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LEHRSTUHL FÜR KONSTRUKTIONSTECHNIK Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr.-Ing. Harald Meerkamm
Vergleich zwischen Wertanalyse (nach VDI)
und Funktionsanalyse (nach TRIZ)
Diplomarbeit
von
Karolin Dorn
Bestätigung
Ich versichere, dass ich die Arbeit ohne fremde Hilfe
und ohne Benutzung anderer als der angegebenen
Quellen angefertigt habe und dass die Arbeit in
gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen
Prüfungsbehörde vorgelegen hat und von dieser als
Teil einer Prüfungsleistung angenommen wurde. Alle
Ausführungen, die wörtlich oder sinngemäß
übernommen wurden, sind als solche
gekennzeichnet.
Erlangen, 30. Juni 2008
Karolin Dorn
i
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1
2 Wertanalyse 32.1 Projekt vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Objektsituation analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Soll-Zustand beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Lösungsideen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.5 Lösungen festlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.6 Lösungen verwirklichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3 Funktionsanalyse 123.1 Funktionsanalyse für die Produktverbesserung . . . . . . . . . . . . . . 14
3.1.1 Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.1.2 Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.3 Funktionsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2 Wertanalytische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.3 Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.4 Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.4.1 Erweiterte zeitliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.4.2 Varianten der Funktionalitäts- und Wertberechnung . . . . . . . 473.4.3 Indikatoren für das Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4 Lehrbeispiele 594.1 Lagerabdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.1.1 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.1.2 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.1.3 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.2 Injektionsspritze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744.2.1 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754.2.2 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864.2.3 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
5 Industriebeispiel 915.1 Prozessbeschreibung und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.1.1 Grundschritte des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925.1.2 Komponenten der Läuferwellenpresse . . . . . . . . . . . . . . . 935.1.3 Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.1.4 Kosten der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975.1.5 Ziele der wertanalytischen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . 97
5.2 Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2.1 Projekt vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Inhaltsverzeichnis ii
5.2.2 Objektsituation analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2.3 Soll-Zustand beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055.2.4 Lösungsideen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1085.2.5 Lösungen festlegen und verwirklichen . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.3 Funktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.3.1 Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.3.2 Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115.3.3 Funktionsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125.3.4 Kennwertberechnungen und mögliche Strategien . . . . . . . . . 1155.3.5 Trimming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.4 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
6 Erkenntnisse 1266.1 Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266.2 Unterschiede und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1276.3 Anwendungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
7 Zusammenfassung 131
A Wertanalyse 132
B Funktionsanalyse 137
Literaturverzeichnis 148
1
1 Einführung
Seit Jahren findet unter anderem durch die voranschreitende Globalisierung eine stän-
dige Verschärfung der Wettbewerbssituation statt. Unternehmen müssen mit einer zu-
nehmenden Anzahl von Wettbewerbern konkurrieren. Die Kunden haben die Möglich-
keit, aus einer breiten Palette von Produkten der oft auch international operierenden
Firmen auszuwählen. Eine einseitige Konzentration auf Kostenführerschaft oder ho-
he Qualität reicht daher meist nicht mehr aus. In der Regel setzt ein Erfolg am Markt
Produkte von hoher Qualität bei konkurrenzfähigen Preisen voraus.
Der Wert eines Produkts, der aus dem Quotienten aus Funktionalität und Kosten gebil-
det wird, muss laufend überprüft und gesteigert werden. Abhängig von seiner Position
im Lebenszyklus müssen daher die Funktionalität erhöht und die Kosten reduziert wer-
den. Dies gilt nicht nur für Produkte sondern auch für Prozesse in Unternehmen.
Zur Erzielung von Wertsteigerungen gibt es verschiedene Ansätze. Diese Diplomarbeit
befasst sich mit der Wertanalyse nach VDI und der Funktionsanalyse nach TRIZ. Die
Wertanalyse wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und hat einen hohen
Verbreitungsgrad erreicht. Sie geht dabei von den Funktionen aus, die ein Produkt oder
ein Prozess erfüllen muss. Die Funktionsanalyse dagegen ist eine relativ neue Metho-
de. Sie zerlegt das Produkt oder den Prozess in einzelne Komponenten und analysiert
die Funktionen zwischen den Komponenten untereinander und den Funktionen mit ei-
nem ihm übergeordneten System. Ziel dieser Arbeit ist, die beiden wertanalytischen
Ansätze zu untersuchen und zu vergleichen.
Zunächst werden die beiden Methoden vorgestellt. Da zur Wertanalyse nach VDI um-
fassende Literatur verfügbar ist, werden nur ihre wesentlichen Punkte erläutert. Auf
die Funktionsanalyse nach TRIZ wird hingegen ausführlich eingegangen, da sie in der
Literatur bisher noch nicht umfassend dokumentiert ist. Aktuell existieren nur einige
literarische Quellen und das Computerprogramm TechOptimizer zu diesem Thema. In
1 Einführung 2
dieser Arbeit wird daher die Funktionsanalyse für den praktischen Einsatz dokumen-
tiert, strukturiert und weiterentwickelt.
Im Anschluss an den Theorieteil wird der Einsatz beider Verfahren an zwei Lehrbei-
spielen beschrieben. Dabei handelt es sich einmal um ein Standardlehrbeispiel für die
Wertanalyse und das andere Mal um eins für die Funktionsanalyse. Für beide Lehrbei-
spiele wird das jeweils andere Verfahren zusätzlich eingesetzt und anschließend beide
Verfahren für jedes Beispiel verglichen.
Danach werden beide Methoden bei einem realen Industrieprojekt eingesetzt und be-
wertet. Dabei wird ein Fertigungsschritt bei der Herstellung großer elektrischer Motoren
analysiert.
Zum Abschluss werden die Wertanalyse und die Funktionsanalyse miteinander vergli-
chen und die Erkenntnisse dazu vorgestellt.
3
2 Wertanalyse
Die in diesem Abschnitt näher vorgestellte Wertanalyse (WA) ist seit vielen Jahren in
Unternehmen erfolgreich im Einsatz. Sie wird definiert als “ein organisierter und krea-
tiver Ansatz, der einen funktionenorientierten und wirtschaftlichen Gestaltungsprozess
mit dem Ziel der Wertsteigerung eines WA-Objektes zur Anwendung bringt” [12]. Ihr
Einsatz bewirkt, dass Organisationen durch Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
ihrer Produkte leistungsfähiger werden. Die Wertanalyse unterstützt ein Team bei der
richtigen Formulierung und bei der anschließenden Lösung von Problemen [12].
Die Projekte, die mit der Wertanalyse durchgeführt werden, können nach ihrer Art
und Positionierung im Lebenszyklus unterschieden werden. Die drei Projektarten sind
Grundsatzuntersuchung & Planung, Neuentwicklung & Gestaltung sowie Verbesse-
rung & Optimierung eines Prozesses, eines Produkts oder einer Dienstleistung.
Wertplanung Wertgestaltung
Wertverbesserung
Planung Entwicklung PflegePhasen imLebenszyklus
Bewertungs-größe
Bild 2.1: Projektarten abhängig von der Lage im Lebenszyklus [17]
Bei der Lage im Lebenszyklus werden Wertplanung, Wertgestaltung und Wertverbes-
serung unterschieden. Die Wertplanung wird bei Grundsatzuntersuchungen und Mach-
barkeitsstudien eingesetzt. Das Ziel ist vor allem, Risiken, Chancen, Einflussfaktoren
und Rahmenbedingungen, die für die Entwicklung eines neuen Produkts relevant sind,
zu erkennen. Die Wertgestaltung wird bei neuen Produkten, die sich noch in der Ent-
wicklung befinden, angewendet. Dabei ist vor allem wichtig, das Produkt ganzheitlich
zu verstehen und zu gestalten. Bestehende und bereits in Nutzung sich befindende
2 Wertanalyse 4
Produkte sind die Anwendungsgebiete für die Wertverbesserung. Dabei besteht hier
die Zielsetzung, das Produkt umfassend zu verstehen und an veränderte Bedingungen
anzupassen. Abhängig von der Position im Lebenszyklus unterscheiden sich die Auf-
gabenabgrenzung, die Teamzusammensetzung, die Tiefe der Informationssammlung
und -bearbeitung sowie die Genauigkeit der Kostenbetrachtung. Die funktionsorientier-
te Vorgehensweise, die interdisziplinäre Teamarbeit, Kreativität und der Wertanalyse-
Arbeitsplan sind allerdings gleich [17].
Bei der erfolgreichen Anwendung der Wertanalyse interagieren die Grundelemente
Verhaltensweisen, Management und Methodik miteinander (Bild 2.2). Ihre Durchfüh-
rung wird stark von den Verhaltensweisen der involvierten Personen beeinflusst. Sie
sollten die Wertanalyse fördern und zur Verwirklichung der Projektziele beitragen. Eben-
so ist die Unterstützung des Managements für einen erfolgreichen Einsatz der Wert-
analyse notwendig. Die Methodik ist gekennzeichnet durch eine funktionenorientierte,
wirtschaftliche, kreative und systematische Vorgehensweise. Sie wird im Folgenden
anhand ihres Arbeitsplans ausführlicher erläutert [15].
MethodikVerhaltens-weisen
Management
Umfeld
Bild 2.2: Grundelemente der Wertanalyse [15]
In der zwischenzeitlich zurückgezogenen Norm DIN 69910 erfolgt die Einteilung der
Wertanalyse in sechs Schritte. Nach der europäische Norm DIN EN 12973, die erst
2000 in Kraft trat, besteht die Wertanalyse aus zehn Schritten. Die Vorgehensweise ist
trotz der verschiedenen Unterteilungen bei beiden ähnlich [16]. Die Tabelle 2.1 zeigt
eine Gegenüberstellung der Grundschritte der beiden verschiedenen Arbeitspläne.
2 Wertanalyse 5
Tabelle 2.1: Arbeitsschritte nach DIN 69910 [16] und VDI 2800 alt und DIN EN 12973 [12]
Grund- Arbeitsschritte nach Grund- Arbeitsschritte nachschritt DIN 69910 schritt DIN EN 129731 Projekt vorbereiten 0 Vorbereitung des Projektes
1 Projektdefinition
2 Planung
2 Objektsituation analysieren 3 Umfassende Daten über die Studie sammeln
3 Soll-Zustand beschreiben 4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele
4 Lösungsideen entwickeln 5 Sammeln und Finden von Lösungsideen
5 Lösungen festlegen 6 Bewertung der Lösungsideen
7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge
8 Präsentation der Vorschläge
6 Lösungen verwirklichen 9 Realisierung
Auf Grund der sehr ähnlichen Vorgehensweise wird nur ein Arbeitsplan näher vorge-
stellt. Da der sechsstufige Arbeitsplan, auch wenn die dazugehörende Norm zurückge-
zogen wurde, laut eines Mitglieds des Leitungsteams des Arbeitskreises Wertanalyse
des VDI-Stuttgart, einen deutlich höheren Verbreitungsgrad hat, wird im Folgenden nur
dieser betrachtet. Der höhere Verbreitungsgrad liegt vor allem daran, dass der sechs-
stufige Arbeitsplan seit mehreren Jahrzehnten verwendet wird, während die DIN EN
12973 erst vor einigen Jahren in Kraft trat. Eine genauere Untergliederung des sechs-
stufigen und des zehnstufigen Arbeitsplans befindet sich im Anhang (Tabellen A.1 und
A.2). Die ersten beiden Schritte des sechsstufigen Arbeitsplans befassen sich mit der
Vorbereitung des Projekts und der Analyse der Objektsituation. In diesen beiden Pha-
sen geht es hauptsächlich um das Erkennen, Erfassen und Verstehen des Projekts
und seiner Situation. Hier stellt sich vor allem die Frage: „Was ist?” Im dritten Schritt
wird der Soll-Zustand beschrieben. Es soll die Frage „Was soll sein?” beantwortet wer-
den. Anschließend werden Lösungsideen entwickelt. Die hier zu beantwortende Frage
lautet: „Wie kann es gehen?” Die letzten beiden Schritte umfassen die Festlegung und
Verwirklichung der Lösung. Findet bei den einzelnen Schritten eine Annäherung an die
Zielvorgabe nicht statt oder scheint es auf Grund neuer Erkenntnisse angebracht zu
sein, werden die einzelnen Schritte wiederholt durchlaufen (vgl. Bild 2.3) [15], [16].
2 Wertanalyse 6
1. Projekt vorbereiten Projekt-beginn
AZ2. Objektsituation analysieren
3. Soll-Zustand beschreiben
4. Lösungsideen entwickeln
5. Lösungen festlegen
6. Lösungen verwirklichen
AZ
AZ
AZ
Projekt-abschluss
nein
ja
nein
nein
nein
ja
ja
ja
AZ: Annäherung an Zielvorgabe
Bild 2.3: Schritte des sechsstufigen Arbeitsplans [15]
Nachstehend erfolgt eine kurze Vorstellung der einzelnen Schritte. Der Schwerpunkt
liegt dabei beim zweiten Grundschritt, da hier die Besonderheiten im Vergleich zur
Funktionsanalyse nach TRIZ liegen.
2.1 Projekt vorbereiten
Im ersten Schritt erfolgt die Wahl des Wertanalyse-Objekts, die Festlegung quantifi-
zierbarer Ziele, die Bildung der Arbeitsgruppe und die Planung des Ablaufs [25].
Für die Wahl des WA-Objekts können geschäftspolitische Gesichtspunkte wie Vertriebs-
und Verkaufsanalysen ausschlaggebend sein. Ein geeignetes Mittel beispielsweise für
die Auswahl des Objekts anhand der Höhe der Umsätze und Erträge wäre die ABC-
Analyse. Wichtig ist auch die Betrachtung des Lebenszyklus der einzelnen Produkte
für die Auswahl. Abhängig von der Phase im Lebenszyklus, in der sich das Produkt
befindet, unterscheiden sich die verfolgten Ziele. Am Anfang des Lebenszyklus kön-
nen Verbesserungen am Produkt kostengünstiger eingeführt werden. Um strategische
Lücken zu vermeiden, könnte die Wertanalyse auch am Ende des Lebenszyklus ein-
gesetzt werden, um die Lebensdauer zu verlängern [25].
2 Wertanalyse 7
In diesem Grundschritt erfolgt die Festlegung des Ziels, welches durch die Wertanalyse
erreicht werden soll. Das Ziel besteht prinzipiell in einer Verbesserung des Werts des
Objekts. Der „Wert beschreibt dabei die Beziehung zwischen dem Beitrag der Funkti-
on (oder des WA-Objekts) zur Bedürfnisbefriedigung und den Ressourcen, z.B. Kosten
der Funktion (oder des WA-Objekts), die für diese Befriedigung zum Einsatz kommen”
[17]. Zur Steigerung des Werts müssen der Beitrag der Funktionen erhöht und / oder
die Kosten reduziert werden [25]. Das ausgewählte Ziel sollte spezifisch, messbar, er-
reichbar, realistisch und terminiert sein. Die Zielsetzung ist ein kritischer Erfolgsfaktor
für die Durchführung. Nicht konkret formulierte Ziele können zu keiner aussagekräfti-
gen Erfolgskontrolle führen. Oft wird als Ziel eine Kostensenkung um einen bestimmten
Wert verwendet. Eine Standardregel von Wertanalytikern besagt, dass zehn Prozent
eigentlich immer möglich seien. Häufig sind die Effizienzsteigerungsmöglichkeiten viel
höher [20].
Zur Durchführung der Wertanalyse ist die Bildung einer Arbeitsgruppe aus vier bis
sechs Personen erforderlich. Die Auswahl sollte sorgfältig erfolgen, da von ihr das Ge-
lingen der Wertanalyse abhängt. Als Letztes erfolgt die Planung des weiteren Ablaufs
[4].
2.2 Objektsituation analysieren
Im zweiten Grundschritt erfolgt die Sammlung, Ordnung und Analyse der relevanten
Daten des Objekts. Hierbei ist es wesentlich, die sachliche Richtigkeit und die problem-
bezogene Vollständigkeit in Bezug auf das Ziel des Projekts zu beachten. Es sollten
nur die Daten, die für die Zielsetzung relevant sind, erfasst werden. Vor allem gilt es,
Objekt-, Umfeld- und Kosteninformationen zu beschaffen [3].
Als Nächstes sind die Funktionen des Wertanalyse-Objekts zu ermitteln. Unter Funk-
tion wird in diesem Zusammenhang die Wirkung eines Produkts oder eines seiner
Bestandteile verstanden [13]. Funktionen werden durch ein Substantiv und ein Verb im
Infinitiv benannt. Das Substantiv zeigt an, welchem Objekt oder durch welches Objekt
etwas passiert oder passieren soll. Das Verb beschreibt, was geschieht oder gesche-
hen soll [26].
2 Wertanalyse 8
So führt beispielsweise eine Glühbirne die Funktion Raum erhellen aus. Es sollte ver-
sucht werden, Verben mit aktiven Bedeutungen zu verwenden, die das direkte Gesche-
hen wiedergeben und nicht nur die Möglichkeit dazu. Beispielsweise ist Flüssigkei-
ten fördern besser als Flüssigkeitsförderung ermöglichen [18]. Die Funktionen sollten
möglichst quantifizierbar sein. Bei der Formulierung der Funktionen ist es außerdem
wichtig, einen optimalen Abstraktionsgrad einzuhalten. Werden die Funktionen zu we-
nig abstrakt formuliert, wird das Finden neuer Ansätze erheblich erschwert [18].
Die Funktionen lassen sich nach Funktionsarten und Funktionsklassen unterteilen. Die
Unterscheidung der Funktionsarten erfolgt in Gebrauchsfunktionen und Geltungsfunk-
tionen. Unter Gebrauchsfunktionen werden jene verstanden, die zur sachlichen Nut-
zung des Wertanalyse-Objekts erforderlich sind. Geltungsfunktionen hingegen sind
meist nur subjektiv wahrnehmbar und beeinflussen die personenbezogene Wirkung
des betrachteten Objekts. Sie sind nicht zur unmittelbar sachlichen Nutzung des Wert-
analyse-Objekts erforderlich. Beispiele dafür sind Aussehen, Komfort oder Prestige
[26].
HF
Ist-
Situ
atio
n
Sol
l-Zie
le Hauptfunktionen (HF)
Gesamtfunktionen (GF)(Grundfunktionen)
Nebenfunktionen (NF)
Teilfunktionen (TF)
Elementar-Funktionen (EF)
Fun
ktio
nenb
aum
1 HF
NF NF NF
2
3 4 5
GF 2GF 1 GF 3 GF 4 GF 5
TF TF TF TF TF TF TF TF
TF TF TF TF TF TF TF
TF TF TF TF
TF
- H
iera
chie
stuf
en
1
2
3
unte
rste
EF EF EF
... ...
Bild 2.4: Gliederung der Funktionsklassen [15], [18]
Im Bild 2.4 ist die Gliederung der Funktionsklassen abgebildet. Bei den Funktionsklas-
sen wird zwischen Haupt- und Nebenfunktionen unterschieden. Die Unterteilung der
Funktionen erfolgt nach ihrer Wichtigkeit und ist von den vorher definierten Zielen des
2 Wertanalyse 9
Projekts abhängig. Haupt- und Nebenfunktionen sind voneinander unabhängig. Jedes
Wertanalyse-Objekt besitzt mindestens eine Hauptfunktion. Die „Gesamtfunktion ist
die Gesamtwirkung aller ihrer in einer Funktionsstruktur untergeordneten Funktionen”
[18]. Für diese Funktion können auch andere Benennungen wie z.B. Basisfunktion
und Grundfunktion zur Verwendung kommen. Eine Gesamtfunktion kann in mehrere
Teilfunktionen aufgeteilt werden. Die einzelnen Teilfunktionen können selbst weiter in
andere Teilfunktionen unterteilt werden. Dadurch ergeben sich verschiedene Hierar-
chieebenen von Teilfunktionen. Auf der untersten Ebene befinden sich die Elementar-
Funktionen, die nicht weiter unterteilt werden können [15], [18]. Die Benennungen für
die Funktionsklassifizierung sind in der Literatur nicht überall identisch.
Zur Ermittlung der Ist-Funktionen bietet es sich an, zuerst die Funktionen im Team zu
sammeln. Danach werden die Funktionen in Gebrauchs- und Geltungsfunktionen und
in Haupt- und Nebenfunktionen unterteilt. Anschließend kann die Funktionsstruktur
erstellt werden. Dazu bietet sich beispielsweise der Funktionenbaum oder das FAST
(Funktionen-Analyse-System-Technik) Diagramm an [6], [18].
Nach dem Aufstellen der Funktionen müssen lösungsbedingte Vorgaben festgelegt
werden. Das sind für das Projekt relevante Anforderungen, die durch die Funktions-
struktur nicht abgebildet werden [4].
Als Letztes sind die ermittelten Kosten den Funktionen zuzuordnen. Dies dient zur
Schwerpunktfindung und zur Problemgewichtung und ist häufig sehr zeitintensiv [4].
2.3 Soll-Zustand beschreiben
Dieser Schritt dient zur Festlegung des Soll- und damit des gewünschten Ziel-Zustands.
Erst durch die Gegenüberstellung von Ist- und Soll-Zustand ergibt sich die eigentliche
Aufgabe (vgl. Bild 2.5).
2 Wertanalyse 10
IST SOLL
IST = SOLL
abschaffen erhalten erschaffen
Situation Ziel
Problem gelöst
Problem =Nichtübereinstimmen zwischen IST und SOLL
Aufgabe =Σ von Arbeiten oderTätigkeiten
Lösung =Übereinstimmen zwischenIST und SOLL
Bild 2.5: Definition von Problem, Aufgabe und Lösung [4]
Zur Ermittlung der Soll-Funktionen wird, beginnend bei den Gesamtfunktionen der Ist-
Funktionen, überprüft, ob die betrachtete Funktion notwendig bzw. zweckmäßig ist.
Kann dies uneingeschränkt bejaht werden, so handelt es sich um eine Soll-Funktion.
Bestehen jedoch Möglichkeiten für andere Lösungswege, so handelt es sich um ei-
ne produktbezogende Ist-Funktion. Dieser Vorgang wird anschließend für die nächste
Gliederungsstufe wiederholt. Die Soll-Funktionsgliederung soll keine unnötigen Funk-
tionen enthalten [4].
Als Letztes sind die Kostenziele für die Soll-Funktionen festzulegen, um beispielswei-
se die höchsten Gewinnchancen zu identifizieren. Die Soll-Funktionen müssen, um
einen geeigneten Ansatzpunkt für Rationalisierungen zu finden, hinsichtlich ihrer Ist-
Kosten (Funktionskosten), ihrer realistischen Soll-Kosten (Kostenziel) und hinsichtlich
ihrer unterschiedlichen Nutzwerte untersucht werden. Das Kostensenkungspotenzial
ist dort am höchsten, wo die größte Differenz zwischen Funktionskosten und Kosten-
ziel liegt. Dabei müssen die Nutzwertunterschiede und der Rationalisierungsaufwand
berücksichtigt werden. Für die so identifizierten Schwerpunkte beginnt anschließend
die intensive Suche nach weiteren Lösungen [4].
2.4 Lösungsideen entwickeln
Der vierte Grundschritt umfasst das Sammeln von vorhandenen Lösungsideen und
das Entwickeln neuer Ideen zu den erkannten Schwachpunkten. Hierbei gilt zunächst
Quantität vor Qualität [25].
Für die Erarbeitung von Problemlösungen gibt es verschiedene Techniken. Zu den
bekanntesten intuitiven Verfahren gehört das Brainstorming, die Methode 635 und
2 Wertanalyse 11
die Delphimethode. Es können aber auch systematische Kreativitätstechniken wie der
Morphologische Kasten und die Bionik eingesetzt werden [4], [8].
Hier sollten bereits Bewertungskriterien festgelegt und Lösungsideen bewertet werden,
um aus der großen Anzahl an Ideen eine Vorauswahl zu treffen [4].
2.5 Lösungen festlegen
In diesem Grundschritt werden Konzepte, Entwürfe und ganzheitliche Lösungsvor-
schläge aus den gesammelten und entwickelten Ideen erarbeitet. Die Lösungsideen,
die nach der Vorauswahl übrig geblieben sind, werden zusammengestellt. Oft sind dies
nur Teillösungen, die sich nicht gegenseitig ausschließen sondern ergänzen können.
Anschließend werden diese Lösungsansätze bewertet. Mindestens drei realistische
Vorschläge sollten ausgearbeitet werden. Die Beurteilung der Vorschläge erfolgt durch
Bewertungsverfahren wie beispielsweise die Nutzwertanalyse. Da die Mitglieder des
Wertanalyseteams nicht die Entscheidungsträger sind, müssen sie die Lösungsalter-
nativen vorstellen und die Entscheidungsfindung unterstützen [4].
2.6 Lösungen verwirklichen
Nachdem eine Entscheidung für eine Lösung getroffen wurde, erfolgt deren Realisie-
rung. Dazu ist eine detaillierte Planung sowie die Abstimmung der Termin-, Nutzwert-
und Kostenziele mit den betroffenen Stellen erforderlich. Anschließend muss die Rea-
lisierung eingeleitet und überwacht werden. Das Projekt wird mit einem Abschlussbe-
richt offiziell beendet [3].
12
3 Funktionsanalyse
In diesem Abschnitt wird die Funktionsanalyse nach TRIZ vorgestellt. TRIZ ist ein rus-
sisches Akronym und bedeutet sinngemäß „Theorie zur Lösung von Erfindungsaufga-
ben” [2]. Die Funktionsanalyse ist in den Problemdefinitionsprozess einzuordnen. Mit
ihr kann die Funktionsweise eines existierenden Systems detailliert untersucht werden.
Die Funktionsanalyse ist daher eine Methode, die für existierende Systeme angewen-
det werden kann. Sie ist nicht geeignet, um komplett neue Produkte zu entwickeln. Die
meisten neuen Produkte basieren jedoch auf älteren. Dabei kann es sich sowohl um
eigene als auch um Produkte von anderen Unternehmen handeln.
Die Funktionsanalyse nach TRIZ ist nicht so standardisiert wie die Wertanalyse nach
VDI. Sie ist an sich eine IST-Zustandsbeschreibung. Bei der Wertanalyse erfolgt das
Beschreiben des IST-Zustands im zweiten der sechs Grundschritte.
Funktionsanalyse
Wie kann das System
verbessert werden?
Wie kann der Wert des Systems
gesteigert werden?
Wie kann das Systemradikal
innoviert werden?
Wie kannein gegnerischesPatent umgangen
werden?
Wie könnenneue Features in
mein Systemeingebracht
werden?
Supersysteme modellieren, Trimming im Supersystem
Unabhängigen Anspruch
modellieren, Trimming beliebiger
Komponenten
Trimming von Komponenten, Trimmingtiefe
bestimmt Radikalität
Berechnung der Indizes der
Komponenten, Auswertung des
Stärkediagramms
Modellierung der Erfüllungsgrade
und der schädlichen Interaktionen
Produkt-verbesserung
wertanalytische Betrachtung
Trimming Patent-umgehung
Funktionsraub
Bild 3.1: Funktionsanalyse als Basis für weitere Analysen [1]
Wie im Bild 3.1 dargestellt, ist die Funktionsanalyse Basis für weitere Analysen. Ab-
hängig von den Zielen, die mit der Funktionsanalyse verfolgt werden, unterscheiden
3 Funktionsanalyse 13
sich ihre Schwerpunkte bei der Durchführung. Sie unterstützt u.a. das Ziel, das Sys-
tem zu verbessern. Durch das Modellieren des Systems mit seinen Komponenten und
Funktionen können schädliche Funktionen und nützliche Funktionen, die nicht in ge-
wünschter Weise wirken, erkannt werden.
Die Funktionsanalyse kann auch die Basis für eine wertanalytische Betrachtung sein,
die das Ziel hat, den Wert des Systems zu steigern. Sie ist außerdem die Grundla-
ge für das Trimming. Beim Trimming werden Bestandteile des Systems eliminiert und
damit das System vereinfacht. Innovationen können dadurch entstehen. Für Patentum-
gehungen ist die Funktionsanalyse ebenso einsetzbar. Dazu werden die Bestandteile
und Funktionen des unabhängigen Anspruchs des Patents modelliert. Das Trimming
beliebiger Komponenten kann den unabhängigen Anspruch des Patents umgehen. Die
Suche nach neuen Features für ein System kann die Funktionsanalyse ebenso unter-
stützen. Dabei wird versucht, das betrachtete System um Funktionen zu erweitern, die
zuvor von seiner Umgebung aufgeführt wurden [1].
Zur Funktionsanalyse wurden bei einer Literaturrecherche nur wenige Quellen, bei
denen es sich hauptsächlich um Veröffentlichungen von Darrell Mann u.a. handelt,
gefunden [1], [5], [9]. Eine weitere Quelle ist das Softwareprogramm TechOptimizer.
Es beinhaltet vor allem das grafische Funktionsmodell, Kennwertberechnungen und
Grundlagen des Trimmings [11], [14]. In dieser Arbeit wird die Funktionsanalyse be-
nutzerfreundlich dokumentiert und strukturiert dargestellt. Dabei werden das Vorgehen
beim Anwenden der Funktionsanalyse und die notwendigen Begriffe aufgeführt und an
Beispielen verdeutlicht.
Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Funktionsanalyse zur Produktverbesse-
rung. Danach wird die Funktionsanalyse bei der wertanalytischen Betrachtung vorge-
stellt. Es werden dabei einige Vereinfachungen angenommen. Anschließend wird das
Trimming erläutert. Auf die Patentumgehung und den Funktionenraub wird nicht weiter
eingegangen. Abschließend folgen einige Erläuterungen zu möglichen Erweiterungen
und Ergänzungen.
3 Funktionsanalyse 14
3.1 Funktionsanalyse für die Produktverbesserung
Die Funktionsanalyse kann in die drei Schritte Komponentenanalyse, Interaktionsana-
lyse und Funktionsmodellierung unterteilt werden (vgl. Bild 3.2).
Komponenten-analyse
Interaktions-analyse
Funktions-modellierung
Bild 3.2: Die drei Schritte der Funktionsanalyse [1]
In der Komponentenanalyse werden die relevanten Komponenten des technischen
Systems und seines Supersystems bestimmt. Die darauf folgende Interaktionsanalyse
identifiziert die Beziehungen zwischen den Komponenten. Als dritter und wichtigster
Schritt folgt die Funktionsmodellierung. Dabei werden die identifizierten Interaktionen
nach Möglichkeit in Funktionen überführt und das Funktionsmodell des betrachteten
Systems erstellt [1].
Die einzelnen Schritte der Funktionsanalyse werden zum besseren Verständnis zu-
sätzlich an einem Beispiel erläutert.
3.1.1 Komponentenanalyse
In der Komponentenanalyse werden die Komponenten des technischen Systems und
die des Supersystems, mit denen das technische System interagiert, identifiziert [1].
Eine Komponente ist ein Objekt, welches einen Teil eines technischen Systems oder
eines Supersystems darstellt. Komponenten bestehen aus Masse und / oder Feldern.
Notebooks, Autos und Fahrräder sind Beispiele für Komponenten, die über Masse ver-
fügen. Eine Komponente kann auch ein Objekt sein, das aus einem Feld besteht,
welches Aktionen zwischen Substanzen übertragen kann. Ein elektrisches Feld, ein
magnetisches Feld oder auch Feuer sind dafür Beispiele. Nach dieser Definition sind
Software und Parameter wie Temperatur oder Position eines Objekts keine Kompo-
nenten. Ein technisches System ist ein System, das entwickelt wurde, um Funktionen
auszuführen. Es ist das System, welches untersucht und verbessert werden soll. Das
3 Funktionsanalyse 15
Supersystem ist ein dem technischen System übergeordnetes System. Es enthält das
technische System als eine Komponente. Handelt es sich beim technischen System
z.B. um ein Fahrrad, so ist das zugehörige Supersystem der Verkehr.
Supersystem:Verkehr
Ampel
Auto
RadfahrerKomponenten des Supersystems
zu analysierendestechnisches System
Lkw
Straße
Bus
Fahrrad
Bild 3.3: Das Supersystem für ein Fahrrad [1]
Im Bild 3.3 ist das Supersystem Verkehr dargestellt. Das Supersystem enthält mehrere
Komponenten wie Auto, Ampel, Straße, Bus, Lkw, Radfahrer und Fahrrad. Komponen-
ten des Supersystems, die mit dem technischen System interagieren, können später
weiter betrachtet werden.
Bei der Durchführung der Komponentenanalyse wird zunächst eine Hierarchie der
Komponenten des technischen Systems erstellt. Das Bild 3.4 zeigt allgemein die Hier-
archie eines technischen Systems. In der höchsten Ebene befindet sich das zu analy-
sierende technische System. Es wird weiter in Komponenten auf niedrigeren Ebenen
unterteilt.
technisches System
Komponente A Komponente B Komponente C
Komp. A1 Komp. A2 Komp. B1 Komp. B2
Komp. B1a Komp. B1b Komp. B1c.........
2. Ebene
3. Ebene
4. Ebene
Komp. C2Komp. C1Komp. B3
... ... ...
1. Ebene
Bild 3.4: Hierarchieebenen eines technischen Systems
3 Funktionsanalyse 16
Nach dem Erstellen der Hierarchie wird die für die folgende Analyse geeignete Ebe-
ne ausgewählt und die Komponenten der ausgewählten Hierarchieebene identifiziert.
Dabei sind vor allem die Ziele und Einschränkungen des Projekts zu berücksichtigen.
Die Auswahl sollte sehr sorgfältig erfolgen. Sowohl ein höherer als auch ein niedri-
gerer Detaillierungsgrad als notwendig sind ungünstig. Eine niedrige Hierarchieebene
erhöht den Aufwand der Analyse, da sie mehr Komponenten umfasst. Dies führt zu
einem höheren Aufwand und kann zu unübersichtlichen Modellen führen, was wieder-
um negative Auswirkungen auf die Ergebnisse der Funktionsanalyse haben kann. Die
Wahl einer zu hohen Ebene führt zu abstrakten Modellen. Auch dies kann unzurei-
chende Ergebnisse verursachen. Alle ausgewählten Komponenten sollten außerdem
aus der gleichen Ebene stammen.
Als Richtwert sollte das Modell eines Teams, das noch nicht viel Erfahrung mit der
Funktionsanalyse gesammelt hat, fünf bis zehn Komponenten enthalten.
Zur Vereinfachung lassen sich ähnliche Komponenten zu einer Komponente zusam-
menfassen. Vier Schrauben des gleichen Typs können somit als Komponente Schrau-
ben betrachtet werden. Sind für eine Komponente weiterreichende Analysen erforder-
lich, sollte die Komponentenanalyse nochmals auf einer niedrigeren Hierarchieebene
wiederholt werden [1].
Komponentenmodell
Als Nächstes erfolgt das Aufstellen des Komponentenmodells, in dem die Erkenntnisse
der Komponentenanalyse zusammengefasst werden. Das Bild 3.5 zeigt den Aufbau
eines Komponentenmodells.
technisches System Hauptfunktion
Komponente 1 Zielkomponente
Komponente 2 Supersystem Komponente 1
Komponente 3 Supersystem Komponente 2
Komponente 4
Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Name des technischen Systems
Zielkomponente + Aktion (Objekt + Prädikat)
Bild 3.5: Das Komponentenmodell [1]
Die linke Spalte des als Tabelle aufgebauten Modells enthält den Namen des zu ana-
lysierenden Systems. Damit erfolgt die Festlegung des technischen Systems, welches
im Projekt genau betrachtet wird. In der nächsten Spalte wird die Hauptfunktion aufge-
3 Funktionsanalyse 17
führt. Sie setzt sich aus der Zielkomponente und der dazugehörenden Aktion zusam-
men.
Im Bild 3.6 ist die Beziehung des technischen Systems, der Hauptfunktion und der
Zielkomponente dargestellt. Die Hauptfunktion ist die Funktion, für die das technische
System entwickelt wurde [1]. Sie verändert mindestens einen Parameter einer Kompo-
nente des Supersystems. Diese Komponente heißt Zielkomponente. Das Auto (tech-
nische System) wurde z.B. entwickelt, um Personen (Zielkomponente) von einem Ort
A zu einem anderen Ort B (Veränderung des Parameters Position der Personen) zu
befördern. Die Zielkomponente ist immer eine Komponente des Supersystems und
nicht des technischen Systems. Die Bestimmung der Hauptfunktion ist oft schwierig
und bedarf einer gewissen Übung und Routine. Sie ist aber für den Erfolg der Funk-
tionsanalyse wesentlich. Durch eine nicht korrekt bestimmte Hauptfunktion kann die
Analyse in eine ganz andere Richtung gelenkt werden und im ungünstigsten Fall zu
keiner geeigneten Lösung der Aufgabe führen.
Hauptfunktion(z.B. Person bewegen)
Supersystem
zu analysierendes technisches System
(z.B. Auto)
Supersystem-Komponente
Supersystem-Komponente
Supersystem-Komponente
Zielkomponente(z.B. Person)
Bild 3.6: Beziehung zwischen Hauptfunktion, Zielkomponente und technischem System [1]
Beispielsweise sollen für einen Motorradhelm die Hauptfunktion und die Zielkomponen-
te bestimmt werden. Der Helm interagiert während seines Einsatzes normalerweise mit
dem Kopf des Motorradfahrers und bei einem Unfall oft mit einem harten Gegenstand
z.B. der Straße oder einem Auto. Im Bild 3.7 sind die Beziehungen des Motorradhelms
beim unfallfreien Fahren dargestellt. Der Helm wird vom Kopf gehalten. Er selbst führt
in diesem Moment keine Funktion auf den Kopf aus, denn er ändert oder erhält kei-
nen Parameter des Kopfes. Der Kopf bleibt genauso, wie er auch ohne Helm wäre. Er
interagiert auch nicht mit einem harten Gegenstand.
3 Funktionsanalyse 18
Motorradhelmharter Gegenstand Kopfhält
Bild 3.7: Beziehungen des Helms beim unfallfreien Fahren
Im Bild 3.8 sind die Beziehungen der drei Komponenten bei einem Unfall dargestellt.
Der Helm stößt mit dem harten Gegenstand zusammen und verhindert, dass der harte
Gegenstand mit dem Kopf in Berührung kommt. Dadurch können Verletzungen ver-
mieden oder reduziert werden. Er kann aber den Stoß nicht ganz auffangen und gibt
ihn in abgeschwächter Form an den Kopf weiter.
Motorradhelmharter Gegenstand Kopfhält
deformiert
weist ab
drückt
Bild 3.8: Beziehungen des Helms beim Unfall
Die Hauptfunktion des Systems Motorradhelm ist hier harten Gegenstand abweisen
und die Zielkomponente ist der harte Gegenstand. Es könnte auch angenommen wer-
den, dass die Hauptfunktion Kopf schützen sei. Diese Funktion kommt allerdings bei
den betrachteten Beziehungen (vgl. Bild 3.7und 3.8) nicht vor und ist nicht die Haupt-
funktion dieses Systems.
In der dritten Spalte des Komponentenmodells (Bild 3.5) befinden sich die bereits wäh-
rend des Aufstellens der Hierarchiestufen identifizierten und ausgewählten Komponen-
ten des zu analysierenden Systems. In der letzten Spalte werden die Elemente des
Supersystems, die mit dem technischen System interagieren, aufgeführt. Eine einfa-
che Merkregel zum Unterscheiden der Komponenten des technischen Systems und
des Supersystems ist, dass die Komponenten des Supersystems während der Unter-
suchung als gegeben angesehen werden und vom Projektteam nicht veränderbar sind
[14]. Das heißt natürlich nicht, dass diese Komponenten generell nicht modifizierbar
sind, aber bei der Verwendung dieses technischen Systems ist es nicht möglich. Soll-
te es doch erwünscht sein, müsste das zu analysierende technische System anders
definiert werden.
Komponentenmodell eines Linearmotors
Im Folgenden wird als Beispiel ein Linearmotor betrachtet, der im Bild 3.9 dargestellt
ist. Die Führung des Rotors erfolgt mit Hilfe von vielen Permanentmagneten, die sich
3 Funktionsanalyse 19
an den Schienen befinden. Die Schienen sind an ihren Stößen mit sogenannten Stoß-
verbindern zusammengefügt. In diesen Stößen können sich unter anderem Staub,
Flüssigkeiten und Verunreinigungen ansammeln, die den Motor schädigen könnten
besonders, wenn der Rotor sie in die Stoßfuge schiebt. Beispielsweise könnten kleine
Metallstücke, die sich dadurch verhakt haben und hochstehen, das System blockieren.
Um das zu verhindern, wird die Schiene durch eine angeklebte Abdeckung (Plastikfilm)
geschützt [1].
RotorAbdeckung
Schienen
Bild 3.9: Abbildung eines Linearmotors [1]
Das Bild 3.10 zeigt das Komponentenmodell des Linearmotors. Das zu analysieren-
de technische System heißt Synchron-Linearmotor. Die Hauptfunktion des Systems
besteht im Bewegen des Rotors. Das technische System besteht aus den Kompo-
nenten Permanentmagnete, Schienen, Stoßverbinder, Klebstoff und Abdeckung. Der
Rotor ist die Zielkomponente und ist somit eine Komponente des Supersystems. Wei-
tere Supersystem-Komponenten sind Staub, Flüssigkeit und Verunreinigungen. Staub,
Flüssigkeiten und Verunreinigungen können zu einer Komponente des Supersystems
zusammengefasst werden, da sie ähnliche Auswirkungen auf das technische System
haben.
technisches System Hauptfunktion
Rotor bewegen
Rotor
Schienen Staub
Flüssigkeit
Abdeckung Verunreinigungen
Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Synchron-Linearmotor
Permanentmagnete
Stoßverbinder
Bild 3.10: Komponentenmodell des Linearmotors [1]
3 Funktionsanalyse 20
3.1.2 Interaktionsanalyse
Als nächster Schritt folgt die Interaktionsanalyse. Bei ihr werden die Interaktionen der
Komponenten des technischen Systems untereinander sowie mit den Komponenten
des Supersystems identifiziert [1]. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in ei-
ner Interaktionstabelle festgehalten.
+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Kom
pone
nte
1
Kom
pone
nte
2
Kom
pone
nte
3
Kom
pone
nte
4
Komponente 1 - + + - - +
Komponente 2 + - - + - +
Komponente 3 + - - + - -
Komponente 4 - + + + - -
- - - - - +
+ + - - + -
Zie
lkom
pone
nte
Sup
ersy
stem
K
ompo
nent
e1
Zielkomponente
Supersystem Komponente 1
Bild 3.11: Interaktionstabelle [1]
Ein allgemeines Beispiel dieser Tabelle ist im Bild 3.11 dargestellt. Die Erstellung der
Tabelle erfolgt nach bestimmten Regeln. Zunächst werden die während der Kompo-
nentenanalyse ermittelten Komponenten des technischen Systems und seines Super-
systems in der gleichen Reihenfolge einmal in der obersten Zeile und in der linken
Spalte aufgeführt. Als Nächstes werden die restlichen freien Zellen der Tabelle ausge-
füllt. Interagieren zwei Komponenten miteinander, so wird in die zugehörige Zelle ein
„+” Zeichen geschrieben. Liegt keine Interaktion vor, wird dies mit einem „-” Zeichen
gekennzeichnet. Beispielsweise bedeutet das „+” Zeichen in der Zelle mit der Zeile der
Komponente 2 und Spalte der Komponente 4 aus der Interaktionstabelle (Bild 3.11),
dass diese beiden Komponenten miteinander interagieren. Es ist auch möglich, dass
eine Komponente mit sich selbst interagiert wie die Komponente 4 in dem betrachte-
ten Beispiel. Die Zellen, die dies anzeigen, liegen auf einer Diagonalen, die von links
oben nach rechts unten verläuft. Ein Beispiel für eine mit sich selbst interagierende
Komponente ist ein Heuhaufen. Bei falscher Lagerung kann er sich durch die enorme
Wärmeentwicklung selbst entzünden.
3 Funktionsanalyse 21
Alle Komponenten werden sowohl in der Zeile als auch in der Spalte aufgeführt. Da-
durch gibt es jeweils zwei Zellen in der Tabelle, die die gleiche Kombination der Kompo-
nenten betrachten und somit gleich ausgefüllt werden müssen. Ausgenommen davon
sind die Zellen, die eine Interaktion einer Komponente mit sich selbst anzeigen. Da die
Komponenten in der Zeile und in der Spalte in der gleichen Ordnung aufgeführt wer-
den, muss bei einer korrekt ausgefüllten Interaktionstabelle eine Symmetrielinie von
links oben nach rechts unten durch die Tabelle verlaufen. Sollte dies nicht zutreffen,
müssen die betroffenen Zellen nochmals überprüft werden.
Im letzten Schritt erfolgt die Überprüfung, ob es Komponenten in der Tabelle gibt, die
mit keiner anderen Komponente aus der Tabelle interagieren. Dies liegt vor, wenn in der
zur Komponente gehörenden Zeile bzw. Spalte kein „+” eingetragen ist. Dabei bleibt
unberücksichtigt, ob eine Komponente mit sich selbst interagiert. Komponenten, bei
denen dies zutrifft, werden aus der Tabelle entfernt [1].
Kom
pone
nte
1
Kom
pone
nte
2
Kom
pone
nte
3
Kom
pone
nte
4
Zie
lkom
pone
nte
Komponente 1 - + - - - +
Komponente 2 + - - + - +
Komponente 3 - - - - - -
Komponente 4 - - - + - -
Zielkomponente - - - - - +
+ + - - + -
Sup
ersy
stem
K
ompo
nent
e 1
Supersystem Komponente 1
+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Komponente 3 interagiert mit keiner anderen Komponente
Keine diagonale Symmetrie derInteraktionsmatrix
Kom
pone
nte
1
Kom
pone
nte
2
Kom
pone
nte
3
Kom
pone
nte
4
Kom
pone
nte
1
Komponente 1 - + - - - +
Komponente 2 + - - + - +
Komponente 3 - - - - - -
Komponente 4 - - - + - -
- - - - - +
+ + - - + - Komponente 1
Zie
lkom
pone
nte
Sup
ersy
stem
Zielkomponente
Supersystem
Symmetrielinie
Bild 3.12: Inkorrekte Interaktionstabelle
Welche Fehler und Besonderheiten auftreten können, zeigt das Bild 3.12. Beim Über-
prüfen der diagonalen Symmetrie ist eine Unregelmäßigkeit feststellbar. In der Zelle
der Zeile der Komponente 4 und der Spalte Komponente 2 ist ein „-” eingetragen. Das
bedeutet, es liegt keine Interaktion zwischen den beiden Komponenten vor. Allerdings
ist der Inhalt der Zelle, bei der sich die Zeile der Komponente 2 und die Spalte der
Komponente 4 kreuzen, ein „+”, welches wiederum bedeutet, dass beide Komponen-
ten miteinander interagieren. Hier muss noch einmal der Sachverhalt geprüft und die
3 Funktionsanalyse 22
Interaktionstabelle korrigiert werden. Als Nächstes erfolgt die Überprüfung, ob es ei-
ne Komponente gibt, die mit keiner anderen Komponente interagiert. In jeder Zelle,
die anzeigt, ob eine Interaktion der Komponente 3 mit einer anderen Komponenten
stattfindet, steht ein „-”. Das bedeutet, dass die Komponente 3 mit keiner anderen
betrachteten Komponente interagiert. Eine weitere Betrachtung ist daher nicht erfor-
derlich. Sie sollte aus der Interaktionstabelle entfernt werden. Gehört die Komponente
3 zum analysierenden technischen System, stellt sich natürlich die Frage, aus welchen
Gründen sie sich im technischen System befindet und ob sie eventuell entfernt werden
kann.
Interaktionstabelle des Linearmotors
Nachstehend wird die Interaktionsanalyse am Beispiel Linearmotor durchgeführt. In
die erste Zeile und Spalte werden in gleicher Reihenfolge die Komponenten des tech-
nischen Systems und des Supersystems eingetragen, die in der Komponentenanalyse
identifiziert wurden. Danach erfolgt die Untersuchung, welche Komponenten miteinan-
der interagieren und welche nicht. Das Ergebnis wird in die Interaktionstabelle einge-
tragen. Im Bild 3.13 ist die vollständig ausgefüllte Interaktionstabelle des Linearmotors
dargestellt.
Schienen Klebstoff Abdeckung Rotor
- + - - - + -
Schienen + - + + - + +
Stoßverbinder - + - - - - +
Klebstoff - + - - + - -
Abdeckung - - - + - - +
Rotor + + - - - - +
- + + - + + -
Permanent- magnete
Stoß-verbinder
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreini-gungen
Permanent-magnete
Staub, Flüssig-keiten, Verun-reinigungen
+: mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Bild 3.13: Interaktionstabelle des Linearmotors [1]
3 Funktionsanalyse 23
3.1.3 Funktionsmodellierung
Nach der Komponentenanalyse und der Interaktionsanalyse folgt die Funktionsmodel-
lierung. Sie ist der wesentlichste Schritt der Funktionsanalyse. Die Komponenten- und
die Interaktionsanalyse können als Vorarbeit für diesen Schritt angesehen werden. Das
Ziel der Funktionsmodellierung ist, ein Funktionsmodell des zu analysierenden tech-
nischen Systems mit seinem Supersystem zu erstellen und damit dessen Ist-Zustand
abzubilden. Das Funktionsmodell beschreibt die im System und seinem Supersystem
auftretenden Funktionen. Zusätzlich können auch weitere Informationen wie die Kos-
ten enthalten sein [1].
Die wesentlichen Elemente eines Funktionsmodells sind die Funktionen. Daher wird
zunächst auf diese näher eingegangen. In diesem Zusammenhang ist eine Funktion
eine Aktion, die von einer Komponente ausgeführt wird, um den Parameter einer an-
deren Komponente zu verändern oder zu erhalten [14].
Die Komponente (vgl. Bild 3.14), welche die Aktion ausführt, ist der Funktionsträger.
Die Komponente auf welche der Funktionsträger wirkt, wird als Objekt der Funktion
bezeichnet. Ein Parameter ist in diesem Zusammenhang eine Größe der Komponente
wie beispielsweise ihre Temperatur oder ihre Position [1].
Funktionsträger Objekt der FunktionAktion
Bild 3.14: Beziehung zwischen Funktionsträger und Objekt der Funktion
Ein Beispiel für eine Veränderung eines Parameters des Objekts der Funktion durch
eine Aktion, die von einem Funktionsträger ausgeht, ist das Bewegen von Schmutz von
A nach B durch einen Besen. Der Parameter Position des Schmutzes wird durch die
Aktion bewegen von Ort A nach Ort B verändert. Eine Funktion liegt nicht nur vor, wenn
sich ein Parameter eines Objekts durch eine Aktion verändert sondern auch, wenn ein
Parameter auf Grund einer Aktion nicht verändert wird. Ein Beispiel dafür ist ein an
der Wand mit einem Nagel befestigter Bilderrahmen. Das Objekt der Funktion ist hier
der Bilderrahmen. Der Nagel verhindert eine Veränderung des Parameters Position
des Bilderrahmens. Es liegt hier eine Funktion vor, die den Parameter Position des
Bilderrahmens erhalten und nicht verändern soll. Wichtig ist, dass dies durch diese
3 Funktionsanalyse 24
Funktion erreicht wird. Bei sonst gleicher Ausgangssituation und ohne die Funktion
des Haltens würde der Bilderrahmen auf den Boden fallen und somit seinen Parameter
Position verändern.
Es gibt zur Zeit keine einheitliche Auffassung darüber, was die Funktion genau be-
schreibt. Bei dem eben genannten Beispiel könnte der Besen bewegt den Schmutz,
bewegt Schmutz oder aber nur bewegt die Funktion sein. Nach der oben benutzten
Definition (vgl. auch Bild 3.14) werden sowohl Funktionsträger, Objekt der Funktion als
auch die Aktion als Bestandteile der Funktion betrachtet. Bei der Suche nach neuen
Lösungen bietet es sich an, nur das Objekt der Funktion und die Aktion als Funktion
zu betrachten und sich dann neue Lösungsmöglichkeiten durch die Suche nach einem
Funktionsträger zu erarbeiten. Es besteht auch die Ansicht, dass allein die Aktion ei-
ne Funktion ist. In dieser Arbeit jedoch wird eine sehr weiche Begriffsabgrenzung der
Funktion verwendet. Der Begriff Funktion wird sowohl für die Kombination aus Funk-
tionsträger, Aktion und Objekt der Funktion als auch für die Kombination aus Aktion
und Objekt der Funktion verwendet. Die Abgrenzung zwischen den Begriffen Funktion
und Aktion zu treffen ist erheblich komplexer. In dieser Arbeit wird von Aktionen ge-
sprochen, wenn es ausschließlich um eine Tätigkeit z.B. erwärmen geht oder explizit
nur die Tätigkeit, die zwischen zwei Objekten stattfindet, betrachtet wird. Sobald eine
nähere Beschreibung oder eine Bewertung der Tätigkeit erfolgt, die ohne Berücksichti-
gung oder Kenntnis des Objekts der Funktion nicht möglich wäre, wird sie als Funktion
bezeichnet. Beispielsweise ist eine Beurteilung, ob erwärmen nützlich oder schädlich
ist, ohne zusätzliche Kenntnisse nicht möglich. Das Erwärmen von Essen kann nütz-
lich, die Erwärmung der Erdpole aber schädlich sein. Erst wenn es auf ein Objekt, auf
das es wirkt, bezogen wird, ist eine Beurteilung möglich. Da das Objekt der Funkti-
on dazu notwendig ist, wird somit von nützlichen oder schädlichen Funktionen jedoch
nicht von nützlichen oder schädlichen Aktionen gesprochen.
Prinzipiell gibt es drei Bedingungen, mit denen geprüft werden kann, ob eine Funktion
stattfindet [1].
1. Sowohl der Funktionsträger als auch das Objekt der Funktion müssen Kompo-
nenten sein. Im Abschnitt über die Komponentenanalyse wurden die Komponen-
ten bereits näher beschrieben. Demnach ist der Ausdruck Heizung erhöht die
Temperatur keine gültige Funktion. Die Temperatur ist ein Parameter der Luft
3 Funktionsanalyse 25
und damit keine Komponente. Die Funktion müsste hier Heizung erwärmt Luft
lauten.
2. Eine weitere Voraussetzung für eine Funktion ist, dass der Funktionsträger mit
dem Objekt der Funktion interagiert. Bevor der Bilderrahmen an den Nagel ge-
hängt wird, interagieren die beiden Komponenten nicht miteinander. Es liegt keine
Funktion vor. Erst wenn der Bilderrahmen am Nagel hängt, besteht eine Interak-
tion zwischen beiden.
3. Die letzte Bedingung ist, dass mindestens ein Parameter des Objekts der Funkti-
on auf Grund der Interaktion sich ändert oder beibehalten wird. Liegen der Bilder-
rahmen und der Nagel, bevor dieser in die Wand geschlagen wird, nebeneinander
und berühren sich, besteht zwar eine Interaktion, allerdings wird kein Parameter
des Bilderrahmens oder des Nagels dadurch verändert oder beibehalten. Es liegt
somit keine Funktion vor.
Objekt der FunktionFunktionsträger /
Objekt der Funktion
Funktionsträger Funktionsträger /
Objekt der Funktion
Aktion 1
Aktion 2
Aktion 5
Aktion 4 Aktion 3
Bild 3.15: Beispiel für Funktionsträger und Objekte der Funktion [1]
Es ist auch möglich, dass eine Komponente sowohl Funktionsträger als auch Objekt
der Funktion ist. Bild 3.15 zeigt ein allgemeines Beispiel für die verschiedenen mög-
lichen Positionen, die eine Komponente einnehmen kann. Das Objekt, welches nur
als Funktionsträger dient, interagiert mit zwei anderen Objekten und ändert oder er-
hält dadurch Parameter dieser Komponenten. Von dem Objekt auf das die Aktion 1
und 5 wirken geht keine Aktion auf andere Objekte aus. Daher handelt es sich hier
nur um ein Objekt der Funktion. Auf die beiden übrigen Objekte wirken Funktionen
und es gehen auch welche von ihnen aus. Daher handelt es sich hier jeweils sowohl
um einen Funktionsträger als auch um ein Objekt der Funktion. Beim Fahrradfahren
beispielsweise bewirkt der Radfahrer (Funktionsträger), dass sich das Fahrrad (Objekt
der Funktion) bewegt. Das Fahrrad (Funktionsträger) wiederum bringt den Radfahrer
(Objekt der Funktion) an einen anderen Ort. Somit sind Fahrrad und Radfahrer sowohl
3 Funktionsanalyse 26
Funktionsträger als auch Objekt der Funktion. Welche Rolle sie gerade einnehmen
hängt von der Funktion ab, die gerade betrachtet wird.
Person A Person Bkommunizieren
Person A Person Binformiert
informiert
Bild 3.16: Korrekte Darstellung von Funktionen im Funktionsmodell
Bei der Funktionsanalyse ist weiterhin zu beachten, dass eine Funktion jeweils nur
einen Funktionsträger und ein Objekt der Funktion besitzt. Somit sollte in der Funk-
tionsanalyse beispielsweise der Sachverhalt Person A unterhält sich mit Person B
nicht, wie im Bild 3.16 oben, als Person A kommuniziert mit Person B dargestellt wer-
den. Damit wären Person A und Person B gleichzeitig sowohl Funktionsträger als auch
Objekt der Funktion einer einzigen Funktion. Dies könnte zu Problemen beim Aufstel-
len des Funktionsmodells und vor allem beim Bestimmen von Funktionsrängen führen.
Dieser Sachverhalt wird daher durch die beiden Funktionen Person A informiert Person
B und Person B informiert Person A dargestellt.
Funktionskategorien
nützliche Funktion schädliche Funktion
Funktion
Bild 3.17: Die Funktionskategorien [1]
Wie im Bild 3.17 dargestellt lassen sich die Funktionen bei der Funktionsanalyse in
die beiden Kategorien nützliche oder schädliche Funktion aufteilen [14]. Eine nützliche
Funktion liegt vor, wenn die Parameter des Objekts der Funktion in die gewünschte
Richtung beeinflusst werden. Eine schädliche Funktion hingegen verschlechtert des-
sen Parameter. Mikrowelle erwärmt Wasser ist eine nützliche Funktion, denn der Pa-
rameter Temperatur des Wassers wird in die richtige Richtung verändert. Die Funktion
Mikrowelle stört Herzschrittmacher hat negative Auswirkungen auf den Herzschritt-
macher und ist somit eine schädliche Funktion. Bei manchen Funktionen hängt die
3 Funktionsanalyse 27
Einteilung in eine Kategorie vom Blickwinkel des Betrachters ab. Die Funktion Essen
erhitzen ist nützlich zum Abtöten von Keimen und Bakterien im Essen. Diese Funkti-
on ist allerdings gleichzeitig schädlich für den Vitamingehalt des Essens, der dadurch
reduziert wird.
Die nützlichen Funktionen können weiter unterschieden werden. Nicht immer ist das
Ergebnis einer nützlichen Funktion optimal. Daher kann zusätzlich eine Bewertung
des Erfüllungsgrads nützlicher Funktionen erfolgen. Der Erfüllungsgrad einer Funkti-
on kann, wie im Bild 3.18 dargestellt, unzureichend, normal oder überzogen sein [14].
Der Erfüllungsgrad lässt sich durch die Differenz zwischen der geforderten und der
aktuellen Veränderung bzw. Erhaltung der Parameter des Objekts der Funktion be-
stimmen. Es handelt sich um eine nützliche Funktion mit unzureichendem Erfüllungs-
grad, wenn die vorgegebene Veränderung bzw. Erhaltung der Parameter nicht erreicht
wird. Wenn der benutzte Staubsauger auf Grund zu geringer Saugkraft nicht den ge-
samten Schmutz entfernt, sondern nur einen Teil davon, so handelt es sich bei der
Funktion Staubsauger entfernt Schmutz trotzdem um eine nützliche Funktion. Ein Teil
des Schmutzes wird entfernt, allerdings ist der Erfüllungsgrad der nützlichen Funkti-
on nicht optimal sondern unzureichend. Der Erfüllungsgrad einer nützlichen Funktion
ist hingegen überzogen, wenn die aktuelle Veränderung größer ist als die gewünschte
Veränderung bzw. Erhaltung. Der Staubsauger entfernt beispielsweise nicht nur den
Schmutz, sondern saugt zusätzlich nicht fest verlegte Teppiche stark an. Der Staub-
sauger übererfüllt seine Aufgabe. Es wäre besser, wenn er nur den Schmutz entfernen
und Teppiche nicht so stark ansaugen würde. Stimmt die geforderte und die tatsächli-
che Veränderung bzw. Erhaltung des betrachteten Parameters überein, so handelt es
sich um eine nützliche Funktion mit einem normalen Erfüllungsgrad.
unzureichend
normal
überzogen
Erfüllungsgrad
Bild 3.18: Der Erfüllungsgrad von nützlichen Funktionen [1]
Tabellarisches und grafisches Funktionsmodell
Als Nächstes wird das Funktionsmodell im Einzelnen näher vorgestellt. Es kann sowohl
grafisch als auch tabellarisch aufgestellt werden. Im tabellarischen Modell werden die
3 Funktionsanalyse 28
Informationen systematisch dargestellt. Das grafische Modell hilft dabei das technische
System zu visualisieren.
Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Kommentare
Komponente 1
Aktion 1 Zielkomponente U N
Aktion 3 Komponente 4 U I
Komponente 2
Aktion 4 Komponente 1 U N
Aktion 7 Komponente 4 U E
Komponente 3
Aktion 2 Zielkomponent U I
Aktion 9 Komponente 2 H -
U N
Komponente 4
Aktion 6 Komponente 2 U N
Zielkomponente
Aktion 8 Komponente 4 U N
Supersystem Komponente 1
U N
U N
Supersystem Komponente 2
Aktion 12 Komponente 4 U N
beachten, dass...
Aktion 5 Supersystem Komponente 1
Aktion 10 Zielkomponente
Aktion 5 Supersystem Komponente 2
Funktionsträger
der Name der Funktion -setzt sich zusammen aus Aktion und Objekt der Funktion
mögliche Kategorien:● U: (useful) nützliche Funktion● H: (harmful) schädliche Funktion
mögliche Erfüllungsgrade bei nützlichen Funktionen:● I: (insufficient) unzureichender Level● E: (excessive) überzogener Level● N: (normal) normaler Level
Bild 3.19: Beispiel eines tabellarischen Funktionsmodells (vgl. [1])
Ein allgemeines Beispiel für ein tabellarisches Funktionsmodell befindet sich im Bild
3.19. Das Funktionsmodell ist eine Tabelle mit den Spalten Funktion, Kategorie, Erfül-
lungsgrad und Kommentare. Für das Erstellen des Funktionsmodells wird die bereits
ermittelte Interaktionstabelle verwendet. Es bietet sich an, die Interaktionstabelle sys-
tematisch durchzugehen, um keine Funktion zu vergessen. Zunächst wird die erste
Komponente aus der Tabelle ausgewählt und die gesamte dazugehörende Zeile der
Interaktionstabelle auf „+” Zeichen untersucht. Zellen mit einem „-” Zeichen brauchen
nicht weiter berücksichtigt zu werden, da die dazugehörenden Komponenten nicht in-
teragieren und somit auch keine Funktionen vorliegen. Bei einem „+” liegt eine In-
3 Funktionsanalyse 29
teraktion der betrachteten Komponente mit einer anderen Komponente vor. Da zwei
Komponenten miteinander interagieren können, ohne eine Funktion auszuführen, wird
zunächst geklärt, ob Funktionen zwischen den beiden Komponenten stattfinden. Es
wird untersucht, ob ein Parameter einer der beiden Komponenten auf Grund der In-
teraktion sich ändert oder erhalten bleibt. Besteht eine Funktion, wird überprüft, ob es
sich bei der ausgewählten Komponente um den Funktionsträger handelt. Sollte dies
nicht der Fall sein, wird die gleiche Vorgehensweise beim nächsten „+” Zeichen in der
Tabelle wiederholt. Ist die betrachtete Komponente ein Funktionsträger, wird er wie die
Komponente 1 im Bild 3.19 oben in die Tabelle des Funktionsmodells eingetragen.
Als Nächstes werden in die nächste Zeile die Informationen über die gerade ermittelte
Funktion geschrieben. Die erste Spalte enthält den Namen der gerade betrachteten
Funktion. Der Name setzt sich aus der Bezeichnung für die Aktion und dem Objekt der
Funktion zusammen. Die Spalte Kategorie gibt an, ob es sich um eine nützliche oder
schädliche Funktion handelt. Dazu werden die englischen Abkürzungen U (useful) und
H (harmful) verwendet. Der Erfüllungsgrad bei nützlichen Funktionen wird in der nächs-
ten Spalte vermerkt. Hier besteht die Auswahl zwischen überzogen (E für excessive),
normal (N) und unzureichend (I für insufficient). Schädliche Funktionen besitzen keinen
Erfüllungsgrad.
Nachdem die Zeile für die betrachtete Funktion ausgefüllt ist, wird zum nächsten „+”
Zeichen in der Interaktionstabelle gesprungen und die Vorgehensweise wie beschrie-
ben wiederholt. Geht von der gerade betrachteten Komponente noch eine weitere
Funktion aus, muss der Funktionsträger nicht ein zweites Mal in das Funktionsmodell
eingetragen werden. Die nächste Funktion wird direkt unter die vorherige geschrieben.
Diese Vorgehensweise wird solange wiederholt, bis für die betrachtete Komponente
die gesamte Zeile bzw. Spalte der Interaktionstabelle auf „+” Zeichen untersucht wur-
de. Es sind nun alle Funktionen, die von dieser Komponente ausgehen, berücksichtigt
und in die Tabelle eingetragen. Dies wird für alle übrigen Komponenten des zu analy-
sierenden technischen Systems und des Supersystems wiederholt.
Im Bild 3.20 ist das grafische Funktionsmodell des betrachteten Beispiels dargestellt.
Die Abbildung enthält alle erfassten Komponenten und Funktionen. Zur besseren Über-
sichtlichkeit besitzen die Komponenten des technischen Systems, die Zielkomponente
und die übrigen Komponenten des Supersystems verschiedene Symbole. Der Pfeil, der
3 Funktionsanalyse 30
eine Funktion darstellt, geht dabei von dem Funktionsträger aus und zeigt mit seiner
Spitze auf das Objekt der Funktion. Er ist mit dem Namen der Aktion, die die Funktion
ausführt, versehen. Zur Unterscheidung von nützlichen und schädlichen Funktionen
werden verschiedene Pfeildarstellungen verwendet. Der Erfüllungsgrad der nützlichen
Funktionen ist durch verschiedene Strichstärken und -arten dargestellt.
Komponente 1 Komponente 2
Komponente 3
Komponente 4
Supersystem Komponente 1
Supersystem Komponente 2
Zielkomponente
Aktion 1
Aktion 3
Aktion 4 Aktion 6
Aktion 7
Aktion 8
Aktion 5
Aktion 2
nützliche Funktion – überzogen
nützliche Funktion – unzureichend
schädliche Funktion
Aktion 9
nützliche Funktion – normal
Aktion 10
Aktion 11
Aktion 12
Komponente des technischen Systems
Komponente des Supersystem
Zielkomponente
Bild 3.20: Grafisches Funktionsmodell (vgl. [1])
Tabellarisches und grafisches Funktionsmodell des Linearmotors
Entsprechend der vorgestellten Vorgehensweise wird das tabellarische Funktionsmo-
dell des Linearmotors (Bild 3.21), unter Verwendung der Interaktionstabelle (Bild 3.13),
aufgestellt. Alle nützlichen Funktionen haben einen normalen Erfüllungsgrad. Nur die
Funktion stoppt Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen der Abdeckung ist unzurei-
chend.
3 Funktionsanalyse 31
Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Kommentare
Permanentmagnete
bewegen Rotor U N
Schienen
halten Rotor U N
halten Permanentmagnete U N
halten Klebstoff U N
Stoßverbinder
hält Schienen U N
Klebstoff
hält Abdeckung U N
Abdeckung
stoppt Staub etc. U I
Rotor
führt Staub etc. H -
Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen
beschädigt Schienen H -
beschädigt Stoßverbinder H -
U: nützliche FunktionH: schädliche Funktion
N: normaler ErfüllungsgradI: unzureichender Erfüllungsgrad
Bild 3.21: Tabellarisches Funktionsmodell des Linearmotors [1]
Das grafische Funktionsmodell des Linearmotors ist im Bild 3.22 aufgeführt.
hält
beschädigtführt
Klebstoff
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Abdeckung
Schienen
halten
stoppt
bewegen
halten
halten
hält
beschädigt
Rotor
nützliche Funktion(unzureichend)
schädliche Funktion
nützliche Funktion(normal)
Komponente des technischen Systems
Komponente des Supersystem
Zielkomponente
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Bild 3.22: Grafisches Funktionsmodell des Linearmotors [1]
Aus dem Funktionsmodell ergeben sich Aufgabenstellungen zur Verbesserung des
Systems. Schädliche Funktionen sollen verhindert und nützliche Funktionen mit un-
zureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad verbessert werden.
3 Funktionsanalyse 32
Für den Linearmotor ergeben sich daraus folgende Aufgabenstellungen [1]:
• Wie kann verhindert werden, dass der Rotor Staub, Flüssigkeiten und Verunrei-
nigungen vor sich herschiebt?
• Wie kann verhindert werden, dass Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen
die Schienen beschädigen?
• Wie kann verhindert werden, dass Staub, Flüssigkeit und Verunreinigungen die
Stoßverbinder beschädigen?
• Wie kann das Abhalten von Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen durch die
Abdeckung verbessert werden?
Zur Verbesserung des Linearmotors sollten für diese Aufgabenstellungen neue Lö-
sungsmöglichkeiten entwickelt werden.
3.2 Wertanalytische Betrachtung
Die Funktionsanalyse ist auch Ausgangspunkt für eine wertanalytische Betrachtung,
die zur Steigerung des Produktwerts eingesetzt wird. Die wertanalytische Betrachtung
ist ein Werkzeug, das mit Hilfe des Werts der einzelnen Komponenten mögliche Stra-
tegien aufzeigt. Der Wert ist das Verhältnis zwischen Funktionalität und Kosten.
Wert =Funktionalitiat
Kosten(3.1)
Die Funktionalität einer Komponente hängt von den Funktionen ab, die von ihr ausge-
hen. Vor allem ist die Anzahl der nützlichen Funktionen, ihre Wichtigkeit und ihr Er-
füllungsgrad relevant. In diesem Abschnitt werden einige Vereinfachungen vorgenom-
men. Schädliche Funktionen sowie Erfüllungsgrade der nützlichen Funktionen werden
nicht berücksichtigt. Auf mögliche Erweiterungen, die diese wieder mit einbeziehen,
wird weiter unten näher eingegangen.
Zur Ermittlung der Funktionalität der einzelnen Komponenten wird das Funktionsmo-
dell bei der wertanalytischen Betrachtung um Funktionsränge erweitert. Dabei gilt grund-
3 Funktionsanalyse 33
sätzlich, dass eine Funktion um so wichtiger ist, je näher sie bei der Zielkomponente
liegt. Die Funktionen lassen sich dazu in drei Gruppen unterteilen (Bild 3.23).
Zielkomponente
Supersystem Komponente
Komponente des technischen
Systems
Aktion
Aktion
Aktion
: Basisfunktion
: Hilfsfunktion
: Zusatzfunktion
Komponente
Komponente
Komponente
Bild 3.23: Nützliche Funktionen abhängig vom Objekt der Funktion [1]
Eine Funktion ist eine Basisfunktion, wenn es sich beim Objekt der Funktion um die
Zielkomponente handelt. Es liegt eine Hilfsfunktion vor, wenn die Aktion auf eine Kom-
ponente des technischen Systems wirkt. Ist das Objekt der Funktion eine andere Kom-
ponente des Supersystems als die Zielkomponente, so wird sie als Zusatzfunktion be-
zeichnet. Um welche Komponentenart es sich beim Funktionsträger handelt, ist dabei
irrelevant [5].
Da das Objekt der Funktion der Basisfunktionen die Zielkomponente ist, haben sie den
höchsten Rang B (steht für basic). Der Rang der Hilfsfunktionen An setzt sich zusam-
men aus einem A (für auxiliary), das die Hilfsfunktionen kennzeichnet und einer Zahl
n, die den Rangindex der Hilfsfunktionen untereinander beschreibt. Der Rangindex ei-
ner Funktion ist abhängig von den Rängen der Funktionen, die von seinem Objekt der
Funktion ausgehen. Eine Hilfsfunktion besitzt den Rang A1, wenn dessen Objekt der
Funktion eine Basisfunktion ausführt. Dies ist der höchste Rang einer Hilfsfunktion. Zur
Bestimmung des Rangs einer Hilfsfunktion wird der höchste Rang An, also der Rang
mit dem niedrigsten Rangindex n der Funktionen, die von ihrem Objekt der Funktion
ausgehen, gesucht. Der Hilfsfunktion wird der Rang An+1 zugeordnet. Gehen vom Ob-
jekt der Funktion beispielsweise zwei nützliche Funktionen mit den Rängen A2 und A5
aus, so wird der Funktion, die auf dieses Objekt gerichtet ist, der Rang A3 zugeord-
net. Die Zusatzfunktionen verändern Parameter einer Supersystem-Komponente. Sie
sind nicht so wichtig wie die Basisfunktion und bekommen daher den Rang Ad. Dies
steht für additional und bedeutet zusätzlich. Dieser Rang entspricht hier dem höchsten
Rang der Hilfsfunktionen A1 [11].
3 Funktionsanalyse 34
Bei der vereinfachten wertanalytischen Betrachtung werden die Erfüllungsgrade und
die schädlichen Funktionen nicht betrachtet und somit auch im Funktionsmodell nicht
berücksichtigt.
Das grafische Funktionsmodell des Linearmotors für die wertanalytische Betrachtung
ist im Bild 3.24 dargestellt. In Klammern sind die Ränge der Funktionen angegeben.
Die Funktionen Permanentmagnete bewegen Rotor und Schienen halten Rotor sind
Basisfunktionen und haben den Rang B. Den Rang Ad hat die Funktion Abdeckung
stoppt Staub, Flüssigkeiten, Verunreinigungen. Auch die Funktionen Schienen halten
Permanentmagnete und Stoßverbinder hält Schienen erhalten die Rang A1, weil der
höchste Rang der Funktionen, der von ihrem jeweiligen Objekt der Funktion ausgeht,
der Rang B ist. Von der Komponente Abdeckung geht eine Funktion mit dem Rang Ad
aus. Da dieser Rang A1 gleichgesetzt ist, hat die Funktion Klebstoff hält Abdeckung
den Rang A2. Dementsprechend besitzt die Funktion Schienen halten Klebstoff den
Rang A3 [1].
hältKlebstoff
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Abdeckung
Schienen
halten
stoppt
bewegen
halten
halten
hält
Rotor
(B)
(B)
(A1)
(A1)
(Ad A1)
(A2)
(A3)
=
Komponente des technischen Systems
Komponente des Supersystem
Zielkomponente
Bild 3.24: Grafisches Funktionsmodell des Linearmotors für die wertanalytische Betrachtung
Im Bild 3.25 ist das tabellarische Funktionsmodell des Linearmotors dargestellt. Die
Spalten Kategorie und Erfüllungsgrad sind bei der vereinfachten wertanalytischen Be-
trachtung nicht notwendig, da schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher
Funktionen nicht berücksichtigt werden. Für die Ränge der Funktionen wird die neue
Spalte Rang eingeführt.
3 Funktionsanalyse 35
Funktion Rang Kommentare
Permanentmagnete
bewegen Rotor B
Schienen
halten Rotor B
halten Permanentmagnete A1
halten Klebstoff A3
Stoßverbinder
hält Schienen A1
Klebstoff
hält Abdeckung A2
Abdeckung
stoppt Staub etc. Ad = A1
mögliche Ränge:● B (basic): Basisfunktion● An (auxiliary): Hilfsfunktion
mit dem Rangindex „n“● Ad (additional): Zusatzfunktion
Bild 3.25: Tabellarisches Funktionsmodell des Linearmotors bei der wertanalytischen Betrachtung
Mit Hilfe der Funktionsränge wird die Funktionalität der einzelnen Komponenten ermit-
telt. Jedoch wird nur die Funktionalität der Komponenten des technischen Systems be-
stimmt, da nur diese durch das Projektteam veränderbar sind. Dazu werden den Rän-
gen der Funktionen Punkte zugewiesen. Den niedrigsten Rang besitzt die Hilfsfunktion
mit dem höchsten Rangindex. Sie erhält einen Punkt. Der Rang mit dem zweithöchsten
Rangindex bekommt zwei Punkte. Nach dieser Vorgehensweise werden allen Rängen
der Hilfsfunktionen Punkte zugewiesen. Der Rang Ad der Zusatzfunktionen bekommt
die gleiche Punktzahl wie der Rang A1. Der Rang B der Basisfunktionen erhält die An-
zahl der Punkte von A1 zuzüglich zwei. Die Punkte der Funktionen, die vom gleichen
Funktionsträger ausgehen, werden addiert und normiert, um eine gewisse Vergleich-
barkeit zu erreichen. Dazu wird die höchste Punktzahl zehn gleichgesetzt. Die übrigen
Punkte erhalten, abhängig von ihrer Anzahl, eine Zahl zwischen null und zehn. Die
normierten Werte sind die Funktionalitäten der dazugehörenden Funktionsträger [11].
In der Tabelle 3.1 sind die normierte Funktionalität der Komponenten und die notwen-
digen Informationen für ihrer Berechnung aufgeführt. Der niedrigste Funktionsrang ist
A3 und wird daher mit einem Punkt bewertet. Dem Rang A2 werden zwei Punkte und
den Rängen A1 und Ad drei Punkte zugewiesen. Die Anzahl der Punkte für B beträgt
somit fünf. Im nächsten Schritt werden für die einzelnen Funktionsträger die Punkte
ihrer Funktionen addiert. Von der Komponente Schienen gehen drei Funktionen mit
den Punkten fünf, drei und eins aus. Dies ergibt zusammen neun Punkte für die Schie-
3 Funktionsanalyse 36
nen. Zur Ermittlung der normierten Funktionalität der einzelnen Komponenten wird die
höchste Punktzahl einer Komponente gesucht. Dies sind hier die Komponente Schie-
nen mit neun Punkten. Den Schienen wird die Funktionalität zehn zugewiesen. Die
Funktionalität der anderen Komponenten ergibt sich aus dem Quotienten ihrer Punkt-
zahl und der maximalen Punktzahl multipliziert mit zehn. Die Funktionalität der Kom-
ponente Permanentmagnete berechnet sich somit aus 59∗ 10 und beträgt damit 5,56.
Tabelle 3.1: Berechnung der Funktionalität der Komponenten des Linearmotors [1]
Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F
Permanentmagnete bewegt Rotor B 5 5 5,56
Schienen halten Rotor B 5 9 10,00
halten Per- A1 3
manentmagnete
halten Klebstoff A3 1
Stoßverbinder hält Schienen A1 3 3 3,33
Klebstoff hält Abdeckung A2 2 2 2,22
Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad 3 3 3,33
Als Nächstes erfolgt die Ermittlung der Herstellkosten für die einzelnen Komponenten.
Die Kosten werden wie die Funktionalität normiert. Dazu werden den höchsten Kos-
ten der Wert 10 zugewiesen. Die anderen Kosten werden durch die höchsten Kosten
geteilt und mit zehn multipliziert. Durch die Normierung besteht eine Vergleichbarkeit
zwischen der Funktionalität und den Kosten der einzelnen Komponenten [11].
Tabelle 3.2: Berechnung der normierten Kosten der Komponenten des Linearmotors [1]
Material- Montage-/ Herstell- Berechnung NormierteKomponente kosten Demontage- kosten der normierten Kosten
[e] kosten [e] [e] Kosten C
Permanentmagnete 25 0 25 25 / 37 x 10 6,76
Schienen 30 5 35 35 / 37 x 10 9,46
Stoßverbinder 13 16 29 29 / 37 x 10 7,84
Klebstoff 2 35 37 37 / 37 x 10 10,00
Abdeckung 10 3 13 13 / 37 x 10 3,51
In der Tabelle 3.2 sind die normierten Kosten der Komponenten des Linearmotors
aufgeführt. Die Herstellkosten der Komponenten setzen sich aus Materialkosten so-
wie Montage- und Demontagekosten zusammen. Die höchsten Kosten verursacht der
3 Funktionsanalyse 37
Klebstoff mit 37 e. Zur Normierung der Kosten werden die Kosten des Klebstoffs gleich
zehn gesetzt. Damit errechnen sich beispielsweise die normierten Kosten der Schie-
nen aus 3537∗ 10 und betragen 9,46.
Tabelle 3.3: Berechnung des Wertes der Komponenten des Linearmotors
Komponente Funktionalität F Normierte Kosten C Wert V Rangfolge
Permanentmagnete 5,56 6,76 0,82 3
Schienen 10,00 9,46 1,06 1
Stoßverbinder 3,33 7,84 0,43 4
Klebstoff 2,22 10,00 0,22 5
Abdeckung 3,33 3,51 0,95 2
Aus der Funktionalität und den normierten Kosten der Komponenten kann der Wert der
einzelnen Komponenten nach der Formel 3.1 (V = FC
) berechnet werden (vgl. Tabelle
3.3). Die Komponente Schienen hat mit 1,06 den höchsten Wert. Den niedrigsten Wert
besitzt der Klebstoff mit 0,22.
C
F
5 10
5
10C
A
FD
E
B Kosten reduzieren
Komponente eliminierenFunktionalität erhöhen
kein akuter Handlungsbedarf
F: FunktionalitätC: normierte Kosten
Bild 3.26: Stärkediagramm [1]
Für eine differenziertere Betrachtung kann ein Stärkediagramm verwendet werden, das
im Bild 3.26 dargestellt ist. Auf der x-Achse werden die auf zehn normierten Kosten
aufgetragen. Die Funktionalität der Komponenten des zu analysierenden technischen
Systems werden durch die y-Achse berücksichtigt. Für die eingetragenen Komponen-
ten ergeben sich abhängig von ihrer Lage verschiedene mögliche Vorgehensweisen.
3 Funktionsanalyse 38
Alle Komponenten, die sich im Quadranten oben links befinden, haben eine hohe
Funktionalität bei gleichzeitig geringen Kosten. Diese Komponenten brauchen tenden-
ziell nicht verbessert zu werden, da ihre Funktionalität bereits hoch ist und durch ihre
vergleichsweise geringen Kosten wahrscheinlich keine großen Einsparungen erreicht
werden können. Es besteht kein akuter Handlungsbedarf. Im Gegensatz dazu verur-
sachen die Komponenten aus dem Quadranten rechts unten relativ hohe Kosten bei
geringer Funktionalität. Diese Komponenten sollten möglichst eliminiert werden. Dabei
kann das Trimming helfen, das anschließend vorgestellt wird. Die Komponenten aus
dem Quadranten links unten zeichnen sich durch niedrige Kosten und eine niedrige
Funktionalität aus. Hier sollte versucht werden, die Funktionalität zu erhöhen, indem
diese Komponenten beispielsweise Funktionen von anderen Komponenten überneh-
men, bevorzugt von denen aus dem Quadranten rechts unten, ohne jedoch die Kosten
zu erhöhen. In dem Quadranten oben rechts befinden sich Komponenten, die eine
hohe Funktionalität aber auch relativ hohe Kosten haben. Hier sollten die Kosten, bei
Beibehaltung der hohen Funktionalität, gesenkt werden.
C
1
F
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Klebstoff
Permanent-magnete
Stoßverbinder
Schienen
F: FunktionalitätC: normierte Kosten
Komponente Funktionalität
6,76 5,56
Schienen 9,46 10,00
7,84 3,33
Klebstoff 10,00 2,22
Abdeckung 3,51 3,33
normierte Kosten
Permanent-magnete
Stoßverbinder
Abdeckung
Bild 3.27: Stärkediagramm des Linearmotors [1]
Das Stärkediagramm des Linearmotors ist im Bild 3.27 dargestellt. Die Komponenten
Schienen und Permanentmagnete liegen im oberen rechten Quadranten. Bei beiden
Komponenten sollte eine Kostenreduzierung angestrebt werden. Die Abdeckung be-
findet sich im unteren linken Quadranten. Ihre Funktionalität sollte erhöht werden. Im
3 Funktionsanalyse 39
unteren rechten Quadranten liegen der Stoßverbinder und der Klebstoff. Für diese
Komponenten bietet sich die Strategie des Trimmens an, die im folgenden Kapitel er-
läutert wird.
3.3 Trimming
Das Trimmen ist ein Verfahren, mit dem eine oder mehrere Komponenten des techni-
schen Systems entfernt und ihre nützlichen Funktionen auf andere Komponenten um-
verteilt werden. Es basiert auf der Idee, dass ein System durch Eliminierung von Kom-
ponenten und Umverteilen von Funktionen vereinfacht werden kann. Es baut auf der
Funktionsanalyse auf und liefert aus Trimmingvarianten Aufgabenstellungen. Das Trim-
ming generiert hypothetische Funktionsmodelle, die durch Lösung der damit einherge-
henden Problemstellungen Wirklichkeit werden könnten. Durch das Trimming können
radikale Innovationen entstehen [14]. Es gibt verschiedene Trimminglevel. Es besteht
dabei eine Bandbreite zwischen radikalem Trimming, bei dem bedeutsame Komponen-
ten des technischen Systems getrimmt werden und inkrementelles Trimming, bei dem
durch das Trimming nur geringe Veränderungen am System erzielt werden [1].
Bei der Auswahl der zu trimmenden Komponenten sollten die Projektziele und die Rah-
menbedingungen berücksichtigt werden. Es bietet sich an, Komponenten auszuwäh-
len, die bedeutende Nachteile haben, z.B. dass von ihnen nützliche Funktionen mit
unzureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad oder schädliche Funktionen aus-
gehen. Komponenten mit relativ hohen Kosten bei einer geringen Funktionalität sind
ebenfalls geeignete Kandidaten für das Trimming [1].
Trimmingregeln
Komponenten des technischen Systems dürfen erst dann entfernt (d.h. getrimmt) wer-
den, wenn alle ihre nützlichen Funktionen auf andere Komponenten umverteilt wurden
und sie keine Funktionsträger mehr für nützliche Funktionen sind. Dafür gibt es drei
grundlegende Regeln.
Die Regel A besagt, dass eine nützliche Funktion, die von der zu trimmenden Kom-
ponente ausgeht, wegfallen darf, wenn das Objekt der Funktion von dieser nützlichen
Funktion entfernt wird. Ist das Objekt der Funktion nicht mehr vorhanden, so sind da-
3 Funktionsanalyse 40
mit auch alle Funktionen, die auf das Objekt gerichtet sind, nicht mehr notwendig.
Geht von diesem Funktionsträger nur diese eine nützliche Funktion aus, kann er an-
schließend getrimmt werden (wie im Bild 3.28) [14]. Diese Regel ist natürlich nicht
anwendbar, wenn es sich beim Objekt der Funktion um die Zielkomponente handelt.
Denn die Änderung oder Erhaltung von Parametern der Zielkomponente ist der Grund,
weshalb das technische System existiert. Beim Trimming der Zielkomponente würde
dem technischen System seine Grundlage entzogen werden.
Funktionsträger Objekt der FunktionAktion
Bild 3.28: Trimmingregel A [1]
Nach der Regel B kann eine nützliche Funktion der zu trimmenden Komponente auch
entfernt werden, wenn das Objekt der Funktion diese nützliche Funktion selbst aus-
führt. Wird die nützliche Funktion von dem Objekt der Funktion selbst übernommen,
dann ist es somit sowohl Objekt der Funktion als auch Funktionsträger dieser Funktion.
Es ist somit nicht mehr notwendig, dass der frühere Funktionsträger die Funktion noch
ausführt. War dies die einzige nützliche Funktion, die vom Funktionsträger ausging, so
wird dieser nicht mehr benötigt und kann getrimmt werden (vgl. Bild 3.29) [1].
FunktionsträgerObjekt der Funktion
=neuer FunktionsträgerAktion Aktion
Bild 3.29: Trimmingregel B [1]
Eine nützliche Funktion der betrachteten Komponente kann nach Regel C eliminiert
werden, wenn diese Funktion von einem anderen Funktionsträger übernommen wird.
Dadurch, dass der andere Funktionsträger die nützliche Funktion erbringt, ist der alte
Funktionsträger für diese Funktion nicht mehr erforderlich. Er kann, wie im Bild 3.30
dargestellt, entfernt werden, wenn keine nützliche Funktion mehr von ihm ausgeht [14].
3 Funktionsanalyse 41
Funktionsträger
Objekt der Funktion
Aktion A
andererFunktionsträger
Aktion B
Aktion A
Bild 3.30: Trimmingregel C [1]
Mit diesen drei Regeln können die nützlichen Funktionen der zu trimmenden Kompo-
nente eliminiert oder durch andere Komponenten ausgeführt werden. Wurde für jede
nützliche Funktion der betrachteten Komponente eine der drei Regeln erfolgreich an-
gewandt, kann die Komponente entfernt werden.
Richtlinien für die Auswahl des neuen Funktionsträgers
Wird für das Trimming die Regel C verwendet, muss eine andere Komponente der neue
Funktionsträger für die nützliche Funktion werden. Bei der Auswahl dieser Komponente
helfen die folgenden vier Richtlinien, die eine geeignete Reihenfolge für ihre Auswahl
aufzeigt [1].
Funktionsträger
Objekt der Funktion
Aktion A
anderer Funktionsträger
Aktion B
Aktion A
Bild 3.31: Richtlinie 1 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]
Die erste Richtlinie (vgl. Bild 3.31) besagt, dass die auszuwählende Komponente die
gleiche oder eine ähnliche Funktion an dem Objekt der Funktion ausführen sollte. Bei-
spielsweise besteht die Aufgabe, die Heizkörper eines Raums zu trimmen. Die nützli-
che Funktion des Heizkörpers ist Luft erwärmen. Die Glühbirne erwärmt als ein Neben-
produkt zusätzlich den Raum. Diese Glühbirne könnte so modifiziert werden, dass sie
genug Wärme abstrahlt und dadurch die Funktion Luft erwärmen übernehmen könnte.
3 Funktionsanalyse 42
Funktionsträger Objekt der Funktion A
Aktion A
Aktion B
Aktion AObjekt derFunktion B
anderer Funktionsträger
Bild 3.32: Richtlinie 2 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]
Nach der zweiten Richtlinie (vgl. Bild 3.32) kann eine Komponente ausgewählt werden,
die eine ähnliche oder gleiche Funktion bereits an einem anderen Objekt ausführt.
Der Backofen im Raum führt die Funktion Essen erwärmen aus. Dies ist eine ähnlich
Funktion wie Raum erwärmen. Der Backofen könnte so verändert werden, dass er
auch diese Funktion ausführt.
Funktionsträger
Objekt der Funktion
Aktion A
Interaktion
Aktion Aanderer
Funktionsträger
Bild 3.33: Richtlinie 3 für die Auswahl eines neuen Funktionsträger [1]
Es kann nach der Richtlinie Nummer drei (vgl. Bild 3.33) eine Komponente als neu-
er Funktionsträger für die nützliche Funktion ausgewählt werden, wenn sie wenigstens
auf irgendeine Art und Weise mit dem Objekt der Funktion interagiert. Bei dem betrach-
teten Beispiel könnte die Wand, die ja mit der Luft interagiert, durch ein Rohrsystem
erwärmt werden, die dadurch die Luft erwärmt.
Funktionsträger
Objekt der Funktion
Aktion A
Aktion Aanderer
Funktionsträger
Bild 3.34: Richtlinie 4 für die Auswahl eines neuen Funktionsträgers [1]
Eine Komponente, die die notwendigen Mittel besitzt, um die Funktion auszuführen,
kann nach der vierten Richtlinie (vgl. Bild 3.34) ausgewählt werden. Zum Erwärmen
3 Funktionsanalyse 43
der Luft bei dem betrachteten Beispiel, könnte Strom aus der Steckdose zum Heizen
verwendet werden.
Trimmingmodell
Nachdem die grundlegenden Regeln und Richtlinien aufgeführt wurden, wird als Nächs-
tes das Trimmingmodell vorgestellt. Das Trimmingmodell ist das Funktionsmodell des
technischen Systems, wie es nach der Durchführung des Trimming aussehen könnte.
Es ergeben sich einige Trimmingprobleme, die zur Umsetzung des Trimmingmodells
noch gelöst werden müssen. Ein technisches System kann meistens auf mehrere ver-
schiedene Arten getrimmt werden. Für jede Alternative entsteht ein eigenes Trimming-
modell [1].
Zur Erstellung eines Trimmingmodells erfolgt zunächst die Auswahl der Komponen-
te des technischen Systems, die eliminiert werden soll. Daraufhin wird eine nützliche
Funktion der ausgewählten Komponente betrachtet. Für diese Funktion wird die Trim-
mingregel, die am besten für sie geeignet ist, ausgewählt und angewendet. Fällt die
Entscheidung die Regel C zu verwenden, so ist die Wahl eines neuen Funktionsträ-
gers notwendig. Die vier vorgestellten Richtlinien können dabei helfen.
In der Theorie ist es einfach, eine Komponente zu trimmen. Die reale Umsetzung in
das technische System ist schwieriger. In der Regel ist nicht bekannt wie der neue
Funktionsträger die nützliche Funktion überhaupt ausführen kann. Es entsteht daher
durch die Anwendung der Trimmingregel ein Trimmingproblem, das formuliert werden
muss.
Die gerade betrachtete nützliche Funktion ist oft nicht die einzige Funktion, die von
der zu trimmenden Komponente ausgeht. Es müssen daher die gerade vorgestellten
Schritte auch bei allen anderen nützlichen Funktionen der Komponente durchgeführt
werden. Danach ist das Trimming für diese Komponente abgeschlossen und die Kom-
ponente kann entfernt werden. Oft bleibt es aber nicht beim Trimming einer einzelnen
Komponente. Die gerade dargestellte Vorgehensweise wird genauso für alle weiteren
Komponenten, die getrimmt werden sollen, nacheinander durchgeführt [1].
Trimmingmodell des Linearmotors
Beim Beispiel Linearmotor wurde mit Hilfe des Stärkediagramms (siehe Bild 3.27)
entschieden, die Komponente Klebstoff zu trimmen. Der Klebstoff führt die nützliche
3 Funktionsanalyse 44
Funktion hält Abdeckung aus. Nach der Trimmingregel C soll diese Funktion von einen
neuen Funktionsträger übernommen werden. Dazu wird die Komponente Permanent-
magnete ausgewählt, die die Richtlinie vier eines neuen Funktionsträgers erfüllt. Aus
diesem Trimmingmodell folgt das Trimmingproblem, wie die Permanentmagnete die
Abdeckung halten können. Im Bild 3.35 ist das dazugehörige Trimmingmodell darge-
stellt.
hält
beschädigtführt
Klebstoff
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Abdeckung
halten
stoppt
bewegen
halten
halten
hält
beschädigt
Schienen
Rotor
beschädigtführt
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Abdeckung
halten
stoppt
bewegen
halten
hält
beschädigt
Schienen
Rotor
halten
Trimmingproblem:Wie kann die Funktion hält Abdeckung von der Komponente Permanentmagnete erfüllt werden?
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Bild 3.35: Trimmingmodell für den Linearmotor [1]
Bild 3.36 zeigt eine Lösung dieses Problems mit einer magnetischen Abdeckung, die
durch die Permanentmagnete an der Schiene haftet. Durch eine Anti-Rutsch-Schicht
zwischen den Schienen und der Abdeckung wird der Gleitwiderstand erhöht [24].
Schienen
Magnetische Abdeckung
Bild 3.36: Mögliche Lösung für den Linearmotor [1]
3 Funktionsanalyse 45
3.4 Erweiterungen
Zu der gerade vorgestellten Funktionsanalyse gibt es einige Erweiterungs- und Er-
gänzungsmöglichkeiten. Dabei werden besonders drei Bereiche näher betrachtet. Zu-
nächst wird auf die Berücksichtigung des Zeitaspekts beim Aufstellen des Funktions-
modells eingegangen. Danach folgt die Beschreibung verschiedener vereinfachender
und erweiternder Varianten zur Funktionalitätsberechnung und Wertbetrachtung. Ab-
schließend werden Ergänzungen beim Trimming beschrieben. Für dieses analytische
Instrument gibt es verschiedene Strategien bei der Auswahl der zu eliminierenden
Komponente.
3.4.1 Erweiterte zeitliche Betrachtung
Bisher wurde nur ein bestimmter zeitlicher Prozess betrachtet. Ein Produkt durch-
lebt allerdings mehrere verschiedene Stationen während seines Lebenszyklusses. Um
Wertsteigerungen auf einem möglichst breiten Gebiet zu ermöglichen, bietet sich bei-
spielsweise eine Berücksichtigung mehrerer verschiedener Zeitscheiben des Objekts
an. Dazu können Funktionsmodelle für die verschiedenen zu berücksichtigenden Zeit-
punkte aufgestellt und anschließend zu einem Modell zusammengeführt werden.
Die Abdeckung auf den Schienen bei dem betrachteten Linearmotor hält über längere
Zeit nicht zuverlässig Staub, Flüssigkeiten und Verunreinigungen ab. Sie muss daher
gelegentlich ausgewechselt werden. Ihre Entfernung ist aufwendig und kosteninten-
siv, da der Klebstoff fest an der Abdeckung und den Schienen haftet. Eine zusätzliche
Betrachtung dieses Prozesses ist daher erforderlich. Dazu werden zunächst für den
Linearmotor die beiden verschiedenen Prozesse Betrieb und Demontage der Abde-
ckung betrachtet und anschließend zu einem Funktionsmodell zusammengeführt.
3 Funktionsanalyse 46
Im Bild 3.37 sind die beiden Funktionsmodelle für die beiden Prozesse abgebildet. Bei
dem Funktionsmodell Demontage der Abdeckung wird die Supersystem-Komponente
Instandhalter benötigt. Der Instandhalter entfernt die Abdeckung und den Klebstoff.
Wie beschrieben ist dies aufwendig, denn der Klebstoff haftet stark an den Schienen
und der Abdeckung. Bei den Funktionen Schienen halten Klebstoff und Klebstoff hält
Abdeckung handelt es sich um nützliche Funktionen mit überzogenem Erfüllungsgrad.
Im Gegensatz dazu haben beide Funktionen im Funktionsmodell Betrieb einen norma-
len Erfüllungsgrad, da es im Betrieb gewünscht wird, dass die Abdeckung fest auf den
Schienen angebracht ist.
hält
beschädigtführt
Klebstoff
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Abdeckung
Schienen
halten
stoppt
bewegen
halten
halten
hält
beschädigt
Rotor
Schienen
Klebstoff
Abdeckung
Instandhalter
halten
hält
entfernt
entfernt
Betrieb Demontage der Abdeckung
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Bild 3.37: Funktionsmodelle des Linearmotors für Betrieb und Demontage der Abdeckung
Im nächsten Schritt erfolgt das Zusammenfassen beider Funktionsmodelle zu einem.
Die Funktionen Schienen halten Klebstoff und Klebstoff hält Abdeckung haben im
Funktionsmodell beim Betrieb einen normalen und bei der Demontage einen über-
zogenen Erfüllungsgrad. Für das gesamte Funktionsmodell wird der überzogene Er-
füllungsgrad verwendet, auch wenn dieser für den Großteil der Zeit normal ist. Das
gesamte Funktionsmodell ist im Bild 3.38 dargestellt.
3 Funktionsanalyse 47
hält
beschädigtführt
Klebstoff
Stoß-verbinder
Permanent-magnete
Staub, Flüssigkeiten,
Verunreinigungen
Abdeckung
Schienen
halten
stoppt
bewegen
halten
halten
hält
beschädigt
Rotor
Instandhalterentfernt entfernt
(B)
(B)(A1)
(A1)
(A3)(Ad=A1)^
(A2)
(A3) (A2)
nützliche Funktion(überzogen)
nützliche Funktion(unzureichend)
schädliche Funktion
nützliche Funktion(normal)
Bild 3.38: Funktionsmodell des Linearmotors für beide Prozesse
Das Zusammenfassen kann jedoch zu unübersichtlichen Funktionsmodellen führen,
wenn sich z.B. die Funktionsmodelle der betrachteten Prozesse stark unterscheiden.
Aber auch bei Störungen des Systems kann sich das Zusammenfassen als ungünstig
erweisen, wenn besonders relevant ist, dass im Störungsfall wesentliche Funktionen
nicht ausgeführt werden. In diesem Fall sollte auf das Verschmelzen der Funktionsmo-
delle verzichtet und eigene Funktionsmodelle für die einzelnen Zeitscheiben aufgestellt
werden [9]. Für eine genauere Betrachtung ist auch eine Anwendung der Funktions-
analyse bei Prozessen möglich.
Durch das Zusammenfassen kann eine größere zeitliche Spanne in einem Funktions-
modell erfasst werden. Es ist allerdings jeweils abzuwägen, ob eine Vermischung wirk-
lich sinnvoll ist oder ob es nicht zweckmäßiger wäre, mehrere Funktionsmodelle zu
erstellen.
3.4.2 Varianten der Funktionalitäts- und Wertberechnung
Im Abschnitt 3.2 über die wertanalytische Betrachtung wurden bereits die Funktionalitäts-
und Wertberechnung vorgestellt. Die Funktionalitätsberechnung kann an die Erforder-
nisse des Projekts angepasst werden, sei es durch eine Vereinfachung der Berech-
3 Funktionsanalyse 48
nung oder durch eine Gewichtung der Funktionalität zur Berücksichtigung des Erfül-
lungsgrads. Bei der vorgestellten wertanalytischen Betrachtung wurden einige Verein-
fachungen vorgenommen. Durch die Einführung des Problemrangs kann eine erwei-
terte Wertbetrachtung unter Berücksichtigung von Erfüllungsgraden und schädlichen
Funktionen erreicht werden.
Vereinfachte Funktionalitätsberechnung
Bei der bereits vorgestellten Funktionalitätsberechnung wird zwischen Basis-, Zusatz-
und Hilfsfunktionen unterschieden. Die Hilfsfunktionen werden dabei weiter nach Rang-
folgen unterteilt. Bei der vereinfachten Funktionalitätsberechnung wird auf die differen-
zierte Betrachtung der Hilfsfunktionen verzichtet. Dies ist beispielsweise hilfreich bei
komplexeren technischen Systemen, deren Funktionsmodell ohne geeignete Compu-
terunterstützung aufgestellt wird. Folgende Gewichtung der Funktionsarten bietet sich
an:
Rang B = 3 Punkte
Rang Ad = 2 Punkte
Rang A = 1 Punkt
Dadurch erhalten die Basisfunktionen eine dreimal und die Zusatzfunktionen eine dop-
pelt so hohe Wertigkeit wie die Hilfsfunktionen. Abhängig vom jeweiligen Projekt kön-
nen diese Gewichtungen auch angepasst werden.
Tabelle 3.4: Berechnung der vereinfachten Funktionalität der Komponenten des Linearmotors
Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte Feinf
Permanent- bewegt Rotor B 3 3 6
magnete
Schienen halten Rotor B 3 5 10
halten Permanent- A 1
magnete
halten Klebstoff A 1
Stoßverbinder hält Schienen A 1 1 2
Klebstoff hält Abdeckung A 1 1 2
Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad 2 2 4
3 Funktionsanalyse 49
Die vereinfachte Funktionalität Feinf ergibt sich aus der Summe der Punkte der Funk-
tionen, die vom selben Funktionsträger ausgehen und deren anschließender Normie-
rung. In der Tabelle 3.4 ist die Funktionalität Feinf der Komponenten des Linearmotors
bei der vereinfachten Berechnung aufgezeigt.
Berücksichtigung des Erfüllungsgrads bei der Funktionalitätsberechnung
Bei der bisherigen Berechnung der Funktionalität wurden die Erfüllungsgrade der je-
weiligen Funktionen nicht beachtet. Die tatsächliche Funktionalität einer Komponente
wird allerdings durch sie beeinflusst. Um dies auch bei der Berechnung der Funktiona-
lität zu berücksichtigen, bietet sich eine Gewichtung abhängig vom Erfüllungsgrad an.
Die Funktionen mit einem normalen Erfüllungsgrad werden bei der Berechnung der
Funktionalität mit dem Faktor 1,0 und unzureichende und überzogene Funktionen mit
dem Faktor 0,5 berücksichtigt (vgl. Tabelle 3.5).
Tabelle 3.5: Gewichtungsfaktor der Erfüllungsgrade bei der Funktionalitätsberechnung
Erfüllungsgrad Gewichtungsfaktor
normal (N) 1,0
überzogen (E) 0,5
unzureichend (I) 0,5
In der Tabelle 3.6 sind die notwendigen Daten zur Berechnung der erweiterten Funktio-
nalität Ferw des Linearmotors zusammengestellt. Die Funktionsränge und Erfüllungs-
grade wurden aus dem Bild 3.38 entnommen. Den niedrigsten Rang nimmt A3 ein,
dem ein Punkt zugewiesen wird. A2 hat dementsprechend zwei Punkte, A1 und Ad
besitzen drei Punkte und der Rang B erhält fünf Punkte. Diese Punkte werden zur
Ermittlung der gewichteten Funktionspunkte der einzelnen Komponenten, abhängig
vom Erfüllungsgrad, mit 1,0 oder 0,5 multipliziert. Als Nächstes erfolgt für alle Kom-
ponenten die Addition der gewichteten Punkte der Funktionen, die von ihr ausgehen.
Die Komponente mit der höchsten Punktzahl erhält die Funktionalität zehn. Für die
übrigen Komponenten werden die entsprechenden Funktionalitäten zwischen null und
zehn errechnet.
3 Funktionsanalyse 50
Tabelle 3.6: Berechnung der erweiterten Funktionalität der Komponenten des Linearmotors
Funktions- Funktion Funktions- Erfüllungs- Funktions- Σ der Funktio-
träger rang grad punkte Punkte nalität Ferw
Permanent- bewegt Rotor B N 1,0 x 5 5 5,88
magnete
Schienen halten Rotor B N 1,0 x 5 8,5 10,00
halten Permanent- A1 N 1,0 x 3
magnete
halten Klebstoff A3 E 0,5 x 1
Stoßverbinder halten Schienen A1 N 1,0 x 3 3 3,53
Klebstoff hält Abdeckung A2 E 0,5 x 2 1 1,18
Abdeckung stoppt Staub, etc. Ad I 0,5 x 3 1,5 1,76
Vergleich der verschiedenen Funktionalitätsberechnungen
In der Tabelle 3.7 sind die Funktionalität F entsprechend der Berechnungsweise bei
der wertanalytischen Betrachtung (vgl. Tabelle 3.1), die vereinfachte Funktionalität Feinf
(vgl. Tabelle 3.4) und die erweiterte Funktionalität Ferw (vgl. Tabelle 3.6) der Komponen-
ten des Linearmotors zusammengestellt. Zusätzlich wurde der Wert V der einzelnen
Komponenten nach der Formel V = FC
aus dem Abschnitt 3.2 für alle drei Funktionali-
tätsberechnungen ermittelt.
Tabelle 3.7: Funktionalitäten und Werte des Linearmotors bei den verschiedenen Berechnungsvarianten
Komponente C F V Feinf Veinf Ferw Verw
Permanentmagnete 6,76 5,56 0,82 6,00 0,89 5,88 0,87
Schienen 9,46 10,00 1,06 10,00 1,06 10,00 1,06
Stoßverbinder 7,84 3,33 0,43 2,00 0,26 3,53 0,45
Klebstoff 10,00 2,22 0,22 2,00 0,26 1,18 0,12
Abdeckung 3,51 3,33 0,95 4,00 1,14 1,76 0,50
Das Bild 3.39 zeigt das Stärkediagramm für den Linearmotor, in dem die verschiedenen
Varianten der Funktionalitäten für die einzelnen Komponenten eingetragen sind.
Bei allen drei Varianten der Funktionalitätsberechnung besitzt die Komponente Schie-
nen die höchste Funktionalität und die Komponente Klebstoff die niedrigste.
Die Funktionalitäten F und Feinf zeigen eine ähnliche Tendenz auf. Die größte Verän-
derung liegt bei der Komponente Stoßverbinder. Ihre Funktionalität verringert sich von
3,33 auf 2,00 bei Feinf . Sie hat nun die gleiche Funktionalität wie der Klebstoff, obwohl
3 Funktionsanalyse 51
sie näher an der Basisfunktion liegt. Bei der erweiterten Funktionalität Ferw sind zur Un-
terscheidung die Werte fett gedruckt (siehe Tabelle 3.7), bei denen unzureichende oder
überzogene Funktionen berücksichtigt werden mussten. Die Funktionalität der Kompo-
nenten, von denen Funktionen mit unzureichenden bzw. überzogenen Erfüllungsgrad
ausgehen, ist im Vergleich zu den anderen Komponenten gesunken.
C
F, Feinf , Ferw
5 10
5
10Schienen
Stoßverbinder
Abdeckung
Permanent-magnete
Klebstoff
:F
:Feinf
:Ferw
F: FunktionalitätFeinf: Funktionalität- vereinfacht Ferw: Funktionalität- erweitertC: normierte Kosten
Bild 3.39: Stärkediagramm des Linearmotors für die Funktionalitäten F , Feinf , Ferw
Die Verwendung der vereinfachten Funktionalität Feinf bietet sich als eine Vereinfa-
chung bei komplexeren technischen Systemen an, deren Funktionsmodell ohne geeig-
nete Computerunterstützung aufgestellt wurde. Denn diese Variante ist schneller und
einfacher zu ermitteln als F , da hier auf die Ermittlung einer Rangfolge zwischen den
Hilfsfunktionen verzichtet werden kann.
Bei der Berechnung der Funktionalität F werden die Rangfolge der Hilfsfunktionen
mitberücksichtigt. Nach dieser Variante hängt die Bestimmung der Funktionalität der
Komponenten von der Anzahl und der Lage der Funktionen, die von ihr ausgehen, ab.
Bei dieser Variante erfolgt die Berechnung differenzierter.
Im Gegensatz zu Feinf und F wird bei Ferw der Erfüllungsgrad der Funktionen mit einbe-
zogen. Eine genauere Berücksichtigung des Erfüllungsgrads erfolgt bei der erweiterten
Wertbetrachtung.
3 Funktionsanalyse 52
Erweiterte Wertbetrachtung
Bei der vorgestellten wertanalytischen Betrachtung wurden mehrere Vereinfachungen
vorgenommen. Schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher Funktionen
beeinflussen allerdings auch den Wert der Komponenten. Bei Ferw wurde bereits der
Erfüllungsgrad berücksichtigt. Für eine genaue und zusätzliche Berücksichtigung schäd-
licher Funktionen wird der Problemrang P eingeführt. Dadurch ist eine getrennte Be-
trachtung dieser negativen Aspekte möglich. Mit diesem Index erfolgt eine zusätzliche
Bewertung der Komponenten abhängig von ihren schädlichen Funktionen und ihren
nützlichen Funktionen mit unzureichendem oder überzogenem Erfüllungsgrad. Dabei
werden die Anzahl sowie die negative Ausprägung dieser Funktionen berücksichtigt.
Mit dem Problemrang lässt sich der erweiterte Wert einer Komponente mit folgender
Formel, die die Software TechOptimizer einsetzt, errechnen [14]:
Verweitert =F 2
P + C(3.2)
Eine vereinfachte Möglichkeit den Problemrang zu berechnen ist, die Anzahl der schäd-
lichen Funktionen und Funktionen mit nicht normalem Erfüllungsgrad für jede Kompo-
nente zu bestimmen. Die Ergebnisse werden wie bei der Funktionalität normiert.
Tabelle 3.8: Berechnung des vereinfachten Problemrangs der Komponenten des Linearmotors
Komponente Σ schädlicher Σ unzureichender Σ überzogener Σ Problem-Funktionen Funktionen Funktionen rang Peinf
Permanentmagnete 0 0 0 0 0
Schienen 0 0 1 1 10
Stoßverbinder 0 0 0 0 0
Klebstoff 0 0 1 1 10
Abdeckung 0 1 0 1 10
Für die Komponenten des Linearmotors sind der vereinfachte Problemrang und seine
Berechnung in der Tabelle 3.8 aufgeführt. Von den Komponenten Schienen und Kleb-
stoff geht jeweils eine überzogene Funktion aus. Die Komponente Abdeckung ist der
Funktionsträger für eine unzureichende Funktion. Somit ist die Summe der schädli-
chen Funktionen und Funktionen mit nicht normalem Erfüllungsgrad bei den drei Kom-
ponenten eins und bei den beiden anderen Komponenten null. Eins ist die höchste
3 Funktionsanalyse 53
auftretende Anzahl. Den entsprechenden Komponenten wird daher der Problemrang
zehn zugewiesen.
Bei dieser einfachen Berechnung des Problemrangs wird nicht unterschieden zwischen
sehr und gering schädlichen Funktionen. Außerdem wird nicht berücksichtigt, ob der
Erfüllungsgrad stark oder schwach unzureichend oder überzogen ist. Mit Hilfe von Ska-
len können die verschiedenen Ausprägungen gewichtet werden. Es bietet sich an, für
die Ausprägung nützlicher Funktionen mit einem unzureichenden bzw. überzogenen
Erfüllungsgrad und schädlichen Funktionen vier verschiedene Ausprägungspunkte zu
vergeben. In der Tabelle 3.9 ist dies für Funktionen mit unzureichendem Erfüllungs-
grad dargestellt. Null Punkte erhalten Funktionen mit dem Erfüllungsgrad normal. Hier
sind keine Verbesserungen erforderlich. Funktionen bekommen einen Punkt, wenn ihr
Erfüllungsgrad schwach unzureichend ist und das Finden einer Lösung zur Verbes-
serung des Erfüllungsgrads ein Bonus darstellt. Dafür sollten allerdings keine unnöti-
gen Anstrengungen unternommen werden. Zwei Punkte erlangen Funktionen, deren
Erfüllungsgrad unzureichend ist und für die eine Verbesserung zwar gut, aber nicht
unbedingt erforderlich ist. Drei Punkte erhalten Funktionen, deren Erfüllungsgrad stark
unzureichend ist und eine Lösung zur Verbesserung wünschenswert wäre. Vier Punkte
bekommen Funktionen mit einem extrem unzureichenden Erfüllungsgrad. Bei diesen
Funktionen ist eine Lösung des Problems erforderlich.
Tabelle 3.9: Bewertung von Funktionen mit unzureichendem Erfüllungsgrad
Punkte Ausprägung des unzureichenden Erfüllungsgrads0 normal - keine Verbesserung erforderlich1 schwach unzureichend - eine Verbesserung wäre ein Bonus2 unzureichend - eine Verbesserung wäre gut3 stark unzureichend - eine Verbesserung wäre wünschenswert4 extrem unzureichend - eine Verbesserung ist erforderlich
Analog können auch überzogene bzw. schädliche Funktionen in diese Gruppen ein-
geordnet werden. Zur Ermittelung des Problemrangs werden für jede Komponente die
Punkte für die negativen Ausprägungen der Funktionen, die von ihr ausgehen, addiert.
Die Komponente mit der höchsten Summe hat den Problemrang zehn. Der Problem-
rang der übrigen Komponenten berechnet sich aus dem Quotienten ihrer Summe und
der maximalen Summe multipliziert mit zehn.
3 Funktionsanalyse 54
Problemränge beim Linearmotor
In der Tabelle 3.10 sind alle Funktionsträger und ihre Funktionen sowie die notwen-
digen Informationen zur Berechnung und die Problemränge der Komponenten unter
Berücksichtigung der verschiedenen Ausprägungen aufgeführt. Bei der Art der Funk-
tion wird nach schädlichen (H) und nützlichen Funktionen mit den Erfüllungsgraden
normal (N), unzureichend (I) und überzogen (E) unterschieden. Den Funktionen wer-
den abhängig von der negativen Ausprägung Punkte (vgl. Tabelle 3.9) zugewiesen.
Die Funktion halten Klebstoff der Schienen ist extrem überzogen und erhält daher vier
Punkte. Der Erfüllungsgrad der Funktion Klebstoff hält Abdeckung ist stark überzogen.
Es werden ihr drei Punkte zugewiesen. Der Erfüllungsgrad der Funktion stoppt Staub,
Feuchtigkeit und Müll der Abdeckung ist unzureichend. Diese Funktion bekommt zwei
Punkte. Die übrigen Funktionen haben einen normalen Erfüllungsgrad und erhalten
daher null Punkte. Die Punkte der Funktionen, die vom selben Funktionsträger ausge-
hen, werden addiert. Die höchste Summe mit vier hat die Komponente Schienen. Ihr
wird der Problemrang zehn zugewiesen. Der Problemrang 7,5 des Klebstoffs berech-
net sich aus dem Quotienten aus drei und vier multipliziert mit zehn. Die Abdeckung
hat den Problemrang fünf und die übrigen Komponenten besitzen den Problemrang
null.
Tabelle 3.10: Berechnung des Problemrangs der Komponenten des Linearmotors
Funktions- Funktion Art der Punkte Σ Problemrangträger Funktion P
Permanentmagnete bewegt Rotor N 0 0 0
Schienen halten Rotor N 0 4 10,0
halten Permanentmagnete N 0
halten Klebstoff E 4
Stoßverbinder halten Schienen N 0 0 0
Klebstoff hält Abdeckung E 3 3 7,5
Abdeckung stoppt Staub, etc. I 2 2 5,0
Die Einteilung der Intensität der schädlichen Funktionen und der Ausprägung der un-
zureichenden und überzogenen Erfüllungsgrade in vier Gruppen ist eine mögliche Va-
riante. Abhängig von den Gegebenheiten des Projekts kann dies verändert werden.
Der TechOptimizer verwendet beispielsweise dazu eine Skala von 0-20. Dabei steht
null für die günstigste und 20 für die negativste Ausprägung [14].
3 Funktionsanalyse 55
Wertbestimmung der Komponenten des Linearmotors
Nachdem der Problemrang bestimmt ist, liegen alle Daten zur Berechnung des erwei-
terten Werts Verweitert nach der Formel 3.2 vor. In der Tabelle 3.11 sind die notwendi-
gen Daten zur Berechnung des erweiterten Werts zusammengestellt. Zum Vergleich
sind zusätzlich die berechneten Werte V für die Komponenten nach der Formel 3.1
aufgeführt. Die Werte für die Funktionalität stammen aus der Tabelle 3.1, für den Pro-
blemrang aus Tabelle 3.10 und für die normierten Kosten aus der Tabelle 3.2.
Die Komponente Schienen besitzt mit 5,14 den höchsten und der Klebstoff mit 0,28
den niedrigsten Wert. In der sechsten Spalte der Tabelle ist die Rangfolge der Kom-
ponenten abhängig von dem erweiterten Wert Verweitert eingetragen. Der berechnete
Wert V und seine Rangfolge aus dem Abschnitt über die wertanalytische Betrachtung
(vgl. Tabelle 3.3) sind in der siebten und achten Spalte zum Vergleich noch einmal
aufgeführt. Die Schienen besitzen wegen ihrer hohen Funktionalität trotz des hohen
Problemrangs bei beiden Berechnungsweisen den höchsten Wert. Der Klebstoff hin-
gegen hat jeweils den geringsten Wert. Die größte Veränderung liegt bei der Kompo-
nente Abdeckung. Auf Grund ihres Problemrangs erlangt sie einen niedrigeren Wert
als die Komponenten Permanentmagnete und Stoßverbinder, von denen nur nützliche
Funktionen mit normalem Erfüllungsgrad ausgehen.
Tabelle 3.11: die Werte V und Verweitert inklusive ihrer Rangfolge für den Linearmotor
Komponente F P C Verweitert Rangfolge V Rangfolge
Permanentmagnete 5,56 0,00 6,76 4,57 2 0,82 3
Schienen 10,00 10,00 9,46 5,14 1 1,06 1
Stoßverbinder 3,33 0,00 7,84 1,42 3 0,43 4
Klebstoff 2,22 7,50 10,00 0,28 5 0,22 5
Abdeckung 3,33 5,00 3,51 1,31 4 0,95 2
Im Bild 3.40 sind die Stärkediagramme für beide Wertberechnungen dargestellt. Die
linke Hälfte zeigt das Stärkediagramm für die erweiterte Wertberechnung. Auf der y-
Achse wird die Funktionalität und auf der x-Achse der Problemrang zuzüglich der nor-
mierten Kosten aufgetragen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wird die Funktionali-
tät einfach und nicht quadriert verwendet. Das Stärkediagramm aus dem Abschnitt
über die wertanalytische Betrachtung (vgl. Bild 3.27) ist rechts dargestellt. Da beim lin-
ken Diagramm die normierten Kosten und der Problemrang und beim rechten nur die
normierten Kosten auf der x-Achse abgetragen werden, ist ein exakter Vergleich der
3 Funktionsanalyse 56
beiden Diagramme nicht möglich. Die x-Achse beschreibt bei beiden allerdings die be-
trachteten negativen Aspekte der Komponenten. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt die
Abbildung, dass die Komponenten Permanentmagnete und Stoßverbinder in Relation
zu den übrigen Komponenten bei der erweiterten Wertbetrachtung deutlich weniger
negative Ausprägungen erkennen lassen. Die Komponente Klebstoff liegt bei beiden
Diagrammen im Quadranten rechts unten. Auch bei der erweiterten Wertbetrachtung
bietet sich somit an, diese Komponente aus dem System zu eliminieren.
C+P
F
10 20
5
10
Schienen
Stoßverbinder
Abdeckung
Permanent-magnete
Klebstoff
C
F
5 10
5
10Schienen
Stoßverbinder
Abdeckung
Permanent-magnete
Klebstoff
erweiterte Wertberechnung vereinfachte Wertberechnung
F: Funktionalität; C: normierte Kosten; P: Problemrang
Bild 3.40: Stärkediagramme des Linearmotors
Welche der beiden Wertberechnungen eingesetzt wird hängt vom Ziel der Untersu-
chung ab. Ist die Berücksichtigung von schädlichen Funktionen und vom Erfüllungs-
grad notwendig, sollte die erweiterte Wertberechnung eingesetzt werden und andern-
falls die vereinfachte Wertberechnung.
3.4.3 Indikatoren für das Trimming
Das Instrument Trimming ist für verschiedene Ziele und Strategien einsetzbar. Die
Gründe für die Auswahl der zu trimmenden Komponenten können vielfältig sein, sei
es zum Umgehen von Patenten oder zum Vereinfachen eines Systems. Ebenso kann
auch schon im vornherein bekannt sein, welche Komponenten eliminiert werden sollen.
3 Funktionsanalyse 57
Im Folgenden wird auf die Problemeliminierungs-, Kostensenkungs- und Wertsteige-
rungsstrategien, die mit dem Trimming verfolgt werden können, näher eingegangen.
Problemeliminierung
Probleme eines Systems können durch Entfernen der Komponenten, von denen die-
se ausgehen, eliminiert werden. Dadurch ist eine Steigerung der Funktionalität des
Systems erreichbar. Außerdem kann dadurch auf zusätzliche Maßnahmen zur Pro-
blembeseitigung verzichtet werden.
Auswahl von Komponenten mit H-, I- oder E- Funktionen
Komponenten, die Funktionsträger schädlicher Funktionen sind, können getrimmt wer-
den. Dies kann auch auf Komponenten mit unzureichenden oder überzogenen nützli-
chen Funktionen ausgeweitet werden.
Wie bereits bei der Ermittlung des Problemrangs erläutert wurde, können schädliche,
unzureichende so wie überzogene Funktionen verschieden starke negative Ausprä-
gungen haben. Wie groß die negativen Auswirkungen einer Komponente auf das Sys-
tem sind, hängt sowohl von der Stärke der Ausprägung als auch von der Anzahl ihrer
schädlichen, unzureichenden und überzogenen Funktionen ab. Es bietet sich daher
an, für die Auswahl der zu trimmenden Komponente den Problemrang heranzuziehen.
Auswahl der Komponenten mit hohem P
Je höher der Problemrang für eine Komponente ist, desto problematischer ist diese
für das technische System. Die Komponente oder mehrere Komponenten mit einem
hohen Problemrang sollten zur Verbesserung des Systems eliminiert werden.
Kostensenkung
Eine weitere Strategie, die durch das Trimming verfolgt werden kann, ist die Reduzie-
rung der Kosten. Die Kosten verringern sich, wenn einzelne Komponenten aus dem
System entfernt und ihre Funktionen auf die übrigen Komponenten umverteilt werden.
Dazu wird versucht, möglichst die Komponenten zu entfernen, die hohe Kosten verur-
sachen.
Auswahl der Komponenten mit hohem C
3 Funktionsanalyse 58
Hierbei ist zusätzlich zu beachten, dass die Kosten einer Komponente auch durch an-
dere Komponenten beeinflusst werden können. Beispielsweise könnten die Kosten ei-
ner Komponente A hauptsächlich durch ihre Konstruktion verursacht sein. Diese Kon-
struktion ist aber nur auf Grund der Verwendung der Komponente B notwendig. Könnte
die Komponente B eliminiert werden, so könnte die Konstruktion der Komponente A
vereinfacht und somit auch ihre Kosten reduziert werden.
Wertsteigerung
Das Trimming ist auch zur Wertsteigerung des Systems einsetzbar. Es sollten mög-
lichst die Komponenten entfernt werden, die eine geringe Funktionalität besitzen und
dabei hohe Kosten und Probleme verursachen. Zur Ermittlung des Werts der Kompo-
nenten kann sowohl die einfache Formel (3.1) oder die erweiterte Formel (3.2) ver-
wendet werden. Die Komponenten mit einem niedrigen Wert sollten bevorzugt zum
Trimming ausgewählt werden.
Auswahl der Komponenten mit niedrigem V
Die Auswahl kann, wie im Abschnitt über die wertanalytische Betrachtung erläutert, mit
Hilfe eines Stärkediagramms (vgl. Bild 3.26) unterstützt werden. Die Komponenten, die
sich dabei im linken unteren Quadranten befinden, sind geeignete Kandidaten für das
Trimming.
59
4 Lehrbeispiele
Die Wertanalyse nach VDI und die Funktionsanalyse nach TRIZ wurden in den Ka-
piteln 2 und 3 vorgestellt. Der Einsatz beider Verfahren wird im Folgenden anhand
zweier Beispiele beschrieben. Das Beispiel Lagerabdichtung wird als Lehrbeispiel für
die Wertanalyse am Lehrstuhl eingesetzt. Das Programm TechOptimizer erläutert an
einer Injektionsspritze das Vorgehen bei der Funktionsanalyse. Beide Aufgabenstellun-
gen werden zuerst mit ihrem ursprünglichen Verfahren dargestellt und anschließend
wird das jeweils andere Verfahren auf sie angewendet.
4.1 Lagerabdichtung
Das Bild 4.1 zeigt die momentane Ausführung der Lagerabdichtung.
Bild 4.1: Lagerabdichtung [10]
Die Hauptaufgabe der Lagerabdichtung ist das Abschirmen des Lagers von der Um-
gebung, so dass kein Öl austreten und kein Schmutz ins Lager gelangen kann. Die
Kosten für die momentane Lösung sind in der Tabelle 4.1 aufgeführt.
4 Lehrbeispiele 60
Tabelle 4.1: Kosten für die momentane Lagerabdichtung [10]
Kosten [e]
Deckel Material 1,00
4 Löcher bohren 4 x 0,50
Plandrehen 1,20
Zentrierabsatz drehen 0,80
Ringnut drehen 0,60
Dichtring 0,10
4 Schrauben 4 x 0,05
Gehäuse Planfläche drehen 1,00
4 Gewindebohrungen 4 x 1,00
Montage Dichtring einlegen 0,20
Deckel einfügen 0,20
4 Schrauben montieren 4 x 0,20
Σ 12,10
Diese Daten sind die Ausgangsbasis für die Durchführung der Wertanalyse und der
Funktionsanalyse für dieses Beispiel.
4.1.1 Wertanalyse
Die Wertanalyse für die Lagerabdichtung erfolgt anhand der in Kapitel 2 beschriebenen
sechs Grundschritte.
Projekt vorbereiten
Da es sich hier um ein vorgegebenes Lehrbeispiel handelt, ist die Auswahl des WA-
Objekts, das Bilden der Arbeitsgruppe und das Planen des Ablaufs nicht relevant. Das
Ziel, das hier verfolgt wird, ist die Senkung der Kosten der Lagerabdichtung.
Objektsituation analysieren
Zur Feststellung der Ist-Situation werden die Funktionen der Lagerabdichtung ermittelt.
Die Hauptfunktion der Lagerabdichtung ist Öffnung verschließen. Als Nebenfunktion
wird Zugänglichkeit gewährleisten identifiziert. Diese ist vor allem für eventuell auftre-
tende Wartungsarbeiten von Bedeutung. Bei beiden Funktionen handelt es sich um
Gebrauchsfunktionen.
4 Lehrbeispiele 61
Öffnung verschließen
Deckel zentrieren
Deckel befestigen
Trennfuge abdichten
Gesamtfunktionen Teilfunktionen
Zugänglichkeit gewährleisten
Deckel entfernen
Bild 4.2: Funktionenbaum der Lagerabdichtung [10]
Im Bild 4.2 ist der Funktionenbaum der Lagerabdichtung dargestellt. Die Gesamtfunk-
tion Öffnung verschließen ist in die Teilfunktionen Deckel befestigen, Deckel zentrieren
und Trennfuge abdichten aufteilbar. Die Funktion Zugänglichkeit gewährleisten wird
durch die Funktion Deckel entfernen ermöglicht.
Tabelle 4.2: Aufteilung der Kosten [e] auf die Funktionen der Lagerabdichtung [10]
Deckel Deckel Trennfuge Deckel Σbefestigen zentrieren abdichten entfernen
Material (Deckel) 1,00 1,00
4 Löcher bohren (Deckel) 1,00 1,00 2,00
Plandrehen (Deckel) 1,20 1,20
Zentrierabsatz drehen (Deckel) 0,80 0,80
Ringnut drehen (Deckel) 0,60 0,60
Dichtring 0,10 0,10
4 x Schrauben 0,10 0,10 0,20
Planfläche drehen (Gehäuse) 1,00 1,00
4 Gewindebohrungen (Gehäuse) 2,00 2,00 4,00
Dichtring einlegen 0,20 0,20
Deckel einfügen 0,20 0,20
4 Schrauben montieren 0,80 0,80
Σ 5,10 0,80 3,10 3,10 12,10
Anschließend erfolgt die Zuweisung der Kosten auf die Teilfunktionen. In der Tabel-
le 4.2 ist eine genauere Aufteilung der Kosten auf die Funktionen dargestellt. Einige
Kosten sind einfach den Funktionen zuzuordnen wie beispielsweise die Kosten für den
Dichtring der Funktion Trennfuge abdichten. Die Kosten für die Schrauben sind im Ge-
4 Lehrbeispiele 62
gensatz dazu nicht so eindeutig zuzuteilen. Es kommen hier die zwei Funktionen De-
ckel befestigen und Deckel entfernen in Betracht, auf die die Kosten für die Schrauben
gleichmäßig aufgeteilt werden. Theoretisch hätte auch der Funktion Trennfuge abdich-
ten ein Teil der Kosten der Schrauben zugeordnet werden können, da eine geeignete
Verbindung zwischen Deckel und Gehäuse und damit auch die Schrauben für sie not-
wendig sind.
Soll-Zustand beschreiben
Nach dem Aufstellen der Ist-Funktionen werden aus diesen durch Überprüfung jeder
Funktion auf ihre Notwendigkeit die Soll-Funktionen ermittelt .
Die beiden Hauptfunktionen Öffnung verschließen und Zugänglichkeit gewährleisten
sind beide erforderlich und werden als Soll-Funktionen übernommen. Als Nächstes
werden die Teilfunktionen zu der Hauptfunktion Öffnung verschließen hinterfragt. Die
beiden Teilfunktionen Deckel befestigen und Trennfuge abdichten sind beide relevant
und werden als Soll-Funktionen übernommen. Die Teilfunktion Deckel zentrieren ist
nicht unbedingt notwendig und wird somit nicht als Soll-Funktion ausgewiesen. Wird
diese Funktion nicht mehr benötigt, ist das Drehen eines Zentrierabsatzes am Deckel
nicht mehr erforderlich und eine Einsparung von 0,80e möglich (vgl. Tabelle 4.2).
Die Teilfunktion Deckel entfernen ist für die Hauptfunktion Zugänglichkeit gewährleisten
notwendig und daher ebenfalls eine Soll-Funktion. Im Bild 4.3 sind die Soll-Funktionen
für die Lagerabdichtung dargestellt.
Öffnung verschließen Deckel befestigen
Trennfuge abdichten
Gesamtfunktionen Teilfunktionen
Zugänglichkeit gewährleisten
Deckel entfernen
Bild 4.3: Soll-Funktionen der Lagerabdichtung
Die Teilfunktion Deckel befestigen verursacht mit 5,10e die höchsten Kosten und be-
sitzt damit wahrscheinlich das höchste Rationalisierungspotential. Allerdings sind auch
die beiden anderen Teilfunktionen nicht wesentlich billiger. Es bietet sich somit an, für
4 Lehrbeispiele 63
die beiden Teilfunktionen der Hauptfunktion Öffnung verschließen neue Lösungsmög-
lichkeiten unter der Voraussetzung zu entwickeln, dass die Verbindung zwischen De-
ckel und Gehäuse lösbar ist, um die Nebenfunktion Zugänglichkeit gewährleisten zu
ermöglichen.
Lösungsideen entwickeln
Zur Entwicklung neuer Lösungen für die Lagerabdichtung werden neue Möglichkeiten
für die Funktion Deckel befestigen und Trennfuge abdichten gesucht. In dem Morpho-
logischen Kasten (Tabelle 4.3) sind einige Ideen für die beiden Funktionen zusammen-
gestellt. Für die Befestigung des Deckels könnten drei statt vier Schrauben verwendet
oder die Öffnung durch Clip- Verbindungen verschlossen werden. Eine weitere Idee für
das Befestigen des Deckels ist, am Deckel ein Gewinde anzubringen und ihn in das
Gehäuse zu schrauben. Weitere Vorschläge sind, den Deckel in das Gehäuse einzu-
pressen oder zu kleben. Zum Abdichten könnten ein Dichtkleber, ein Dichtring oder
eine Presspassung vorgesehen werden. Außerdem besteht auch die Möglichkeit, auf
eine Dichtung zu verzichten und stattdessen eine Ölwanne zum Auffangen des Öls
einzusetzen.
Tabelle 4.3: Morphologischer Kasten für die Hauptfunktion Öffnung verschießen
Lösungsideen
Teilfunkt. 1 2 3 4 5 ...
Deckel drei Schrauben Gewinde an Deckel Clip- Deckel Deckel ...
befestigen verwenden und Gehäuse Verbindung einpressen kleben
Trennfuge Dichtkleber Dichtring keine Dichtung Presspassung ... ...
abdichten - Ölwanne
Aus diesen Varianten werden durch eine Vorauswahl mögliche Lösungen zusammen-
gestellt. Eine Möglichkeit wäre z.B. die Verwendung von drei Schrauben und einem
Dichtring (Lösung 1). Weitere Lösungsmöglichkeiten sind sowohl die Clip-Verbindung
zusammen mit einem Dichtring (Lösung 2) als auch ein Gewinde an Deckel und Ge-
häuse anzubringen (Lösung 3).
Lösungsideen festlegen
Bei der Auswahl der Lösungen für das Beispiel der Lagerabdichtung sollen sowohl
technische als auch wirtschaftliche Eigenschaften berücksichtigt werden. Dazu wird
eine vereinfachte technisch-wirtschaftliche Bewertung eingesetzt [19].
4 Lehrbeispiele 64
Zunächst erfolgt die Bestimmung der technischen Wertigkeit. In Tabelle 4.4 ist die tech-
nische Wertigkeit für die drei im Grundschritt Lösungsideen entwickeln aufgeführten
Lösungen berechnet. Den Lösungen wird für jede Teilfunktion eine Wertigkeit bezüg-
lich ihrer Erfüllung zugeordnet. Der Wert eins entspricht der idealen Lösung, der Wert
null einer komplett ungeeigneten Lösung. Diese Wertigkeit kann mit einem Faktor ge-
wichtet werden, sollte der Erfüllung der Teilfunktionen unterschiedliche Bedeutungen
zukommen. Die Summe der Wertigkeiten einer Lösung für die einzelnen Teilfunktionen
ergibt die technische Wertigkeit der Lösung. Die höchste Wertigkeit erlangt hier die
Lösung 2 mit dem Wert 0,7.
Tabelle 4.4: Technische Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung
Teilfunktionen Gewich- Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3tung ungew. gew. ungew. gew. ungew. gew.
Deckel befestigen 0,40 0,50 0,20 0,75 0,30 0,75 0,30
Trennfuge abdichten 0,40 0,75 0,30 0,75 0,30 0,50 0,20
Deckel entfernen 0,20 0,75 0,15 0,50 0,10 0,75 0,15
technische Wertigkeit (x) 0,65 0,70 0,65
Zur Bestimmung der wirtschaftlichen Wertigkeit (siehe Tabelle 4.5) müssen die Kosten
für die einzelnen Lösungen ermittelt werden. Die wirtschaftliche Wertigkeit der einzel-
nen Lösungen ergibt sich aus dem Quotienten der idealen Kosten und der Kosten der
jeweiligen Lösung. Als vereinfachende Annahme betragen die idealen Kosten 70 Pro-
zent der Kosten der billigsten Lösung [21]. Dies ist hier die Lösung 1. Sie hat damit die
höchste wirtschaftliche Wertigkeit mit 0,7. Die Kosten der Lösung 1 sind mit 9,55e um
mehr als 20% geringer als die Kosten der ursprünglichen Lösung mit 12,10e (siehe
Tabelle 4.1).
Tabelle 4.5: Wirtschaftliche Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung
Teilfunktionen Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3
Deckel befestigen 4,13 e 4,00 e 3,80 e
Trennfuge abdichten 3,10 e 4,00 e 3,00 e
Deckel entfernen 2,32 e 2,00 e 3,00 e
Σ 9,55 e 10,00 e 9,80 e
wirtschaftliche Wertigkeit (y) 0,70 0,67 0,68
4 Lehrbeispiele 65
Die gesamte Wertigkeit (W) einer Lösung ergibt sich aus der technischen (x) und
wirtschaftlichen Wertigkeit (y). Zur Berechnung wird das Hyperbelverfahren eingesetzt
[21].
W =√
x ∗ y (4.1)
In der Tabelle 4.6 sind die Wertigkeiten der Lösungen zusammengestellt. Die Lösung
2, die eine Clip-Verbindung darstellt, hat mit 0,68 die höchste Wertigkeit vor den Lö-
sungen 1 mit 0,67. Die Lösung 3 hat mit 0,66 die geringste Wertigkeit.
Tabelle 4.6: Wertigkeit der Lösungen der Lagerabdichtung nach dem Hyperbelverfahren
Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3
Wertigkeit (W) 0,67 0,68 0,66
Lösungen verwirklichen
Da es sich um ein Lehrbeispiel handelt, ist dieser Schritt hier nicht erforderlich.
4.1.2 Funktionsanalyse
Die Funktionsanalyse der Lagerabdichtung beginnt mit der Durchführung der Kompo-
nentenanalyse und Interaktionsanalyse. Anschließend wird mit diesen Informationen
das Funktionsmodell für eine wertanalytische Betrachtung aufgestellt.
Komponentenanalyse
Als Erstes erfolgt das Aufstellen der Hierarchieebenen der Lagerabdichtung. Diese
sind im Bild 4.4 dargestellt.
Lagerabdichtung
Deckel Dichtring Gehäuse Schrauben
Höchste Ebene
2. Ebene
Bild 4.4: Hierarchieebenen des Systems Lagerabdichtung
Die Lagerabdichtung ist das technische System und somit die Komponente der höchs-
ten Hierarchiestufe. Auf der zweiten Ebene befinden sich die Komponenten Deckel,
4 Lehrbeispiele 66
Dichtring, Gehäuse und vier Schrauben. Die vier Komponenten Schraube werden zur
Komponente Schrauben zusammengefasst. Eine weitere Unterteilung des Systems
ist auf Grund der geringen Komplexität nicht sinnvoll. Für die Analyse wird daher die
zweite Ebene betrachtet.
Diese Informationen dienen zur Erstellung des Komponentenmodells der Lagerabdich-
tung, das im Bild 4.5 dargestellt ist. Das zu analysierende technische System ist in die-
sem Beispiel die Lagerabdichtung. Die Hauptaufgabe ist zu verhindern, dass das Öl
des Lagers an die Umgebung abgegeben wird. Die Hauptfunktion ist daher Öl zurück-
halten. Die Komponenten des technischen Systems sind, wie bereits bei der Erstellung
der Hierarchie festgelegt, der Deckel, der Dichtring, das Gehäuse und die Schrauben.
Die Komponenten des Supersystems sind Öl, Schmutz und der Instandhalter. Das
Öl befindet sich im Lager. Da das Lager nicht mit Schmutz verunreinigt werden soll
und somit eventuell die Funktionalität des Lagers negativ beeinflusst wird, muss auch
Schmutz aus der Umgebung bei der weiteren Analyse betrachtet werden. Im Fall eines
Defekts muss beispielsweise ein Instandhalter das Lager austauschen können. Daher
muss auch dieser als eine Komponente des Supersystems betrachtet werden.
technisches System Hauptfunktion
Lagerabdichtung Öl zurückhalten
Deckel Öl
Dichtring Schmutz
Gehäuse Instandhalter
Schrauben
Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Bild 4.5: Das Komponentenmodell der Lagerabdichtung
Interaktionsanalyse
Bei der Interaktionsanalyse werden die Interaktionen der Komponenten des techni-
schen Systems und des Supersystems untereinander identifiziert und in einer Interak-
tionstabelle festgehalten.
In der Komponentenanalyse wurden Deckel, Dichtring, Gehäuse, Schrauben, Schmutz,
Öl und Instandhalter als die Komponenten des zu analysierenden technischen Sys-
tems und Supersystems ermittelt. Diese Komponenten werden in der Interaktionsta-
belle (Bild 4.6) sowohl in die erste Spalte als auch in die erste Zeile eingetragen. An-
schließend werden die restlichen Zellen mit „+” oder „-” ausgefüllt abhängig davon, ob
eine Interaktion stattfindet oder nicht. Für die meisten Zellen ist es eindeutig. Daher
4 Lehrbeispiele 67
werden nur einige Komponentenkombinationen beispielhaft herausgegriffen. Der De-
ckel verhindert das Eindringen von Schmutz ins Lager, indem er den möglichen Weg
versperrt. Es liegt daher eine Interaktion vor und ein „+” Zeichen wird in die betreffen-
den Zellen geschrieben. Der Dichtring und die Schrauben interagieren im Gegensatz
dazu nicht miteinander. Sie berühren sich nicht und wirken auch sonst nicht direkt auf-
einander. Daher werden die dazugehörenden Zellen mit einem „-” Zeichen versehen.
+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Dec
kel
Dic
htrin
g
Geh
äuse
Sch
raub
en
Öl
Sch
mut
z
Inst
andh
alte
r
Deckel - + + + + + +
Dichtring + - + - + + -
Gehäuse + + - + + + -
Schrauben + - + - - - +
Öl + + + - - - -
Schmutz + + + - - - -
Instandhalter + - - + - - -
Bild 4.6: Interaktionstabelle der Lagerabdichtung
Die notwendige diagonale Symmetrie für eine korrekt aufgestellte Interaktionstabelle
ist vorhanden. Anschließend wird untersucht, ob es Komponenten gibt, die mit keiner
anderen Komponente interagieren. Dies trifft nicht zu. Somit ist die Interaktionstabelle
komplett aufgestellt und die Interaktionsanalyse abgeschlossen.
Funktionsmodellierung
In diesem Abschnitt wird das Funktionsmodell für die Lagerabdichtung erstellt. Das Ziel
des Projekts ist die Senkung der Kosten der Lagerabdichtung. Die Funktionsanalyse
wird daher als Ausgangsbasis für eine wertanalytische Betrachtung verwendet. Wie im
Abschnitt 3.2 (Wertanalytische Betrachtung) werden hier zur Vereinfachung schädliche
Funktionen und die verschiedenen Erfüllungsgrade nützlicher Funktionen nicht berück-
sichtigt. Im Funktionsmodell soll sowohl die Lagerabdichtung während des Betriebs
abgebildet werden als auch die Demontage und Montage des Deckels bei Wartungs-
arbeiten. Hier ist es im Gegensatz zum Linearmotor (vgl. Abschnitt 3.4.1) nicht erfor-
derlich, zunächst verschiedene Funktionsmodelle für die einzelnen zeitlichen Prozesse
4 Lehrbeispiele 68
zu erstellen. Beim Linearmotor gab es zwei Funktionen in den beiden betrachteten Pro-
zessen mit unterschiedlichem Erfüllungsgrad, die eine getrennte Betrachtung zunächst
notwendig machten. Dies trifft hier nicht zu. Die betrachteten Prozesse überschneiden
sich nicht. Daher kann sofort ein gesamtes Funktionsmodell aufgestellt werden, in dem
die zeitlichen Prozesse Betrieb, Demontage und Montage des Deckels abgebildet sind.
Beim Aufstellen des tabellarischen Funktionsmodells (Bild 4.7) dient die Interaktionsta-
belle (Bild 4.6) als Unterstützung. Es werden keine schädlichen Funktionen und keine
Erfüllungsgrade betrachtet. Daher sind lediglich die Funktionsträger und ihre Funktio-
nen mit deren Rängen zu bestimmen. Die Komponenten Deckel, Dichtring, Gehäuse
und Schrauben sind die Funktionsträger für die Funktionen während des Betriebs. Die
Funktionen der Komponente Instandhalter treten nur bei der Demontage bzw. Montage
des Deckels auf.
Funktion Rang Kommentare
Deckel
hält Öl zurück B
hält Schmutz ab Ad
hält Dichtring A1
Dichtring
hält Öl zurück B
hält Schmutz ab Ad
Gehäuse
hält Öl zurück B
hält Schmutz ab Ad
hält Dichtring A1
führt Deckel A1
hält Schrauben A2
Funktion Rang Kommentare
Schrauben
halten Deckel A1
entfernt Deckel A1
löst Schrauben A2
löst Deckel A1
befestigt Schrauben A2
Instandhalter
Bild 4.7: Tabellarisches Funktionsmodell der Lagerabdichtung
Im Bild 4.8 ist das grafische Funktionsmodell der Lagerabdichtung dargestellt. Aus
Gründen der Übersichtlichkeit wurde dabei auf das Abbilden der Ränge verzichtet.
4 Lehrbeispiele 69
Deckel Dichtring
Öl Schmutz
hält ab
hält ab
hält ab
hält zurück
hält zurück
hält zurück
führt
halten
hält
positioniert
befestigt
hält
entfernt
Instand- halter
löst hält
GehäuseSchrauben
Bild 4.8: Grafisches Funktionsmodell der Lagerabdichtung
Anschließend wird die Funktionalität der Komponenten der Lagerabdichtung bestimmt.
Eine Übersicht über die Ränge der Funktionen und Komponenten der Lagerabdichtung
befindet sich in Tabelle 4.7.
Tabelle 4.7: Ränge der Funktionen und Komponenten der Lagerabdichtung
Funktions- Funktion Rang der Funktions- Σ der Funktionalitätträger Funktion punkte Punkte F
Deckel hält Öl zurück B 4 8 7,27
hält Schmutz ab Ad 2
hält Dichtring A1 2
Dichtring hält Öl zurück B 4 6 5,45
hält Schmutz ab Ad 2
Gehäuse hält Öl zurück B 4 11 10,00
führt Deckel A1 2
hält Dichtring A1 2
hält Schmutz ab Ad 2
hält Schraube A2 1
Schrauben halten Deckel A1 2 2 1,81
A2 ist der niedrigste Rang. Daher erhält A2 einen Punkt, A1 und Ad zwei Punkte und
B vier Punkte. Durch Summierung der Punkte für die Ränge der Funktionen, die von
einem Funktionsträger ausgehen, ergeben sich für die Komponente Deckel acht, für
Dichtring sechs, für Gehäuse elf und für Schrauben zwei Punkte. Danach erfolgt die
Normierung der Punkte. Mit elf Punkten hat die Komponente Gehäuse die höchste
4 Lehrbeispiele 70
Punktzahl. Diese Komponente erhält somit eine Funktionalität von 10. Für den Dicht-
ring berechnet sich die Funktionalität 5,45 aus 611∗ 10. Für den Deckel beträgt sie 7,27
und für die Schrauben 1,81.
Die Kosten (vgl. Tabelle 4.1) werden den einzelnen Komponenten zugewiesen und in
der Tabelle 4.8 aufgeführt. Um eine Vergleichbarkeit mit der Funktionalität zu gewähr-
leisten, werden die Kosten der Komponenten normiert. Der Deckel verursacht mit 5,80
e die höchsten Kosten. Die normierten Kosten betragen für diese Komponente daher
zehn.
Tabelle 4.8: Kosten der Komponenten der Lagerabdichtung
Komponente Kosten für Bearbeitungs- und gesamte normierteKomponente [e] Montagekosten [e] Kosten [e] Kosten C
Deckel 1,00 4,80 5,80 10,00
Dichtring 0,10 0,20 0,30 0,52
Gehäuse - 5,00 5,00 8,62
Schrauben 0,05 x 4 0,20 x 4 1,00 1,72
Es ist sehr wichtig, die Bearbeitungs- und Montagekosten zu berücksichtigen, da sie
die reinen Kosten für die Komponenten vor der Bearbeitung um ein Vielfaches über-
steigen. Die Materialkosten für den Deckel betragen 1,00 Euro. Hinzu kommen jedoch
beträchtliche Kosten für die Bearbeitung und Montage von insgesamt 4,80 e. Beim
Gehäuse werden nur die Bearbeitungs- und Montagekosten berücksichtigt, denn das
Gehäuse, in dem sich das Lager befindet, soll nicht verändert werden sondern nur die
Abdeckung des Lagers. Das komplette Gehäuse zu verändern oder zu eliminieren, ist
bei diesem Projekt nicht möglich.
Tabelle 4.9: Wertberechnung für die Lagerabdichtung
Komponente Funktionalität F normierte Kosten C Wert V Rangfolge
Deckel 7,27 10,00 0,73 4
Dichtring 5,45 0,52 10,48 1
Gehäuse 10,00 8,62 1,16 2
Schrauben 1,81 1,72 1,05 3
Mit den ermittelten Funktionalitäten und normierten Kosten der Komponenten kann der
Wert der einzelnen Komponenten nach der Formel 3.1 (V = FC
) berechnet werden. In
Tabelle 4.9 sind die Ergebnisse zusammengestellt. Der Dichtring hat mit 10,48 den
4 Lehrbeispiele 71
höchsten Wert. Die Werte der drei anderen Komponenten sind erheblich niedriger. Mit
0,73 hat der Deckel den geringsten Wert. Nach dieser Betrachtung sollten am Deckel,
am Gehäuse oder an den Schrauben die Verbesserungen ansetzen.
Eine differenziertere Betrachtung ermöglicht das Stärkediagramm. Abhängig von der
Position im Diagramm werden Empfehlungen für die einzelnen Komponenten gege-
ben. In das Stärkediagramm (Bild 4.9) sind die Werte für das Beispiel Lagerabdichtung
eingetragen. Der Dichtring befindet sich bereits günstig im Quadranten links oben. Es
besteht kein dringender Handlungsbedarf. Die Komponente Schrauben befindet sich
links unten im Diagramm. Die Empfehlung lautet hier, die Funktionalität zu erhöhen
bei gleichbleibend niedrigen Kosten. Die Komponenten Gehäuse und Deckel liegen
im Quadranten rechts oben. Sie haben somit relativ hohe Kosten und eine relativ ho-
he Funktionalität. Diesem Diagramm entsprechend sollten die Kosten gesenkt werden.
Die Ergebnisse stimmen mit den Erkenntnissen aus der Wertbetrachtung der einzel-
nen Komponenten überein.
C
1
F
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Komponente Funktionalität
Deckel 10,00 7,27
0,52 5,45
Gehäuse 8,62 10,00
Schrauben 1,72 1,81
normierte Kosten
Dichtring
Schrauben
Deckel
Dichtring
Gehäuse
F: FunktionalitätC: normierte Kosten
Bild 4.9: Stärkediagramm für die Lagerabdichtung
Zum Erreichen von Kostensenkungen am Deckel und Gehäuse werden ihre Kosten
auf die einzelnen Verursacher aufgeteilt (siehe Tabelle 4.10). Der größte Kostentreiber
beim Deckel ist mit 23,5% der Kosten das Bohren der vier Löcher für die Schrauben.
Beim Gehäuse verursachen die vier Gewindebohrungen 80% der Kosten.
4 Lehrbeispiele 72
Tabelle 4.10: Kostenverursacher der Komponenten Deckel und Gehäuse
Deckel GehäuseVerursacher Kosten [e] prozentual Verursacher Kosten [e] prozentualMaterial 1,00 17,2 % Planfläche drehen 1,00 20,0 %
4 Löcher bohren 2,00 23,5 % 4 Gewinde- 4,00 80,0 %
Plandrehen 1,20 20,7 % bohrungen
Zentrierabsatz drehen 0,80 13,8 % Σ 5,00 100 %
Ringnut drehen 0,60 10,3 %
Deckel einfügen 0,20 3,5 %
Σ 5,80 100 %
Die Schraubenverbindungen verursachen einen Großteil der Kosten. Die Kosten wären
deutlich geringer, wenn die Schrauben eliminiert werden könnten. Die Schrauben be-
finden sich im Stärkediagramm im linken unteren Quadranten und haben eine geringe
Funktionalität. Zur Eliminierung der Schrauben kann das Verfahren Trimming einge-
setzt werden.
Trimming
Zur Erstellung des Trimmingmodells für die Eliminierung der Komponente Schrauben
sind die nützlichen Funktionen, die von der Komponente Schrauben ausgehen, zu
identifizieren. Auf diese Funktionen wird jeweils eine der drei Trimmingregeln ange-
wendet. Von der Komponente Schrauben geht nur die Funktion halten Deckel aus. Bei
der Anwendung der Trimmingregel C muss ein neuer Funktionsträger gesucht werden.
Als neuer Funktionsträger wird die Komponente Gehäuse ausgewählt, die bereits mit
der Komponente Deckel interagiert. Somit erfüllt sie die dritte Richtlinie für die Aus-
wahl eines neuen Funktionsträgers. Daraus ergibt sich das Trimmingproblem, wie die
Komponente Gehäuse den Deckel halten kann. Das Trimmingmodell ist im Bild 4.10
dargestellt.
4 Lehrbeispiele 73
Deckel Dichtring
Öl Schmutz
hält ab
hält ab
hält ab
hält zurück
hält zurück
hält zurück
führt
hält
positioniert
hält
entfernt
Instand- halter
Trimmingproblem: Wie kann die Komponente Gehäuse die Komponente Deckel halten?
Gehäuse
Bild 4.10: Trimmingmodell für die Lagerabdichtung
Zu dieser Fragestellung werden mögliche Lösungsideen gesammelt und neue Ideen
mit Hilfe von Lösungsfindungstechniken erstellt.
Eine mögliche Lösung ist im Bild 4.11 dargestellt. Bei dieser Variante ist der Deckel
wie ein Stopfen aufgebaut.
Bild 4.11: Skizze eines Lösungsvorschlags für die Lagerabdichtung
4.1.3 Vergleich
Für das Beispiel Lagerabdichtung wurden beide Verfahren eingesetzt. Bei der Wert-
analyse erfolgte eine Überprüfung aller Funktionen, die in der Ausgangssituation auf-
4 Lehrbeispiele 74
traten. Dabei stellte sich heraus, dass eine Zentrierung des Deckels nicht notwendig
und somit das Drehen eines Zentrierabsatzes nicht erforderlich war. Darauf wurde bei
der Funktionsanalyse nicht näher eingegangen.
Bei der Funktionsanalyse konnten die vorgegebenen Kosten aus der Tabelle 4.1 pro-
blemlos auf die vier Komponenten aufgeteilt werden. Die richtige Zuweisung der Kos-
ten auf die ermittelten Funktionen war bei der Wertanalyse deutlich aufwendiger. Für
einige Kostenpositionen kamen mehrere Funktionen in Betracht. Beispielsweise könn-
ten die Kosten für die Schrauben sowohl den Funktionen Deckel befestigen, Deckel
entfernen als auch Trennfuge abdichten zugeordnet werden. Zusätzlich war es not-
wendig, die Kosten in der richtigen Gewichtung auf die entsprechenden Funktionen
aufzuteilen.
Bei der Funktionsanalyse konnten direkt mit Hilfe des Funktionsmodells (Bild 4.8) und
der Kosten Kennwerte ermittelt werden. Aus dem Stärkediagramm ergaben sich kla-
re Hinweise, welches Vorgehen für welche Komponente empfehlenswert ist. Für das
Gehäuse und den Deckel sollten die Kosten gesenkt werden. Dies konnte durch das
Eliminieren der Schrauben erreicht werden. Bei der Wertanalyse konnte nicht direkt
aus der Funktionenstruktur abgelesen werden, für welche Funktionen es besonders
lohnenswert ist, neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Es mussten zusätzlich Überle-
gungen angestellt werden, wo das größten Rationalisierungspotenzial zu finden ist.
4.2 Injektionsspritze
Die Injektionsspritze ist ein Lehrbeispiel für die Funktionsanalyse, die der TechOp-
timizer verwendet. Zunächst wird dafür die Funktionsanalyse und anschließend die
Wertanalyse vorgestellt. Das Bild 4.12 zeigt die Injektionsspritze. Sie wird zum Impfen
eingesetzt und mit bereits aufgezogenem Impfstoff verkauft.
NadelZylinderKolben
Impfstoff
Bild 4.12: Injektionsspritze [11]
4 Lehrbeispiele 75
Die Kosten für die Injektionsspritze sind in Tabelle 4.11 zusammengefasst.
Tabelle 4.11: Kosten der Komponenten der Injektionsspritze [11]
Komponente Kosten [e]
Zylinder 0,09
Kolben 0,12
Nadel 0,09
Impfstoff 0,05
Σ 0,35
Eine Voraussetzung ist, dass immer genau fünf cl Impfstoff injiziert werden [11]. Das
Ziel der Untersuchung ist die Kosten der Injektionsspritze zu reduzieren.
4.2.1 Funktionsanalyse
Die Funktionsanalyse für die Injektionsspritze erfolgt anhand der drei Schritte aus dem
Abschnitt 3.1. Das Vorgehen unterscheidet sich damit etwas von dem des TechOptimi-
zers.
Komponentenanalyse
Im Bild 4.13 ist das Supersystem für die Injektionsspritze dargestellt. Das Supersystem
enthält als Komponenten die Injektionsspritze, eine Person, die die Impfung durchführt
und das Gewebe, in das der Impfstoff injiziert werden soll. Es können noch weitere
Komponenten des Supersystems wie z.B. Schmutz hinzukommen.
Supersystem:Impfung
Injektionsspritze
Gewebe
Person Komponenten desSupersystems
zu analysierendes technische System,enthält selbst auch Komponenten z.B. Nadel, Impfstoff
weitere Supersystem Komponenten
Bild 4.13: Das Supersystem der Injektionsspritze
4 Lehrbeispiele 76
Im Bild 4.14 sind die Hierarchieebenen des Systems der Injektionsspritze abgebildet.
Es ist ein sehr einfaches System. Auf der höchsten Ebene befindet sich die Injektions-
spritze, die das zu analysierende technische System darstellt. Auf der zweiten Ebene
sind die vier Bestandteile Kolben, Impfstoff, Nadel, Zylinder des technischen Systems.
Für eine Verbesserung und vor allem zur Kostenreduzierung ist die zweite Hierarchie-
ebene die geeignetste, da die dritte Ebene einen zu großen Detaillierungsgrad auf-
weist.
Injektionsspritze
Kolben Impfstoff Nadel Zylinder
Buchse Kanüle Schutzhülle
Höchste Ebene
2. Ebene
3. Ebene
Kolbengriff Kolbenstange Rohr Konus
Bild 4.14: Hierarchieebenen des Systems Injektionsspritze [11]
Das Komponentenmodell für die Injektionsspritze ist im Bild 4.15 dargestellt. Zunächst
wird der Name des technischen Systems und die Hauptfunktion bestimmt. Das zu ana-
lysierende technische System ist die Injektionsspritze mit all ihren Komponenten. Das
System wurde entwickelt, um den Impfstoff in das Gewebe zu bringen. Somit ist die
Zielkomponente das Gewebe und seine Hauptfunktion Gewebe durchtränken. Fälsch-
licherweise könnte als Hauptfunktion dieses Systems Impfstoff spritzen angenommen
werden. Diese Funktion wird von dem technischen System auch ausgeführt. Es han-
delt sich dabei aber nicht um die Hauptfunktion. Das Hauptziel dieser Spritze ist, dass
der Impfstoff in das Gewebe gelangt. Bei der Funktion Impfstoff spritzen wird der Ort,
wohin der Impfstoff befördert werden soll, nicht berücksichtigt. Die Komponenten des
technischen Systems wurden hier bereits mit der Auswahl der Hierarchieebene be-
stimmt. Die Komponenten des Supersystems gehören nicht zum zu analysierenden
technischen System, aber interagieren mit ihm. Bei der Injektionsspritze sind dies die
Zielkomponente Gewebe und die Person, die das Injizieren durchführt. Mit diesen In-
formationen kann das Komponentenmodell für die Spritze erstellt werden.
4 Lehrbeispiele 77
technisches System Hauptfunktion
Gewebe durchtränken
Zylinder Gewebe
Kolben Person
Nadel
Impfstoff
Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Injektionsspritze
Bild 4.15: Komponentenmodell der Injektionsspritze
Interaktionsanalyse
Nach erfolgter Bestimmung aller relevanten Komponenten des technischen Systems
und des Supersystems, wird die Interaktionstabelle für die Spritze erstellt.
+ : mindestens EINE Interaktion zwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Zyl
inde
r
Kol
ben
Nad
el
Im
pfst
off
Gew
ebe
Per
son
Zylinder - + + + - +
Kolben + - - + - +
Nadel + - - + + -
Impfstoff + + + - + -
Gewebe - - + + - -
Person + + - - - -
Bild 4.16: Die Interaktionstabelle der Injektionsspritze [11]
Die Komponenten werden in der gleichen Reihenfolge in die erste Zeile und in die erste
Spalte der Interaktionstabelle (Bild 4.16) eingetragen. Die Kennzeichnung der einzel-
nen Zellen mit einem „+” oder „-” Zeichen erfolgt abhängig davon, ob Interaktionen zwi-
schen den betrachteten Komponenten auftreten. Der Zylinder interagiert nicht mit sich
selbst und daher wird in die zugehörige Zelle ein „-” eingetragen. Der Kolben befindet
sich zum Teil im Zylinder. Beim Spritzen wird der Kolben in den Zylinder hineingedrückt
und der Zylinder führt ihn bei dieser Bewegung. Es liegt daher zwischen den beiden
Komponenten eine Interaktion vor und damit wird ein „+” in die entsprechenden Zellen
eingetragen. Dies wird solange wiederholt, bis alle Zellen ausgefüllt sind.
Als Nächstes wird die diagonale Symmetrie geprüft. Bei der Interaktionstabelle für die
Spritze liegt diese Symmetrie vor. Des Weiteren interagiert jede Komponente mit min-
4 Lehrbeispiele 78
destens einer anderen Komponente, und daher ist keine Komponente aus der Tabelle
zu entfernen. Damit ist die Interaktionstabelle vollständig erstellt.
Funktionsmodellierung
Beim Aufstellen des Funktionsmodells der Injektionsspritze werden sowohl schädliche
Funktionen als auch Erfüllungsgrade berücksichtigt. Das tabellarische Funktionsmodell
für die Injektionsspritze besteht aus den fünf Spalten Funktion, Kategorie, Erfüllungs-
grad, Rang und Kommentare. In die Spalte Kategorie wird festgehalten, ob es sich
bei der betrachteten Funktion um eine nützliche (U) oder schädliche (H) Funktion han-
delt. Der Erfüllungsgrad der nützlichen Funktionen wird in die Spalte Erfüllungsgrad
geschrieben. Bis auf zwei Funktionen haben alle einen normalen (N) Erfüllungsgrad.
Die Funktion Kolben bewegt Impfstoff hat einen unzureichenden (I) und die Funktion
Nadel deformiert Gewebe einen überzogenen (E) Erfüllungsgrad. Zur Erstellung des
Funktionsmodells wird die Interaktionstabelle der Spritze, die im Bild 4.16 dargestellt
ist, verwendet. Da von der Zielkomponente Gewebe keine Funktion ausgeht, wird sie
nicht als Funktionsträger im tabellarischen Funktionsmodell aufgeführt. Anschließend
wird der Rang der nützlichen Funktionen bestimmt und ins Funktionsmodell einge-
tragen. Die schädliche Funktion besitzt keinen Rang. Das vollständige tabellarische
Funktionsmodell ist im Bild 4.17 dargestellt.
Funktion Kategorie Erfüllungsgrad Rang Kommentare
Zylinder
führt Kolben U N A2
hält Nadel U N A1
hält Impfstoff U N A1
Kolben
bewegt Impfstoff U I A1
Nadel
deformiert Gewebe U E B
traumatisiert Gewebe H - -
führt Impfstoff U N A1
Impfstoff
durchtränkt Gewebe U N B
Person
drückt Kolben U N A2
hält Zylinder U N A2
Bild 4.17: Tabellarisches Funktionsmodell der Spritze
4 Lehrbeispiele 79
Das grafische Funktionsmodell befindet sich im Bild 4.18. Zusätzlich zu den Kompo-
nenten, Funktionen und Erfüllungsgrade sind die Ränge der Funktionen abgebildet.
Zylinder Kolben
Impfstoff
Gewebe
Person
führt
führt
hält bewegthält
hältdrückt
deformiertdurchtränkttraumatisiert
nützliche Funktion – überzogen
nützliche Funktion – unzureichend
schädliche Funktion
nützliche Funktion – normal
(B)
(A2)
(B)
(A1)
(A1)
(A1)(A1)
(A2)
(A2)
Nadel
Komponente des technischen Systems
Komponente des Supersystem
Zielkomponente
Bild 4.18: Grafisches Funktionsmodell der Spritze [11]
Nach dem Aufstellen des Funktionsmodells erfolgt die Berechnung der einzelnen Kenn-
zahlen und die Bestimmung der Werte der Komponenten. Als eine Erweiterung wird für
die Injektionsspritze zusätzlich die erweiterte und die vereinfachte Funktionalität ermit-
telt. Ebenso wird sowohl der vereinfachte als auch der erweiterte Wert berechnet, um
noch einmal die Auswirkungen der Vereinfachungen und Erweiterungen darzulegen.
Bestimmung der Funktionalität F
Die Ermittlung der Funktionalität erfolgt wie im Abschnitt 3.2 beschrieben. In der Tabel-
le 4.12 sind die Ränge der Funktionen und die Funktionalitäten der Komponenten der
Spritze aufgeführt. Der niedrigste vorkommende Rang ist A2. Ihm wird ein Punkt, dem
Rang A1 zwei und dem Rang B vier Punkte zugewiesen. Die Komponente Nadel hat
mit sechs Punkten die höchste Punktzahl. Sie erhält somit die höchste Funktionalität
zehn. Es folgen der Zylinder mit 8,33 (56∗ 10) und der Impfstoff mit 6,67. Der Kolben
hat mit 3,33 die niedrigste Funktionalität.
4 Lehrbeispiele 80
Tabelle 4.12: Funktionalität F der Komponenten der Spritze [11]
Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F
Zylinder führt Kolben A2 1 5 8,33
hält Nadel A1 2
hält Impfstoff A1 2
Kolben bewegt Impfstoff A1 2 2 3,33
Nadel deformiert B 4 6 10,00
Gewebe
führt Impfstoff A1 2
Impfstoff durchtränkt B 4 4 6,67
Gewebe
Bestimmung der vereinfachten Funktionalität Feinf
Im Abschnitt 3.4.2 wurde die vereinfachte Funktionalitätsberechnung vorgestellt. In Ta-
belle 4.13 sind die vereinfachte Funktionalität und die Daten für ihre Berechnung auf-
geführt. Die Basisfunktionen erhalten dabei drei, Zusatzfunktionen zwei und Hilfsfunk-
tionen einen Punkt. Mit vier Punkten hat die Nadel die höchste Punktzahl. Sie hat damit
auch nach dieser Berechnung die höchste Funktionalität.
Tabelle 4.13: Vereinfachte Funktionalität Feinf der Komponenten der Spritze
Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte Feinf
Zylinder führt Kolben A2 1 3 7,5
hält Nadel A1 1
hält Impfstoff A1 1
Kolben bewegt Impfstoff A1 1 1 2,5
Nadel deformiert B 3 4 10,0
Gewebe
führt Impfstoff A1 1
Impfstoff durchtränkt B 3 3 7,5
Gewebe
Bestimmung der erweiterten Funktionalität Ferw
Die Bestimmung der erweiterten Funktionalität entspricht der im Abschnitt 3.4.2 er-
läuterten Vorgehensweise. In der Tabelle 4.14 ist die erweiterte Funktionalität und ih-
re Berechnung dokumentiert. Die Punktzahl des Ranges für Funktionen mit unzurei-
chendem oder überzogenem Erfüllungsgrad wird halbiert. Die Funktion Kolben bewegt
4 Lehrbeispiele 81
Impfstoff ist unzureichend. Daher werden die zwei Punkte für den Rang A1 mit 0,5
multipliziert. Die höchste Funktionalität nach dieser Berechnung erhält die Komponen-
te Zylinder und nicht mehr die Nadel.
Tabelle 4.14: Erweiterte Funktionalität Ferw der Komponenten der Spritze
Funktions- Funktion Funktions- Erfüllungs- Funktions- Σ der Ferw
träger rang grad punkte Punkte
Zylinder führt Kolben A2 N 1,0 x 1 5 10,0
hält Nadel A1 N 1,0 x 2
hält Impfstoff A1 N 1,0 x 2
Kolben bewegt Impfstoff A1 I 0,5 x 2 1 2,0
Nadel deformiert B E 0,5 x 4 4 8,0
Gewebe
führt Impfstoff A1 N 1,0 x 2
Impfstoff durchtränkt B N 1,0 x 4 4 8,0
Gewebe
Bestimmung der normierten Kosten
Für die Wertberechnung ist die Ermittlung der normierten Kosten der einzelnen Kom-
ponenten erforderlich, die in der Tabelle 4.15 zusammengestellt sind. Die teuerste
Komponente ist der Kolben mit 0,12 e. Er hat somit die normierten Kosten von zehn.
Die normierten Kosten von 7,5 für den Zylinder ergeben sich aus 0,090,12
∗ 10.
Tabelle 4.15: Kosten der Komponenten der Injektionsspritze
Komponente Kosten [e] normierte Kosten C
Zylinder 0,09 7,5
Kolben 0,12 10,0
Nadel 0,09 7,5
Impfstoff 0,05 4,2
Vereinfachte Wertbetrachtung
Zunächst wird der Wert nach der Formel 3.1 (V = FC
) aus dem Abschnitt 3.2 bestimmt.
Für die Funktionalität werden die drei verschieden berechneten Varianten F ,Feinf , Ferw
verwendet. In der Tabelle 4.16 sind die drei verschiedenen Werte für die einzelnen
Komponenten zusammengestellt.
4 Lehrbeispiele 82
Tabelle 4.16: Vergleich verschiedener Werte und Funktionalitäten der Spritze
Komponente C F V Feinf Veinf Ferw Verw
Zylinder 7,5 8,33 1,11 7,5 1,0 10,0 1,33
Kolben 10,0 3,33 0,33 2,5 0,25 2,0 0,2
Nadel 7,5 10,00 1,33 10,0 1,33 8,0 1,07
Impfstoff 4,2 6,67 1,59 7,5 1,79 8,0 1,90
Bei allen drei Varianten hat der Impfstoff den höchsten und der Kolben den niedrigsten
Wert. Auf Grund der Berücksichtigung des Erfüllungsgrads ist der Wert des Kolbens
und der Nadel bei der dritten Variante (Verw) im Vergleich zu den Werten der beiden
anderen Komponenten geringer.
C
F, Feinf, Ferw
5 10
5
10
Zylinder
Nadel
Kolben
Impfstoff
: F
: Feinf
: Ferw
F: FunktionalitätFeinf: Funktionalität- vereinfacht Ferw: Funktionalität- erweitertC: normierte Kosten
Bild 4.19: Stärkediagramm der Spritze bei den verschiedenen Funktionalitätsberechnungen
Im Bild 4.19 ist das Stärkediagramm für die Komponenten mit den drei verschiedenen
Funktionalitäten dargestellt. Es zeigt ebenso, dass für die Komponenten Nadel und
Kolben die Funktionalität bei Berücksichtigung des Erfüllungsgrads sinkt. Die Kom-
ponente Kolben befindet sich im rechten unteren Quadranten. Die Empfehlung lautet
hier, die Komponente zu trimmen. Die Nadel und der Zylinder liegen im oberen rechten
Quadranten. Sie haben eine hohe Funktionalität bei hohen Kosten. Hier sollte versucht
werden, die Kosten zu reduzieren. Der Impfstoff liegt in dem günstigen Quadranten
links oben. Hier besteht kein akuter Handlungsbedarf.
4 Lehrbeispiele 83
Erweiterte Wertbetrachtung
Zur Bestimmung des erweiterten Werts, wird die Formel 3.2 (Verweitert = F 2
C+P) ver-
wendet. Dazu muss zunächst der Problemrang der einzelnen Komponenten bestimmt
werden.
Tabelle 4.17: Ermittlung der Problemränge P der Injektionsspritze [11]
Komponente Wert überzogener Wert unzureichender Wert schädl. Σ Problem-Funktionen Funktionen Funktionen rang P
Zylinder 0 0 0 0 0,00
Kolben 0 14 0 14 5,19
Nadel 20 0 7 27 10,00
Impfstoff 0 0 0 0 0,00
In der Tabelle 4.17 sind die Problemränge der Komponenten der Spritze zusammen-
gestellt. Hier wird wie beim Programm TechOptimizer eine Skala von null bis 20 zur
Bewertung der Erfüllungsgrade und der schädlichen Funktionen verwendet [11]. Null
steht dabei für die geringste und 20 für die größtmögliche negative Ausprägung. Ei-
ne nützliche Funktion mit normalem Erfüllungsgrad hat damit den Wert null. Von den
Komponenten Zylinder und Impfstoff gehen nur nützliche Funktionen mit einem nor-
malen Erfüllungsgrad aus (vgl. dazu das Funktionsmodell Bild 4.17 und 4.18). Somit
betragen die Problemränge für den Zylinder und den Impfstoff null. Die Komponen-
te Kolben führt nur die Funktion bewegt Impfstoff aus. Bei dieser nützlichen Funktion
besteht ein unzureichender Erfüllungsgrad mit dem Wert 14. Die Komponente Nadel
ist sowohl Funktionsträger für eine schädliche Funktion mit dem Wert 7 als auch eine
überzogene nützliche Funktion mit dem Wert 20. Mit 27 hat die Nadel den höchsten
Wert von allen Komponenten und bekommt damit den Problemrang zehn zugewiesen.
Der Problemrang 5,19 der Komponente Kolben ergibt sich aus 1427∗ 10. Die Nadel ist
die Komponente, die am stärksten problembehaftet ist.
In der Tabelle 4.18 sind die Werte der Komponenten unter Berücksichtigung des Pro-
blemrangs aufgeführt. Zur Berechnung werden die Funktionalitäten aus Tabelle 4.12
verwendet. Die erweiterte Funktionalität kann hier nicht eingesetzt werden, da der Er-
füllungsgrad im Problemrang berücksichtigt wird. Wegen der Verwendung von Funk-
tionsrang, Problemrang und Kosten der Komponenten ist es hier wesentlich, dass alle
betrachteten Größen auf den gleichen Wert normiert sind. Die Komponente Kolben hat
auch bei dieser Betrachtung mit Abstand den schlechtesten Wert.
4 Lehrbeispiele 84
Tabelle 4.18: Erweiterte Wertberechnung Verweitert für die Spritze
Komponente F P C Verweitert
Zylinder 8,33 0 7,50 9,25
Kolben 3,33 5,19 10,00 0,73
Nadel 10,00 10 7,50 5,71
Impfstoff 6,67 0 4,17 10,67
Im Bild 4.20 ist das Ergebnis für die erweiterte Wertbetrachtung grafisch dargestellt.
Der Kolben liegt auch hier im rechten unteren Quadranten. Er ist die Komponente mit
der geringsten Funktionalität und weist relativ hohe Kosten und Probleme auf. Es bietet
sich an, diese Komponente zu trimmen.
C+P
1
F
2
3
4
5
6
7
8
9
10
2 4 6 8 12
Komponente
Zylinder 7,50 0,00 8,33
Kolben 10,00 5,19 3,33
Nadel 7,50 10,00 10,00
Impfstoff 4,17 0,00 6,67
normierte Kosten
Problem-rang
Funktio-nalität
Impfstoff
Nadel
Zylinder
KolbenF: FunktionalitätC: normierte KostenP: Problemrang
1410 16 18 20
Bild 4.20: grafische Darstellung der erweiterten Wertbetrachtung
Trimming
Das Trimmen des Kolbens erfordert eine Verteilung seiner nützlichen Funktionen auf
andere Komponenten. Von dem Kolben geht die Funktion Impfstoff bewegen aus (vgl.
Funktionsmodell Bild 4.17 und 4.18). Für diese Funktion wird die Regel C des Trim-
mings angewendet. Die Funktion muss damit von einem anderen, noch zu bestim-
menden Funktionsträger, ausgeführt werden. Hier fällt die Wahl auf die Komponente
Zylinder. Diese Komponente erfüllt die dritte Richtlinie für die Auswahl eines neuen
Funktionsträgers, da sie mit der Komponente Impfstoff bereits interagiert. Der Zylinder
führt bereits die Funktion hält Impfstoff aus. Dadurch ergibt sich folgendes Trimming-
4 Lehrbeispiele 85
problem: Wie kann die Funktion bewegt Impfstoff von der Komponente Zylinder erfüllt
werden?
Bei dem Programm TechOptimizer werden auch die nützlichen Funktionen, die auf
die zu trimmende Komponente weisen, näher betrachtet und überprüft, ob sie noch
benötigt werden. Die Funktion Person drückt Kolben entfällt, wenn die Komponente
Kolben eliminiert wird. Es wird daher überprüft, ob die Notwendigkeit besteht, dass ei-
ne Komponente von der Person gedrückt wird. In diesem Fall wird entschieden, dass
es notwendig ist und daher entsteht die Funktion Person drückt Zylinder. Die Funkti-
on Zylinder führt Kolben entfällt hingegen, da sie nicht mehr benötigt wird [11]. Hier
wird darauf verzichtet, denn es könnte eventuell später das Finden einiger Lösungs-
möglichkeiten behindern. Im Bild 4.21 ist das Funktionsmodell für die Spritze und das
anschließende Trimmingmodell dargestellt.
Zylinder Kolben
Impfstoff
Gewebe
Person
führt
führt
hält bewegthält
hältdrückt
deformiertdurchtränkttraumatisiert
Impfstoff
Gewebe
Person
Zylinder
führt
hälthält
hält
deformiertdurchtränkttraumatisiert
bewegt
Nadel Nadel
Trimmingproblem: Wie kann die Funktion bewegt Impfstoff von der Komponente Zylinder erfüllt werden?
Bild 4.21: Ein Trimmingmodell für die Injektionsspritze (vgl. [11])
Bei der Injektionsspritze ist das Problem zu lösen, wie der Zylinder den Impfstoff be-
wegen kann. Das Programm TechOptimizer versucht dieses Problem mit seiner Effekt-
datenbank zu lösen. Die Effektdatenbank des TechOptimizers enthält viele technische
Effekte und Beispiele zum Lösen eines Problems. Es werden mehrere möglichst pas-
sende Effekte oder Beispiele ausgesucht und hier an Hand von Kosten und der Dauer
der Einführung bewertet. [11]
4 Lehrbeispiele 86
Im Bild 4.22 ist rechts eine mögliche Lösungsvariante und links das dazugehörende
Funktionsmodell abgebildet. Durch die Gestaltung des Zylinders als einem Balg kann
der Impfstoff bewegt werden. Zur Bedienung des Balgs muss die Person, die die Imp-
fung durchführt, ihn drücken.
Zylinder
Impfstoff
Gewebe
führt
hälthält
hält
deformiertdurchtränkt
traumatisiert
bewegt
Nadel
Person
drückt
Balg
Bild 4.22: Funktionsmodell und eine mögliche Lösung für die Injektionsspritze (vgl. [11])
Es ist wäre allerdings noch zu prüfen, ob diese Lösung allen Anforderungen an eine
Injektionspritze genügt. Kann bei dieser Variante der Impfstoff exakt dosiert werden?
Ist es zuverlässig möglich, dass keine Luft mit injiziert wird?
4.2.2 Wertanalyse
Die Durchführung der Wertanalyse erfolgt an Hand der sechs im Kapitel 2 beschriebe-
nen Grundschritte.
Projekt vorbereiten
Da es sich auch hier um ein Lehrbeispiel handelt, sind die Projektauswahl, die Team-
bildung und das Planen des Projektablaufs nicht relevant. Das Ziel ist die Kostenredu-
zierung der Injektionsspritze.
Objektsituation analysieren
Die allgemeinen Informationen über die Spritze und ihre Kosten wurden bereits am An-
fang des Kapitels 4.2 aufgeführt. Bei der Analyse der Ist-Situation der Injektionsspritze
4 Lehrbeispiele 87
werden die zwei Hauptfunktionen Gewebe eindringen und Impfstoff spritzen ermittelt.
Die Nadel muss an der richtigen Stelle und Tiefe in das Gewebe des Patienten ein-
geführt und anschließend der Impfstoff in das Gewebe injiziert werden. Es handelt
sich damit um eine Gebrauchsfunktion, da sie ausschließlich für die Durchführung der
Impfung benötigt wird. Die Funktion Gewebe eindringen wird durch die Teilfunktionen
Haut durchstoßen und Spritze bewegen erreicht. Die Funktion Impfstoff spritzen kann
durch die Teilfunktionen Impfstoff bereitstellen, Impfstoff bewegen und Impfstoff füh-
ren realisiert werden. Im Bild 4.23 ist der Funktionenbaum der Ist-Situation der Spritze
abgebildet.
Gewebe eindringen
Spritze bewegen
Haut durchstoßen
Impfstoff bereitstellen
Gesamtfunktionen Teilfunktionen
Impfstoff spritzen
Impfstoff bewegen
Impfstoff führen
Bild 4.23: Funktionenbaum der Injektionsspritze
Für die Injektionsspritze gibt es zusätzliche Anforderungen, die nicht im Funktionen-
baum abgebildet sind. Zum einen muss eine genau bestimmte Menge Impfstoff ge-
spritzt werden und zum anderen ist es zu vermeiden, Luft mitzuspritzen.
Als Nächstes erfolgt die Aufteilung der Kosten der Injektionsspritze (Tabelle 4.11) auf
die Funktionen. Für die beiden Komponenten Kolben und Impfstoff ist dies eindeutig,
da diese nur für jeweils eine Funktion benötigt werden. Die beiden anderen Komponen-
ten werden allerdings für zwei bzw. drei Funktionen benötigt und somit ist die Auftei-
lung ihrer Kosten komplexer. In Tabelle 4.19 sind diese für die einzelnen Teilfunktionen
aufgelistet.
4 Lehrbeispiele 88
Tabelle 4.19: Aufteilung der Kosten [e] auf die Funktionen der Injektionsspritze
Haut Spritze Impfstoff Impfstoff Impfstoff Σdurchstoßen bewegen bereitstellen bewegen führen
Zylinder 0,03 0,06 0,09
Kolben 0,12 0,12
Nadel 0,04 0,01 0,04 0,09
Impfstoff 0,05 0,05
Σ 0,04 0,04 0,11 0,12 0,04 0,35
Soll-Zustand beschreiben
Zum Aufstellen der Soll-Funktionen der Spritze werden die Ist-Funktionen auf ihre Not-
wendigkeit hin überprüft. Die beiden Hauptfunktionen Gewebe eindringen und Impfstoff
spritzen sind unbedingt notwendig für das Spritzen des Impfstoffs und werden somit als
Soll-Funktionen übernommen. Die beiden Teilfunktionen Haut durchstoßen und Sprit-
ze bewegen sind erforderlich zum Erfüllen der Hauptfunktion Gewebe eindringen. Ge-
nauso sind die Teilfunktionen Impfstoff bereitstellen, Impfstoff bewegen und Impfstoff
führen erforderlich, um die Funktion Impfstoff spritzen zu ermöglichen. Somit wurden
sämliche Ist-Funktionen in Soll-Funktionen überführt.
Bei der Betrachtung der Kosten der einzelnen Teilfunktionen fällt auf, dass die beiden
Funktionen Impfstoff bereitstellen und Impfstoff bewegen mit 0,11 e und 0,12 e fast
zwei Drittel der Kosten verursachen. Es bietet sich an, besonders in diesem Bereich
zu versuchen, die Kosten zu reduzieren.
Lösungsideen entwickeln
Als Nächstes werden möglichst viele bekannte und neue Lösungsideen für die Spritze
gesucht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kostenreduzierung für die Funktionen
Impfstoff bereitstellen und Impfstoff bewegen.
Impfstoff
NadelNadel
Impfstoff
Luft
Lösung 1 (Skizze) Lösung 2 (Skizze)
bewegliche Scheibe
Bild 4.24: 2 Lösungsvorschläge für die Injektionsspritze (Skizzen)
4 Lehrbeispiele 89
Zwei Lösungsideen sind im Bild 4.24 dargestellt. Bei der ersten Variante wird der
Durchmesser des Zylinders der Spritze vergrößert und dessen Länge deutlich verkürzt.
Der Stiel des Kolbens wurde weggelassen. Mit Hilfe des Daumens wird der Impfstoff
vom Zylinder in die Nadel gedrückt und damit in die Haut gespritzt.
Bei der zweiten Alternative wird der Kolben durch einen elastischen Ballon ersetzt.
Durch das Eindrücken des Ballons wird der Impfstoff durch die Nadel in das Gewebe
gedrückt. Hier besteht allerdings das Problem, dass gewährleistet werden muss, dass
die korrekte Menge an Impfstoff und keine Luft gespritzt wird.
Lösung festlegen
Analog zum Beispiel Lagerabdichtung werden die einzelnen Lösungen mit Hilfe der
technisch-wirtschaftlichen Bewertung verglichen. In der Tabelle 4.20 sind die techni-
sche Wertigkeit und die Kosten für die fünf Teilfunktionen der Injektionsspritze aufgelis-
tet. Die Teilfunktionen werden bei diesem Beispiel alle gleich gewichtet. Die niedrigsten
Kosten verursacht Lösung 1. Ihre Kosten sind mit 0,29 e um knapp 20% geringer als
bei der ursprüngliche Lösung mit Kosten von 0,35 e.
Tabelle 4.20: Technische Wertigkeit und Kosten der Lösungen für die Teilfunktionen der Spritze
technische Wertigkeit KostenTeilfunktionen Lösung 1 Lösung 2 Lösung 1 Lösung 2
Haut durchstoßen 0,75 0,75 0,04 e 0,04 e
Spritze bewegen 0,75 0,75 0,04 e 0,05 e
Impfstoff bereitstellen 0,75 0,50 0,10 e 0,12 e
Impfstoff bewegen 0,75 0,50 0,07 e 0,06 e
Impfstoff führen 0,75 0,75 0,04 e 0,04 e
Σ 0,29 e 0,31 e
Aus diesen Werten werden die technischen und wirtschaftlichen Wertigkeiten der Lö-
sungen bestimmt. Mit dem Hyperbelverfahren (Formel 4.1, Seite 65) wird anschließend
die gesamte Wertigkeit der Lösungen berechnet. Die Werte sind in Tabelle 4.21 aufge-
listet. Mit einer Wertigkeit von 0,72 liegt die Lösung 1 vor der Lösung 2 mit 0,65.
Danach hat die Lösung 1 mit 0,72 die höchste Wertigkeit. Es ist allerdings noch zu
prüfen ob mit dieser Lösung die Impfung besser oder gleich gut ausgeführt werden
kann, wie mit der ursprünglichen Injektionsspritze.
4 Lehrbeispiele 90
Tabelle 4.21: Wertigkeit der Lösungen der Injektionsspritze
Lösung 1 Lösung 2
technische Wertigkeit (x) 0,75 0,65
wirtschaftliche Wertigkeit (y) 0,70 0,65
Wertigkeit (W) 0,72 0,65
Lösung verwirklichen
Dieser Schritt muss nicht näher betrachtet werden, da es sich hier um ein Lehrbeispiel
handelt, dessen Lösung nicht verwirklicht wird.
4.2.3 Vergleich
Analog zum Beispiel Lagerabdichtung ist die Aufteilung der Kosten auf die Komponen-
ten bzw. Funktionen bei der Funktionsanalyse erheblich einfacher. Bei der Wertanalyse
ist die Aufteilung der Kosten auf die einzelnen Funktionen nicht immer eindeutig.
Ein weiterer Vorteil der Funktionsanalyse ist die Berücksichtigung der schädlichen
Funktion Nadel traumatisiert Gewebe und der verschiedenen Erfüllungsgrade, die bei
der Wertanalyse nicht weiter beachtet werden.
Die Wertanalyse geht von den Funktionen, die die Spritze erfüllt bzw. erfüllen soll, aus
und betrachtet damit zunächst lediglich, welche Wirkung der Benutzer der Spritze von
ihr erwartet. Erst danach werden diese Grundfunktionen in Teilfunktionen untergliedert.
Nachteilig ist, dass dies recht abstrakt ist. Durch die Zerlegung der Spritze in ihre
Komponenten wird bei der Funktionsanalyse diese Abstraktion vermieden.
Bei der Funktionsanalyse wird durch das Trimming versucht, den Wert des Systems
durch Eliminierung von Komponenten zu erhöhen. Die bei der Funktionsanalyse ent-
wickelte Lösung der Spritze weist eine Komponente weniger auf als die ursprüngliche
Spritze und die Lösung durch die Wertanalyse. Oft wird zum Verbessern das System
um Komponenten erweitert. Das Trimming wirkt diesem Trend entgegen und versucht,
durch Eliminierung das System zu vereinfachen, Probleme zu beheben und Kosten zu
reduzieren.
91
5 Industriebeispiel
Nach der Durchführung der Wertanalyse und der Funktionsanalyse an Lehrbeispielen
werden in diesem Kapitel beide analytischen Ansätze an einem Industrieprojekt an-
gewendet. Bei diesem Projekt handelt es sich um das Einpressen einer Welle in ein
Läuferpaket bei der Fertigung von Motoren. Für diesen Arbeitsprozess ist eine neue
Anlage in Planung. Es bietet sich daher an, diesen Arbeitsplatz wertanalytisch zu be-
trachten und zu verbessern.
Zunächst erfolgt eine Erläuterung des Projekts und seiner Rahmenbedingungen. An-
schließend folgt die Beschreibung des Einsatzes der Wertanalyse und der Funktions-
analyse für dieses Projekt. Die in dieser Arbeit beschriebene Funktionsanalyse ist
eigentlich für die Untersuchung von Produkten ausgelegt. Bei der Analyse von Pro-
zessen wird normalerweise eine Erweiterung der Funktionsanalyse verwendet, die die
zeitlichen Aspekte stärker berücksichtigt. Da hier allerdings ein Beispiel zur beschrie-
benen Funktionsanalyse durchgeführt werden soll, wird hier die Funktionsanalyse für
Produkte auf einen Prozess angewendet. Abschließend werden die Erfahrungen mit
beiden Analyseansätzen bei diesem Projekt verglichen.
5.1 Prozessbeschreibung und Zielsetzungen
Das Projekt umfasst einen Prozessschritt bei der Läuferfertigung von Motoren. Bei den
zu fertigenden Motoren handelt es sich um Asynchron-Servomotoren (vgl. Bild 5.1) mit
einer Bemessungsleistung bis 385 kW und um große Drehstrom-Niederspannungs-
motoren [22].
5 Industriebeispiel 92
Bild 5.1: Motoren des Typs 1PH7 [23]
5.1.1 Grundschritte des Arbeitsplatzes
Der im Folgenden zu betrachtende Arbeitsplatz der Läuferfertigung lässt sich wie im
Bild 5.2 dargestellt in drei Abschnitte aufteilen.
Bleche auf Dorn stapeln, pressen,
messen & evtl. korrigierenGießen
Dorn auspressen,Welle in Läuferpaket
pressen
Gegenstand der Betrachtung
Bild 5.2: Die drei Grundschritte des Arbeitsplatzes
Als Erstes stapelt ein Mitarbeiter die vorgestanzten Bleche auf einen Dorn. Zur exakten
Messung der Höhe des Blechpakets wird dieser zusammengepresst und anschließend
werden je nach Bedarf zusätzliche Bleche zugeführt oder entfernt. Links im Bild 5.3 ist
der Dorn mit dem Blechpaket dargestellt. Da an diesem Arbeitsplatz Läufer mit großen
Abmessungen hergestellt werden, steht dem Mitarbeiter ein Kran zur Verfügung. Mit
Hilfe des Krans gelangt das auf einem Dorn gestapelte Blechpaket in eine Aluminium-
Gießanlage, in der aus dem Blechpaket das Läuferpaket - das ist der Läufer ohne die
Welle - entsteht (vgl. Bild 5.3 zweite Abbildung von links). Danach erfolgt das Aus-
pressen des Dorns. Durch den Gießvorgang erwärmt sich das Läuferpaket, wodurch
sich der Durchmesser des Achslochs des Läuferpakets vergrößert, so dass die Welle
eingepresst werden kann.
5 Industriebeispiel 93
Blechpaketbestehend aus vielen vorgestanzten Blechen
Dorn
vor dem Gießen nach dem Gießen nach dem Auspressen des Dorns
nach dem Ein- pressen der Welle
Läuferpaket Welle
Bild 5.3: Skizzen des Läuferpakets
Der dritte Grundschritt dieses Arbeitsplatzes (vgl. Bild 5.2) besteht aus vielen einzelnen
Arbeitsschritten. In diesem Bereich wird ein großes Potenzial für Verbesserungsmög-
lichkeiten gesehen und deshalb für die wertanalytische Betrachtung ausgewählt. Er
umfasst die Schritte von der Entnahme des Läuferpakets aus der Gießanlage bis zum
Bereitstellen des Läufers nach dem Einpressen der Welle für eine Weiterverarbeitung
an einem anderen Arbeitsplatz.
5.1.2 Komponenten der Läuferwellenpresse
Die wesentlichste Anlage bei diesem Prozess ist die Läuferwellenpresse, die den Dorn
aus dem Läuferpaket aus- und die Welle einpresst. Daher wird diese als Nächstes
genauer betrachtet. Eine Skizze von ihr befindet sich im Bild 5.4. Zur besseren Be-
schreibung des Prozessablaufs wird diese Maschine in die fünf Teile Tisch, Presse,
Platz 1, Platz 2 und Köcher unterteilt. Der Tisch nimmt das Läuferpaket auf. Er ist mit
Aussparungen versehen, um Deformationen des Aluminiums zu verhindern. Der Mit-
arbeiter kann den Tisch zwischen den drei verschiedenen Bereichen Platz 1, Presse
und Platz 2 der Maschine per Knopfdruck verschieben. Im Bereich Presse erfolgt das
5 Industriebeispiel 94
Auspressen des Dorns und das Einpressen der Welle. Platz 1 und Platz 2 sind Berei-
che der Maschine, an denen der Mitarbeiter das Läuferpaket bearbeiten kann. Durch
ein Podest am Platz 2 unterscheiden sich diese beiden Arbeitsplätze in der Arbeitshö-
he des Mitarbeiters. Der fünfte Bestandteil der Maschine ist der Köcher. Er fängt den
Dorn nach dem Auspressen auf. Zur Entnahme des Dorns verfährt der Mitarbeiter den
Köcher vom Bereich Presse zum Platz 1.
Platz 1 Platz 2Presse
Köcher(kann zwei verschiedene Positionen einnehmen)
Tisch(kann drei verschie-dene Positionen einnehmen)
Podest für den Arbeiter
Bild 5.4: Skizze der Läuferwellenpresse
5.1.3 Arbeitsschritte
Die wichtigsten Arbeitsschritte sind im Bild 5.5 zusammengestellt. In Klammern be-
findet sich hinter jedem Schritt der jeweilige prozentuale Anteil an der gesamten Pro-
zesszeit. Alle aufgeführten Arbeitsschritte erfolgen hintereinander und nicht parallel.
Die Addition der einzelnen prozentualen Zeiten ergibt damit 100%. Bei einigen Läufer-
typen entfallen einzelne Arbeitsschritte. Das prinzipielle Vorgehen ist bei allen Modellen
jedoch gleich. Zum besseren Verständnis ist unten im Bild eine Skizze des Arbeitsplat-
zes eingefügt. Die Nummern verweisen auf die Arbeitsschritte, die an dem jeweiligen
Ort durchgeführt werden. Mit verschiedenen Pfeilen sind die Wege des Läuferpakets,
der Welle und des Dorns gekennzeichnet.
5 Industriebeispiel 95
1 Entnahme des Dorns mit Läufer-paket aus Gießanlage (1,30%)
2 Aluminiumrest am Paket-umfang entfernen (4,30%)
Lüfterflügel und Tarierzapfen ent-graten bzw. abtrennen (8,20%)
3 Absetzen des Läuferpakets aufden Tisch am Platz 1 (5,86%)
4 Transport des Läuferpakets zur Presse (1,30%)
Transport mit Kran(1,30%)
Transport mit Kran(1,30%)
Auffangen des Dorns im Köcher (0,26%)
Auspressen des Dorns(3,91%)
5
Transport des Dorns per Kran(1,30%)
Dorn im Wasserbecken ablegen (4,17%)6
7 Transport des Läuferpakets vonder Presse zum Platz 2 (1,30%)
Einschlagen von Kennungenin das Läuferpaket (3,91%)
Läuferpaket innen entgraten(3,39%)
Drehung des Läuferpakets um 180 °(15,63%)
Läuferpaket innen einfetten(Seite 2) ( 1,56%)
8Transporthaken an
Welle anbringen (1,30%)
9 Welle in Läuferpaket absetzen(4,56%)
Transporthaken entfernen(1,30%)
10 Welle und Läuferpaket in Presse transportieren (1,30%)
Welle in Läuferpaketeinpressen (3,39%)
11 Läufer aus Presse herausfahren(1,30%)
„Schutz“-Adapter entfernen(1, 04%)
Transport des Dorns imKöcher zum Platz 1 (1,30%)
Entnahme des Dorns aus dem Köcher (0,65%
Welle mit Kran in senkrechte Position bringen (6,51%)
Welle mit Kran transportieren(3,00%)
„Schutz“-Adapter auf Welle setzten (1,04%)
12 Läufer mit Kran zur Ablagetransportieren (3,00%)
Läufer ablegen (6,51%)
Transporthaken an Wellebefestigen (1,30%)
Lieferschein anbringen(0,65%)
Transporthaken entfernen( 1,30%)
Platz 1
Wasserbecken
Presse Platz 2
Ablage
Köcher
1
2
3 4
56
7
8
9
10
12
1
: Weg der Welle: Weg des Läuferpakets
: Weg des Dorns: Transport durch Kran
Gieß-anlage
Köcher
11
Läuferpaket innen einfetten(Seite 1) (1,56%)
Läuferwellenpresse
Bild 5.5: Arbeitsschritte mit ihren Zeiten
5 Industriebeispiel 96
Die Betrachtung beginnt mit der Entnahme des Läuferpakets aus der Gießanlage. Da-
zu wird der Dorn an einem Kran befestigt und zusammen mit dem Läuferpaket ent-
nommen. Zwischen der Gießanlage und der Läuferwellenpresse erfolgt eine Unterbre-
chung des Transports, um das am Kran hängende Läuferpaket zu bearbeiten. Dabei
werden überschüssiges Aluminium vom Paketumfang entfernt, die Lüfterflügel entgra-
tet und die Tarierzapfen, die auf Grund des Gießens entstehen, abgetrennt. Anschlie-
ßend folgt der Weitertransport zur Läuferwellenpresse. Das Läuferpaket wird auf den
Tisch, der sich auf Platz 1 befindet, abgesetzt. Der Mitarbeiter muss dabei die Ausspa-
rungen des Tisches genau treffen, um Beschädigungen des noch heißen Aluminiums
zu vermeiden. Dazu ist eine bestimmt Arbeitshöhe erforderlich. Der Köcher befindet
sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls am Platz 1.
Das Läuferpaket wird auf dem Tisch in die Presse gefahren und der Dorn ausgepresst.
Diesen nimmt der Köcher, der gleichzeitig mit dem Tisch zur Presse gefahren wurde,
auf und fährt zum Platz 1 zurück. Dort befestigt der Mitarbeiter den Dorn am Kran und
transportiert ihn zum Wasserbecken.
Das Läuferpaket fährt nach dem Entfernen des Dorns auf dem Tisch zum Platz 2.
Der Mitarbeiter geht auf das Podest und schlägt von dort aus Kennungen in das Läu-
ferpaket, entgratet es und fettet die obige Seite des Achslochs des Läuferpakets ein.
Anschließend wird das Läuferpaket unter Zuhilfenahme des Krans gewendet. Es er-
folgt das Einfetten des Achslochs auf der anderen Seite.
Als Nächstes bringt der Mitarbeiter einen Transporthaken an der in der Ablage be-
reitgestellten Welle an. Da die Welle sich in einer horizontalen Lage befindet, muss
sie zunächst aufgerichtet werden. Anschließend wird sie mit dem Kran zum Platz 2
transportiert. Dort wird die Welle auf dem Achsloch des Läuferpakets abgesetzt. Zur
korrekten Positionierung durch den Mitarbeiter ist das Podest am Platz 2 erforderlich.
Der Mitarbeiter entfernt anschließend den Transporthaken und setzt einen Adapter auf
die Welle. Dieser soll den Wellenspiegel beim Einpressen vor Verformungen schützen.
Nach diesen Vorbereitungen wird der Tisch mit dem Läuferpaket und der Welle in die
Presse gefahren und die Welle in das Läuferpaket eingepresst. Der Tisch mit dem
Läufer fährt anschließend wieder zum Platz 2. Der Mitarbeiter entfernt den Adapter und
befestigt den Transporthaken an der Welle des Läufers. Danach wird dieser mit dem
5 Industriebeispiel 97
Kran zur Ablage transportiert und abgelegt. Das Ablegen des Läufers ist zeitaufwendig,
da er dazu in eine horizontale Position gebracht werden muss. Als Letztes entfernt der
Mitarbeiter den Transporthaken und bringt den Lieferschein an.
5.1.4 Kosten der Anlage
In Tabelle 5.1 sind die Kosten der Läuferwellenpresse, der Krananlage und des Was-
serbeckens aufgeführt. Für die Läuferwellenpresse ist zusätzlich angegeben wie sich
die Kosten auf ihre Bereiche Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch verteilen. Dies
sind die Kosten für eine Wiederbeschaffung der aktuellen Anlage. Bei den Kosten han-
delt es sich nicht um Angaben in Euro, da die exakten Zahlen nicht in dieser Arbeit
aufgeführt werden sollen. Die Kosten der Läuferwellenpresse wurden fiktiv mit 100000
angesetzt und die übrigen Kosten dementsprechend umgerechnet.
Tabelle 5.1: Kosten der aktuellen Anlage
Bestandteil Kosten Bereich Kosten
Läuferwellenpresse 100000 Presse 63429
Platz 1 10015
Platz 2 13774
Köcher 12030
Tisch 702
Kran 33082
Wasserbecken 1805
5.1.5 Ziele der wertanalytischen Betrachtung
Da der Kauf einer neuen Anlage geplant ist, ist eine Veränderung des gesamten Auf-
baus der Anlage möglich. Ein Ziel dieser Untersuchung ist daher eine Optimierung der
Kosten beim Kauf der neuen Anlage.
Bei dem hier betrachteten Prozess liegt der Engpass beim Mitarbeiter. Die Anlage war-
tet auf den Mitarbeiter und ist nicht ausgelastet. Durch eine Reduzierung der Durch-
laufzeit des betrachteten Prozesses könnten die Lohnkosten einer Läuferwelle gesenkt
5 Industriebeispiel 98
werden. Zusätzlich würde dadurch ein höherer Durchsatz ermöglicht. Ein Ziel der wert-
analytischen Betrachtung ist daher auch, die benötigte Arbeitszeit für diesen Prozess
zu reduzieren.
5.2 Wertanalyse
In diesem Abschnitt wird die Wertanalyse für den gerade beschriebenen Prozess durch-
geführt. Von den sechs Grundschritten der Wertanalyse werden allerdings nur die ers-
ten vier näher betrachtet. Die Schritte Lösungen festlegen und Lösungen verwirklichen
sind nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit.
5.2.1 Projekt vorbereiten
Das zu betrachtende WA-Objekt ist der bereits beschriebene Prozess von der Entnah-
me des Läuferpakets aus der Gießanlage bis zum Anbringen des Lieferscheins an den
fertigen Läufer. Das Ziel ist sowohl einen niedrigen Preis beim Kauf der neuen Anla-
ge zu erreichen als auch die Arbeitszeiten für diesen Prozess zu senken, um so die
Lohnkosten pro Läufer zu reduzieren und den Durchsatz zu erhöhen.
5.2.2 Objektsituation analysieren
In diesem Abschnitt erfolgt das Erstellen des Funktionenbaums und die Ermittlung der
Ist-Kosten und Ist-Zeiten der einzelnen Funktionen. Die Beschreibung der Ist-Situation
des Prozesses erfolgte bereits im Kapitel 5.1.
Funktionenbaum
Der nächste Schritt ist das Aufstellen des Funktionenbaums dieses Prozesses, der im
Bild 5.6 dargestellt ist. Die Grundfunktionen lassen sich in Haupt- und Nebenfunktio-
nen des Prozesses untergliedern. Die wesentliche Aufgabe dieses Prozesses ist, die
Welle in das Läuferpaket einzupressen. Die Hauptfunktion lautet somit Welle einpres-
sen. Dieser Prozess hat noch einige zusätzliche Aufgaben. Der Läufer muss nach dem
5 Industriebeispiel 99
Einpressen der Welle für den Transport zum nachfolgenden Arbeitsplatz bereitgestellt
werden. Außerdem ist das Einschlagen von Kennungen in das Läuferpaket notwendig.
Zusätzlich ist eine Wiederverwendung des Dorns für eine spätere erneute Anwendung
zu ermöglichen. Damit ergeben sich die Nebenfunktionen Läufer bereitstellen, Ken-
nungen einschlagen und Dorn wiederverwenden.
Die Grundfunktion Welle einpressen wird durch die Teilfunktionen Läuferpaket vor-
bereiten, Welle vorbereiten und Pressung durchführen erreicht. Zur Vorbereitung des
Läuferpakets ist eine Vergrößerung des Achslochs für das Einpressen der Welle not-
wendig. Dies geschieht durch das Erwärmen des Läuferpakets beim Gießen. Da das
flüssige Aluminium vor allem in die äußeren Bereiche des Blechpakets gelangt, dauert
es einige Minuten, bis die Wärme in das Innere weitergeleitet wird und das Achs-
loch sich vergrößert. Beim Vorbereiten des Läuferpakets müssen die Tarierzapfen, die
durch den Gießprozess entstehen, abgetrennt und überschüssiges Aluminium vom
Rand entfernt werden. Zusätzlich ist ein Entgraten der Lüfterflügel und des Achslochs
erforderlich. Um die notwendige Gleitung zwischen Welle und Läuferpaket zu gewähr-
leisten, erfolgt das Einfetten des Achslochs des Läuferpakets. Ebenso muss das Läu-
ferpaket für die Durchführung der Pressung positioniert werden.
Bei der Vorbereitung der Welle muss zunächst die Welle aus der Ablage entnommen
werden. Dazu ist das Anbringen eines Transporthakens und das Aufrichten der Welle
in eine vertikale Position notwendig. Ebenso ist der Schutz der Welle vor Verformungen
beim Pressen erforderlich. Dazu entfernt der Mitarbeiter den Transporthaken und setzt
einen Adapter auf die Welle. Außerdem muss sie für die Pressung korrekt positioniert
werden.
Die Nebenfunktion Läufer bereitstellen wird durch die Funktionen Läufer transportieren
und Lieferschein anbringen erreicht. Um den Läufer zu transportieren, ist der Adapter
zu entfernen und der Transporthaken anzubringen. Der Läufer muss außerdem be-
wegt und bei der Ablage zwischengelagert werden. Zum Schluss erfolgt das Entfernen
des Transporthakens. Zur Erfüllung der Nebenfunktion Dorn wiederverwenden sind die
vier Funktionen Dorn auspressen, Dorn auffangen, Dorn bewegen und Dorn abkühlen
notwendig.
5 Industriebeispiel 100
Welle einpressen
Kennungeneinschlagen
Dorn wiederverwenden
Läuferpaket vorbereiten
Welle vorbereiten
Pressungdurchführen
Läuferbereitstellen
Läuferpaket entgraten
Läuferpaketeinfetten
Tarierzapfenabtrennen
Lüfterflügel entgraten
Läuferpaket innen entgraten
Achslochvergrößern
Läuferpaketpositionieren
Welle positionieren
Welle entnehmen
Läufer transportieren
Dorn auspressen
Dorn auffangen
Dorn bewegen
Dorn abkühlen
Aluminiumreste entfernen
Grundfunktionen Teilfunktionen
Welle schützen
Transporthaken anbringen
Welle aufrichten
Transporthaken entfernen
Adapter aufsetzen
Adapterentfernen
Transporthaken anbringen
Hauptfunktion Nebenfunktionen
Lieferschein anbringen
Läufer bewegen
Läufer ablegen
Transporthaken entfernen
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
Bild 5.6: Funktionenbaum
5 Industriebeispiel 101
Ist-Kosten der Ist-Funktionen
Als Nächstes erfolgt die Zuteilung der Kosten des aktuellen Arbeitsplatzes auf die ge-
rade ermittelten Funktionen. Da die Kosten der Anlage und die Lohnkosten sich nicht
direkt vergleichen lassen, werden sie getrennt voneinander betrachtet.
Tabelle 5.2: Aufteilung der Kosten auf die Ist- Funktionen
Läuferwellenpresse Kran Wasserbecken Σ
Σ 100% 100000 100% 33082 100% 1805 134887
Achsloch vergrößern 0% 0 0% 0 0% 0 0
Tarierzapfen abtrennen 0% 0 2% 662 0% 0 662
Aluminiumreste entfernen 0% 0 2% 662 0% 0 662
Lüfterflügel entgraten 0% 0 2% 662 0% 0 662
Läuferpaket innen entgraten 2% 2000 0% 0 0% 0 2000
Läuferpaket einfetten 2% 2000 0% 0 0% 0 2000
Läuferpaket positionieren 12% 12000 21% 6947 0% 0 18947
Transporthaken anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Welle aufrichten 0% 0 5% 1654 0% 0 1654
Transporthaken entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Adapter aufsetzen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Welle positionieren 4% 4000 21% 6947 0% 0 10947
Pressung durchführen 42% 42000 0% 0 0% 0 42000
Adapter entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Transporthaken anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Läufer bewegen 2% 2000 21% 6947 0% 0 8947
Läufer ablegen 0% 0 5% 1654 0% 0 1654
Transporthaken entfernen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Lieferschein anbringen 0% 0 0% 0 0% 0 0
Markierungen anbringen 2% 2000 0% 0 0% 0 2000
Dorn auspressen 19% 19000 0% 0 0% 0 19000
Dorn auffangen 10% 10000 0% 0 0% 0 10000
Dorn bewegen 5% 5000 21% 6947 0% 0 11947
Dorn abkühlen 0% 0 0% 0 100% 1805 1805
In der Tabelle 5.2 sind in der ersten Spalte die jeweils detailliertesten Funktionen des
Funktionenbaums aufgeführt. In der zweiten, vierten und sechsten Spalte ist angege-
ben, wie viel Prozent der Kosten der Läuferwellenpresse, des Krans und des Was-
serbeckens auf die jeweiligen Funktionen entfallen. Zur Aufteilung der Kosten bei der
Läuferwellenpresse wurde berücksichtigt wie sich die Kosten auf ihre fünf Bestandtei-
le, Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch, verteilen (siehe dazu Tabelle 5.1). In
5 Industriebeispiel 102
den restlichen Spalten sich die sich daraus ergebenden Kosten aufgeführt. Die Kosten
von Transporthaken, Adapter der Welle und Dorn werden nicht berücksichtigt, da sie
bereits vorhanden sind und keine Neuanschaffung erforderlich ist.
Zur Übersichtlichkeit sind in Tabelle 5.3 noch einmal die Kosten für die Grund- und
Teilfunktionen der ersten und zweiten Stufe zusammengestellt. Die Hauptfunktion Wel-
le einpressen verursacht somit 59% und die Nebenfunktionen Läufer bereitstellen 8%,
Kennungen einschlagen 1% und Dorn wiederverwenden 32% der gesamten Anlage-
kosten.
Tabelle 5.3: Ist-Kosten der Grund- und Teilfunktionen
Grundfunktionen Teilfunktionen
Funktion Kosten Stufe 1 Kosten Stufe 2 Kosten
Welle 79534 Läuferpaket 24933 Achsloch vergrößern 0
einpressen (59%) vorbereiten (19%) Tarierzapfen abtrennen 662
Aluminiumreste entfernen 662
Läuferpaket entgraten 2662
Läuferpaket einfetten 2000
Läuferpaket positionieren 18947
Welle vorbereiten 12601 Welle entnehmen 1654
(9%) Welle schützen 0
Welle positionieren 10947
Pressung 42000
durchführen (31%)
Läufer 10601 Läufer 10601 Adapter entfernen 0
bereitstellen (8%) transportieren Transporthaken anbringen 0
Läufer bewegen 8947
Läufer ablegen 1654
Transporthaken entfernen 0
Lieferschein 0
anbringen
Kennungen 2000
einschlagen (1%)
Dorn 42752 Dorn auspressen 19000
wieder- (32%) Dorn auffangen 10000
verwenden Dorn bewegen 11947
Dorn abkühlen 1805
5 Industriebeispiel 103
Ist-Zeiten der Ist-Funktionen
Das Ziel ist neben dem Senken der Anschaffungskosten auch die Reduzierung der
Prozesszeiten, um den Arbeitslohn pro Läufer zu vermindern. In Tabelle 5.4 sind die
aktuellen Zeiten in Prozent den Teilfunktionen der Hauptfunktion Welle einpressen zu-
gewiesen. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Teilfunktionen in ihre drei Stufen
unterteilt (vgl. Bild 5.6).
Tabelle 5.4: Ist-Zeiten der Hauptfunktion
Hauptfunktion Welle einpressen - Gesamtzeit: 66,80%ihre Teilfunktionen
Stufe 1 Zeit Stufe 2 Zeit Stufe 3 Zeit
Läuferpaket 45,05% Achsloch vergrößern 0,00%
vorbereiten Tarierzapfen abtrennen 4,10%
Aluminiumreste entfernen 4,30%
Läuferpaket entgraten 7,49% Lüfterflügel entgraten 4,10%
Läufer innen entgraten 3,39%
Läuferpaket einfetten 3,12%
Läuferpaket positionieren 26,04%
Welle 18,36% Welle entnehmen 7,81% Transporthaken anbringen 1,30%
vorbereiten Welle aufrichten 6,51%
Welle schützen 2,34% Transporthaken entfernen 1,30%
Adapter aufsetzen 1,04%
Welle positionieren 8,21%
Pressung 3,39%
durchführen
Die 4,10% bei Tarierzapfen abtrennen bedeuten, dass diese Teilfunktion 4,10% der
Zeit des betrachteten Prozesses in Anspruch nimmt. Die meisten Zeiten konnten rela-
tiv einfach mit den Zeiten der einzelnen Prozessschritte (Bild 5.5) übernommen wer-
den. Daher wird im Folgenden nur auf die Zeiten der Funktionen, die sich aus mehreren
Schritten zusammensetzen, näher eingegangen. Die 26,04% der Funktion Läuferpaket
positionieren setzen sich aus den Zeiten mehrerer Schritte zusammen. Zum Positio-
nieren des Läuferpakets muss es erst aus der Gießanlage entnommen, zur Läuferwel-
lenpresse transportiert und dort abgesetzt werden. Anschließend erfolgt das Bewegen
auf dem Tisch von Platz 1 zu Platz 2 und das Wenden um 180°. Die Zeit für das Fah-
ren des Läuferpakets in die Presse wird nur zur Hälfte dazu gerechnet. Ebenso wurde
jeweils die Zeit für die Entnahme aus der Gießanlage, der Transport per Kran und von
5 Industriebeispiel 104
Platz 2 zur Presse nur zur Hälfte dem Läuferpaket angerechnet. Die andere Hälfte
wird größtenteils der Funktion Dorn bewegen der Nebenfunktion Dorn wiederverwen-
den zugeordnet. Die 8,21% der Teilfunktion aus Stufe 2 Welle positionieren setzen sich
aus der Zeit für das Transportieren der Welle mit dem Kran, dem Absetzen der Welle
ins Achsloch des Läuferpakets und aus der anderen Hälfte der Transportzeit von Platz
2 zur Presse zusammen.
Die Hauptfunktion beansprucht damit 66,80% der gesamten Prozesszeit. Dabei er-
fordert ihre Teilfunktion Läuferpaket vorbereiten 45,05%, das Vorbereiten der Welle
18,36% und die Pressung durchführen 3,39% der Zeit des Prozesses.
Tabelle 5.5: Ist-Zeiten der Nebenfunktionen
Nebenfunktionen Teilfunktionen
Funktionen Zeit Stufe 1 Zeit Stufe 2 Zeit
Läufer bereitstellen 15,10% Läufer 14,45% Adapter entfernen 1,04%
transportieren Transporthaken 1,30%
anbringen
Läufer bewegen 4,30%
Läufer ablegen 6,51%
Transporthaken 1,30%
entfernen
Lieferschein 0,65%
anbringen
Kennungen einschlagen 3,91%
Dorn 14,19% Dorn auspressen 3,91%
wiederverwenden Dorn auffangen 0,26%
Dorn bewegen 5,85%
Dorn abkühlen 4,17%
In der Tabelle 5.5 sind die Ist-Zeiten der Nebenfunktionen Läufer bereitstellen, Ken-
nungen einschlagen und Dorn wiederverwenden aufgeführt. Auch hier wird nur auf die
Zeiten der Funktionen näher eingegangen, die nicht direkt aus dem Bild 5.5 übernom-
men werden können. Die 4,30% der Teilfunktion der Stufe 2 Läufer bewegen setzen
sich aus den Zeiten für das Herausfahren des Läufers aus der Presse (1,3%) und für
den Transport des Läufers per Kran (3,00%) zusammen. Die Zeiten für die Entnahme
aus der Gießanlage, der Transport per Kran zur Läuferwellenpresse und das Bewegen
des Läuferpakets mit dem Dorn auf dem Tisch von Platz 1 zur Presse werden zur Hälf-
te der Funktion Dorn bewegen zugerechnet. Zusätzlich umfasst diese Funktion den
5 Industriebeispiel 105
Transport des Dorns im Köcher von der Presse zum Platz 1, die Entnahme des Dorns
aus dem Köcher und den Transport des Dorns zum Wasserbecken.
Das Bereitstellen des Läufers für die nachfolgenden Arbeitsschritte sowie das Vorbe-
reiten für eine Wiederverwendung des Dorns benötigen ungefähr 15% der gesamten
Prozesszeit.
5.2.3 Soll-Zustand beschreiben
Nachdem die momentane Situation beschrieben, die Ist-Funktionen aufgestellt und
diesen die Ist-Kosten und -Zeiten zugewiesen wurden, werden als Nächstes die Soll-
Funktionen betrachtet. Dazu wird jede Funktion auf ihre Notwendigkeit kontrolliert.
Ebenso erfolgt die Überprüfung, ob alle notwendigen Funktionen vorhanden sind. Der
Funktionenbaum für die Soll-Funktionen ist im Bild 5.7 dargestellt.
Die Grundfunktionen Welle einpressen, Läufer bereitstellen, Kennungen einschlagen
und Dorn wiederverwenden sind notwendig und werden als Soll-Funktionen übernom-
men.
Die Teilfunktionen Läuferpaket vorbereiten, Welle vorbereiten und Pressung durchfüh-
ren der Grundfunktion Welle einpressen sind ebenfalls erforderlich und damit Soll-
Funktionen. Die Teilfunktionen auf der Stufe 2 Achsloch vergrößern, Tarierzapfen ab-
trennen, Aluminiumreste entfernen und Läuferpaket entgraten der Funktion Läuferpa-
ket vorbereiten werden ohne Veränderung von den Ist-Funktionen übernommen. Denn
die Art der Verbindung zwischen Welle und Läuferpaket, das Aufschrumpfen des Läu-
ferpakets auf die Welle, soll beibehalten werden. Die übrigen Funktionen sind durch
den Gießprozess bedingt, der bei diesem Projekt nicht betrachtet und verändert wird.
Die Teilfunktion Läuferpaket positionieren ist notwendig zur Erfüllung der Funktion Läu-
ferpaket vorbereiten und damit ebenso eine Soll-Funktion. Es ist dagegen nicht unbe-
dingt notwendig, dass der Läufer eingefettet wird. Es ist erforderlich, dass eine ge-
eignete Gleitung beim Pressen vorhanden ist. Dies könnte auch auf eine andere Art
gewährleistet werden. Daher wird diese Ist-Funktion nicht als eine Soll-Funktion über-
nommen.
5 Industriebeispiel 106
Welle einpressen
Kennungeneinschlagen
Dorn wiederverwenden
Läuferpaket vorbereiten
Welle vorbereiten
Pressungdurchführen
Läuferbereitstellen
Läuferpaket entgraten
Tarierzapfenabtrennen
Lüfterflügel entgraten
Läuferpaket innen entgraten
Achslochvergrößern
Läuferpaketpositionieren
Welle positionieren
Welle entnehmen
Gleitunggewährleisten
Presse betätigen
Läufertransportieren
Dorn freilegen
Aluminiumreste entfernen
Grundfunktionen Teilfunktionen
Hauptfunktion Nebenfunktionen
Lieferschein anbringen
Beschädigungenverhindern
erneuten Einsatzermöglichen
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
Bild 5.7: Funktionenbaum der Soll-Funktionen
Die beiden Funktionen Welle entnehmen und Welle positionieren sind für die Erfül-
lung der Funktion Welle vorbereiten notwendig und damit auch Soll-Funktionen. Die
Funktion Welle entnehmen wird allerdings nicht weiter untergliedert, um die Lösungs-
möglichkeiten für sie nicht einzuschränken. Die Funktion Welle schützen wird nicht als
Soll-Funktion übernommen, da sie beispielsweise nicht notwendig ist, wenn der Ein-
pressprozess so verändert wird, dass eine Beschädigung der Welle ausgeschlossen
ist.
5 Industriebeispiel 107
Die Funktion Pressung durchführen wird unterteilt in Gleitung gewährleisten, Presse
betätigen und Beschädigungen verhindern. Sowohl das Gleiten als auch das Vermei-
den von Beschädigungen sind beim Pressen wesentlich. Diese müssen allerdings nicht
notwendigerweise beim Vorbereiten des Läuferpakets bzw. der Welle erfüllt werden.
Daher erfolgt ihre Zuweisung zur Funktion Pressung durchführen.
Die Nebenfunktion Läufer bereitstellen wird in die Soll-Funktionen Läufer transportie-
ren und Lieferschein anbringen unterteilt. Läufer transportieren umfasst alle Prozesse,
die notwendig sind, um den Läufer aus der Presse zur Ablage zu befördern und abzu-
legen. Die Soll-Funktionen, in die die Nebenfunktion Dorn wiederverwenden unterteilt
wird, sind Dorn freilegen und erneuten Einsatz ermöglichen. Dorn freilegen umfasst
den Prozess, der notwendig ist, um den Dorn vom Läuferpaket zu trennen.
Ansatzpunkte für Verbesserungen
Als Nächstes werden die Soll-Kosten und die Soll-Arbeitszeiten für die Soll-Funktionen
und mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen ermittelt.
Die Hauptfunktion Welle einpressen verursacht 59% der Kosten (siehe Tabelle 5.3)
und nimmt 66,8% der Arbeitszeit (siehe Tabelle 5.4) in Anspruch. Von ihren Teilfunk-
tionen der Stufe 1 ist Pressung durchführen die teuerste. Hier ist der Versuch ange-
bracht, Kosten einzusparen. Die Funktion Läuferpaket positionieren benötigt momen-
tan 26,04% der Arbeitszeit und 14% der gesamten Kosten. Eine Einsparung von Kos-
ten und Zeit wäre hier anzustreben. Auf die Teilfunktion Welle vorbereiten fallen 9%
der Kosten und 18% der Prozesszeit. Auch hier sind Verbesserungen wünschenswert.
Bei der Nebenfunktion Läufer bereitstellen sollten vor allem die Kosten und Zeiten beim
Läufer transportieren gesenkt werden. Die Funktion Lieferschein anbringen braucht da-
gegen nicht weiter betrachtet werden. Die Nebenfunktion Kennungen einschlagen ver-
ursacht im Vergleich zu den anderen Funktionen sehr wenig Kosten und Zeit. Hier sind
kaum Einsparungspotenziale vorhanden. Dagegen beansprucht die Funktion Dorn wie-
derverwenden relativ hohe Kosten und eine lange Prozesszeit. Auch hier sollte nach
neuen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.
In Tabelle 5.6 sind mögliche Soll-Kosten und Soll-Zeiten der Soll-Funktionen zusam-
mengestellt. Dabei sind die Soll-Kosten zwischen zehn und 20% geringer als die ent-
sprechenden Ist-Kosten.
5 Industriebeispiel 108
Tabelle 5.6: Soll-Kosten und Soll-Zeiten der Soll-Funktionen
Grundfunktionen Teilfunktionen
Funktionen Kosten Zeit Stufe 1 Kosten Zeit
Welle einpressen 72500 57,00% Läuferpaket vorbereiten 21000 37,00%
Welle vorbereiten 11500 14,00%
Pressung durchführen 40000 6,00%
Läufer bereitstellen 9400 10,65% Läufer transportieren 9400 10,00%
Lieferschein anbringen 0 0,65%
Kennungen einschlagen 2000 3,91%
Dorn 35000 9,00% Dorn freilegen 18000 3,9%
wiederverwenden erneuten Einsatz ermöglichen 17000 5,10%
5.2.4 Lösungsideen entwickeln
Im Folgenden werden einige Lösungsideen für die Funktionen kurz vorgestellt. Hier-
bei gilt vor allem Quantität vor Qualität. Die Beurteilung der Realisierbarkeit dieser
Lösungsvorschläge muss anschließend noch erfolgen. Dies ist allerdings nicht mehr
Bestandteil dieser Arbeit.
Läuferpaket positionieren
Diese Funktion umfasst das Bewegen des Läuferpakets von der Gießanlage in die
richtige Position zum Pressen. Eine Möglichkeit wäre, das Läuferpaket bereits beim
Verlassen der Gießanlage auf den Tisch zu setzen und auf Rollbahnen zur Läuferwel-
lenpresse zu befördern. Dadurch würde der Kran zwischen Gießanlage und Läufer-
wellenpresse nicht mehr benötigt werden.
Das Wenden des Läuferpakets am Platz 2 ist zeitaufwendig. Es könnte versucht wer-
den, den Prozess so anzupassen, dass darauf verzichtet werden kann.
Zum Positionieren des Läuferpakets auf dem Tisch wird der Platz 1 verwendet. Der
Platz 1 wird sonst nur noch für den Köcher benötigt. Daher könnte auf den Platz 1
verzichtet werden, wenn beides vom Platz 2 übernommen werden könnte. Für die Po-
sitionierung des Läuferpakets ist eine gute Sicht auf die Aussparungen des Tisches
notwendig. Durch das Podest am Platz 2 würde der Mitarbeiter höher stehen und die
Sicht wäre beeinträchtigt. Dies könnte durch eine Vertiefung im Podest behoben wer-
den.
5 Industriebeispiel 109
Welle entnehmen
Aktuell wird zur Entnahme der Welle ein Transporthaken an ihr angebracht und die
Welle in eine senkrechte Position überführt. Das zeitintensive Aufrichten in die Senk-
rechte könnte entfallen, wenn die Wellen bereits senkrecht zur Verfügung gestellt wer-
den könnten.
Pressung durchführen
Die Anlagekosten für diese Funktion sind sehr hoch. Es könnte versucht werden, eine
billigere Presse zu finden.
Gleitung gewährleisten
Statt das Innere des Läuferpakets einzufetten, könnte die Welle entsprechend präpa-
riert werden.
Beschädigungen verhindern
Um Beschädigungen an der Welle beim Pressen zu verhindern, wird aktuell der Trans-
porthaken abgeschraubt und ein Adapter auf die Welle gesetzt. Es könnte versucht
werden, den Adapter und den Transporthaken zu kombinieren, so dass diese Kom-
bination sowohl zum Transport und als auch beim Pressen eingesetzt werden kann.
Die Presse könnte auch so modifiziert werden, dass ein Adapter nicht mehr notwendig
wäre.
Läufer transportieren
Kann die Beschädigung der Welle beim Pressen, wie gerade vorgeschlagen, vermie-
den werden, entfällt das Entfernen des Adapters und das Anbringen des Transportha-
kens. Außerdem könnte versucht werden, die fertigen Läufer senkrecht auf der Ablage
abzustellen, um damit das zeitaufwendige Ablegen zu vermeiden.
Erneuten Einsatz des Dorns ermöglichen
Das Wasserbecken wird nur für das Abkühlen des Dorns verwendet. Durch neue Mög-
lichkeiten beim Abkühlen könnte das Wasserbecken entfallen. Der Köcher könnte be-
reits mit Wasser gefüllt sein und in ihm der Dorn abkühlen. Da der Platz 1 nach dem
Auspressen des Dorns nicht mehr benötigt wird, könnte an dieser Stelle der Köcher
mit dem Dorn bis zur Beendigung des Prozesses verbleiben. Eine weitere Möglichkeit
wäre, dass die Kühlung des Dorns durch ein anderes Medium, z.B. kalte Luft, erfolgt.
5 Industriebeispiel 110
Um die Prozesszeiten beim Bewegen des Dorns zu verkürzen, könnte der Dorn nach
dem Auspressen durch Rutschen in das Wasserbecken oder in einen anderen Auffang-
behälter gelangen. Dadurch könnte der Köcher und der im Moment recht aufwendige
Transport zum Wasserbecken entfallen.
5.2.5 Lösungen festlegen und verwirklichen
Die Auswahl von Lösungsvorschlägen, deren Bewertungen und schließlich das Spe-
zifizieren der neuen Anlage und der einzelnen Arbeitsschritte und alle nachfolgenden
Schritte sind nicht mehr Gegenstand dieser Diplomarbeit.
5.3 Funktionsanalyse
Nach der Anwendung der Wertanalyse wird für dieses Projekt die Funktionsanalyse
durchgeführt. Mit den drei Schritten Komponentenanalyse, Interaktionsanalyse und
Funktionsmodellierung erfolgt das Aufstellen des Funktionsmodells. Anschließend wer-
den Kennwerte berechnet und mögliche Strategien für die einzelnen Komponenten er-
mittelt. Beim abschließenden Trimming werden verschiedene Trimmingvarianten vor-
gestellt.
5.3.1 Komponentenanalyse
Als Erstes erfolgt das Erstellen des Komponentenmodells, das im Bild 5.8 dargestellt
ist. Beim technischen System handelt es sich um die Läuferwellenpresse. Das tech-
nische System wurde entwickelt, um die Welle in das Läuferpaket einzupressen. Die
Hauptfunktion ist damit Welle einpressen.
Das technische System besteht aus mehreren Komponenten. Die Läuferwellenpresse
wird dabei in die fünf Komponenten Presse, Platz 1, Platz 2, Köcher und Tisch aufge-
teilt. Diese Bestandteile wurden bereits im Kapitel 5.1 erläutert und im Bild 5.4 grafisch
dargestellt. Die weiteren Komponenten sind der Dorn, der Kran, das Wasserbecken
5 Industriebeispiel 111
zum Abkühlen des Dorns, der Transporthaken und der Adapter, die den Transport der
Welle ermöglichen und die Welle beim Pressen schützen.
Die Komponenten des Supersystems sind die Zielkomponente Welle, das Läuferpaket,
in das die Welle eingepresst wird, der Mitarbeiter und der Lieferschein.
technisches System Hauptfunktion
Welle einpressen
Presse Welle
Platz1
Platz 2 Mitarbeiter
Köcher Lieferschein
Tisch
Dorn
Kran
Adapter
Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Läuferwellenpresse
Läuferpaket
Wasserbecken
Transporthaken
Bild 5.8: Komponentenmodell
5.3.2 Interaktionsanalyse
Nach der Festlegung aller relevanten Komponenten werden deren Interaktionen mitein-
ander betrachtet. Im Bild 5.9 ist die Interaktionstabelle für diesen Prozess aufgeführt.
In der ersten Zeile und Spalte sind die Komponenten aus dem Komponentenmodell
aufgeführt. Die „+” und „-” Zeichen zeigen an, ob mindesten eine Interaktion vorliegt
oder nicht. Für die meisten Komponenten ist es offensichtlich, mit welchen Komponen-
ten sie interagieren, daher wird nur sporadisch auf einige eingegangen. Die Presse ist
baulich mit Platz 1 und Platz 2 verbunden und interagiert damit mit ihnen. Die Presse
interagiert zusätzlich noch mit Köcher, Tisch, Dorn, Adapter und Mitarbeiter. Der Mit-
arbeiter interagiert mit sehr vielen Komponenten. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich
um einen gering automatisierten Prozess handelt.
Es gibt keine Komponente, die nicht mit einer anderen Komponente interagiert. Damit
ist auch keine aus der Tabelle zu entfernen.
5 Industriebeispiel 112
Pre
sse
Pla
tz 1
Pla
tz 2
Köcher
Tis
ch
Dorn
Kra
n
Adapte
r
Welle
Mita
rbeite
r
Presse - + + + + + - - - + - - + -
Platz 1 + - - + + - - - - - - - + -
Platz 2 + - - - + - - - - - - - + -
Köcher + + - - - + - - - - - - + -
Tisch + + + - - - - - - - - + - -
Dorn + - - + - - + + - - - + + -
Kran - - - - - + - - + - - - + -
- - - - - + - - - - - - - -
- - - - - - + - - - + - + -
Adapter + - - - - - - - - - + - + -
Welle - - - - - - - - + + - + + -
- - - - + + - - - - + - + +
Mitarbeiter + + + + - + + - + + + + - +
- - - - - - - - - - - + + -
Wasser-
becken
Tra
nsport-
haken
Läufe
r-
paket
Lie
fer-
schein
Wasser-becken
Transport-haken
Läufer-paket
Liefer-schein
+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen beiden Komponenten
Bild 5.9: Interaktionstabelle
5.3.3 Funktionsmodellierung
Nachdem die Komponenten und ihre Interaktionen identifiziert wurden, erfolgt das Er-
stellen des Funktionsmodells. Das Ziel ist, die Kosten der vorgesehenen Neubeschaf-
fung zu senken und die Arbeitszeit des Mitarbeiters für diesen Prozess zu reduzieren.
Es ist nicht die primäre Aufgabe, schädliche Funktionen zu eliminieren und den Erfül-
lungsgrad nützlicher Funktionen zu verbessern. Daher werden für dieses Funktionsmo-
dell nur nützliche Funktionen betrachtet, wobei deren Erfüllungsgrad unberücksichtigt
bleibt.
5 Industriebeispiel 113
Funktion Rang Kommentare
Presse
presst Dorn aus A2
hält Tisch A2
bewegt Tisch A2
hält Köcher A3
bewegt Köcher A3
drückt Adapter A1
Platz 1
bewegt Tisch A2
hält Tisch A2
bewegt Köcher A3
hält Köcher A3
Platz 2
hält Tisch A2
bewegt Tisch A2
hält Mitarbeiter Ad = A1
Köcher
hält Dorn A2
Tisch
Ad = A1
Dorn
Ad = A1
Kran
hält Dorn A2
bewegt Dorn A2
A1
A1
kühlt Dorn A2
hält Welle B
Mitarbeiter steht auf dem Podest des Platz 2
hält Läuferpaket
hält Läuferpaketbeim Transport per
Kran hält der Dorn das Läuferpaket
hält Transporthaken
bewegt Transporthaken
Wasserbecken
Transporthaken
Funktion Rang Kommentare
Adapter
presst Welle ein B
Welle
Ad = A1
hält Adapter A1
hält Dorn A2
hält Welle B
Mitarbeiter
Ad = A1
Ad = A1 auf den Tisch
Ad = A1
Ad = A1
Ad = A1
befestigt Dorn A2 am Kran ( 2 x )
löst Dorn A2 vom Kran ( 2 x )
steuert Kran A2
steuert Presse A2
steuert Platz 1 A2
steuert Platz 2 A2
A1 an der Welle ( 2 x )
A1 von der Welle ( 2 x)
befestigt Adapter A1 auf der Welle
entfernt Adapter A1 von der Welle
positioniert Welle B
befestigt Lieferschein Ad = A1
Lieferschein
Ad = A1
hält Läuferpaketnach dem Einpressen hält die W. das L. beim
Transport
Läuferpaket L. liegt auf dem Tisch, der Dorn wird durch L.
gehalten Die Welle wird vor dem
Pressen auf dem L. positioniert
bearbeitet Läuferpaketentfernt über-
schüssiges Aluminium und Tarierzapfen
positioniert Läuferpaket
markiert Läuferpaket
fettet Läuferpaket ein
entgratet Läuferpaket
z.B. wann Köcher von Platz 1 zur Presse
gefahren wirdz.B. wann Tisch von Platz 2 zur Presse
gefahren wird
befestigt Transporthaken
entfernt Transporthaken
positioniert Welle auf dem Läufer für das
Einpressen
markiert Läuferpaket
Bild 5.10: tabellarisches Funktionsmodell
Im Bild 5.10 ist das tabellarische Funktionsmodell des Prozesses aufgeführt, das mit
Hilfe der Interaktionstabelle (Bild 5.9) erstellt wurde. In der ersten Spalte stehen die
Funktionen, die von dem jeweiligen Funktionsträger ausgehen. Die zweite Spalte zeigt
5 Industriebeispiel 114
den Rang der Funktion und in der dritten Spalte befinden sich Anmerkungen zu den
Funktionen. Es zeigt deutlich, dass viele Funktionen vom Mitarbeiter ausgehen.
Lieferschein
Welle
Platz 1
Wasserbecken
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
Adapter
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
kühlt
hält
presst ein
drückt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuertsteuert
befe
stig
t
entfe
rnt
befestigt
entfernt
posi
tioni
ert
befestigt
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
Platz 2
hält
Komponente des technischen Systems
ZielkomponenteSupersystem-Komponente
Bild 5.11: Grafisches Funktionsmodell
5 Industriebeispiel 115
Das grafische Funktionsmodell ist im Bild 5.11 dargestellt. Es ist an Hand dieses Bilds
deutlich zu erkennen, von welchen Komponenten viele Funktionen ausgehen und auf
welche viele wirken. Der Dorn ist beispielsweise nur Funktionsträger für eine Funktion,
während er das Objekt der Funktion bei acht Funktionen ist.
5.3.4 Kennwertberechnungen und mögliche Strategien
In der Tabelle 5.7 erfolgt die Berechnung der Funktionalitäten der einzelnen Kompo-
nenten.
Tabelle 5.7: Berechnung der Funktionalität
Funktions- Funktion Funktions- Funktions- Σ der Funktionalitätträger rang punkte Punkte F
Presse presst Dorn aus A2 2 11 10,00
hält Tisch A2 2
bewegt Tisch A2 2
hält Köcher A3 1
bewegt Köcher A3 1
drückt Adapter A1 3
Platz 1 bewegt Tisch A2 2 6 5,45
hält Tisch A2 2
bewegt Köcher A3 1
hält Köcher A3 1
Platz 2 hält Tisch A2 2 7 6,36
bewegt Tisch A2 2
hält Mitarbeiter Ad = A1 3
Köcher nimmt Dorn auf A2 2 2 1,82
Tisch hält Läuferpaket Ad = A1 3 3 2,73
Dorn hält Läuferpaket Ad = A1 3 3 2,73
Kran hält Dorn A2 2 10 9,09
bewegt Dorn A2 2
hält Transporthaken A1 3
bewegt Transporthaken A1 3
Wasserbecken kühlt Dorn ab A2 2 2 1,82
Transporthaken hält Welle B 5 5 4,55
Adapter drückt Welle B 5 5 4,55
5 Industriebeispiel 116
Der kleinste vorkommende Rang ist A3. Er erhält damit einen Punkt. Folglich bekommt
A2 zwei, A1 drei und B fünf Punkte. Als Nächstes erfolgt die Addition der Punkte der
Funktionen, die von demselben Funktionsträger ausgehen. Die höchste Punktzahl hat
die Komponente Presse mit elf Funktionspunkten und erhält damit die Funktionalität
zehn. Die Funktionalitäten der übrigen Komponenten ergeben sich durch die Division
ihrer Funktionspunkte durch die elf Funktionspunkte der Presse multipliziert mit zehn.
Der Köcher und das Wasserbecken haben mit jeweils 1,82 die niedrigste Funktionali-
tät.
In der Tabelle 5.8 sind die normierten Kosten in Spalte 3 und der Wert in Spalte 5
der einzelnen Komponenten eingetragen. In der zweiten Spalte sind die Kosten der
Komponenten aus Tabelle 5.1 aufgeführt. Für den Dorn, den Transporthaken und den
Adapter sind keine Kosten angegeben, da sie bereits vorhanden sind und nicht neu
beschafft werden müssen. Die höchsten Kosten liegen bei der Presse. Ihre normierten
Kosten betragen 10,00. Die übrigen normierten Kosten ergeben sich aus dem Quoti-
enten der Kosten der Komponente und der Kosten der Presse multipliziert mit zehn.
Die Lohnkosten, die bei der Wertanalyse betrachtet wurden, werden dem Mitarbeiter
zugeordnet, der eine Komponente des Supersystems ist und damit hier nicht verän-
dert werden kann. Der Wert der Komponenten ergibt sich aus der Formel 3.1 (V = FC
).
Der Wert für den Dorn, den Transporthaken und den Adapter geht, da die Kosten null
betragen, gegen unendlich. Mit 22,75 hat der Tisch den höchsten und der Köcher mit
0,96 den niedrigsten Wert der übrigen Komponenten.
Tabelle 5.8: Berechnung der normierten Kosten und des Werts der Komponenten
Komponente Kosten normierte Kosten C Funktionalität F Wert V
Presse 63429 10,00 10,00 1,04
Platz 1 10015 1,58 5,45 3,45
Platz 2 13774 2,17 6,36 2,93
Köcher 12030 1,90 1,82 0,96
Tisch 752 0,12 2,73 22,75
Dorn 0 0,00 2,73 -
Kran 66165 5,22 9,09 1,74
Wasserbecken 1805 0,28 1,82 6,50
Transporthaken 0 0,00 4,55 -
Adapter 0 0,00 4,55 -
5 Industriebeispiel 117
Im Bild 5.12 ist das Stärkediagramm abgebildet. Die Komponenten Presse und Kran
befinden sich im rechten oberen Quadranten. Sie weisen eine hohe Funktionalität bei
hohen Kosten auf. Hier sollte versucht werden, die Kosten zu reduzieren, indem bei-
spielsweise eine billigere Presse, die die gleichen Funktionen erfüllt, und eine andere
Krananlage bzw. eine andere Transportmöglichkeit eingesetzt werden. Der Transport-
haken, der Adapter, der Tisch, der Dorn, das Wasserbecken und der Köcher liegen
im Quadranten links unten. Sie verursachen geringe Kosten, haben aber auch nur ei-
ne geringe Funktionalität. Es sollte versucht werden, ihre Funktionalität zu steigern,
indem sie z.B. Funktionen von anderen Komponenten übernehmen, die dadurch elimi-
niert werden können. Platz 1 und Platz 2 liegen im linken oberen Quadranten. Hier ist
vorerst keine Verbesserung notwendig.
C
1
F
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
F: FunktionalitätC: normierte Kosten
Komponente
Presse 10,00 10,0
Platz 1 1,58 5,45
Platz 2 2,17 6,36
Köcher 1,90 1,82
Tisch 0,12 2,73
Dorn 0,00 2,73
Kran 5,22 9,09
0,28 1,82
0,00 4,55
Adapter 0,00 4,55
normierte Kosten C Funktionalität F
Wasserbecken
Transporthaken
Presse
Platz 1
Platz 2
Köcher
TischDorn
Transporthaken
Kran
Adapter
Wasserbecken
Bild 5.12: Stärkediagramm
Zusätzlich sollte zu diesen Handlungsempfehlungen versucht werden, die Anzahl der
Funktionen, die vom Mitarbeiter ausgehen, zu verringern. Denn von der Arbeitszeit, die
der Mitarbeiter für diesen Prozess benötigt, hängen im hohen Maße die Lohnkosten
und der Durchsatz ab. Können Funktionen, die der Mitarbeiter ausführt, eliminiert oder
umverteilt werden, könnten sich die Prozesszeit verringern und die Lohnkosten für den
Läufer reduzieren lassen.
5 Industriebeispiel 118
5.3.5 Trimming
Normalerweise bietet es sich an, die Komponenten, die sich im unteren rechten Qua-
dranten des Stärkediagramms (vgl. Bild 5.12) befinden, zu trimmen. Bei diesem Pro-
zess liegen keine Komponenten in diesem Quadranten (vgl. Bild 5.12). Daher wird
versucht, Komponenten aus der linken Hälfte des Stärkediagramms zu eliminieren und
ihre Funktionen auf andere Komponenten umzulagern. Dadurch können Kosten ein-
gespart werden. Auch wenn beispielsweise der Köcher „nur” 1,9 normierte Kosten
aufweist und damit im Stärkediagramm weit links angeordnet ist, verursacht er jedoch
neun Prozent der gesamten Anlagekosten. Neben der Reduzierung der Kosten würde
auch durch die Eliminierung von Komponenten das System vereinfacht, was zusätzlich
zu einer Verminderung der Prozesszeit führen könnte. Für diesen Prozess werden drei
verschiedene Trimmingmodelle vorgestellt. Dabei werden verschiedene Problemstel-
lungen formuliert, zu denen Lösungen erarbeitet werden können. Die Beurteilung der
Realisierbarkeit und die Auswahl der Lösung müssen anschließend noch erfolgen. Sie
sind allerdings nicht mehr Bestandteil dieser Arbeit.
Trimmingmodell - Variante 1
Lieferschein
Welle
Platz 1
Wasserbecken
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
Adapter
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
kühlt
hält
presst ein
drückt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuert
steuert
befestigt
entfe
rnt
befestigt
entfernt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
Trimmingprobleme:
1. Wie kann die Komponente Köcher die Funktion kühlt Dorn erfüllen?2. Wie kann die Komponente Presse die Funktion presst Welle ein erfüllen?3. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion hält Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion bewegt Köcher erfüllen? 5. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion hält Tisch erfüllen?6. Wie kann die Komponente Platz 2 die Funktion bewegt Tisch erfüllen?
Lieferschein
Welle
Platz 2
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
hältbewegt
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuert
befestigt
entfe
rnt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
kühlt
presst ein
bewegt
hält
hält
Platz 2
hält
hältbewegt
Bild 5.13: Trimmingmodell- Variante 1
5 Industriebeispiel 119
Im Bild 5.13 ist das erste Trimmingmodell dargestellt. Es sollen dabei das Wasserbe-
cken, der Adapter und der Platz 1 getrimmt werden. In Tabelle 5.9 ist das Trimming für
diese Variante kurz zusammengefasst.
Tabelle 5.9: Trimming - Variante 1
zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger
Wasserbecken kühlt Dorn Regel C Köcher Wie kann der Köcher die
(Richtlinie 3) Funktion kühlt Dorn erfüllen?
Adapter presst Regel C Presse Wie kann die Presse die
Welle ein (Richtlinie 1) Funktion presst Welle ein erfüllen?
Platz 1 hält Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die
Köcher (Richtlinie 1) Funktion hält Köcher erfüllen?
bewegt Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die
Köcher (Richtlinie 1) Funktion bewegt Köcher erfüllen?
hält Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die
Tisch (Richtlinie 1) Funktion hält Tisch erfüllen?
bewegt Regel C Platz 2 Wie kann der Platz 2 die
Tisch (Richtlinie 1) Funktion bewegt Tisch erfüllen?
Das Wasserbecken verursacht geringe Kosten. Es hat allerdings auch nur eine ge-
ringe Funktionalität. Ohne das Wasserbecken entfällt auch ein Teil des Handlings mit
dem Dorn. Das Wasserbecken führt nur die Funktion kühlt Dorn aus. Nach der Trim-
mingregel C (vgl. Bild 3.30) kann diese Funktion eliminiert werden, wenn eine andere
Komponente diese Funktion ausführt. Dazu wird die Komponente Köcher verwendet,
die die Richtlinie 3 (vgl. Bild 3.33), erfüllt. Es ergibt sich dadurch das Trimmingproblem,
wie der Köcher den Dorn kühlen könnte.
Der Adapter hat eine geringe Funktionalität und verursacht keine neuen Anschaffungs-
kosten. Der Mitarbeiter muss ihn allerdings sowohl befestigen als auch entfernen. Die
Komponente kann eliminiert werden, wenn ihre einzige nützliche Funktion presst Wel-
le ein von einer anderen Komponenten übernommen werden könnte. Es bietet sich
an, die Presse als neuen Funktionsträger für diese Funktion auszuwählen, da sie mit
drückt Adapter eine ähnliche Funktion ausführt. Dadurch entsteht das Trimmingpro-
blem, wie die Presse die Welle einpressen kann ohne den Wellenspiegel zu beschädi-
gen.
5 Industriebeispiel 120
Der Platz 1 weist eine relativ hohe Funktionalität auf. Er verursacht allerdings auch
sieben Prozent der Kosten der Anlage. Zusätzlich ähnelt er in seinem Aufbau dem
Platz 2. Daher soll er getrimmt werden. Von ihm gehen vier nützliche Funktionen aus.
Für alle vier Funktionen bietet sich als neuer Funktionsträger der Platz 2 an, da er
selbst ähnliche Funktionen ausführt. Dadurch ergeben sich die Trimmingprobleme wie
der Platz 2 den Köcher und den Tisch halten und bewegen könnte.
Lösungsvorschlag für Variante 1
Ein Lösungsvorschlag zum Kühlen des Dorns wäre, den Köcher bereits mit einem
kühlen Medium wie z.B. Wasser zu füllen. Zum Einpressen der Welle durch die Presse
könnte diese so modifiziert werden, dass sie die Welle beim Einpressen ohne Adapter
nicht beschädigt. Der Platz 1 wird benötigt für eine geeignete Arbeitshöhe des Mit-
arbeiters, damit er das Läuferpaket passgenau auf dem Tisch absetzen kann. Durch
Spiegel oder Monitore könnte versucht werden, dass der Mitarbeiter diese Arbeit auch
auf einer höheren Arbeitsebene verrichten kann.
Trimmingmodell - Variante 2
Lieferschein
Welle
Platz 1
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuert
befestigt
entfe
rnt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
kühlt
presst ein
Lieferschein
Welle
Platz 1 Platz 2
Wasserbecken
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
Adapter
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
kühlt
hält
presst ein
drückt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuertsteuert
befestigt
entfe
rnt
befestigt
entfernt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
Trimmingprobleme:
1. Wie kann die Komponente Dorn die Funktion kühlt Dorn erfüllen?2. Wie kann die Komponente Transporthaken die Funktion presst Welle ein erfüllen?3. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion hält Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion bewegt Köcher erfüllen?4. Wie kann die Komponente Platz 1 die Funktion hält Mitarbeiter erfüllen?
hält hält
hält
bewegt
Bild 5.14: Trimmingmodell - Variante 2
5 Industriebeispiel 121
Das 2. Trimmingmodell ist im Bild 5.14 wiedergegeben. Hier werden das Wasserbe-
cken, der Adapter und Platz 2 eliminiert. Die nützliche Funktion kühlt Dorn des Was-
serbeckens soll hier vom Dorn selbst übernommen werden (Trimmingregel B vgl. Bild
3.29). Die einzige nützliche Funktion presst Welle ein des Adapter wird vom Transport-
haken übernommen. Vom Platz 2 gehen die nützlichen Funktionen hält Tisch, bewegt
Tisch und hält Mitarbeiter aus. Es bietet sich an, dass die beiden Funktionen hält
Tisch und bewegt Tisch vom Platz 1 übernommen werden, da dieser bereits die glei-
chen Funktionen ausführt. Auch die dritte Funktion hält Mitarbeiter soll vom Platz 1
übernommen werden. Das Trimming für diese Variante ist in Tabelle 5.10 zusammen-
gefasst.
Tabelle 5.10: Trimming - Variante 2
zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger
Wasserbecken kühlt Dorn Regel B Dorn Wie kann der Dorn die
Funktion kühlt Dorn erfüllen?
Adapter presst Regel C Transporthaken Wie kann der Transporthaken die
Welle ein (Richtlinie 3) Funktion presst Welle ein erfüllen?
Platz 2 hält Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die
Tisch (Richtlinie 1) Funktion hält Tisch erfüllen?
bewegt Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die
Tisch (Richtlinie 1) Funktion bewegt Tisch erfüllen?
hält Regel C Platz 1 Wie kann der Platz 1 die
Mitarbeiter (Richtlinie 3) Funktion hält Mitarbeiter erfüllen?
Lösungsvorschlag für Variante 2
Eine Lösung, dass der Dorn sich selbst kühlt, wäre durch eine Änderung seiner geome-
trischen Form möglich. Eine Variante bestünde in einer Vergrößerung der Oberfläche
des Dorns z.B. durch ein Loch in der Mitte, um die Wärme schneller abzuführen. Eine
andere Möglichkeit wäre der Einsatz mehrerer Dorne und die einzelnen Dorne an der
Luft abkühlen zulassen.
Der Transporthaken könnte so modifiziert werden, dass er beim Pressen auf der Welle
bleibt und diese vor Beschädigungen schützt. Der Platz 1 könnte baulich so verändert
werden, dass der Mitarbeiter auf der einen Seite die optimale Arbeitshöhe für das
Ablegen des Läuferpakets auf dem Tisch hat und dass sich auf der anderen Seite des
5 Industriebeispiel 122
Platz 1 ein Podest befindet, das die geeignete Höhe für das Positionieren der Welle
auf dem Achsloch des Läuferpakets aufweist.
Trimmingmodell - Variante 3
Lieferschein
Welle
Platz 1
Wasserbecken
Kran
Transporthaken
Dorn
Tisch
KöcherKöcher
Presse
Adapter
presst aus
hält
bewegt
hält
bewegt
bewegt
hält
bewegt
hält
hält
bewegt
hält
hält
hält
hält
bewegt
hält
bewegt
kühlt
hält
presst ein
drückt
hält
hält
hält
hält
markiert
befestigt
löst
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuert
steuert
befestigt
entfe
rnt
befestigt
entfernt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
Trimmingprobleme:
1. Wie kann die Komponente Tisch die Funktion hält Läuferpaket erfüllen?2. Wie kann die Komponente Transportmittel die Funktion bewegt Tisch erfüllen?3. Wie kann die Komponente Transportmittel die Funktion hält Tisch erfüllen?
presst ein
hält
Platz 2
Lieferschein
Welle
Kran
Transporthaken
Tisch
Presse
Adapter
hält
bewegt
hält
bewegt
hält
bewegt
hält
presst ein
drückt
hält
hält
hält
markiert
positioniert
fettet ein
bearbeitet
entgratet
steuert
steuert
steuert
befestigt
entfe
rnt
befestigt
entfernt
positioniert
befe
stig
t
markiert
Mitarbeiter
Läuferpaket
hält
Platz 2
Transportmittel
Presse
steuert
hältbewegt
hält
hält
Bild 5.15: Trimmingmodell- Variante 3
Ausgangssituation für die dritte Variante (Bild 5.15) ist das Eliminieren des Köcher.
Dieser kann getrimmt werden, wenn die nützliche Funktion Köcher hält Dorn nicht
mehr erforderlich ist. Nach der Trimmingregel A (vgl. Bild 3.28) trifft dies zu, wenn der
Dorn eliminiert wird. Dazu muss dessen nützliche Funktion hält Läuferpaket von einer
anderen Komponente ausgeführt werden. Hierzu wird die Komponente Tisch ausge-
wählt, da sie bereits die Funktion hält Läuferpaket ausführt. Durch das Eliminieren des
Dorns wird die Funktion kühlt Dorn nicht mehr benötigt. Damit kann das Wasserbe-
cken entfernt werden. Durch das Eliminieren des Köchers fallen die Funktionen hält
Köcher und bewegen Köcher der Komponenten Platz 1 und Presse weg. Vom Platz 1
gehen damit nur noch die zwei nützlichen Funktionen bewegt Tisch und hält Tisch aus,
die von einer anderen Komponente übernommen werden. Da keine geeignete Kompo-
nente vorhanden ist, wird eine neue Komponente Transportmittel eingeführt, die diese
Funktionen übernimmt. In Tabelle 5.11 ist das Trimming für diese Variante noch einmal
kurz zusammengestellt.
5 Industriebeispiel 123
Tabelle 5.11: Trimming - Variante 3
zu trimmende Funktion Trimming- neuer TrimmingproblemKomponente regel Funktionsträger
Köcher hält Dorn Regel A
Dorn hält Regel C Tisch Wie kann der Tisch die Funktion
Läuferpaket (Richtlinie 1) hält Läuferpaket erfüllen?
Wasserbecken kühlt Dorn Regel A
Platz 1 hält Köcher Regel A
bewegt Köcher Regel A
hält Tisch Regel C Transportmittel Wie kann ein Transportmittel die
(Richtlinie 4) Funktion hält Tisch erfüllen?
bewegt Tisch Regel C Transportmittel Wie kann ein Transportmittel die
(Richtlinie 4) Funktion bewegt Tisch erfüllen?
Lösungsvorschlag für Variante 3
Eine Lösungsidee ist, den Dorn bereits direkt nach dem Gießen zu entfernen. Beim
Gießen erwärmt sich somit das Läuferpaket und der Dorn. Könnte der Dorn noch in der
Gießanlage gekühlt werden z.B. durch ein Loch in seiner Mitte, durch das ein kühles
Medium geleitet würde, könnte dieser eventuell bereits in der Gießanlage entnommen
werden. Der Köcher und das Wasserbecken wären durch das frühzeitige Entfernen
und Kühlen des Dorns nicht mehr erforderlich. Das Läuferpaket könnte bereits in der
Gießanlage auf den Tisch gesetzt werden und über ein Transportmittel z.B. Rollbänder
zum Platz 2 befördert werden. Durch diese Lösung könnte auf Wasserbecken, Köcher,
Platz 1 und den Transport des Krans zwischen Gießanlage und Läuferwellenpresse
verzichtet werden. Zusätzlich könnte die Zeit für das aufwendige Handling mit dem
Dorn eingespart werden.
5.4 Vergleich
Für den Arbeitsplatz beim Einpressen der Welle wurden die Wertanalyse und die Funk-
tionsanalyse durchgeführt. Mit beiden Verfahren wurden mehrere Lösungsideen entwi-
ckelt. Dass einige Ideen sich ähneln oder gleich sind, liegt vermutlich daran, dass die
Ausarbeitung beider Verfahren nicht durch zwei unabhängige Gruppen erfolgte.
5 Industriebeispiel 124
Bei der Durchführung haben beide Verfahren sowohl Vorteile als auch Schwachstellen
gezeigt. Im Bild 5.16 sind diese übersichtlich zusammengestellt.
FunktionsanalyseWertanalyseV
orte
ileN
acht
eile
● einfache Struktur● gute Visualisierung● Kostenzuweisung relativ einfach● Berechnung von Kennzahlen● Aufzeigen von möglichen
Strategien für einzelne Komponenten
● genaue Überlegungen, welche Funktionen von dem Prozess ausgeführt werden bzw. ausgeführt werden sollten.
● Hinterfragung jeder Funktion auf ihre Notwendigkeit
● Funktionen sind an keine Komponenten gebunden
● Zuweisung der Arbeitszeiten zu den Funktionen relativ einfach
● nur die Funktionen, die von einer zu trimmenden Komponente ausgehen, werden hinterfragt
● das Aufstellen des Funktionenbaums ist subjektiv
● Zuweisung der Kosten der Anlage auf die Funktionen schwierig
Bild 5.16: Vergleich
Die Wertanalyse hat den Vorteil, dass gründlich überlegt werden muss, welche Funk-
tionen von dem Prozess ausgeführt werden bzw. werden sollten. Es wird dadurch be-
wusst gemacht, welche Ziele bzw. Aufgaben erreicht werden sollen. Im Gegensatz zur
Funktionsanalyse wird jede Funktion auf ihre Notwendigkeit hinterfragt und zusätzlich
geprüft, ob alle notwendigen Funktionen vorhanden sind. Vorteilhaft kann bei der Lö-
sungssuche auch sein, dass die Funktionen nicht an einzelne Komponenten gebunden
sind. Während bei der Funktionsanalyse der Arbeitslohn den Mitarbeitern zugewiesen
wurde, konnte bei der Wertanalyse dieser durch die Arbeitszeiten den einzelnen Funk-
tionen zugewiesen werden. Damit gab es neben den Anschaffungskosten ein weiteres
Kriterium für mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen.
Nachteilig bei der Wertanalyse ist das relativ subjektive Erstellen des Funktionen-
baums. Andere Personen und Gruppen hätten den Funktionenbaum wahrscheinlich
anders aufgestellt. Dies kann in Gruppen zu schleppenden Diskussionen führen und
auch zu einer stillen Ablehnung des erarbeiteten Funktionenbaums durch einzelne
Mitglieder. Außerdem war die Zuweisung der Anlagekosten auf die Funktionen rela-
tiv schwierig und subjektiv.
Bei der Funktionsanalyse ist die einfache Struktur und die gute Visualisierung vor-
teilhaft. Da sich die Struktur des Funktionsmodells aus den Komponenten und ihren
5 Industriebeispiel 125
Funktionen zusammensetzt, ist sie nicht so abstrakt und auch für Aussenstehende re-
lativ einfach nachzuvollziehen. Das Aufstellen des Funktionsmodells erzwingt die ge-
naue Beschäftigung mit dem Aufbau des Systems. Damit wird explizit herausgearbei-
tet, welche Komponenten welche Funktionen ausführen. Ein weiterer Vorteil ist die gute
Visualisierbarkeit der Struktur im grafischen Funktionsmodell. Dadurch ist erkennbar,
von welchen Komponenten viele Funktionen ausgehen und auf welche Komponenten
viele Funktionen wirken. Dass vom Mitarbeiter die meisten Funktionen ausgehen war
zu erwarten. Dass auf den Dorn acht Funktionen wirken, während von ihm nur eine
ausgeht, wurde vorher wahrscheinlich nicht wirklich bedacht und ist durch die grafi-
sche Darstellung erst richtig verdeutlicht worden. Zusätzlich lassen sich die Kosten
recht einfach den einzelnen Komponenten zuordnen. Durch die Kosten und das Funk-
tionsmodell können Kennwerte für Funktionalität und Wert der einzelnen Komponenten
berechnet werden. Da sich die Funktionalität direkt aus dem Funktionsmodell ermitteln
lässt und sie sich nicht durch Schätzungen ergibt, besteht eine relativ hohe Objektivität
der Kennzahlen. Zusätzlich ergeben sich aus diesen Zahlen und dem Stärkediagramm
mögliche Strategien für die einzelnen Komponenten.
Nachteilig bei der Funktionsanalyse ist, dass nicht alle Funktionen auf ihre Notwendig-
keit hin hinterfragt werden. Beim Trimming erfolgt zwar eine Hinterfragung, allerdings
nur bei den zu eliminierenden Komponenten.
126
6 Erkenntnisse
In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zwischen der Wertanalyse und der Funktionsanalyse zusammenfassend dargestellt.
6.1 Gemeinsamkeiten
Beide wertanalytischen Ansätze besitzen Gemeinsamkeiten, die im Bild 6.1 zusam-
mengestellt sind.
Gemeinsamkeiten vonWertanalyse und Funktionsanalyse
● Ziel: Erhöhung des Werts● in der Regel bereichsübergreifende Betrachtung● Teamarbeit● Unterstützung durch das Management notwendig● Festlegung von klaren Projektzielen● Methodisches Vorgehen
Bild 6.1: Gemeinsamkeiten der Wertanalyse und der Funktionsanalyse
Das allgemeine Ziel beider Verfahren ist, den Wert eines Produkts oder Prozesses zu
erhöhen. Für beide wertanalytischen Ansätze ist Teamarbeit eine wesentliche Voraus-
setzung. Das Team besteht in der Regel aus Personen unterschiedlicher Bereiche, um
ein breites Wissen zu bündeln und bessere Lösungen zu erzielen. Bei beiden Verfah-
ren wird das Ergebnis eines Projekts stark von der Auswahl, dem Verhalten und dem
Wissen der Teammitglieder geprägt. Besteht beispielsweise keine Akzeptanz der Me-
thode oder eine Aversion der Teilnehmer untereinander, kann sich dies negativ auf die
Durchführung des Projekts auswirken. [7]
Ebenso ist die Unterstützung durch das Management und Vorgesetzte bei beiden An-
sätzen unbedingt erforderlich. Beispielsweise ermöglicht den Teammitgliedern eine
6 Erkenntnisse 127
Freistellung von ihren sonstigen Tätigkeiten während der Durchführung des Projekts,
sich ganz auf das Projekt zu konzentrieren.
Notwendig für eine erfolgreiche Anwendung eines wertanalytischen Ansatzes ist eine
genaue Zielvorgabe. Als Ziel reicht es z.B. nicht aus, eine allgemeine Kostensenkung
festzulegen, sondern es muss genauer spezifiziert werden, wie hoch die Kostensen-
kung sein soll. Anders ist eine geeignete Erfolgskontrolle des Projekts nicht möglich,
denn bereits mit einer minimalen Kosteneinsparung würde das Ziel schon erreicht wer-
den. Das Team wäre so möglicherweise nicht gefordert, optimale Leistungen zu erbrin-
gen und eine deutliche Wertverbesserung zu erreichen.
Beide Verfahren geben für die Durchführung des Projekts eine systematische Vorge-
hensweise vor. In der Methodik zeigen jedoch beide Verfahren teilweise wesentliche
Unterschiede auf.
6.2 Unterschiede und Besonderheiten
Im Bild 6.2 sind einige Unterschiede und Besonderheiten der Wertanalyse und der
Funktionsanalyse zusammengestellt.
Die Wertanalyse wird seit vielen Jahrzehnten erfolgreich in Unternehmen eingesetzt
und besitzt einen hohen Verbreitungsgrad. Das Verfahren ist standardisiert. Ihr Ar-
beitsplan gibt alle wesentlichen Schritte von der Projektvorbereitung bis zum Projektab-
schluss vor. Die Funktionsanalyse nach TRIZ ist ein relativ neues Verfahren mit einem
geringen Verbreitungsgrad. Sie ist nicht so standardisiert wie die WA und beschränkt
sich vor allem auf die Beschreibung der Ist-Situation und der Problemdefinition des
Projekts. Sie ist vom Projektablauf her mit dem zweiten (Objektsituation analysieren)
und eventuell dem dritten Grundschritt (Soll-Zustand beschreiben) des sechsstufigen
Arbeitsplans der Wertanalyse zu vergleichen (vgl. Tabelle 2.1). Die Vorbereitung des
Projekts und die Entwicklung der Lösungsideen, ihre Auswahl und Verwirklichung wer-
den bei der Funktionsanalyse nicht näher vorgegeben.
Die Wertanalyse betrachtet die Funktionen des WA-Objekts. Sie geht dabei von den
Funktionen aus, die das Produkt oder der Prozess erfüllt bzw. erfüllen soll. Sie be-
6 Erkenntnisse 128
Funktionsanalyse
● geringere Verbreitung● Betrachtung der Funktionen der
Komponenten● nicht sehr standardisiert● betrachtet hauptsächlich Ist-
Beschreibung & Problembeschreibung● viele Vorgaben beim Aufstellen der
Funktionen● einfache Kostenbestimmung für die
einzelnen Komponenten
Besonderheiten
● Berücksichtigung von schädlichen Funktionen und Erfüllungsgraden
● einfache Ermittlung der Funktionalität der einzelnen Komponenten
● Ermittlung und Berechnung von Kennwerten
● mehrere zusätzliche Anwendungsgebiete
Wertanalyse
● größere Verbreitung● Betrachtung der Funktionen des
Produkts● standardisiert● Schritte von Projektauswahl bis zur
Realisierung vorgegeben● viele Freiheiten beim Aufstellen der
Funktionen, kaum Vorschriften● schwierige Kostenbestimmung für Ist-
und Soll- Funktionen
Besonderheiten
● stellt alle Ist-Funktionen in Frage● Aufgabenstellungen ergeben sich u.a.
aus der Differenz zwischen Ist- und Soll-Funktionen
Unterschiede
Bild 6.2: Einige Unterschiede und Besonderheiten zwischen Wertanalyse und Funktionsanalyse
trachtet somit explizit die Bedürfnisse, die das Produkt für seine Benutzer erfüllt. Dabei
werden sowohl Gebrauchsfunktionen, die für die sachliche Nutzung notwendig sind, als
auch Geltungsfunktionen, die subjektiv wahrnehmbare Wirkungen wie Aussehen dar-
stellen, berücksichtigt. Es bestehen wenige Vorgaben beim Aufstellen der Funktionen.
Es ist dabei vor allem auf ein geeignetes Abstrahieren der Soll-Funktionen zu achten.
Somit sind die ermittelten Funktionen stark vom Projektteam abhängig. Ein anderes
Projektteam würde die Funktionen möglicherweise anders benennen und strukturie-
ren.
Die Funktionsanalyse zerlegt hingegen das Produkt in einzelne Komponenten und be-
trachtet die Funktionen, die von diesen Komponenten ausgehen oder die auf diese wir-
ken. Dabei können zusätzlich schädliche Funktionen und der Erfüllungsgrad nützlicher
Funktionen berücksichtigt werden. Dadurch ergeben sich bereits aus dem Funktions-
modell Aufgabenstellungen. Der Aufbau des Produkts und das Zusammenwirken der
Komponenten werden durch das Erstellen des Funktionsmodells detailliert betrachtet.
Durch die Suche nach der Hauptfunktion und der Zielkomponente wird explizit benannt,
für welche Aufgabe das System erstellt wurde. Durch das Aufteilen des Produkts in
seine Komponenten und die Betrachtung ihrer Wirkbeziehungen untereinander ist die
Funktionsanalyse weniger abstrakt als die Wertanalyse. Für Personen, die auf Grund
6 Erkenntnisse 129
ihrer Position und Erfahrung abstraktes Denken nicht gewöhnt sind, erleichtert die-
ser Aufbau die Analyse. Die Funktionsanalyse ist zusätzlich gut geeignet, um schnell
einen Überblick zu erhalten, an welchen Komponenten für eine Verbesserung ange-
setzt werden sollte. Für das Aufstellen der Funktionen bestehen mehr Vorschriften als
bei der Wertanalyse. Der subjektive Einfluss ist hierbei deutlich geringer. Zwar könn-
ten verschiedene Auffassungen über die Art einzelner Funktionen (z.B. schädliche oder
überzogene Funktion) bestehen, das Funktionsmodell eines Projekts an sich wird sich
jedoch meistens bei der Verwendung der gleichen Hierarchieebene der Komponenten
bei verschiedenen Projektteams nicht wesentlich unterscheiden.
Bei der Wertanalyse können einfach verschiedene zeitliche Aspekte eines Produkts
einbezogen werden. Es ist beispielsweise möglich, Funktionen während des Versands,
des Einsatzes und der Entsorgung zusammen zu betrachten. Bei der Funktionsanalyse
ist die Betrachtung verschiedener zeitlicher Aspekte eines Produkts nicht immer ein-
fach möglich. Es ist nicht immer sinnvoll, alle in einem Funktionsmodell abzubilden, da
darunter beispielsweise die Übersichtlichkeit leiden könnte. Übersichtlicher ist es dann,
die verschiedenen zeitlichen Aspekte in mehreren Funktionsmodellen abzubilden. Für
eine genauere Betrachtung könnte eine Prozessanalyse eingesetzt werden.
Die Aufteilung der Kosten auf die Funktionen ist bei der Wertanalyse häufig schwierig
und zeitaufwendig. Oft werden einzelne Bestandteile des Produkts für mehrere Funk-
tionen benötigt. Vor allem die Zuweisung von Soll-Kosten zu den Soll-Funktionen kann
komplex sein. Sie ist häufig subjektiv und kann zu Diskussionen und Meinungsver-
schiedenheiten führen. Im Gegensatz dazu ist die Zuweisung der Kosten bei der Funk-
tionsanalyse in den meisten Fällen einfacher. Hier werden die Kosten nicht den Funk-
tionen zugeteilt sondern den betrachteten Komponenten. Dies ermöglicht meist eine
einfachere und genauere Kostenzuteilung. Die Kosten für die Komponenten können
meistens direkt aus der Kalkulation entnommen werden.
Die Aufgabenstellungen bei der Wertanalyse ergeben sich unter anderem aus dem
Vergleich der Ist- und der Soll-Funktionen. Dieser Vergleich hat den Vorteil, dass alle
Ist-Funktionen auf ihre Notwendigkeit überprüft und unnötige Funktionen erkannt wer-
den können. Ebenso wird zur Ermittlung der Ansatzpunkte für Verbesserungen nach
Funktionen mit einem hohen Rationalisierungspotential gesucht. Dazu werden die Soll-
und Ist-Kosten verwendet, die wie bereits erwähnt, oft nach subjektiven Gesichtspunk-
6 Erkenntnisse 130
ten festgelegt wurden. Bei der Funktionsanalyse können mit Hilfe des Funktionsmo-
dells Kennzahlen für die Funktionalität und gegebenenfalls für den Problemrang der
einzelnen Komponenten errechnet werden. Zusammen mit den Kosten werden daraus
die Werte der einzelnen Komponenten ermittelt. Eine Aussage, welche Komponen-
te bereits einen hohen Wert hat und welche Komponente auf Grund ihres niedrigen
Werts verbessert werden sollte, ist damit möglich. Diskussionen über die Höhe des
Werts und der Funktionalität von Komponenten sind damit vermeidbar. Mit Hilfe eines
Stärkediagramms und der Kennwerte können für die einzelnen Komponenten Hand-
lungsempfehlungen gegeben werden.
Die Funktionsanalyse hat zusätzlich zur wertanalytischen Betrachtung noch andere
Anwendungsgebiete. Sie ist z.B. Ausgangsbasis für eine Patentumgehung und für
einen Funktionenraub, bei dem das Produkt um Funktionen, die bisher sein Super-
system ausgeführt hatte, erweitert wird.
6.3 Anwendungsempfehlungen
Eine eindeutige Aussage darüber, welche Methode besser ist als die andere und bei
welchen Rahmenbedingungen die Wertanalyse oder die Funktionsanalyse eingesetzt
werden soll, ist nicht möglich. Mit beiden Methoden lassen sich gute Resultate erzielen.
Es darf nicht vergessen werden, dass nicht die Methode die Ergebnisse erzielt son-
dern insbesondere die Personen, die sie anwenden. Diese Methoden sind demnach
vor allem als Hilfsmittel für das Projektteam zu sehen. Welche Methode eingesetzt
wird, sollte aus diesem Grund in erster Linie von ihrer Akzeptanz beim Team, bei den
Vorgesetzten und beim Management abhängen.
Des Weiteren bietet sich eventuell bei Produkten, bei denen Geltungsfunktionen einen
besonders wichtigen Stellenwert besitzen, die Wertanalyse an. Denn dabei werden
explizit diese Funktionen betrachtet. Die Funktionsanalyse bietet sich besonders zum
Vermeiden von langwierigen Diskussionen an, denn sowohl das Aufstellen des Funkti-
onsmodells als auch die Zuordnung der Kosten sind objektiver als die Bestimmung der
Funktionen und ihrer Kosten bei der Wertanalyse.
131
7 Zusammenfassung
Ziel der Arbeit war, die Wertanalyse nach VDI und die Funktionsanalyse nach TRIZ zu
untersuchen und zu vergleichen. Als Erstes wurden in einem Theorieteil die Wertana-
lyse und die Funktionsanalyse vorgestellt. Die Wertanalyse ist ein seit langem erfolg-
reich eingesetzter wertanalytischer Ansatz. Hierbei werden die Funktionen des Pro-
dukts oder Prozesses der Ist-Situation und der Soll-Situation aufgestellt und ihnen ihre
Ist-Kosten bzw. ihre Soll-Kosten zugeordnet. Die Gegenüberstellung der Ist-Funktionen
und der Soll-Funktionen ergibt die eigentliche Aufgabenstellung. Durch einen Vergleich
der Ist-Kosten der Ist-Funktionen mit den Soll-Kosten (Zielkosten) der Soll-Funktionen
unter Berücksichtigung der Realisierungskosten wird nach dem höchsten Rationalisie-
rungspotenzial gesucht. Es ist häufig schwierig und subjektiv, die Ist- und die Soll-
Kosten den Funktionen zuzuweisen.
Diese Schwierigkeiten bestehen bei der Funktionsanalyse nicht. Sie zerlegt das Pro-
dukt in Komponenten und betrachtet die Funktionen, die von diesen Komponenten
ausgehen und die auf diese wirken. Die Kosten der Komponenten können relativ ein-
fach ermittelt werden. Oft können sie direkt aus Kalkulationen übernommen werden.
Die Funktionsanalyse ist zusätzlich Ausgangspunkt für mehrere andere Anwendungen.
Sie ist somit ein vielfältig einsetzbarer Ansatz.
Beide Verfahren wurden an zwei Lehrbeispielen und an einem Industriebeispiel durch-
geführt. Durch beide Ansätze konnte jeweils eine Verbesserung des betrachteten Pro-
dukts bzw. Prozesses erreicht werden. Beide Verfahren sind für die Wertsteigerung gut
geeignet. Welches Verfahren eingesetzt werden soll, hängt von dem jeweiligen Projekt
und seinen Rahmenbedingungen ab.
Grundsätzlich sind für Unternehmen beide Verfahren empfehlenswert, denn in den
meisten Branchen herrscht unter anderem auf Grund der Globalisierung ein hoher
Wettbewerbsdruck. Ein erfolgreiches Bestehen am Markt erfordert eine hohe Wertig-
keit der Produkte und eine Optimierung von Prozessen, Kosten und Qualität.
132
A Wertanalyse
Arbeitspläne
Tabelle A.1: Arbeitsplan nach DIN 69910 und VDI 2800 alt [15]
Grund- Teil- Arbeitsplan nach
schritt schritt DIN 69910 und VDI 2800 alt
1 Projekt vorbereiten
1.1 Objekt auswählen
1.2 Grobziel mit Bedingungen festlegen, Untersuchungsrahmen abgrenzen
1.3 Projektorganisation festlegen
1.4 Einzelziele aus Grobzielen herleiten
1.5 Projektablauf planen
2 Objektsituation analysieren
2.1 Objekt- und Umfeldinformationen beschaffen
2.2 Kosteninformationen beschaffen
2.3 Ist-Funktionen ermitteln
2.4 Lösungsbedingende Vorgaben ermitteln
2.5 Kosten den Funktionen zuordnen
3 Soll-Zustand beschreiben
3.1 Informationen auswerten
3.2 Soll-Funktionen festlegen
3.3 Lösungsbedingende Vorgaben festlegen
3.4 Kostenziele den Soll-Funktionen zuordnen
4 Lösungsideen entwickeln
4.1 Vorhandene Ideen sammeln
A Wertanalyse 133
Tabelle A.1: Arbeitsplan nach DIN 69910 und VDI 2800 alt [15]
Grund- Teil- Arbeitsplan nach
schritt schritt DIN 69910 und VDI 2800 alt
4.2 Neue Ideen entwickeln
5 Lösungen festlegen
5.1 Bewertungskriterien festlegen
5.2 Lösungsideen bewerten
5.3 Ideen zu Lösungsansätzen verdichten und darstellen
5.4 Lösungsansätze bewerten
5.5 Lösungen ausarbeiten
5.6 Lösungen bewerten
5.7 Entscheidungsvorlage erstellen
5.8 Entscheidung herbeiführen
6 Lösungen verwirklichen
6.1 Realisierung im Detail planen
6.2 Realisierung einleiten
6.3 Realisierung überwachen
6.4 Projekt abschließen
A Wertanalyse 134
Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]
Grund- Teil- Arbeitsplan nach
schritt schritt DIN EN 12973
0 Vorbereitung des Projektes
0.1 Projektbeschreibung
0.2 Untersuchung der Durchführbarkeit des Projektes, Risikoanalyse
0.3 Rentabilitätsstudie, um welche Interessen geht es?
0.4 Entscheidungsträger und WA-Projektleiter auswählen
1 Projektdefinition
1.1 WA-Objekt
1.2 Rahmenbedingungen der Studie
1.3 Prämissen der Daten über das Problem
1.4 Marketingziele
1.5 Allgemeine Ziele (Grobziele)
1.6 Um welche Interessen geht es?
1.7 Ressourcen
1.8 Mitwirkende
1.9 Vorbereitende Risikoanalyse
2 Planung
2.1 Bildung eines Arbeitsteams
2.2 Ausarbeitung eines ersten Zeitplans
2.3 Festlegung des Arbeitsraumes
3 Umfassende Daten über die Studie sammeln
3.1 Informationssammlung (intern u. extern): technische Informationen
(über das Produkt), Wirtschaft, Wettbewerber, Stand der Technologie)
3.2 Detaillierte Marktforschung: Kundenanforderungen,
der Markt, Bestimmung der Position des zu entwickelnden Produktes
3.3 Verschiedenes: Bibliographie, Patente, Gesetze und Vorschriften,
A Wertanalyse 135
Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]
Grund- Teil- Arbeitsplan nach
schritt schritt DIN EN 12973
Normen, Regeln, Handbücher, Normen der Organisation
4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele
4.1 Formulierung des Bedarfs und Funktionenanalyse
4.2 Kostenanalyse und Funktionenkosten
4.3 Festlegung der Detailziele und Bewertungskriterien
5 Sammeln und Finden von Lösungsideen
5.1 Sammeln existierender Ideen
5.2 Entwickeln neuer Ideen
5.3 Kritische Analyse
6 Bewertung der Lösungsideen
6.1 Bewertung und Kombination der Ideen
6.2 Auswahl der Entwicklungsaufgaben
6.3 Arbeitsprogramme für die Entwicklung
7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge
7.1 Studien, Prüfungen, industrielle Entwicklung
7.2 Follow-up, Koordination
7.3 Bewertung der Lösung: qualitativ, wirtschaftlich, Risikoanalyse
8 Präsentation der Vorschläge
8.1 Auswahl der vorzuschlagenden Lösungen
8.2 Ausarbeitung von Realisierungsprogrammen
8.3 Gliederung umfassender Daten über die Vorschläge
8.4 Erlangung einer Entscheidung durch den Entscheidungsträger
8.5 Information der WA-Teams und Auflösung oder
Warteposition der WA-Teams
9 Realisierung
A Wertanalyse 136
Tabelle A.2: Arbeitsplan nach DIN EN 12973 [12]
Grund- Teil- Arbeitsplan nach
schritt schritt DIN EN 12973
9.1 Unterstützung der Realisierung: Follow-up, mögliche Unterstützung zur
Korrektur von Abweichungen oder Vornahme von Anpassungen
9.2 In Ausnahmefällen: Organisation weiterer Sitzungen des WA-Teams,
um unerwartetes Problem anzuschneiden (Reaktivierung)
9.3 Einschätzung der aktuellen Ergebnisse der Realisierung,
Vergleich mit den prognostizierten Ergebnissen
9.4 Verteilung der erzielten, aktuellen Ergebnisse sowie der technischen
und allgemeinen Informationen an die WA-Teammitglieder, an die betrof-
fenen Fachleute, an einen breiteren Adressatenkreis in der Organisation
9.5 Gegebenenfalls Erstellung eines Systems
zur Sammlung von Informationen über die Erfahrungen im Einsatz
137
B Funktionsanalyse
Begriffserklärungen
Basisfunktion (Basic Function): Das Objekt der Funktion dieser Funktion ist die Ziel-
komponente. (siehe S.33)
Erfüllungsgrad (Performance): Er beurteilt nützliche Funktionen abhängig von ihrer
Durchführung. Er ist ein Maß für die Abweichung zwischen der tatsächlichen und
der gewünschten Veränderung der Parameter des Objekts der Funktion. (siehe
S.27)
Funktion (Function): Sie ist eine Aktion, die von einer Komponente (Funktionsträger )
ausgeführt wird, um einen oder mehrere Parameter einer anderen Komponente
(Objekt der Funktion) zu verändern oder zu erhalten. (siehe S.23)
Funktionsträger (Function Carrier): Das ist eine Komponente, von der eine Funktion
ausgeht. (siehe S.23)
Funktionsmodell (Function Model): Das ist ein Modell des technischen Systems, das
die Komponenten des technischen Systems und seines Supersystems mit ihren
Funktionen beschreibt. (siehe S.28)
Funktionsmodellierung (Function Modeling): Das ist der wesentliche Teil der Funkti-
onsanalyse. Das Ziel der Funktionsmodellierung ist, ein Funktionsmodell des zu
analysierenden technischen Systems zu erstellen und damit dessen Ist-Zustand
abzubilden. (siehe Abschnitt 3.1.3)
Hauptfunktion (Main Function): Das ist die Funktion, für die das technische System
entwickelt wurde. (siehe S.17)
Hilfsfunktion (Auxiliary Function): Das Objekt der Funktion dieser Funktion ist eine
Komponente des technischen Systems. (siehe S.33)
B Funktionsanalyse 138
Interaktionsanalyse (Interaction Analysis): Sie ist ein Teil der Funktionsanalyse. Sie
identifiziert die Interaktionen zwischen den Komponenten sowohl des techni-
schen also auch des Supersystems. (siehe Abschnitt 3.1.2)
Interaktionstabelle (Interaction Matrix): Sie wird während der Interaktionsanalyse er-
stellt. In der Tabelle werden die Interaktionen zwischen den Komponenten sowohl
des technischen Systems als auch des Supersystems festgehalten. (siehe S.20)
Komponente (Component): Sie besteht aus Masse und /oder Feld. Sie ist ein Teil des
technischen Systems oder des Supersystems. (siehe S.14)
Komponentenanalyse (Component Analysis): Sie ist ein Teil der Funktionsanalyse.
Sie identifiziert die relevanten Komponenten des technischen Systems und sei-
nes Supersystems. Ihre Ergebnisse werden in der Interaktionsanalyse weiter ver-
wendet. (siehe Abschnitt 3.1.1)
Komponentenmodell (Component Model): Es wird während der Komponentenanaly-
se erstellt. Es enthält den Namen des technischen Systems, seine Hauptfunktion
und die identifizierten Komponenten. (siehe S.14)
Nützliche Funktion (Useful Function): Sie ist eine Funktion, die Parameter des Ob-
jekts der Funktion in die gewünschte Richtung verändert oder erhält. (siehe S.26)
Objekt der Funktion (Object of the Function): Das ist die Komponente, deren Para-
meter auf Grund einer Funktion verändert oder erhalten werden. (siehe S.23)
Parameter (Parameter): Er ist eine Größe einer Komponente, wie z.B. die Position
oder die Temperatur einer Komponente. (siehe S. 23)
Schädliche Funktion (Harmful Function): Sie ist eine Funktion, die Parameter des
Objekts der Funktion verschlechtert. (siehe S.26)
Supersystem (Supersystem): Das ist das System, das das zu analysierende techni-
sche System als eine Komponente enthält. (siehe S.15)
Supersystem-Komponente (Supersystem Component): Sie ist eine Komponente des
Supersystems. (siehe S.15)
B Funktionsanalyse 139
Technisches System (Engineering System): Es ist das System, das untersucht wer-
den soll. (siehe S.14)
Trimming (Trimming): Es ist ein Verfahren, mit dem eine oder mehrere Komponenten
des technischen Systems entfernt und ihre nützlichen Funktionen auf andere
Komponenten umverteilt werden. (siehe Abschnitt 3.3)
Trimmingmodell (Trimming Model): Das ist ein fiktives Funktionsmodell des techni-
schen Systems nach der Eliminierung einer oder mehrerer Komponenten des
technischen Systems und der Umverteilung ihrer nützlichen Funktionen. (siehe
S.43)
Überzogene Funktion (Excessive Function): Sie ist eine nützliche Funktion, die einen
Parameter des Objekts der Funktion stärker als gefordert verändert oder erhält.
(siehe S.27)
Unzureichende Funktion (Insufficient Function): Sie ist eine nützliche Funktion, die
einen Parameter des Objekts der Funktion geringer als gefordert verändert oder
erhält. (siehe S.27)
Zielkomponente (Target): Sie ist die Komponente des Supersystems auf die die Haupt-
funktion wirkt. (siehe S. 17)
Zusatzfunktion (Additional Function): Bei dem Objekt der Funktion dieser Funktion
handelt es sich um eine andere Supersystem-Komponente als die Zielkompo-
nente. (siehe S.33)
B Funktionsanalyse 140
Arbeitsunterlagen
Im Folgenden sind Arbeitsunterlagen für die Funktionsanalyse zusammengestellt. Die-
se sollen die Durchführung einer Funktionsanalyse unterstützen.
Komponentenmodell
In das Komponentenmodell werden der Name des technischen Systems, die Haupt-
funktion und die Komponenten des technischen Systems und des Supersystems ein-
getragen.
technisches System Hauptfunktion Komponenten des technischen Systems
Komponenten des Supersystems
Bild B.1: Komponentenmodell- Arbeitsunterlagen
B Funktionsanalyse 141
Interaktionstabelle
In die Interaktionsanalyse werden die Komponenten aus der Komponentenanalyse ein-
getragen und vermerkt, ob Interaktionen zwischen ihnen auftreten.
Komponente
Komponente
+ : mindestens EINE Interaktionzwischen beiden Komponenten
- : KEINE Interaktion zwischen den beiden Komponenten
Bild B.2: Interaktionstabelle- Arbeitsunterlagen
B Funktionsanalyse 142
Stärkediagramme
In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten auf der x-Achse und die
Funktionalitäten der Komponenten auf der y-Achse eingetragen. Der Problemrang bleibt
unberücksichtigt.
C5 10
5
4321 6 7 8 9
6
7
8
9
10
4
3
2
1
F
Bild B.3: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten und Funktionalität
B Funktionsanalyse 143
Stärkediagramm aus dem Bild B.3 zuzüglich eingezeichneter Werte.
C5 10
5
4321 6 7 8 9
6
7
8
9
10
4
3
2
1
FV=3,33 V=2 V=1,43 V=1
V=0,7
V=0,5
V=0,3
V=0,1
Bild B.4: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten und Funktionalität
B Funktionsanalyse 144
In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten und die Problemränge auf
der x-Achse und die Funktionalitäten der Komponenten im Quadrat auf der y-Achse
eingetragen.
C+P10 208642 12 14 16 18
100
F²
50
40
30
20
10
60
70
80
90
Bild B.5: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität
B Funktionsanalyse 145
Stärkediagramm aus dem Bild B.5 zuzüglich eingezeichneter Werte.
C+P10 208642 12 14 16 18
100
F²
50
40
30
20
10
60
70
80
90
V = 25,00 V = 12,50 V = 8,33 V = 6,25 V = 5,00
V = 4,00
V = 3,00
V = 2,00
V = 1,00
Bild B.6: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität
B Funktionsanalyse 146
In dieses Stärkediagramm werden die normierten Kosten und die Problemränge auf
der x-Achse und die Funktionalitäten der Komponenten auf der y-Achse eingetragen.
C+P10 20
5
8642 12 14 16 18
6
7
8
9
10
4
3
2
1
F
Bild B.7: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität
B Funktionsanalyse 147
Stärkediagramm aus dem Bild B.7 zuzüglich eingezeichneter Werte.
C+P10 20
5
8642 12 14 16 18
6
7
8
9
10
4
3
2
1
FV = 25 V = 12,5 V = 6,25 V = 5
V = 4
V = 3
V = 2
V = 1
Bild B.8: Stärkediagramm bei Berücksichtigung von normierten Kosten, Problemrang und Funktionalität
148
Literaturverzeichnis
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[19] N.N.: VDI 2225 Blatt 3: Konstruktionsmethodik - Technisch-wirtschaftlichesKonstruieren - Technisch-wirtschaftliche Bewertung. Berlin: Beuth-Verlag,1998.
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[24] Siemens Linear Motor Systems GmbH & Co. KG: US patent 6,566,771. „Li-near motor and secondary part for said linear motor”.
[25] VDI: Wertanalyse. Idee - Methode - System. 3 Auflage. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1981.
[26] VDI: Zentrum Wertanalyse: Wertanalyse. Idee - Methode - System. 5. über-arbeitete Auflage. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1995.