen. Ab-

hängig von den Zielen, die mit der Funktionsanalyse verfolgt werden, unterscheiden

Page 17: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 13

sich ihre Schwerpunkte bei der Durchführung. Sie unterstützt u.a. das Ziel, das Sys-

tem zu verbessern. Durch das Modellieren des Systems mit seinen Komponenten und

Funktionen können schädliche Funktionen und nützliche Funktionen, die nicht in ge-

wünschter Weise wirken, erkannt werden.

Die Funktionsanalyse kann auch die Basis für eine wertanalytische Betrachtung sein,

die das Ziel hat, den Wert des Systems zu steigern. Sie ist außerdem die Grundla-

ge für das Trimming. Beim Trimming werden Bestandteile des Systems eliminiert und

damit das System vereinfacht. Innovationen können dadurch entstehen. Für Patentum-

gehungen ist die Funktionsanalyse ebenso einsetzbar. Dazu werden die Bestandteile

und Funktionen des unabhängigen Anspruchs des Patents modelliert. Das Trimming

beliebiger Komponenten kann den unabhängigen Anspruch des Patents umgehen. Die

Suche nach neuen Features für ein System kann die Funktionsanalyse ebenso unter-

stützen. Dabei wird versucht, das betrachtete System um Funktionen zu erweitern, die

zuvor von seiner Umgebung aufgeführt wurden [1].

Zur Funktionsanalyse wurden bei einer Literaturrecherche nur wenige Quellen, bei

denen es sich hauptsächlich um Veröffentlichungen von Darrell Mann u.a. handelt,

gefunden [1], [5], [9]. Eine weitere Quelle ist das Softwareprogramm TechOptimizer.

Es beinhaltet vor allem das grafische Funktionsmodell, Kennwertberechnungen und

Grundlagen des Trimmings [11], [14]. In dieser Arbeit wird die Funktionsanalyse be-

nutzerfreundlich dokumentiert und strukturiert dargestellt. Dabei werden das Vorgehen

beim Anwenden der Funktionsanalyse und die notwendigen Begriffe aufgeführt und an

Beispielen verdeutlicht.

Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Funktionsanalyse zur Produktverbesse-

rung. Danach wird die Funktionsanalyse bei der wertanalytischen Betrachtung vorge-

stellt. Es werden dabei einige Vereinfachungen angenommen. Anschließend wird das

Trimming erläutert. Auf die Patentumgehung und den Funktionenraub wird nicht weiter

eingegangen. Abschließend folgen einige Erläuterungen zu möglichen Erweiterungen

und Ergänzungen.

Page 18: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 14

3.1 Funktionsanalyse für die Produktverbesserung

Die Funktionsanalyse kann in die drei Schritte Komponentenanalyse, Interaktionsana-

lyse und Funktionsmodellierung unterteilt werden (vgl. Bild 3.2).

Komponenten-analyse

Interaktions-analyse

Funktions-modellierung

Bild 3.2: Die drei Schritte der Funktionsanalyse [1]

In der Komponentenanalyse werden die relevanten Komponenten des technischen

Systems und seines Supersystems bestimmt. Die darauf folgende Interaktionsanalyse

identifiziert die Beziehungen zwischen den Komponenten. Als dritter und wichtigster

Schritt folgt die Funktionsmodellierung. Dabei werden die identifizierten Interaktionen

nach Möglichkeit in Funktionen überführt und das Funktionsmodell des betrachteten

Systems erstellt [1].

Die einzelnen Schritte der Funktionsanalyse werden zum besseren Verständnis zu-

sätzlich an einem Beispiel erläutert.

3.1.1 Komponentenanalyse

In der Komponentenanalyse werden die Komponenten des technischen Systems und

die des Supersystems, mit denen das technische System interagiert, identifiziert [1].

Eine Komponente ist ein Objekt, welches einen Teil eines technischen Systems oder

eines Supersystems darstellt. Komponenten bestehen aus Masse und / oder Feldern.

Notebooks, Autos und Fahrräder sind Beispiele für Komponenten, die über Masse ver-

fügen. Eine Komponente kann auch ein Objekt sein, das aus einem Feld besteht,

welches Aktionen zwischen Substanzen übertragen kann. Ein elektrisches Feld, ein

magnetisches Feld oder auch Feuer sind dafür Beispiele. Nach dieser Definition sind

Software und Parameter wie Temperatur oder Position eines Objekts keine Kompo-

nenten. Ein technisches System ist ein System, das entwickelt wurde, um Funktionen

auszuführen. Es ist das System, welches untersucht und verbessert werden soll. Das

Page 19: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 15

Supersystem ist ein dem technischen System übergeordnetes System. Es enthält das

technische System als eine Komponente. Handelt es sich beim technischen System

z.B. um ein Fahrrad, so ist das zugehörige Supersystem der Verkehr.

Supersystem:Verkehr

Ampel

Auto

RadfahrerKomponenten des Supersystems

zu analysierendestechnisches System

Lkw

Straße

Bus

Fahrrad

Bild 3.3: Das Supersystem für ein Fahrrad [1]

Im Bild 3.3 ist das Supersystem Verkehr dargestellt. Das Supersystem enthält mehrere

Komponenten wie Auto, Ampel, Straße, Bus, Lkw, Radfahrer und Fahrrad. Komponen-

ten des Supersystems, die mit dem technischen System interagieren, können später

weiter betrachtet werden.

Bei der Durchführung der Komponentenanalyse wird zunächst eine Hierarchie der

Komponenten des technischen Systems erstellt. Das Bild 3.4 zeigt allgemein die Hier-

archie eines technischen Systems. In der höchsten Ebene befindet sich das zu analy-

sierende technische System. Es wird weiter in Komponenten auf niedrigeren Ebenen

unterteilt.

technisches System

Komponente A Komponente B Komponente C

Komp. A1 Komp. A2 Komp. B1 Komp. B2

Komp. B1a Komp. B1b Komp. B1c.........

2. Ebene

3. Ebene

4. Ebene

Komp. C2Komp. C1Komp. B3

... ... ...

1. Ebene

Bild 3.4: Hierarchieebenen eines technischen Systems

Page 20: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 16

Nach dem Erstellen der Hierarchie wird die für die folgende Analyse geeignete Ebe-

ne ausgewählt und die Komponenten der ausgewählten Hierarchieebene identifiziert.

Dabei sind vor allem die Ziele und Einschränkungen des Projekts zu berücksichtigen.

Die Auswahl sollte sehr sorgfältig erfolgen. Sowohl ein höherer als auch ein niedri-

gerer Detaillierungsgrad als notwendig sind ungünstig. Eine niedrige Hierarchieebene

erhöht den Aufwand der Analyse, da sie mehr Komponenten umfasst. Dies führt zu

einem höheren Aufwand und kann zu unübersichtlichen Modellen führen, was wieder-

um negative Auswirkungen auf die Ergebnisse der Funktionsanalyse haben kann. Die

Wahl einer zu hohen Ebene führt zu abstrakten Modellen. Auch dies kann unzurei-

chende Ergebnisse verursachen. Alle ausgewählten Komponenten sollten außerdem

aus der gleichen Ebene stammen.

Als Richtwert sollte das Modell eines Teams, das noch nicht viel Erfahrung mit der

Funktionsanalyse gesammelt hat, fünf bis zehn Komponenten enthalten.

Zur Vereinfachung lassen sich ähnliche Komponenten zu einer Komponente zusam-

menfassen. Vier Schrauben des gleichen Typs können somit als Komponente Schrau-

ben betrachtet werden. Sind für eine Komponente weiterreichende Analysen erforder-

lich, sollte die Komponentenanalyse nochmals auf einer niedrigeren Hierarchieebene

wiederholt werden [1].

Komponentenmodell

Als Nächstes erfolgt das Aufstellen des Komponentenmodells, in dem die Erkenntnisse

der Komponentenanalyse zusammengefasst werden. Das Bild 3.5 zeigt den Aufbau

eines Komponentenmodells.

technisches System Hauptfunktion

Komponente 1 Zielkomponente

Komponente 2 Supersystem Komponente 1

Komponente 3 Supersystem Komponente 2

Komponente 4

Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Name des technischen Systems

Zielkomponente + Aktion (Objekt + Prädikat)

Bild 3.5: Das Komponentenmodell [1]

Die linke Spalte des als Tabelle aufgebauten Modells enthält den Namen des zu ana-

lysierenden Systems. Damit erfolgt die Festlegung des technischen Systems, welches

im Projekt genau betrachtet wird. In der nächsten Spalte wird die Hauptfunktion aufge-

Page 21: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 17

führt. Sie setzt sich aus der Zielkomponente und der dazugehörenden Aktion zusam-

men.

Im Bild 3.6 ist die Beziehung des technischen Systems, der Hauptfunktion und der

Zielkomponente dargestellt. Die Hauptfunktion ist die Funktion, für die das technische

System entwickelt wurde [1]. Sie verändert mindestens einen Parameter einer Kompo-

nente des Supersystems. Diese Komponente heißt Zielkomponente. Das Auto (tech-

nische System) wurde z.B. entwickelt, um Personen (Zielkomponente) von einem Ort

A zu einem anderen Ort B (Veränderung des Parameters Position der Personen) zu

befördern. Die Zielkomponente ist immer eine Komponente des Supersystems und

nicht des technischen Systems. Die Bestimmung der Hauptfunktion ist oft schwierig

und bedarf einer gewissen Übung und Routine. Sie ist aber für den Erfolg der Funk-

tionsanalyse wesentlich. Durch eine nicht korrekt bestimmte Hauptfunktion kann die

Analyse in eine ganz andere Richtung gelenkt werden und im ungünstigsten Fall zu

keiner geeigneten Lösung der Aufgabe führen.

Hauptfunktion(z.B. Person bewegen)

Supersystem

zu analysierendes technisches System

(z.B. Auto)

Supersystem-Komponente

Supersystem-Komponente

Supersystem-Komponente

Zielkomponente(z.B. Person)

Bild 3.6: Beziehung zwischen Hauptfunktion, Zielkomponente und technischem System [1]

Beispielsweise sollen für einen Motorradhelm die Hauptfunktion und die Zielkomponen-

te bestimmt werden. Der Helm interagiert während seines Einsatzes normalerweise mit

dem Kopf des Motorradfahrers und bei einem Unfall oft mit einem harten Gegenstand

z.B. der Straße oder einem Auto. Im Bild 3.7 sind die Beziehungen des Motorradhelms

beim unfallfreien Fahren dargestellt. Der Helm wird vom Kopf gehalten. Er selbst führt

in diesem Moment keine Funktion auf den Kopf aus, denn er ändert oder erhält kei-

nen Parameter des Kopfes. Der Kopf bleibt genauso, wie er auch ohne Helm wäre. Er

interagiert auch nicht mit einem harten Gegenstand.

Page 22: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 18

Motorradhelmharter Gegenstand Kopfhält

Bild 3.7: Beziehungen des Helms beim unfallfreien Fahren

Im Bild 3.8 sind die Beziehungen der drei Komponenten bei einem Unfall dargestellt.

Der Helm stößt mit dem harten Gegenstand zusammen und verhindert, dass der harte

Gegenstand mit dem Kopf in Berührung kommt. Dadurch können Verletzungen ver-

mieden oder reduziert werden. Er kann aber den Stoß nicht ganz auffangen und gibt

ihn in abgeschwächter Form an den Kopf weiter.

Motorradhelmharter Gegenstand Kopfhält

deformiert

weist ab

drückt

Bild 3.8: Beziehungen des Helms beim Unfall

Die Hauptfunktion des Systems Motorradhelm ist hier harten Gegenstand abweisen

und die Zielkomponente ist der harte Gegenstand. Es könnte auch angenommen wer-

den, dass die Hauptfunktion Kopf schützen sei. Diese Funktion kommt allerdings bei

den betrachteten Beziehungen (vgl. Bild 3.7und 3.8) nicht vor und ist nicht die Haupt-

funktion dieses Systems.

In der dritten Spalte des Komponentenmodells (Bild 3.5) befinden sich die bereits wäh-

rend des Aufstellens der Hierarchiestufen identifizierten und ausgewählten Komponen-

ten des zu analysierenden Systems. In der letzten Spalte werden die Elemente des

Supersystems, die mit dem technischen System interagieren, aufgeführt. Eine einfa-

che Merkregel zum Unterscheiden der Komponenten des technischen Systems und

des Supersystems ist, dass die Komponenten des Supersystems während der Unter-

suchung als gegeben angesehen werden und vom Projektteam nicht veränderbar sind

[14]. Das heißt natürlich nicht, dass diese Komponenten generell nicht modifizierbar

sind, aber bei der Verwendung dieses technischen Systems ist es nicht möglich. Soll-

te es doch erwünscht sein, müsste das zu analysierende technische System anders

definiert werden.

Komponentenmodell eines Linearmotors

Im Folgenden wird als Beispiel ein Linearmotor betrachtet, der im Bild 3.9 dargestellt

ist. Die Führung des Rotors erfolgt mit Hilfe von vielen Permanentmagneten, die sich

Page 23: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 19

an den Schienen befinden. Die Schienen sind an ihren Stößen mit sogenannten Stoß-

verbindern zusammengefügt. In diesen Stößen können sich unter anderem Staub,

Flüssigkeiten und Verunreinigungen ansammeln, die den Motor schädigen könnten

besonders, wenn der Rotor sie in die Stoßfuge schiebt. Beispielsweise könnten kleine

Metallstücke, die sich dadurch verhakt haben und hochstehen, das System blockieren.

Um das zu verhindern, wird die Schiene durch eine angeklebte Abdeckung (Plastikfilm)

geschützt [1].

RotorAbdeckung

Schienen

Bild 3.9: Abbildung eines Linearmotors [1]

Das Bild 3.10 zeigt das Komponentenmodell des Linearmotors. Das zu analysieren-

de technische System heißt Synchron-Linearmotor. Die Hauptfunktion des Systems

besteht im Bewegen des Rotors. Das technische System besteht aus den Kompo-

nenten Permanentmagnete, Schienen, Stoßverbinder, Klebstoff und Abdeckung. Der

Rotor ist die Zielkomponente und ist somit eine Komponente des Supersystems. Wei-

tere Supersystem-Komponenten sind Staub, Flüssigkeit und Verunreinigungen. Staub,

Flüssigkeiten und Verunreinigungen können zu einer Komponente des Supersystems

zusammengefasst werden, da sie ähnliche Auswirkungen auf das technische System

haben.

technisches System Hauptfunktion

Rotor bewegen

Rotor

Schienen Staub

Flüssigkeit

Abdeckung Verunreinigungen

Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Synchron-Linearmotor

Permanentmagnete

Stoßverbinder

Bild 3.10: Komponentenmodell des Linearmotors [1]

Page 24: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 20

3.1.2 Interaktionsanalyse

Als nächster Schritt folgt die Interaktionsanalyse. Bei ihr werden die Interaktionen der

Komponenten des technischen Systems untereinander sowie mit den Komponenten

des Supersystems identifiziert [1]. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in ei-

ner Interaktionstabelle festgehalten.

+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Kom

pone

nte

1

Kom

pone

nte

2

Kom

pone

nte

3

Kom

pone

nte

4

Komponente 1 - + + - - +

Komponente 2 + - - + - +

Komponente 3 + - - + - -

Komponente 4 - + + + - -

- - - - - +

+ + - - + -

Zie

lkom

pone

nte

Sup

ersy

stem

K

ompo

nent

e1

Zielkomponente

Supersystem Komponente 1

Bild 3.11: Interaktionstabelle [1]

Ein allgemeines Beispiel dieser Tabelle ist im Bild 3.11 dargestellt. Die Erstellung der

Tabelle erfolgt nach bestimmten Regeln. Zunächst werden die während der Kompo-

nentenanalyse ermittelten Komponenten des technischen Systems und seines Super-

systems in der gleichen Reihenfolge einmal in der obersten Zeile und in der linken

Spalte aufgeführt. Als Nächstes werden die restlichen freien Zellen der Tabelle ausge-

füllt. Interagieren zwei Komponenten miteinander, so wird in die zugehörige Zelle ein

„+” Zeichen geschrieben. Liegt keine Interaktion vor, wird dies mit einem „-” Zeichen

gekennzeichnet. Beispielsweise bedeutet das „+” Zeichen in der Zelle mit der Zeile der

Komponente 2 und Spalte der Komponente 4 aus der Interaktionstabelle (Bild 3.11),

dass diese beiden Komponenten miteinander interagieren. Es ist auch möglich, dass

eine Komponente mit sich selbst interagiert wie die Komponente 4 in dem betrachte-

ten Beispiel. Die Zellen, die dies anzeigen, liegen auf einer Diagonalen, die von links

oben nach rechts unten verläuft. Ein Beispiel für eine mit sich selbst interagierende

Komponente ist ein Heuhaufen. Bei falscher Lagerung kann er sich durch die enorme

Wärmeentwicklung selbst entzünden.

Page 25: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 21

Alle Komponenten werden sowohl in der Zeile als auch in der Spalte aufgeführt. Da-

durch gibt es jeweils zwei Zellen in der Tabelle, die die gleiche Kombination der Kompo-

nenten betrachten und somit gleich ausgefüllt werden müssen. Ausgenommen davon

sind die Zellen, die eine Interaktion einer Komponente mit sich selbst anzeigen. Da die

Komponenten in der Zeile und in der Spalte in der gleichen Ordnung aufgeführt wer-

den, muss bei einer korrekt ausgefüllten Interaktionstabelle eine Symmetrielinie von

links oben nach rechts unten durch die Tabelle verlaufen. Sollte dies nicht zutreffen,

müssen die betroffenen Zellen nochmals überprüft werden.

Im letzten Schritt erfolgt die Überprüfung, ob es Komponenten in der Tabelle gibt, die

mit keiner anderen Komponente aus der Tabelle interagieren. Dies liegt vor, wenn in der

zur Komponente gehörenden Zeile bzw. Spalte kein „+” eingetragen ist. Dabei bleibt

unberücksichtigt, ob eine Komponente mit sich selbst interagiert. Komponenten, bei

denen dies zutrifft, werden aus der Tabelle entfernt [1].

Kom

pone

nte

1

Kom

pone

nte

2

Kom

pone

nte

3

Kom

pone

nte

4

Zie

lkom

pone

nte

Komponente 1 - + - - - +

Komponente 2 + - - + - +

Komponente 3 - - - - - -

Komponente 4 - - - + - -

Zielkomponente - - - - - +

+ + - - + -

Sup

ersy

stem

K

ompo

nent

e 1

Supersystem Komponente 1

+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Komponente 3 interagiert mit keiner anderen Komponente

Keine diagonale Symmetrie derInteraktionsmatrix

Kom

pone

nte

1

Kom

pone

nte

2

Kom

pone

nte

3

Kom

pone

nte

4

Kom

pone

nte

1

Komponente 1 - + - - - +

Komponente 2 + - - + - +

Komponente 3 - - - - - -

Komponente 4 - - - + - -

- - - - - +

+ + - - + - Komponente 1

Zie

lkom

pone

nte

Sup

ersy

stem

Zielkomponente

Supersystem

Symmetrielinie

Bild 3.12: Inkorrekte Interaktionstabelle

Welche Fehler und Besonderheiten auftreten können, zeigt das Bild 3.12. Beim Über-

prüfen der diagonalen Symmetrie ist eine Unregelmäßigkeit feststellbar. In der Zelle

der Zeile der Komponente 4 und der Spalte Komponente 2 ist ein „-” eingetragen. Das

bedeutet, es liegt keine Interaktion zwischen den beiden Komponenten vor. Allerdings

ist der Inhalt der Zelle, bei der sich die Zeile der Komponente 2 und die Spalte der

Komponente 4 kreuzen, ein „+”, welches wiederum bedeutet, dass beide Komponen-

ten miteinander interagieren. Hier muss noch einmal der Sachverhalt geprüft und die

Page 26: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 22

Interaktionstabelle korrigiert werden. Als Nächstes erfolgt die Überprüfung, ob es ei-

ne Komponente gibt, die mit keiner anderen Komponente interagiert. In jeder Zelle,

die anzeigt, ob eine Interaktion der Komponente 3 mit einer anderen Komponenten

stattfindet, steht ein „-”. Das bedeutet, dass die Komponente 3 mit keiner anderen

betrachteten Komponente interagiert. Eine weitere Betrachtung ist daher nicht erfor-

derlich. Sie sollte aus der Interaktionstabelle entfernt werden. Gehört die Komponente

3 zum analysierenden technischen System, stellt sich natürlich die Frage, aus welchen

Gründen sie sich im technischen System befindet und ob sie eventuell entfernt werden

kann.

Interaktionstabelle des Linearmotors

Nachstehend wird die Interaktionsanalyse am Beispiel Linearmotor durchgeführt. In

die erste Zeile und Spalte werden in gleicher Reihenfolge die Komponenten des tech-

nischen Systems und des Supersystems eingetragen, die in der Komponentenanalyse

identifiziert wurden. Danach erfolgt die Untersuchung, welche Komponenten miteinan-

der interagieren und welche nicht. Das Ergebnis wird in die Interaktionstabelle einge-

tragen. Im Bild 3.13 ist die vollständig ausgefüllte Interaktionstabelle des Linearmotors

dargestellt.

Schienen Klebstoff Abdeckung Rotor

- + - - - + -

Schienen + - + + - + +

Stoßverbinder - + - - - - +

Klebstoff - + - - + - -

Abdeckung - - - + - - +

Rotor + + - - - - +

- + + - + + -

Permanent- magnete

Stoß-verbinder

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreini-gungen

Permanent-magnete

Staub, Flüssig-keiten, Verun-reinigungen

+: mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Bild 3.13: Interaktionstabelle des Linearmotors [1]

Page 27: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 23

3.1.3 Funktionsmodellierung

Nach der Komponentenanalyse und der Interaktionsanalyse folgt die Funktionsmodel-

lierung. Sie ist der wesentlichste Schritt der Funktionsanalyse. Die Komponenten- und

die Interaktionsanalyse können als Vorarbeit für diesen Schritt angesehen werden. Das

Ziel der Funktionsmodellierung ist, ein Funktionsmodell des zu analysierenden tech-

nischen Systems mit seinem Supersystem zu erstellen und damit dessen Ist-Zustand

abzubilden. Das Funktionsmodell beschreibt die im System und seinem Supersystem

auftretenden Funktionen. Zusätzlich können auch weitere Informationen wie die Kos-

ten enthalten sein [1].

Die wesentlichen Elemente eines Funktionsmodells sind die Funktionen. Daher wird

zunächst auf diese näher eingegangen. In diesem Zusammenhang ist eine Funktion

eine Aktion, die von einer Komponente ausgeführt wird, um den Parameter einer an-

deren Komponente zu verändern oder zu erhalten [14].

Die Komponente (vgl. Bild 3.14), welche die Aktion ausführt, ist der Funktionsträger.

Die Komponente auf welche der Funktionsträger wirkt, wird als Objekt der Funktion

bezeichnet. Ein Parameter ist in diesem Zusammenhang eine Größe der Komponente

wie beispielsweise ihre Temperatur oder ihre Position [1].

Funktionsträger Objekt der FunktionAktion

Bild 3.14: Beziehung zwischen Funktionsträger und Objekt der Funktion

Ein Beispiel für eine Veränderung eines Parameters des Objekts der Funktion durch

eine Aktion, die von einem Funktionsträger ausgeht, ist das Bewegen von Schmutz von

A nach B durch einen Besen. Der Parameter Position des Schmutzes wird durch die

Aktion bewegen von Ort A nach Ort B verändert. Eine Funktion liegt nicht nur vor, wenn

sich ein Parameter eines Objekts durch eine Aktion verändert sondern auch, wenn ein

Parameter auf Grund einer Aktion nicht verändert wird. Ein Beispiel dafür ist ein an

der Wand mit einem Nagel befestigter Bilderrahmen. Das Objekt der Funktion ist hier

der Bilderrahmen. Der Nagel verhindert eine Veränderung des Parameters Position

des Bilderrahmens. Es liegt hier eine Funktion vor, die den Parameter Position des

Bilderrahmens erhalten und nicht verändern soll. Wichtig ist, dass dies durch diese

Page 28: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 24

Funktion erreicht wird. Bei sonst gleicher Ausgangssituation und ohne die Funktion

des Haltens würde der Bilderrahmen auf den Boden fallen und somit seinen Parameter

Position verändern.

Es gibt zur Zeit keine einheitliche Auffassung darüber, was die Funktion genau be-

schreibt. Bei dem eben genannten Beispiel könnte der Besen bewegt den Schmutz,

bewegt Schmutz oder aber nur bewegt die Funktion sein. Nach der oben benutzten

Definition (vgl. auch Bild 3.14) werden sowohl Funktionsträger, Objekt der Funktion als

auch die Aktion als Bestandteile der Funktion betrachtet. Bei der Suche nach neuen

Lösungen bietet es sich an, nur das Objekt der Funktion und die Aktion als Funktion

zu betrachten und sich dann neue Lösungsmöglichkeiten durch die Suche nach einem

Funktionsträger zu erarbeiten. Es besteht auch die Ansicht, dass allein die Aktion ei-

ne Funktion ist. In dieser Arbeit jedoch wird eine sehr weiche Begriffsabgrenzung der

Funktion verwendet. Der Begriff Funktion wird sowohl für die Kombination aus Funk-

tionsträger, Aktion und Objekt der Funktion als auch für die Kombination aus Aktion

und Objekt der Funktion verwendet. Die Abgrenzung zwischen den Begriffen Funktion

und Aktion zu treffen ist erheblich komplexer. In dieser Arbeit wird von Aktionen ge-

sprochen, wenn es ausschließlich um eine Tätigkeit z.B. erwärmen geht oder explizit

nur die Tätigkeit, die zwischen zwei Objekten stattfindet, betrachtet wird. Sobald eine

nähere Beschreibung oder eine Bewertung der Tätigkeit erfolgt, die ohne Berücksichti-

gung oder Kenntnis des Objekts der Funktion nicht möglich wäre, wird sie als Funktion

bezeichnet. Beispielsweise ist eine Beurteilung, ob erwärmen nützlich oder schädlich

ist, ohne zusätzliche Kenntnisse nicht möglich. Das Erwärmen von Essen kann nütz-

lich, die Erwärmung der Erdpole aber schädlich sein. Erst wenn es auf ein Objekt, auf

das es wirkt, bezogen wird, ist eine Beurteilung möglich. Da das Objekt der Funkti-

on dazu notwendig ist, wird somit von nützlichen oder schädlichen Funktionen jedoch

nicht von nützlichen oder schädlichen Aktionen gesprochen.

Prinzipiell gibt es drei Bedingungen, mit denen geprüft werden kann, ob eine Funktion

stattfindet [1].

1. Sowohl der Funktionsträger als auch das Objekt der Funktion müssen Kompo-

nenten sein. Im Abschnitt über die Komponentenanalyse wurden die Komponen-

ten bereits näher beschrieben. Demnach ist der Ausdruck Heizung erhöht die

Temperatur keine gültige Funktion. Die Temperatur ist ein Parameter der Luft

Page 29: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 25

und damit keine Komponente. Die Funktion müsste hier Heizung erwärmt Luft

lauten.

2. Eine weitere Voraussetzung für eine Funktion ist, dass der Funktionsträger mit

dem Objekt der Funktion interagiert. Bevor der Bilderrahmen an den Nagel ge-

hängt wird, interagieren die beiden Komponenten nicht miteinander. Es liegt keine

Funktion vor. Erst wenn der Bilderrahmen am Nagel hängt, besteht eine Interak-

tion zwischen beiden.

3. Die letzte Bedingung ist, dass mindestens ein Parameter des Objekts der Funkti-

on auf Grund der Interaktion sich ändert oder beibehalten wird. Liegen der Bilder-

rahmen und der Nagel, bevor dieser in die Wand geschlagen wird, nebeneinander

und berühren sich, besteht zwar eine Interaktion, allerdings wird kein Parameter

des Bilderrahmens oder des Nagels dadurch verändert oder beibehalten. Es liegt

somit keine Funktion vor.

Objekt der FunktionFunktionsträger /

Objekt der Funktion

Funktionsträger Funktionsträger /

Objekt der Funktion

Aktion 1

Aktion 2

Aktion 5

Aktion 4 Aktion 3

Bild 3.15: Beispiel für Funktionsträger und Objekte der Funktion [1]

Es ist auch möglich, dass eine Komponente sowohl Funktionsträger als auch Objekt

der Funktion ist. Bild 3.15 zeigt ein allgemeines Beispiel für die verschiedenen mög-

lichen Positionen, die eine Komponente einnehmen kann. Das Objekt, welches nur

als Funktionsträger dient, interagiert mit zwei anderen Objekten und ändert oder er-

hält dadurch Parameter dieser Komponenten. Von dem Objekt auf das die Aktion 1

und 5 wirken geht keine Aktion auf andere Objekte aus. Daher handelt es sich hier

nur um ein Objekt der Funktion. Auf die beiden übrigen Objekte wirken Funktionen

und es gehen auch welche von ihnen aus. Daher handelt es sich hier jeweils sowohl

um einen Funktionsträger als auch um ein Objekt der Funktion. Beim Fahrradfahren

beispielsweise bewirkt der Radfahrer (Funktionsträger), dass sich das Fahrrad (Objekt

der Funktion) bewegt. Das Fahrrad (Funktionsträger) wiederum bringt den Radfahrer

(Objekt der Funktion) an einen anderen Ort. Somit sind Fahrrad und Radfahrer sowohl

Page 30: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 26

Funktionsträger als auch Objekt der Funktion. Welche Rolle sie gerade einnehmen

hängt von der Funktion ab, die gerade betrachtet wird.

Person A Person Bkommunizieren

Person A Person Binformiert

informiert

Bild 3.16: Korrekte Darstellung von Funktionen im Funktionsmodell

Bei der Funktionsanalyse ist weiterhin zu beachten, dass eine Funktion jeweils nur

einen Funktionsträger und ein Objekt der Funktion besitzt. Somit sollte in der Funk-

tionsanalyse beispielsweise der Sachverhalt Person A unterhält sich mit Person B

nicht, wie im Bild 3.16 oben, als Person A kommuniziert mit Person B dargestellt wer-

den. Damit wären Person A und Person B gleichzeitig sowohl Funktionsträger als auch

Objekt der Funktion einer einzigen Funktion. Dies könnte zu Problemen beim Aufstel-

len des Funktionsmodells und vor allem beim Bestimmen von Funktionsrängen führen.

Dieser Sachverhalt wird daher durch die beiden Funktionen Person A informiert Person

B und Person B informiert Person A dargestellt.

Funktionskategorien

nützliche Funktion schädliche Funktion

Funktion

Bild 3.17: Die Funktionskategorien [1]

Wie im Bild 3.17 dargestellt lassen sich die Funktionen bei der Funktionsanalyse in

die beiden Kategorien nützliche oder schädliche Funktion aufteilen [14]. Eine nützliche

Funktion liegt vor, wenn die Parameter des Objekts der Funktion in die gewünschte

Richtung beeinflusst werden. Eine schädliche Funktion hingegen verschlechtert des-

sen Parameter. Mikrowelle erwärmt Wasser ist eine nützliche Funktion, denn der Pa-

rameter Temperatur des Wassers wird in die richtige Richtung verändert. Die Funktion

Mikrowelle stört Herzschrittmacher hat negative Auswirkungen auf den Herzschritt-

macher und ist somit eine schädliche Funktion. Bei manchen Funktionen hängt die

Page 31: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 27

Einteilung in eine Kategorie vom Blickwinkel des Betrachters ab. Die Funktion Essen

erhitzen ist nützlich zum Abtöten von Keimen und Bakterien im Essen. Diese Funkti-

on ist allerdings gleichzeitig schädlich für den Vitamingehalt des Essens, der dadurch

reduziert wird.

Die nützlichen Funktionen können weiter unterschieden werden. Nicht immer ist das

Ergebnis einer nützlichen Funktion optimal. Daher kann zusätzlich eine Bewertung

des Erfüllungsgrads nützlicher Funktionen erfolgen. Der Erfüllungsgrad einer Funkti-

on kann, wie im Bild 3.18 dargestellt, unzureichend, normal oder überzogen sein [14].

Der Erfüllungsgrad lässt sich durch die Differenz zwischen der geforderten und der

aktuellen Veränderung bzw. Erhaltung der Parameter des Objekts der Funktion be-

stimmen. Es handelt sich um eine nützliche Funktion mit unzureichendem Erfüllungs-

grad, wenn die vorgegebene Veränderung bzw. Erhaltung der Parameter nicht erreicht

wird. Wenn der benutzte Staubsauger auf Grund zu geringer Saugkraft nicht den ge-

samten Schmutz entfernt, sondern nur einen Teil davon, so handelt es sich bei der

Funktion Staubsauger entfernt Schmutz trotzdem um eine nützliche Funktion. Ein Teil

des Schmutzes wird entfernt, allerdings ist der Erfüllungsgrad der nützlichen Funkti-

on nicht optimal sondern unzureichend. Der Erfüllungsgrad einer nützlichen Funktion

ist hingegen überzogen, wenn die aktuelle Veränderung größer ist als die gewünschte

Veränderung bzw. Erhaltung. Der Staubsauger entfernt beispielsweise nicht nur den

Schmutz, sondern saugt zusätzlich nicht fest verlegte Teppiche stark an. Der Staub-

sauger übererfüllt seine Aufgabe. Es wäre besser, wenn er nur den Schmutz entfernen

und Teppiche nicht so stark ansaugen würde. Stimmt die geforderte und die tatsächli-

che Veränderung bzw. Erhaltung des betrachteten Parameters überein, so handelt es

sich um eine nützliche Funktion mit einem normalen Erfüllungsgrad.

unzureichend

normal

überzogen

Erfüllungsgrad

Bild 3.18: Der Erfüllungsgrad von nützlichen Funktionen [1]

Tabellarisches und grafisches Funktionsmodell

Als Nächstes wird das Funktionsmodell im Einzelnen näher vorgestellt. Es kann sowohl

grafisch als auch tabellarisch aufgestellt werden. Im tabellarischen Modell werden die

Page 32: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 28

Informationen systematisch dargestellt. Das grafische Modell hilft dabei das technische

System zu visualisieren.

Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Kommentare

Komponente 1

Aktion 1 Zielkomponente U N

Aktion 3 Komponente 4 U I

Komponente 2

Aktion 4 Komponente 1 U N

Aktion 7 Komponente 4 U E

Komponente 3

Aktion 2 Zielkomponent U I

Aktion 9 Komponente 2 H -

U N

Komponente 4

Aktion 6 Komponente 2 U N

Zielkomponente

Aktion 8 Komponente 4 U N

Supersystem Komponente 1

U N

U N

Supersystem Komponente 2

Aktion 12 Komponente 4 U N

beachten, dass...

Aktion 5 Supersystem Komponente 1

Aktion 10 Zielkomponente

Aktion 5 Supersystem Komponente 2

Funktionsträger

der Name der Funktion -setzt sich zusammen aus Aktion und Objekt der Funktion

mögliche Kategorien:● U: (useful) nützliche Funktion● H: (harmful) schädliche Funktion

mögliche Erfüllungsgrade bei nützlichen Funktionen:● I: (insufficient) unzureichender Level● E: (excessive) überzogener Level● N: (normal) normaler Level

Bild 3.19: Beispiel eines tabellarischen Funktionsmodells (vgl. [1])

Ein allgemeines Beispiel für ein tabellarisches Funktionsmodell befindet sich im Bild

3.19. Das Funktionsmodell ist eine Tabelle mit den Spalten Funktion, Kategorie, Erfül-

lungsgrad und Kommentare. Für das Erstellen des Funktionsmodells wird die bereits

ermittelte Interaktionstabelle verwendet. Es bietet sich an, die Interaktionstabelle sys-

tematisch durchzugehen, um keine Funktion zu vergessen. Zunächst wird die erste

Komponente aus der Tabelle ausgewählt und die gesamte dazugehörende Zeile der

Interaktionstabelle auf „+” Zeichen untersucht. Zellen mit einem „-” Zeichen brauchen

nicht weiter berücksichtigt zu werden, da die dazugehörenden Komponenten nicht in-

teragieren und somit auch keine Funktionen vorliegen. Bei einem „+” liegt eine In-

Page 33: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 29

teraktion der betrachteten Komponente mit einer anderen Komponente vor. Da zwei

Komponenten miteinander interagieren können, ohne eine Funktion auszuführen, wird

zunächst geklärt, ob Funktionen zwischen den beiden Komponenten stattfinden. Es

wird untersucht, ob ein Parameter einer der beiden Komponenten auf Grund der In-

teraktion sich ändert oder erhalten bleibt. Besteht eine Funktion, wird überprüft, ob es

sich bei der ausgewählten Komponente um den Funktionsträger handelt. Sollte dies

nicht der Fall sein, wird die gleiche Vorgehensweise beim nächsten „+” Zeichen in der

Tabelle wiederholt. Ist die betrachtete Komponente ein Funktionsträger, wird er wie die

Komponente 1 im Bild 3.19 oben in die Tabelle des Funktionsmodells eingetragen.

Als Nächstes werden in die nächste Zeile die Informationen über die gerade ermittelte

Funktion geschrieben. Die erste Spalte enthält den Namen der gerade betrachteten

Funktion. Der Name setzt sich aus der Bezeichnung für die Aktion und dem Objekt der

Funktion zusammen. Die Spalte Kategorie gibt an, ob es sich um eine nützliche oder

schädliche Funktion handelt. Dazu werden die englischen Abkürzungen U (useful) und

H (harmful) verwendet. Der Erfüllungsgrad bei nützlichen Funktionen wird in der nächs-

ten Spalte vermerkt. Hier besteht die Auswahl zwischen überzogen (E für excessive),

normal (N) und unzureichend (I für insufficient). Schädliche Funktionen besitzen keinen

Erfüllungsgrad.

Nachdem die Zeile für die betrachtete Funktion ausgefüllt ist, wird zum nächsten „+”

Zeichen in der Interaktionstabelle gesprungen und die Vorgehensweise wie beschrie-

ben wiederholt. Geht von der gerade betrachteten Komponente noch eine weitere

Funktion aus, muss der Funktionsträger nicht ein zweites Mal in das Funktionsmodell

eingetragen werden. Die nächste Funktion wird direkt unter die vorherige geschrieben.

Diese Vorgehensweise wird solange wiederholt, bis für die betrachtete Komponente

die gesamte Zeile bzw. Spalte der Interaktionstabelle auf „+” Zeichen untersucht wur-

de. Es sind nun alle Funktionen, die von dieser Komponente ausgehen, berücksichtigt

und in die Tabelle eingetragen. Dies wird für alle übrigen Komponenten des zu analy-

sierenden technischen Systems und des Supersystems wiederholt.

Im Bild 3.20 ist das grafische Funktionsmodell des betrachteten Beispiels dargestellt.

Die Abbildung enthält alle erfassten Komponenten und Funktionen. Zur besseren Über-

sichtlichkeit besitzen die Komponenten des technischen Systems, die Zielkomponente

und die übrigen Komponenten des Supersystems verschiedene Symbole. Der Pfeil, der

Page 34: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 30

eine Funktion darstellt, geht dabei von dem Funktionsträger aus und zeigt mit seiner

Spitze auf das Objekt der Funktion. Er ist mit dem Namen der Aktion, die die Funktion

ausführt, versehen. Zur Unterscheidung von nützlichen und schädlichen Funktionen

werden verschiedene Pfeildarstellungen verwendet. Der Erfüllungsgrad der nützlichen

Funktionen ist durch verschiedene Strichstärken und -arten dargestellt.

Komponente 1 Komponente 2

Komponente 3

Komponente 4

Supersystem Komponente 1

Supersystem Komponente 2

Zielkomponente

Aktion 1

Aktion 3

Aktion 4 Aktion 6

Aktion 7

Aktion 8

Aktion 5

Aktion 2

nützliche Funktion – überzogen

nützliche Funktion – unzureichend

schädliche Funktion

Aktion 9

nützliche Funktion – normal

Aktion 10

Aktion 11

Aktion 12

Komponente des technischen Systems

Komponente des Supersystem

Zielkomponente

Bild 3.20: Grafisches Funktionsmodell (vgl. [1])

Tabellarisches und grafisches Funktionsmodell des Linearmotors

Entsprechend der vorgestellten Vorgehensweise wird das tabellarische Funktionsmo-

dell des Linearmotors (Bild 3.21), unter Verwendung der Interaktionstabelle (Bild 3.13),

aufgestellt. Alle nützlichen Funktionen haben einen normalen Erfüllungsgrad. Nur die

Funktion stoppt Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen der Abdeckung ist unzurei-

chend.

Page 35: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 31

Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Kommentare

Permanentmagnete

bewegen Rotor U N

Schienen

halten Rotor U N

halten Permanentmagnete U N

halten Klebstoff U N

Stoßverbinder

hält Schienen U N

Klebstoff

hält Abdeckung U N

Abdeckung

stoppt Staub etc. U I

Rotor

führt Staub etc. H -

Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen

beschädigt Schienen H -

beschädigt Stoßverbinder H -

U: nützliche FunktionH: schädliche Funktion

N: normaler ErfüllungsgradI: unzureichender Erfüllungsgrad

Bild 3.21: Tabellarisches Funktionsmodell des Linearmotors [1]

Das grafische Funktionsmodell des Linearmotors ist im Bild 3.22 aufgeführt.

hält

beschädigtführt

Klebstoff

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Abdeckung

Schienen

halten

stoppt

bewegen

halten

halten

hält

beschädigt

Rotor

nützliche Funktion(unzureichend)

schädliche Funktion

nützliche Funktion(normal)

Komponente des technischen Systems

Komponente des Supersystem

Zielkomponente

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Bild 3.22: Grafisches Funktionsmodell des Linearmotors [1]

Aus dem Funktionsmodell ergeben sich Aufgabenstellungen zur Verbesserung des

Systems. Schädliche Funktionen sollen verhindert und nützliche Funktionen mit un-

zureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad verbessert werden.

Page 36: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 32

Für den Linearmotor ergeben sich daraus folgende Aufgabenstellungen [1]:

• Wie kann verhindert werden, dass der Rotor Staub, Flüssigkeiten und Verunrei-

nigungen vor sich herschiebt?

• Wie kann verhindert werden, dass Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen

die Schienen beschädigen?

• Wie kann verhindert werden, dass Staub, Flüssigkeit und Verunreinigungen die

Stoßverbinder beschädigen?

• Wie kann das Abhalten von Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen durch die

Abdeckung verbessert werden?

Zur Verbesserung des Linearmotors sollten für diese Aufgabenstellungen neue Lö-

sungsmöglichkeiten entwickelt werden.

3.2 Wertanalytische Betrachtung

Die Funktionsanalyse ist auch Ausgangspunkt für eine wertanalytische Betrachtung,

die zur Steigerung des Produktwerts eingesetzt wird. Die wertanalytische Betrachtung

ist ein Werkzeug, das mit Hilfe des Werts der einzelnen Komponenten mögliche Stra-

tegien aufzeigt. Der Wert ist das Verhältnis zwischen Funktionalität und Kosten.

Wert =Funktionalitiat

Kosten(3.1)

Die Funktionalität einer Komponente hängt von den Funktionen ab, die von ihr ausge-

hen. Vor allem ist die Anzahl der nützlichen Funktionen, ihre Wichtigkeit und ihr Er-

füllungsgrad relevant. In diesem Abschnitt werden einige Vereinfachungen vorgenom-

men. Schädliche Funktionen sowie Erfüllungsgrade der nützlichen Funktionen werden

nicht berücksichtigt. Auf mögliche Erweiterungen, die diese wieder mit einbeziehen,

wird weiter unten näher eingegangen.

Zur Ermittlung der Funktionalität der einzelnen Komponenten wird das Funktionsmo-

dell bei der wertanalytischen Betrachtung um Funktionsränge erweitert. Dabei gilt grund-

Page 37: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 33

sätzlich, dass eine Funktion um so wichtiger ist, je näher sie bei der Zielkomponente

liegt. Die Funktionen lassen sich dazu in drei Gruppen unterteilen (Bild 3.23).

Zielkomponente

Supersystem Komponente

Komponente des technischen

Systems

Aktion

Aktion

Aktion

: Basisfunktion

: Hilfsfunktion

: Zusatzfunktion

Komponente

Komponente

Komponente

Bild 3.23: Nützliche Funktionen abhängig vom Objekt der Funktion [1]

Eine Funktion ist eine Basisfunktion, wenn es sich beim Objekt der Funktion um die

Zielkomponente handelt. Es liegt eine Hilfsfunktion vor, wenn die Aktion auf eine Kom-

ponente des technischen Systems wirkt. Ist das Objekt der Funktion eine andere Kom-

ponente des Supersystems als die Zielkomponente, so wird sie als Zusatzfunktion be-

zeichnet. Um welche Komponentenart es sich beim Funktionsträger handelt, ist dabei

irrelevant [5].

Da das Objekt der Funktion der Basisfunktionen die Zielkomponente ist, haben sie den

höchsten Rang B (steht für basic). Der Rang der Hilfsfunktionen An setzt sich zusam-

men aus einem A (für auxiliary), das die Hilfsfunktionen kennzeichnet und einer Zahl

n, die den Rangindex der Hilfsfunktionen untereinander beschreibt. Der Rangindex ei-

ner Funktion ist abhängig von den Rängen der Funktionen, die von seinem Objekt der

Funktion ausgehen. Eine Hilfsfunktion besitzt den Rang A1, wenn dessen Objekt der

Funktion eine Basisfunktion ausführt. Dies ist der höchste Rang einer Hilfsfunktion. Zur

Bestimmung des Rangs einer Hilfsfunktion wird der höchste Rang An, also der Rang

mit dem niedrigsten Rangindex n der Funktionen, die von ihrem Objekt der Funktion

ausgehen, gesucht. Der Hilfsfunktion wird der Rang An+1 zugeordnet. Gehen vom Ob-

jekt der Funktion beispielsweise zwei nützliche Funktionen mit den Rängen A2 und A5

aus, so wird der Funktion, die auf dieses Objekt gerichtet ist, der Rang A3 zugeord-

net. Die Zusatzfunktionen verändern Parameter einer Supersystem-Komponente. Sie

sind nicht so wichtig wie die Basisfunktion und bekommen daher den Rang Ad. Dies

steht für additional und bedeutet zusätzlich. Dieser Rang entspricht hier dem höchsten

Rang der Hilfsfunktionen A1 [11].

Page 38: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 34

Bei der vereinfachten wertanalytischen Betrachtung werden die Erfüllungsgrade und

die schädlichen Funktionen nicht betrachtet und somit auch im Funktionsmodell nicht

berücksichtigt.

Das grafische Funktionsmodell des Linearmotors für die wertanalytische Betrachtung

ist im Bild 3.24 dargestellt. In Klammern sind die Ränge der Funktionen angegeben.

Die Funktionen Permanentmagnete bewegen Rotor und Schienen halten Rotor sind

Basisfunktionen und haben den Rang B. Den Rang Ad hat die Funktion Abdeckung

stoppt Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen. Auch die Funktionen Schienen halten

Permanentmagnete und Stoßverbinder hält Schienen erhalten die Rang A1, weil der

höchste Rang der Funktionen, der von ihrem jeweiligen Objekt der Funktion ausgeht,

der Rang B ist. Von der Komponente Abdeckung geht eine Funktion mit dem Rang Ad

aus. Da dieser Rang A1 gleichgesetzt ist, hat die Funktion Klebstoff hält Abdeckung

den Rang A2. Dementsprechend besitzt die Funktion Schienen halten Klebstoff den

Rang A3 [1].

hältKlebstoff

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Abdeckung

Schienen

halten

stoppt

bewegen

halten

halten

hält

Rotor

(B)

(B)

(A1)

(A1)

(Ad A1)

(A2)

(A3)

=

Komponente des technischen Systems

Komponente des Supersystem

Zielkomponente

Bild 3.24: Grafisches Funktionsmodell des Linearmotors für die wertanalytische Betrachtung

Im Bild 3.25 ist das tabellarische Funktionsmodell des Linearmotors dargestellt. Die

Spalten Kategorie und Erfüllungsgrad sind bei der vereinfachten wertanalytischen Be-

trachtung nicht notwendig, da schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher

Funktionen nicht berücksichtigt werden. Für die Ränge der Funktionen wird die neue

Spalte Rang eingeführt.

Page 39: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 35

Funktion Rang Kommentare

Permanentmagnete

bewegen Rotor B

Schienen

halten Rotor B

halten Permanentmagnete A1

halten Klebstoff A3

Stoßverbinder

hält Schienen A1

Klebstoff

hält Abdeckung A2

Abdeckung

stoppt Staub etc. Ad = A1

mögliche Ränge:● B (basic): Basisfunktion● An (auxiliary): Hilfsfunktion

mit dem Rangindex „n“● Ad (additional): Zusatzfunktion

Bild 3.25: Tabellarisches Funktionsmodell des Linearmotors bei der wertanalytischen Betrachtung

Mit Hilfe der Funktionsränge wird die Funktionalität der einzelnen Komponenten ermit-

telt. Jedoch wird nur die Funktionalität der Komponenten des technischen Systems be-

stimmt, da nur diese durch das Projektteam veränderbar sind. Dazu werden den Rän-

gen der Funktionen Punkte zugewiesen. Den niedrigsten Rang besitzt die Hilfsfunktion

mit dem höchsten Rangindex. Sie erhält einen Punkt. Der Rang mit dem zweithöchsten

Rangindex bekommt zwei Punkte. Nach dieser Vorgehensweise werden allen Rängen

der Hilfsfunktionen Punkte zugewiesen. Der Rang Ad der Zusatzfunktionen bekommt

die gleiche Punktzahl wie der Rang A1. Der Rang B der Basisfunktionen erhält die An-

zahl der Punkte von A1 zuzüglich zwei. Die Punkte der Funktionen, die vom gleichen

Funktionsträger ausgehen, werden addiert und normiert, um eine gewisse Vergleich-

barkeit zu erreichen. Dazu wird die höchste Punktzahl zehn gleichgesetzt. Die übrigen

Punkte erhalten, abhängig von ihrer Anzahl, eine Zahl zwischen null und zehn. Die

normierten Werte sind die Funktionalitäten der dazugehörenden Funktionsträger [11].

In der Tabelle 3.1 sind die normierte Funktionalität der Komponenten und die notwen-

digen Informationen für ihrer Berechnung aufgeführt. Der niedrigste Funktionsrang ist

A3 und wird daher mit einem Punkt bewertet. Dem Rang A2 werden zwei Punkte und

den Rängen A1 und Ad drei Punkte zugewiesen. Die Anzahl der Punkte für B beträgt

somit fünf. Im nächsten Schritt werden für die einzelnen Funktionsträger die Punkte

ihrer Funktionen addiert. Von der Komponente Schienen gehen drei Funktionen mit

den Punkten fünf, drei und eins aus. Dies ergibt zusammen neun Punkte für die Schie-

Page 40: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 36

nen. Zur Ermittlung der normierten Funktionalität der einzelnen Komponenten wird die

höchste Punktzahl einer Komponente gesucht. Dies sind hier die Komponente Schie-

nen mit neun Punkten. Den Schienen wird die Funktionalität zehn zugewiesen. Die

Funktionalität der anderen Komponenten ergibt sich aus dem Quotienten ihrer Punkt-

zahl und der maximalen Punktzahl multipliziert mit zehn. Die Funktionalität der Kom-

ponente Permanentmagnete berechnet sich somit aus 59∗ 10 und beträgt damit 5,56.

Tabelle 3.1: Berechnung der Funktionalität der Komponenten des Linearmotors [1]

Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F

Permanentmagnete bewegt Rotor B 5 5 5,56

Schienen halten Rotor B 5 9 10,00

halten Per- A1 3

manentmagnete

halten Klebstoff A3 1

Stoßverbinder hält Schienen A1 3 3 3,33

Klebstoff hält Abdeckung A2 2 2 2,22

Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad 3 3 3,33

Als Nächstes erfolgt die Ermittlung der Herstellkosten für die einzelnen Komponenten.

Die Kosten werden wie die Funktionalität normiert. Dazu werden den höchsten Kos-

ten der Wert 10 zugewiesen. Die anderen Kosten werden durch die höchsten Kosten

geteilt und mit zehn multipliziert. Durch die Normierung besteht eine Vergleichbarkeit

zwischen der Funktionalität und den Kosten der einzelnen Komponenten [11].

Tabelle 3.2: Berechnung der normierten Kosten der Komponenten des Linearmotors [1]

Material- Montage-/ Herstell- Berechnung NormierteKomponente kosten Demontage- kosten der normierten Kosten

[e] kosten [e] [e] Kosten C

Permanentmagnete 25 0 25 25 / 37 x 10 6,76

Schienen 30 5 35 35 / 37 x 10 9,46

Stoßverbinder 13 16 29 29 / 37 x 10 7,84

Klebstoff 2 35 37 37 / 37 x 10 10,00

Abdeckung 10 3 13 13 / 37 x 10 3,51

In der Tabelle 3.2 sind die normierten Kosten der Komponenten des Linearmotors

aufgeführt. Die Herstellkosten der Komponenten setzen sich aus Materialkosten so-

wie Montage- und Demontagekosten zusammen. Die höchsten Kosten verursacht der

Page 41: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 37

Klebstoff mit 37 e. Zur Normierung der Kosten werden die Kosten des Klebstoffs gleich

zehn gesetzt. Damit errechnen sich beispielsweise die normierten Kosten der Schie-

nen aus 3537∗ 10 und betragen 9,46.

Tabelle 3.3: Berechnung des Wertes der Komponenten des Linearmotors

Komponente Funktionalität F Normierte Kosten C Wert V Rangfolge

Permanentmagnete 5,56 6,76 0,82 3

Schienen 10,00 9,46 1,06 1

Stoßverbinder 3,33 7,84 0,43 4

Klebstoff 2,22 10,00 0,22 5

Abdeckung 3,33 3,51 0,95 2

Aus der Funktionalität und den normierten Kosten der Komponenten kann der Wert der

einzelnen Komponenten nach der Formel 3.1 (V = FC

) berechnet werden (vgl. Tabelle

3.3). Die Komponente Schienen hat mit 1,06 den höchsten Wert. Den niedrigsten Wert

besitzt der Klebstoff mit 0,22.

C

F

5 10

5

10C

A

FD

E

B Kosten reduzieren

Komponente eliminierenFunktionalität erhöhen

kein akuter Handlungsbedarf

F: FunktionalitätC: normierte Kosten

Bild 3.26: Stärkediagramm [1]

Für eine differenziertere Betrachtung kann ein Stärkediagramm verwendet werden, das

im Bild 3.26 dargestellt ist. Auf der x-Achse werden die auf zehn normierten Kosten

aufgetragen. Die Funktionalität der Komponenten des zu analysierenden technischen

Systems werden durch die y-Achse berücksichtigt. Für die eingetragenen Komponen-

ten ergeben sich abhängig von ihrer Lage verschiedene mögliche Vorgehensweisen.

Page 42: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 38

Alle Komponenten, die sich im Quadranten oben links befinden, haben eine hohe

Funktionalität bei gleichzeitig geringen Kosten. Diese Komponenten brauchen tenden-

ziell nicht verbessert zu werden, da ihre Funktionalität bereits hoch ist und durch ihre

vergleichsweise geringen Kosten wahrscheinlich keine großen Einsparungen erreicht

werden können. Es besteht kein akuter Handlungsbedarf. Im Gegensatz dazu verur-

sachen die Komponenten aus dem Quadranten rechts unten relativ hohe Kosten bei

geringer Funktionalität. Diese Komponenten sollten möglichst eliminiert werden. Dabei

kann das Trimming helfen, das anschließend vorgestellt wird. Die Komponenten aus

dem Quadranten links unten zeichnen sich durch niedrige Kosten und eine niedrige

Funktionalität aus. Hier sollte versucht werden, die Funktionalität zu erhöhen, indem

diese Komponenten beispielsweise Funktionen von anderen Komponenten überneh-

men, bevorzugt von denen aus dem Quadranten rechts unten, ohne jedoch die Kosten

zu erhöhen. In dem Quadranten oben rechts befinden sich Komponenten, die eine

hohe Funktionalität aber auch relativ hohe Kosten haben. Hier sollten die Kosten, bei

Beibehaltung der hohen Funktionalität, gesenkt werden.

C

1

F

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Klebstoff

Permanent-magnete

Stoßverbinder

Schienen

F: FunktionalitätC: normierte Kosten

Komponente Funktionalität

6,76 5,56

Schienen 9,46 10,00

7,84 3,33

Klebstoff 10,00 2,22

Abdeckung 3,51 3,33

normierte Kosten

Permanent-magnete

Stoßverbinder

Abdeckung

Bild 3.27: Stärkediagramm des Linearmotors [1]

Das Stärkediagramm des Linearmotors ist im Bild 3.27 dargestellt. Die Komponenten

Schienen und Permanentmagnete liegen im oberen rechten Quadranten. Bei beiden

Komponenten sollte eine Kostenreduzierung angestrebt werden. Die Abdeckung be-

findet sich im unteren linken Quadranten. Ihre Funktionalität sollte erhöht werden. Im

Page 43: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 39

unteren rechten Quadranten liegen der Stoßverbinder und der Klebstoff. Für diese

Komponenten bietet sich die Strategie des Trimmens an, die im folgenden Kapitel er-

läutert wird.

3.3 Trimming

Das Trimmen ist ein Verfahren, mit dem eine oder mehrere Komponenten des techni-

schen Systems entfernt und ihre nützlichen Funktionen auf andere Komponenten um-

verteilt werden. Es basiert auf der Idee, dass ein System durch Eliminierung von Kom-

ponenten und Umverteilen von Funktionen vereinfacht werden kann. Es baut auf der

Funktionsanalyse auf und liefert aus Trimmingvarianten Aufgabenstellungen. Das Trim-

ming generiert hypothetische Funktionsmodelle, die durch Lösung der damit einherge-

henden Problemstellungen Wirklichkeit werden könnten. Durch das Trimming können

radikale Innovationen entstehen [14]. Es gibt verschiedene Trimminglevel. Es besteht

dabei eine Bandbreite zwischen radikalem Trimming, bei dem bedeutsame Komponen-

ten des technischen Systems getrimmt werden und inkrementelles Trimming, bei dem

durch das Trimming nur geringe Veränderungen am System erzielt werden [1].

Bei der Auswahl der zu trimmenden Komponenten sollten die Projektziele und die Rah-

menbedingungen berücksichtigt werden. Es bietet sich an, Komponenten auszuwäh-

len, die bedeutende Nachteile haben, z.B. dass von ihnen nützliche Funktionen mit

unzureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad oder schädliche Funktionen aus-

gehen. Komponenten mit relativ hohen Kosten bei einer geringen Funktionalität sind

ebenfalls geeignete Kandidaten für das Trimming [1].

Trimmingregeln

Komponenten des technischen Systems dürfen erst dann entfernt (d.h. getrimmt) wer-

den, wenn alle ihre nützlichen Funktionen auf andere Komponenten umverteilt wurden

und sie keine Funktionsträger mehr für nützliche Funktionen sind. Dafür gibt es drei

grundlegende Regeln.

Die Regel A besagt, dass eine nützliche Funktion, die von der zu trimmenden Kom-

ponente ausgeht, wegfallen darf, wenn das Objekt der Funktion von dieser nützlichen

Funktion entfernt wird. Ist das Objekt der Funktion nicht mehr vorhanden, so sind da-

Page 44: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 40

mit auch alle Funktionen, die auf das Objekt gerichtet sind, nicht mehr notwendig.

Geht von diesem Funktionsträger nur diese eine nützliche Funktion aus, kann er an-

schließend getrimmt werden (wie im Bild 3.28) [14]. Diese Regel ist natürlich nicht

anwendbar, wenn es sich beim Objekt der Funktion um die Zielkomponente handelt.

Denn die Änderung oder Erhaltung von Parametern der Zielkomponente ist der Grund,

weshalb das technische System existiert. Beim Trimming der Zielkomponente würde

dem technischen System seine Grundlage entzogen werden.

Funktionsträger Objekt der FunktionAktion

Bild 3.28: Trimmingregel A [1]

Nach der Regel B kann eine nützliche Funktion der zu trimmenden Komponente auch

entfernt werden, wenn das Objekt der Funktion diese nützliche Funktion selbst aus-

führt. Wird die nützliche Funktion von dem Objekt der Funktion selbst übernommen,

dann ist es somit sowohl Objekt der Funktion als auch Funktionsträger dieser Funktion.

Es ist somit nicht mehr notwendig, dass der frühere Funktionsträger die Funktion noch

ausführt. War dies die einzige nützliche Funktion, die vom Funktionsträger ausging, so

wird dieser nicht mehr benötigt und kann getrimmt werden (vgl. Bild 3.29) [1].

FunktionsträgerObjekt der Funktion

=neuer FunktionsträgerAktion Aktion

Bild 3.29: Trimmingregel B [1]

Eine nützliche Funktion der betrachteten Komponente kann nach Regel C eliminiert

werden, wenn diese Funktion von einem anderen Funktionsträger übernommen wird.

Dadurch, dass der andere Funktionsträger die nützliche Funktion erbringt, ist der alte

Funktionsträger für diese Funktion nicht mehr erforderlich. Er kann, wie im Bild 3.30

dargestellt, entfernt werden, wenn keine nützliche Funktion mehr von ihm ausgeht [14].

Page 45: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 41

Funktionsträger

Objekt der Funktion

Aktion A

andererFunktionsträger

Aktion B

Aktion A

Bild 3.30: Trimmingregel C [1]

Mit diesen drei Regeln können die nützlichen Funktionen der zu trimmenden Kompo-

nente eliminiert oder durch andere Komponenten ausgeführt werden. Wurde für jede

nützliche Funktion der betrachteten Komponente eine der drei Regeln erfolgreich an-

gewandt, kann die Komponente entfernt werden.

Richtlinien für die Auswahl des neuen Funktionsträgers

Wird für das Trimming die Regel C verwendet, muss eine andere Komponente der neue

Funktionsträger für die nützliche Funktion werden. Bei der Auswahl dieser Komponente

helfen die folgenden vier Richtlinien, die eine geeignete Reihenfolge für ihre Auswahl

aufzeigt [1].

Funktionsträger

Objekt der Funktion

Aktion A

anderer Funktionsträger

Aktion B

Aktion A

Bild 3.31: Richtlinie 1 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]

Die erste Richtlinie (vgl. Bild 3.31) besagt, dass die auszuwählende Komponente die

gleiche oder eine ähnliche Funktion an dem Objekt der Funktion ausführen sollte. Bei-

spielsweise besteht die Aufgabe, die Heizkörper eines Raums zu trimmen. Die nützli-

che Funktion des Heizkörpers ist Luft erwärmen. Die Glühbirne erwärmt als ein Neben-

produkt zusätzlich den Raum. Diese Glühbirne könnte so modifiziert werden, dass sie

genug Wärme abstrahlt und dadurch die Funktion Luft erwärmen übernehmen könnte.

Page 46: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 42

Funktionsträger Objekt der Funktion A

Aktion A

Aktion B

Aktion AObjekt derFunktion B

anderer Funktionsträger

Bild 3.32: Richtlinie 2 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]

Nach der zweiten Richtlinie (vgl. Bild 3.32) kann eine Komponente ausgewählt werden,

die eine ähnliche oder gleiche Funktion bereits an einem anderen Objekt ausführt.

Der Backofen im Raum führt die Funktion Essen erwärmen aus. Dies ist eine ähnlich

Funktion wie Raum erwärmen. Der Backofen könnte so verändert werden, dass er

auch diese Funktion ausführt.

Funktionsträger

Objekt der Funktion

Aktion A

Interaktion

Aktion Aanderer

Funktionsträger

Bild 3.33: Richtlinie 3 für die Auswahl eines neuen Funktionsträger [1]

Es kann nach der Richtlinie Nummer drei (vgl. Bild 3.33) eine Komponente als neu-

er Funktionsträger für die nützliche Funktion ausgewählt werden, wenn sie wenigstens

auf irgendeine Art und Weise mit dem Objekt der Funktion interagiert. Bei dem betrach-

teten Beispiel könnte die Wand, die ja mit der Luft interagiert, durch ein Rohrsystem

erwärmt werden, die dadurch die Luft erwärmt.

Funktionsträger

Objekt der Funktion

Aktion A

Aktion Aanderer

Funktionsträger

Bild 3.34: Richtlinie 4 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]

Eine Komponente, die die notwendigen Mittel besitzt, um die Funktion auszuführen,

kann nach der vierten Richtlinie (vgl. Bild 3.34) ausgewählt werden. Zum Erwärmen

Page 47: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 43

der Luft bei dem betrachteten Beispiel, könnte Strom aus der Steckdose zum Heizen

verwendet werden.

Trimmingmodell

Nachdem die grundlegenden Regeln und Richtlinien aufgeführt wurden, wird als Nächs-

tes das Trimmingmodell vorgestellt. Das Trimmingmodell ist das Funktionsmodell des

technischen Systems, wie es nach der Durchführung des Trimming aussehen könnte.

Es ergeben sich einige Trimmingprobleme, die zur Umsetzung des Trimmingmodells

noch gelöst werden müssen. Ein technisches System kann meistens auf mehrere ver-

schiedene Arten getrimmt werden. Für jede Alternative entsteht ein eigenes Trimming-

modell [1].

Zur Erstellung eines Trimmingmodells erfolgt zunächst die Auswahl der Komponen-

te des technischen Systems, die eliminiert werden soll. Daraufhin wird eine nützliche

Funktion der ausgewählten Komponente betrachtet. Für diese Funktion wird die Trim-

mingregel, die am besten für sie geeignet ist, ausgewählt und angewendet. Fällt die

Entscheidung die Regel C zu verwenden, so ist die Wahl eines neuen Funktionsträ-

gers notwendig. Die vier vorgestellten Richtlinien können dabei helfen.

In der Theorie ist es einfach, eine Komponente zu trimmen. Die reale Umsetzung in

das technische System ist schwieriger. In der Regel ist nicht bekannt wie der neue

Funktionsträger die nützliche Funktion überhaupt ausführen kann. Es entsteht daher

durch die Anwendung der Trimmingregel ein Trimmingproblem, das formuliert werden

muss.

Die gerade betrachtete nützliche Funktion ist oft nicht die einzige Funktion, die von

der zu trimmenden Komponente ausgeht. Es müssen daher die gerade vorgestellten

Schritte auch bei allen anderen nützlichen Funktionen der Komponente durchgeführt

werden. Danach ist das Trimming für diese Komponente abgeschlossen und die Kom-

ponente kann entfernt werden. Oft bleibt es aber nicht beim Trimming einer einzelnen

Komponente. Die gerade dargestellte Vorgehensweise wird genauso für alle weiteren

Komponenten, die getrimmt werden sollen, nacheinander durchgeführt [1].

Trimmingmodell des Linearmotors

Beim Beispiel Linearmotor wurde mit Hilfe des Stärkediagramms (siehe Bild 3.27)

entschieden, die Komponente Klebstoff zu trimmen. Der Klebstoff führt die nützliche

Page 48: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 44

Funktion hält Abdeckung aus. Nach der Trimmingregel C soll diese Funktion von einen

neuen Funktionsträger übernommen werden. Dazu wird die Komponente Permanent-

magnete ausgewählt, die die Richtlinie vier eines neuen Funktionsträgers erfüllt. Aus

diesem Trimmingmodell folgt das Trimmingproblem, wie die Permanentmagnete die

Abdeckung halten können. Im Bild 3.35 ist das dazugehörige Trimmingmodell darge-

stellt.

hält

beschädigtführt

Klebstoff

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Abdeckung

halten

stoppt

bewegen

halten

halten

hält

beschädigt

Schienen

Rotor

beschädigtführt

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Abdeckung

halten

stoppt

bewegen

halten

hält

beschädigt

Schienen

Rotor

halten

Trimmingproblem:Wie kann die Funktion hält Abdeckung von der Komponente Permanentmagnete erfüllt werden?

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Bild 3.35: Trimmingmodell für den Linearmotor [1]

Bild 3.36 zeigt eine Lösung dieses Problems mit einer magnetischen Abdeckung, die

durch die Permanentmagnete an der Schiene haftet. Durch eine Anti-Rutsch-Schicht

zwischen den Schienen und der Abdeckung wird der Gleitwiderstand erhöht [24].

Schienen

Magnetische Abdeckung

Bild 3.36: Mögliche Lösung für den Linearmotor [1]

Page 49: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 45

3.4 Erweiterungen

Zu der gerade vorgestellten Funktionsanalyse gibt es einige Erweiterungs- und Er-

gänzungsmöglichkeiten. Dabei werden besonders drei Bereiche näher betrachtet. Zu-

nächst wird auf die Berücksichtigung des Zeitaspekts beim Aufstellen des Funktions-

modells eingegangen. Danach folgt die Beschreibung verschiedener vereinfachender

und erweiternder Varianten zur Funktionalitätsberechnung und Wertbetrachtung. Ab-

schließend werden Ergänzungen beim Trimming beschrieben. Für dieses analytische

Instrument gibt es verschiedene Strategien bei der Auswahl der zu eliminierenden

Komponente.

3.4.1 Erweiterte zeitliche Betrachtung

Bisher wurde nur ein bestimmter zeitlicher Prozess betrachtet. Ein Produkt durch-

lebt allerdings mehrere verschiedene Stationen während seines Lebenszyklusses. Um

Wertsteigerungen auf einem möglichst breiten Gebiet zu ermöglichen, bietet sich bei-

spielsweise eine Berücksichtigung mehrerer verschiedener Zeitscheiben des Objekts

an. Dazu können Funktionsmodelle für die verschiedenen zu berücksichtigenden Zeit-

punkte aufgestellt und anschließend zu einem Modell zusammengeführt werden.

Die Abdeckung auf den Schienen bei dem betrachteten Linearmotor hält über längere

Zeit nicht zuverlässig Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen ab. Sie muss daher

gelegentlich ausgewechselt werden. Ihre Entfernung ist aufwendig und kosteninten-

siv, da der Klebstoff fest an der Abdeckung und den Schienen haftet. Eine zusätzliche

Betrachtung dieses Prozesses ist daher erforderlich. Dazu werden zunächst für den

Linearmotor die beiden verschiedenen Prozesse Betrieb und Demontage der Abde-

ckung betrachtet und anschließend zu einem Funktionsmodell zusammengeführt.

Page 50: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 46

Im Bild 3.37 sind die beiden Funktionsmodelle für die beiden Prozesse abgebildet. Bei

dem Funktionsmodell Demontage der Abdeckung wird die Supersystem-Komponente

Instandhalter benötigt. Der Instandhalter entfernt die Abdeckung und den Klebstoff.

Wie beschrieben ist dies aufwendig, denn der Klebstoff haftet stark an den Schienen

und der Abdeckung. Bei den Funktionen Schienen halten Klebstoff und Klebstoff hält

Abdeckung handelt es sich um nützliche Funktionen mit überzogenem Erfüllungsgrad.

Im Gegensatz dazu haben beide Funktionen im Funktionsmodell Betrieb einen norma-

len Erfüllungsgrad, da es im Betrieb gewünscht wird, dass die Abdeckung fest auf den

Schienen angebracht ist.

hält

beschädigtführt

Klebstoff

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Abdeckung

Schienen

halten

stoppt

bewegen

halten

halten

hält

beschädigt

Rotor

Schienen

Klebstoff

Abdeckung

Instandhalter

halten

hält

entfernt

entfernt

Betrieb Demontage der Abdeckung

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Bild 3.37: Funktionsmodelle des Linearmotors für Betrieb und Demontage der Abdeckung

Im nächsten Schritt erfolgt das Zusammenfassen beider Funktionsmodelle zu einem.

Die Funktionen Schienen halten Klebstoff und Klebstoff hält Abdeckung haben im

Funktionsmodell beim Betrieb einen normalen und bei der Demontage einen über-

zogenen Erfüllungsgrad. Für das gesamte Funktionsmodell wird der überzogene Er-

füllungsgrad verwendet, auch wenn dieser für den Großteil der Zeit normal ist. Das

gesamte Funktionsmodell ist im Bild 3.38 dargestellt.

Page 51: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 47

hält

beschädigtführt

Klebstoff

Stoß-verbinder

Permanent-magnete

Staub, Flüssigkeiten,

Verunreinigungen

Abdeckung

Schienen

halten

stoppt

bewegen

halten

halten

hält

beschädigt

Rotor

Instandhalterentfernt entfernt

(B)

(B)(A1)

(A1)

(A3)(Ad=A1)^

(A2)

(A3) (A2)

nützliche Funktion(überzogen)

nützliche Funktion(unzureichend)

schädliche Funktion

nützliche Funktion(normal)

Bild 3.38: Funktionsmodell des Linearmotors für beide Prozesse

Das Zusammenfassen kann jedoch zu unübersichtlichen Funktionsmodellen führen,

wenn sich z.B. die Funktionsmodelle der betrachteten Prozesse stark unterscheiden.

Aber auch bei Störungen des Systems kann sich das Zusammenfassen als ungünstig

erweisen, wenn besonders relevant ist, dass im Störungsfall wesentliche Funktionen

nicht ausgeführt werden. In diesem Fall sollte auf das Verschmelzen der Funktionsmo-

delle verzichtet und eigene Funktionsmodelle für die einzelnen Zeitscheiben aufgestellt

werden [9]. Für eine genauere Betrachtung ist auch eine Anwendung der Funktions-

analyse bei Prozessen möglich.

Durch das Zusammenfassen kann eine größere zeitliche Spanne in einem Funktions-

modell erfasst werden. Es ist allerdings jeweils abzuwägen, ob eine Vermischung wirk-

lich sinnvoll ist oder ob es nicht zweckmäßiger wäre, mehrere Funktionsmodelle zu

erstellen.

3.4.2 Varianten der Funktionalitäts- und Wertberechnung

Im Abschnitt 3.2 über die wertanalytische Betrachtung wurden bereits die Funktionalitäts-

und Wertberechnung vorgestellt. Die Funktionalitätsberechnung kann an die Erforder-

nisse des Projekts angepasst werden, sei es durch eine Vereinfachung der Berech-

Page 52: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 48

nung oder durch eine Gewichtung der Funktionalität zur Berücksichtigung des Erfül-

lungsgrads. Bei der vorgestellten wertanalytischen Betrachtung wurden einige Verein-

fachungen vorgenommen. Durch die Einführung des Problemrangs kann eine erwei-

terte Wertbetrachtung unter Berücksichtigung von Erfüllungsgraden und schädlichen

Funktionen erreicht werden.

Vereinfachte Funktionalitätsberechnung

Bei der bereits vorgestellten Funktionalitätsberechnung wird zwischen Basis-, Zusatz-

und Hilfsfunktionen unterschieden. Die Hilfsfunktionen werden dabei weiter nach Rang-

folgen unterteilt. Bei der vereinfachten Funktionalitätsberechnung wird auf die differen-

zierte Betrachtung der Hilfsfunktionen verzichtet. Dies ist beispielsweise hilfreich bei

komplexeren technischen Systemen, deren Funktionsmodell ohne geeignete Compu-

terunterstützung aufgestellt wird. Folgende Gewichtung der Funktionsarten bietet sich

an:

Rang B = 3 Punkte

Rang Ad = 2 Punkte

Rang A = 1 Punkt

Dadurch erhalten die Basisfunktionen eine dreimal und die Zusatzfunktionen eine dop-

pelt so hohe Wertigkeit wie die Hilfsfunktionen. Abhängig vom jeweiligen Projekt kön-

nen diese Gewichtungen auch angepasst werden.

Tabelle 3.4: Berechnung der vereinfachten Funktionalität der Komponenten des Linearmotors

Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte Feinf

Permanent- bewegt Rotor B 3 3 6

magnete

Schienen halten Rotor B 3 5 10

halten Permanent- A 1

magnete

halten Klebstoff A 1

Stoßverbinder hält Schienen A 1 1 2

Klebstoff hält Abdeckung A 1 1 2

Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad 2 2 4

Page 53: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 49

Die vereinfachte Funktionalität Feinf ergibt sich aus der Summe der Punkte der Funk-

tionen, die vom selben Funktionsträger ausgehen und deren anschließender Normie-

rung. In der Tabelle 3.4 ist die Funktionalität Feinf der Komponenten des Linearmotors

bei der vereinfachten Berechnung aufgezeigt.

Berücksichtigung des Erfüllungsgrads bei der Funktionalitätsberechnung

Bei der bisherigen Berechnung der Funktionalität wurden die Erfüllungsgrade der je-

weiligen Funktionen nicht beachtet. Die tatsächliche Funktionalität einer Komponente

wird allerdings durch sie beeinflusst. Um dies auch bei der Berechnung der Funktiona-

lität zu berücksichtigen, bietet sich eine Gewichtung abhängig vom Erfüllungsgrad an.

Die Funktionen mit einem normalen Erfüllungsgrad werden bei der Berechnung der

Funktionalität mit dem Faktor 1,0 und unzureichende und überzogene Funktionen mit

dem Faktor 0,5 berücksichtigt (vgl. Tabelle 3.5).

Tabelle 3.5: Gewichtungsfaktor der Erfüllungsgrade bei der Funktionalitätsberechnung

Erfüllungsgrad Gewichtungsfaktor

normal (N) 1,0

überzogen (E) 0,5

unzureichend (I) 0,5

In der Tabelle 3.6 sind die notwendigen Daten zur Berechnung der erweiterten Funktio-

nalität Ferw des Linearmotors zusammengestellt. Die Funktionsränge und Erfüllungs-

grade wurden aus dem Bild 3.38 entnommen. Den niedrigsten Rang nimmt A3 ein,

dem ein Punkt zugewiesen wird. A2 hat dementsprechend zwei Punkte, A1 und Ad

besitzen drei Punkte und der Rang B erhält fünf Punkte. Diese Punkte werden zur

Ermittlung der gewichteten Funktionspunkte der einzelnen Komponenten, abhängig

vom Erfüllungsgrad, mit 1,0 oder 0,5 multipliziert. Als Nächstes erfolgt für alle Kom-

ponenten die Addition der gewichteten Punkte der Funktionen, die von ihr ausgehen.

Die Komponente mit der höchsten Punktzahl erhält die Funktionalität zehn. Für die

übrigen Komponenten werden die entsprechenden Funktionalitäten zwischen null und

zehn errechnet.

Page 54: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 50

Tabelle 3.6: Berechnung der erweiterten Funktionalität der Komponenten des Linearmotors

Funktions- Funktion Funktions- Erfüllungs- Funktions- Σ der Funktio-

träger rang grad punkte Punkte nalität Ferw

Permanent- bewegt Rotor B N 1,0 x 5 5 5,88

magnete

Schienen halten Rotor B N 1,0 x 5 8,5 10,00

halten Permanent- A1 N 1,0 x 3

magnete

halten Klebstoff A3 E 0,5 x 1

Stoßverbinder halten Schienen A1 N 1,0 x 3 3 3,53

Klebstoff hält Abdeckung A2 E 0,5 x 2 1 1,18

Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad I 0,5 x 3 1,5 1,76

Vergleich der verschiedenen Funktionalitätsberechnungen

In der Tabelle 3.7 sind die Funktionalität F entsprechend der Berechnungsweise bei

der wertanalytischen Betrachtung (vgl. Tabelle 3.1), die vereinfachte Funktionalität Feinf

(vgl. Tabelle 3.4) und die erweiterte Funktionalität Ferw (vgl. Tabelle 3.6) der Komponen-

ten des Linearmotors zusammengestellt. Zusätzlich wurde der Wert V der einzelnen

Komponenten nach der Formel V = FC

aus dem Abschnitt 3.2 für alle drei Funktionali-

tätsberechnungen ermittelt.

Tabelle 3.7: Funktionalitäten und Werte des Linearmotors bei den verschiedenen Berechnungsvarianten

Komponente C F V Feinf Veinf Ferw Verw

Permanentmagnete 6,76 5,56 0,82 6,00 0,89 5,88 0,87

Schienen 9,46 10,00 1,06 10,00 1,06 10,00 1,06

Stoßverbinder 7,84 3,33 0,43 2,00 0,26 3,53 0,45

Klebstoff 10,00 2,22 0,22 2,00 0,26 1,18 0,12

Abdeckung 3,51 3,33 0,95 4,00 1,14 1,76 0,50

Das Bild 3.39 zeigt das Stärkediagramm für den Linearmotor, in dem die verschiedenen

Varianten der Funktionalitäten für die einzelnen Komponenten eingetragen sind.

Bei allen drei Varianten der Funktionalitätsberechnung besitzt die Komponente Schie-

nen die höchste Funktionalität und die Komponente Klebstoff die niedrigste.

Die Funktionalitäten F und Feinf zeigen eine ähnliche Tendenz auf. Die größte Verän-

derung liegt bei der Komponente Stoßverbinder. Ihre Funktionalität verringert sich von

3,33 auf 2,00 bei Feinf . Sie hat nun die gleiche Funktionalität wie der Klebstoff, obwohl

Page 55: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 51

sie näher an der Basisfunktion liegt. Bei der erweiterten Funktionalität Ferw sind zur Un-

terscheidung die Werte fett gedruckt (siehe Tabelle 3.7), bei denen unzureichende oder

überzogene Funktionen berücksichtigt werden mussten. Die Funktionalität der Kompo-

nenten, von denen Funktionen mit unzureichenden bzw. überzogenen Erfüllungsgrad

ausgehen, ist im Vergleich zu den anderen Komponenten gesunken.

C

F, Feinf , Ferw

5 10

5

10Schienen

Stoßverbinder

Abdeckung

Permanent-magnete

Klebstoff

:F

:Feinf

:Ferw

F: FunktionalitätFeinf: Funktionalität- vereinfacht Ferw: Funktionalität- erweitertC: normierte Kosten

Bild 3.39: Stärkediagramm des Linearmotors für die Funktionalitäten F , Feinf , Ferw

Die Verwendung der vereinfachten Funktionalität Feinf bietet sich als eine Vereinfa-

chung bei komplexeren technischen Systemen an, deren Funktionsmodell ohne geeig-

nete Computerunterstützung aufgestellt wurde. Denn diese Variante ist schneller und

einfacher zu ermitteln als F , da hier auf die Ermittlung einer Rangfolge zwischen den

Hilfsfunktionen verzichtet werden kann.

Bei der Berechnung der Funktionalität F werden die Rangfolge der Hilfsfunktionen

mitberücksichtigt. Nach dieser Variante hängt die Bestimmung der Funktionalität der

Komponenten von der Anzahl und der Lage der Funktionen, die von ihr ausgehen, ab.

Bei dieser Variante erfolgt die Berechnung differenzierter.

Im Gegensatz zu Feinf und F wird bei Ferw der Erfüllungsgrad der Funktionen mit einbe-

zogen. Eine genauere Berücksichtigung des Erfüllungsgrads erfolgt bei der erweiterten

Wertbetrachtung.

Page 56: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 52

Erweiterte Wertbetrachtung

Bei der vorgestellten wertanalytischen Betrachtung wurden mehrere Vereinfachungen

vorgenommen. Schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher Funktionen

beeinflussen allerdings auch den Wert der Komponenten. Bei Ferw wurde bereits der

Erfüllungsgrad berücksichtigt. Für eine genaue und zusätzliche Berücksichtigung schäd-

licher Funktionen wird der Problemrang P eingeführt. Dadurch ist eine getrennte Be-

trachtung dieser negativen Aspekte möglich. Mit diesem Index erfolgt eine zusätzliche

Bewertung der Komponenten abhängig von ihren schädlichen Funktionen und ihren

nützlichen Funktionen mit unzureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad. Dabei

werden die Anzahl sowie die negative Ausprägung dieser Funktionen berücksichtigt.

Mit dem Problemrang lässt sich der erweiterte Wert einer Komponente mit folgender

Formel, die die Software TechOptimizer einsetzt, errechnen [14]:

Verweitert =F 2

P + C(3.2)

Eine vereinfachte Möglichkeit den Problemrang zu berechnen ist, die Anzahl der schäd-

lichen Funktionen und Funktionen mit nicht normalem Erfüllungsgrad für jede Kompo-

nente zu bestimmen. Die Ergebnisse werden wie bei der Funktionalität normiert.

Tabelle 3.8: Berechnung des vereinfachten Problemrangs der Komponenten des Linearmotors

Komponente Σ schädlicher Σ unzureichender Σ überzogener Σ Problem-Funktionen Funktionen Funktionen rang Peinf

Permanentmagnete 0 0 0 0 0

Schienen 0 0 1 1 10

Stoßverbinder 0 0 0 0 0

Klebstoff 0 0 1 1 10

Abdeckung 0 1 0 1 10

Für die Komponenten des Linearmotors sind der vereinfachte Problemrang und seine

Berechnung in der Tabelle 3.8 aufgeführt. Von den Komponenten Schienen und Kleb-

stoff geht jeweils eine überzogene Funktion aus. Die Komponente Abdeckung ist der

Funktionsträger für eine unzureichende Funktion. Somit ist die Summe der schädli-

chen Funktionen und Funktionen mit nicht normalem Erfüllungsgrad bei den drei Kom-

ponenten eins und bei den beiden anderen Komponenten null. Eins ist die höchste

Page 57: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 53

auftretende Anzahl. Den entsprechenden Komponenten wird daher der Problemrang

zehn zugewiesen.

Bei dieser einfachen Berechnung des Problemrangs wird nicht unterschieden zwischen

sehr und gering schädlichen Funktionen. Außerdem wird nicht berücksichtigt, ob der

Erfüllungsgrad stark oder schwach unzureichend oder überzogen ist. Mit Hilfe von Ska-

len können die verschiedenen Ausprägungen gewichtet werden. Es bietet sich an, für

die Ausprägung nützlicher Funktionen mit einem unzureichenden bzw. überzogenen

Erfüllungsgrad und schädlichen Funktionen vier verschiedene Ausprägungspunkte zu

vergeben. In der Tabelle 3.9 ist dies für Funktionen mit unzureichendem Erfüllungs-

grad dargestellt. Null Punkte erhalten Funktionen mit dem Erfüllungsgrad normal. Hier

sind keine Verbesserungen erforderlich. Funktionen bekommen einen Punkt, wenn ihr

Erfüllungsgrad schwach unzureichend ist und das Finden einer Lösung zur Verbes-

serung des Erfüllungsgrads ein Bonus darstellt. Dafür sollten allerdings keine unnöti-

gen Anstrengungen unternommen werden. Zwei Punkte erlangen Funktionen, deren

Erfüllungsgrad unzureichend ist und für die eine Verbesserung zwar gut, aber nicht

unbedingt erforderlich ist. Drei Punkte erhalten Funktionen, deren Erfüllungsgrad stark

unzureichend ist und eine Lösung zur Verbesserung wünschenswert wäre. Vier Punkte

bekommen Funktionen mit einem extrem unzureichenden Erfüllungsgrad. Bei diesen

Funktionen ist eine Lösung des Problems erforderlich.

Tabelle 3.9: Bewertung von Funktionen mit unzureichendem Erfüllungsgrad

Punkte Ausprägung des unzureichenden Erfüllungsgrads0 normal - keine Verbesserung erforderlich1 schwach unzureichend - eine Verbesserung wäre ein Bonus2 unzureichend - eine Verbesserung wäre gut3 stark unzureichend - eine Verbesserung wäre wünschenswert4 extrem unzureichend - eine Verbesserung ist erforderlich

Analog können auch überzogene bzw. schädliche Funktionen in diese Gruppen ein-

geordnet werden. Zur Ermittelung des Problemrangs werden für jede Komponente die

Punkte für die negativen Ausprägungen der Funktionen, die von ihr ausgehen, addiert.

Die Komponente mit der höchsten Summe hat den Problemrang zehn. Der Problem-

rang der übrigen Komponenten berechnet sich aus dem Quotienten ihrer Summe und

der maximalen Summe multipliziert mit zehn.

Page 58: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 54

Problemränge beim Linearmotor

In der Tabelle 3.10 sind alle Funktionsträger und ihre Funktionen sowie die notwen-

digen Informationen zur Berechnung und die Problemränge der Komponenten unter

Berücksichtigung der verschiedenen Ausprägungen aufgeführt. Bei der Art der Funk-

tion wird nach schädlichen (H) und nützlichen Funktionen mit den Erfüllungsgraden

normal (N), unzureichend (I) und überzogen (E) unterschieden. Den Funktionen wer-

den abhängig von der negativen Ausprägung Punkte (vgl. Tabelle 3.9) zugewiesen.

Die Funktion halten Klebstoff der Schienen ist extrem überzogen und erhält daher vier

Punkte. Der Erfüllungsgrad der Funktion Klebstoff hält Abdeckung ist stark überzogen.

Es werden ihr drei Punkte zugewiesen. Der Erfüllungsgrad der Funktion stoppt Staub,

Feuchtigkeit und Müll der Abdeckung ist unzureichend. Diese Funktion bekommt zwei

Punkte. Die übrigen Funktionen haben einen normalen Erfüllungsgrad und erhalten

daher null Punkte. Die Punkte der Funktionen, die vom selben Funktionsträger ausge-

hen, werden addiert. Die höchste Summe mit vier hat die Komponente Schienen. Ihr

wird der Problemrang zehn zugewiesen. Der Problemrang 7,5 des Klebstoffs berech-

net sich aus dem Quotienten aus drei und vier multipliziert mit zehn. Die Abdeckung

hat den Problemrang fünf und die übrigen Komponenten besitzen den Problemrang

null.

Tabelle 3.10: Berechnung des Problemrangs der Komponenten des Linearmotors

Funktions- Funktion Art der Punkte Σ Problemrangträger Funktion P

Permanentmagnete bewegt Rotor N 0 0 0

Schienen halten Rotor N 0 4 10,0

halten Permanentmagnete N 0

halten Klebstoff E 4

Stoßverbinder halten Schienen N 0 0 0

Klebstoff hält Abdeckung E 3 3 7,5

Abdeckung stoppt Staub, etc. I 2 2 5,0

Die Einteilung der Intensität der schädlichen Funktionen und der Ausprägung der un-

zureichenden und überzogenen Erfüllungsgrade in vier Gruppen ist eine mögliche Va-

riante. Abhängig von den Gegebenheiten des Projekts kann dies verändert werden.

Der TechOptimizer verwendet beispielsweise dazu eine Skala von 0-20. Dabei steht

null für die günstigste und 20 für die negativste Ausprägung [14].

Page 59: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 55

Wertbestimmung der Komponenten des Linearmotors

Nachdem der Problemrang bestimmt ist, liegen alle Daten zur Berechnung des erwei-

terten Werts Verweitert nach der Formel 3.2 vor. In der Tabelle 3.11 sind die notwendi-

gen Daten zur Berechnung des erweiterten Werts zusammengestellt. Zum Vergleich

sind zusätzlich die berechneten Werte V für die Komponenten nach der Formel 3.1

aufgeführt. Die Werte für die Funktionalität stammen aus der Tabelle 3.1, für den Pro-

blemrang aus Tabelle 3.10 und für die normierten Kosten aus der Tabelle 3.2.

Die Komponente Schienen besitzt mit 5,14 den höchsten und der Klebstoff mit 0,28

den niedrigsten Wert. In der sechsten Spalte der Tabelle ist die Rangfolge der Kom-

ponenten abhängig von dem erweiterten Wert Verweitert eingetragen. Der berechnete

Wert V und seine Rangfolge aus dem Abschnitt über die wertanalytische Betrachtung

(vgl. Tabelle 3.3) sind in der siebten und achten Spalte zum Vergleich noch einmal

aufgeführt. Die Schienen besitzen wegen ihrer hohen Funktionalität trotz des hohen

Problemrangs bei beiden Berechnungsweisen den höchsten Wert. Der Klebstoff hin-

gegen hat jeweils den geringsten Wert. Die größte Veränderung liegt bei der Kompo-

nente Abdeckung. Auf Grund ihres Problemrangs erlangt sie einen niedrigeren Wert

als die Komponenten Permanentmagnete und Stoßverbinder, von denen nur nützliche

Funktionen mit normalem Erfüllungsgrad ausgehen.

Tabelle 3.11: die Werte V und Verweitert inklusive ihrer Rangfolge für den Linearmotor

Komponente F P C Verweitert Rangfolge V Rangfolge

Permanentmagnete 5,56 0,00 6,76 4,57 2 0,82 3

Schienen 10,00 10,00 9,46 5,14 1 1,06 1

Stoßverbinder 3,33 0,00 7,84 1,42 3 0,43 4

Klebstoff 2,22 7,50 10,00 0,28 5 0,22 5

Abdeckung 3,33 5,00 3,51 1,31 4 0,95 2

Im Bild 3.40 sind die Stärkediagramme für beide Wertberechnungen dargestellt. Die

linke Hälfte zeigt das Stärkediagramm für die erweiterte Wertberechnung. Auf der y-

Achse wird die Funktionalität und auf der x-Achse der Problemrang zuzüglich der nor-

mierten Kosten aufgetragen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wird die Funktionali-

tät einfach und nicht quadriert verwendet. Das Stärkediagramm aus dem Abschnitt

über die wertanalytische Betrachtung (vgl. Bild 3.27) ist rechts dargestellt. Da beim lin-

ken Diagramm die normierten Kosten und der Problemrang und beim rechten nur die

normierten Kosten auf der x-Achse abgetragen werden, ist ein exakter Vergleich der

Page 60: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 56

beiden Diagramme nicht möglich. Die x-Achse beschreibt bei beiden allerdings die be-

trachteten negativen Aspekte der Komponenten. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt die

Abbildung, dass die Komponenten Permanentmagnete und Stoßverbinder in Relation

zu den übrigen Komponenten bei der erweiterten Wertbetrachtung deutlich weniger

negative Ausprägungen erkennen lassen. Die Komponente Klebstoff liegt bei beiden

Diagrammen im Quadranten rechts unten. Auch bei der erweiterten Wertbetrachtung

bietet sich somit an, diese Komponente aus dem System zu eliminieren.

C+P

F

10 20

5

10

Schienen

Stoßverbinder

Abdeckung

Permanent-magnete

Klebstoff

C

F

5 10

5

10Schienen

Stoßverbinder

Abdeckung

Permanent-magnete

Klebstoff

erweiterte Wertberechnung vereinfachte Wertberechnung

F: Funktionalität; C: normierte Kosten; P: Problemrang

Bild 3.40: Stärkediagramme des Linearmotors

Welche der beiden Wertberechnungen eingesetzt wird hängt vom Ziel der Untersu-

chung ab. Ist die Berücksichtigung von schädlichen Funktionen und vom Erfüllungs-

grad notwendig, sollte die erweiterte Wertberechnung eingesetzt werden und andern-

falls die vereinfachte Wertberechnung.

3.4.3 Indikatoren für das Trimming

Das Instrument Trimming ist für verschiedene Ziele und Strategien einsetzbar. Die

Gründe für die Auswahl der zu trimmenden Komponenten können vielfältig sein, sei

es zum Umgehen von Patenten oder zum Vereinfachen eines Systems. Ebenso kann

auch schon im vornherein bekannt sein, welche Komponenten eliminiert werden sollen.

Page 61: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 57

Im Folgenden wird auf die Problemeliminierungs-, Kostensenkungs- und Wertsteige-

rungsstrategien, die mit dem Trimming verfolgt werden können, näher eingegangen.

Problemeliminierung

Probleme eines Systems können durch Entfernen der Komponenten, von denen die-

se ausgehen, eliminiert werden. Dadurch ist eine Steigerung der Funktionalität des

Systems erreichbar. Außerdem kann dadurch auf zusätzliche Maßnahmen zur Pro-

blembeseitigung verzichtet werden.

Auswahl von Komponenten mit H-, I- oder E- Funktionen

Komponenten, die Funktionsträger schädlicher Funktionen sind, können getrimmt wer-

den. Dies kann auch auf Komponenten mit unzureichenden oder überzogenen nützli-

chen Funktionen ausgeweitet werden.

Wie bereits bei der Ermittlung des Problemrangs erläutert wurde, können schädliche,

unzureichende so wie überzogene Funktionen verschieden starke negative Ausprä-

gungen haben. Wie groß die negativen Auswirkungen einer Komponente auf das Sys-

tem sind, hängt sowohl von der Stärke der Ausprägung als auch von der Anzahl ihrer

schädlichen, unzureichenden und überzogenen Funktionen ab. Es bietet sich daher

an, für die Auswahl der zu trimmenden Komponente den Problemrang heranzuziehen.

Auswahl der Komponenten mit hohem P

Je höher der Problemrang für eine Komponente ist, desto problematischer ist diese

für das technische System. Die Komponente oder mehrere Komponenten mit einem

hohen Problemrang sollten zur Verbesserung des Systems eliminiert werden.

Kostensenkung

Eine weitere Strategie, die durch das Trimming verfolgt werden kann, ist die Reduzie-

rung der Kosten. Die Kosten verringern sich, wenn einzelne Komponenten aus dem

System entfernt und ihre Funktionen auf die übrigen Komponenten umverteilt werden.

Dazu wird versucht, möglichst die Komponenten zu entfernen, die hohe Kosten verur-

sachen.

Auswahl der Komponenten mit hohem C

Page 62: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

3 Funktionsanalyse 58

Hierbei ist zusätzlich zu beachten, dass die Kosten einer Komponente auch durch an-

dere Komponenten beeinflusst werden können. Beispielsweise könnten die Kosten ei-

ner Komponente A hauptsächlich durch ihre Konstruktion verursacht sein. Diese Kon-

struktion ist aber nur auf Grund der Verwendung der Komponente B notwendig. Könnte

die Komponente B eliminiert werden, so könnte die Konstruktion der Komponente A

vereinfacht und somit auch ihre Kosten reduziert werden.

Wertsteigerung

Das Trimming ist auch zur Wertsteigerung des Systems einsetzbar. Es sollten mög-

lichst die Komponenten entfernt werden, die eine geringe Funktionalität besitzen und

dabei hohe Kosten und Probleme verursachen. Zur Ermittlung des Werts der Kompo-

nenten kann sowohl die einfache Formel (3.1) oder die erweiterte Formel (3.2) ver-

wendet werden. Die Komponenten mit einem niedrigen Wert sollten bevorzugt zum

Trimming ausgewählt werden.

Auswahl der Komponenten mit niedrigem V

Die Auswahl kann, wie im Abschnitt über die wertanalytische Betrachtung erläutert, mit

Hilfe eines Stärkediagramms (vgl. Bild 3.26) unterstützt werden. Die Komponenten, die

sich dabei im linken unteren Quadranten befinden, sind geeignete Kandidaten für das

Trimming.

Page 63: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

59

4 Lehrbeispiele

Die Wertanalyse nach VDI und die Funktionsanalyse nach TRIZ wurden in den Ka-

piteln 2 und 3 vorgestellt. Der Einsatz beider Verfahren wird im Folgenden anhand

zweier Beispiele beschrieben. Das Beispiel Lagerabdichtung wird als Lehrbeispiel für

die Wertanalyse am Lehrstuhl eingesetzt. Das Programm TechOptimizer erläutert an

einer Injektionsspritze das Vorgehen bei der Funktionsanalyse. Beide Aufgabenstellun-

gen werden zuerst mit ihrem ursprünglichen Verfahren dargestellt und anschließend

wird das jeweils andere Verfahren auf sie angewendet.

4.1 Lagerabdichtung

Das Bild 4.1 zeigt die momentane Ausführung der Lagerabdichtung.

Bild 4.1: Lagerabdichtung [10]

Die Hauptaufgabe der Lagerabdichtung ist das Abschirmen des Lagers von der Um-

gebung, so dass kein Öl austreten und kein Schmutz ins Lager gelangen kann. Die

Kosten für die momentane Lösung sind in der Tabelle 4.1 aufgeführt.

Page 64: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 60

Tabelle 4.1: Kosten für die momentane Lagerabdichtung [10]

Kosten [e]

Deckel Material 1,00

4 Löcher bohren 4 x 0,50

Plandrehen 1,20

Zentrierabsatz drehen 0,80

Ringnut drehen 0,60

Dichtring 0,10

4 Schrauben 4 x 0,05

Gehäuse Planfläche drehen 1,00

4 Gewindebohrungen 4 x 1,00

Montage Dichtring einlegen 0,20

Deckel einfügen 0,20

4 Schrauben montieren 4 x 0,20

Σ 12,10

Diese Daten sind die Ausgangsbasis für die Durchführung der Wertanalyse und der

Funktionsanalyse für dieses Beispiel.

4.1.1 Wertanalyse

Die Wertanalyse für die Lagerabdichtung erfolgt anhand der in Kapitel 2 beschriebenen

sechs Grundschritte.

Projekt vorbereiten

Da es sich hier um ein vorgegebenes Lehrbeispiel handelt, ist die Auswahl des WA-

Objekts, das Bilden der Arbeitsgruppe und das Planen des Ablaufs nicht relevant. Das

Ziel, das hier verfolgt wird, ist die Senkung der Kosten der Lagerabdichtung.

Objektsituation analysieren

Zur Feststellung der Ist-Situation werden die Funktionen der Lagerabdichtung ermittelt.

Die Hauptfunktion der Lagerabdichtung ist Öffnung verschließen. Als Nebenfunktion

wird Zugänglichkeit gewährleisten identifiziert. Diese ist vor allem für eventuell auftre-

tende Wartungsarbeiten von Bedeutung. Bei beiden Funktionen handelt es sich um

Gebrauchsfunktionen.

Page 65: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 61

Öffnung verschließen

Deckel zentrieren

Deckel befestigen

Trennfuge abdichten

Gesamtfunktionen Teilfunktionen

Zugänglichkeit gewährleisten

Deckel entfernen

Bild 4.2: Funktionenbaum der Lagerabdichtung [10]

Im Bild 4.2 ist der Funktionenbaum der Lagerabdichtung dargestellt. Die Gesamtfunk-

tion Öffnung verschließen ist in die Teilfunktionen Deckel befestigen, Deckel zentrieren

und Trennfuge abdichten aufteilbar. Die Funktion Zugänglichkeit gewährleisten wird

durch die Funktion Deckel entfernen ermöglicht.

Tabelle 4.2: Aufteilung der Kosten [e] auf die Funktionen der Lagerabdichtung [10]

Deckel Deckel Trennfuge Deckel Σbefestigen zentrieren abdichten entfernen

Material (Deckel) 1,00 1,00

4 Löcher bohren (Deckel) 1,00 1,00 2,00

Plandrehen (Deckel) 1,20 1,20

Zentrierabsatz drehen (Deckel) 0,80 0,80

Ringnut drehen (Deckel) 0,60 0,60

Dichtring 0,10 0,10

4 x Schrauben 0,10 0,10 0,20

Planfläche drehen (Gehäuse) 1,00 1,00

4 Gewindebohrungen (Gehäuse) 2,00 2,00 4,00

Dichtring einlegen 0,20 0,20

Deckel einfügen 0,20 0,20

4 Schrauben montieren 0,80 0,80

Σ 5,10 0,80 3,10 3,10 12,10

Anschließend erfolgt die Zuweisung der Kosten auf die Teilfunktionen. In der Tabel-

le 4.2 ist eine genauere Aufteilung der Kosten auf die Funktionen dargestellt. Einige

Kosten sind einfach den Funktionen zuzuordnen wie beispielsweise die Kosten für den

Dichtring der Funktion Trennfuge abdichten. Die Kosten für die Schrauben sind im Ge-

Page 66: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 62

gensatz dazu nicht so eindeutig zuzuteilen. Es kommen hier die zwei Funktionen De-

ckel befestigen und Deckel entfernen in Betracht, auf die die Kosten für die Schrauben

gleichmäßig aufgeteilt werden. Theoretisch hätte auch der Funktion Trennfuge abdich-

ten ein Teil der Kosten der Schrauben zugeordnet werden können, da eine geeignete

Verbindung zwischen Deckel und Gehäuse und damit auch die Schrauben für sie not-

wendig sind.

Soll-Zustand beschreiben

Nach dem Aufstellen der Ist-Funktionen werden aus diesen durch Überprüfung jeder

Funktion auf ihre Notwendigkeit die Soll-Funktionen ermittelt .

Die beiden Hauptfunktionen Öffnung verschließen und Zugänglichkeit gewährleisten

sind beide erforderlich und werden als Soll-Funktionen übernommen. Als Nächstes

werden die Teilfunktionen zu der Hauptfunktion Öffnung verschließen hinterfragt. Die

beiden Teilfunktionen Deckel befestigen und Trennfuge abdichten sind beide relevant

und werden als Soll-Funktionen übernommen. Die Teilfunktion Deckel zentrieren ist

nicht unbedingt notwendig und wird somit nicht als Soll-Funktion ausgewiesen. Wird

diese Funktion nicht mehr benötigt, ist das Drehen eines Zentrierabsatzes am Deckel

nicht mehr erforderlich und eine Einsparung von 0,80e möglich (vgl. Tabelle 4.2).

Die Teilfunktion Deckel entfernen ist für die Hauptfunktion Zugänglichkeit gewährleisten

notwendig und daher ebenfalls eine Soll-Funktion. Im Bild 4.3 sind die Soll-Funktionen

für die Lagerabdichtung dargestellt.

Öffnung verschließen Deckel befestigen

Trennfuge abdichten

Gesamtfunktionen Teilfunktionen

Zugänglichkeit gewährleisten

Deckel entfernen

Bild 4.3: Soll-Funktionen der Lagerabdichtung

Die Teilfunktion Deckel befestigen verursacht mit 5,10e die höchsten Kosten und be-

sitzt damit wahrscheinlich das höchste Rationalisierungspotential. Allerdings sind auch

die beiden anderen Teilfunktionen nicht wesentlich billiger. Es bietet sich somit an, für

Page 67: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 63

die beiden Teilfunktionen der Hauptfunktion Öffnung verschließen neue Lösungsmög-

lichkeiten unter der Voraussetzung zu entwickeln, dass die Verbindung zwischen De-

ckel und Gehäuse lösbar ist, um die Nebenfunktion Zugänglichkeit gewährleisten zu

ermöglichen.

Lösungsideen entwickeln

Zur Entwicklung neuer Lösungen für die Lagerabdichtung werden neue Möglichkeiten

für die Funktion Deckel befestigen und Trennfuge abdichten gesucht. In dem Morpho-

logischen Kasten (Tabelle 4.3) sind einige Ideen für die beiden Funktionen zusammen-

gestellt. Für die Befestigung des Deckels könnten drei statt vier Schrauben verwendet

oder die Öffnung durch Clip- Verbindungen verschlossen werden. Eine weitere Idee für

das Befestigen des Deckels ist, am Deckel ein Gewinde anzubringen und ihn in das

Gehäuse zu schrauben. Weitere Vorschläge sind, den Deckel in das Gehäuse einzu-

pressen oder zu kleben. Zum Abdichten könnten ein Dichtkleber, ein Dichtring oder

eine Presspassung vorgesehen werden. Außerdem besteht auch die Möglichkeit, auf

eine Dichtung zu verzichten und stattdessen eine Ölwanne zum Auffangen des Öls

einzusetzen.

Tabelle 4.3: Morphologischer Kasten für die Hauptfunktion Öffnung verschießen

Lösungsideen

Teilfunkt. 1 2 3 4 5 ...

Deckel drei Schrauben Gewinde an Deckel Clip- Deckel Deckel ...

befestigen verwenden und Gehäuse Verbindung einpressen kleben

Trennfuge Dichtkleber Dichtring keine Dichtung Presspassung ... ...

abdichten - Ölwanne

Aus diesen Varianten werden durch eine Vorauswahl mögliche Lösungen zusammen-

gestellt. Eine Möglichkeit wäre z.B. die Verwendung von drei Schrauben und einem

Dichtring (Lösung 1). Weitere Lösungsmöglichkeiten sind sowohl die Clip-Verbindung

zusammen mit einem Dichtring (Lösung 2) als auch ein Gewinde an Deckel und Ge-

häuse anzubringen (Lösung 3).

Lösungsideen festlegen

Bei der Auswahl der Lösungen für das Beispiel der Lagerabdichtung sollen sowohl

technische als auch wirtschaftliche Eigenschaften berücksichtigt werden. Dazu wird

eine vereinfachte technisch-wirtschaftliche Bewertung eingesetzt [19].

Page 68: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 64

Zunächst erfolgt die Bestimmung der technischen Wertigkeit. In Tabelle 4.4 ist die tech-

nische Wertigkeit für die drei im Grundschritt Lösungsideen entwickeln aufgeführten

Lösungen berechnet. Den Lösungen wird für jede Teilfunktion eine Wertigkeit bezüg-

lich ihrer Erfüllung zugeordnet. Der Wert eins entspricht der idealen Lösung, der Wert

null einer komplett ungeeigneten Lösung. Diese Wertigkeit kann mit einem Faktor ge-

wichtet werden, sollte der Erfüllung der Teilfunktionen unterschiedliche Bedeutungen

zukommen. Die Summe der Wertigkeiten einer Lösung für die einzelnen Teilfunktionen

ergibt die technische Wertigkeit der Lösung. Die höchste Wertigkeit erlangt hier die

Lösung 2 mit dem Wert 0,7.

Tabelle 4.4: Technische Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung

Teilfunktionen Gewich- Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3tung ungew. gew. ungew. gew. ungew. gew.

Deckel befestigen 0,40 0,50 0,20 0,75 0,30 0,75 0,30

Trennfuge abdichten 0,40 0,75 0,30 0,75 0,30 0,50 0,20

Deckel entfernen 0,20 0,75 0,15 0,50 0,10 0,75 0,15

technische Wertigkeit (x) 0,65 0,70 0,65

Zur Bestimmung der wirtschaftlichen Wertigkeit (siehe Tabelle 4.5) müssen die Kosten

für die einzelnen Lösungen ermittelt werden. Die wirtschaftliche Wertigkeit der einzel-

nen Lösungen ergibt sich aus dem Quotienten der idealen Kosten und der Kosten der

jeweiligen Lösung. Als vereinfachende Annahme betragen die idealen Kosten 70 Pro-

zent der Kosten der billigsten Lösung [21]. Dies ist hier die Lösung 1. Sie hat damit die

höchste wirtschaftliche Wertigkeit mit 0,7. Die Kosten der Lösung 1 sind mit 9,55e um

mehr als 20% geringer als die Kosten der ursprünglichen Lösung mit 12,10e (siehe

Tabelle 4.1).

Tabelle 4.5: Wirtschaftliche Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung

Teilfunktionen Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3

Deckel befestigen 4,13 e 4,00 e 3,80 e

Trennfuge abdichten 3,10 e 4,00 e 3,00 e

Deckel entfernen 2,32 e 2,00 e 3,00 e

Σ 9,55 e 10,00 e 9,80 e

wirtschaftliche Wertigkeit (y) 0,70 0,67 0,68

Page 69: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 65

Die gesamte Wertigkeit (W) einer Lösung ergibt sich aus der technischen (x) und

wirtschaftlichen Wertigkeit (y). Zur Berechnung wird das Hyperbelverfahren eingesetzt

[21].

W =√

x ∗ y (4.1)

In der Tabelle 4.6 sind die Wertigkeiten der Lösungen zusammengestellt. Die Lösung

2, die eine Clip-Verbindung darstellt, hat mit 0,68 die höchste Wertigkeit vor den Lö-

sungen 1 mit 0,67. Die Lösung 3 hat mit 0,66 die geringste Wertigkeit.

Tabelle 4.6: Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung nach dem Hyperbelverfahren

Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3

Wertigkeit (W) 0,67 0,68 0,66

Lösungen verwirklichen

Da es sich um ein Lehrbeispiel handelt, ist dieser Schritt hier nicht erforderlich.

4.1.2 Funktionsanalyse

Die Funktionsanalyse der Lagerabdichtung beginnt mit der Durchführung der Kompo-

nentenanalyse und Interaktionsanalyse. Anschließend wird mit diesen Informationen

das Funktionsmodell für eine wertanalytische Betrachtung aufgestellt.

Komponentenanalyse

Als Erstes erfolgt das Aufstellen der Hierarchieebenen der Lagerabdichtung. Diese

sind im Bild 4.4 dargestellt.

Lagerabdichtung

Deckel Dichtring Gehäuse Schrauben

Höchste Ebene

2. Ebene

Bild 4.4: Hierarchieebenen des Systems Lagerabdichtung

Die Lagerabdichtung ist das technische System und somit die Komponente der höchs-

ten Hierarchiestufe. Auf der zweiten Ebene befinden sich die Komponenten Deckel,

Page 70: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 66

Dichtring, Gehäuse und vier Schrauben. Die vier Komponenten Schraube werden zur

Komponente Schrauben zusammengefasst. Eine weitere Unterteilung des Systems

ist auf Grund der geringen Komplexität nicht sinnvoll. Für die Analyse wird daher die

zweite Ebene betrachtet.

Diese Informationen dienen zur Erstellung des Komponentenmodells der Lagerabdich-

tung, das im Bild 4.5 dargestellt ist. Das zu analysierende technische System ist in die-

sem Beispiel die Lagerabdichtung. Die Hauptaufgabe ist zu verhindern, dass das Öl

des Lagers an die Umgebung abgegeben wird. Die Hauptfunktion ist daher Öl zurück-

halten. Die Komponenten des technischen Systems sind, wie bereits bei der Erstellung

der Hierarchie festgelegt, der Deckel, der Dichtring, das Gehäuse und die Schrauben.

Die Komponenten des Supersystems sind Öl, Schmutz und der Instandhalter. Das

Öl befindet sich im Lager. Da das Lager nicht mit Schmutz verunreinigt werden soll

und somit eventuell die Funktionalität des Lagers negativ beeinflusst wird, muss auch

Schmutz aus der Umgebung bei der weiteren Analyse betrachtet werden. Im Fall eines

Defekts muss beispielsweise ein Instandhalter das Lager austauschen können. Daher

muss auch dieser als eine Komponente des Supersystems betrachtet werden.

technisches System Hauptfunktion

Lagerabdichtung Öl zurückhalten

Deckel Öl

Dichtring Schmutz

Gehäuse Instandhalter

Schrauben

Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Bild 4.5: Das Komponentenmodell der Lagerabdichtung

Interaktionsanalyse

Bei der Interaktionsanalyse werden die Interaktionen der Komponenten des techni-

schen Systems und des Supersystems untereinander identifiziert und in einer Interak-

tionstabelle festgehalten.

In der Komponentenanalyse wurden Deckel, Dichtring, Gehäuse, Schrauben, Schmutz,

Öl und Instandhalter als die Komponenten des zu analysierenden technischen Sys-

tems und Supersystems ermittelt. Diese Komponenten werden in der Interaktionsta-

belle (Bild 4.6) sowohl in die erste Spalte als auch in die erste Zeile eingetragen. An-

schließend werden die restlichen Zellen mit „+” oder „-” ausgefüllt abhängig davon, ob

eine Interaktion stattfindet oder nicht. Für die meisten Zellen ist es eindeutig. Daher

Page 71: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 67

werden nur einige Komponentenkombinationen beispielhaft herausgegriffen. Der De-

ckel verhindert das Eindringen von Schmutz ins Lager, indem er den möglichen Weg

versperrt. Es liegt daher eine Interaktion vor und ein „+” Zeichen wird in die betreffen-

den Zellen geschrieben. Der Dichtring und die Schrauben interagieren im Gegensatz

dazu nicht miteinander. Sie berühren sich nicht und wirken auch sonst nicht direkt auf-

einander. Daher werden die dazugehörenden Zellen mit einem „-” Zeichen versehen.

+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Dec

kel

Dic

htrin

g

Geh

äuse

Sch

raub

en

Öl

Sch

mut

z

Inst

andh

alte

r

Deckel - + + + + + +

Dichtring + - + - + + -

Gehäuse + + - + + + -

Schrauben + - + - - - +

Öl + + + - - - -

Schmutz + + + - - - -

Instandhalter + - - + - - -

Bild 4.6: Interaktionstabelle der Lagerabdichtung

Die notwendige diagonale Symmetrie für eine korrekt aufgestellte Interaktionstabelle

ist vorhanden. Anschließend wird untersucht, ob es Komponenten gibt, die mit keiner

anderen Komponente interagieren. Dies trifft nicht zu. Somit ist die Interaktionstabelle

komplett aufgestellt und die Interaktionsanalyse abgeschlossen.

Funktionsmodellierung

In diesem Abschnitt wird das Funktionsmodell für die Lagerabdichtung erstellt. Das Ziel

des Projekts ist die Senkung der Kosten der Lagerabdichtung. Die Funktionsanalyse

wird daher als Ausgangsbasis für eine wertanalytische Betrachtung verwendet. Wie im

Abschnitt 3.2 (Wertanalytische Betrachtung) werden hier zur Vereinfachung schädliche

Funktionen und die verschiedenen Erfüllungsgrade nützlicher Funktionen nicht berück-

sichtigt. Im Funktionsmodell soll sowohl die Lagerabdichtung während des Betriebs

abgebildet werden als auch die Demontage und Montage des Deckels bei Wartungs-

arbeiten. Hier ist es im Gegensatz zum Linearmotor (vgl. Abschnitt 3.4.1) nicht erfor-

derlich, zunächst verschiedene Funktionsmodelle für die einzelnen zeitlichen Prozesse

Page 72: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 68

zu erstellen. Beim Linearmotor gab es zwei Funktionen in den beiden betrachteten Pro-

zessen mit unterschiedlichem Erfüllungsgrad, die eine getrennte Betrachtung zunächst

notwendig machten. Dies trifft hier nicht zu. Die betrachteten Prozesse überschneiden

sich nicht. Daher kann sofort ein gesamtes Funktionsmodell aufgestellt werden, in dem

die zeitlichen Prozesse Betrieb, Demontage und Montage des Deckels abgebildet sind.

Beim Aufstellen des tabellarischen Funktionsmodells (Bild 4.7) dient die Interaktionsta-

belle (Bild 4.6) als Unterstützung. Es werden keine schädlichen Funktionen und keine

Erfüllungsgrade betrachtet. Daher sind lediglich die Funktionsträger und ihre Funktio-

nen mit deren Rängen zu bestimmen. Die Komponenten Deckel, Dichtring, Gehäuse

und Schrauben sind die Funktionsträger für die Funktionen während des Betriebs. Die

Funktionen der Komponente Instandhalter treten nur bei der Demontage bzw. Montage

des Deckels auf.

Funktion Rang Kommentare

Deckel

hält Öl zurück B

hält Schmutz ab Ad

hält Dichtring A1

Dichtring

hält Öl zurück B

hält Schmutz ab Ad

Gehäuse

hält Öl zurück B

hält Schmutz ab Ad

hält Dichtring A1

führt Deckel A1

hält Schrauben A2

Funktion Rang Kommentare

Schrauben

halten Deckel A1

entfernt Deckel A1

löst Schrauben A2

löst Deckel A1

befestigt Schrauben A2

Instandhalter

Bild 4.7: Tabellarisches Funktionsmodell der Lagerabdichtung

Im Bild 4.8 ist das grafische Funktionsmodell der Lagerabdichtung dargestellt. Aus

Gründen der Übersichtlichkeit wurde dabei auf das Abbilden der Ränge verzichtet.

Page 73: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 69

Deckel Dichtring

Öl Schmutz

hält ab

hält ab

hält ab

hält zurück

hält zurück

hält zurück

führt

halten

hält

positioniert

befestigt

hält

entfernt

Instand- halter

löst hält

GehäuseSchrauben

Bild 4.8: Grafisches Funktionsmodell der Lagerabdichtung

Anschließend wird die Funktionalität der Komponenten der Lagerabdichtung bestimmt.

Eine Übersicht über die Ränge der Funktionen und Komponenten der Lagerabdichtung

befindet sich in Tabelle 4.7.

Tabelle 4.7: Ränge der Funktionen und Komponenten der Lagerabdichtung

Funktions- Funktion Rang der Funktions- Σ der Funktionalitätträger Funktion punkte Punkte F

Deckel hält Öl zurück B 4 8 7,27

hält Schmutz ab Ad 2

hält Dichtring A1 2

Dichtring hält Öl zurück B 4 6 5,45

hält Schmutz ab Ad 2

Gehäuse hält Öl zurück B 4 11 10,00

führt Deckel A1 2

hält Dichtring A1 2

hält Schmutz ab Ad 2

hält Schraube A2 1

Schrauben halten Deckel A1 2 2 1,81

A2 ist der niedrigste Rang. Daher erhält A2 einen Punkt, A1 und Ad zwei Punkte und

B vier Punkte. Durch Summierung der Punkte für die Ränge der Funktionen, die von

einem Funktionsträger ausgehen, ergeben sich für die Komponente Deckel acht, für

Dichtring sechs, für Gehäuse elf und für Schrauben zwei Punkte. Danach erfolgt die

Normierung der Punkte. Mit elf Punkten hat die Komponente Gehäuse die höchste

Page 74: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 70

Punktzahl. Diese Komponente erhält somit eine Funktionalität von 10. Für den Dicht-

ring berechnet sich die Funktionalität 5,45 aus 611∗ 10. Für den Deckel beträgt sie 7,27

und für die Schrauben 1,81.

Die Kosten (vgl. Tabelle 4.1) werden den einzelnen Komponenten zugewiesen und in

der Tabelle 4.8 aufgeführt. Um eine Vergleichbarkeit mit der Funktionalität zu gewähr-

leisten, werden die Kosten der Komponenten normiert. Der Deckel verursacht mit 5,80

e die höchsten Kosten. Die normierten Kosten betragen für diese Komponente daher

zehn.

Tabelle 4.8: Kosten der Komponenten der Lagerabdichtung

Komponente Kosten für Bearbeitungs- und gesamte normierteKomponente [e] Montagekosten [e] Kosten [e] Kosten C

Deckel 1,00 4,80 5,80 10,00

Dichtring 0,10 0,20 0,30 0,52

Gehäuse - 5,00 5,00 8,62

Schrauben 0,05 x 4 0,20 x 4 1,00 1,72

Es ist sehr wichtig, die Bearbeitungs- und Montagekosten zu berücksichtigen, da sie

die reinen Kosten für die Komponenten vor der Bearbeitung um ein Vielfaches über-

steigen. Die Materialkosten für den Deckel betragen 1,00 Euro. Hinzu kommen jedoch

beträchtliche Kosten für die Bearbeitung und Montage von insgesamt 4,80 e. Beim

Gehäuse werden nur die Bearbeitungs- und Montagekosten berücksichtigt, denn das

Gehäuse, in dem sich das Lager befindet, soll nicht verändert werden sondern nur die

Abdeckung des Lagers. Das komplette Gehäuse zu verändern oder zu eliminieren, ist

bei diesem Projekt nicht möglich.

Tabelle 4.9: Wertberechnung für die Lagerabdichtung

Komponente Funktionalität F normierte Kosten C Wert V Rangfolge

Deckel 7,27 10,00 0,73 4

Dichtring 5,45 0,52 10,48 1

Gehäuse 10,00 8,62 1,16 2

Schrauben 1,81 1,72 1,05 3

Mit den ermittelten Funktionalitäten und normierten Kosten der Komponenten kann der

Wert der einzelnen Komponenten nach der Formel 3.1 (V = FC

) berechnet werden. In

Tabelle 4.9 sind die Ergebnisse zusammengestellt. Der Dichtring hat mit 10,48 den

Page 75: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 71

höchsten Wert. Die Werte der drei anderen Komponenten sind erheblich niedriger. Mit

0,73 hat der Deckel den geringsten Wert. Nach dieser Betrachtung sollten am Deckel,

am Gehäuse oder an den Schrauben die Verbesserungen ansetzen.

Eine differenziertere Betrachtung ermöglicht das Stärkediagramm. Abhängig von der

Position im Diagramm werden Empfehlungen für die einzelnen Komponenten gege-

ben. In das Stärkediagramm (Bild 4.9) sind die Werte für das Beispiel Lagerabdichtung

eingetragen. Der Dichtring befindet sich bereits günstig im Quadranten links oben. Es

besteht kein dringender Handlungsbedarf. Die Komponente Schrauben befindet sich

links unten im Diagramm. Die Empfehlung lautet hier, die Funktionalität zu erhöhen

bei gleichbleibend niedrigen Kosten. Die Komponenten Gehäuse und Deckel liegen

im Quadranten rechts oben. Sie haben somit relativ hohe Kosten und eine relativ ho-

he Funktionalität. Diesem Diagramm entsprechend sollten die Kosten gesenkt werden.

Die Ergebnisse stimmen mit den Erkenntnissen aus der Wertbetrachtung der einzel-

nen Komponenten überein.

C

1

F

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Komponente Funktionalität

Deckel 10,00 7,27

0,52 5,45

Gehäuse 8,62 10,00

Schrauben 1,72 1,81

normierte Kosten

Dichtring

Schrauben

Deckel

Dichtring

Gehäuse

F: FunktionalitätC: normierte Kosten

Bild 4.9: Stärkediagramm für die Lagerabdichtung

Zum Erreichen von Kostensenkungen am Deckel und Gehäuse werden ihre Kosten

auf die einzelnen Verursacher aufgeteilt (siehe Tabelle 4.10). Der größte Kostentreiber

beim Deckel ist mit 23,5% der Kosten das Bohren der vier Löcher für die Schrauben.

Beim Gehäuse verursachen die vier Gewindebohrungen 80% der Kosten.

Page 76: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 72

Tabelle 4.10: Kostenverursacher der Komponenten Deckel und Gehäuse

Deckel GehäuseVerursacher Kosten [e] prozentual Verursacher Kosten [e] prozentualMaterial 1,00 17,2 % Planfläche drehen 1,00 20,0 %

4 Löcher bohren 2,00 23,5 % 4 Gewinde- 4,00 80,0 %

Plandrehen 1,20 20,7 % bohrungen

Zentrierabsatz drehen 0,80 13,8 % Σ 5,00 100 %

Ringnut drehen 0,60 10,3 %

Deckel einfügen 0,20 3,5 %

Σ 5,80 100 %

Die Schraubenverbindungen verursachen einen Großteil der Kosten. Die Kosten wären

deutlich geringer, wenn die Schrauben eliminiert werden könnten. Die Schrauben be-

finden sich im Stärkediagramm im linken unteren Quadranten und haben eine geringe

Funktionalität. Zur Eliminierung der Schrauben kann das Verfahren Trimming einge-

setzt werden.

Trimming

Zur Erstellung des Trimmingmodells für die Eliminierung der Komponente Schrauben

sind die nützlichen Funktionen, die von der Komponente Schrauben ausgehen, zu

identifizieren. Auf diese Funktionen wird jeweils eine der drei Trimmingregeln ange-

wendet. Von der Komponente Schrauben geht nur die Funktion halten Deckel aus. Bei

der Anwendung der Trimmingregel C muss ein neuer Funktionsträger gesucht werden.

Als neuer Funktionsträger wird die Komponente Gehäuse ausgewählt, die bereits mit

der Komponente Deckel interagiert. Somit erfüllt sie die dritte Richtlinie für die Aus-

wahl eines neuen Funktionsträgers. Daraus ergibt sich das Trimmingproblem, wie die

Komponente Gehäuse den Deckel halten kann. Das Trimmingmodell ist im Bild 4.10

dargestellt.

Page 77: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 73

Deckel Dichtring

Öl Schmutz

hält ab

hält ab

hält ab

hält zurück

hält zurück

hält zurück

führt

hält

positioniert

hält

entfernt

Instand- halter

Trimmingproblem: Wie kann die Komponente Gehäuse die Komponente Deckel halten?

Gehäuse

Bild 4.10: Trimmingmodell für die Lagerabdichtung

Zu dieser Fragestellung werden mögliche Lösungsideen gesammelt und neue Ideen

mit Hilfe von Lösungsfindungstechniken erstellt.

Eine mögliche Lösung ist im Bild 4.11 dargestellt. Bei dieser Variante ist der Deckel

wie ein Stopfen aufgebaut.

Bild 4.11: Skizze eines Lösungsvorschlags für die Lagerabdichtung

4.1.3 Vergleich

Für das Beispiel Lagerabdichtung wurden beide Verfahren eingesetzt. Bei der Wert-

analyse erfolgte eine Überprüfung aller Funktionen, die in der Ausgangssituation auf-

Page 78: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 74

traten. Dabei stellte sich heraus, dass eine Zentrierung des Deckels nicht notwendig

und somit das Drehen eines Zentrierabsatzes nicht erforderlich war. Darauf wurde bei

der Funktionsanalyse nicht näher eingegangen.

Bei der Funktionsanalyse konnten die vorgegebenen Kosten aus der Tabelle 4.1 pro-

blemlos auf die vier Komponenten aufgeteilt werden. Die richtige Zuweisung der Kos-

ten auf die ermittelten Funktionen war bei der Wertanalyse deutlich aufwendiger. Für

einige Kostenpositionen kamen mehrere Funktionen in Betracht. Beispielsweise könn-

ten die Kosten für die Schrauben sowohl den Funktionen Deckel befestigen, Deckel

entfernen als auch Trennfuge abdichten zugeordnet werden. Zusätzlich war es not-

wendig, die Kosten in der richtigen Gewichtung auf die entsprechenden Funktionen

aufzuteilen.

Bei der Funktionsanalyse konnten direkt mit Hilfe des Funktionsmodells (Bild 4.8) und

der Kosten Kennwerte ermittelt werden. Aus dem Stärkediagramm ergaben sich kla-

re Hinweise, welches Vorgehen für welche Komponente empfehlenswert ist. Für das

Gehäuse und den Deckel sollten die Kosten gesenkt werden. Dies konnte durch das

Eliminieren der Schrauben erreicht werden. Bei der Wertanalyse konnte nicht direkt

aus der Funktionenstruktur abgelesen werden, für welche Funktionen es besonders

lohnenswert ist, neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Es mussten zusätzlich Überle-

gungen angestellt werden, wo das größten Rationalisierungspotenzial zu finden ist.

4.2 Injektionsspritze

Die Injektionsspritze ist ein Lehrbeispiel für die Funktionsanalyse, die der TechOp-

timizer verwendet. Zunächst wird dafür die Funktionsanalyse und anschließend die

Wertanalyse vorgestellt. Das Bild 4.12 zeigt die Injektionsspritze. Sie wird zum Impfen

eingesetzt und mit bereits aufgezogenem Impfstoff verkauft.

NadelZylinderKolben

Impfstoff

Bild 4.12: Injektionsspritze [11]

Page 79: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 75

Die Kosten für die Injektionsspritze sind in Tabelle 4.11 zusammengefasst.

Tabelle 4.11: Kosten der Komponenten der Injektionsspritze [11]

Komponente Kosten [e]

Zylinder 0,09

Kolben 0,12

Nadel 0,09

Impfstoff 0,05

Σ 0,35

Eine Voraussetzung ist, dass immer genau fünf cl Impfstoff injiziert werden [11]. Das

Ziel der Untersuchung ist die Kosten der Injektionsspritze zu reduzieren.

4.2.1 Funktionsanalyse

Die Funktionsanalyse für die Injektionsspritze erfolgt anhand der drei Schritte aus dem

Abschnitt 3.1. Das Vorgehen unterscheidet sich damit etwas von dem des TechOptimi-

zers.

Komponentenanalyse

Im Bild 4.13 ist das Supersystem für die Injektionsspritze dargestellt. Das Supersystem

enthält als Komponenten die Injektionsspritze, eine Person, die die Impfung durchführt

und das Gewebe, in das der Impfstoff injiziert werden soll. Es können noch weitere

Komponenten des Supersystems wie z.B. Schmutz hinzukommen.

Supersystem:Impfung

Injektionsspritze

Gewebe

Person Komponenten desSupersystems

zu analysierendes technische System,enthält selbst auch Komponenten z.B. Nadel, Impfstoff

weitere Supersystem Komponenten

Bild 4.13: Das Supersystem der Injektionsspritze

Page 80: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 76

Im Bild 4.14 sind die Hierarchieebenen des Systems der Injektionsspritze abgebildet.

Es ist ein sehr einfaches System. Auf der höchsten Ebene befindet sich die Injektions-

spritze, die das zu analysierende technische System darstellt. Auf der zweiten Ebene

sind die vier Bestandteile Kolben, Impfstoff, Nadel, Zylinder des technischen Systems.

Für eine Verbesserung und vor allem zur Kostenreduzierung ist die zweite Hierarchie-

ebene die geeignetste, da die dritte Ebene einen zu großen Detaillierungsgrad auf-

weist.

Injektionsspritze

Kolben Impfstoff Nadel Zylinder

Buchse Kanüle Schutzhülle

Höchste Ebene

2. Ebene

3. Ebene

Kolbengriff Kolbenstange Rohr Konus

Bild 4.14: Hierarchieebenen des Systems Injektionsspritze [11]

Das Komponentenmodell für die Injektionsspritze ist im Bild 4.15 dargestellt. Zunächst

wird der Name des technischen Systems und die Hauptfunktion bestimmt. Das zu ana-

lysierende technische System ist die Injektionsspritze mit all ihren Komponenten. Das

System wurde entwickelt, um den Impfstoff in das Gewebe zu bringen. Somit ist die

Zielkomponente das Gewebe und seine Hauptfunktion Gewebe durchtränken. Fälsch-

licherweise könnte als Hauptfunktion dieses Systems Impfstoff spritzen angenommen

werden. Diese Funktion wird von dem technischen System auch ausgeführt. Es han-

delt sich dabei aber nicht um die Hauptfunktion. Das Hauptziel dieser Spritze ist, dass

der Impfstoff in das Gewebe gelangt. Bei der Funktion Impfstoff spritzen wird der Ort,

wohin der Impfstoff befördert werden soll, nicht berücksichtigt. Die Komponenten des

technischen Systems wurden hier bereits mit der Auswahl der Hierarchieebene be-

stimmt. Die Komponenten des Supersystems gehören nicht zum zu analysierenden

technischen System, aber interagieren mit ihm. Bei der Injektionsspritze sind dies die

Zielkomponente Gewebe und die Person, die das Injizieren durchführt. Mit diesen In-

formationen kann das Komponentenmodell für die Spritze erstellt werden.

Page 81: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 77

technisches System Hauptfunktion

Gewebe durchtränken

Zylinder Gewebe

Kolben Person

Nadel

Impfstoff

Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Injektionsspritze

Bild 4.15: Komponentenmodell der Injektionsspritze

Interaktionsanalyse

Nach erfolgter Bestimmung aller relevanten Komponenten des technischen Systems

und des Supersystems, wird die Interaktionstabelle für die Spritze erstellt.

+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Zyl

inde

r

Kol

ben

Nad

el

Im

pfst

off

Gew

ebe

Per

son

Zylinder - + + + - +

Kolben + - - + - +

Nadel + - - + + -

Impfstoff + + + - + -

Gewebe - - + + - -

Person + + - - - -

Bild 4.16: Die Interaktionstabelle der Injektionsspritze [11]

Die Komponenten werden in der gleichen Reihenfolge in die erste Zeile und in die erste

Spalte der Interaktionstabelle (Bild 4.16) eingetragen. Die Kennzeichnung der einzel-

nen Zellen mit einem „+” oder „-” Zeichen erfolgt abhängig davon, ob Interaktionen zwi-

schen den betrachteten Komponenten auftreten. Der Zylinder interagiert nicht mit sich

selbst und daher wird in die zugehörige Zelle ein „-” eingetragen. Der Kolben befindet

sich zum Teil im Zylinder. Beim Spritzen wird der Kolben in den Zylinder hineingedrückt

und der Zylinder führt ihn bei dieser Bewegung. Es liegt daher zwischen den beiden

Komponenten eine Interaktion vor und damit wird ein „+” in die entsprechenden Zellen

eingetragen. Dies wird solange wiederholt, bis alle Zellen ausgefüllt sind.

Als Nächstes wird die diagonale Symmetrie geprüft. Bei der Interaktionstabelle für die

Spritze liegt diese Symmetrie vor. Des Weiteren interagiert jede Komponente mit min-

Page 82: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 78

destens einer anderen Komponente, und daher ist keine Komponente aus der Tabelle

zu entfernen. Damit ist die Interaktionstabelle vollständig erstellt.

Funktionsmodellierung

Beim Aufstellen des Funktionsmodells der Injektionsspritze werden sowohl schädliche

Funktionen als auch Erfüllungsgrade berücksichtigt. Das tabellarische Funktionsmodell

für die Injektionsspritze besteht aus den fünf Spalten Funktion, Kategorie, Erfüllungs-

grad, Rang und Kommentare. In die Spalte Kategorie wird festgehalten, ob es sich

bei der betrachteten Funktion um eine nützliche (U) oder schädliche (H) Funktion han-

delt. Der Erfüllungsgrad der nützlichen Funktionen wird in die Spalte Erfüllungsgrad

geschrieben. Bis auf zwei Funktionen haben alle einen normalen (N) Erfüllungsgrad.

Die Funktion Kolben bewegt Impfstoff hat einen unzureichenden (I) und die Funktion

Nadel deformiert Gewebe einen überzogenen (E) Erfüllungsgrad. Zur Erstellung des

Funktionsmodells wird die Interaktionstabelle der Spritze, die im Bild 4.16 dargestellt

ist, verwendet. Da von der Zielkomponente Gewebe keine Funktion ausgeht, wird sie

nicht als Funktionsträger im tabellarischen Funktionsmodell aufgeführt. Anschließend

wird der Rang der nützlichen Funktionen bestimmt und ins Funktionsmodell einge-

tragen. Die schädliche Funktion besitzt keinen Rang. Das vollständige tabellarische

Funktionsmodell ist im Bild 4.17 dargestellt.

Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Rang Kommentare

Zylinder

führt Kolben U N A2

hält Nadel U N A1

hält Impfstoff U N A1

Kolben

bewegt Impfstoff U I A1

Nadel

deformiert Gewebe U E B

traumatisiert Gewebe H - -

führt Impfstoff U N A1

Impfstoff

durchtränkt Gewebe U N B

Person

drückt Kolben U N A2

hält Zylinder U N A2

Bild 4.17: Tabellarisches Funktionsmodell der Spritze

Page 83: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 79

Das grafische Funktionsmodell befindet sich im Bild 4.18. Zusätzlich zu den Kompo-

nenten, Funktionen und Erfüllungsgrade sind die Ränge der Funktionen abgebildet.

Zylinder Kolben

Impfstoff

Gewebe

Person

führt

führt

hält bewegthält

hältdrückt

deformiertdurchtränkttraumatisiert

nützliche Funktion – überzogen

nützliche Funktion – unzureichend

schädliche Funktion

nützliche Funktion – normal

(B)

(A2)

(B)

(A1)

(A1)

(A1)(A1)

(A2)

(A2)

Nadel

Komponente des technischen Systems

Komponente des Supersystem

Zielkomponente

Bild 4.18: Grafisches Funktionsmodell der Spritze [11]

Nach dem Aufstellen des Funktionsmodells erfolgt die Berechnung der einzelnen Kenn-

zahlen und die Bestimmung der Werte der Komponenten. Als eine Erweiterung wird für

die Injektionsspritze zusätzlich die erweiterte und die vereinfachte Funktionalität ermit-

telt. Ebenso wird sowohl der vereinfachte als auch der erweiterte Wert berechnet, um

noch einmal die Auswirkungen der Vereinfachungen und Erweiterungen darzulegen.

Bestimmung der Funktionalität F

Die Ermittlung der Funktionalität erfolgt wie im Abschnitt 3.2 beschrieben. In der Tabel-

le 4.12 sind die Ränge der Funktionen und die Funktionalitäten der Komponenten der

Spritze aufgeführt. Der niedrigste vorkommende Rang ist A2. Ihm wird ein Punkt, dem

Rang A1 zwei und dem Rang B vier Punkte zugewiesen. Die Komponente Nadel hat

mit sechs Punkten die höchste Punktzahl. Sie erhält somit die höchste Funktionalität

zehn. Es folgen der Zylinder mit 8,33 (56∗ 10) und der Impfstoff mit 6,67. Der Kolben

hat mit 3,33 die niedrigste Funktionalität.

Page 84: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 80

Tabelle 4.12: Funktionalität F der Komponenten der Spritze [11]

Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F

Zylinder führt Kolben A2 1 5 8,33

hält Nadel A1 2

hält Impfstoff A1 2

Kolben bewegt Impfstoff A1 2 2 3,33

Nadel deformiert B 4 6 10,00

Gewebe

führt Impfstoff A1 2

Impfstoff durchtränkt B 4 4 6,67

Gewebe

Bestimmung der vereinfachten Funktionalität Feinf

Im Abschnitt 3.4.2 wurde die vereinfachte Funktionalitätsberechnung vorgestellt. In Ta-

belle 4.13 sind die vereinfachte Funktionalität und die Daten für ihre Berechnung auf-

geführt. Die Basisfunktionen erhalten dabei drei, Zusatzfunktionen zwei und Hilfsfunk-

tionen einen Punkt. Mit vier Punkten hat die Nadel die höchste Punktzahl. Sie hat damit

auch nach dieser Berechnung die höchste Funktionalität.

Tabelle 4.13: Vereinfachte Funktionalität Feinf der Komponenten der Spritze

Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte Feinf

Zylinder führt Kolben A2 1 3 7,5

hält Nadel A1 1

hält Impfstoff A1 1

Kolben bewegt Impfstoff A1 1 1 2,5

Nadel deformiert B 3 4 10,0

Gewebe

führt Impfstoff A1 1

Impfstoff durchtränkt B 3 3 7,5

Gewebe

Bestimmung der erweiterten Funktionalität Ferw

Die Bestimmung der erweiterten Funktionalität entspricht der im Abschnitt 3.4.2 er-

läuterten Vorgehensweise. In der Tabelle 4.14 ist die erweiterte Funktionalität und ih-

re Berechnung dokumentiert. Die Punktzahl des Ranges für Funktionen mit unzurei-

chendem oder überzogenem Erfüllungsgrad wird halbiert. Die Funktion Kolben bewegt

Page 85: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 81

Impfstoff ist unzureichend. Daher werden die zwei Punkte für den Rang A1 mit 0,5

multipliziert. Die höchste Funktionalität nach dieser Berechnung erhält die Komponen-

te Zylinder und nicht mehr die Nadel.

Tabelle 4.14: Erweiterte Funktionalität Ferw der Komponenten der Spritze

Funktions- Funktion Funktions- Erfüllungs- Funktions- Σ der Ferw

träger rang grad punkte Punkte

Zylinder führt Kolben A2 N 1,0 x 1 5 10,0

hält Nadel A1 N 1,0 x 2

hält Impfstoff A1 N 1,0 x 2

Kolben bewegt Impfstoff A1 I 0,5 x 2 1 2,0

Nadel deformiert B E 0,5 x 4 4 8,0

Gewebe

führt Impfstoff A1 N 1,0 x 2

Impfstoff durchtränkt B N 1,0 x 4 4 8,0

Gewebe

Bestimmung der normierten Kosten

Für die Wertberechnung ist die Ermittlung der normierten Kosten der einzelnen Kom-

ponenten erforderlich, die in der Tabelle 4.15 zusammengestellt sind. Die teuerste

Komponente ist der Kolben mit 0,12 e. Er hat somit die normierten Kosten von zehn.

Die normierten Kosten von 7,5 für den Zylinder ergeben sich aus 0,090,12

∗ 10.

Tabelle 4.15: Kosten der Komponenten der Injektionsspritze

Komponente Kosten [e] normierte Kosten C

Zylinder 0,09 7,5

Kolben 0,12 10,0

Nadel 0,09 7,5

Impfstoff 0,05 4,2

Vereinfachte Wertbetrachtung

Zunächst wird der Wert nach der Formel 3.1 (V = FC

) aus dem Abschnitt 3.2 bestimmt.

Für die Funktionalität werden die drei verschieden berechneten Varianten F ,Feinf , Ferw

verwendet. In der Tabelle 4.16 sind die drei verschiedenen Werte für die einzelnen

Komponenten zusammengestellt.

Page 86: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 82

Tabelle 4.16: Vergleich verschiedener Werte und Funktionalitäten der Spritze

Komponente C F V Feinf Veinf Ferw Verw

Zylinder 7,5 8,33 1,11 7,5 1,0 10,0 1,33

Kolben 10,0 3,33 0,33 2,5 0,25 2,0 0,2

Nadel 7,5 10,00 1,33 10,0 1,33 8,0 1,07

Impfstoff 4,2 6,67 1,59 7,5 1,79 8,0 1,90

Bei allen drei Varianten hat der Impfstoff den höchsten und der Kolben den niedrigsten

Wert. Auf Grund der Berücksichtigung des Erfüllungsgrads ist der Wert des Kolbens

und der Nadel bei der dritten Variante (Verw) im Vergleich zu den Werten der beiden

anderen Komponenten geringer.

C

F, Feinf, Ferw

5 10

5

10

Zylinder

Nadel

Kolben

Impfstoff

: F

: Feinf

: Ferw

F: FunktionalitätFeinf: Funktionalität- vereinfacht Ferw: Funktionalität- erweitertC: normierte Kosten

Bild 4.19: Stärkediagramm der Spritze bei den verschiedenen Funktionalitätsberechnungen

Im Bild 4.19 ist das Stärkediagramm für die Komponenten mit den drei verschiedenen

Funktionalitäten dargestellt. Es zeigt ebenso, dass für die Komponenten Nadel und

Kolben die Funktionalität bei Berücksichtigung des Erfüllungsgrads sinkt. Die Kom-

ponente Kolben befindet sich im rechten unteren Quadranten. Die Empfehlung lautet

hier, die Komponente zu trimmen. Die Nadel und der Zylinder liegen im oberen rechten

Quadranten. Sie haben eine hohe Funktionalität bei hohen Kosten. Hier sollte versucht

werden, die Kosten zu reduzieren. Der Impfstoff liegt in dem günstigen Quadranten

links oben. Hier besteht kein akuter Handlungsbedarf.

Page 87: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 83

Erweiterte Wertbetrachtung

Zur Bestimmung des erweiterten Werts, wird die Formel 3.2 (Verweitert = F 2

C+P) ver-

wendet. Dazu muss zunächst der Problemrang der einzelnen Komponenten bestimmt

werden.

Tabelle 4.17: Ermittlung der Problemränge P der Injektionsspritze [11]

Komponente Wert überzogener Wert unzureichender Wert schädl. Σ Problem-Funktionen Funktionen Funktionen rang P

Zylinder 0 0 0 0 0,00

Kolben 0 14 0 14 5,19

Nadel 20 0 7 27 10,00

Impfstoff 0 0 0 0 0,00

In der Tabelle 4.17 sind die Problemränge der Komponenten der Spritze zusammen-

gestellt. Hier wird wie beim Programm TechOptimizer eine Skala von null bis 20 zur

Bewertung der Erfüllungsgrade und der schädlichen Funktionen verwendet [11]. Null

steht dabei für die geringste und 20 für die größtmögliche negative Ausprägung. Ei-

ne nützliche Funktion mit normalem Erfüllungsgrad hat damit den Wert null. Von den

Komponenten Zylinder und Impfstoff gehen nur nützliche Funktionen mit einem nor-

malen Erfüllungsgrad aus (vgl. dazu das Funktionsmodell Bild 4.17 und 4.18). Somit

betragen die Problemränge für den Zylinder und den Impfstoff null. Die Komponen-

te Kolben führt nur die Funktion bewegt Impfstoff aus. Bei dieser nützlichen Funktion

besteht ein unzureichender Erfüllungsgrad mit dem Wert 14. Die Komponente Nadel

ist sowohl Funktionsträger für eine schädliche Funktion mit dem Wert 7 als auch eine

überzogene nützliche Funktion mit dem Wert 20. Mit 27 hat die Nadel den höchsten

Wert von allen Komponenten und bekommt damit den Problemrang zehn zugewiesen.

Der Problemrang 5,19 der Komponente Kolben ergibt sich aus 1427∗ 10. Die Nadel ist

die Komponente, die am stärksten problembehaftet ist.

In der Tabelle 4.18 sind die Werte der Komponenten unter Berücksichtigung des Pro-

blemrangs aufgeführt. Zur Berechnung werden die Funktionalitäten aus Tabelle 4.12

verwendet. Die erweiterte Funktionalität kann hier nicht eingesetzt werden, da der Er-

füllungsgrad im Problemrang berücksichtigt wird. Wegen der Verwendung von Funk-

tionsrang, Problemrang und Kosten der Komponenten ist es hier wesentlich, dass alle

betrachteten Größen auf den gleichen Wert normiert sind. Die Komponente Kolben hat

auch bei dieser Betrachtung mit Abstand den schlechtesten Wert.

Page 88: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 84

Tabelle 4.18: Erweiterte Wertberechnung Verweitert für die Spritze

Komponente F P C Verweitert

Zylinder 8,33 0 7,50 9,25

Kolben 3,33 5,19 10,00 0,73

Nadel 10,00 10 7,50 5,71

Impfstoff 6,67 0 4,17 10,67

Im Bild 4.20 ist das Ergebnis für die erweiterte Wertbetrachtung grafisch dargestellt.

Der Kolben liegt auch hier im rechten unteren Quadranten. Er ist die Komponente mit

der geringsten Funktionalität und weist relativ hohe Kosten und Probleme auf. Es bietet

sich an, diese Komponente zu trimmen.

C+P

1

F

2

3

4

5

6

7

8

9

10

2 4 6 8 12

Komponente

Zylinder 7,50 0,00 8,33

Kolben 10,00 5,19 3,33

Nadel 7,50 10,00 10,00

Impfstoff 4,17 0,00 6,67

normierte Kosten

Problem-rang

Funktio-nalität

Impfstoff

Nadel

Zylinder

KolbenF: FunktionalitätC: normierte KostenP: Problemrang

1410 16 18 20

Bild 4.20: grafische Darstellung der erweiterten Wertbetrachtung

Trimming

Das Trimmen des Kolbens erfordert eine Verteilung seiner nützlichen Funktionen auf

andere Komponenten. Von dem Kolben geht die Funktion Impfstoff bewegen aus (vgl.

Funktionsmodell Bild 4.17 und 4.18). Für diese Funktion wird die Regel C des Trim-

mings angewendet. Die Funktion muss damit von einem anderen, noch zu bestim-

menden Funktionsträger, ausgeführt werden. Hier fällt die Wahl auf die Komponente

Zylinder. Diese Komponente erfüllt die dritte Richtlinie für die Auswahl eines neuen

Funktionsträgers, da sie mit der Komponente Impfstoff bereits interagiert. Der Zylinder

führt bereits die Funktion hält Impfstoff aus. Dadurch ergibt sich folgendes Trimming-

Page 89: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 85

problem: Wie kann die Funktion bewegt Impfstoff von der Komponente Zylinder erfüllt

werden?

Bei dem Programm TechOptimizer werden auch die nützlichen Funktionen, die auf

die zu trimmende Komponente weisen, näher betrachtet und überprüft, ob sie noch

benötigt werden. Die Funktion Person drückt Kolben entfällt, wenn die Komponente

Kolben eliminiert wird. Es wird daher überprüft, ob die Notwendigkeit besteht, dass ei-

ne Komponente von der Person gedrückt wird. In diesem Fall wird entschieden, dass

es notwendig ist und daher entsteht die Funktion Person drückt Zylinder. Die Funkti-

on Zylinder führt Kolben entfällt hingegen, da sie nicht mehr benötigt wird [11]. Hier

wird darauf verzichtet, denn es könnte eventuell später das Finden einiger Lösungs-

möglichkeiten behindern. Im Bild 4.21 ist das Funktionsmodell für die Spritze und das

anschließende Trimmingmodell dargestellt.

Zylinder Kolben

Impfstoff

Gewebe

Person

führt

führt

hält bewegthält

hältdrückt

deformiertdurchtränkttraumatisiert

Impfstoff

Gewebe

Person

Zylinder

führt

hälthält

hält

deformiertdurchtränkttraumatisiert

bewegt

Nadel Nadel

Trimmingproblem: Wie kann die Funktion bewegt Impfstoff von der Komponente Zylinder erfüllt werden?

Bild 4.21: Ein Trimmingmodell für die Injektionsspritze (vgl. [11])

Bei der Injektionsspritze ist das Problem zu lösen, wie der Zylinder den Impfstoff be-

wegen kann. Das Programm TechOptimizer versucht dieses Problem mit seiner Effekt-

datenbank zu lösen. Die Effektdatenbank des TechOptimizers enthält viele technische

Effekte und Beispiele zum Lösen eines Problems. Es werden mehrere möglichst pas-

sende Effekte oder Beispiele ausgesucht und hier an Hand von Kosten und der Dauer

der Einführung bewertet. [11]

Page 90: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 86

Im Bild 4.22 ist rechts eine mögliche Lösungsvariante und links das dazugehörende

Funktionsmodell abgebildet. Durch die Gestaltung des Zylinders als einem Balg kann

der Impfstoff bewegt werden. Zur Bedienung des Balgs muss die Person, die die Imp-

fung durchführt, ihn drücken.

Zylinder

Impfstoff

Gewebe

führt

hälthält

hält

deformiertdurchtränkt

traumatisiert

bewegt

Nadel

Person

drückt

Balg

Bild 4.22: Funktionsmodell und eine mögliche Lösung für die Injektionsspritze (vgl. [11])

Es ist wäre allerdings noch zu prüfen, ob diese Lösung allen Anforderungen an eine

Injektionspritze genügt. Kann bei dieser Variante der Impfstoff exakt dosiert werden?

Ist es zuverlässig möglich, dass keine Luft mit injiziert wird?

4.2.2 Wertanalyse

Die Durchführung der Wertanalyse erfolgt an Hand der sechs im Kapitel 2 beschriebe-

nen Grundschritte.

Projekt vorbereiten

Da es sich auch hier um ein Lehrbeispiel handelt, sind die Projektauswahl, die Team-

bildung und das Planen des Projektablaufs nicht relevant. Das Ziel ist die Kostenredu-

zierung der Injektionsspritze.

Objektsituation analysieren

Die allgemeinen Informationen über die Spritze und ihre Kosten wurden bereits am An-

fang des Kapitels 4.2 aufgeführt. Bei der Analyse der Ist-Situation der Injektionsspritze

Page 91: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 87

werden die zwei Hauptfunktionen Gewebe eindringen und Impfstoff spritzen ermittelt.

Die Nadel muss an der richtigen Stelle und Tiefe in das Gewebe des Patienten ein-

geführt und anschließend der Impfstoff in das Gewebe injiziert werden. Es handelt

sich damit um eine Gebrauchsfunktion, da sie ausschließlich für die Durchführung der

Impfung benötigt wird. Die Funktion Gewebe eindringen wird durch die Teilfunktionen

Haut durchstoßen und Spritze bewegen erreicht. Die Funktion Impfstoff spritzen kann

durch die Teilfunktionen Impfstoff bereitstellen, Impfstoff bewegen und Impfstoff füh-

ren realisiert werden. Im Bild 4.23 ist der Funktionenbaum der Ist-Situation der Spritze

abgebildet.

Gewebe eindringen

Spritze bewegen

Haut durchstoßen

Impfstoff bereitstellen

Gesamtfunktionen Teilfunktionen

Impfstoff spritzen

Impfstoff bewegen

Impfstoff führen

Bild 4.23: Funktionenbaum der Injektionsspritze

Für die Injektionsspritze gibt es zusätzliche Anforderungen, die nicht im Funktionen-

baum abgebildet sind. Zum einen muss eine genau bestimmte Menge Impfstoff ge-

spritzt werden und zum anderen ist es zu vermeiden, Luft mitzuspritzen.

Als Nächstes erfolgt die Aufteilung der Kosten der Injektionsspritze (Tabelle 4.11) auf

die Funktionen. Für die beiden Komponenten Kolben und Impfstoff ist dies eindeutig,

da diese nur für jeweils eine Funktion benötigt werden. Die beiden anderen Komponen-

ten werden allerdings für zwei bzw. drei Funktionen benötigt und somit ist die Auftei-

lung ihrer Kosten komplexer. In Tabelle 4.19 sind diese für die einzelnen Teilfunktionen

aufgelistet.

Page 92: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 88

Tabelle 4.19: Aufteilung der Kosten [e] auf die Funktionen der Injektionsspritze

Haut Spritze Impfstoff Impfstoff Impfstoff Σdurchstoßen bewegen bereitstellen bewegen führen

Zylinder 0,03 0,06 0,09

Kolben 0,12 0,12

Nadel 0,04 0,01 0,04 0,09

Impfstoff 0,05 0,05

Σ 0,04 0,04 0,11 0,12 0,04 0,35

Soll-Zustand beschreiben

Zum Aufstellen der Soll-Funktionen der Spritze werden die Ist-Funktionen auf ihre Not-

wendigkeit hin überprüft. Die beiden Hauptfunktionen Gewebe eindringen und Impfstoff

spritzen sind unbedingt notwendig für das Spritzen des Impfstoffs und werden somit als

Soll-Funktionen übernommen. Die beiden Teilfunktionen Haut durchstoßen und Sprit-

ze bewegen sind erforderlich zum Erfüllen der Hauptfunktion Gewebe eindringen. Ge-

nauso sind die Teilfunktionen Impfstoff bereitstellen, Impfstoff bewegen und Impfstoff

führen erforderlich, um die Funktion Impfstoff spritzen zu ermöglichen. Somit wurden

sämliche Ist-Funktionen in Soll-Funktionen überführt.

Bei der Betrachtung der Kosten der einzelnen Teilfunktionen fällt auf, dass die beiden

Funktionen Impfstoff bereitstellen und Impfstoff bewegen mit 0,11 e und 0,12 e fast

zwei Drittel der Kosten verursachen. Es bietet sich an, besonders in diesem Bereich

zu versuchen, die Kosten zu reduzieren.

Lösungsideen entwickeln

Als Nächstes werden möglichst viele bekannte und neue Lösungsideen für die Spritze

gesucht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kostenreduzierung für die Funktionen

Impfstoff bereitstellen und Impfstoff bewegen.

Impfstoff

NadelNadel

Impfstoff

Luft

Lösung 1 (Skizze) Lösung 2 (Skizze)

bewegliche Scheibe

Bild 4.24: 2 Lösungsvorschläge für die Injektionsspritze (Skizzen)

Page 93: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 89

Zwei Lösungsideen sind im Bild 4.24 dargestellt. Bei der ersten Variante wird der

Durchmesser des Zylinders der Spritze vergrößert und dessen Länge deutlich verkürzt.

Der Stiel des Kolbens wurde weggelassen. Mit Hilfe des Daumens wird der Impfstoff

vom Zylinder in die Nadel gedrückt und damit in die Haut gespritzt.

Bei der zweiten Alternative wird der Kolben durch einen elastischen Ballon ersetzt.

Durch das Eindrücken des Ballons wird der Impfstoff durch die Nadel in das Gewebe

gedrückt. Hier besteht allerdings das Problem, dass gewährleistet werden muss, dass

die korrekte Menge an Impfstoff und keine Luft gespritzt wird.

Lösung festlegen

Analog zum Beispiel Lagerabdichtung werden die einzelnen Lösungen mit Hilfe der

technisch-wirtschaftlichen Bewertung verglichen. In der Tabelle 4.20 sind die techni-

sche Wertigkeit und die Kosten für die fünf Teilfunktionen der Injektionsspritze aufgelis-

tet. Die Teilfunktionen werden bei diesem Beispiel alle gleich gewichtet. Die niedrigsten

Kosten verursacht Lösung 1. Ihre Kosten sind mit 0,29 e um knapp 20% geringer als

bei der ursprüngliche Lösung mit Kosten von 0,35 e.

Tabelle 4.20: Technische Wertigkeit und Kosten der Lösungen für die Teilfunktionen der Spritze

technische Wertigkeit KostenTeilfunktionen Lösung 1 Lösung 2 Lösung 1 Lösung 2

Haut durchstoßen 0,75 0,75 0,04 e 0,04 e

Spritze bewegen 0,75 0,75 0,04 e 0,05 e

Impfstoff bereitstellen 0,75 0,50 0,10 e 0,12 e

Impfstoff bewegen 0,75 0,50 0,07 e 0,06 e

Impfstoff führen 0,75 0,75 0,04 e 0,04 e

Σ 0,29 e 0,31 e

Aus diesen Werten werden die technischen und wirtschaftlichen Wertigkeiten der Lö-

sungen bestimmt. Mit dem Hyperbelverfahren (Formel 4.1, Seite 65) wird anschließend

die gesamte Wertigkeit der Lösungen berechnet. Die Werte sind in Tabelle 4.21 aufge-

listet. Mit einer Wertigkeit von 0,72 liegt die Lösung 1 vor der Lösung 2 mit 0,65.

Danach hat die Lösung 1 mit 0,72 die höchste Wertigkeit. Es ist allerdings noch zu

prüfen ob mit dieser Lösung die Impfung besser oder gleich gut ausgeführt werden

kann, wie mit der ursprünglichen Injektionsspritze.

Page 94: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

4 Lehrbeispiele 90

Tabelle 4.21: Wertigkeit der Lösungen der Injektionsspritze

Lösung 1 Lösung 2

technische Wertigkeit (x) 0,75 0,65

wirtschaftliche Wertigkeit (y) 0,70 0,65

Wertigkeit (W) 0,72 0,65

Lösung verwirklichen

Dieser Schritt muss nicht näher betrachtet werden, da es sich hier um ein Lehrbeispiel

handelt, dessen Lösung nicht verwirklicht wird.

4.2.3 Vergleich

Analog zum Beispiel Lagerabdichtung ist die Aufteilung der Kosten auf die Komponen-

ten bzw. Funktionen bei der Funktionsanalyse erheblich einfacher. Bei der Wertanalyse

ist die Aufteilung der Kosten auf die einzelnen Funktionen nicht immer eindeutig.

Ein weiterer Vorteil der Funktionsanalyse ist die Berücksichtigung der schädlichen

Funktion Nadel traumatisiert Gewebe und der verschiedenen Erfüllungsgrade, die bei

der Wertanalyse nicht weiter beachtet werden.

Die Wertanalyse geht von den Funktionen, die die Spritze erfüllt bzw. erfüllen soll, aus

und betrachtet damit zunächst lediglich, welche Wirkung der Benutzer der Spritze von

ihr erwartet. Erst danach werden diese Grundfunktionen in Teilfunktionen untergliedert.

Nachteilig ist, dass dies recht abstrakt ist. Durch die Zerlegung der Spritze in ihre

Komponenten wird bei der Funktionsanalyse diese Abstraktion vermieden.

Bei der Funktionsanalyse wird durch das Trimming versucht, den Wert des Systems

durch Eliminierung von Komponenten zu erhöhen. Die bei der Funktionsanalyse ent-

wickelte Lösung der Spritze weist eine Komponente weniger auf als die ursprüngliche

Spritze und die Lösung durch die Wertanalyse. Oft wird zum Verbessern das System

um Komponenten erweitert. Das Trimming wirkt diesem Trend entgegen und versucht,

durch Eliminierung das System zu vereinfachen, Probleme zu beheben und Kosten zu

reduzieren.

Page 95: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

91

5 Industriebeispiel

Nach der Durchführung der Wertanalyse und der Funktionsanalyse an Lehrbeispielen

werden in diesem Kapitel beide analytischen Ansätze an einem Industrieprojekt an-

gewendet. Bei diesem Projekt handelt es sich um das Einpressen einer Welle in ein

Läuferpaket bei der Fertigung von Motoren. Für diesen Arbeitsprozess ist eine neue

Anlage in Planung. Es bietet sich daher an, diesen Arbeitsplatz wertanalytisch zu be-

trachten und zu verbessern.

Zunächst erfolgt eine Erläuterung des Projekts und seiner Rahmenbedingungen. An-

schließend folgt die Beschreibung des Einsatzes der Wertanalyse und der Funktions-

analyse für dieses Projekt. Die in dieser Arbeit beschriebene Funktionsanalyse ist

eigentlich für die Untersuchung von Produkten ausgelegt. Bei der Analyse von Pro-

zessen wird normalerweise eine Erweiterung der Funktionsanalyse verwendet, die die

zeitlichen Aspekte stärker berücksichtigt. Da hier allerdings ein Beispiel zur beschrie-

benen Funktionsanalyse durchgeführt werden soll, wird hier die Funktionsanalyse für

Produkte auf einen Prozess angewendet. Abschließend werden die Erfahrungen mit

beiden Analyseansätzen bei diesem Projekt verglichen.

5.1 Prozessbeschreibung und Zielsetzungen

Das Projekt umfasst einen Prozessschritt bei der Läuferfertigung von Motoren. Bei den

zu fertigenden Motoren handelt es sich um Asynchron-Servomotoren (vgl. Bild 5.1) mit

einer Bemessungsleistung bis 385 kW und um große Drehstrom-Niederspannungs-

motoren [22].

Page 96: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 92

Bild 5.1: Motoren des Typs 1PH7 [23]

5.1.1 Grundschritte des Arbeitsplatzes

Der im Folgenden zu betrachtende Arbeitsplatz der Läuferfertigung lässt sich wie im

Bild 5.2 dargestellt in drei Abschnitte aufteilen.

Bleche auf Dorn stapeln, pressen,

messen & evtl. korrigierenGießen

Dorn auspressen,Welle in Läuferpaket

pressen

Gegenstand der Betrachtung

Bild 5.2: Die drei Grundschritte des Arbeitsplatzes

Als Erstes stapelt ein Mitarbeiter die vorgestanzten Bleche auf einen Dorn. Zur exakten

Messung der Höhe des Blechpakets wird dieser zusammengepresst und anschließend

werden je nach Bedarf zusätzliche Bleche zugeführt oder entfernt. Links im Bild 5.3 ist

der Dorn mit dem Blechpaket dargestellt. Da an diesem Arbeitsplatz Läufer mit großen

Abmessungen hergestellt werden, steht dem Mitarbeiter ein Kran zur Verfügung. Mit

Hilfe des Krans gelangt das auf einem Dorn gestapelte Blechpaket in eine Aluminium-

Gießanlage, in der aus dem Blechpaket das Läuferpaket - das ist der Läufer ohne die

Welle - entsteht (vgl. Bild 5.3 zweite Abbildung von links). Danach erfolgt das Aus-

pressen des Dorns. Durch den Gießvorgang erwärmt sich das Läuferpaket, wodurch

sich der Durchmesser des Achslochs des Läuferpakets vergrößert, so dass die Welle

eingepresst werden kann.

Page 97: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 93

Blechpaketbestehend aus vielen vorgestanzten Blechen

Dorn

vor dem Gießen nach dem Gießen nach dem Auspressen des Dorns

nach dem Ein- pressen der Welle

Läuferpaket Welle

Bild 5.3: Skizzen des Läuferpakets

Der dritte Grundschritt dieses Arbeitsplatzes (vgl. Bild 5.2) besteht aus vielen einzelnen

Arbeitsschritten. In diesem Bereich wird ein großes Potenzial für Verbesserungsmög-

lichkeiten gesehen und deshalb für die wertanalytische Betrachtung ausgewählt. Er

umfasst die Schritte von der Entnahme des Läuferpakets aus der Gießanlage bis zum

Bereitstellen des Läufers nach dem Einpressen der Welle für eine Weiterverarbeitung

an einem anderen Arbeitsplatz.

5.1.2 Komponenten der Läuferwellenpresse

Die wesentlichste Anlage bei diesem Prozess ist die Läuferwellenpresse, die den Dorn

aus dem Läuferpaket aus- und die Welle einpresst. Daher wird diese als Nächstes

genauer betrachtet. Eine Skizze von ihr befindet sich im Bild 5.4. Zur besseren Be-

schreibung des Prozessablaufs wird diese Maschine in die fünf Teile Tisch, Presse,

Platz 1, Platz 2 und Köcher unterteilt. Der Tisch nimmt das Läuferpaket auf. Er ist mit

Aussparungen versehen, um Deformationen des Aluminiums zu verhindern. Der Mit-

arbeiter kann den Tisch zwischen den drei verschiedenen Bereichen Platz 1, Presse

und Platz 2 der Maschine per Knopfdruck verschieben. Im Bereich Presse erfolgt das

Page 98: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 94

Auspressen des Dorns und das Einpressen der Welle. Platz 1 und Platz 2 sind Berei-

che der Maschine, an denen der Mitarbeiter das Läuferpaket bearbeiten kann. Durch

ein Podest am Platz 2 unterscheiden sich diese beiden Arbeitsplätze in der Arbeitshö-

he des Mitarbeiters. Der fünfte Bestandteil der Maschine ist der Köcher. Er fängt den

Dorn nach dem Auspressen auf. Zur Entnahme des Dorns verfährt der Mitarbeiter den

Köcher vom Bereich Presse zum Platz 1.

Platz 1 Platz 2Presse

Köcher(kann zwei verschiedene Positionen einnehmen)

Tisch(kann drei verschie-dene Positionen einnehmen)

Podest für den Arbeiter

Bild 5.4: Skizze der Läuferwellenpresse

5.1.3 Arbeitsschritte

Die wichtigsten Arbeitsschritte sind im Bild 5.5 zusammengestellt. In Klammern be-

findet sich hinter jedem Schritt der jeweilige prozentuale Anteil an der gesamten Pro-

zesszeit. Alle aufgeführten Arbeitsschritte erfolgen hintereinander und nicht parallel.

Die Addition der einzelnen prozentualen Zeiten ergibt damit 100%. Bei einigen Läufer-

typen entfallen einzelne Arbeitsschritte. Das prinzipielle Vorgehen ist bei allen Modellen

jedoch gleich. Zum besseren Verständnis ist unten im Bild eine Skizze des Arbeitsplat-

zes eingefügt. Die Nummern verweisen auf die Arbeitsschritte, die an dem jeweiligen

Ort durchgeführt werden. Mit verschiedenen Pfeilen sind die Wege des Läuferpakets,

der Welle und des Dorns gekennzeichnet.

Page 99: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 95

1 Entnahme des Dorns mit Läufer-paket aus Gießanlage (1,30%)

2 Aluminiumrest am Paket-umfang entfernen (4,30%)

Lüfterflügel und Tarierzapfen ent-graten bzw. abtrennen (8,20%)

3 Absetzen des Läuferpakets aufden Tisch am Platz 1 (5,86%)

4 Transport des Läuferpakets zur Presse (1,30%)

Transport mit Kran(1,30%)

Transport mit Kran(1,30%)

Auffangen des Dorns im Köcher (0,26%)

Auspressen des Dorns(3,91%)

5

Transport des Dorns per Kran(1,30%)

Dorn im Wasserbecken ablegen (4,17%)6

7 Transport des Läuferpakets vonder Presse zum Platz 2 (1,30%)

Einschlagen von Kennungenin das Läuferpaket (3,91%)

Läuferpaket innen entgraten(3,39%)

Drehung des Läuferpakets um 180 °(15,63%)

Läuferpaket innen einfetten(Seite 2) ( 1,56%)

8Transporthaken an

Welle anbringen (1,30%)

9 Welle in Läuferpaket absetzen(4,56%)

Transporthaken entfernen(1,30%)

10 Welle und Läuferpaket in Presse transportieren (1,30%)

Welle in Läuferpaketeinpressen (3,39%)

11 Läufer aus Presse herausfahren(1,30%)

„Schutz“-Adapter entfernen(1, 04%)

Transport des Dorns imKöcher zum Platz 1 (1,30%)

Entnahme des Dorns aus dem Köcher (0,65%

Welle mit Kran in senkrechte Position bringen (6,51%)

Welle mit Kran transportieren(3,00%)

„Schutz“-Adapter auf Welle setzten (1,04%)

12 Läufer mit Kran zur Ablagetransportieren (3,00%)

Läufer ablegen (6,51%)

Transporthaken an Wellebefestigen (1,30%)

Lieferschein anbringen(0,65%)

Transporthaken entfernen( 1,30%)

Platz 1

Wasserbecken

Presse Platz 2

Ablage

Köcher

1

2

3 4

56

7

8

9

10

12

1

: Weg der Welle: Weg des Läuferpakets

: Weg des Dorns: Transport durch Kran

Gieß-anlage

Köcher

11

Läuferpaket innen einfetten(Seite 1) (1,56%)

Läuferwellenpresse

Bild 5.5: Arbeitsschritte mit ihren Zeiten

Page 100: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 96

Die Betrachtung beginnt mit der Entnahme des Läuferpakets aus der Gießanlage. Da-

zu wird der Dorn an einem Kran befestigt und zusammen mit dem Läuferpaket ent-

nommen. Zwischen der Gießanlage und der Läuferwellenpresse erfolgt eine Unterbre-

chung des Transports, um das am Kran hängende Läuferpaket zu bearbeiten. Dabei

werden überschüssiges Aluminium vom Paketumfang entfernt, die Lüfterflügel entgra-

tet und die Tarierzapfen, die auf Grund des Gießens entstehen, abgetrennt. Anschlie-

ßend folgt der Weitertransport zur Läuferwellenpresse. Das Läuferpaket wird auf den

Tisch, der sich auf Platz 1 befindet, abgesetzt. Der Mitarbeiter muss dabei die Ausspa-

rungen des Tisches genau treffen, um Beschädigungen des noch heißen Aluminiums

zu vermeiden. Dazu ist eine bestimmt Arbeitshöhe erforderlich. Der Köcher befindet

sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls am Platz 1.

Das Läuferpaket wird auf dem Tisch in die Presse gefahren und der Dorn ausgepresst.

Diesen nimmt der Köcher, der gleichzeitig mit dem Tisch zur Presse gefahren wurde,

auf und fährt zum Platz 1 zurück. Dort befestigt der Mitarbeiter den Dorn am Kran und

transportiert ihn zum Wasserbecken.

Das Läuferpaket fährt nach dem Entfernen des Dorns auf dem Tisch zum Platz 2.

Der Mitarbeiter geht auf das Podest und schlägt von dort aus Kennungen in das Läu-

ferpaket, entgratet es und fettet die obige Seite des Achslochs des Läuferpakets ein.

Anschließend wird das Läuferpaket unter Zuhilfenahme des Krans gewendet. Es er-

folgt das Einfetten des Achslochs auf der anderen Seite.

Als Nächstes bringt der Mitarbeiter einen Transporthaken an der in der Ablage be-

reitgestellten Welle an. Da die Welle sich in einer horizontalen Lage befindet, muss

sie zunächst aufgerichtet werden. Anschließend wird sie mit dem Kran zum Platz 2

transportiert. Dort wird die Welle auf dem Achsloch des Läuferpakets abgesetzt. Zur

korrekten Positionierung durch den Mitarbeiter ist das Podest am Platz 2 erforderlich.

Der Mitarbeiter entfernt anschließend den Transporthaken und setzt einen Adapter auf

die Welle. Dieser soll den Wellenspiegel beim Einpressen vor Verformungen schützen.

Nach diesen Vorbereitungen wird der Tisch mit dem Läuferpaket und der Welle in die

Presse gefahren und die Welle in das Läuferpaket eingepresst. Der Tisch mit dem

Läufer fährt anschließend wieder zum Platz 2. Der Mitarbeiter entfernt den Adapter und

befestigt den Transporthaken an der Welle des Läufers. Danach wird dieser mit dem

Page 101: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 97

Kran zur Ablage transportiert und abgelegt. Das Ablegen des Läufers ist zeitaufwendig,

da er dazu in eine horizontale Position gebracht werden muss. Als Letztes entfernt der

Mitarbeiter den Transporthaken und bringt den Lieferschein an.

5.1.4 Kosten der Anlage

In Tabelle 5.1 sind die Kosten der Läuferwellenpresse, der Krananlage und des Was-

serbeckens aufgeführt. Für die Läuferwellenpresse ist zusätzlich angegeben wie sich

die Kosten auf ihre Bereiche Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch verteilen. Dies

sind die Kosten für eine Wiederbeschaffung der aktuellen Anlage. Bei den Kosten han-

delt es sich nicht um Angaben in Euro, da die exakten Zahlen nicht in dieser Arbeit

aufgeführt werden sollen. Die Kosten der Läuferwellenpresse wurden fiktiv mit 100000

angesetzt und die übrigen Kosten dementsprechend umgerechnet.

Tabelle 5.1: Kosten der aktuellen Anlage

Bestandteil Kosten Bereich Kosten

Läuferwellenpresse 100000 Presse 63429

Platz 1 10015

Platz 2 13774

Köcher 12030

Tisch 702

Kran 33082

Wasserbecken 1805

5.1.5 Ziele der wertanalytischen Betrachtung

Da der Kauf einer neuen Anlage geplant ist, ist eine Veränderung des gesamten Auf-

baus der Anlage möglich. Ein Ziel dieser Untersuchung ist daher eine Optimierung der

Kosten beim Kauf der neuen Anlage.

Bei dem hier betrachteten Prozess liegt der Engpass beim Mitarbeiter. Die Anlage war-

tet auf den Mitarbeiter und ist nicht ausgelastet. Durch eine Reduzierung der Durch-

laufzeit des betrachteten Prozesses könnten die Lohnkosten einer Läuferwelle gesenkt

Page 102: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 98

werden. Zusätzlich würde dadurch ein höherer Durchsatz ermöglicht. Ein Ziel der wert-

analytischen Betrachtung ist daher auch, die benötigte Arbeitszeit für diesen Prozess

zu reduzieren.

5.2 Wertanalyse

In diesem Abschnitt wird die Wertanalyse für den gerade beschriebenen Prozess durch-

geführt. Von den sechs Grundschritten der Wertanalyse werden allerdings nur die ers-

ten vier näher betrachtet. Die Schritte Lösungen festlegen und Lösungen verwirklichen

sind nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit.

5.2.1 Projekt vorbereiten

Das zu betrachtende WA-Objekt ist der bereits beschriebene Prozess von der Entnah-

me des Läuferpakets aus der Gießanlage bis zum Anbringen des Lieferscheins an den

fertigen Läufer. Das Ziel ist sowohl einen niedrigen Preis beim Kauf der neuen Anla-

ge zu erreichen als auch die Arbeitszeiten für diesen Prozess zu senken, um so die

Lohnkosten pro Läufer zu reduzieren und den Durchsatz zu erhöhen.

5.2.2 Objektsituation analysieren

In diesem Abschnitt erfolgt das Erstellen des Funktionenbaums und die Ermittlung der

Ist-Kosten und Ist-Zeiten der einzelnen Funktionen. Die Beschreibung der Ist-Situation

des Prozesses erfolgte bereits im Kapitel 5.1.

Funktionenbaum

Der nächste Schritt ist das Aufstellen des Funktionenbaums dieses Prozesses, der im

Bild 5.6 dargestellt ist. Die Grundfunktionen lassen sich in Haupt- und Nebenfunktio-

nen des Prozesses untergliedern. Die wesentliche Aufgabe dieses Prozesses ist, die

Welle in das Läuferpaket einzupressen. Die Hauptfunktion lautet somit Welle einpres-

sen. Dieser Prozess hat noch einige zusätzliche Aufgaben. Der Läufer muss nach dem

Page 103: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 99

Einpressen der Welle für den Transport zum nachfolgenden Arbeitsplatz bereitgestellt

werden. Außerdem ist das Einschlagen von Kennungen in das Läuferpaket notwendig.

Zusätzlich ist eine Wiederverwendung des Dorns für eine spätere erneute Anwendung

zu ermöglichen. Damit ergeben sich die Nebenfunktionen Läufer bereitstellen, Ken-

nungen einschlagen und Dorn wiederverwenden.

Die Grundfunktion Welle einpressen wird durch die Teilfunktionen Läuferpaket vor-

bereiten, Welle vorbereiten und Pressung durchführen erreicht. Zur Vorbereitung des

Läuferpakets ist eine Vergrößerung des Achslochs für das Einpressen der Welle not-

wendig. Dies geschieht durch das Erwärmen des Läuferpakets beim Gießen. Da das

flüssige Aluminium vor allem in die äußeren Bereiche des Blechpakets gelangt, dauert

es einige Minuten, bis die Wärme in das Innere weitergeleitet wird und das Achs-

loch sich vergrößert. Beim Vorbereiten des Läuferpakets müssen die Tarierzapfen, die

durch den Gießprozess entstehen, abgetrennt und überschüssiges Aluminium vom

Rand entfernt werden. Zusätzlich ist ein Entgraten der Lüfterflügel und des Achslochs

erforderlich. Um die notwendige Gleitung zwischen Welle und Läuferpaket zu gewähr-

leisten, erfolgt das Einfetten des Achslochs des Läuferpakets. Ebenso muss das Läu-

ferpaket für die Durchführung der Pressung positioniert werden.

Bei der Vorbereitung der Welle muss zunächst die Welle aus der Ablage entnommen

werden. Dazu ist das Anbringen eines Transporthakens und das Aufrichten der Welle

in eine vertikale Position notwendig. Ebenso ist der Schutz der Welle vor Verformungen

beim Pressen erforderlich. Dazu entfernt der Mitarbeiter den Transporthaken und setzt

einen Adapter auf die Welle. Außerdem muss sie für die Pressung korrekt positioniert

werden.

Die Nebenfunktion Läufer bereitstellen wird durch die Funktionen Läufer transportieren

und Lieferschein anbringen erreicht. Um den Läufer zu transportieren, ist der Adapter

zu entfernen und der Transporthaken anzubringen. Der Läufer muss außerdem be-

wegt und bei der Ablage zwischengelagert werden. Zum Schluss erfolgt das Entfernen

des Transporthakens. Zur Erfüllung der Nebenfunktion Dorn wiederverwenden sind die

vier Funktionen Dorn auspressen, Dorn auffangen, Dorn bewegen und Dorn abkühlen

notwendig.

Page 104: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 100

Welle einpressen

Kennungeneinschlagen

Dorn wiederverwenden

Läuferpaket vorbereiten

Welle vorbereiten

Pressungdurchführen

Läuferbereitstellen

Läuferpaket entgraten

Läuferpaketeinfetten

Tarierzapfenabtrennen

Lüfterflügel entgraten

Läuferpaket innen entgraten

Achslochvergrößern

Läuferpaketpositionieren

Welle positionieren

Welle entnehmen

Läufer transportieren

Dorn auspressen

Dorn auffangen

Dorn bewegen

Dorn abkühlen

Aluminiumreste entfernen

Grundfunktionen Teilfunktionen

Welle schützen

Transporthaken anbringen

Welle aufrichten

Transporthaken entfernen

Adapter aufsetzen

Adapterentfernen

Transporthaken anbringen

Hauptfunktion Nebenfunktionen

Lieferschein anbringen

Läufer bewegen

Läufer ablegen

Transporthaken entfernen

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Bild 5.6: Funktionenbaum

Page 105: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 101

Ist-Kosten der Ist-Funktionen

Als Nächstes erfolgt die Zuteilung der Kosten des aktuellen Arbeitsplatzes auf die ge-

rade ermittelten Funktionen. Da die Kosten der Anlage und die Lohnkosten sich nicht

direkt vergleichen lassen, werden sie getrennt voneinander betrachtet.

Tabelle 5.2: Aufteilung der Kosten auf die Ist- Funktionen

Läuferwellenpresse Kran Wasserbecken Σ

Σ 100% 100000 100% 33082 100% 1805 134887

Achsloch vergrößern 0% 0 0% 0 0% 0 0

Tarierzapfen abtrennen 0% 0 2% 662 0% 0 662

Aluminiumreste entfernen 0% 0 2% 662 0% 0 662

Lüfterflügel entgraten 0% 0 2% 662 0% 0 662

Läuferpaket innen entgraten 2% 2000 0% 0 0% 0 2000

Läuferpaket einfetten 2% 2000 0% 0 0% 0 2000

Läuferpaket positionieren 12% 12000 21% 6947 0% 0 18947

Transporthaken anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Welle aufrichten 0% 0 5% 1654 0% 0 1654

Transporthaken entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Adapter aufsetzen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Welle positionieren 4% 4000 21% 6947 0% 0 10947

Pressung durchführen 42% 42000 0% 0 0% 0 42000

Adapter entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Transporthaken anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Läufer bewegen 2% 2000 21% 6947 0% 0 8947

Läufer ablegen 0% 0 5% 1654 0% 0 1654

Transporthaken entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Lieferschein anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0

Markierungen anbringen 2% 2000 0% 0 0% 0 2000

Dorn auspressen 19% 19000 0% 0 0% 0 19000

Dorn auffangen 10% 10000 0% 0 0% 0 10000

Dorn bewegen 5% 5000 21% 6947 0% 0 11947

Dorn abkühlen 0% 0 0% 0 100% 1805 1805

In der Tabelle 5.2 sind in der ersten Spalte die jeweils detailliertesten Funktionen des

Funktionenbaums aufgeführt. In der zweiten, vierten und sechsten Spalte ist angege-

ben, wie viel Prozent der Kosten der Läuferwellenpresse, des Krans und des Was-

serbeckens auf die jeweiligen Funktionen entfallen. Zur Aufteilung der Kosten bei der

Läuferwellenpresse wurde berücksichtigt wie sich die Kosten auf ihre fünf Bestandtei-

le, Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch, verteilen (siehe dazu Tabelle 5.1). In

Page 106: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 102

den restlichen Spalten sich die sich daraus ergebenden Kosten aufgeführt. Die Kosten

von Transporthaken, Adapter der Welle und Dorn werden nicht berücksichtigt, da sie

bereits vorhanden sind und keine Neuanschaffung erforderlich ist.

Zur Übersichtlichkeit sind in Tabelle 5.3 noch einmal die Kosten für die Grund- und

Teilfunktionen der ersten und zweiten Stufe zusammengestellt. Die Hauptfunktion Wel-

le einpressen verursacht somit 59% und die Nebenfunktionen Läufer bereitstellen 8%,

Kennungen einschlagen 1% und Dorn wiederverwenden 32% der gesamten Anlage-

kosten.

Tabelle 5.3: Ist-Kosten der Grund- und Teilfunktionen

Grundfunktionen Teilfunktionen

Funktion Kosten Stufe 1 Kosten Stufe 2 Kosten

Welle 79534 Läuferpaket 24933 Achsloch vergrößern 0

einpressen (59%) vorbereiten (19%) Tarierzapfen abtrennen 662

Aluminiumreste entfernen 662

Läuferpaket entgraten 2662

Läuferpaket einfetten 2000

Läuferpaket positionieren 18947

Welle vorbereiten 12601 Welle entnehmen 1654

(9%) Welle schützen 0

Welle positionieren 10947

Pressung 42000

durchführen (31%)

Läufer 10601 Läufer 10601 Adapter entfernen 0

bereitstellen (8%) transportieren Transporthaken anbringen 0

Läufer bewegen 8947

Läufer ablegen 1654

Transporthaken entfernen 0

Lieferschein 0

anbringen

Kennungen 2000

einschlagen (1%)

Dorn 42752 Dorn auspressen 19000

wieder- (32%) Dorn auffangen 10000

verwenden Dorn bewegen 11947

Dorn abkühlen 1805

Page 107: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 103

Ist-Zeiten der Ist-Funktionen

Das Ziel ist neben dem Senken der Anschaffungskosten auch die Reduzierung der

Prozesszeiten, um den Arbeitslohn pro Läufer zu vermindern. In Tabelle 5.4 sind die

aktuellen Zeiten in Prozent den Teilfunktionen der Hauptfunktion Welle einpressen zu-

gewiesen. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Teilfunktionen in ihre drei Stufen

unterteilt (vgl. Bild 5.6).

Tabelle 5.4: Ist-Zeiten der Hauptfunktion

Hauptfunktion Welle einpressen - Gesamtzeit: 66,80%ihre Teilfunktionen

Stufe 1 Zeit Stufe 2 Zeit Stufe 3 Zeit

Läuferpaket 45,05% Achsloch vergrößern 0,00%

vorbereiten Tarierzapfen abtrennen 4,10%

Aluminiumreste entfernen 4,30%

Läuferpaket entgraten 7,49% Lüfterflügel entgraten 4,10%

Läufer innen entgraten 3,39%

Läuferpaket einfetten 3,12%

Läuferpaket positionieren 26,04%

Welle 18,36% Welle entnehmen 7,81% Transporthaken anbringen 1,30%

vorbereiten Welle aufrichten 6,51%

Welle schützen 2,34% Transporthaken entfernen 1,30%

Adapter aufsetzen 1,04%

Welle positionieren 8,21%

Pressung 3,39%

durchführen

Die 4,10% bei Tarierzapfen abtrennen bedeuten, dass diese Teilfunktion 4,10% der

Zeit des betrachteten Prozesses in Anspruch nimmt. Die meisten Zeiten konnten rela-

tiv einfach mit den Zeiten der einzelnen Prozessschritte (Bild 5.5) übernommen wer-

den. Daher wird im Folgenden nur auf die Zeiten der Funktionen, die sich aus mehreren

Schritten zusammensetzen, näher eingegangen. Die 26,04% der Funktion Läuferpaket

positionieren setzen sich aus den Zeiten mehrerer Schritte zusammen. Zum Positio-

nieren des Läuferpakets muss es erst aus der Gießanlage entnommen, zur Läuferwel-

lenpresse transportiert und dort abgesetzt werden. Anschließend erfolgt das Bewegen

auf dem Tisch von Platz 1 zu Platz 2 und das Wenden um 180°. Die Zeit für das Fah-

ren des Läuferpakets in die Presse wird nur zur Hälfte dazu gerechnet. Ebenso wurde

jeweils die Zeit für die Entnahme aus der Gießanlage, der Transport per Kran und von

Page 108: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 104

Platz 2 zur Presse nur zur Hälfte dem Läuferpaket angerechnet. Die andere Hälfte

wird größtenteils der Funktion Dorn bewegen der Nebenfunktion Dorn wiederverwen-

den zugeordnet. Die 8,21% der Teilfunktion aus Stufe 2 Welle positionieren setzen sich

aus der Zeit für das Transportieren der Welle mit dem Kran, dem Absetzen der Welle

ins Achsloch des Läuferpakets und aus der anderen Hälfte der Transportzeit von Platz

2 zur Presse zusammen.

Die Hauptfunktion beansprucht damit 66,80% der gesamten Prozesszeit. Dabei er-

fordert ihre Teilfunktion Läuferpaket vorbereiten 45,05%, das Vorbereiten der Welle

18,36% und die Pressung durchführen 3,39% der Zeit des Prozesses.

Tabelle 5.5: Ist-Zeiten der Nebenfunktionen

Nebenfunktionen Teilfunktionen

Funktionen Zeit Stufe 1 Zeit Stufe 2 Zeit

Läufer bereitstellen 15,10% Läufer 14,45% Adapter entfernen 1,04%

transportieren Transporthaken 1,30%

anbringen

Läufer bewegen 4,30%

Läufer ablegen 6,51%

Transporthaken 1,30%

entfernen

Lieferschein 0,65%

anbringen

Kennungen einschlagen 3,91%

Dorn 14,19% Dorn auspressen 3,91%

wiederverwenden Dorn auffangen 0,26%

Dorn bewegen 5,85%

Dorn abkühlen 4,17%

In der Tabelle 5.5 sind die Ist-Zeiten der Nebenfunktionen Läufer bereitstellen, Ken-

nungen einschlagen und Dorn wiederverwenden aufgeführt. Auch hier wird nur auf die

Zeiten der Funktionen näher eingegangen, die nicht direkt aus dem Bild 5.5 übernom-

men werden können. Die 4,30% der Teilfunktion der Stufe 2 Läufer bewegen setzen

sich aus den Zeiten für das Herausfahren des Läufers aus der Presse (1,3%) und für

den Transport des Läufers per Kran (3,00%) zusammen. Die Zeiten für die Entnahme

aus der Gießanlage, der Transport per Kran zur Läuferwellenpresse und das Bewegen

des Läuferpakets mit dem Dorn auf dem Tisch von Platz 1 zur Presse werden zur Hälf-

te der Funktion Dorn bewegen zugerechnet. Zusätzlich umfasst diese Funktion den

Page 109: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 105

Transport des Dorns im Köcher von der Presse zum Platz 1, die Entnahme des Dorns

aus dem Köcher und den Transport des Dorns zum Wasserbecken.

Das Bereitstellen des Läufers für die nachfolgenden Arbeitsschritte sowie das Vorbe-

reiten für eine Wiederverwendung des Dorns benötigen ungefähr 15% der gesamten

Prozesszeit.

5.2.3 Soll-Zustand beschreiben

Nachdem die momentane Situation beschrieben, die Ist-Funktionen aufgestellt und

diesen die Ist-Kosten und -Zeiten zugewiesen wurden, werden als Nächstes die Soll-

Funktionen betrachtet. Dazu wird jede Funktion auf ihre Notwendigkeit kontrolliert.

Ebenso erfolgt die Überprüfung, ob alle notwendigen Funktionen vorhanden sind. Der

Funktionenbaum für die Soll-Funktionen ist im Bild 5.7 dargestellt.

Die Grundfunktionen Welle einpressen, Läufer bereitstellen, Kennungen einschlagen

und Dorn wiederverwenden sind notwendig und werden als Soll-Funktionen übernom-

men.

Die Teilfunktionen Läuferpaket vorbereiten, Welle vorbereiten und Pressung durchfüh-

ren der Grundfunktion Welle einpressen sind ebenfalls erforderlich und damit Soll-

Funktionen. Die Teilfunktionen auf der Stufe 2 Achsloch vergrößern, Tarierzapfen ab-

trennen, Aluminiumreste entfernen und Läuferpaket entgraten der Funktion Läuferpa-

ket vorbereiten werden ohne Veränderung von den Ist-Funktionen übernommen. Denn

die Art der Verbindung zwischen Welle und Läuferpaket, das Aufschrumpfen des Läu-

ferpakets auf die Welle, soll beibehalten werden. Die übrigen Funktionen sind durch

den Gießprozess bedingt, der bei diesem Projekt nicht betrachtet und verändert wird.

Die Teilfunktion Läuferpaket positionieren ist notwendig zur Erfüllung der Funktion Läu-

ferpaket vorbereiten und damit ebenso eine Soll-Funktion. Es ist dagegen nicht unbe-

dingt notwendig, dass der Läufer eingefettet wird. Es ist erforderlich, dass eine ge-

eignete Gleitung beim Pressen vorhanden ist. Dies könnte auch auf eine andere Art

gewährleistet werden. Daher wird diese Ist-Funktion nicht als eine Soll-Funktion über-

nommen.

Page 110: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 106

Welle einpressen

Kennungeneinschlagen

Dorn wiederverwenden

Läuferpaket vorbereiten

Welle vorbereiten

Pressungdurchführen

Läuferbereitstellen

Läuferpaket entgraten

Tarierzapfenabtrennen

Lüfterflügel entgraten

Läuferpaket innen entgraten

Achslochvergrößern

Läuferpaketpositionieren

Welle positionieren

Welle entnehmen

Gleitunggewährleisten

Presse betätigen

Läufertransportieren

Dorn freilegen

Aluminiumreste entfernen

Grundfunktionen Teilfunktionen

Hauptfunktion Nebenfunktionen

Lieferschein anbringen

Beschädigungenverhindern

erneuten Einsatzermöglichen

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Bild 5.7: Funktionenbaum der Soll-Funktionen

Die beiden Funktionen Welle entnehmen und Welle positionieren sind für die Erfül-

lung der Funktion Welle vorbereiten notwendig und damit auch Soll-Funktionen. Die

Funktion Welle entnehmen wird allerdings nicht weiter untergliedert, um die Lösungs-

möglichkeiten für sie nicht einzuschränken. Die Funktion Welle schützen wird nicht als

Soll-Funktion übernommen, da sie beispielsweise nicht notwendig ist, wenn der Ein-

pressprozess so verändert wird, dass eine Beschädigung der Welle ausgeschlossen

ist.

Page 111: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 107

Die Funktion Pressung durchführen wird unterteilt in Gleitung gewährleisten, Presse

betätigen und Beschädigungen verhindern. Sowohl das Gleiten als auch das Vermei-

den von Beschädigungen sind beim Pressen wesentlich. Diese müssen allerdings nicht

notwendigerweise beim Vorbereiten des Läuferpakets bzw. der Welle erfüllt werden.

Daher erfolgt ihre Zuweisung zur Funktion Pressung durchführen.

Die Nebenfunktion Läufer bereitstellen wird in die Soll-Funktionen Läufer transportie-

ren und Lieferschein anbringen unterteilt. Läufer transportieren umfasst alle Prozesse,

die notwendig sind, um den Läufer aus der Presse zur Ablage zu befördern und abzu-

legen. Die Soll-Funktionen, in die die Nebenfunktion Dorn wiederverwenden unterteilt

wird, sind Dorn freilegen und erneuten Einsatz ermöglichen. Dorn freilegen umfasst

den Prozess, der notwendig ist, um den Dorn vom Läuferpaket zu trennen.

Ansatzpunkte für Verbesserungen

Als Nächstes werden die Soll-Kosten und die Soll-Arbeitszeiten für die Soll-Funktionen

und mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen ermittelt.

Die Hauptfunktion Welle einpressen verursacht 59% der Kosten (siehe Tabelle 5.3)

und nimmt 66,8% der Arbeitszeit (siehe Tabelle 5.4) in Anspruch. Von ihren Teilfunk-

tionen der Stufe 1 ist Pressung durchführen die teuerste. Hier ist der Versuch ange-

bracht, Kosten einzusparen. Die Funktion Läuferpaket positionieren benötigt momen-

tan 26,04% der Arbeitszeit und 14% der gesamten Kosten. Eine Einsparung von Kos-

ten und Zeit wäre hier anzustreben. Auf die Teilfunktion Welle vorbereiten fallen 9%

der Kosten und 18% der Prozesszeit. Auch hier sind Verbesserungen wünschenswert.

Bei der Nebenfunktion Läufer bereitstellen sollten vor allem die Kosten und Zeiten beim

Läufer transportieren gesenkt werden. Die Funktion Lieferschein anbringen braucht da-

gegen nicht weiter betrachtet werden. Die Nebenfunktion Kennungen einschlagen ver-

ursacht im Vergleich zu den anderen Funktionen sehr wenig Kosten und Zeit. Hier sind

kaum Einsparungspotenziale vorhanden. Dagegen beansprucht die Funktion Dorn wie-

derverwenden relativ hohe Kosten und eine lange Prozesszeit. Auch hier sollte nach

neuen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.

In Tabelle 5.6 sind mögliche Soll-Kosten und Soll-Zeiten der Soll-Funktionen zusam-

mengestellt. Dabei sind die Soll-Kosten zwischen zehn und 20% geringer als die ent-

sprechenden Ist-Kosten.

Page 112: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 108

Tabelle 5.6: Soll-Kosten und Soll-Zeiten der Soll-Funktionen

Grundfunktionen Teilfunktionen

Funktionen Kosten Zeit Stufe 1 Kosten Zeit

Welle einpressen 72500 57,00% Läuferpaket vorbereiten 21000 37,00%

Welle vorbereiten 11500 14,00%

Pressung durchführen 40000 6,00%

Läufer bereitstellen 9400 10,65% Läufer transportieren 9400 10,00%

Lieferschein anbringen 0 0,65%

Kennungen einschlagen 2000 3,91%

Dorn 35000 9,00% Dorn freilegen 18000 3,9%

wiederverwenden erneuten Einsatz ermöglichen 17000 5,10%

5.2.4 Lösungsideen entwickeln

Im Folgenden werden einige Lösungsideen für die Funktionen kurz vorgestellt. Hier-

bei gilt vor allem Quantität vor Qualität. Die Beurteilung der Realisierbarkeit dieser

Lösungsvorschläge muss anschließend noch erfolgen. Dies ist allerdings nicht mehr

Bestandteil dieser Arbeit.

Läuferpaket positionieren

Diese Funktion umfasst das Bewegen des Läuferpakets von der Gießanlage in die

richtige Position zum Pressen. Eine Möglichkeit wäre, das Läuferpaket bereits beim

Verlassen der Gießanlage auf den Tisch zu setzen und auf Rollbahnen zur Läuferwel-

lenpresse zu befördern. Dadurch würde der Kran zwischen Gießanlage und Läufer-

wellenpresse nicht mehr benötigt werden.

Das Wenden des Läuferpakets am Platz 2 ist zeitaufwendig. Es könnte versucht wer-

den, den Prozess so anzupassen, dass darauf verzichtet werden kann.

Zum Positionieren des Läuferpakets auf dem Tisch wird der Platz 1 verwendet. Der

Platz 1 wird sonst nur noch für den Köcher benötigt. Daher könnte auf den Platz 1

verzichtet werden, wenn beides vom Platz 2 übernommen werden könnte. Für die Po-

sitionierung des Läuferpakets ist eine gute Sicht auf die Aussparungen des Tisches

notwendig. Durch das Podest am Platz 2 würde der Mitarbeiter höher stehen und die

Sicht wäre beeinträchtigt. Dies könnte durch eine Vertiefung im Podest behoben wer-

den.

Page 113: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 109

Welle entnehmen

Aktuell wird zur Entnahme der Welle ein Transporthaken an ihr angebracht und die

Welle in eine senkrechte Position überführt. Das zeitintensive Aufrichten in die Senk-

rechte könnte entfallen, wenn die Wellen bereits senkrecht zur Verfügung gestellt wer-

den könnten.

Pressung durchführen

Die Anlagekosten für diese Funktion sind sehr hoch. Es könnte versucht werden, eine

billigere Presse zu finden.

Gleitung gewährleisten

Statt das Innere des Läuferpakets einzufetten, könnte die Welle entsprechend präpa-

riert werden.

Beschädigungen verhindern

Um Beschädigungen an der Welle beim Pressen zu verhindern, wird aktuell der Trans-

porthaken abgeschraubt und ein Adapter auf die Welle gesetzt. Es könnte versucht

werden, den Adapter und den Transporthaken zu kombinieren, so dass diese Kom-

bination sowohl zum Transport und als auch beim Pressen eingesetzt werden kann.

Die Presse könnte auch so modifiziert werden, dass ein Adapter nicht mehr notwendig

wäre.

Läufer transportieren

Kann die Beschädigung der Welle beim Pressen, wie gerade vorgeschlagen, vermie-

den werden, entfällt das Entfernen des Adapters und das Anbringen des Transportha-

kens. Außerdem könnte versucht werden, die fertigen Läufer senkrecht auf der Ablage

abzustellen, um damit das zeitaufwendige Ablegen zu vermeiden.

Erneuten Einsatz des Dorns ermöglichen

Das Wasserbecken wird nur für das Abkühlen des Dorns verwendet. Durch neue Mög-

lichkeiten beim Abkühlen könnte das Wasserbecken entfallen. Der Köcher könnte be-

reits mit Wasser gefüllt sein und in ihm der Dorn abkühlen. Da der Platz 1 nach dem

Auspressen des Dorns nicht mehr benötigt wird, könnte an dieser Stelle der Köcher

mit dem Dorn bis zur Beendigung des Prozesses verbleiben. Eine weitere Möglichkeit

wäre, dass die Kühlung des Dorns durch ein anderes Medium, z.B. kalte Luft, erfolgt.

Page 114: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 110

Um die Prozesszeiten beim Bewegen des Dorns zu verkürzen, könnte der Dorn nach

dem Auspressen durch Rutschen in das Wasserbecken oder in einen anderen Auffang-

behälter gelangen. Dadurch könnte der Köcher und der im Moment recht aufwendige

Transport zum Wasserbecken entfallen.

5.2.5 Lösungen festlegen und verwirklichen

Die Auswahl von Lösungsvorschlägen, deren Bewertungen und schließlich das Spe-

zifizieren der neuen Anlage und der einzelnen Arbeitsschritte und alle nachfolgenden

Schritte sind nicht mehr Gegenstand dieser Diplomarbeit.

5.3 Funktionsanalyse

Nach der Anwendung der Wertanalyse wird für dieses Projekt die Funktionsanalyse

durchgeführt. Mit den drei Schritten Komponentenanalyse, Interaktionsanalyse und

Funktionsmodellierung erfolgt das Aufstellen des Funktionsmodells. Anschließend wer-

den Kennwerte berechnet und mögliche Strategien für die einzelnen Komponenten er-

mittelt. Beim abschließenden Trimming werden verschiedene Trimmingvarianten vor-

gestellt.

5.3.1 Komponentenanalyse

Als Erstes erfolgt das Erstellen des Komponentenmodells, das im Bild 5.8 dargestellt

ist. Beim technischen System handelt es sich um die Läuferwellenpresse. Das tech-

nische System wurde entwickelt, um die Welle in das Läuferpaket einzupressen. Die

Hauptfunktion ist damit Welle einpressen.

Das technische System besteht aus mehreren Komponenten. Die Läuferwellenpresse

wird dabei in die fünf Komponenten Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch aufge-

teilt. Diese Bestandteile wurden bereits im Kapitel 5.1 erläutert und im Bild 5.4 grafisch

dargestellt. Die weiteren Komponenten sind der Dorn, der Kran, das Wasserbecken

Page 115: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 111

zum Abkühlen des Dorns, der Transporthaken und der Adapter, die den Transport der

Welle ermöglichen und die Welle beim Pressen schützen.

Die Komponenten des Supersystems sind die Zielkomponente Welle, das Läuferpaket,

in das die Welle eingepresst wird, der Mitarbeiter und der Lieferschein.

technisches System Hauptfunktion

Welle einpressen

Presse Welle

Platz1

Platz 2 Mitarbeiter

Köcher Lieferschein

Tisch

Dorn

Kran

Adapter

Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Läuferwellenpresse

Läuferpaket

Wasserbecken

Transporthaken

Bild 5.8: Komponentenmodell

5.3.2 Interaktionsanalyse

Nach der Festlegung aller relevanten Komponenten werden deren Interaktionen mitein-

ander betrachtet. Im Bild 5.9 ist die Interaktionstabelle für diesen Prozess aufgeführt.

In der ersten Zeile und Spalte sind die Komponenten aus dem Komponentenmodell

aufgeführt. Die „+” und „-” Zeichen zeigen an, ob mindesten eine Interaktion vorliegt

oder nicht. Für die meisten Komponenten ist es offensichtlich, mit welchen Komponen-

ten sie interagieren, daher wird nur sporadisch auf einige eingegangen. Die Presse ist

baulich mit Platz 1 und Platz 2 verbunden und interagiert damit mit ihnen. Die Presse

interagiert zusätzlich noch mit Köcher, Tisch, Dorn, Adapter und Mitarbeiter. Der Mit-

arbeiter interagiert mit sehr vielen Komponenten. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich

um einen gering automatisierten Prozess handelt.

Es gibt keine Komponente, die nicht mit einer anderen Komponente interagiert. Damit

ist auch keine aus der Tabelle zu entfernen.

Page 116: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 112

Pre

sse

Pla

tz 1

Pla

tz 2

Köcher

Tis

ch

Dorn

Kra

n

Adapte

r

Welle

Mita

rbeite

r

Presse - + + + + + - - - + - - + -

Platz 1 + - - + + - - - - - - - + -

Platz 2 + - - - + - - - - - - - + -

Köcher + + - - - + - - - - - - + -

Tisch + + + - - - - - - - - + - -

Dorn + - - + - - + + - - - + + -

Kran - - - - - + - - + - - - + -

- - - - - + - - - - - - - -

- - - - - - + - - - + - + -

Adapter + - - - - - - - - - + - + -

Welle - - - - - - - - + + - + + -

- - - - + + - - - - + - + +

Mitarbeiter + + + + - + + - + + + + - +

- - - - - - - - - - - + + -

Wasser-

becken

Tra

nsport-

haken

Läufe

r-

paket

Lie

fer-

schein

Wasser-becken

Transport-haken

Läufer-paket

Liefer-schein

+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen beiden Komponenten

Bild 5.9: Interaktionstabelle

5.3.3 Funktionsmodellierung

Nachdem die Komponenten und ihre Interaktionen identifiziert wurden, erfolgt das Er-

stellen des Funktionsmodells. Das Ziel ist, die Kosten der vorgesehenen Neubeschaf-

fung zu senken und die Arbeitszeit des Mitarbeiters für diesen Prozess zu reduzieren.

Es ist nicht die primäre Aufgabe, schädliche Funktionen zu eliminieren und den Erfül-

lungsgrad nützlicher Funktionen zu verbessern. Daher werden für dieses Funktionsmo-

dell nur nützliche Funktionen betrachtet, wobei deren Erfüllungsgrad unberücksichtigt

bleibt.

Page 117: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 113

Funktion Rang Kommentare

Presse

presst Dorn aus A2

hält Tisch A2

bewegt Tisch A2

hält Köcher A3

bewegt Köcher A3

drückt Adapter A1

Platz 1

bewegt Tisch A2

hält Tisch A2

bewegt Köcher A3

hält Köcher A3

Platz 2

hält Tisch A2

bewegt Tisch A2

hält Mitarbeiter Ad = A1

Köcher

hält Dorn A2

Tisch

Ad = A1

Dorn

Ad = A1

Kran

hält Dorn A2

bewegt Dorn A2

A1

A1

kühlt Dorn A2

hält Welle B

Mitarbeiter steht auf dem Podest des Platz 2

hält Läuferpaket

hält Läuferpaketbeim Transport per

Kran hält der Dorn das Läuferpaket

hält Transporthaken

bewegt Transporthaken

Wasserbecken

Transporthaken

Funktion Rang Kommentare

Adapter

presst Welle ein B

Welle

Ad = A1

hält Adapter A1

hält Dorn A2

hält Welle B

Mitarbeiter

Ad = A1

Ad = A1 auf den Tisch

Ad = A1

Ad = A1

Ad = A1

befestigt Dorn A2 am Kran ( 2 x )

löst Dorn A2 vom Kran ( 2 x )

steuert Kran A2

steuert Presse A2

steuert Platz 1 A2

steuert Platz 2 A2

A1 an der Welle ( 2 x )

A1 von der Welle ( 2 x)

befestigt Adapter A1 auf der Welle

entfernt Adapter A1 von der Welle

positioniert Welle B

befestigt Lieferschein Ad = A1

Lieferschein

Ad = A1

hält Läuferpaketnach dem Einpressen hält die W. das L. beim

Transport

Läuferpaket L. liegt auf dem Tisch, der Dorn wird durch L.

gehalten Die Welle wird vor dem

Pressen auf dem L. positioniert

bearbeitet Läuferpaketentfernt über-

schüssiges Aluminium und Tarierzapfen

positioniert Läuferpaket

markiert Läuferpaket

fettet Läuferpaket ein

entgratet Läuferpaket

z.B. wann Köcher von Platz 1 zur Presse

gefahren wirdz.B. wann Tisch von Platz 2 zur Presse

gefahren wird

befestigt Transporthaken

entfernt Transporthaken

positioniert Welle auf dem Läufer für das

Einpressen

markiert Läuferpaket

Bild 5.10: tabellarisches Funktionsmodell

Im Bild 5.10 ist das tabellarische Funktionsmodell des Prozesses aufgeführt, das mit

Hilfe der Interaktionstabelle (Bild 5.9) erstellt wurde. In der ersten Spalte stehen die

Funktionen, die von dem jeweiligen Funktionsträger ausgehen. Die zweite Spalte zeigt

Page 118: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 114

den Rang der Funktion und in der dritten Spalte befinden sich Anmerkungen zu den

Funktionen. Es zeigt deutlich, dass viele Funktionen vom Mitarbeiter ausgehen.

Lieferschein

Welle

Platz 1

Wasserbecken

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

Adapter

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

kühlt

hält

presst ein

drückt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuertsteuert

befe

stig

t

entfe

rnt

befestigt

entfernt

posi

tioni

ert

befestigt

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

Platz 2

hält

Komponente des technischen Systems

ZielkomponenteSupersystem-Komponente

Bild 5.11: Grafisches Funktionsmodell

Page 119: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 115

Das grafische Funktionsmodell ist im Bild 5.11 dargestellt. Es ist an Hand dieses Bilds

deutlich zu erkennen, von welchen Komponenten viele Funktionen ausgehen und auf

welche viele wirken. Der Dorn ist beispielsweise nur Funktionsträger für eine Funktion,

während er das Objekt der Funktion bei acht Funktionen ist.

5.3.4 Kennwertberechnungen und mögliche Strategien

In der Tabelle 5.7 erfolgt die Berechnung der Funktionalitäten der einzelnen Kompo-

nenten.

Tabelle 5.7: Berechnung der Funktionalität

Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F

Presse presst Dorn aus A2 2 11 10,00

hält Tisch A2 2

bewegt Tisch A2 2

hält Köcher A3 1

bewegt Köcher A3 1

drückt Adapter A1 3

Platz 1 bewegt Tisch A2 2 6 5,45

hält Tisch A2 2

bewegt Köcher A3 1

hält Köcher A3 1

Platz 2 hält Tisch A2 2 7 6,36

bewegt Tisch A2 2

hält Mitarbeiter Ad = A1 3

Köcher nimmt Dorn auf A2 2 2 1,82

Tisch hält Läuferpaket Ad = A1 3 3 2,73

Dorn hält Läuferpaket Ad = A1 3 3 2,73

Kran hält Dorn A2 2 10 9,09

bewegt Dorn A2 2

hält Transporthaken A1 3

bewegt Transporthaken A1 3

Wasserbecken kühlt Dorn ab A2 2 2 1,82

Transporthaken hält Welle B 5 5 4,55

Adapter drückt Welle B 5 5 4,55

Page 120: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 116

Der kleinste vorkommende Rang ist A3. Er erhält damit einen Punkt. Folglich bekommt

A2 zwei, A1 drei und B fünf Punkte. Als Nächstes erfolgt die Addition der Punkte der

Funktionen, die von demselben Funktionsträger ausgehen. Die höchste Punktzahl hat

die Komponente Presse mit elf Funktionspunkten und erhält damit die Funktionalität

zehn. Die Funktionalitäten der übrigen Komponenten ergeben sich durch die Division

ihrer Funktionspunkte durch die elf Funktionspunkte der Presse multipliziert mit zehn.

Der Köcher und das Wasserbecken haben mit jeweils 1,82 die niedrigste Funktionali-

tät.

In der Tabelle 5.8 sind die normierten Kosten in Spalte 3 und der Wert in Spalte 5

der einzelnen Komponenten eingetragen. In der zweiten Spalte sind die Kosten der

Komponenten aus Tabelle 5.1 aufgeführt. Für den Dorn, den Transporthaken und den

Adapter sind keine Kosten angegeben, da sie bereits vorhanden sind und nicht neu

beschafft werden müssen. Die höchsten Kosten liegen bei der Presse. Ihre normierten

Kosten betragen 10,00. Die übrigen normierten Kosten ergeben sich aus dem Quoti-

enten der Kosten der Komponente und der Kosten der Presse multipliziert mit zehn.

Die Lohnkosten, die bei der Wertanalyse betrachtet wurden, werden dem Mitarbeiter

zugeordnet, der eine Komponente des Supersystems ist und damit hier nicht verän-

dert werden kann. Der Wert der Komponenten ergibt sich aus der Formel 3.1 (V = FC

).

Der Wert für den Dorn, den Transporthaken und den Adapter geht, da die Kosten null

betragen, gegen unendlich. Mit 22,75 hat der Tisch den höchsten und der Köcher mit

0,96 den niedrigsten Wert der übrigen Komponenten.

Tabelle 5.8: Berechnung der normierten Kosten und des Werts der Komponenten

Komponente Kosten normierte Kosten C Funktionalität F Wert V

Presse 63429 10,00 10,00 1,04

Platz 1 10015 1,58 5,45 3,45

Platz 2 13774 2,17 6,36 2,93

Köcher 12030 1,90 1,82 0,96

Tisch 752 0,12 2,73 22,75

Dorn 0 0,00 2,73 -

Kran 66165 5,22 9,09 1,74

Wasserbecken 1805 0,28 1,82 6,50

Transporthaken 0 0,00 4,55 -

Adapter 0 0,00 4,55 -

Page 121: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 117

Im Bild 5.12 ist das Stärkediagramm abgebildet. Die Komponenten Presse und Kran

befinden sich im rechten oberen Quadranten. Sie weisen eine hohe Funktionalität bei

hohen Kosten auf. Hier sollte versucht werden, die Kosten zu reduzieren, indem bei-

spielsweise eine billigere Presse, die die gleichen Funktionen erfüllt, und eine andere

Krananlage bzw. eine andere Transportmöglichkeit eingesetzt werden. Der Transport-

haken, der Adapter, der Tisch, der Dorn, das Wasserbecken und der Köcher liegen

im Quadranten links unten. Sie verursachen geringe Kosten, haben aber auch nur ei-

ne geringe Funktionalität. Es sollte versucht werden, ihre Funktionalität zu steigern,

indem sie z.B. Funktionen von anderen Komponenten übernehmen, die dadurch elimi-

niert werden können. Platz 1 und Platz 2 liegen im linken oberen Quadranten. Hier ist

vorerst keine Verbesserung notwendig.

C

1

F

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

F: FunktionalitätC: normierte Kosten

Komponente

Presse 10,00 10,0

Platz 1 1,58 5,45

Platz 2 2,17 6,36

Köcher 1,90 1,82

Tisch 0,12 2,73

Dorn 0,00 2,73

Kran 5,22 9,09

0,28 1,82

0,00 4,55

Adapter 0,00 4,55

normierte Kosten C Funktionalität F

Wasserbecken

Transporthaken

Presse

Platz 1

Platz 2

Köcher

TischDorn

Transporthaken

Kran

Adapter

Wasserbecken

Bild 5.12: Stärkediagramm

Zusätzlich sollte zu diesen Handlungsempfehlungen versucht werden, die Anzahl der

Funktionen, die vom Mitarbeiter ausgehen, zu verringern. Denn von der Arbeitszeit, die

der Mitarbeiter für diesen Prozess benötigt, hängen im hohen Maße die Lohnkosten

und der Durchsatz ab. Können Funktionen, die der Mitarbeiter ausführt, eliminiert oder

umverteilt werden, könnten sich die Prozesszeit verringern und die Lohnkosten für den

Läufer reduzieren lassen.

Page 122: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 118

5.3.5 Trimming

Normalerweise bietet es sich an, die Komponenten, die sich im unteren rechten Qua-

dranten des Stärkediagramms (vgl. Bild 5.12) befinden, zu trimmen. Bei diesem Pro-

zess liegen keine Komponenten in diesem Quadranten (vgl. Bild 5.12). Daher wird

versucht, Komponenten aus der linken Hälfte des Stärkediagramms zu eliminieren und

ihre Funktionen auf andere Komponenten umzulagern. Dadurch können Kosten ein-

gespart werden. Auch wenn beispielsweise der Köcher „nur” 1,9 normierte Kosten

aufweist und damit im Stärkediagramm weit links angeordnet ist, verursacht er jedoch

neun Prozent der gesamten Anlagekosten. Neben der Reduzierung der Kosten würde

auch durch die Eliminierung von Komponenten das System vereinfacht, was zusätzlich

zu einer Verminderung der Prozesszeit führen könnte. Für diesen Prozess werden drei

verschiedene Trimmingmodelle vorgestellt. Dabei werden verschiedene Problemstel-

lungen formuliert, zu denen Lösungen erarbeitet werden können. Die Beurteilung der

Realisierbarkeit und die Auswahl der Lösung müssen anschließend noch erfolgen. Sie

sind allerdings nicht mehr Bestandteil dieser Arbeit.

Trimmingmodell - Variante 1

Lieferschein

Welle

Platz 1

Wasserbecken

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

Adapter

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

kühlt

hält

presst ein

drückt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuert

steuert

befestigt

entfe

rnt

befestigt

entfernt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

Trimmingprobleme:

1. Wie kann die Komponente Köcher die Funktion kühlt Dorn erfüllen?2. Wie kann die Komponente Presse die Funktion presst Welle ein erfüllen?3. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion hält Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion bewegt Köcher erfüllen? 5. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion hält Tisch erfüllen?6. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion bewegt Tisch erfüllen?

Lieferschein

Welle

Platz 2

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

hältbewegt

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuert

befestigt

entfe

rnt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

kühlt

presst ein

bewegt

hält

hält

Platz 2

hält

hältbewegt

Bild 5.13: Trimmingmodell- Variante 1

Page 123: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 119

Im Bild 5.13 ist das erste Trimmingmodell dargestellt. Es sollen dabei das Wasserbe-

cken, der Adapter und der Platz 1 getrimmt werden. In Tabelle 5.9 ist das Trimming für

diese Variante kurz zusammengefasst.

Tabelle 5.9: Trimming - Variante 1

zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger

Wasserbecken kühlt Dorn Regel C Köcher Wie kann der Köcher die

(Richtlinie 3) Funktion kühlt Dorn erfüllen?

Adapter presst Regel C Presse Wie kann die Presse die

Welle ein (Richtlinie 1) Funktion presst Welle ein erfüllen?

Platz 1 hält Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die

Köcher (Richtlinie 1) Funktion hält Köcher erfüllen?

bewegt Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die

Köcher (Richtlinie 1) Funktion bewegt Köcher erfüllen?

hält Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die

Tisch (Richtlinie 1) Funktion hält Tisch erfüllen?

bewegt Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die

Tisch (Richtlinie 1) Funktion bewegt Tisch erfüllen?

Das Wasserbecken verursacht geringe Kosten. Es hat allerdings auch nur eine ge-

ringe Funktionalität. Ohne das Wasserbecken entfällt auch ein Teil des Handlings mit

dem Dorn. Das Wasserbecken führt nur die Funktion kühlt Dorn aus. Nach der Trim-

mingregel C (vgl. Bild 3.30) kann diese Funktion eliminiert werden, wenn eine andere

Komponente diese Funktion ausführt. Dazu wird die Komponente Köcher verwendet,

die die Richtlinie 3 (vgl. Bild 3.33), erfüllt. Es ergibt sich dadurch das Trimmingproblem,

wie der Köcher den Dorn kühlen könnte.

Der Adapter hat eine geringe Funktionalität und verursacht keine neuen Anschaffungs-

kosten. Der Mitarbeiter muss ihn allerdings sowohl befestigen als auch entfernen. Die

Komponente kann eliminiert werden, wenn ihre einzige nützliche Funktion presst Wel-

le ein von einer anderen Komponenten übernommen werden könnte. Es bietet sich

an, die Presse als neuen Funktionsträger für diese Funktion auszuwählen, da sie mit

drückt Adapter eine ähnliche Funktion ausführt. Dadurch entsteht das Trimmingpro-

blem, wie die Presse die Welle einpressen kann ohne den Wellenspiegel zu beschädi-

gen.

Page 124: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 120

Der Platz 1 weist eine relativ hohe Funktionalität auf. Er verursacht allerdings auch

sieben Prozent der Kosten der Anlage. Zusätzlich ähnelt er in seinem Aufbau dem

Platz 2. Daher soll er getrimmt werden. Von ihm gehen vier nützliche Funktionen aus.

Für alle vier Funktionen bietet sich als neuer Funktionsträger der Platz 2 an, da er

selbst ähnliche Funktionen ausführt. Dadurch ergeben sich die Trimmingprobleme wie

der Platz 2 den Köcher und den Tisch halten und bewegen könnte.

Lösungsvorschlag für Variante 1

Ein Lösungsvorschlag zum Kühlen des Dorns wäre, den Köcher bereits mit einem

kühlen Medium wie z.B. Wasser zu füllen. Zum Einpressen der Welle durch die Presse

könnte diese so modifiziert werden, dass sie die Welle beim Einpressen ohne Adapter

nicht beschädigt. Der Platz 1 wird benötigt für eine geeignete Arbeitshöhe des Mit-

arbeiters, damit er das Läuferpaket passgenau auf dem Tisch absetzen kann. Durch

Spiegel oder Monitore könnte versucht werden, dass der Mitarbeiter diese Arbeit auch

auf einer höheren Arbeitsebene verrichten kann.

Trimmingmodell - Variante 2

Lieferschein

Welle

Platz 1

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuert

befestigt

entfe

rnt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

kühlt

presst ein

Lieferschein

Welle

Platz 1 Platz 2

Wasserbecken

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

Adapter

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

kühlt

hält

presst ein

drückt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuertsteuert

befestigt

entfe

rnt

befestigt

entfernt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

Trimmingprobleme:

1. Wie kann die Komponente Dorn die Funktion kühlt Dorn erfüllen?2. Wie kann die Komponente Transporthaken die Funktion presst Welle ein erfüllen?3. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion hält Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion bewegt Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion hält Mitarbeiter erfüllen?

hält hält

hält

bewegt

Bild 5.14: Trimmingmodell - Variante 2

Page 125: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 121

Das 2. Trimmingmodell ist im Bild 5.14 wiedergegeben. Hier werden das Wasserbe-

cken, der Adapter und Platz 2 eliminiert. Die nützliche Funktion kühlt Dorn des Was-

serbeckens soll hier vom Dorn selbst übernommen werden (Trimmingregel B vgl. Bild

3.29). Die einzige nützliche Funktion presst Welle ein des Adapter wird vom Transport-

haken übernommen. Vom Platz 2 gehen die nützlichen Funktionen hält Tisch, bewegt

Tisch und hält Mitarbeiter aus. Es bietet sich an, dass die beiden Funktionen hält

Tisch und bewegt Tisch vom Platz 1 übernommen werden, da dieser bereits die glei-

chen Funktionen ausführt. Auch die dritte Funktion hält Mitarbeiter soll vom Platz 1

übernommen werden. Das Trimming für diese Variante ist in Tabelle 5.10 zusammen-

gefasst.

Tabelle 5.10: Trimming - Variante 2

zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger

Wasserbecken kühlt Dorn Regel B Dorn Wie kann der Dorn die

Funktion kühlt Dorn erfüllen?

Adapter presst Regel C Transporthaken Wie kann der Transporthaken die

Welle ein (Richtlinie 3) Funktion presst Welle ein erfüllen?

Platz 2 hält Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die

Tisch (Richtlinie 1) Funktion hält Tisch erfüllen?

bewegt Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die

Tisch (Richtlinie 1) Funktion bewegt Tisch erfüllen?

hält Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die

Mitarbeiter (Richtlinie 3) Funktion hält Mitarbeiter erfüllen?

Lösungsvorschlag für Variante 2

Eine Lösung, dass der Dorn sich selbst kühlt, wäre durch eine Änderung seiner geome-

trischen Form möglich. Eine Variante bestünde in einer Vergrößerung der Oberfläche

des Dorns z.B. durch ein Loch in der Mitte, um die Wärme schneller abzuführen. Eine

andere Möglichkeit wäre der Einsatz mehrerer Dorne und die einzelnen Dorne an der

Luft abkühlen zulassen.

Der Transporthaken könnte so modifiziert werden, dass er beim Pressen auf der Welle

bleibt und diese vor Beschädigungen schützt. Der Platz 1 könnte baulich so verändert

werden, dass der Mitarbeiter auf der einen Seite die optimale Arbeitshöhe für das

Ablegen des Läuferpakets auf dem Tisch hat und dass sich auf der anderen Seite des

Page 126: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 122

Platz 1 ein Podest befindet, das die geeignete Höhe für das Positionieren der Welle

auf dem Achsloch des Läuferpakets aufweist.

Trimmingmodell - Variante 3

Lieferschein

Welle

Platz 1

Wasserbecken

Kran

Transporthaken

Dorn

Tisch

KöcherKöcher

Presse

Adapter

presst aus

hält

bewegt

hält

bewegt

bewegt

hält

bewegt

hält

hält

bewegt

hält

hält

hält

hält

bewegt

hält

bewegt

kühlt

hält

presst ein

drückt

hält

hält

hält

hält

markiert

befestigt

löst

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuert

steuert

befestigt

entfe

rnt

befestigt

entfernt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

Trimmingprobleme:

1. Wie kann die Komponente Tisch die Funktion hält Läuferpaket erfüllen?2. Wie kann die Komponente Transportmittel die Funktion bewegt Tisch erfüllen?3. Wie kann die Komponente Transportmittel die Funktion hält Tisch erfüllen?

presst ein

hält

Platz 2

Lieferschein

Welle

Kran

Transporthaken

Tisch

Presse

Adapter

hält

bewegt

hält

bewegt

hält

bewegt

hält

presst ein

drückt

hält

hält

hält

markiert

positioniert

fettet ein

bearbeitet

entgratet

steuert

steuert

steuert

befestigt

entfe

rnt

befestigt

entfernt

positioniert

befe

stig

t

markiert

Mitarbeiter

Läuferpaket

hält

Platz 2

Transportmittel

Presse

steuert

hältbewegt

hält

hält

Bild 5.15: Trimmingmodell- Variante 3

Ausgangssituation für die dritte Variante (Bild 5.15) ist das Eliminieren des Köcher.

Dieser kann getrimmt werden, wenn die nützliche Funktion Köcher hält Dorn nicht

mehr erforderlich ist. Nach der Trimmingregel A (vgl. Bild 3.28) trifft dies zu, wenn der

Dorn eliminiert wird. Dazu muss dessen nützliche Funktion hält Läuferpaket von einer

anderen Komponente ausgeführt werden. Hierzu wird die Komponente Tisch ausge-

wählt, da sie bereits die Funktion hält Läuferpaket ausführt. Durch das Eliminieren des

Dorns wird die Funktion kühlt Dorn nicht mehr benötigt. Damit kann das Wasserbe-

cken entfernt werden. Durch das Eliminieren des Köchers fallen die Funktionen hält

Köcher und bewegen Köcher der Komponenten Platz 1 und Presse weg. Vom Platz 1

gehen damit nur noch die zwei nützlichen Funktionen bewegt Tisch und hält Tisch aus,

die von einer anderen Komponente übernommen werden. Da keine geeignete Kompo-

nente vorhanden ist, wird eine neue Komponente Transportmittel eingeführt, die diese

Funktionen übernimmt. In Tabelle 5.11 ist das Trimming für diese Variante noch einmal

kurz zusammengestellt.

Page 127: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 123

Tabelle 5.11: Trimming - Variante 3

zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger

Köcher hält Dorn Regel A

Dorn hält Regel C Tisch Wie kann der Tisch die Funktion

Läuferpaket (Richtlinie 1) hält Läuferpaket erfüllen?

Wasserbecken kühlt Dorn Regel A

Platz 1 hält Köcher Regel A

bewegt Köcher Regel A

hält Tisch Regel C Transportmittel Wie kann ein Transportmittel die

(Richtlinie 4) Funktion hält Tisch erfüllen?

bewegt Tisch Regel C Transportmittel Wie kann ein Transportmittel die

(Richtlinie 4) Funktion bewegt Tisch erfüllen?

Lösungsvorschlag für Variante 3

Eine Lösungsidee ist, den Dorn bereits direkt nach dem Gießen zu entfernen. Beim

Gießen erwärmt sich somit das Läuferpaket und der Dorn. Könnte der Dorn noch in der

Gießanlage gekühlt werden z.B. durch ein Loch in seiner Mitte, durch das ein kühles

Medium geleitet würde, könnte dieser eventuell bereits in der Gießanlage entnommen

werden. Der Köcher und das Wasserbecken wären durch das frühzeitige Entfernen

und Kühlen des Dorns nicht mehr erforderlich. Das Läuferpaket könnte bereits in der

Gießanlage auf den Tisch gesetzt werden und über ein Transportmittel z.B. Rollbänder

zum Platz 2 befördert werden. Durch diese Lösung könnte auf Wasserbecken, Köcher,

Platz 1 und den Transport des Krans zwischen Gießanlage und Läuferwellenpresse

verzichtet werden. Zusätzlich könnte die Zeit für das aufwendige Handling mit dem

Dorn eingespart werden.

5.4 Vergleich

Für den Arbeitsplatz beim Einpressen der Welle wurden die Wertanalyse und die Funk-

tionsanalyse durchgeführt. Mit beiden Verfahren wurden mehrere Lösungsideen entwi-

ckelt. Dass einige Ideen sich ähneln oder gleich sind, liegt vermutlich daran, dass die

Ausarbeitung beider Verfahren nicht durch zwei unabhängige Gruppen erfolgte.

Page 128: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 124

Bei der Durchführung haben beide Verfahren sowohl Vorteile als auch Schwachstellen

gezeigt. Im Bild 5.16 sind diese übersichtlich zusammengestellt.

FunktionsanalyseWertanalyseV

orte

ileN

acht

eile

● einfache Struktur● gute Visualisierung● Kostenzuweisung relativ einfach● Berechnung von Kennzahlen● Aufzeigen von möglichen

Strategien für einzelne Komponenten

● genaue Überlegungen, welche Funktionen von dem Prozess ausgeführt werden bzw. ausgeführt werden sollten.

● Hinterfragung jeder Funktion auf ihre Notwendigkeit

● Funktionen sind an keine Komponenten gebunden

● Zuweisung der Arbeitszeiten zu den Funktionen relativ einfach

● nur die Funktionen, die von einer zu trimmenden Komponente ausgehen, werden hinterfragt

● das Aufstellen des Funktionenbaums ist subjektiv

● Zuweisung der Kosten der Anlage auf die Funktionen schwierig

Bild 5.16: Vergleich

Die Wertanalyse hat den Vorteil, dass gründlich überlegt werden muss, welche Funk-

tionen von dem Prozess ausgeführt werden bzw. werden sollten. Es wird dadurch be-

wusst gemacht, welche Ziele bzw. Aufgaben erreicht werden sollen. Im Gegensatz zur

Funktionsanalyse wird jede Funktion auf ihre Notwendigkeit hinterfragt und zusätzlich

geprüft, ob alle notwendigen Funktionen vorhanden sind. Vorteilhaft kann bei der Lö-

sungssuche auch sein, dass die Funktionen nicht an einzelne Komponenten gebunden

sind. Während bei der Funktionsanalyse der Arbeitslohn den Mitarbeitern zugewiesen

wurde, konnte bei der Wertanalyse dieser durch die Arbeitszeiten den einzelnen Funk-

tionen zugewiesen werden. Damit gab es neben den Anschaffungskosten ein weiteres

Kriterium für mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen.

Nachteilig bei der Wertanalyse ist das relativ subjektive Erstellen des Funktionen-

baums. Andere Personen und Gruppen hätten den Funktionenbaum wahrscheinlich

anders aufgestellt. Dies kann in Gruppen zu schleppenden Diskussionen führen und

auch zu einer stillen Ablehnung des erarbeiteten Funktionenbaums durch einzelne

Mitglieder. Außerdem war die Zuweisung der Anlagekosten auf die Funktionen rela-

tiv schwierig und subjektiv.

Bei der Funktionsanalyse ist die einfache Struktur und die gute Visualisierung vor-

teilhaft. Da sich die Struktur des Funktionsmodells aus den Komponenten und ihren

Page 129: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

5 Industriebeispiel 125

Funktionen zusammensetzt, ist sie nicht so abstrakt und auch für Aussenstehende re-

lativ einfach nachzuvollziehen. Das Aufstellen des Funktionsmodells erzwingt die ge-

naue Beschäftigung mit dem Aufbau des Systems. Damit wird explizit herausgearbei-

tet, welche Komponenten welche Funktionen ausführen. Ein weiterer Vorteil ist die gute

Visualisierbarkeit der Struktur im grafischen Funktionsmodell. Dadurch ist erkennbar,

von welchen Komponenten viele Funktionen ausgehen und auf welche Komponenten

viele Funktionen wirken. Dass vom Mitarbeiter die meisten Funktionen ausgehen war

zu erwarten. Dass auf den Dorn acht Funktionen wirken, während von ihm nur eine

ausgeht, wurde vorher wahrscheinlich nicht wirklich bedacht und ist durch die grafi-

sche Darstellung erst richtig verdeutlicht worden. Zusätzlich lassen sich die Kosten

recht einfach den einzelnen Komponenten zuordnen. Durch die Kosten und das Funk-

tionsmodell können Kennwerte für Funktionalität und Wert der einzelnen Komponenten

berechnet werden. Da sich die Funktionalität direkt aus dem Funktionsmodell ermitteln

lässt und sie sich nicht durch Schätzungen ergibt, besteht eine relativ hohe Objektivität

der Kennzahlen. Zusätzlich ergeben sich aus diesen Zahlen und dem Stärkediagramm

mögliche Strategien für die einzelnen Komponenten.

Nachteilig bei der Funktionsanalyse ist, dass nicht alle Funktionen auf ihre Notwendig-

keit hin hinterfragt werden. Beim Trimming erfolgt zwar eine Hinterfragung, allerdings

nur bei den zu eliminierenden Komponenten.

Page 130: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

126

6 Erkenntnisse

In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede

zwischen der Wertanalyse und der Funktionsanalyse zusammenfassend dargestellt.

6.1 Gemeinsamkeiten

Beide wertanalytischen Ansätze besitzen Gemeinsamkeiten, die im Bild 6.1 zusam-

mengestellt sind.

Gemeinsamkeiten vonWertanalyse und Funktionsanalyse

● Ziel: Erhöhung des Werts● in der Regel bereichsübergreifende Betrachtung● Teamarbeit● Unterstützung durch das Management notwendig● Festlegung von klaren Projektzielen● Methodisches Vorgehen

Bild 6.1: Gemeinsamkeiten der Wertanalyse und der Funktionsanalyse

Das allgemeine Ziel beider Verfahren ist, den Wert eines Produkts oder Prozesses zu

erhöhen. Für beide wertanalytischen Ansätze ist Teamarbeit eine wesentliche Voraus-

setzung. Das Team besteht in der Regel aus Personen unterschiedlicher Bereiche, um

ein breites Wissen zu bündeln und bessere Lösungen zu erzielen. Bei beiden Verfah-

ren wird das Ergebnis eines Projekts stark von der Auswahl, dem Verhalten und dem

Wissen der Teammitglieder geprägt. Besteht beispielsweise keine Akzeptanz der Me-

thode oder eine Aversion der Teilnehmer untereinander, kann sich dies negativ auf die

Durchführung des Projekts auswirken. [7]

Ebenso ist die Unterstützung durch das Management und Vorgesetzte bei beiden An-

sätzen unbedingt erforderlich. Beispielsweise ermöglicht den Teammitgliedern eine

Page 131: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

6 Erkenntnisse 127

Freistellung von ihren sonstigen Tätigkeiten während der Durchführung des Projekts,

sich ganz auf das Projekt zu konzentrieren.

Notwendig für eine erfolgreiche Anwendung eines wertanalytischen Ansatzes ist eine

genaue Zielvorgabe. Als Ziel reicht es z.B. nicht aus, eine allgemeine Kostensenkung

festzulegen, sondern es muss genauer spezifiziert werden, wie hoch die Kostensen-

kung sein soll. Anders ist eine geeignete Erfolgskontrolle des Projekts nicht möglich,

denn bereits mit einer minimalen Kosteneinsparung würde das Ziel schon erreicht wer-

den. Das Team wäre so möglicherweise nicht gefordert, optimale Leistungen zu erbrin-

gen und eine deutliche Wertverbesserung zu erreichen.

Beide Verfahren geben für die Durchführung des Projekts eine systematische Vorge-

hensweise vor. In der Methodik zeigen jedoch beide Verfahren teilweise wesentliche

Unterschiede auf.

6.2 Unterschiede und Besonderheiten

Im Bild 6.2 sind einige Unterschiede und Besonderheiten der Wertanalyse und der

Funktionsanalyse zusammengestellt.

Die Wertanalyse wird seit vielen Jahrzehnten erfolgreich in Unternehmen eingesetzt

und besitzt einen hohen Verbreitungsgrad. Das Verfahren ist standardisiert. Ihr Ar-

beitsplan gibt alle wesentlichen Schritte von der Projektvorbereitung bis zum Projektab-

schluss vor. Die Funktionsanalyse nach TRIZ ist ein relativ neues Verfahren mit einem

geringen Verbreitungsgrad. Sie ist nicht so standardisiert wie die WA und beschränkt

sich vor allem auf die Beschreibung der Ist-Situation und der Problemdefinition des

Projekts. Sie ist vom Projektablauf her mit dem zweiten (Objektsituation analysieren)

und eventuell dem dritten Grundschritt (Soll-Zustand beschreiben) des sechsstufigen

Arbeitsplans der Wertanalyse zu vergleichen (vgl. Tabelle 2.1). Die Vorbereitung des

Projekts und die Entwicklung der Lösungsideen, ihre Auswahl und Verwirklichung wer-

den bei der Funktionsanalyse nicht näher vorgegeben.

Die Wertanalyse betrachtet die Funktionen des WA-Objekts. Sie geht dabei von den

Funktionen aus, die das Produkt oder der Prozess erfüllt bzw. erfüllen soll. Sie be-

Page 132: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

6 Erkenntnisse 128

Funktionsanalyse

● geringere Verbreitung● Betrachtung der Funktionen der

Komponenten● nicht sehr standardisiert● betrachtet hauptsächlich Ist-

Beschreibung & Problembeschreibung● viele Vorgaben beim Aufstellen der

Funktionen● einfache Kostenbestimmung für die

einzelnen Komponenten

Besonderheiten

● Berücksichtigung von schädlichen Funktionen und Erfüllungsgraden

● einfache Ermittlung der Funktionalität der einzelnen Komponenten

● Ermittlung und Berechnung von Kennwerten

● mehrere zusätzliche Anwendungsgebiete

Wertanalyse

● größere Verbreitung● Betrachtung der Funktionen des

Produkts● standardisiert● Schritte von Projektauswahl bis zur

Realisierung vorgegeben● viele Freiheiten beim Aufstellen der

Funktionen, kaum Vorschriften● schwierige Kostenbestimmung für Ist-

und Soll- Funktionen

Besonderheiten

● stellt alle Ist-Funktionen in Frage● Aufgabenstellungen ergeben sich u.a.

aus der Differenz zwischen Ist- und Soll-Funktionen

Unterschiede

Bild 6.2: Einige Unterschiede und Besonderheiten zwischen Wertanalyse und Funktionsanalyse

trachtet somit explizit die Bedürfnisse, die das Produkt für seine Benutzer erfüllt. Dabei

werden sowohl Gebrauchsfunktionen, die für die sachliche Nutzung notwendig sind, als

auch Geltungsfunktionen, die subjektiv wahrnehmbare Wirkungen wie Aussehen dar-

stellen, berücksichtigt. Es bestehen wenige Vorgaben beim Aufstellen der Funktionen.

Es ist dabei vor allem auf ein geeignetes Abstrahieren der Soll-Funktionen zu achten.

Somit sind die ermittelten Funktionen stark vom Projektteam abhängig. Ein anderes

Projektteam würde die Funktionen möglicherweise anders benennen und strukturie-

ren.

Die Funktionsanalyse zerlegt hingegen das Produkt in einzelne Komponenten und be-

trachtet die Funktionen, die von diesen Komponenten ausgehen oder die auf diese wir-

ken. Dabei können zusätzlich schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher

Funktionen berücksichtigt werden. Dadurch ergeben sich bereits aus dem Funktions-

modell Aufgabenstellungen. Der Aufbau des Produkts und das Zusammenwirken der

Komponenten werden durch das Erstellen des Funktionsmodells detailliert betrachtet.

Durch die Suche nach der Hauptfunktion und der Zielkomponente wird explizit benannt,

für welche Aufgabe das System erstellt wurde. Durch das Aufteilen des Produkts in

seine Komponenten und die Betrachtung ihrer Wirkbeziehungen untereinander ist die

Funktionsanalyse weniger abstrakt als die Wertanalyse. Für Personen, die auf Grund

Page 133: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

6 Erkenntnisse 129

ihrer Position und Erfahrung abstraktes Denken nicht gewöhnt sind, erleichtert die-

ser Aufbau die Analyse. Die Funktionsanalyse ist zusätzlich gut geeignet, um schnell

einen Überblick zu erhalten, an welchen Komponenten für eine Verbesserung ange-

setzt werden sollte. Für das Aufstellen der Funktionen bestehen mehr Vorschriften als

bei der Wertanalyse. Der subjektive Einfluss ist hierbei deutlich geringer. Zwar könn-

ten verschiedene Auffassungen über die Art einzelner Funktionen (z.B. schädliche oder

überzogene Funktion) bestehen, das Funktionsmodell eines Projekts an sich wird sich

jedoch meistens bei der Verwendung der gleichen Hierarchieebene der Komponenten

bei verschiedenen Projektteams nicht wesentlich unterscheiden.

Bei der Wertanalyse können einfach verschiedene zeitliche Aspekte eines Produkts

einbezogen werden. Es ist beispielsweise möglich, Funktionen während des Versands,

des Einsatzes und der Entsorgung zusammen zu betrachten. Bei der Funktionsanalyse

ist die Betrachtung verschiedener zeitlicher Aspekte eines Produkts nicht immer ein-

fach möglich. Es ist nicht immer sinnvoll, alle in einem Funktionsmodell abzubilden, da

darunter beispielsweise die Übersichtlichkeit leiden könnte. Übersichtlicher ist es dann,

die verschiedenen zeitlichen Aspekte in mehreren Funktionsmodellen abzubilden. Für

eine genauere Betrachtung könnte eine Prozessanalyse eingesetzt werden.

Die Aufteilung der Kosten auf die Funktionen ist bei der Wertanalyse häufig schwierig

und zeitaufwendig. Oft werden einzelne Bestandteile des Produkts für mehrere Funk-

tionen benötigt. Vor allem die Zuweisung von Soll-Kosten zu den Soll-Funktionen kann

komplex sein. Sie ist häufig subjektiv und kann zu Diskussionen und Meinungsver-

schiedenheiten führen. Im Gegensatz dazu ist die Zuweisung der Kosten bei der Funk-

tionsanalyse in den meisten Fällen einfacher. Hier werden die Kosten nicht den Funk-

tionen zugeteilt sondern den betrachteten Komponenten. Dies ermöglicht meist eine

einfachere und genauere Kostenzuteilung. Die Kosten für die Komponenten können

meistens direkt aus der Kalkulation entnommen werden.

Die Aufgabenstellungen bei der Wertanalyse ergeben sich unter anderem aus dem

Vergleich der Ist- und der Soll-Funktionen. Dieser Vergleich hat den Vorteil, dass alle

Ist-Funktionen auf ihre Notwendigkeit überprüft und unnötige Funktionen erkannt wer-

den können. Ebenso wird zur Ermittlung der Ansatzpunkte für Verbesserungen nach

Funktionen mit einem hohen Rationalisierungspotential gesucht. Dazu werden die Soll-

und Ist-Kosten verwendet, die wie bereits erwähnt, oft nach subjektiven Gesichtspunk-

Page 134: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

6 Erkenntnisse 130

ten festgelegt wurden. Bei der Funktionsanalyse können mit Hilfe des Funktionsmo-

dells Kennzahlen für die Funktionalität und gegebenenfalls für den Problemrang der

einzelnen Komponenten errechnet werden. Zusammen mit den Kosten werden daraus

die Werte der einzelnen Komponenten ermittelt. Eine Aussage, welche Komponen-

te bereits einen hohen Wert hat und welche Komponente auf Grund ihres niedrigen

Werts verbessert werden sollte, ist damit möglich. Diskussionen über die Höhe des

Werts und der Funktionalität von Komponenten sind damit vermeidbar. Mit Hilfe eines

Stärkediagramms und der Kennwerte können für die einzelnen Komponenten Hand-

lungsempfehlungen gegeben werden.

Die Funktionsanalyse hat zusätzlich zur wertanalytischen Betrachtung noch andere

Anwendungsgebiete. Sie ist z.B. Ausgangsbasis für eine Patentumgehung und für

einen Funktionenraub, bei dem das Produkt um Funktionen, die bisher sein Super-

system ausgeführt hatte, erweitert wird.

6.3 Anwendungsempfehlungen

Eine eindeutige Aussage darüber, welche Methode besser ist als die andere und bei

welchen Rahmenbedingungen die Wertanalyse oder die Funktionsanalyse eingesetzt

werden soll, ist nicht möglich. Mit beiden Methoden lassen sich gute Resultate erzielen.

Es darf nicht vergessen werden, dass nicht die Methode die Ergebnisse erzielt son-

dern insbesondere die Personen, die sie anwenden. Diese Methoden sind demnach

vor allem als Hilfsmittel für das Projektteam zu sehen. Welche Methode eingesetzt

wird, sollte aus diesem Grund in erster Linie von ihrer Akzeptanz beim Team, bei den

Vorgesetzten und beim Management abhängen.

Des Weiteren bietet sich eventuell bei Produkten, bei denen Geltungsfunktionen einen

besonders wichtigen Stellenwert besitzen, die Wertanalyse an. Denn dabei werden

explizit diese Funktionen betrachtet. Die Funktionsanalyse bietet sich besonders zum

Vermeiden von langwierigen Diskussionen an, denn sowohl das Aufstellen des Funkti-

onsmodells als auch die Zuordnung der Kosten sind objektiver als die Bestimmung der

Funktionen und ihrer Kosten bei der Wertanalyse.

Page 135: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

131

7 Zusammenfassung

Ziel der Arbeit war, die Wertanalyse nach VDI und die Funktionsanalyse nach TRIZ zu

untersuchen und zu vergleichen. Als Erstes wurden in einem Theorieteil die Wertana-

lyse und die Funktionsanalyse vorgestellt. Die Wertanalyse ist ein seit langem erfolg-

reich eingesetzter wertanalytischer Ansatz. Hierbei werden die Funktionen des Pro-

dukts oder Prozesses der Ist-Situation und der Soll-Situation aufgestellt und ihnen ihre

Ist-Kosten bzw. ihre Soll-Kosten zugeordnet. Die Gegenüberstellung der Ist-Funktionen

und der Soll-Funktionen ergibt die eigentliche Aufgabenstellung. Durch einen Vergleich

der Ist-Kosten der Ist-Funktionen mit den Soll-Kosten (Zielkosten) der Soll-Funktionen

unter Berücksichtigung der Realisierungskosten wird nach dem höchsten Rationalisie-

rungspotenzial gesucht. Es ist häufig schwierig und subjektiv, die Ist- und die Soll-

Kosten den Funktionen zuzuweisen.

Diese Schwierigkeiten bestehen bei der Funktionsanalyse nicht. Sie zerlegt das Pro-

dukt in Komponenten und betrachtet die Funktionen, die von diesen Komponenten

ausgehen und die auf diese wirken. Die Kosten der Komponenten können relativ ein-

fach ermittelt werden. Oft können sie direkt aus Kalkulationen übernommen werden.

Die Funktionsanalyse ist zusätzlich Ausgangspunkt für mehrere andere Anwendungen.

Sie ist somit ein vielfältig einsetzbarer Ansatz.

Beide Verfahren wurden an zwei Lehrbeispielen und an einem Industriebeispiel durch-

geführt. Durch beide Ansätze konnte jeweils eine Verbesserung des betrachteten Pro-

dukts bzw. Prozesses erreicht werden. Beide Verfahren sind für die Wertsteigerung gut

geeignet. Welches Verfahren eingesetzt werden soll, hängt von dem jeweiligen Projekt

und seinen Rahmenbedingungen ab.

Grundsätzlich sind für Unternehmen beide Verfahren empfehlenswert, denn in den

meisten Branchen herrscht unter anderem auf Grund der Globalisierung ein hoher

Wettbewerbsdruck. Ein erfolgreiches Bestehen am Markt erfordert eine hohe Wertig-

keit der Produkte und eine Optimierung von Prozessen, Kosten und Qualität.

Page 136: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

132

A Wertanalyse

Arbeitspläne

Tabelle A.1: Arbeitsplan nach DIN 69910 und VDI 2800 alt [15]

Grund- Teil- Arbeitsplan nach

schritt schritt DIN 69910 und VDI 2800 alt

1 Projekt vorbereiten

1.1 Objekt auswählen

1.2 Grobziel mit Bedingungen festlegen, Untersuchungsrahmen abgrenzen

1.3 Projektorganisation festlegen

1.4 Einzelziele aus Grobzielen herleiten

1.5 Projektablauf planen

2 Objektsituation analysieren

2.1 Objekt- und Umfeldinformationen beschaffen

2.2 Kosteninformationen beschaffen

2.3 Ist-Funktionen ermitteln

2.4 Lösungsbedingende Vorgaben ermitteln

2.5 Kosten den Funktionen zuordnen

3 Soll-Zustand beschreiben

3.1 Informationen auswerten

3.2 Soll-Funktionen festlegen

3.3 Lösungsbedingende Vorgaben festlegen

3.4 Kostenziele den Soll-Funktionen zuordnen

4 Lösungsideen entwickeln

4.1 Vorhandene Ideen sammeln

Page 137: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

A Wertanalyse 133

Tabelle A.1: Arbeitsplan nach DIN 69910 und VDI 2800 alt [15]

Grund- Teil- Arbeitsplan nach

schritt schritt DIN 69910 und VDI 2800 alt

4.2 Neue Ideen entwickeln

5 Lösungen festlegen

5.1 Bewertungskriterien festlegen

5.2 Lösungsideen bewerten

5.3 Ideen zu Lösungsansätzen verdichten und darstellen

5.4 Lösungsansätze bewerten

5.5 Lösungen ausarbeiten

5.6 Lösungen bewerten

5.7 Entscheidungsvorlage erstellen

5.8 Entscheidung herbeiführen

6 Lösungen verwirklichen

6.1 Realisierung im Detail planen

6.2 Realisierung einleiten

6.3 Realisierung überwachen

6.4 Projekt abschließen

Page 138: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

A Wertanalyse 134

Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]

Grund- Teil- Arbeitsplan nach

schritt schritt DIN EN 12973

0 Vorbereitung des Projektes

0.1 Projektbeschreibung

0.2 Untersuchung der Durchführbarkeit des Projektes, Risikoanalyse

0.3 Rentabilitätsstudie, um welche Interessen geht es?

0.4 Entscheidungsträger und WA-Projektleiter auswählen

1 Projektdefinition

1.1 WA-Objekt

1.2 Rahmenbedingungen der Studie

1.3 Prämissen der Daten über das Problem

1.4 Marketingziele

1.5 Allgemeine Ziele (Grobziele)

1.6 Um welche Interessen geht es?

1.7 Ressourcen

1.8 Mitwirkende

1.9 Vorbereitende Risikoanalyse

2 Planung

2.1 Bildung eines Arbeitsteams

2.2 Ausarbeitung eines ersten Zeitplans

2.3 Festlegung des Arbeitsraumes

3 Umfassende Daten über die Studie sammeln

3.1 Informationssammlung (intern u. extern): technische Informationen

(über das Produkt), Wirtschaft, Wettbewerber, Stand der Technologie)

3.2 Detaillierte Marktforschung: Kundenanforderungen,

der Markt, Bestimmung der Position des zu entwickelnden Produktes

3.3 Verschiedenes: Bibliographie, Patente, Gesetze und Vorschriften,

Page 139: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

A Wertanalyse 135

Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]

Grund- Teil- Arbeitsplan nach

schritt schritt DIN EN 12973

Normen, Regeln, Handbücher, Normen der Organisation

4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele

4.1 Formulierung des Bedarfs und Funktionenanalyse

4.2 Kostenanalyse und Funktionenkosten

4.3 Festlegung der Detailziele und Bewertungskriterien

5 Sammeln und Finden von Lösungsideen

5.1 Sammeln existierender Ideen

5.2 Entwickeln neuer Ideen

5.3 Kritische Analyse

6 Bewertung der Lösungsideen

6.1 Bewertung und Kombination der Ideen

6.2 Auswahl der Entwicklungsaufgaben

6.3 Arbeitsprogramme für die Entwicklung

7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge

7.1 Studien, Prüfungen, industrielle Entwicklung

7.2 Follow-up, Koordination

7.3 Bewertung der Lösung: qualitativ, wirtschaftlich, Risikoanalyse

8 Präsentation der Vorschläge

8.1 Auswahl der vorzuschlagenden Lösungen

8.2 Ausarbeitung von Realisierungsprogrammen

8.3 Gliederung umfassender Daten über die Vorschläge

8.4 Erlangung einer Entscheidung durch den Entscheidungsträger

8.5 Information der WA-Teams und Auflösung oder

Warteposition der WA-Teams

9 Realisierung

Page 140: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

A Wertanalyse 136

Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]

Grund- Teil- Arbeitsplan nach

schritt schritt DIN EN 12973

9.1 Unterstützung der Realisierung: Follow-up, mögliche Unterstützung zur

Korrektur von Abweichungen oder Vornahme von Anpassungen

9.2 In Ausnahmefällen: Organisation weiterer Sitzungen des WA-Teams,

um unerwartetes Problem anzuschneiden (Reaktivierung)

9.3 Einschätzung der aktuellen Ergebnisse der Realisierung,

Vergleich mit den prognostizierten Ergebnissen

9.4 Verteilung der erzielten, aktuellen Ergebnisse sowie der technischen

und allgemeinen Informationen an die WA-Teammitglieder, an die betrof-

fenen Fachleute, an einen breiteren Adressatenkreis in der Organisation

9.5 Gegebenenfalls Erstellung eines Systems

zur Sammlung von Informationen über die Erfahrungen im Einsatz

Page 141: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

137

B Funktionsanalyse

Begriffserklärungen

Basisfunktion (Basic Function): Das Objekt der Funktion dieser Funktion ist die Ziel-

komponente. (siehe S.33)

Erfüllungsgrad (Performance): Er beurteilt nützliche Funktionen abhängig von ihrer

Durchführung. Er ist ein Maß für die Abweichung zwischen der tatsächlichen und

der gewünschten Veränderung der Parameter des Objekts der Funktion. (siehe

S.27)

Funktion (Function): Sie ist eine Aktion, die von einer Komponente (Funktionsträger )

ausgeführt wird, um einen oder mehrere Parameter einer anderen Komponente

(Objekt der Funktion) zu verändern oder zu erhalten. (siehe S.23)

Funktionsträger (Function Carrier): Das ist eine Komponente, von der eine Funktion

ausgeht. (siehe S.23)

Funktionsmodell (Function Model): Das ist ein Modell des technischen Systems, das

die Komponenten des technischen Systems und seines Supersystems mit ihren

Funktionen beschreibt. (siehe S.28)

Funktionsmodellierung (Function Modeling): Das ist der wesentliche Teil der Funkti-

onsanalyse. Das Ziel der Funktionsmodellierung ist, ein Funktionsmodell des zu

analysierenden technischen Systems zu erstellen und damit dessen Ist-Zustand

abzubilden. (siehe Abschnitt 3.1.3)

Hauptfunktion (Main Function): Das ist die Funktion, für die das technische System

entwickelt wurde. (siehe S.17)

Hilfsfunktion (Auxiliary Function): Das Objekt der Funktion dieser Funktion ist eine

Komponente des technischen Systems. (siehe S.33)

Page 142: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 138

Interaktionsanalyse (Interaction Analysis): Sie ist ein Teil der Funktionsanalyse. Sie

identifiziert die Interaktionen zwischen den Komponenten sowohl des techni-

schen also auch des Supersystems. (siehe Abschnitt 3.1.2)

Interaktionstabelle (Interaction Matrix): Sie wird während der Interaktionsanalyse er-

stellt. In der Tabelle werden die Interaktionen zwischen den Komponenten sowohl

des technischen Systems als auch des Supersystems festgehalten. (siehe S.20)

Komponente (Component): Sie besteht aus Masse und /oder Feld. Sie ist ein Teil des

technischen Systems oder des Supersystems. (siehe S.14)

Komponentenanalyse (Component Analysis): Sie ist ein Teil der Funktionsanalyse.

Sie identifiziert die relevanten Komponenten des technischen Systems und sei-

nes Supersystems. Ihre Ergebnisse werden in der Interaktionsanalyse weiter ver-

wendet. (siehe Abschnitt 3.1.1)

Komponentenmodell (Component Model): Es wird während der Komponentenanaly-

se erstellt. Es enthält den Namen des technischen Systems, seine Hauptfunktion

und die identifizierten Komponenten. (siehe S.14)

Nützliche Funktion (Useful Function): Sie ist eine Funktion, die Parameter des Ob-

jekts der Funktion in die gewünschte Richtung verändert oder erhält. (siehe S.26)

Objekt der Funktion (Object of the Function): Das ist die Komponente, deren Para-

meter auf Grund einer Funktion verändert oder erhalten werden. (siehe S.23)

Parameter (Parameter): Er ist eine Größe einer Komponente, wie z.B. die Position

oder die Temperatur einer Komponente. (siehe S. 23)

Schädliche Funktion (Harmful Function): Sie ist eine Funktion, die Parameter des

Objekts der Funktion verschlechtert. (siehe S.26)

Supersystem (Supersystem): Das ist das System, das das zu analysierende techni-

sche System als eine Komponente enthält. (siehe S.15)

Supersystem-Komponente (Supersystem Component): Sie ist eine Komponente des

Supersystems. (siehe S.15)

Page 143: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 139

Technisches System (Engineering System): Es ist das System, das untersucht wer-

den soll. (siehe S.14)

Trimming (Trimming): Es ist ein Verfahren, mit dem eine oder mehrere Komponenten

des technischen Systems entfernt und ihre nützlichen Funktionen auf andere

Komponenten umverteilt werden. (siehe Abschnitt 3.3)

Trimmingmodell (Trimming Model): Das ist ein fiktives Funktionsmodell des techni-

schen Systems nach der Eliminierung einer oder mehrerer Komponenten des

technischen Systems und der Umverteilung ihrer nützlichen Funktionen. (siehe

S.43)

Überzogene Funktion (Excessive Function): Sie ist eine nützliche Funktion, die einen

Parameter des Objekts der Funktion stärker als gefordert verändert oder erhält.

(siehe S.27)

Unzureichende Funktion (Insufficient Function): Sie ist eine nützliche Funktion, die

einen Parameter des Objekts der Funktion geringer als gefordert verändert oder

erhält. (siehe S.27)

Zielkomponente (Target): Sie ist die Komponente des Supersystems auf die die Haupt-

funktion wirkt. (siehe S. 17)

Zusatzfunktion (Additional Function): Bei dem Objekt der Funktion dieser Funktion

handelt es sich um eine andere Supersystem-Komponente als die Zielkompo-

nente. (siehe S.33)

Page 144: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 140

Arbeitsunterlagen

Im Folgenden sind Arbeitsunterlagen für die Funktionsanalyse zusammengestellt. Die-

se sollen die Durchführung einer Funktionsanalyse unterstützen.

Komponentenmodell

In das Komponentenmodell werden der Name des technischen Systems, die Haupt-

funktion und die Komponenten des technischen Systems und des Supersystems ein-

getragen.

technisches System Hauptfunktion Komponenten des technischen Systems

Komponenten des Supersystems

Bild B.1: Komponentenmodell- Arbeitsunterlagen

Page 145: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 141

Interaktionstabelle

In die Interaktionsanalyse werden die Komponenten aus der Komponentenanalyse ein-

getragen und vermerkt, ob Interaktionen zwischen ihnen auftreten.

Komponente

Komponente

+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten

- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten

Bild B.2: Interaktionstabelle- Arbeitsunterlagen

Page 146: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 142

Stärkediagramme

In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten auf der x-Achse und die

Funktionalitäten der Komponenten auf der y-Achse eingetragen. Der Problemrang bleibt

unberücksichtigt.

C5 10

5

4321 6 7 8 9

6

7

8

9

10

4

3

2

1

F

Bild B.3: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten und Funktionalität

Page 147: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 143

Stärkediagramm aus dem Bild B.3 zuzüglich eingezeichneter Werte.

C5 10

5

4321 6 7 8 9

6

7

8

9

10

4

3

2

1

FV=3,33 V=2 V=1,43 V=1

V=0,7

V=0,5

V=0,3

V=0,1

Bild B.4: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten und Funktionalität

Page 148: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 144

In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten und die Problemränge auf

der x-Achse und die Funktionalitäten der Komponenten im Quadrat auf der y-Achse

eingetragen.

C+P10 208642 12 14 16 18

100

50

40

30

20

10

60

70

80

90

Bild B.5: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität

Page 149: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 145

Stärkediagramm aus dem Bild B.5 zuzüglich eingezeichneter Werte.

C+P10 208642 12 14 16 18

100

50

40

30

20

10

60

70

80

90

V = 25,00 V = 12,50 V = 8,33 V = 6,25 V = 5,00

V = 4,00

V = 3,00

V = 2,00

V = 1,00

Bild B.6: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität

Page 150: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 146

In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten und die Problemränge auf

der x-Achse und die Funktionalitäten der Komponenten auf der y-Achse eingetragen.

C+P10 20

5

8642 12 14 16 18

6

7

8

9

10

4

3

2

1

F

Bild B.7: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität

Page 151: Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI) und Funktionsanalyse

B Funktionsanalyse 147

Stärkediagramm aus dem Bild B.7 zuzüglich eingezeichneter Werte.

C+P10 20

5

8642 12 14 16 18

6

7

8

9

10

4

3

2

1

FV = 25 V = 12,5 V = 6,25 V = 5

V = 4

V = 3

V = 2

V = 1

Bild B.8: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität

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