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Versuehe tiber die angebliehe ungleiehe Accommodation bei Gesunden und : nisometropen. Yon Dr. Carl Hess. (Aus dera physiolog. Institute der deutschen Universitht in Prag.) Im 19. Band des Arehivs flit Augenheilkunde (October- heft) theilt A. E. Fiek eine geihe yon Beobaehtnngen mit, welehe den Beweis fiir die MSglichkeit ungleicher Accom- modation bei Gesunden und Anisometropen erbringen sollen. Da die Versuehsergebnisse, wenn sic sich bestgtigten, yon weitgehender Bedeutung in theoretiseher wie in praetiseher Hinsieht sein m~issten, nnd dg sic andererseits yon den gesultaten, zu welchen Donders, Hering u. A. gefiihrt wurden, wesentlich abweiehen, so konnte eine wiederholte Untersuehnng des Gegenstandes nieht iiberfliissig erscheinen. Die friiheren Versuehe yon Sehnelter nnd yon Woi- now, alas ¥orkommen einer ungleichen Accommodation zu beweisen, sind yon Rumpf einer eingehenden Kritik unter- zogen worden; es sol1 im Folgenden ausschliesslieh die Beweiskraft der Fick'sehen Experimente gepriift werden. ,,Den zwingenden Beweis fiir die Mgglichkeit unglei- cher Accommodation unter physiologischen Verhi~ltnissen" sieht Fick dureh seine Versuche deshalb erbracht, weft er ,,ihn mit ~511ig unbefangenen Personen anstellte und nicht das Deutlich- oder Undeutlieherseheinen eines Ob-

Versuche über die angebliche ungleiche Accommodation bei Gesunden und Anisometropen

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Page 1: Versuche über die angebliche ungleiche Accommodation bei Gesunden und Anisometropen

Versuehe tiber die angebliehe ungleiehe Accommodation bei Gesunden und : nisometropen.

Yon

Dr. Carl Hess.

(Aus dera physiolog. Institute der deutschen Universitht in Prag.)

Im 19. Band des Arehivs flit Augenheilkunde (October- heft) theilt A. E. Fiek eine geihe yon Beobaehtnngen mit, welehe den Beweis fiir die MSglichkeit ungleicher Accom- modation bei Gesunden und Anisometropen erbringen sollen. Da die Versuehsergebnisse, wenn sic sich bestgtigten, yon weitgehender Bedeutung in theoretiseher wie in praetiseher Hinsieht sein m~issten, nnd dg sic andererseits yon den gesultaten, zu welchen Donde r s , H e r i n g u. A. gefiihrt wurden, wesentlich abweiehen, so konnte eine wiederholte Untersuehnng des Gegenstandes nieht iiberfliissig erscheinen.

Die friiheren Versuehe yon Sehne l t e r nnd yon Woi- now, alas ¥orkommen einer ungleichen Accommodation zu beweisen, sind yon R u m p f einer eingehenden Kritik unter- zogen worden; es sol1 im Folgenden ausschliesslieh die Beweiskraft der Fick'sehen Experimente gepriift werden.

,,Den zwingenden Beweis fiir die Mgglichkeit unglei- cher Accommodation unter physiologischen Verhi~ltnissen" sieht F ick dureh seine Versuche deshalb erbracht, weft er ,,ihn mit ~511ig unbefangenen Personen anstellte und nicht das D e u t l i c h - oder U n d e u t l i e h e r s e h e i n e n e ines Ob-

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jeers , sondern das E r k e n n e n des Drueks , das Lesen desse lben als Iieagens benutzte". Er legt bei seiner Ver- suchsanordnung vor Allem darauf Werth, dass ein b eson- deres In t e r e s se an ungleieher Accommodation beim Bin- ocularsehen vorhanden sei, und erreicht dies, indem er zwei identische Leseproben so herrichtet, dass einzelne Worte in der ersten, andere in der zweiten Probe iiberklebt wer- den; in der binocular gesehenen, haploscopisch verschmol- zenen Probe miissen dann die Liieken zwischen den bin- ocular gesehenen Worten yon den monocular gesehenen aus- gefiillt erscheinen.

Bei beiderseits gleicher Refraction erscheinen die ver- schiedenen Liickenworte selbstverstgndlieh gleich deutlieh; wird nun der zu Untersuchende dutch Vorsetzen yon un.. gleiehen Glgsern kiinstlieh anisometrop gemacht, so sind nach F iek 's Untersuehungen die Liickenworte beider Proben noch bei einer Glgserdifferenz yon 2 - - 3 D. lesbar. Es ist nun zu entseheiden, ob hierbei yon den Untersuehten ein Theil der G!£serdifferenz dutch ungleiche Accommodation ausgegliehen wird, oder ob das Lesen der versehiedenen Liiekenworte aueh ohne die Annahme einer solchen erklgr- lieh ist.

Die ¥ersuehe wurden yon Fick mit einer Druekprobe angestellt, deren Gr/Jsse Snellen 1,1 entsprieht.

Bei einer Differenz yon 1,5 D. gaben die untersuchten Personen an, ,,dass die in den L[mken auftauehendetl Worte ~erwaschen gesehen wurden, und zwar erschienen dieselben bald deutlicher, bald nndeutlicher" . . . . . . Durch Uebung konnte das Ueberwinden der Refractionsdifferenz bis zu einem gewissen Grade erlernt werden, so dass eine Person im Laufe weniger Wochen eine Differenz yon 3,25 D. tiberwaud."

F ick scheint (wie man naeh seiner Darstellung wenig- stens vermuthen daft) jeues Deutlich- und Undeutlichwer- den darauf zu beziehen, dass die ungteiche Einstellung an--

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fangs nur voriibergehend f[ir Augenblieke eintrete, und erst allmghlich constant werde; thats~chli& kommt abet bier ein Umstand in Betracht, dessert F iek gar nicht Erwgh- hung thut, ngmlieh der Wettstreit der Sehfelder zwische~l tier bedruckten Stelle der einen und der ganz weissen der anderen Probe; dieser wird natiirlich um so leichter ein- treten, je weniger deutlich das ill der Liieke zu sehende Wort erscheint; dureh gesteigerte Aufmerksamkeit und Uebung li~sst sich der Einfluss des Wettstreites his zu einem gewissen Grade eliminiren.

Weiterhin nimmt F ick selbst an, dass die Sehriftprobe nieht nut bei genauer Einstellung des Auges auf dieselbe, sondern aueh mit Zerstreuungskreisen noch gelesen werden kann, ;and dass der dioptrisehe Fehler, bei welehem noeh gelesen wird (auf die Bereehnung desselben kommen wit unten zuriick), Yon der GrSsse der Leseprobe abhgngt; den- noeh hat er den Einfluss der letzteren nieht zahlenmgssig zu bestimmen versueht. Wenn eine ungleiehe Accommo- dation wirklich vorkommt, so muss dieselbe offenbar bei einer kleineren Schriftprobe - - soweit dieselbe iiberhaupt lesbar ist - - in ganz analoger Weise eintreten, wie bei einer grSsseren; ist doch das Interesse am Binocularsehen in beiden Fgllen ganz das gleiehe.

Um zu priifen, inwieweit die GrSsse der Leseprobe auf die geduldete Gliiserdifferenz yon Einfluss ist, stellte ieh in der yon Fiek angegebenen Weise die yon ihm selbst beigefi~igten Leseproben, ausserdem J'~ger No. 3, No. 2 und No. 1 her; ich benutzte far die letzteren dem Untersueh- ten fi'emde Spra&en, um hierdurch sowohl als dutch hiiu- figes Wechseln der Sehriftproben das Maass dessert, was e r r a t h e n werden kann, wenigstens einigermassen einzu- schrgnken. F iek giebt nieht an, ob er bei seine~ Yer- suehen die Proben gewechselt, oder ob er aneh bei der Person, welehe es durch Uebung im VeHauf mehrerer Wochen bis zur Ueberwindung einer Differenz yon 3,25 D.

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braehte, nur die eine Probe verwendet hat; es ist dies ge- wiss nieht nebens~ehlieh, denn ieh iiberzeugte reich wieder- holt, wie sehwer es aueh fiir mieh war, bei einer mir be- kannten Leseprobe mir gewissenhaft Reehensehaft dariiber zu geben, ob ieh ein Wort derselben wirklieh ,,zum Lesen deutlieh" sehe oder nut errathe; deutsche Proben sind da- tum iiberhaupt fiir diese Versuche bei uns wenigstens un- geeignet.

F i e k hglt die Experimente S e h n e l l e r ' s und Anderer nieht fiir iiberzeugend, dass sic subjeetiver Natur seien; ein olojeetiver Bewds sei erst dutch seinen Versueh erbraeht, da er mit vSllig unbefangenen Personen angestellt sei. Wenn nun aueh bei so sehwierigen Gegenst~nden die PriiNng am eignen Auge in der Reget exakter sein diirfte als die Un- tersuchung Anderer, die mit den bei diesen Experimenten in Betraeht kommenden FeMerquellen nieht vertrant sind, zog ieh do&, um die Objectivitgt des Versu&es zu wah- ten, eine Reihe yon Personen zur Untersuehung heran, und zwar aussdfliesslieh Faehkollegen, die in der Selbstbeobaeh- tung einige Erfahrung hatten.

Die Proben waren in 50 em Entfernung yon dem fixir- ten Kopfe an einem Stativ befestigt, und es wurde Serge getragen, dass der Abstand der Prismen und Gl-Xser vom Auge, sowie ihre gegenseitige Lage genau constant blieb. Die beifblgende Tabelle zeigt, in weleher Weise mit Ab- nahme der SchriftgrSsse die geduldete Gtgserdifferenz rasch kleiner wird. (Die Untersuehten sind his auf Einen emme- trop.)

Geduldete Probe Distanz Differenz

Dr. P. Ficks Pr. 50 cm 1,50 D

J No. 3 ,, 1,25 J No. 2 ,, 0,75 J No. I ,, 0,50

Geduldete Probe Distanz Differenz

Dr. G. Ficks Pr. 50 cm 1,75 D

J No. 3 ,, 1,25 J 5"0. 2 ,, 0,75 J No. I ,, 0,50

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Geduldete Probe Distanz Differenz

Dr. St. (leich~ rnyop) Fieks Pr. 43 cm 1,'-.)5 D J No. 3 ,, 1,00 J No. 2 ,, 0,50 J No. 1 ,, ificht gelesen

Dr. B.

Ficks Pr. 50 cm 1,75 D J No. 3 ,, 1,50 J No. 2 ,, 0,75 J No. t ,, 0,50

Gedulddte Probe Dist~nz Differenz

Dr. H.

Ficks Pr. 50 cm 1,50 D J No. 3 , , 1,00 J No. 2 ,, 0,75 J No. 1 ,, 0,50

Dr. 1%.

Ficks Pr. 50 cm 1,50 D J No. 3 ,, 0,75 J No. 2 ,, 0,50 J No. 1 nicht gut

" gelesen tch,

Ficks Pr. 50 em 2,00 D J No. 3 ,, 1,50 J No. 2 ,, 1,00 J No. 1 ,, 0,50

Nach unseren Versuchen wird also die F ick ' s che Probe bei einer Gliiserdifferenz yon 1, 5--2,0 D. noeh gelese~, fiir J No. 1 ist dagegen durehweg die grSsste geduldete Dif- ferenz nur 0,5 D. (Ohne Glas wurde yon den Meisten J No. 1 noeh fliessend gelesen; die ¥erkleinerung dutch die schwachen Concavgl[%ser kommt, wie Versuche ergaben, nieht in Betraeht.) I)a atle Versuchsbedingungen ganz die glei- chen blieben, ist nur die eine Erkl~irung mSglieh, dass die Zerstreuungskreise bei ungleieher Einstellung zwar grosse Objeete nocl~ erkennen lassen (wie Sn 1,1), kleinere Schrift aber schon ganz mflesertieh maehen.

Es bleibt nun zu untersuchen, ob die Differenz von 0,5 D, mit welcher wit noeh J No. 1 binocular combi- nirend lesen, durch ungleiehe Accommodation zu erklSren sei. Bestimmen wit zu dem Ende auf dem yon F i c k be- nntzten Weg den dioptrisehen Fehler, mit welehem bei Aus- schluss der Accommodation das Lesen der Probe noeh mSg- lich ist. F i c k bringt die Probe in den Fernpunkt des

v. C4raefe's Archly fih: Ophthalmologie, XXXV, 1. 11

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cIioptrischen Systems Auge plus Couvexglas (also z. B. bei einem Emmetropen, welcher durch Vorsetzen yon d-2,0 D myop gem~cht ist, in 50cm) und verstgrkt dann das Glas um 0,25 D, 0,5 D etc. D~s stgrkste Glas, mit welchem monocular yon der Probe, wean guch nur einzelne Worte erkannt werden, fiihrt er als numerischen Ausdruck f~tir den dioptrischen Fehler, bei welchem d~s Lesen noch mSglieh ist, in die Rechnung ein und zieht den Betrag yon der GlSserdifferenz ab, mit welcher bei binoculgrer Combinution die Probe gelesen wird. Im vorliegenden Fa.ll findet sich, dass ich (und andere Emmetrope) monocu la r mit -~ 2,25 D yon J No. 1 in 50 em Entfernung noch mehrere Werte zu lesen im St~nde sind; darn~ch w~irde die Differenz yon 0,5 D, mit welcher J No. I bei binoculgrer Combinsction gelesen wird, wenn wir in der yon F iek selbst angegebene,~ Weise vorgehen, auch ohne die Ann~hme ungleicher Accom- modation zur Geniige durch das Lesen mit Zerstreuungs- kreisen erklgrt sein.

Dass in der That auch eine so geringe Differenz der vorgesetzten Glgser nicht durch ungleiche Accommodation ausgeglichen wird, lehrt der folgende Versuch. Es wird bei der oben beschriebenen Versuchs~nordnung fiber jede der beiden Sehproben ein fe ins te r , dem papier dicht an- liegender Coconfaden so gespgnnt, dass im binocul~r gese- henen Bride die beiden Fgden nahe bei eingnder vertaufen; der beiderseits Emmetrope sieht beim Lesen der bez~igli- chen Worte beide Fgden gleich deutlich; das Vorsetzen vol~ -4- 0,25 D vor ein Auge geniigt, um in ~llen F~illen den einen yon den Fgden undeut]ieh erscheinen o d e r - in vielen Fgtlen - - ¥Sllig versehwinden zu lassen; regelmgssig versehwindet der eine Faden bei einer Differenz yon 0,5 D, wghrend d~s Lesen z. B. yon J ~'o. 2 oder 3 dabei noeh teicht mSgtich ist.

Offenbar wiirden die mitgetheilten Versuche schon ge~ niigen, um zu zeigen, dass bei den yon mir untersuchten

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¥ersuche gber die angebliche ungleiche Accommodation etc. 163

Emmetropen eine ungleiche Accommodation sieher nicht eintrat; fiir die Fick'schen Yersuche kommen aber noch andere Umst~[nde in Betracbt, welche die gQduldete Glgser- differenz steigeru und so eine ungIeiche Accommodation vort~uschen kSnnen.

Wit hubert soeben gesehen, dass F i ck den dioptrischen Fehler, der das Lesen einer Probe noch erlaubt, durch das ¥orsetzen yon Convexgl~sern vor ein myopisch gemachtes Auge, in dessen Fernpunkt sich die Scbrift befand, mono- cu la r bestimmte, also bei angenghert parallelen Sehaxen und verdecktem anderem Auge. Nun uimmt F i ck an, da, ss dieser Fehler derselbe sei, wenn be ide Augen auf einen 50 cm entfernten Punkt eingestellt sind; die PupilIe wird sich abet in diesem Falle sowohl dureh die Convergenz als iE Folge der Belichtung des anderen jetzt geSffneten Auges ver- engern, die Zerstreuungskreise werden kleiner, der geduldete dioptrische Fehler wird gr5sser werden miissen. Eine ap- proximative Bereehnung der Verengerung der Pupille nnter diesen Umstgnden kann man vornehmen, wenn man in 50 cm Entfernung ~Tom Auge eine feine dunkle Linie mit Grad- eintheilung etwa auf einer vor dem fl~eien Himmel befind- lichen Fensterseheibe anbringt und nun dureh ein sehr enges kreisf@miges Diaphragma blickend bald auf die Linie, bald auf Unendliehkeit einstellt, weiterhin das andere Auge abwechselnd verdeckt und frei l~isst; das Diaphragma befindet sich beili~ufig im vorderen Brennpunkte des Anges; tier yon demselben erzeugte Zerstreuungskreis wird mit dem Wechsel der Pupillenweite verschieden gross erscheinen uud man 1lest den jeweiligen scheinbaren Durehmesser desselben an der Scala ab. Selbstverstiindlich muss dutch geeignete Vorriehtungen dafiir gesorgt sein, dass der Kopf fixirt und die Entfernung des Diaphragmas yore Auge unverSndert bleibt. Auf diese Weise fund ieh als Mitre1 aus einer Reihe yon Versuchen, dass meine Pupille beim Uebergange ~'on der Ferne auf 50 em sieh nm ca. ~/,; verengert; fixirte

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ich monocular einen 50 cm enffern~en Punkt und ~iffnete dann das andere Auge, so trat eine Verengerung um 1/3 bis 1/4 ein. Dass diese Verengerung auf die Deutliehkeit des Sehens wirklich yon sehr wesentlichem Einfluss ist, zeigt die folgende Beobaehtung. Bei versehlossenem linkem Auge kana i& mit @ 2,25 D yon J No. i in 50 em noch mehrere Worte erkennen; ~iffne ieh nun das linke Auge, na&dem ieh zwis&en dieses und die Sehriftprobe einen weissen Sehirm gesehoben, um dieselbe Nr das Auge zu verdeeken, so ka,nn ic,h jetzt mit dem reehten :~mge die Scl~rift sehr ,'let besser lesen.

Der Versuch wurde yon Anderen mit gleichem Ergeb- hiss wiederholt.

Prof. F ick machte, wie der Verfasser angibt, die Be- obachtung, dass eine monocular gesehene Sehriftprobe jeno seits des Fernpunktes seines einen myopisehen Auges, die ihm also verwasehen erseheint, deutlieher wird beim Oeff- hen des anderen, noeh st~irker myopisehen Auges, und er erklSrt dies dargus, dass die verwasehenen Bilder dieses Auges noeh die besseren des anderen unterstiitzen sollen. Nach dem eben beschriebenen Versuch ist indess anzuneh- men, dass auch die Verengerung der Pupille dabei eine sehr wesentiiehe Rolle spielt.

Um sieh in anderer Weise eine Vorstellung zu mgchen -~on dem bedeutenden Einflusse der Papillenweite, kann man die Leseversuehe naeh Vorsetzen you kreisf/~rmigen Diaphragmen vor beide Augen wiederholen. So betrggt beispielsweise bei mir die gedutdete Differenz der GIgser fiir J No. 3 ohne Diaphragma 1,5 D, nach Vorsetzen eines Diaphragma yon 2 - - 2 , 5 mm Durehmesser abet 3,0 D. W:ghrend ieh die Fiek'sehen Proben in 50 cm ohne Dia- phragm~ mit -4-2,5 D mtihsam erkenne, tese ich dieselben ha& Vorsetzen eines ganz feinen Diaphragmas (yon 1 mm Durehmesser) noch leieht mit @ ~i,0 D.

So!eh' grosse Differenzen erh~lt man atlerdings nur mit

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Versuche aber die angeb!iche ungleiche Accommodation etc. 165

Diaphragmen yon einem geringeren Durchmesser, als ihn dis Pupille fttr gewShnlich bietet; yon wie weitgehendem Einfluss aber guch innerhalb der physiologischen Grenzen die Pupiliemveite auf die Dentlichkeit des Sehens ist, zeigt die folgende Beobachtung, die mir Herr Professor H e r i n g mittheilte. Herr Prof. He r ing hat an beiden Augen eine I~Iyopie zwischen 3,5 und g,0 D; seine Aecommodationsbreite betrggt 2,0D: eine in gr6sserer Entfernung befindliehe Ker- zenflamme erseheint ibm also bei uneorrigirtem Ange mit grossen Zerstreuungskreisen; stellt er nun monocular mit Anspannung seiner ganzen Accommodation auf seinen Nahe- punkt ein, so erseheint ibm alas Flammenbild ganz erheS- lieh sch~rfer! Es wird also die Vergr~sserung der Zerstreu- ungskreise auf der l~etina, die dutch die Einstellung auf den Nahepunkt bedingt rein wiirde, i i b e r e o m p e n s i r t durch die Verkleinernng derselben in FoIge tier Pupillenverengerung.

Endlich muss ich auf eine Feblerquelle yon mehr sub- jectiver Natur au/iSnerksam maehen, bedingt durch einen Vor- gang, weleher den untersuchtell Personen, wenn sie in der Selbstbeobgchtung nieht geiibt sind, wohl kaum zum Bewusst- rein kommt; ich land ngmlieh, dass wenn beim Lesen der Fiek'sehen Proben die Glg serdifferenz eine hbhere wurde (1,75--2,0), racine Augen Ieicht yon einer mittleren Einstei- lung, bei weleher die anf beiden Tafein gedruekten Worte eben Iesbar waren, dutch eine minimale Entspannung oder Vermehrung tier Accommoda[ion bald auf die re&ten, bald auf die linken Halbworte einstettgen, nnd zwar spielt sich dies so rasch ab, dass beim Lesen kaum eine Stockung eintritt- dieses Schwanken tier Einstellung erseheint ~nn zungchst unwillkiirlich, nnd man glaubt thatsgehlich alle die Liieken- worte dentlich zu sehen; erst bei besonders darauf gerichte- ter Aufmerksamkeit bemerkt man, class gleiehzeitig mit dem Deutlicherwerden der Liickenworte des einen Anges die des anderen undeuttieher werden; sowie man aber diese letz- teren fixirt, treten sie wieder schgrfer hervor.

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Es war mir yon besonderem Interesse, dass ein Col- lege, der sich igngere Zeit mit ghnli&en Untersuchungen beschiiftigt hatte, soibrt, ohne dass ich ihn darauf aufmerk- sam gemacht hgtte, mir die gleiche Beobachtung mittheilte.

Priifen wir nun an der Hand der gefundenen That- sachen die Anschauungen F i c k s iiber die Accommodation bei Anisometropen. Zungchst eitirt F i c k als Beleg N r das ¥orkommen ungleicher Accommodation aus der Litera- fur unter Anderem zwei Beobaehtungen, die yon F u e h s im Archiv fiir Auge~heilkunde XV, 1 mitgetheilt sind. Ich kann nicht finden, dass sich aus den yon F u e h s besehrie- bench F~llen ein Beweis far unsymmetrische Accommoda- tion entnehmen lasse; mit viel mehr Recht kSnnten diese, wie mir scheint, gegen die Annahme der Existenz einer sol- chert angefiihrt werden. Im einen der beiden sich ziemlieh a,n~log verhattenden Fglle handelt es si& nm einen Patienten, weleher am einen Auge emmetrop, am anderen myop = 2,0 D ist; F u c h s sagt nun: ,,Er benutzte das emmetrol~e Auge N r die Ferric, das myope fiir die N~;he; er hatte den Vortheil fast oder ganz ohne Accommodation sehen zu kSnnen; wenn er las, war das emmetrope Auge, obwohl zugteich mit dem anderen fixirend, doeh flit unendliche Entfenmng einge- stellt." ~)

Die Thatsaehe, dass der Betreffende vollkommenes Binocnlarsehen hatte, kommt dabei selbstverstSndlich nieht ~n Betracht. F i e k sagt zwar (pag. 144), wenn (beim

~) Bei einer so grossen Verschiedenheit in der Auffassung des Falles sehien es mir geboten, reich an den Autor selbst zu wenden, um jede N0gliehkeit eines Nissverst~ndnisses auszusehliessen.

Herr Professor Fuchs hatte die Gate mir dargber Folgendes zu sehreiben: ,,Ieh war selbst erstaunt, mieh yon F iek eitirt zu sehen. Meine F~.tle beweisen Alles eher, als ungleiche Accommo- dation; ieh babe bei denselben diese Frage nicht in Betraeht ge- zogen, war jedoch damals wie heute der Ansicht, dass unglelehe Accommodation, vielIeieht minimale Untersehiede ausgenommen, n ieht vorkommt."

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Lesen yon Zeitungsdruck in 30 cm) der dioptrische Fehler 2,0 D. oder mehr betrage, so kSnne yon der Verschmelzung der beiderseitigen Netzhautbilder nicht mehr die Rede sein; die Bitder des falseh eingestellten Auges wiirden unterdriiekt oder s t S r t e n g e r a d e z u den Sehact des richtig eingestell- ten Augesl); aber nur wenige Seiten spiiter vertritt er ge- nau die entgegengesetzte Ansieht, indem er sagt: ,,Es kann sogar Bin unscharfes Netzhautbitd eines Anges zu dem sehar- fen des andern Auges addirt und fiir binoeulares, bezw. stereoskopisehes Sehen nutzbar gemacht werden." F i e k eitirt als Beispiel die oben erwiilmte Beobacht, ung yon Prof. A. F i e k ; die Thatsache ist den Augeniirzten bekannt.

Betrachten wit 1ran die yon F i e k selbst bes&riebenen drei Fglle n~her, so ist der eine (Dr. S.) fiir die Frage tier ungleiehen Accommodation deshalb nieht geeignet, weft hier naeh F i e k ' s eigenen Angaben ,,die Accommodations- impulse vermutlich zu beiden Augen etwa gleieh gross sind." - - Bei dem dritte~l Fiek 'sehel l Fall (Prof. W., 52 J., r. M. = - - 2,5 D., 1. H. ~ d-- 1,5 D.) wird aus den dutch Vorsetzen yon versehiedenen Glgsem gewo~menen Resultaten gefolgert, dass bier ,,sowohl, wenn die Leseprobe im Fernpunkt, als aueh wenn sie im Nahpunkt des reehten Auges stand, ~ahezu das Maximum der Aecommodationsleistuug des linken Auges verwendet werdell komlte, dass also das lil~ke Auge nahezu maximal aceommodirte, ohne dass das rechte Auge h?itte mit aecommodire~ miissen"; das Gleiehe solt aueh flit das reehte Auge gelten. Priifen wir nun die Daten etwas rig.her, so finden wir, dass mit Sieherheit aus ih~en nur soviel her- vorgeht, class die grSsste Refraetionsdifferenz, mit weleher Professor W. in 50 em die F iek ' sehen Proben noch binocular eombinire~d liest, 1,75 D. betrggt; dies aber ist, wie wir

~) Deriders sagt dargber (Anomalien der Accommodation und llefraetion p. 479): ,,Wenn in Folge eines zu grossen l%efractions- unterschiedes das zweite Auge keine Unterstgtzung bieten kann, so verursacht es wenigstens keine StSrung."

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oben gesehen haben, ohne die geringste Ungleichheit der Accommodation mSglich.

Im ersten Fall (F. F,, 16 J., 1. E. r. M . = - - 4 , 0 D , Stra- bismus divergens) wird bei einem Versuch mit einer Diffe- renz yon 3,0 D. gerade noch mit Mtihe binocular gelesen; es ist bei diesem Versuch aber die Fick 'sche Leseprobe nur 35 cm entfernt~ ich hahe nnn far mich gefunden, dass ich bei 35 cm Entferrmng in der That noch bei 3 D. Diffe- renz diese Probe binocular combinirend leseu kann, ftir welche bei 50 cm Entfernung die Grenze der Lesbarkeit schon bei 2 D. Unterschied eintrat; das Lesen 5ei einer Differenz yon 3 D. ist also auss&liesslich auf Rechnmxg der nm s/7 (also fast um die Hiilfte) grSsseren Netzhautbiider sowie der geringeren ge i te der Pupille beim st~irkeren Convergiren zu beziehen.

Wit sehen also, dass yon den drei yon Fick unter- suchten Fiillen keiner einen Anhalt fiir das Vorhandensein nngleicher Accommodation bietet, mid i& kann mieh da- naeh wohl in aller Kiirze darauf besehrgnken, die vo~ mir nntersnchten Fiflle yon Anisometropie mitzutheilen, bei welchen eine ungleiche Accommodation ebenso wenig con- statirt werden konnte, wie beim Emmetropen. Ieh wghlte absiehtlich Fiille ~o~x geringerer Anisometropie, da die Be- dingmlgen fiir den Ausgleieh hier doch am giinstigsten sein mussten. Die Priifung geschah so, dass ich zun[ichst die Anisometropie vSllig corrigirte und dann die Glgserdifferenz bestimmte, die vertragen wurde. Wenn eine ungleiche Ac- commodation etwa beim Aaisometropen erlernt werden kSnnte, die der Emmetrope ~delieicht nieht in Thgtigkeit zu setzen vermSchte, well er fiir gewShnlich dazu keine Vecanlassung hat, so w~re zu erwarten, dass dieselbe sieh hier geltend machen miisste, indem der Anisometrope bei einer gr/fssern Gtiiserdifferenz binocular eombimrend wiirde lesen kSnnen, als tier Emmetrope. Aueh hier sehen wit nun, dass die geduldete @lgserdifferenz mit der GrSsse tier

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Yersuche t~ber die angebliche ungleiche Accommodation etc. 169

Schriftprobe abnimmt und rich ganz in den Grenzen be- wegt, innerhalb deren auch veto Emmetropen gesehen wird. (Auch zu diesen ¥ersuchen wurden nut Fachcollegen heran- gezogen.)

Herr H., L. Hypenn. m. ---~ 1,75 R. Era., trggt keine Brille. Ohne Correction werden die F ick ' schen Proben in 50 cm bei binocularer Combination noch eben gelesen; nacb Correction tier Hypermetropie betr~gt die gednldete Gl~serdifferenz

Ftir F i c k ' s Proben in 50 cm 1,75 D. J No. 3 . . . . . . . . 1,50 D. J No. 2 . . . . . . . . 0,75 D.

(J No. 1 konnte nicht geprtift werden.) Herr R., L. M . - - - - - - 2 , 2 5 , R. 5I. ~ - - 0 , 5 , trug bisher

L . - - 2 , 0 D., R . - - 0 , 5 D. Ohne Glas werden in 50 cm dig Fick ' schen Proben in binocularer Combination nicht gelesen. Nach Correction der Nyopie betrggt die geduldete Gl~serdifferenz

far F i c k ' s Proben in 50 cm . 1,50 D. J No. 3 . . . . . . . . 1,25 D. J No. 2 . . . . . . . . 0,75 D. J No. 1 . . . . . . . . 0,50 D.

Herr St., L. 5I. ~ - - 0,25 D., R. 5I. ~ -~- 3,0 D., tr.~gt kein G]as. Ohne Correction werden in 30 em die P i c k - schen Proben nicht in binocularer Combination gelesen; mit yeller Correction fliessend; Grenze bei 1. plan., r . - 1,0 D., d. h. einer Differenz yon 1,75 D. (entsprechonde Resultate mit den andern Proben).

Bei den Versuchen wurden die vor beide emmetropiseh gemachte Augen vorgesetzten Gl:,iser h~ufig vertauscht, und es ist damit, wie leicht einzusehen, im Wesentliehen die gleiche Anordnung befolgt, wie wir sie in den F i c k ' s c h e n Versnchen linden; nut zum Zweck grSsserer Uebersichtlich- keit wurde die vorstehende Form der Darstellung, in wel- eher die anderen Prtifungsmethoden dora Wesen nach ent- halten sind, vorgezogon.

Am interessantesten ist flit die uns besehgftigende Frage der folgende Fall, flit welehen ich die Art der Un- tersuehung etwas ausNhr]icher mittheilen will. (Bei den a nderen wurde ganz iihnlich verfahren.)

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70 C~ I~ress.

Herr Dr N. ist links emmotrop, reehts myop ~--- 0,5 D. Er liest die Fick 'sehen Proben ohno Ntihe in 50 om Entfer- nung binocular eombinirend; - - 0,5 vor dem rochton Auge or- leichtert das Lesen. Die Gli~serdifforenz, bei weleher er die Proben noeh liest, betr~tgt 1,75 D.

Ftir J No. 3 ist die Grenze der Losbarkeit erreieht bei

1. - - 0,5 -/ Die Refraetionsdifferenz botriigt also 1,25 I). r + 0,2 l ' Ftir J No. 2 ist die Grenze der Lesbarkeit orreicht bei

1 . - - 0,25 t Die Refractionsdifferenz botr~gt 0,75 I). r. plan. ["

J No. 1 liest Dr. M. mit jedem Auge atlein ganz chris Mtihe, binocular eombinirend kann er die L•ekenworte nicht losen; mit r. - - 0,5 D. liest er binocular combinirend ohne Mt~ho.

Dabei ergaben die Versucho mit den Coconf~den, dass ohne C o r r e c t i o n n iemals be ide g l e i c h z e i t i g beim Lesen gosohen wurden, dagogen beide gleich doutlieh, wenn mint - - 0,5 1). vor das rechto odor @ 0,5 D. ~-or dots linke A,age brachte; in diesen beiden Fitllen ist die Accommodation an beiden Augen gleieh.

Diese Vsrsuehs zeigen also aufs Sehlagendste, class hier setbst die so germge Anisometropie yon 0,5 D. im Inter- esse des Binocularsehens nieht ausgogliehen werden kom~te, obsehon die Bedingungen gtinstige sind, da beide Augen an eine gewisse A~strengung der Accommodation gewi~hnt sind; nm so woniger ist es dahor zu erwarten, dass bei solehen Anisometropen, wetche fiir gewiihMieh nur eine ge- ringe Accommodation aufzubietell gewolmt sind (Emmetro- pie in ¥erbindung mit einem h~iheren Grade votl Myopie) die ungleiehe Einstsllung sieh finden wird.

Wit k~innen das Ergeblfiss unserer Versuche kurz in die folgende~l Siitze zusammenfassen:

1) Bei keinem tier yon mir untersuehten Emmetropen und Anisometropen konnte xueh nur eine Spur yon unglei- chef Accommodation naehgewiesen werdon.

2) Die Boobaehtungen yon F i e k , dass seine S&rift- proben no& mit einer Gl~serdifferenz yon 2 - - 3 D. gdesea~ werden, kSnnen unm~glieh als Beweis ftir das Vorhandensein

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Yersuche fiber die angebliche ungleiche Accommodation etc. 171

ungleicher Accommodation angesehe~x werden; die Befunde erklgren sich zur Geniige aus den oben eingehend erSrter- ten Thatsachen nnd Fehlerquellen,

3) Der Satz vol~ der UnmSgliehkeit unsymmetrischer Accommodation, Fundamentalsatz des Capitels tiber Aniso- metropie ist bisher no& nieht widedegt und daher n ich t , wie es F i ck verlangt, zu streichen.

Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Professor Her ing , fiir die ~ielfache Anregung und Unterstiitztmg, die er mir bei Ausfiihrung dieser .Arbeit zu Theft werden liess, mefnen aufrichtigen Dank auszuspreGhen.