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MITTEILUNGEN AUS DEM RADIUM=INSTITUT, KOPENHAGEN VERLETZUNGEN DES AUGES DURCH RADIUMBESTRAHLUNG OLAF BLECVAU VON Nachdem die Radiumbestrahlung mehr uncl mehr zur Be: -handlung der Krebsgeschwiilste des Auges und dcssen Umgebuns gen, wegen der dadurch erzielten schonen kosmetischen Re; sultate, verwendet wird, crscheinen Berichtc iiber die schadlichen Wirkungen der Radiumstrahlen am Auge, und man diskutiert die Mittel solche Schadigungen zu vermeiden. Als ophthalmolo: gischer Konsulent des Radiuminstitutes in Kopenhagen habc ich die Gelegenheit gehabt eine Reihe von Fallen von Lidkarzinos men, die mit Radium behandelt worden warcn, zu untersuchen, und werde unten die durch Radiumbestrahlung verursachten schadlichen Wirkungen, die ich gefunden habe, erwahnen. Friiher hat schon Dr. Ejler Holm (Oftalmologisk Selskabs For: handlingcr, Sitzung den 13. Marz 1927, Hospitalstidende) einiges uber Schadigungen des Auges durch Kadiumbestrahlungen im Institutc mitgeteilt. Es ist im Wcscntlichen dasselbe Material, auf dem die gegenwartige Arbeit baut, jedoch durch neue Ers fahrungcn, langcre Observationszeit und ein verdoppcltes Ma; terial erweitert. Die schadliche Einwirkung der Radiumstrahlen auf das Augc war schon bekannt und wurdc studiert kurz nachdcm man rnit den Radiumbehandlungen iiberhaupt anfing. Birch=Hirschfeld (Graefcs A. f. Oph., Bd. 59, S. 229) fand im Jahrc 1904 bei Ticren schwere Vcrandcrungcn im Auge nach dcr Radiumbestrahlung (20 mgr. in 2-6 Stunden). Die Veranderungcn bestanden in: schwerer Dermatitis mit Haars und Wimpernausfall, purulentcr Conjunctivitis, interstitieller Keratitis sowie Verletzung des Hornhautepithels, Irisatrophie, Verletzung dcr Netzhautgang: lienzellen, Atrophic des nervus opticus, aber merkwurdigerweisc keinc Katarakt. Spater hat Laura Lane (Transact. 0. the Sect.

VERLETZUNGEN DES AUGES DURCH RADIUMBESTRAHLUNG

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MITTEILUNGEN AUS DEM RADIUM=INSTITUT, KOPENHAGEN

VERLETZUNGEN DES AUGES DURCH RADIUMBESTRAHLUNG

OLAF BLECVAU VON

Nachdem die Radiumbestrahlung mehr uncl mehr zur Be: -handlung der Krebsgeschwiilste des Auges und dcssen Umgebuns gen, wegen der dadurch erzielten schonen kosmetischen Re; sultate, verwendet wird, crscheinen Berichtc iiber die schadlichen Wirkungen der Radiumstrahlen am Auge, und man diskutiert die Mittel solche Schadigungen zu vermeiden. Als ophthalmolo: gischer Konsulent des Radiuminstitutes in Kopenhagen habc ich die Gelegenheit gehabt eine Reihe von Fallen von Lidkarzinos men, die mit Radium behandelt worden warcn, zu untersuchen, und werde unten die durch Radiumbestrahlung verursachten schadlichen Wirkungen, die ich gefunden habe, erwahnen. Friiher hat schon Dr. Ejler H o l m (Oftalmologisk Selskabs For: handlingcr, Sitzung den 13. Marz 1927, Hospitalstidende) einiges uber Schadigungen des Auges durch Kadiumbestrahlungen im Institutc mitgeteilt. Es ist im Wcscntlichen dasselbe Material, auf dem die gegenwartige Arbeit baut, jedoch durch neue Ers fahrungcn, langcre Observationszeit und ein verdoppcltes Ma; terial erweitert.

Die schadliche Einwirkung der Radiumstrahlen auf das Augc war schon bekannt und wurdc studiert kurz nachdcm man rnit den Radiumbehandlungen iiberhaupt anfing. Birch=Hirschfeld (Graefcs A. f. Oph., Bd. 59, S. 229) fand im Jahrc 1904 bei Ticren schwere Vcrandcrungcn im Auge nach dcr Radiumbestrahlung (20 mgr. in 2-6 Stunden). Die Veranderungcn bestanden in: schwerer Dermatitis mit Haars und Wimpernausfall, purulentcr Conjunctivitis, interstitieller Keratitis sowie Verletzung des Hornhautepithels, Irisatrophie, Verletzung dcr Netzhautgang: lienzellen, Atrophic des nervus opticus, aber merkwurdigerweisc keinc Katarakt. Spater hat Laura Lane (Transact. 0. the Sect.

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Q. Ophth. 0. the Amm. med. Assoc. 1926, S. 76 - zitiert nach Kumer u. Sallmann: Die Radiumbehandlung in der Augenheil: kunde, Wien 1929) ahnliche Tierexperimente gemacht. Auch sie fand nur bei >>heruntergekommenena Tieren Linsenverans derungen. Beinahe alle diese Veranderungen finden sich auch nach Radiumbestrahlung des menschlichen Auges, so wie sie in der Litteratur beschrieben werden (Ejler Holm, s. o., S. de Vries, K1. M. f. Augenh. Bd. 82 S. 145 - 1929, Kumer u. Sallmann: Die Radiumbehandlung in der Augenheilkunde, Wien, 1929). Hierzu kommt aber als eine der meist uberwiegenden Verletz: ungen, die Katarakt. Wenn die Katarakt bei Tierexpcrimenten nur ausnahmsweise durch Radiumbestrahlung hervorgerufen werden konnte, beruht es sicher, wie von Kumer 11. Sallmann angegeben wird (s. 0. S. 46), darauf, dass die Katarakt erst nach langer Zeit' auftritt, so dass man bei den Tierversuchen mit zu kurzer Beobachtungszeit gearbeitet hat.

Eigene Untersuchungen: Das Material besteht aus 34 Fallen von Augenlidkarzinom, die mit Radium behandelt und alle ophs thalmologisch untersucht wurden. Von diesen waren 21 Mans ner und 13 Frauen. Die Mehrzahl der Patienten (14) waren im Anfang der Behandlung zwischen 60 und 70 Jahren alt, 8 waren uber 70 Jahre und 12 zwischen 40 und 60. Die Falle sind von 14 bis einem Jahre beobachtet worden, 21 Falle sind mehr wie 3 Jahre hindurch beobachtet worden. In 15 Fallen wurde vor der Radiumbehandlung Rontgenbehandlung gegeben. Die Ras .diumdosen variierten nach Griisse und Sensibilitat des Tumors - von 12 bis 151 mgr - in der Regel wahrend 20 Stunden. Die Zudeckung des Auges geschah durch BIeiprothesen, in den im Anfang behandelten Fallen nur mit einer 1 oder 2 mm Bleipros these oder ohne jede Bedeckung, seit 1926 jedoch wurden alle Falle mittelst Bedeckung des Bulbus durch einer 3 gnm dicken Bleiprothese behandelt. Nur in * einem einzelnen Fall lag die Geschwulst so weit vom Bulbus, dass es als unnotig erachtet wurde denselben zu decken.

Augenverletzungen. Die Augenlider: In allen Fallen wurde Radiumbehandlung fur Cancer palpebrze gegeben. Ohne naher auf die Wirkung der Behandlung auf die Geschwulst selbst eins zugehen, woriiber Dr. Collin an anderer Stelle nahere Aufs

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klarung geben wird, werde ich zuerst einige Falle erwahnen, in welchen es leider notwendig war das Auge zu entfernen.

Im ersten Fall, cines i4~jiihrigcn Manncs, dcr friihcr fur einen Cans cer palp. inf. sin. mit Rontgen behandelt worden war, wurde den 22. November 1922 Radiumbehandlung gegeben. Das Augc wurde mit 2mm Blei gedeckt. Das unmittelbare Resultat war gut - der Patient entzog sich aber der Beobachtung und kehrte erst nach 2 Jahren zuriick mit einer grossen Recidive und einer grijsseren Corneatriibuiig (Radiumkeratitis?). Nach erneuerter Radiumbehandlung entstand Corneanekrosc mit- Prolapsus iridis, so dass Exenteratio orbitie not. wendig wurde. - Der zweite Fall betrifft cinen 65sjahrigen Man, der im Jahre 1925 einen Cancer pslp. inf. bekommen hatte. Das ganze untere Augenlid fehlte. Der Patient war vorher operativ behandelt worden, bekam aber Recidive. Jetzt wird er mit Radium behandelt. Das Auge wird mit 1 mm Blei gedeckt. Der Cancer heilt, aber wegen Lagophthalmus, der erfolglos durch Canthoplastik behandelt wurde, entsteht Infection im Auge, das enucliert wcrden musste. - Im dritfen Falle - cines 6Ssjlhrigen Manncs - gab cs ein grosses Cancerges schwiir, das 2/3 des rechten oberen und % des rechten unteren Augenr lids umfasste. Er war friiher erfolglos mit Rontgen behandelt worden. Dcr Bulbus wurde mit 3 mm Blei verhiillt, als im Juli 1926 Radium gec geben wurde. Das linke Auge zeigte grosses Leukom nach Kalkatzung. Nach der Radiumbehandlung entstand oberfllchliche Triibung der Cornea. Nach einem Jahre wurde ein tiefes Ulcus in der Obergangsr falte der Conjunktiva bci dcm Canthus externus gefunden. Die Corr nca ist diffus triib, es giebt Gefiisscinwuchs vom Limbus, und wahrcnd der Untersuchung entsteht von cinem griisseren Gefass der Cornea cine Haemorrhagie unter dem Epithel derselben. Im Laufe weniger Tage bildet sich eine Corneawunde; starke Schmerzen in der Wange und Schlafe. Excnteratio orbita: wurde notig. - Der vierte ' Fall war ein 6iSjahrigcr Mann, der nach Rtintgenbchandlung wiihrend langerer Zeit cines grossen 'ulzcrierenden Cancers bei Canthus int. dx. noch nicht 10s geworden ist. Zugleich wurdc Cataracta incip. und starke Be9 schrankung des Bewegungsvermtigcn des Auges beobachtet. Der Bul. bus wird mit einem strammen oberen Augenlid gedeckt. Im Jahre 1927 wurde Radium gcgeben, das Auge mit 3 mm Blei gedeckt. Die Wunde fangt an zu heilen, da aber der Patient die Behandlung vers saumt, fangt die Wunde an sich zu breiten, es entsteht Keratitis e lag. ophthalmo cum perforatione, es giebt starkc Schmerzen, und im Jahre 1929 mustc Exentcratio bulbi vorgenommen werden. I dem fiinften und lefzfen Fall, - welchcr, wie friiher erwahnt, ohne Bedecken des Bulbus behandelt wurde - handelte es sich um einen grosseren Cans ccr dcs untercn Augenlids und dcr Wange cines i3sjiihrigcn Manncs, der friiher ohne Erfolg mit Rontgen behandelt worden war. Das Au. genlid fehlt fast ganzlich, die Cornea war nekrotisch hinfallig rnit derartigem Prolapsus iridis, das wenige Monate nach dcr Radiumbee handlung Exenteratio orbitae vorgcnommen werden musste.

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- In drei Fallen war der Cancer so verbreitet, dass das ganze untere Augenlid vcrloren gegangen is?., In zwei von dies sen Fallen kam das Auge desungeachtet tadellos durch, und der Patient hat keine nennenswerten Beschwerden davon; im drits ten Fall aber entstand Recidive bei Canthus int.; die Patientin. eine 64~jahrige fruhere Krankenpflegerin, versaumte die Be5 handlung, und kam nicht einmal mciner Bitte um sich zur Be5 sichtigung einzustellen nach. Ich habe sie in ihrer Wohnung aufgesucht um ihr dringend die Behandlung anzuraten ohne sie jedoch dazu bewegen zu konnen. - In sammtlichen ubrigen 26 Fallen heilte der Cancer mit schonem kosmetischen Erfolg und hinterlies nur unerhebliche Atrophien und in vielen Fallen Mans gel an Cilien an der Stelle des fruheren Tumors. Die Narben sind wcich und kaum sichtbar.

Einwuchs der Epidermis und Schleimhauf. In nicht wenigcn Fallen habe ich eine eigentiimliche und meines Wissens nicht friiher beschriebene Abnormitat bei den radiumbehandelten Augenlidern beobachtet, namlich Einwuchs der Epidermis uber der Schleimhaut oder Einwuchs der Schleimhaut selbst uber die Haut hinaus. Nach Heilung des Cancers mit schoner weicher Narbe klagt der Patient doch iiber anhaltendes Nagen im Auge, und bei Untersuchung sieht man eine kleine Epidermisspore, die sich iiber den Augenlidrand in die Schleimhaut der Palpebra hineinschiebt. Die Epidermisspore ist oft an der Oberflache aufgelockert und mit Detritus von aufgeweichten Epidermiss zellen bedeckt. Diese konnen leicht mit einem Wattetampon abgewischt werden. Diese aufgeweichten Epidermismassen sind ohne Zweifel Ursache des vom Patienten bemerkten Nagens im Auge. Die Unannehmlichkeit wird namlich fur kurze Zeit durchs Abwischen beseitigt; ebenso lindert sich das unanges nehme Nagen, wenn der Patient gelegentlich ein wenig geschmolt zene Vaseline ins Auge eintropfelt. 1st der Epidermiseinwuchs gross und befindet er sich gegenuber der Cornea, wird er bet sonders lastig und kann in einigen Fallen Anleitung zu Horns hauttrubungen geben. Im Laufe der Zeit schient jedoch der Epidermiseinwuchs abnehmen zu wollen. In einzelnen Fallen ist eine betrachtliche Besserung beobachtet worden, so dass z. B. eine kleine Epidermisspore sich zu einer schmalen Borte langs des Augenlidrandes verkleinert hat. - Dass es sich tats

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sachlich um die Epidermis, die in die Schleimhaut der Conjunci tiva hineinwachst, handelt, ist in einem charakteristischen Falle durch Mikroskopie festgestellt worden. Die Ursache, weil die Wunde der Conjunctiva nicht wie in normalen Fallen mit Schleimhaut bedeckt wird, sondern dass das Plattenepithel des Augenlids uber die Schleimhaut hineinwachst, scheint mir fols gende zu sein. Die Conjunctiva palpebrae ist tatsachlich mehr radiumsensibel wie die Augenlidhaut (siehe z. B. Kumer u. Sallmann 1. c. S. 27). Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass die Conjunctiva durch Radiumbestrahlung mehr verletzt t i r d wie die Haut, und dass folglich die Wunde der Conjunctiva spater heilt wie die der Augenlidhaut. Ich nehme deshalb an, dass die Hautwunde in solchen Fallen sich bis an dem Augens lidrand epithelialisiert in einem Zeitpunkte wo die Conjunctivals wunde noch nicht ganzlich mit Schleimhaut bedeckt ist, und dass die Epidermis deshalb in die Schleimhautwunde hineins wachst.

Es wurden im ganzen 10 Falle von Epidermiseinwuchs beobs achtet, welche hier kurz referiert werden sollen:

Ersfer Fall. Ein 38sjahrigcr Mann, der im Jahre 1921 fur cinen grossen Cancer behandelt wurde, der an der linken Seite der Nase sich his an die nasale S i t e des linken Augenlids erstreckte. Mehrere Malc wurde der Patient mit Radium behandelt (120 mgr in 24 Stunden, ein Jahr nachher mit 10 mgr in 24 Stunden und mit 5 mgr in Stunden fur Recidive am Augenlid) .Die Wunde heilte schon. Die Augenunters suchung den 5. Dezember 1929 ergab folgendes: Nach einem halben Jahr seit der ersten Radiumbehandlung began die Sehkraft des linken Auges abzunehmen. Es giebt jetzt Cataracta fere matura 0. sin. S. 0. dx. < 6/9 mit + 2.50 sph. + 2.00 cyl. (looo) S. 0. sin. z Fingerzahs len in 1 Meter. Ophthalmoskopie 0. dx. normal. Kiagt iiber Nagcr. im linken Auge. Am untcrcn linken Augenlid sieht man die Epidermis des Lidrandes iiber dieselbe hineingewachsen auf einer zungenformigen Partei dicht an dem Canthus int. der Stelle entsprechend, wo sich friiher der Tumor befand. Ausscrdem sieht man erweitertc, korkzieher- artige Venen an dem Bulhus. (Abb. I). Am 25. August 1930 aurdc Extractio cataract= 0. sin. vorgenommen (Siehe unten).

Zweiter Fell. Ein 69sjahriger Mann. lm Jahre 1925 fur C. palp. inf. dx. behandelt - erbsengross dicht am Canthus ext. - erstesmal mit 5 mgr Radium in 8 Stunden. Das Auge mit 1% mm Bleiprothese be5 deckt; zweites Ma1 nach 7 Monaten mit 20 mgr. Ra. in 16 Stunden; das Auge mit 2 mm Bleiprotese bedeckt. Die Augenuntersuchung kurz nach der letzten Radiumbehandlung zeigte: die Oberflache der rechten Cornea erodiert und unehcn nach unten. Die Linse klar. Einige cons

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junctivale Irritation mit Sekretion. Die Corncavcrletzung heilte nach 14 Tagen, cs hiclt sich abcr noch ctwas Nagcn und Brenncn im Auge, und 5 Monatc nach der letzten Radiumbehandlung zeigt sich eine gut 2 mm grossc rundc Kcratitis nach unten an der Cornea, und man sieht Einwuchs dcr Epidermis an dcr Ruckseitc der palp. s u p . an einem schmalen vcrtikalcn Strcifen etwas nasal von der Mitte des Augenlids. Vielleicht ist die Keratitis durch die stetigc Irritation dcr rauhcn schuppigcn Epidermis gegen dic Cornea entstandcn. Dies gcschah im

Abb. I .

April 192’7 und scitdem ist der Patient nicht mehr zur Behandlung gep kommcn. Auf Anfrage erfahrt man, das cr inzwischcn gcstorbcn ist.

Drifter Fall. Ein 45jahriger Mann. Im Jahre 1926 fur C. palp. inf. sin (nur hirsekorngross) mit 20 mgr Ra. in 20 Stunden behandelt; das Auge mit 2 mm Blci bedeckt. Der Patient war fruher erfolglos mit Rontgenstrahlen bchandclt * worden. Nach cincm Monilt ist alles geheilt, cs fehlen nur die Cilien an der behandelten Stelle dcs Augenlids. Bei Untersuchung des Auges nach 2 Monaten befand sich das Sehvcrmbgcn normal, Cornea und Lime klar. 6 Monate nachher aber klagt der Patient ubcr Empfindung von Trockenheit im linken

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Augc und es wird Plattencpitheleinwuchs an der Conjunctiva palp. inf. beobachtet, auf einem 1 mm breiten und 3 mm langen Streifen von der Mittc dcs Augenlidrandes winkelrccht auf diese gber dic Cons junctiva hinein. Im Jahre 1928 klagt der Patient zuwcilcn uber ctwas Nagen im Auge, wenn er abcr das kleine Membran von aufgeweichten Zellen, die sich an dcr Einwuchsstclle entwinckcln, abwischt, hijrt dab Nagen fur einigc Zeit auf. Man beobachtet immer die keilfijrmige Epis dermispartei, jetzt aber zugleich einc etwa 2 X 2 h m grossc Epis

Abb. I1

dermisinscl in nasaler Richtung. Das Sehvcrmbgen normal, die Medien klar. Im Jahre 1930 besteht noch etwas Nagen, und das Auge ist geneigt im Tabaksrauch und Wind injiziert zu werdcn. Man sicht iiuii

3 kleinen Epidcrmisinseln an der Conjunctiva palp. inf. - Abbildung I1 zeigt nur die eine von diescn mit ciniger Injection der Conjunctiva bulbi gegenuber derselbcn. Schvcrmogen normal, kcinc Katarakt, Oph: thalmoskopie und Gesichtsfcldcr normal.

Vierter Fall. Einl 65sjhhrigcr Mann, dcr im Jahre 192’7 fur C. palp. sup. sin. (temporale ?/a) mit 60 mgr Ra. in 15 Stunden behandelt wurdc; Bulbus mit 3 mm Blei bcdeckt. Bci Augenuntersuchung vor der Ras

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diumbehandlung ergab sich : S. 0. dx. " / 5 mit + 1,00 sph. S. 0. sin. < mit + 4,OO sph. Medicn klar, Augengrund naturlich. Nach 3 Monaten war die Corneaoberflachc nach untcn etwas uncbcn. 4 % Monate nach dcr Bchandlung waren allc Wunden an der oberen Augenlid geheilt, jedoch mit eincm ziemlich grossen Defekt (siehe Abb. 111). Untcn an der Cornea sicht man noch immer oberflachliche Triibungen; das Schvcrmiigen ist < "I?. In der folgenden Zeit halt sich die Cornea an gewissen Stellcn trub, trocken und das Sehverr

Abb. Ill.

mbgen sinkt his Fingcrziihlcn in 2 Mctcrn. Die Iris zcigt cinige dilas ticrten Gcfasse. dic Pupille dilaticrt sich doch gut mit Atropin, man bcobachtet einigc Syncchicn, von cincr Katarakt ist wohl kaum die Redc. 2% Jahre nach dcr Bchandlung wird ciniges Nagen gespurt im Auge, das auch fortwlhrcnd injizicrt ist. Er triiufelt Vaseline ins Auge und schutzt es in dcr Frcie mit Automobilbrillcn. Bcim gcwohnlichen Blinzeln vermag das obcrc Augcnlid nur ' I 3 dcr Cornca zu decken; ~ e n n das h u g e ganz gcschlosscn wird, wird dic Cornca giinzlich gcs dcckt, man sieht abcr untcr dcr Cornca einen Strcifcn von Conjuncs tiva: die Cornea ist in cincm Scktor iiach untcn triib und mit feinen

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Gefasscn vcrchcn. An dcr Iris sicht man noch Synechicn und sichtbarc Gefasse. 3 Jahre nach der Behandlung zeigt die Cornea dicselbc Sachlage, man sieht aber jetzt einen Epidermiseinwuchs an dcr Schlcimhaut dcs u n t e r e n Augenlids (siehe Abb. 111) .and eine unzwcifelhafte Cataracta incipicns. Das Leiden genierte dcn Patienr tcn nicht besondcrs, und das Auge hielt sich ruhig, bis er im Seps tembcr plijtzlich mit einer schweren Keratitis e lagophthalmo err scheint, fur wclche er noch behandclt wird. - In diesem Falle zeigte sich dcr Epidcrmiseinwuchs - wie im obcnerwahnten zweitcn Falle - nicht an der Tumorstelle, sondcrn an dcr gegenuberliegenden Stclle dcs entgegengesetzten Augcnlids.

Fiinfter Fall. Einc 62~jahrige Frau mit C. palp. inf. sin. (kleine, % ctm vom Canthus cxt. entfernt), war friiher ohne Resultat mit RGntc genstrahlen behandelt worden. Bekam den 16. Marz 1927 49 mgr Ra. in 20 Stunden. Das Augc war mit 3 mm Blei bedeckt. 8 Tage nach dcr Behandlung waren die Augen injectionsfrei, die linke Cornea zeigte einc ganz schwache nebelige Triibung vor dem unteren Pupils lenrand, die Oberfliiche war glatt, die linke Pupille etwas kleiner als die rechtc, Iris natiirlich, Pupillenrand naturlich, Pupille reagiert. An bcidcn A4ugen findet sich ganz lcichte cataracta incipiens. Der Augens grund natiirlich. SchvermGgen " 0 0. u. Den 3. Maj war alles schon geheilt. Den 2. Juni desselben Jahres wurde bei Augenuntersuchung ctwas Sekret vom linken Auge beobachtet. Die Patientin giebt etwas. Nagen im Auge an, welchcs aufhijrt, wenn das .untere Augenlid vom Bulbus veggezogen wird. Man sieht am untercn Augenlid einen kleinen Epidermiseinwuchs, der von dem Augenlidrand iiber die Schleimhaut hincingeht. Nach Abstreichen von unbedeutenden Mengen von weisss lichen aufgeweichten Epidcrmismassen giebt es kein Nagen mehr. Cornea ist nun glatt, klar; SehvermGgen b/g und Ophthalmoskopie wie bei friiheren Untcrsuchungen. Noch im Juni wurde der Epidermis+ einwuchs beobachtet als ein kleiner Epidermisdreieck iiber der Cons junctiva ungefahr mitten an dem unteren Augenlid. Keine Beschwerr- den mehr. S. 0. u. s/g, Hm. 5.00.

Sechster Fall. - Eine 64sjahrige Frau mit cinem C. palp. dx., die ganze mcdiale Halfte des Augenlids bedeckte. Sie wurde den 26. Juli 1928 mit 40 mgr. Ra. in 16 Stunden behandelt. Bulbus war mit 3 m m Blei bedeckt. Im Jahre 1025 war bulbus sin. cnuclicrt wordcn wcgcn Melanosarcoma chorioideae. Den Tumor am Augcnlid hattc man friir her operativ zu entfernen versucht, es kam aber Recidive, die sich langc stationar .verhielt und erst neulich zu wachsen anfing. - 14 Tage nach der Behandlung giebt es einige Reaktion im Umfange des Tuc mors, es zeigt sich pericorneale Injection, die Cornea ist leicht chagrir niert, nicht glatt spiegelnd; es finden sich leichte diffuse Triibungcn nach unten in iiasaler Richtung. Die Iris ist leicht injizert. Es ist eine leichte streifenformige Katarakt im unteren nasalen Quadrant, wahs rend der Rcst dcr Linse klar ist. Dcr Augengrund ist natiirlich und gut sichtbar. S. 0. dx. < 5/ia mit + 0,50 sph. Einen Monat nach dcr Behands

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lung zeigt sich Epidermiseinwuchs an der Conjunctiva palp. inf. in nas saler Richtung. Die Cornea ist dauernd leicht chagrinicrt nach oben, klar nach unten, die Linse unveriindert. 2 Monate nach der Behands lung klagt der Patient uber Nagen unter dem oberen Augenlid, und man bcobachtet auch hier mitten am Augenlide einen grosseren Epis dermiscinwuchs mit einer Schichte von aufgeweichten Epidermismass sen gcdeckt. Die Gegend ist ctwa 12 mm lang an dem Augenlidrand und gcht etwa 7 mm uber die Conjunctiva hinein. Cornea uneben

nach oben, annehmlich wegcn Erosion des Plattenepiteles. Die Katas rakt unvcrlndert. Den lstcn November wird ein Stuckchen des Epis dermiscinwuchses excidiert fur Mikroskopie, wclche zeigte : ein 1 % mm langes Stuekchen Plattencpithcl’ mit etwa einem Dutzend Zellens reihcn. - Der Patient bekommt Vaseline furs Auge, wodurch das lastige Nagen betrachtlich vcrmindert wird. Jetzt nach zwei Jahren nach der Behandlung ist das Sehvermtigen 5/ia ohne Glas. Wie es Abb. 1V zeigt, giebt es sowohl am oberen wie am untereii Augenlid grossen Epidcrmiseinwuchs, # a m oberen in der Mitte, am untcren in nasalcr Richtung. Es giebt cine leichtc Injection der Conjunctiva, das Nagen

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aher kaum lastig, wcnn die Paticntin stets Vaseline verwendet. Am Bulbus finden sich erweitcrtc und gcdrchte Gefassc. Dic Cornea ist nun ganz klar, ausgenommen nach oben und nach unten, wo sie bei dem Limhus fein punkticrt und triib crschcint. An der Vordcrflichc der Linse gicbt es Pigmentstaub. Bctriichtlichc Katarakt nach unten in nasaler Richtung. Dcr Augengrund jedoch so ziemlich sichtbar.

Siebenter Fall. - Eine 6lrjahrigc Frau mit C. palp. inf. sin. (mits ten am Augenlid). Wurde den 19. Dezcmber 1928 mit 20 mgr Ra. in

Abb. C’.

20 Stunden bchandclt. Bulbus mit 3 mm Blci hcdcckt. Bei Augenuns tursuchung dcn 18. Marz 1929 zeigte sich ein klciwr Epidermiszapfen, dcr an der Stellc dcs fruhcren Tumors cin wenig iiber die Conjunctiva hincinwachst. S. o. u. ‘ ’ / 6 , Hm. 2,00, Cornca und Linsc klar, Ophthals moskopie normal. Den 16. Dezember 1929 war dcr Epidermiszapfen zu einer kleiiieii Epidermisbortc von dcm Augenlidrand bis cin wcnig uber die Conjunctiva hinein abgenommcn. Kcine Beschwerdcn.

Achter Fall. - Ein 66sjihrigcr Mann mit C. palp. inf. dx. (nahezu das ganze Augcnlid). Er wurde dcn 25. April 1929 mit 20 mgr. Ra. in 30 Stunden behandclt. Bulbus mit 3 mm Blei hedcckt. Die Augens

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untersuchung vor dcr Behandlung crgab : S . o. u. H/ici. (:ornca klar ab-- gesehen von eincm ziemlich grosscn Xrcus senilis. In den Linsen sieht man an beidcn Augcn schwachc wolkige Trdbungcn, namentlich in der Peripherie. Ophthalmoskopie normal. 1 % Monatc nach der Behandlung war das Sehvermbgcn unvcriindcrt. Cornca: und Linsen w-ie zuvor. Ophthalmoskopie normal, das Gcsichtsfcld zeigtc aber bes trachtlichc Hcschriinkung (his 20-30 Grad vom Zcntrum) nach allen Seiten. Man sciht eine ganz klcine Epidcrmissporc iiber der Schleims

Abb. VZ.

haut an der Tumorstclle. 9 Monate nach der Behandlung war die Epidermisspore schon etwas abgenommen. Man sieht an der Photos graphic (Abb. 1 7 ) dcn Epidcrmiscinwuchs von cincr \vcisslichcn Dcs tritusschichte gedeckt.

Neunter Fall. Einc 81Sjiihrigc Frau kam den ls ten Maj 1929 mit einem grossen C. palp. inf. dx. mit Infiltration des ganzen untcren Aus genlids. Sie wurde mit 21 mgr Ra. in 42 Stunden behandelt. Der BuL bus war mit 3 mm Blei bedeckt. 2 Tage nachher zeigte die Augens untersuchung: S. 0. dx. Hm. 030. Cornca klar, kcinc Katarakt. Ophthalmoskopic normal. Etwas Conjunctivitis, die mit Zinksulphats

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liisung behandelt wird. Nach 3 Monaten war der Tumor nicht ganz gcschwunden, wofur noch 60 mgr in 18 Stunden gegeben wurden. Be. dcckung wie friiher. Ein Jahr nach der ersten Bchandlung klagte die Paticntin iiber Schmerzcn im Auge. Bei Untersuchung ergab sich: Das ganze untere Augenlid verloren gegangen und an der Conjunctiva bulbi sieht man nach unten einen grossen Epidermiseinwuchs (siehe Abb. VI). Nach untcn an der Cornea giebts eine kleine Keratitis e lagophthalmo. Das oberc Augenlid deckt beim Blinzeln nicht die vcrletztc Corneagcgend und auch nicht die epidermisierte Gcgend der Conjunctiva. Die Linse klar, Ophthalmoskopie normal. Nach Atros pinbehandlung heilte die Corneawunde auf, man beobachtete aber eins zelnc Synechien und feine Prazipitate an der Riickseite der Cornea.

Ein i3sjahriger Mann, der im Maj .1929 in der Ras diumstation fur einen grosscn C. an dem Canthus intcrnus des rechten .luges bchandelt wurde. Die Geschwulst dehnte sich iiber den mes dialcn Drittel des oberen sowie des unteren Augenlids. Zuerst wurde Riintgcnbehandlung gegeben, wodurch die Geschwulst etwas schwand, und nachher den 12. Juli d. J. 86 mgr Radium in 20 Stunden. Der Buls bus wurde mit 3 mm Blei bedeckt. Die Augenuntersuchung den 28. Novcmber 1929 ergab: S. 0. dx. = 6i6 Ah. 1,50 (00) + M. 0,50. S. 0. sin.

"/6 Hm. 1,OO. Keine Conjunctivitis, aber leicht erweiterte Gefasse am Bulbus. Ein wenig Epiphora im Freien. Nichts aus den Tranens wcgcn hcrauszudrucken. Cornea klar, die Linse gleichfalls. Ophthals moskopie normal. ' I m M5rz 1930 war die Geschwulst vollstandig ges schwunden mit glatter Narbe. Der Patient klagt iiber einiges Nagen im rcchten Augc. Schvermiigen wurde wie friiher befunden. Die Me. dicn klar, Ophthalmoskopie normal. Nur geringe Conjunctivitis, aber an der palp. inf. dx. sieht man rings um punctum lacrymale einen ganz kleinen Epidermiseinwuchs, der sich ein Paar mm iiber die Conjuncs tiva hineinstreckt.

Zehnter Fall.

In diesen sammtlichen 10 Fallen handelt es sich urn Einwuchs der Epidermis in die Conjunctiva. In der Regel fand der Epis dermiseinwuchs an der Stelle des fruheren Tumors statt, in den Fallen 2 und 4 aber geschah der Einwuchs nicht an der Tumors stelle sondern an dem andern gegenuber gelegenen Augenlid. Und im Fall 6 wurde der Epidermiseinwuchs sowohl an der Tug morstelle des oberen Augenlids als an der unteren Augenlid beobachtet. Man muss in diesen drei Fallen vermuten, dass das Leiden durch eine durch die Radiumbehandlung entstandene Schleimhautverletzung an dem entgegengesetzten Augenlid verr anlasst worden ist. Solche Verletzung wird mutmasslich leicht entstehen konnen und Anlass dazu geben, dass das Conjunctis valgewebe nekrotisiert, wonach die Epidermis, die weniger vers letzt wird, uber die Conjunctiva hineinwachst.

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Der Epidermiseinwuchs hat jedenfalls den Patienten be. trachtliche Beschwerden verursacht (Nagen, Injection, Sekres tion) und in einzelnen Fallen Corneairritation von Dauer, ja in einem Falle sogar eine Keratitis, woraus hervorgeht, dass er nicht ganzlich ungefahrlich fur das Auge ist. Ich erachte cs deshalb erforderlich, dass man erwagt, ob etwa eine Anderung der Technik der Behandlung die Entstehung solches Einwuchses verhindern konnte. Was der Epidermiseinwuchs an dem ande: ren, dem Tumor gegenuberliegenden Augenlide betrifft, wird man sich wohl durch genugende Bedeckung des Augenlids sichern konnen, wenn man nur darauf aufmerksam ist, wie grosse Be. deutung diese Bedeckung hat, und nicht nur daran denkt den BuL bus zu bedecken. Schwieriger stellt sich die Frage von dem Epis dermiseinwuchs an der Tumorstelle. Die Beseitigung dieses Ubels werde ich, in Ermangelung der Spezialkenntnis, den RaS diologen uberlassen. Sollte man nicht verhindern konnen, dass dann und wann ein Epitheleinwuchs entstande, so konnen die Beschwerden doch leicht dadurch beseitigt werden, dass man vorsichtig das epithelialisierte Stiickchen exzidiert, wonach die Schleimhaut sicher uber die Wunde hineinwachsen wird.

Schleirnhauteinwuchs. Wie merkwurdig es lautet, so habc ich in 2 Fallen das Gegenteil von den obenerwahnten Fallen beobachtet, namlich dass die Schleimhaut der Conjunctiva in die Haut des Augenlids hineinwachst. Ich werde zunachst die Falle kurz referieren.

Elffer Fall. Einc 3isjahrige Frau, die fur einen C. palp. inf. sin. hei dem Canthus ext. den 23. Januar 1928 40 mgr Ra. in 20 Stundeii he5 kam. Bulhus wurde mit 3 mm Blei bedeckt. Bei Augenuntersuchung 1 Jahr nachher ergah sich: Rechtes Auge natiirlich, S. "6 Em. Linkes Auge: S. = " 8 mit + 0,50 sph. Cornea glatt, dic Medicn klnr, Xugcns grund natiirlich. Beim Canthus ext. fchlen die Cilien an hcidcn Augcns lidern. Hier sicht man eine Gegend mit rijtlicher, schlcimhautartiger Oberflache, iiher die Haut beider Augenlider hinausgehend, an dem oberen iiher ein kleineres Stiicken, an dem unteren iiber eine grossere Gegend. In der Lupe sieht man ein dichtes Gefassnetz, mit Fluorescin wird die Gegend nicht gcfarht. Vermutlich ist die Haut in dieser Gegend mit Schleimhaut ersetzt worden. Bci erneuertcr Untersuchung im Marz 1930 hatte sich der Schleimhauteinwuchs heim Canthus cxt. zuriickgezogen, so dass man nur cin 1% X 1 mfn grosses Stiickchen Schleimhaut sieht, das dicht am Canthus ext. iiber den Lidrand him

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ausgeht und von dcr Lidhaut scharf getrennt ist (Abb. VII). Ubrige Untersuchung wie friiher.

Zwolfter Fall. Ein 65ijahriger Mann, der den 7ten November 1929 die Radiumstation suchte wegen eines C. bei Canthus ext. 0. sin. Er wurde mit 65 mgr Ka. in 20 Stunden behandelt. Der Bulbus wurde mit 3 mm Blei bedeckt. Bci Augenuntcrsuchung 8 Tage nach der Behands lung ergab sich eine ziemlich bedeutende Conjunctivitis, und laterale Tcile der Cornea zeigten sich diffus unklar mit kleinen Infiltrationen.

Abb. 1/11.

Mit der Atropinbchandlung kliirtc die Cornea auf. Eincn Monat nach der Behandlung zeigte sich Schlcimhauteinwuchs iibcr dem Lidrand bei Canthus ext, indem dic Schleimhaut auf cinem klcinen Stiickchen dicht am Canthus ext. wie eine Zunge in die Lidhaut hinausgeht, von wels cher sie sich scharf hervorhebt durch ihre rotliche Farbe und lcuchts ende Feuchtigkcit. Gewiihnlich sitzt eine Trane an der Stelle (Abb. VIII). S. 0. u. = o / 6 Em. Geringe Conjunctivitis. Cornea klar. Einige pcriphere Katarakt gleich an beidcn Augcn. Ophthalmoskopie normal. Gesichtsfclder normal. Bei Untersuchung den 30. Marz 1930 war die Schleimhautgegeiid etwas vcrmindert, indem es schien als ob die Epie

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dermis langs des Lidrandes hineingewachsen ware, so dass nur eiii kleines Inselchen von Schlcimhaut in der Haut dicht am Canthus zur riickbleibt.

Abb. V111.

Wie man aus den Journalen sieht, geschah in diesen beiden letzten Fallen gerade das Gegenteil von dem, was wir .in den obenerwahnten Fallen beschrieben haben. Hier war die Schleims haut iiber die Gegend, die normal von der Lidhaut gedeckt ist, hinausgewachsen. In dem ersten Fall war der Schleimhautubers wuchs anfangs ziemlich gross, wurde aber spater kleiner so dass er bei der letzten Untersuchung ganz klein, ungefahr von ders selben Grosse wie in dem letzten Fall war, in welchem sich ja auch eine gewisse Tendenz zu Verkleinerung zeigte, was also wahrscheinlich eine allgemeine Tendenz in solchen Fallen von Einwuchs ist. In beiden Fallen befand sich der Schleimhauts uberwuchs an genau derselben Gegend des Auges, namlich dicht

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am Canthus externus des unteren Augenlids. O b dieser Um= stand von einem Zufall heruhrt, oder ob diese Lokalisation des Cancers sollte bedingen, dass die Schleimhaut weniger durch die Kadiumbehandlung verletzt wird oder leichter uber die Wunde in die Haut hineinwachst, lasst sich nicht leicht entscheiden. Die Beschwerden, die mit dieser Form von Einwuchs verbunden sind, sind viel geringer wie bei dem Epidermiseinwuchs; cs giebt tatsachlich keine, ausser dass gewiihnlich eine Trane sich an der Schleimhautgegend bildet, welche dann und wann abges wischt werden muss. Dieser Schleimhauteinwuchs hat also in der Ta t keine Bedeutung als Komplikation bei der Radium; behandlung.

Wenn ich diesen Einwuchs, und namcntlich den Epidermis= einwuchs so ausfuhrlich besprochen habe, ist es, weil er in einigen Fallen wirklick eine ausserst beschwerliche Komplika: tion bedeutet hat aus welchem Grund er bekampft werden muss aber auch, weil er, so viel ich weiss, nicht fruher be= sprochen worden ist und deshalb den Reiz der Neuheit haben muss.*)

Was die iibrigen durch Radiumbestrahlung verursachten Au= genverletzungen betrifft, sind sie alle schon vorher beschrieben worden. Ich werde doch hier in aller Kurze klar legen, was ich gefunden habe.

Conjunctivitis. In fast samtlichen Fallen entstand unmittels bar nach der Behandlung eine in manchen Fallen ziemlich schwere Conjunctivitis in dem betreff enden Auge. Dass dieser Umstand teilweise von mechanischen Ursachen herruhrt so wie das 'Zuschliessen des Auges wahrend langerer Zeit und das Einlegen der Prothesc zur Beschutzung des Bulbus, unterliegt wohl keinem Zweifel; in nicht wenigen Fallen ist aber die Cons junctivitis eines so gewaltsamen Charachtcrs und namentlich so anhaltend, das ich es fur fraglos annehme, dass die Bestrahlung selbst eine Rolle gespielt haben muss. Glucklicherweise vers

*) Seit Abschluss diescr Arbcit habc ich noch einen Fall Epidermis: einwuchs und drei Falle von Schlcimhauteinwuchs bcobachtct. In diesen drei Fiillen war dcr Sitz dcs Einwuchscs auch dicht am Canthus externus.

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lauft die Conjunctivitis, jedenfalls in allen den Fallen, die ich gesehen habe, zur volligen Genesung mit gewohnlicher Behands lung, Baden oder in schwereren Fallen Behandlung mit Zinks sulphat oder Salbe.

Gefasserweiterungen ,an ,der Sclera. Erweiterte und gedrehte Scleralgefasse wurden in 10 Fallen beobachtet. In 4 von diesen Fallen war auch eine Katarakt vorhanden. Siehe z. B. Abb. I. Die Bedeckung des Bulbus geschah in 6 Fallen mit 3 mm Blei, wahrend in den iibrigen Fallen noch diinnere Bleiprothesen vers wendet worden waren. Diese Gefassveranderung scheint nicht abnehmen zu wollen; in einigen Fallen dauerte sie jahrelang.

Corne.averlefziingen. Von diesen sind in allem 13 beobachtet worden. In einem Teil von diesen Fallen kan man die Verletzs ungen der Radiumbehandlung nicht direkt zur Last legen, nam. lich in den Fallen wo die Corneatriibungen zweifelsohne als eine Keratitis e lagophthalmo wegen grosser Augenlidefekte entstanden ist. Es sind 3 Falle dieser Art beobachtet worden. In einem von diesen fehlte das untere Augenlid ganzlich. Es cntstand nach unten eine Keratitis e lagophthalmo, die jedoch heilte mit S. = 616. Im zweiten Fall fehlte die temporale Halfte des oberen Augenlids, wodurch eine grossere Triibung temporal und nach unten an der Cornea entstand. S. war 1/60. Man schlug der Patientin eine Blepharoplastik vor, sie wollte aber einen Monat mit der Operation warten. Es war im Jahre 1927, und seitdem haben wir sie nicht gesehen trotz Aufforderungen um sich zu Nachuntersuchung einzustellen. Der dritte Fall be. trifft den als vierter Fall oben referierte. Endlich sind, wik sclion erwahnt, in 5 Fallen wegen grosser Recidiven Corneanei krosen entstanden, welche Exenteration notwendig machten. - Ubrig bleiben 5 Falle von Corneaverletzungen, die mehr direkt von der Radiumbehandlung herriihren. In 3 von diesen Fallen handelte es sich um ganz schwache Corneatriibungen, die uns mittelbar nach der Behandlung beobachtet wurden und nach lcurzer Zeit verschwanden. In 2 Fallen handelte es sich hochst wahrscheinlich nur um Erosionen nach der 3 mm Bleiprothese; sie schwanden im Laufe von 8 Tagen. Im dritten Fall (siehe oben: Zwolfter Fall) fanden sich laterale Teile der Cornea triib mit kleinen Infiltraten. Nach Atropinbehandlung schwand die Keratitis im Laufe von etwa einem Monat. - Die ubrigen

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2 Fallc riihrcn augciischeinlich nicht von der Radiumbehandlung hci, d:igegen aber der fruher erwahnte Epidermiseinwuchs, indem die Trubung sich ausserhalb der epidcrmisuberwachsencn Conjunctivalgegendstreckt (zweiter und sechstcr Fall). - Wie wir gesehen haben, sind die direkt durch die Radiumbestrahlung verursachten Corneaverletzungeii nicht sehr crnster Natur, wahrend man sehr aufpassen muss um zu verhindern, dass Leratitis e lagopthalmo oder Coriieairritatioiieii, durch Epic lermiseinwuchs hcrvorgerufen, entstchcn.

Iris. - Irisvcrletzung durch Radium habe ich nur in einem Falle beobachtet, wo man cine zicmlich bedeutende Atrophie des Irisgewebes in einem Sektor nach unten wahrnahm; gleichs zcitig war Katarakt vorhandcn. Das Radiumpraparat war nach unten angebracht worden.

Katarakt. In einem Tcil der Falle fanden sich feine Katarakts strichc RII der Linse des behandelten Auges, in den meisten Fallen aber auch an dem nicht behandelten Auge. Bedenken wir aber, dass es in der uberwiegenden Zahl der Falle von alten Menschen handelt, ist wohl hierin kaum etwas merkwurdiges. In 5 Fallen wurde Katarakt nur an dem behandelten Auge be5 obachtet und zwar ohne dass ich glaube, dass die Radiumbes strahlung daran schuld sei, da die Katarakt sich gleich nach der Behandlung zeigte und sich wahrend einer langeren Observas tionszeit stationar hielt. Von Kataraktfallen die mit Recht der Radiumbehandlung zugeschrieben werden konnen, fanden sich eigentlich nur 4. In allen diescn Fallen war die Bedeckung des Bulbus unzulanglich, indem in den 3 Fallen uberhaupt kcine Be5 deckung dcs Bulbus stattgefunden, und im vierten Fall die Bc-- deckung nur mit einer YZ mm Bleiprothese vorgenommen wors den war. Die Behandlungen gehen ziemlich weit in die Zeit zuruck (vor dem Jahre 1922) an einem Zeitpunkt wo man nicht ganz klar daruber war, von wie grosser Bedeutung dic Bedeckung des Bulbus war. In dem ersten Fall sah man 9 Jahre nach der Behandlung einc nucleare Katarakt mit S. = Fingerzahlung vor dem Auge. An dem andercn Auge war das Sehvermogen 518. In dem zweiten Fall wurde die Katarakt 8 Jahre nach der Bes handlung beobachtct. Das Sehvermogen war: Handbewegungen vor dem Auge. An dem anderen Auge fand sich anfangliche

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Katarakt mit Sehvermogen 6/18. Im dritten Fall war das Sehs vermogen Fingerzahlung auf einem Meter, wahrend an dem andcren Auge das Schvermogen 619 war. Der Patient erklarte, dass das Schvcrmogen schon cin halbcs Jahr nach der Be5 handlung abzunehmen anfing. Endlich im vierten Fall wurde 5 Jahre nach dcr Behandlung eine anfangliche polarc Katarakt beobachtet; jetzt ist die Katarakt matur mit Sehvermogen: Lichtsinn und gute Projcktion. An dem anderen Auge ist das Sehvermogen = 6/6. - Nachdem man anfing den Bulbus mit 3 mm Blei zu decken, sind keine sichere Falle von Katarakt durch Kadiumbestrahlung hervorgerufen vorgekommen. Hierzu muss doch bemerkt werden, dass die Radiumkatarakt, nach den obenerwahnten Fallen zu urtcilen, sich erst viele Jahrc nach der Rchandlung zu erkenncn giebt, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ein Tcil der in den letzteren Jahren behandelten Falle doch spaterhin Katarakt bekommen mogen. Diese Frage ist spateren Untersuchungen vorbchalten. Ich habe neulich die Gelegenheit gehabt einen Fall von Radiumkatarakt zu operieren. Kumer u. Sallmann (1. c. S. 46) geben an, dass dic Beseitigung der Radiumkatarakt nach den fruheren Erfahrungen im allges meinen keinc Schwierigkeiten bereitet. Doch wird angegeben, dass Schonberg in einem Falle eine betrachtliche Blutung in der vorderen Kammer nach der Extraction, und dass Urbaneck eine ziemlich schwcre Hamorrhagi wahrend dcr Extraction und eine lange daucrnde Iridocyclitis nach dcrselben beobachteten. Der Patient an dem ich die Kataraktoperation vorgenommcn habe, war der von dem ersten der obenerwahnten Fallen. Die Katas rakt war reif gcwordcn, und der Patient wunschte operiert zu werden. Ich machte also dcn 25. August 1930 Extraction mit Schnitt mit grossem Con junctivallappen. Die Linse zeigte sich ganz weich zu sein, milchartig mit kleinem Kern, so dass die Extraction ganz leicht und ohnc Komplikationcn verlief, ebenso wie die Wundheilung. Das Schvcrmogen war bei der Entlassung nach 12 Tagen = 6/18 mit + 14,OO sph. Es fand sich feiner Nachstar. Augengrund naturlich.

Augengrundsveranderungen sind in keinem Fall als Folgen ctcr Radiumbehandlung bcobachtet worden. In einem Fall sah inan einc bedeutcndc Gesichtsfeldeinschrankung an dem mit Radium behandeltcn A L ~ ~ c , wahrend das Gesichtsfeld des an5

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deren Auges normal blieb. Die Ophthalmoskopie ergab nichts anormales. Wieweit dieser Gesichtsfeldsdefekt von der Radium3 behandlung herruhrt, lasst sich nicht leicht entscheiden. Ein ahnlicher Fall wurde jedoch von Urbaneck beschrieben (zitiert nach Kumer u. Salhann).

Die Radiumbehandlung von Lidkarzinomen gicbt so schone Resultate, dass man hoffen darf, dass die unerwunschtcn nach: teiligen Wirkungen der Bestrahlungen des Augenlids und BuL bus vermieden werden mogen. Um diesen Zweck erreichen zu konnen, muss man aber die Art und das Erscheinen der Vers letzungen studieren. Das war die Absicht mit dieser Arbcit - so weit es mit dem vorhandenen Material moglich war und mit besonderer Hervorhebung der nicht fruher beschriebenen Verr anderungen: dcr Epidermis5 und Schleimhauteinwuchs.