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Vcrsuchc iiber dic Richtungsoricnticrung bci wcil3cn Miiusen und Rattcn 293 P. EHRMANN, G. ULMER: Die Ticrwclt Mittcleuropas 4, Licf. 1 b, Lcipzig (ohnc Jahr). - 11. SEITZ, A,: Die Paarbilduiig bei einigcn Cichlidcn. I. Die Paarbildung bci Astatotilapia strigigem Pfeffcr. Zcitschrift f. Tierpsych. 4, 40, 1940/41. - 12. STEINER, H.: Die Bindung dcr Hochmoorlibcllc Leucorrhrma dubia Vand. an ihr Biotop. Zool. Jahrb. Syst. 78, 65, 1948. - 13. TINBERGEN, N. u. Mitarb.: Die Balz dcs Sanitfalters Eiirnenis (Satyrids) serneie. Zcicschr. f. Tierpsych. 5, 182, 1943. - 14. WESENBERG- LUND, C.: Odonatcnstudien. Tnt. Revue gcs. Hydrobiol. u. Hydrograph. 6, 155 u. 375, 1913. Aus dem Zoologischen lnstitut der Universitat Miinster i. W. Versuche iiber die Rich tungsorientierung bei weihen Mausen und Ratten Von LIESELOTTE VOGELBERG und FRIEDKICH KRUGER Mit 43 Abbildungen Eingegangen am 21. Januar 19fil A. Einlcitung und Problenistellung, S. 293. - B. Laboratoriumsvcrsuclic. 1. Methodik: Apparatur und Versuchsticrc, S. 295, Dur&fiihrung dcr Versuche, S. 297, Mathcma- tischc Vcrarbcitung, S. 299. 11. Vcrsuchscrgcbnissc, S. 302. 111. Bcsprcchung dcr Vcrsuchscrgcbnisse, S. 307. - C. Vcrsuchc auf dcm Kraftwagcn. I. Mcthodik. [I. Vcr- sudiscrgcbnissc: Versuchc an imnicr ncuen Ortcn, S. 309, Vcrsuchc mit Drcssurbeginn am fcscen Standort, S. 314. 111. Bcsprechung dcr Versuchsergebnisse auf dcm Kraft- wagcn, S. 316. - D. Zusammcnfassung, S. 320. Literaturvcrzeichnis, S. 320. A. Einleitung und Problemstellung Die Tatsache, dafi viele Tiere sowohl auf ihren Wanderungen wie auch nacli Verfrachtung erstaunliche Orientierungsleistungeii vollbringen, hat seit langer Zeit zahlreiche Erorterungen hervorgerufen. Vollig sicher ist die Bedeutung der M n e m o t a x is (KUHN 1919), d. h. eines Wegfindens nach der Erinnerung. Unter anderem hat 0. KOEHLEK (1943) niit Nachdruck immer wieder auf dieses experimentell erhartete Ver- mogen hingewiesen (Honigbiene: v. FRISCH, Ammophila: BAEIIENDS, Ameisen: BKUN, Kroten: EIBL-EIBESFELDT, Vogel und Sauger). GRIFFIN begleitete seine verfrachteten Bafitolpel ini Flugzeug. Sie flogen in allen erdenklichen Rich- tungen aus und zogen aufierst kurvenreiche Bahnen. Trotzdem kamcn nicht wenige heini, wie der Autor vermutet dank Ortskenntnis (Verlauf der Kusten- r ichtung). Doch erklart ebenso sicher Mneniotaxis fur sich allein nicht alle be- kannten Oricntierutigsleistungen. Beim Erstzug von Jungvogeln ohne Be- gleitung alterer, wegerfahrener Artgenossen kann keine solche Ortserinnerung vorhanden sein; der auf Alaska brutelide Goldregenpfeifer, der im Herbst iiber See im non-stop-Flug zu den Hawaii-Inseln zieht, hat keine Land- marken zur Verfugung. Bei RUPPELS Sternverfraclitungen z. B. brutender Berliner Wendehalse und Stare nach London, Madrid und Saloniki usw. ist es kaum denkbar, dafi dcr aus London heimgekehrte schon zuvor einnial in England, der in Madrid aufgelassene zuvor schon in Spanien gewesen sein sollte. So traten schon fruhzeitig andere Deutungen auf, die sich im groflen gesehen auf zwei Hauptnenner bringen lassen: Einnial sollte der Bienenstock, das Wespen- oder Vogelnest, das vorjahrige Brutrevier, kurz die ,,Heimat", gleichsam wie ein anpeilbarer Sender dem zur Heimkehr gestimmten Tiere Richtzeichen geben. Fur ein solches ,,Heimatgefuhl" spricht schlechterdings nur das menschliehe Bcstreben, dem Nichtwissen einen Nanien zu geben und ihn fur cine Erklarung zu halten. Verstellt man den Bienenkorb, so sammeln

Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

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Page 1: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Vcrsuchc iiber dic Richtungsoricnticrung bci wcil3cn Miiusen und Rattcn 293

P. E H R M A N N , G . ULMER: Die Ticrwclt Mittcleuropas 4, Licf. 1 b, Lcipzig (ohnc Jahr). - 11. SEITZ, A,: Die Paarbilduiig bei einigcn Cichlidcn. I. Die Paarbildung bci Astatotilapia s t r ig igem Pfeffcr. Zcitschrift f . Tierpsych. 4, 40, 1940/41. - 12. S T E I N E R , H.: Die Bindung dcr Hochmoorlibcllc Leucorrhrma dubia Vand. an ihr Biotop. Zool. Jahrb. Syst. 78, 65, 1948. - 13. T I N B E R G E N , N . u. Mitarb.: Die Balz dcs Sanitfalters Eiirnenis (Satyrids) serneie. Zcicschr. f. Tierpsych. 5, 182, 1943. - 14. WESENBERG- L U N D , C.: Odonatcnstudien. Tnt. Revue gcs. Hydrobiol. u. Hydrograph. 6, 155 u. 375, 1913.

Aus dem Zoologischen lnstitut der Universitat Miinster i. W .

Versuche iiber die Rich tungsorientierung bei weihen Mausen und Ratten

Von LIESELOTTE VOGELBERG und FRIEDKICH KRUGER Mit 43 Abbildungen

Eingegangen am 21. Januar 19fil A. Einlcitung und Problenistellung, S. 293. - B. Laboratoriumsvcrsuclic. 1. Methodik:

Apparatur und Versuchsticrc, S. 295, Dur&fiihrung dcr Versuche, S. 297, Mathcma- tischc Vcrarbcitung, S. 299. 11. Vcrsuchscrgcbnissc, S. 302. 111. Bcsprcchung dcr Vcrsuchscrgcbnisse, S. 307. - C. Vcrsuchc auf dcm Kraftwagcn. I . Mcthodik. [ I . Vcr- sudiscrgcbnissc: Versuchc an imnicr ncuen Ortcn, S. 309, Vcrsuchc mit Drcssurbeginn am fcscen Standort, S. 314. 111. Bcsprechung dcr Versuchsergebnisse auf dcm Kraft- wagcn, S. 316. - D . Zusammcnfassung, S. 320. Literaturvcrzeichnis, S. 320.

A. Einleitung und Problemstellung Die Tatsache, dafi viele Tiere sowohl auf ihren Wanderungen wie auch

nacli Verfrachtung erstaunliche Orientierungsleistungeii vollbringen, ha t seit langer Zeit zahlreiche Erorterungen hervorgerufen.

Vollig sicher ist die Bedeutung der M n e m o t a x i s (KUHN 1919), d. h. eines Wegfindens nach der Erinnerung. Unter anderem ha t 0. KOEHLEK (1943) niit Nachdruck immer wieder auf dieses experimentell erhartete Ver- mogen hingewiesen (Honigbiene: v. FRISCH, Ammophila: BAEIIENDS, Ameisen: BKUN, Kroten: EIBL-EIBESFELDT, Vogel und Sauger). GRIFFIN begleitete seine verfrachteten Bafitolpel ini Flugzeug. Sie flogen in allen erdenklichen Rich- tungen aus und zogen aufierst kurvenreiche Bahnen. Trotzdem kamcn nicht wenige heini, wie der Autor vermutet dank Ortskenntnis (Verlauf der Kusten- r ichtung).

Doch erklart ebenso sicher Mneniotaxis fur sich allein nicht alle be- kannten Oricntierutigsleistungen. Beim Erstzug von Jungvogeln ohne Be- gleitung alterer, wegerfahrener Artgenossen kann keine solche Ortserinnerung vorhanden sein; der auf Alaska brutelide Goldregenpfeifer, der im Herbst iiber See im non-stop-Flug zu den Hawaii-Inseln zieht, ha t keine Land- marken zur Verfugung. Bei RUPPELS Sternverfraclitungen z. B. brutender Berliner Wendehalse und Stare nach London, Madrid und Saloniki usw. ist es kaum denkbar, dafi dcr aus London heimgekehrte schon zuvor einnial in England, der in Madrid aufgelassene zuvor schon in Spanien gewesen sein sollte.

So traten schon fruhzeitig andere Deutungen auf, die sich im groflen gesehen auf zwei Hauptnenner bringen lassen: Einnial sollte der Bienenstock, das Wespen- oder Vogelnest, das vorjahrige Brutrevier, kurz die ,,Heimat", gleichsam wie ein anpeilbarer Sender dem zur Heimkehr gestimmten Tiere Richtzeichen geben. Fur ein solches ,,Heimatgefuhl" spricht schlechterdings nur das menschliehe Bcstreben, dem Nichtwissen einen Nanien zu geben und ihn fur cine Erklarung zu halten. Verstellt man den Bienenkorb, so sammeln

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294 VOGELBERG und KRUGER

sich die ausgeflogenen Bienen in einer Wolke genau dort in der leeren Luft, w o vordem das Flugbrettchen war, und finden sich erst nach geraumer Zeit zum nahen Stock zuruck. Der Sandregenpfeifer, dem man die Eier auch nur einen Meter weit aus dem Nest legt und die Nestmulde versandet, sucht unermud- lich genau am alten O r t und findet die offen daliegenden Eier nur zufallig. Oft setzt er sich am gewohnten, fur unser Auge vollig unausgezeichneten Platz nieder und brutet auf der leeren Mulde. Nicht das Nest, nicht der Stock, sondern der bekannte O r t richtet ihr Tun. Genau so liegt es bei Ammophila und manchen anderen.

Ernst zu nehmen ist dagegen die Frage nach dem Vermogen, H i m - m e 1 s r i c h t u n g e n wahrzunehmen, so dafl ein Tier, das die rechte Rich- tung und Entfernung kennt, im Optimalfall auf kurzestem Weg zum vom Ausgangsort nicht selbst wahrnehmbaren Ziel gelangt.

Die von E. SCHUZ (1934) nach Essen verfrachteten ostpreuflischen Jung- storche schlugen dort im September, lange nachdem die dortigen Artgenossen nach Sudwesten (Richtung Gibraltar) abgezogen waren, die Sudostrichtung ein, die sie daheim zum Bosporus gefuhrt hatte. So spricht SCHUZ von einer der geographischen Rasse eigenen a n g e b o r e n e n Richtung des Herbstzuges.

G. KRAMER und U. V. ST. PAUL (1950) haben soeben die bereits von Rivi E R E (1924) behauptete, von HEINROTHS (1941) bestrittene Fahigkeit guter Brieftauben zur Richtungsdressur bewiesen. Somit kann der Reisekompafl offenbar sowohl angeborenermaflen eingestellt sein, wie auch durch Erfahrung eingestellt werden.

Oberaus deutlich geschieht letzteres nach K. v. FRISCH (1949) bei der Honigbiene vermoge der Lichtkompaflreakttion (M e n o t a x i s). Hat die Samm- lerin draufien, selbst auf Umwegen, lohnende Tracht gefunden, SO weist sie daheim durch ihren Schwanzeltanz die Richtung als Abweichung vom Sonnen- stand und die Entfernung an, in der und uber die sie ausfliegen mufl, um ans Ziel zu gelangen. Inzwichen hat V. FRISCH ferner nachgewfiesen, dafl die Biene das Vermogen hat, nach dem Polarisationszustand eines Fleckchen blauen Hitnmelslichtes die Richtung der ihr selbst nicht sichtbaren Sonne zu bestimmen, ja daruber hinaus die tageszeitliche Knderung des Sonnenstandes in ihre Richtungsbestimmung mit einzubeziehen.

Auf derselben Spur ist KRAMER (1950), dessen Stare im Rundkafig tags- uber in derselben Richtung flatterten, tin der drauflen ihre Artgenossen zogen. Die Versuchstiere sahen nur ein paar Himmelsausschnitte und richteten sich, wie der Spiegelversuch es lehrte, nach der wandernden Sonne.')

Fur M a u s e , die in eine Falle gegangen waren und nach Verfrachtung sich erneut in ihr fingen, hat B. SCHMID (1936) einen ,,Richtungssinn" an- genommen. Doch er ist den Beweis schuldig geblieben, da er Gelandekenntnis nicht auszuschlieflen vermochte, ja, nicht einmal die Heimkehrzeiten, geschweige die eingeschlagenen Wege feststellte.

Im Rahmen unserer Arbeit wiederholte Herr WOHLFAKTH-BOTTEKMANN freundlicherweise SCHMIDS Versuche. In einem bombengeschadigten Gebaude in Witten-Ruhr koderte er zwei in Munster eingefangene Mause und zehn einheimische, die spontan den zunachst standig offenen Futterkafig besuchten. S ater schaltete er eine Reusenfalle vor und setzte die zwolf eingefangenen

ause an vier Orten (A-D) aus. A und B lagen 300, C und D 200 m von ') Anm. bei der Korrektur: Inzwischen hat KRAMER durch seincn Versuch im Dunkel-

zelt mit kiinstlicher Sonne diese Richtungsbestimmung des Stars nach dem mit der Tageszeit wandernden Sonnenstande iiber jeden Zweifel erhoben und zudem nachgewiesen, daR nicht richtungsdressierte, an einen fremden O r t verfrachtete Brieftauben nach dern dortigen Sonnenstande die heimwarts fiihrende Richtung sicher zu besrimmen wissen (Wilhelmshavener Tagung der D. 2. G., August 1951).

____ d*.

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Versuche uber die Richtungsorientierung bei weinen Miusen und Ratten 295

der Futterstelle entfernt. Nach A, B, C fuhr er mit seinen Mausen auf dem Rad, nach D ging er geradeswegs zu FuB. 9 einheimische und 2 Mause aus Munster kehrten nicht zuruck. N u r eine nach D getragene Maus saB nach 10 Tagen wieder ini Futterkafig. Das 2. Ma1 war sie nach 9 Stunden, das 3. Ma1 nach 9 Tagen wieder da. Die 4. Aussetzung blieb erfolglos. Somit ist gegen die ScHMiD'schen Versuche noch ein weiterer Einwand moglich: Sie konnten die Funspur des Verfrachters zuruckverfolgt haben. Es ist nicht wahrscheinlich, dais SCHMID das Fahrrad benutzt hat.

An einschlagigen Laboratoriunisversuchen waren erstens die amerika- nischcn Labyrinthdressuren an Mausen und Ratten zu nennen. Nach WOLFLE (1 930) und HUNTEK( 1911) steigen die Fehlerzahlen nach Drehung des Laby- rinthes. TKYON'S Ratten (1940) betraten die Sackgassen, die zielwarts ver- liefen, haufiger als solche, die vom Ziel fortfuhrten. Eine Ratte lief auch bevorzugt an derjenigeti Wand des Ganges entlang, die dem Ziel zugewandt war. Hierher gehoren auch die Arbeiten uber den ,,goal gradient" (BIEIIENS DE HAAN, 1937).

Bei den Richtungsdressuren ini Laboratorium mussen wir heute, nachdem die oben behandelten Ergebnisse uber den Richtungswert der Sonne vorliegen, Versuche an Tieren unterscheiden, denen das Tageslicht als Richtungsf aktor zuganglich ist, und solchen, denen diese Moglichkeit z. B. durch Blendung oder Verdunkelung genommen ist. So dressierten KKAMEK und DI JKGKAAT: kleine Singvogel ini Kundkafig auf eine Richtung: KRAMEK hatte unter freiern Hinimel an von Versuch zu Versuch standig wechselnden Platzen Erfolg; DIJKGKAAT: war am festen O r t niit Kunstlicht ganzlich erfolglos.

Von NEUHAUS' (1948) sehenden Mausen lernten einige im radiar-sym- nietrisch wabenformigen Labyrinth, dessen Mitte sie senkrecht von unten her ohne Richtungsanweisung betraten, haufiger die Dressurrichtung einzuschlagen als die beiden anderen. Von den im Nachwort 0. KOEHLEKS erwahnten Ein- wanden entfallen die meisten angesichts der neuen Versuche von NEUHAUS (1950) niit blinden Miiusen im Wegekreuz (38% richtige Laufe, p < 0,0027). Verschicbungen uiid Drehungen der gesamten Apparatur in dem gronen Ver- suchsrauni bei gleichbleibender Heinikehrrichtung wie auch Einschaltung eines starken Maglieten verschlechterten das Ergebiiis nicht.

B. Laboratoriumsversuche I. Methodik

A p p a r a t u r u n d V e r s u c h s t i e r e. NEUHAUS' sechseckige Labyrinthanordnung crschien uns wenigcr gccignet, da liier an jedem Entschcidungspunkt drei Ginge im Winkel von 120° zusamnienstol3cn und nianche Entscheidungen ein Abweichen um 60' von dcr zu erIernenden I<icIituns zur Folge haben. In seinen ,,kurzen Liufcn", die er positiv bewertete, sind solche mitenthalten, die am Eintrittspunkt ins Labyrinth sich uni 120° von der Dressur- richtung cntfernen. In seiner zwciten Arbeit hat auch er blinde M i u s e in einem reclltwinltligen V i c r g a n ~ ~ s stem lnufeti lasscn, es jedoch durch zwei konzentrische quadratische Gangsysterne unseres Lrnchtens unnijtig kompliziert.

Auch DIJKGRAAFS KundkPfig niit vollig freier Richrungswahl schien uns sowohl fur die Scheuchtuchnik, wie f u r die Itegistrierung Schwierigkeiten zu bieten.

So verwandtcn wir ein einfaches, kreuzformiges Gangsystem (Abb. t-3), wie bei NEUHAUS n i t senkrechtcr, ins Zentrum mundender Eingangsrohre. D a wir urspriinglich auch Vcrsuchc niit 8 Gkigen planten, setzten wir die Ginge an einen groRercn, quadratischen Zentralraum Z (28x28 em). 4 offnunpen 0 fuhrten zu den auswcchselbaren Gangen G von 10 X 10 X 50 em. Die Uodenflachen bildeten Pertinaxplatten. Die Blendleiste B sicherte beim Anschieben ties Ganges guten SchluR. 11 cm von U hing im Gang eine um die Achse A drehbarc Pendeltur, die nur auswarts aufging, d a ein drei mm dicker Metallstift auf der der Zentralkammer zugekehrten Seite standig in der Apparatur verblieb. Stedcte man auf der andcren Seite der Tiire auch noch einen Stift S durch die beiden gegeniiberliegenden Wandungen des Ganges, so hatte die 0,3 mm starke Tiir 1 crn Pendelspielraum.

a. y

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296 'JOGELBERG und KRUGER

D a die Futterung im rich- tigen Gang selbst sich als un- zweckmiRig erwies, fuhrten wir aus Eisenblech gefertigte Futter- kis ten in das offene Ende dcs Ganges ein, die durch eine gc- nau wie P konstruierte Pendel- tur Pz gegcn den Gang ver- schlieRbar waren. W a r die Maus durchgelaufen, so schlos- sen wir den. Kasten und sctzten einen leeren ein, worauf dcr nichste Versuch beginnen konnte.

Zentralkammer und G i n - e bestanden aus 8 mm starkem

gpertholz; auf erstercr lag einc durchsichtige Zelluloidplatte, auf letzteren Glasplatten. Die vordcm geiibre Beobachtung dcr Apparatur durch ein Peri- skop hatte sich nicht bewihrt .

In der Zentralkammer und den Anfangsteilen der G i n g c bis zu den Tiiren P waren ' 4 mm breite Kupferstreifen K, KI, pa- rallel mit 3 mm breitcn Zwi-

Abb. 1. A n s i c h t d c r A p p a r a t u r A = Achsc dcr Pcndeltiire; B = Illcndleiste; I: = Futtcr- kasre11. I = Innenhof; K = Kupfcrstreifen in1 Zentralfeld, K, ini Gang; 0 = OStfnung in1 Zentralfcld; 11 = l'cndel- tiire des Ganges I', = Pcndeltiire dcs Futterkastens. R = Aufstcigerchk; R i =EinhSngering der Rohre. S d Sperrstit? dcr Pendeltiire; U = Untcrstutzungsfkche. W = Wohnkasten; Wa dessen diagonale Wand: Wi d

Wand des Innenhofes; Z = Zentralfeld

schenriumcn auf den Pertinax- platten aufgenictet. Je zwei bc- nachbarte Streifen standen mit den Polen des Leitungsnetzes in Verbindung. Eine Glinimlampe GI zwischen Steckdose und Schal- ter bcgrenzte den Stromflu8 auf maximal 10 Milliamp6re. H a t t e die Maus eincn falschen Gang betreten, so wurde die siehe Abb. 1 g a m e Srrafreizanlage unter Strom gesetzt. Die Anlage ar- beitete gerauschlos.

Das Gangkreuz ruhte drehbar auf der waagerechtcn Unterstutzungsfliche U, 45 cm iiber dem Boden. Durch bcide lieR sich durch einc zcnttale Uffnung die Aufstiegsrohre R von 45 cm Linge, 5 cm Durchmesser und 1 cm Wandst i rkc durchschicbcn; de t 1,5 cm brcite Holzring fixierte sie in der Mitte der Zentralkammcr.

Dcr sperrholzerne, auswechselbarc Wohnkastcn W, aus dem die Rohre hinauffuhrte, war durch die Diagonalwandc W a und die 4 W i n d c Wi in cine quadratischc lnncnkammcr und vier trapezformige Wohnkammern untertcilt. lhre Einginge zur Innenkamnicr waren durch von unten her einschiebbarc Blcchturen vetschlicfibar. Die quadratischc, in der Mitte offene Sperrholzplatte P sag am unteren Rohrrande fest und schloR den Innenhof wie cin Deckel. Die Rohre licR sich unabhangig vom Wohnkasten in vier Richtungen einschieben.

Abb. 2. Aufsicht auf das Gangsysteni. Zcichcnerkliirung

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Vc.rsuchc uber die Richruugsoricntieru~ig bei weiBen Mausen und Ratten

R i Q A P I? F

297

22OV

Abb. 3. AufriB der Apparatur. Zeicheii-

erklSrung siehe Abb. 1

Als Versuchtsticrc dientcn 38 durch Enuklcation geblcndcte, weiRc Mause. Tro tz clektrischcr Heizung bis 15 Minuten vor Versuchsbeginn starben 20 der bei Einzclhaltung iuRerst k3lte-enipfindlichcn Tiere vorzeitig. Die Mause sind nach ihrer Dressurrichtung bcnannt und romish beziffert.

Die Tierc erhieltcti ihr Futter nur in dcm Futterkasten ihrer Dressurr ihtung; die drei in falschc Richtung verlaufenden Gangc waren bei P gespcrrt, zudem erhielt die Maus ihren elektrishen Strafreiz, sobald sie mit allen 4 FiiRen einen falschen Gang betreten hatte. Doch waren stets alle 4 Futterkasten gleich bekodcrt. Bei zwei Llufen am Tage ergab sich der rechte Hungcrantrieb.

Vier auf die vier Himmelsrichtungen zu dressierendc Miuse bewohnten den Wohn- kLifig W und liefen nacheinander ini unveranderten Gangsystem. So konnte keine den rich- tigen Weg nach dcr Geruchsspur des Vorgangers finden. Selbst wenn sie gelernt hattc, sich im passenden Winkel zur Geruchsspur dcr vor ihr gelaufenen Maus cinzustellen, so hiitten die Fehllaufe der ersten die zwcite irre leiten mussen. Zudem kamen sic in immcr neuer Reihcnfolge zum Versuch. Unsere Mfusc reagierten zwar nachweislich auf die eigene Geruchsspur, nicht aber auf fremdc. Auch der Paarungstrieb konnte sie nicht beeinflussen, weil 17 Tiere Miinnchcn waren. D a im Fortgang der Versuche die Wegentschcidungen sich als vollig unabhiingig von den Spuren dcr Vorl iufer erwiesen, fiitterten wir sparer 8 Tiere nachcinander.

Zum Eingewohncn l i e h wir die Mause ins Gangsystem. N u r die dressurgemafie Pcndcltiir P war wegsam. Die Tiere liefen erkundend entlang den Wanden des Mittel- feldcs, drangen in alle Giinge ein und wendeten an den Pendeltiiren. Erst nachdem sic kcinen Ausweg fanden, versuchten sie die Pendeltiiren zu otfnen, was aber nur in der Drcssurrichtung Erfolg brachtc. So verliefcn die ersten 6 Laufc straffrei; weiterhin t ra t der elektrischc Strafreiz bei jeder falschen Wahl hinzu, bis die Maus den richtigen Gang gefundeii hatte und in den Futterkasten durchgelaufen war. Wagte sic sich in kcinen der Giinge hinein. so wurde sic auch im Mittelfeld gestraft.

Vor jedcr Versuchsfolge wurden Wegkreuz, Rohre und Wohnkastcn in derart vorbe- stinimtem Wechscl gedreht, daR erst nach 43 = 64 Folgen die Einzelkombination sich wieder- holte. Jede Einzelwohnung stand im Verlauf von 64 Versuchen 16mal in jeder der vier Himmelsrichtungen. Solltc sich ihr Bcwohner nach der Ausgangsrichtung einstellen, so wiircn 25% richtige Laufe zu erwarten. Nach jeder Drehung wurde das Wegekrcuz mit der Wasserwaage horizontal eingerichtet.

Schon nach den ersten 2-3 Versuchen genugte das Geriusch des sich offnenden Schiebctiirchen Sch, um die Mans durchs Rohr ins LMittelfeld zu schicken. Nach den ersten Strafreizen aber blieb sie oft in der Rohrc oder dem Mittelfeld sitzen. Meist half leichtes Srheuchen mil einem von unten her ins Rohr eingefiihrteti Gumniischlauch dem Ubel ab.

Imnier verharrten die Tiere, sobald ihr Kopf zum oberen Rohrrande herausschaute. Sie wendeten ihn nach allen Richtungcn, und plotzlich liefen sic in eiricm Radius durchs Mittelfeld. Hier und jctzt schien dic Entsdleidung zu fallen. N u r zwei Mause zeigten weniger Schcu vor den Kupfcrstrcifen des Mittelfeldes und liefen dort in die Rundc. N u r sclten licf ein Tier geradwegs in einc Ecke des Mittelfeldes, sei cs, daR der Futterduft oder sonstige Wahrnchmungen sic in dic Gaiigoffnung lenkten oder daR die Kupferstreifen sic zur Queriibcrschreitung veranlafiten. Hat te die Maus einen falschen Gang betreten, so Ioste der jetzt e i n s e ~ ~ c n d c Strafrciz meist sofort die Kiidckehr ins stromfreie Mittelfeld aus; nur selten lief sic bis zur Pendeltur und zog sich so die Strafverlingerung zu. Im Mittelfeld lief sic dann in individuellem Drehsinn weiter zu den nachsten Gangen, also diesc Maus zurneist rcchts, jene links herum. N u r in 3,6% aller Versuche fliichtete sic unverrichteter Sache ins Rohr zuruck, so selten, wcil wihrend der straffreien Andressur ein Messingpfropf

2. f . Tierpeyrholugie Rd. R Heft 2

D i e D u r c h f ii h r u ng d c r V c r s u c h e.

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298 VOGELBERG und KRUCER

d r die Tiere in einen -anderen Raum. Dle Sym- metric des Wegekreuzes blieb fur den nachsten Versuch durch Einsetzen cines neuen, gleich-beko- derten Futterkastens an das leer gewordene Gang- ende gewahrt.

Nach jeder Versuchsfolge von 4 bzw. 8 Mau- sen tilgten wir alle Geruhsspuren durch Aus- waschen mit 96yoigem Alkohol.

Die Versuche liefen in drei Versuchsraumen, I im Obergeschofl, 111 im Keller des Zoologischen Instituts Miinster, beide mit Fensterlicht von NW, der Tiir gegeniiber, in I kamen zwei NO-Fenster hinzu. Hier stand das Wegekreuz zwischen 2 Fenstern, in 111 zunachst der Tiir, moglichst fensterfern. Raum I1 lag 2 km entfernt in einer Privatwohnung. A u h hier liegen Fenster (in 1 m tiefem Erker) und Tiir einander gegeniiber. Aber auf das Wegckreuz fallt kein direktes Fensterlicht.

In jedem der drei Raume hatten einige der Tiere Himmelsrichtungen zu bevorzugen gelernt. Wenn NEUHAUS durch Umsetzen der ADuaratur

i

den Ausgang verschlossen hatte. In den Versuchen selbst benutzten wir ihn nur ausnahms- weise, wenn ein Tier dazu neigte, sich diese Riicklaufe anzugewohnen, aber friihestcns nach Setzung des ersten Strafreizes.

H a t t e das Versuchstier richtig gewahlt, so konnte es beide Pendeltiiren ungehindert passieren. Sowie es im Futterkasten safl, yerschlossen wir ihn durch Einsetzen der Stifte S und stellten ihn ab- seits an wechselnde Platze (Abb. 4-6), urn dem Raum I nachsten Tier keine Richtungsanweisung zu geben. SDater in den Umsetzunesversuchen 6. 3051 trueen

T 7\ lr

Richtungsweisung durch den Versuchsrauh' ausge- schaltet zu haben glaubte, so isr zu entgegnen, dafl die Maus bei fortgehender Strafdressur nach dem Umsetzen am neucn O r t nach neucn Raumfaktoren neu gelernt haben kann.

Zur Entscheidung der Frage, ob die Orientie- rung an den Versuchsraum gebunden war, gab es zwei Wege; Versuche an stets neuem, unbekanntem O r t oder Dressur an einem bzw. zwei Orten und straffreie Kontrollversuche am dritten, wenn auch bei gesperrten Tiiren in den verbotenen Richtungen. D a straffreie Richtungsdressur weder NEUHAUS noch uns gelang, so darf man, wenn die straffreien Kon-

Abb, 4.6, Lage dcr Vcrsilchsr~,lmc, MaB- stab 1 20 F = Fenstcr; T = Tiir; Schraffirr

= Abstellplatz dcr Khsten

000 0 0 ' P

Abb. 7. Lage der Versuchsplatze fur Ortswechselversuche. Man- stab 1 : 40. a = Horsaal; b = Terrasse; c = am Friedhof;.F =

Fenster; T = Tiir; M = Mauer; P = Pappelrcihe ........................................................ ....... - - - .... - - . - - ...............................

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Versuche iiber die Richtungsorientierung bei weiRen Miusen und Rattcn 299 trollversuche ani dritten Ore ebensogut ausgehen wie die Dressurversuche am ersten und zwcitcn, wohl auf Unabhangigkeit der Richtungswahrnehmung von Faktoren der Vcrsuchs- zimmcr s c h l i e h .

W i r wihl ten zunachst den zweiten Weg. Raum I ist der Horsaal (Abb. 7) mit Siid- ostfcnstcrn und Ti i r im Siidwestcn. Raum 11, eine iibcrdachte Terrasse vor dem Horsaal; der Lichteinfall bleibt der gleiche. O r t 111 liegt im Freien, rund 30 m vom Haus. Hier stand dcr Apparat im Winkel zwischen der Friedhofsmauer M und einer Pappelrcihc P.

Nur im Horsaal und auf der Terrasse lernten die Mhusc in elektrischer Strafdrcssur; an dem Friedhof beobachteten wir straffrei, ob und was sie gelernt hatten. Die Tiere dicser Versuchsreihe, ebenfalls nach der Dressurrichtung benannt, sind durch ein zusitzliches a bezeichnet.

M a t h e m a t i s c h e V e r a r b e i t u n g. NCUHAWS hat in scinen Graphikcn jeweils dargestellt, wievielc von je 10 aufeinanderfolgcnden Laufen richtig bzw. falsch waren. llci entsprcchender Darstellung unserer Ergebnisse an der Maus 0 IT (Abb. 8) liegt die x 1

Kurve der richtigen Lfufe nach Osten im Durchschnitt uber den drci anderen, die die pro- zentuale Hiufigkeit der falschen Wahlen (W, N, s) darstellen. Aber alle 4 Kurvcn scliwan- ken nahezu gleich stark. Sehr deutlich wird - ganz wie auch bei NEWHAUS - die bcachtliche Tatsache, daf3 das Tier bereits nach den ersten Versuchen nahezu ausgelernt hat und kcinc weitercn Fortschritte machr; die Positivkurve schwankt vollig unregclmiRig um den Mittel- wert der ersten 10 Versuche.

Wir benutzten eine grundsatzlich andere Darstellungsweise, indern wir die Anzahl der Laufe in einer Richtung rnit ihrem Zufallswert ('h bei vier Moglichkeiten) verglichen. In Abb. 9 und allen folgenden Kurvenbildern be- dcutet dic A b s z i s s e n e i n h e i t j e 4 a u f e i n a n d e r f o l g e n d e L a u f e , die Ordinate die Anzahl aller bisherigen Laufe in einer Richtung, vermindert urn ihren Zufallswert (1 fur 4 Laufe, n fur 4n Laufe), der sornit dern zuge- horigen Abszissenwert gleich ist. So gibt der N e i g u n g s w i n k e 1 der Kurve an, wie oft. das Tier in vier Versuchen die betrefiende Richtung ein-

I . . _*'. I . -._-_.. -.._. . - I F - - - - '. .. - - -

6 8 0 v I' 16 I.

Abb. 3. Maus N J V (21. 12. 48 - 5. 2. 4!))

schlug:' 1 x bei abszissenparal- lelern . Verlauf, keinrnal bei Kurvenabfall urn eine Ordina- teneinheit, 2 x bei Ansteigen urn eine, 3 x beirn Aufstieg urn zwei, 4 x beirn Anstieg urn drei Einheiten, d. h. das Tier lief ausnahrnslos in die betref- fende Richtung. Parallelverlauf zur Abszissenachse bedeutet also Zufallsverhalten, Steigen: Richtungsbevorzugung, Abfall: Verrneidung dieser Richtung.

m*

Page 8: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

300 VOGELBI:RG und KKUGEK

Die absolute Anzahl der Laufe fur jede Richtung ist gleich der Summe aus Ordinate und Abszisse, z. B. in Abb. 9

N : 13 + 18 = 31 Nicht die Hohe der Kurve iiber oder W: -6 + 18 = 12 unter der Null-Linie an sich, sondern ihr S : -6 + 18 = 12 Steigungswinkel sagt etwas iiber die 0 : -1 + 18 = 17 Leistung aus. 2. B. ist bei einer Kurve,

Gesarntzahl d. Laufe = 72 die einen anfanglichen Anstieg zeigt, Zufallswert dann aber parallel der Null-Linie ver-

lauft, nur der ansteigende Abschnitt eventuell positiv zu werten, nicht aber der parallele Teil, der zufalliges Ver- halten anzeigt. Weicht eine Kurve stark positiv ab, so verschieben sich die ubrigen zwangslaufig entsprechend in den negativen Bereich. Die vertikale Linie in einigen Kurvendarstellungen bedeutet Raumwechsel, z. B. in Abb. 1 3 . (Einige Erganzungen zur Kurvendarstellung siehe S. 309).

Die Vorziige unserer Darstellungsweise zur sicheren Verfolgung des Versuchsablaufes sind wohl ofiensichtlich und diirften sich auch zur Dar- stellung anderer Lernvorgange eignen.

Die s t r a f f r e i e n E i n g e w o h n u n g s v e r s u c h e (S.297) sind n i c h t mit dar- gcstellt. Wir begantien rnit der Wertung, nachdem das Tier zum ersten Male aus dem Auf- stiegsrohr gleich zum richtigen Futtergang gelaufen war. Naturlich war damit die Drcssur- richtung noch lingst nicht erlernt. D a man aber Zufall und ,,Absicht" nach den1 Anblidt des richtigen Laufes nicht unterscheiden kann, schien uns dies ein passender Bcginn, der zudem nur zuungunsten dcr Erfolgsbeurteilung wirken kann. Als richtig wertcten wir den Lauf, wenn das Tier zuerst den richtigen Gang betrat, auch wenn es gelegentlidi nicht in den Futterkasten durchlief (5% aller richtigen Laufe). Auch sic sind als positiv zu rcchncn, weil die Mause in den drei anderen Gangen sicher auch cinmal freiwillig umgckehrt waren, wenn der Strafreiz sic nicht zuvor dazu gezwungen hatte.

Aus KOLLERS (1940) Graphik lafit sich ablesen, welchc thcorctische Schwankungsbreitc die bcobachtcte Haufigkeit richtiger Laufe (P%) in einer Folge von n Laufcn hat. Liegt ihre untere Grcnze oberhalb des Erwartungswertes fur reines Zufallsgeschehen (25%), so ist der Lcrn-Erfolg theoretisch gesichert.

1st z die ,beoba&rete Zahl richtiger Laufe, zo die erwartete Anzahl richtiger Laufe, z, die beobachtete Anzahl falscher Laufe, zol die erwartete Zahl falscher, so ist:

= 72/4 = 18

Zwcitens lie13 sich fur n > 40 die z2-Methode verwendcn.

Fur die Anzahl der Freihcitsgrade ni, wobei der Freihcitsgrad als Anzahl der Moglidi- kciten minus 1 in der Rechnung als Anzahl der Summanden minus 1 mit einbezogen wird. hat KOLLER die Erwartungswerte fur x 2 berechnet. I n unserem Fallc, w o richtige und falsche Laufc moglich sind, ist m = 1 und 22 = 9. Wird dicser Erwartungswert durch unser crrechnctes ~2 uberschritten, so liegt keine zufillige Verteilung der richtig.Cn und falschen Laufe mehr vor, sondern die Dressurrichtung muR offcnsichtlich bevorzugt sein.

Aus PATAU'S (1943) XZ-Tafeln kann man den Wahrscheinlichkeitswert p fur Zz-Wertc von 0,001 bis 100 direkt ablesen. E r gibt an, wie haufig das betreffende Ergebnis zu erwarten ist. 1st es geringer als 0,0027 (entsprechend der Regel vom dreifachen mittleren Fehler), so bcsteht ein nicht nur zufalliger Unterschied zwischen erwartetem und beobachtctem Ergebnis; liegt er zwischen 0,Ol und 0,0027, so ist nach der Definition von PATAU ein Untersdiied nur schwach gesichert.

Drittcns 13Rt sich die theorctischc Erwartung dcr Positivfolgen (aufeinander folgcndc Trcffer) berechnen nach der Formel:

wobei n die Zahl der Beobachtungen, m die Zahl der aufeiiianderfolgetideti TrefFer, p die Wahrscheinlichkeit des einzelncn Treffers bedeutet und q = 1-p. Die mittleren Fehler der rheoretischen Werte sind deren Quadratwurzeln: m = 5 (n). Die Treffer, die in wirklichen Folgcn stehen - in unserem Fall die unmittelbar aufeiiianderfolgenden Lzufe i n eine Gangrichtung - werdcn anschl ieknd summiert und mit ihrcm theoretischen Erwartungs- wert verglichen, dcr in unserem Fall n betragt, vermindert um den theoretischen Er- wartungswert der einzeln stehenden Laufe. Der mittlere Fehler dieser Serien ist dem mittleren Fehler der einzclnen Treffer gleich (ausfuhrlichc Darstellung siehe KOEHLER 1943).

aIL1 (n) = (n - m - 1) . q 2 * pill + 2 q pl11

-~ \/al,,

Page 9: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Vcrsuchc iibcr dic Richtuagsorienticrung bci weiRcn M3uscn u n d Katten 301

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Page 10: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

302 VOCELBERC und KRUGER

I I. Versuchsergebnisse Bei den Tieren N IV, N VIII , N X, W I, S IV und 0 I1 (Abb. 9 bis

14) steigt die Positivkurve fast standig an. N X hat in jeder Viererperiode rnindestens einen Positivwert, bei den anderen Tieren komrnen manchrnal Perioden mit 4 negativen Werten vor. S IV zeigt einen Ruckschlag beim Wechsel des Versuchsraumes: Alle

- 3

/ I I \. \ \ I \

Kurven verlaufen eine Zeitlang waage- recht, d. h. das Tier hatte am neuen O r t die Orientierung verloren, rnachte Zufallslaufe; erst nach 36 Laufen wird ein neuerlicher Lernerfolg deutlich.

f n n < Y

Page 11: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versudie uber die Richtungsorientierung bci weiaen Mausen und Ratten 303

W V (Abb. 15) brauchte eine lange Lehrzeit, erst vom 40. Lauf an be- vorzugt es die Dressurrichtung. Der Ortswehsel andert nichts daran. Schon vie1 fruher, nach 4 X 4 Laufen, vernachlassigt das Tier die Ostrichtung.

S V (Abb. 16) bevorzugt zunachst aui3er der Dressurrichtung auch den Westgang; erst vom 52. Versuch an werden die Westlaufe seltener, steigen jedoch . . . . nach dem Umzug im neuen Raum und werden der Dressurrichtung

N ~ I I I Nx Niv OIX 0 1 1 s i v

WI s v

Ovri Svri

WII Wvir S I Nvii Nvi Olll Oiv

wv

Abb. 17. Maus NVI (1. 4. - 2. 6. 49). Bciiii vertikalen Strich Uinzug aus Rauin I I (Abb. 5) in Raum 111 (Abb. 6)

Die Kurven der 10 ubrigen Mause zeigen im wesentlichen Zufallsschwan- kungen. Sie haben die Dressurrichtung nicht a

erlernt. Ab. 17, 18 und 8

19 sind Beispiele der- 6 1

7 -

artigenKurvenverlaufs, '1 ..-.- A .J

nachlassigt ganz auff al- -': - -.-. .. N VI (Abb. 17) ver- -:: -. \

. .._..._. 2 ,*'i - _--,"

.__._ lig die W-Richtung, N +:

zeitweilig spontan die S-Richtung.

l . . - U I I _ d . . - _ I d VII(Abb.18)bevorzugt 2 I I 1. . 6 , I 8 I0 a 14 16 I, >o n

Abb. 18. Maus Nvll (1. 4. - 18. 5 . 43)

Tabelle I . Richtungsdressuren ohne Ortswechsel. n = Anzahl der Laufe; N, W , S, 0 = L i u f e in Nord-, West-, Sud-, Ostrichtung; R. L. = richtige, F. L. = falsche Laufe; p = Wahrschein- lichkeitswert; P% = prozentualer Anteil richtiger Laufe; P,, = untere Grenze dcr moglichen Streuung bei P%; A. G.% = prozentualer Anteil der Laufe in den alten Gang; bcob. = bc- obachtet; err. = errechnet; erw. = erwartet. Der erwartete Wcrt von x 2 ist ubcrall gleich 9.

65 29 14 11 I1 29 72 32 1 6 1 3 11 32 75 33 13 12 17 3 3 50 9 9 1 3 1 9 1 9

174 40 32 36 66 66 168 33 43 63 29 63 175 36 64 44 3 1 64 98 19 30 36 ' 13 36

69 1 6 1 6 1 6 21 21 56 10 1 9 16 11 1 6 72 20 ' ! 20 1 9 1 3 20 56 12 1 4 16 14 1 4

126 33 30 31 32 31 93 21 22 29 21 21

112 25 21 31 35 25 92 21 22 29 20 21 69; 1 6 17 22 1 4 14

101 221 971 27) 151 37

- Nr

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 1 2 13 14 1 5 1 6 1 7 18

- 44,7 26,5 44,s 27,s 44,O 27,O 38,O 19,5 37,9 27,2 37,7 27,O 36,8 26,s 36,7 23,2

21,s 18,6 23,7 24,O 17,3 23,2 16,O 31,3

L. erw.

27,8

24,6 22,6 22,3

25,o

22,o 20,3

16,25 18,OO 18,75 12,50 43,50 42,OO

24,50 25,25 17,25 14,OO 18,OO

31,50 23,25 28,OO 23,OO 17,25

43,50

14,oo 8,3 27,6

14,s 19,O 11,6 28,7 12,3 30,3

10,o 12,s

I O , ~ 30,s 7,3 27,o

Jeot F. L.

36 40 42 31

108 104 110

62 64 48 40 52 42 95 72 87 71 55

erw.

48,75 54,OO 56,25 37,50

130,SO 126,OO 130,SO 73,50 75,75 51,75 42,OO 54,OO 42,OO Y4,50 69,75 84,OO 69,OO 51,75

P

0,00025 0,00015 0,00015 0,035 0,00015 0,00015 0,0004 0,007 0,0065 0,36 Of6 0,6

O h 0,54 0,48 0,36

- -

Page 12: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

304 VOGELBERC und KRUCER

Tabelle I fai3t alle Dressuren ohne Ortswechsel zusammen. Sie sind geordnet nach dem fallenden Prozentsatz richtiger Laufe (P%). Wie der Vergleich mit den unteren Grenzwerten der Streuung (Pll%) lehrt, die bei n l a u f e n der Zufall gestattet, sind I?%-Werte derselben Tiere statistisch gesichert, die es auch nach der x2-Methode sind: Demnach haben die Mause 1-7 (P < 0,0027) gewii3 und 8 und 9 wahrscheinlich die Dressur auf ihre Himmelsrichtung erworben.

Die Mause 10-18 dagegen haben nichts gelernt. 6 von ihnen, namlich Nr . 13-18, stehen auf dem Zufallswert richtiger Laufe oder bleiben dar- unter, N r . 11 und 12 uberschreiten ihn ohne jede statistische Sicherung. Nr. 13 und 14 gingen gleich haufig nach allen vier Richtungen.

Positivfolgen der 18 Mause aus Tabelle 1. erw. = Zufallserwartung, m = mittlerer Fchler, n = Gesamtzahl der Laufe, ps = Anzahl der in Folgen liegenden gleichgerichteten Lsufe.

Tab& 11.

M

5 Zahl der aufeinander- 2 2 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7

16 N 6 , ! I ! w 2 , l ~ 7 s 1 1 5 0 1 1 5

folgenden Treffer n PS

1 1 1 1

I 1 ' I ' I ' I

Page 13: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versuchc ubcr die Richtungsorienticrung bei wcii3en Miusen und Ratten

12

y2

Zahl der aufeinander- folgenden Treffer

2 ) 3 1 41 5 1 6 1 7

2 3 1 10 1

3

I l l 1

3 l 2 , I

3 2

- 7 3

12 19

3.98

-__ 12,22

4 9

I0 2

3,60

_ _ _ 1 0 2

I 3 1

I 0 1 2 2

I--!- - i,52 0,8510,21 0 05 ,81'0.9210,4610:28 1

-

"

5 4

3,65

- .. 7 4 9

Die statistische Auswertung der Positivfolgen lehrt das gleiche (Ta- belle 11). Bei den Mausen mit voller statistischer Sicherung des Lernergeb- nisses (x2-Werte) liegen auch die Folgenlzngen am hochsten uber ihren Zu- fallswerten. Die ps-Werte (Anzahl gleichgerichteter Laufe in Folgen) uber- treffen ihren mittleren Fehler im besten Falle (bei Maus Nr. .3 und 7) u m das 4,5fache, wahrend als vollige Sicherung hier das 5-6fache zu fordern ware (KOEHLEK 1943, S. 586).

- 4

- 0 ' ; ' : ' ; ' D ' ,h ' ,; ' !i ' I ; ' ;8 ' ? F ' i t ' 2; ' Ib ' tb 1 1 '

Rbh 1 ' ) Matis SI (19 1 1 4 8 - 1 1 2 4))

In den Versuchen mit dreifachem Ortswechsel stellen die dreigeteil- t z n Abb. 20 und 21 den Ablauf fur jeden O r t gesondert dar. Die Kurve fur die Dressurrichtung steigt in allen 6 Ffllen, jedoch beim gleichen Tier nicht gleich stark an jedem Ort. N I a liei3 auf der Terrasse merklich nach, um-

Page 14: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

306

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VOGELBERG und KRUGER

brachte bei beiden Tieren anfanglichen Abfall; im Freiland liegt beide Male an- fangs die Kurve einer anderen Richtung uber der der Dressur, die selbst beide Male auf der Null-Linie beginnt. Das sieht so aus, als hatten beide Mause hier neu lernen mussen; d a es sich hier jedoch (vgl. S. 298) um straffreie Kontrollversuche handelt, kame hochstens Selbstdressur in Frage, aber auch dagegen spricht der rasche An- stieg: schon nach 8 bzw. 12 Laufen war Erfolg zu sehen, wahrend Maus6 (Abb. 13) nach ihrem Umzug in Raum I11 nach 36

beide trotz Strafreiz - noch keine Ncu- dressur erkennen lieflen.

Weitere Auskunft gibt Tab. 111. Vier Mause liefen insgesamt 315mal. Die Posi- tivwerte in der Dressurrichtung sind bei N l a und N JIa voll gesichert, bei N I I I a wahrscheinlich, bei S Ia wertlos. Da die Anzahl der Laufe ie Maus und Ort nur 2mal die 40 erreicht, berechneten wir X* von allen 4 Mausen zusammen. Dabci

und Nr. 8 (Abb. 16) nach 28 Laufen -

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3 2

s 2- 2

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2 z

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Page 15: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versuche ubcr die Richtungsorienticrung bei wcifien Miuscn und Ratten 307

crwies sich auch fu r die ,,Durchschnittsmaus" sowohl im Horsaal wie auch auf der Terrasse und im Freiland das Lernergebnis gesichert.

111. Besprechung der Versuchsergebnisse I n die Mitte eines kreuzformigen Gangsystems kletterten die weiflen

Mause zur Fiitterung von unten her senkrecht durch ein Aufstiegsrohr, also ohne Richtungsanweisung aus der Eintrittsrichtung und konnten nur in einer bestimmten Himnielsrichtung ans Futter, wahrend die drei anderen Rich- tungen durch geschlossene Turen und elektrische Strafreize abdressiert werden sollten. 12 Mause hatten statistisch gesicherten Erfolg. Die beste Maus machte insgesamt 44,7% aller ihrer Laufe richtig, die langste Positivfolge betrug 7. Diese 12 Tiere haben also zweifellos etwas gelernt, und es fragt sich nach welchen Schlusselreizen.

D a simtliche Tiere augenlos waren, schalten o p t i s c h c Reize aus, und daniit auch jcdcr Vergleich niit den aufsehencrregenden neueti Ergebnissen von v. F R ~ S C H und K K A M ~ : I < an Bienen und Singvogeln, die untcr der Einkalkulation der Uhrzeit die Sonne als optischen Anzeigcr yon Himmelsriditungen benutzen.

Die o I f a k t o r i s c h c n Reizc konnen nicht geholfen haben. An jedem Gangcndc duftcte aus glcichen Kisten gleiches Futter. Dcr Wohnkasten stand zentral unter dcin Wcge- kreuz. Auch die alre Geruchsspur im Gang konnte keincn Hinweis geben, da das Krcuz stiindig gedreht wurde.

Den Tastsinn als Oricnticrungshilfc schlofl diese Drehung dcs Wcgekreuzcs cbenfalls aus. Gcringe Uncbenheiten des Holzcs - sollteti sic bemerkt worden scin - wiesen in jcweils neue Richtungen.

Der S c h w e r e s i t i t i konnte auch nicht helfen, da die Laufebene vor jcdcm Ver- such mit dcr Libellc genau waagerecht cingestcllt wurde. Auch cine ctwaigc kinisthetische Orienticrung im scnkrechtcn Aufsteigcrohr konnte die Tiere nicht in mehr als 25% dcr Liiufc richtig leiten, da dcr Wohnkastcn nach jedcm Vcrsuch gcdreht wurdc, rnithin die Einzelwohnung nur in jcdem vierten Versuch im gleidien Winkel zur Dressurrichtung stand.

Gcrichtetc L u f t s t r 6 ni c oder ein richtungswcisendes T c m p c r a t u r g e f a I I e im in sich abgeschlosscnen Gangsystem sind beide gleich unwahrschciniich, zudem hi t ten sie sidi bci jcdcm Unizug veriindern mussen.

Einc stiindige G c r ii u s c h q u c I I e war, nach unsereni Gehor bcurteilt, nicht vor- handen. DaR der Strafienliirni einen Richrungshinweis gcgebcn haben mag, ist nicht lcicht auszuschlicf3en. Das I nstirut liegt an einer vcrkehrsarmcn StraRc. Die bcidcn nachsten ver- kchrsrcichcn Strafien, mindestens 200 ni cntfernt, bilden miteinander einen Winkel von 90'; wcnn ubcrhaupt, so hiitten sie cinen Anhaltspunkt in mindestens zwci Dressurrichtungen bictcn musscn, nichr jedoch in eincr.

Aber audi sic hing p e n d e I n d wie die drci gcsperrten (vgl. S. 295). Sic konnte akustisch kaum anders wirken als jcne; diese Feststellung ist wichtig, falls Echowirkungcn niitspredien solltcn wic nachweislich bei Fledermiusen.

Soniit glnuben wir, alle uns bekannten Reize, die in der Apparatur als ,,fakche Schlussel" hatten wirken koiinen, ausgeschaltet zu haben. Trotzdem haben in den Laboratoriumsversuchen 8 Tiere die Dressurrichtung voll, 3 weitert schwach gesichert, bevorzugt. Ihnen stehen 8 Tiere gegenuber, deren Dressur erfolglos blieb. Bei der Suche nach einer Erklarung fu r ihr Versagen fie1 bei N r . 13 ( W V I I ) auf, dan sie sich in 66,6% aller Versuche von der Richtung ihres Wohnkafigs um 90' nach rechts wandte. Eine so ausgepragte Scitenbevorzugung mufitc der Richtungsdressur abtraglich sein.

Ferner dachten wir an bevorzugte Wahrnehmung der e i g e n e n S p 11 r. Tatsachlich hatten die Mause i n Vorversuchen, in dencn wir das Wegekreuz lnnge ungedreht stehen lienen, bercits etwas gelernt. Als wi r nun erstmals drehten, bevorzugten die Mause nicht mehr die Dressurrichtung, sondern den Gang, der zuvor in der Dressurrichtung gestanden hattc. Sollte die von nun an nach jedeni Versuch durcligefuhrte Reinigung mit Alkohol nicht alle Ge- ruchsspuren beseitigt haben, so ware die gleiche Bevorzugung des Futter- ganges aus dem vorherigen Versuch zu erwarten. Wie die letzte Saule

Dic einzigc Iksonderhcit des Drcssurgangcs war seine w c g s a ni c T u r P.

Page 16: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

308 VOGELBERC und KRUCER

(AGOjo) der Tabelle I lehrt, sprechen hochstens die 36% von Nr. 11 (S VII) dafur, aber die Abweichung vom Zufallswert liegt. noch innerhalb ihrer doppelten Fehlerbreite.

Auch die Suche nach S p o n t a n b e v o r z u g u n g e i n e r H i m - m e 1 s r i c h t u n g brachte uns einen deutlichen Beleg. Bei S V (Abb. 16) lag die W-Kurve bis zum 48. Lauf uber der S-Dressurkurve, die weiterhin jedoch die Oberhand gewann.

C. Versuche auf dem Kraftwagen Durch eine groflzugige Unterstutzung der Notgemeinschaft der Deut-

schen Wissenschaft') wurde es uns ermoglicht, in einer weiteren Versuchsserie mit der auf einem Kraftwagen aufgestellten Apparatur die Versuche bei in weitem .Raum wechselnder Aufstellung zu wiederholen. Auf S. 298 hatten wir die Notwendigkeit von Versuchen mit stets wechselnder, fremder Um- gebung des Apparates betont. Nur auf diese Weise waren mit Sicherheit alle ortlichen Merkmale fur die Orientierung auszuschalten.

I. Methodik Ein alter 1,5-t-Lastwagen bot auf seiner 2x3 IN grol3en Grundflachc genugcnd Kaum

fur die Apparatur- nebst Zubehor, zugleich den1 Versuchslciter ausrcichcnd Bewezunzsfreiheit.

Abb.22. AnsichtderaufdeniKraftwagenaufgestellten Apparatur

Abb. 22 gibt Einblick "ins" Wagen- innerc von ruckwarts; an der Vor- derwand sind zwei Ablcgebretter befestigr, auf welchen die Futter- kisten usw. wihrend der Fahrt mit Gummibindcrn festgehaltcn wurdcn. Untcr diesen Brettern standen auf dem Bodeii drci Kasten mit jc vier Msusen und zwei mit jc zwei Katten. Die Zcltplanc, die von der Witre- rung unabhangig machte, wurdc zur Aufnahmc cntfernt. N u r der Boden war mit Eisenplatten belegt. W i h - rend der Vcrsuche war die hicr nicht mit abgebildete Ruckwand offcn.

Mangels ciner hcizbaren Ga- rage blieben die bci Einzelhaltung kilreempflindlichen Tiere nur tags- uber auf dem Wagen; nachts standen sie warm genug in1 2001. Institut. Obwohl die Versuche sich auf die wirmste Jahrcszeit - Mai bis Sep- tember - bcschrinktcn, muRten wir an kuhlcn Tagcn das Wageninnerc durch eincn kleincn Hcizofen cr- wirmen.

Die Apparatur war dicsclbc (S. 295), doch hatten wir die vier Laufgingc auf 35 cm verkiirzt und, uni die Erschuttcruneen dcs Straflen- .,

vci.kchrs xu dimpfcn, auf einen aufgepumpten Fahrradschlauch gclegr. Wcgen der gclescntlich auftrctendcn Storung durch den Straflenlirni suchten wir nach Moglichkcir vcr- kchrsariitc StraRen auf.

Als Stromqucllc fur den Strafrciz bcnutzten wir cine an cin'c Zclle der Wagcnbatteric angcschlosscnc Zundspulc. Die zwei Volt Spannung wurdcn durch cincn vorgcschaltetcn

1) Dcr Notgemeinschaft sci an dieser Stellc der hcrzlichste Dank fur die Erniogli&ung dicscr Vcrsuche ausgesprochen. Ganz besonderen Dank schulden wir auch Herrn Professor Dr. 0. KOEHLER, Freiburg, der der Durchfuhrung der Versuche groRtcs Interesse entgegen- brachce und wertvollc Rarschlige und Anregungen gab. Zu Dank vcrpflichtct sind wir ferncr Hcrrn cand. phys. Wilfried MAASS fur Unterstiitzung der Arbeit durch ta tkr i f t ige Mithilfc, sowie Hcrrn Garagenmeistcr BRUGGEMANN, Munster, fur die Bctreuung des Kraf t - fahrzcugcs.

__ -

Page 17: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versuche uber die Riclitungsorientierulig bci weil3en Miiusen und Ratten 309

Regulicrwidcrscand ini Primarkreis auf den jeweils passenden Keizwert reduziert. Ein den Primiirkreis shlieRender Druckknopf, der uber der Apparatur hing, gab naturlich nut Einzelschligc, die, wenn nijtig, hinrcichend of t wicderholt wurden. Das Verfahrcn ist geriuschlos und auch durch seine minimale Latenzzeit empfehlenswert.

Die Ratten brauchten groRerc Futterk5fige (25X10,5X 10,5 cm). U m sic an die engcrun Laufgange anschlieRen zu kijnnen, nagelten wir a u h n uber die Gangenden einen Rahmen aus Holzstreifen. die die Gangc um 2 cm vcrlangerten und schoben den groReren Futtcr- kifig in den Rahmen ein. Das fur die Ratten passende senkrechte Einsteigerohr mit 6,5 cm Inncndurdimcsser lie13 sich gcgen das engcre fur die Mause aus- tauschen. Die Aufenthaltskafige fur die Ratten waren zweiteilig (Abb. 23), sonst ebenso gebaur wie die fur die Mause. Als Rattcn- futter dicnrc Mais, dcm wir gelegenrlich gctrocknete Garnclcn beigabcn.

Nach jeder Versuchsserie - jc Tier ein Lauf - wechscltcn wir, wo nichts andercs gesagt ist, den Standort oder zum mindestcn die Richtung des Wagens. Die meisten Vcrsuchsorte lagen nahe bei Munster niit Ausnahrne zwcicr grofiercr Versuchs- fahrten - die cine vom 31. VII. - 1 1 . VIII . nach Marburg, ctwa 200 km sudostlich von Munster, die zweite vorn 25. VIII . bis 3. Ix. 1950 nadi Wilhelmshaven, erwa 200 km nordostlich Abb, 23, ~ ~ ~ ~ d ~ ~ g der K ~ ~ . von Munster. Auf der Fahrt waren die Dressurorte etwa 50 tenkifigc. A = Wohnkam- bis 100 km voneinander cntfernt; tiiglich fand cine Dressur vor- mer, B = d ~ c h S*icber

verschlieflbarer Zugang zum niittags, die zwcite nachrnittags statt. Aufsteigerohr Die jeweiligc Richtung der Wagenstellung am Vcrsuchsort

crmitrelten wir hinreichend fern vom Wagcn durch Anpeilen mit eineni Bkzard-Kompak In den graphischen Darstellungen der Versuchsergebnisse kennzeichnen senkrecht

durchgezogene Striche verschicdene Versuchsabschnitte, gestrichcltc senkrechte Linicn gebcn Anfang und Ende der beiden Fernfahrten nach Marburg (R,) bzw. nach Wilhelmshaven (R2) an. Diesmal noticrten wir auch die noch straffrcien Laufe; der S-Pfeil niarkicrt das Ein- setzcn der Strafreize. Sparer straften wir sogleich vom ersten Lauf, d a die straffrci tinge- wohnten Tiere nach den1 ersten Strafreiz so vergramt waren, daR sic sich schcutcn, aufzu- sreigcn bzw. das Wegcnetz zu betreten.

Die Zz-Methode zur statistischen Sicherung der Versuchsergebnisse lieR sidi diesmal angesichts dcr Unsterigkcit dcr Kurvcn (wie sich zeigen wird, lagcn spontane Richtungs- rendcnzen niit der Drcssureinwirkung im Widerstreit), nicht fur den gesamtcn Dressurvcr- lauf, sondern nur fur ausgewahlte Kurventcilc anwenden. Aus dem gleichen Grunde wurden, statt wie bei den Laboratoriumsversuchen ,,richtig" und ,,falsch", diesmal alle vier Rich- rungcn i n die Formel fur x 2 eingesetzt.

In Tabellc I V sind die Laufzahlen der Tiere i n den einzclnen Richtungen ncbst Pro- zcntwcrten, getrennt nach den verschiedencn Versuchsbedingungen zusammengestellt. Zur Unterschcidung von den Tiercn aus den Laboratoriumsversuchen tragen die Ticre auf dem Kraftwagen arabische Ziffern.

1 q

11. Versuchsergebnisse V e r s u c h e a n i m m e r n e u e n 0 r t e n. Nach jeder Versuchsserie

(je ein Lauf je Tier) fuhren wir an einen neuen Platz. Hatten die Mause in den Laboratoriurnsversuchen meist ohm Zogern einen Gang angesteuert, so war jetzt der Eindruck grotlter Unsicherheit die Regel. Die Tiere blieben lange irn Mittelfeld, erkundeten schnuppernd einen Gang nach dern anderen, che sie sich zogernd endlich in einen hineinwagten. Auch bei diesen Laufen mogen Richtungstendenzen bestanden haben, doch es gelang uns nicht, diese vielfaltigen, zudem sehr raschen Erkundungsschritte zu protokollieren. Ge- wertet wurde allein das erste Betreten eines Ganges (bei den Ratten mit den Vorderpfoten), denn nur dieser Akt ist ganz unbeeinflutlt.

Besonders vie1 Zeit IieRen sich die Ratten. Meist blieben sie irn Mittel- feld sitzen und bedurften aufierer Anstofie,. ehe sie sich in Bewegung setzten. Dann liefen sie rasch kreisend, wie in kinasthetischer Bewegungsfolge, mehr- mals an allen Eingangen vorbei. Selbst wenn sie sich endlich fur einen ent- schieden hatten, so gingen sie oft nicht bis ans Turchen, versaurnten die Fest- stellung, da6 es aufging und holten sich erst Strafreize in den falschen Gangen, ehe sie zum zweiten Male in den richtigen zuruckgelangten. Dic Mause drangen fast immer bis zurn Turchen vor.

Page 18: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

310 VOCELBERG und KRUCER

Tabelle IV. Richtungsdressuren auf dem Kraftwagen. Obere Zahl: absolute Anzahl der Laufe. unten: ihr Prozentwert.

11 33,4 11 32,3 8

Tier Nr.

4 4

10 5 29,4 14,7 .I3 7

12.1 12,l

Ratten 23

S 1 24 w1 25

N 1 26 01 27

N 2 Mause

28 N I 29

N 5 30

0 8 31

0 24 32

W30 33

s 10 34

S 6 35

s 28 3 6

S 26 37

W27 38

N 25 39

N 1 7 40

0 31 41

w 2 42

W 3 43

w4 44

s 29

10 38,4 19,3

10,o i i ,7

38,6 15,4

Dressuren an festein Ort

19,3 23,G

8 \ 1 0 20,5/ 25,h

28,d 3o,a

gleicfie Wagenricfitung

S

5 5 21 12,5 12,5 52,: 12 i 6 i 14 10,O 15,O 35,( 11 I 16 1 5 !2,5, 40,0, 12,:

- 0

9 22,: 8 ZO,( 8

20,(

40

40

40

- N

10 24,

Wagen gedreht - w l

I 26.81 11

I

I

S

8 9,!

- 0

12 !9,2

14 42,4 8

23,6 4 -

- n

41

33

34

32

26

60

3Y

~ ~-

Dressuren niit Ortswechsel -

N 55

30,6 41

27,O 24

24,6 24

23,6 20

30,8

25 19,7

28

36 28,l

31 25,8 11

22,o 15

18,5 1 Y

29,7 13

27,7 15

25,O 1 2

20,o 17

27,9 6

14 45,2

I 2 20,7

10 20,4

8

20,o

19,4

20,o

- W 57

26,O 40

26,3 27

27,5 23

22,5 12

18,4

31 24,4

32

23 18,O 18

15,O 10

20 24,7

12 18,8 13

27,7 13

21,6 17

28,4 9

14,7 5

16,l 5

16,l 18

31,O 14

28,6 12

30,O

22,o

20,o

- S 30

16,7 42

27,6 20

20,4 28

27,4 20

30,U

35 27,6

41 29,2 35

27,3 36

22 44,O 23

28,4 20

31,2 6

12,8 14

23,3 12

19 31,2

12 38,7

7 22,6 12

20,7 11

22,4 14

35,O

30,o

20,o

- 0 48

26,7 2Y

19,l 27

27,5 27

26,5 13

20,o

36 28,4

3 9 27,9

34 26,6

35 29,2

7 14,O

23

13 20,3

15 31,8 18

30,O 19

31,6 16

26,2 8

25,8 5

16,l 16

27,6 14

28,6 6

15,O

28,4

- I1

80

52

98

02

65

27

40

28

20

SO

81

64

47

60

60

61

3 1

31

58

49

40

Besonders deutlich zeigt die Ratte S 1 ein in diesen Versuchen haufig auftretendes Verhalten (Abb. 24). Je langer sie auf S dressiert wurde, umso seltener besuchte sie den Sudgang an erster Stelle. Bis zum 108. Lauf fallt die Siidkurve mit nur kurzen Unterbrechungen stark ab. Die Ratte hat wah- renddessen den S-Gang nur lOmal als ersten betreten, ist statistisch sicher unter dem Zufallswert geblieben. Die Dressur hat das Gegenteil dessen bewirkt, was sie sollte: Die a n z u d r e s s i e r e n d e R i c h t u n g w i r d geradezu g e m i e d e n , was wir hinfort als p a r a d o x e s D r e s s u r e r g e b n i s bezeichnen wollen. Vom 108. Lauf an verlauft die Kurve nahezu horizontal, d. h. der S-Gang wird nur noch zufallig angelaufen.

Page 19: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versucfie iibcr die Richtungsorientierung bei weilen Mausen und Ratten 311

Andererseits bevorzugt diese Ratte ganz auffallig anfangs den 0-Gang, den sie bis zum 64. Lauf 29mal wahlte: der Zufallswert hatte 16 betragen. Fur die ersten 108 Laufe betragt )I' = 15,33, p = 0,0016. Schon bei 64 Laufen - dem Hohepunkt der Ostkurve - betragt x2 = 17,125, p = 0,00065, d. h. der

ist mit einer zufalligen Verteilung nicht Kurvenverlauf in diesem ganzen Bereich

- -

zu vereinbaren. Weiterhin fallt die 0-Kurve ab;

die spontane Richtungstendenz fur 0 weicht einer Bevorzugung der N-Rich- tung. Nur die W-Richtung vernachlassigt S 1 anhaltend. Die beiden Fernfahrten andern das Verhalten nicht merklich. Das Zusammenfallen des Anstieges der Nordkurve mit dem Beginn der ersten Reise durfte ein Zufall sein. Kurz, die Spontantendenzen wechseln im Laufe der dreieinhalb Monate, verstandlicherweise, weil keiner der Wechsel Straferleichte- rung bringt.

Fast ebenso deutlich ist das para- doxe Dressurergebnis bei der Ratte W 1 (Abb. 25). Bis zum 60. Lauf ist Z' 5,733, p 1 0,13; eine spontane Rich- tungsbevorzugung fehlt. Nach dem 72. Lauf, also wahrend der Reise nach Marburg, holt der Dressurgang W auf, die Gegenkurve 0 fallt; beide Tenden- zen erhalten sich. abgesehen von kleinen Dressurruckschlagen, "bis zum Versuchs- ende. Fur den Anstieg der Dressur-

Y

kurve vom 72. Lauf an ist Z* = 13,50, p 0,0035, er ist also nahezu gesichert. Dieses ist der einzige klare Fall

Richtungsdressur bei standisem Orts- einer durch Z' gesicherten positiven rJ- ,

I ". wechsel,v bemerkenswerterweise durch L - A - I - I I .

0 : U m s c h l a g d e r p a r a d o x e n ? I /

Page 20: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

312 VOGELBERG und KRUGER

L a u f e i n d i e G e g e n r i c h t u n g . Wir wollen das einen s e k u n d a r e n D r e s s u r e r f o 1 g nennen. Es ist um so erstaunlicher, als gerade diese Ratte besonders haufig im Mittelfeld kreiste, ehe sie sich blitzschnell fur einen Gang entschlofl.

Die dritte (N 1, Abb. 26) und vierte Ratte (0 1, Abb. 27) zeigten weder deutliche Richtungstendenzen, noch einen klaren Dressurerfolg, 0 1 auch

nicht nach Aufgabe ._., --.__- -- , 0 der OrtswechseI

(Abb. 27, ,,fester Dressurort"). Die Letzte unserer funf

, ' , ,, ?, jz Ratten bevorzugte bzw. vernachlassigte

. . . . . . -

Abb. 26. Ratte N 1 (13. 6. - 17. 8. 50)

1.II.r D..rur.,,

Abb. 27. Ratte 0 1 (13. 6. - 22. 9. 50)

, . T O je zwei Richtungen (Abb. 28). Dadurch werden die Laufzahlen je Richtung so klein, dai3 eine volle statistische Siche- rung nicht zu erwarten ist.

Bei den Mausen lagen die Dinge ganz ahnlich: Die Mause N 1 (Abb. 29) und N 5 (Abb. 30) meiden beide in

, , paradoxem Dressurergebnis die Nord- richtung. Bei N 5 endet die Richtungs- vernachlassigung mit dem 76. Lauf,

danach wird die Dressurrichtung nur noch im Zufallsverhaltnis gewahlt. Auf- falligerweise sinkt gleichzeitig die W-Kurve. N 1 wahlt dagegenvom 96. Lauf ab die Dressurrichtung haufiger. Der vorzeitige Tod durch Unfall machte die Ent- scheidung unmoglicli, ob sich auch hier eine sckundare positive Richtungs- dressur anbahnte. Fur den Tiefpunkt von N 1 ist X* = 8,166, p = 0,043, fur N 5 x2 = 7,105, p = 0,069. So deutlich die Werte in den Kurven heraus- springen, sind sie doch statistisch nicht sicher.

Die Mause 0 8 (Abb. 31) und 0 24 (Abb. 32) laufen beide den Dressur- gang standig nur im Zufallsverhaltnis an und meiden die Westrichtung, 0 24 bis zum Versuchsabschlufl: 112 = 6,866, p = 0,77. Bei 0 8 steigt die W-Kurve

,.."I.., ,...-.. . . A s - . ... ....

, .- - . . ~ ~ I , . . . .. . .~-> , - _ - 5

.. JY

, ' " I ) 10 0 ,' Abb. 28. Ratte N 2 (18. 8. - 22.9. 50)

I I I I

I ,

Abb. 29. Maus N 1 t26. 5. - 4. 8. 50)

Page 21: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Vcrsuchc iibcr die Richtungsoricntierung bei wciRcn Miiuseii und Rattcn 313

vom 100. Lauf an, ic2 = 8,OO, p = 0,046, also abermals keine volle Siche- rung. 0 24 bevorzugt bis zum 40. Lauf die Sudrichtung.

Dasselbe tut W 30 (Abb. 33), fur das Versuchsende ist ic2 = 9,66, p = 0,022. Das Ergebnis liegt also noch im Bereich der Zufallsschwankungen. Die Dressurrichtung wird nur entsprechend dem Zufall gewahlt.

S 10 (Abb. 34) bcvorzugt anfangs merklich die Dressurrichtung und ver- nachlassigt die N-Richtung. Am Ende erreicht auch die Dressurrichtung nur den Zufallswert.

I. I ' I , I I ' -u I I I L d L & U , , I , , I , I , , , , , , . 6 I * i2 I. 16 !a a >> h >6 ,* I* I , x

Abb. 30. Maus N5 (26. 5 . - 13. 8. 50)

L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . > 6 6 IO XI II I a m II n I a m fl

Abb. 31. Maus 0 8 (7. 6. - 4. 8. 50)

..... I I , ' I .............. ._-.- ........ '-.+-- - .. .-.._ . . .: -I..... *

t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 6 I 1 0 I7 I ' 6 1 I O I ~ 1 ' 1 6 " ) o

21 Abb. 33. %. 1. Tisrpaychologis Bd. 8 Heft 2

Maus W 30 (12. 7 . - 20.8. 50) Abb. 34. Maus S l 0 (27. 5. - 11 .7 . 50)

Page 22: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

VOGELBERC und KRUGER 314

S 6 (Abb. 35) gibt ein zweites Beispiel fur bevorzugte Richtungs-

ie ubrigen Mause liefen nicht

,,' Abweichungen vom Zufallswert er- ...... kennen, bestenfalls +- 5, meist aber

... . . . . . . ....... . . . ~ . . oft genug oder lieflen nicht genugende .... I . , - . . . . . . . . .: ............ : .

..... . , .. I

~ I .., . .

, ? 2 bis 3 Laufe. 2 ' 6 a ID , , . ' I 6

Abb. 35. Maus S6 (26. 5. - 2. 7. 50) V e r s u c h e m i t D r e s s u r - b e g i n n a m f e s t e n S t a n d o r t.

Das eigenartige Ergebnis der soeben besprochenen Versuche positiver bzw. negativer Richtungstendenzen, aber primar keiner Anzeichen fur posi- tive Richtungsdressur, die doch im Laboratorium erzielbar war, warf die Frage auf, ob der Ortswechsel oder der Kraftwagen fur den Miflerfolg ver- antwortlich waren. Wir begannen mit Kontrollversuchen, bei denen die Dressur auf dem in unveranderter Richtung am festen Or t stehenden Wagen begann und dort spater bei standigcm Wechsel der Wagenrichtung fortging. Der Wagen stand auf einem ziemlich ruhigen Parkplatz vor dem Clemenshospital an der von-Esmarch-Strai3e. Die fur diese Versuche ausersehenen Tiere mach- ten wahrend 'der Dressurzeit alle Fahrten des Wagens mit.

Hier gluckte die Richtungsdressur ebensogut wie im Laboratorium. D a nur wenig Zeit blieb, arbeiteten wir nur so lange, bis fur ein Tier volle statistische Sicherung erreicht und fur die anderen - nach dem bisherigen Kurvenverlauf - bald zu erwarten war. Dann drehten wir den Wagen am Or t nach jedem Versuch in immer neue Richtungen. Erst nach 30 bis 60 solcher Laufe dressierten wir wieder an wcchselnden Orten.

Den Versuchspausen, die sich daraus ergaben, dafl diese Tiere Fern- fahrten nicht mitmachten, entsprechen die Lucken im Kurvenverlauf.

Maus S 28 (Abb. 36) lernte im feststehenden Wagen ihre Sudrichtung. Insbesondere vom etwa 28. bis 40. Lauf stieg sie sehr rasch auf uber 50%

' ,

.i . . . . . . . . . . . . . . . . . . , 1 r 8 10 ,i I 16 18 ?O 72 .1 M te 10 I>

Oben : Abb. 36. Maus S28 (22. 6. - 22. 9. SO) - Unten : Abb. 37. M ~ I I S S26 (25.6. - 22.3. 50)

Page 23: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Versuche uber die Richtungsorientierung bei weii3en Miiusen und Rat ten 315

Positivlaufe (z2 = 57,2, p = <lo-’’). Aber sowie wir den Wagen am Ort drehten, zerfiel die Richtungsdressur. Die Maus hatte sich nicht auf die Him- rnelsrichtung, sondern auf irgendein Merkmal auf dem Wagen als Richtungs- anweisung dressiert und blieb dieser Orientierungsweise treu, d. h. ihre Ent- scheidungen folgten den Drehungen des Wagens. Solange der Wagen bei der Andressur stand, hatte der Kuhler nach Suden gestanden. D a wir in der zweiten Versuchsperiode diese Wagenstellung absichtlich vermieden, muflte die Dressurrichtung in dieser Zeit absinken. Auch uber eine Versuchspause hinweg behielt das Tier die Einstellung in Richtung des Kuhlers bei. In der dritten Versuchsperiode, bei standigem Ortswechsel, werden die Laufe in Dressurrichtung irnmer seltener (Paradox-Phanomen?). Sowie das Merkmal auf dem Wagen bedeutungslos wurde, d. h. bei gedrehtem und ortsverander- tern Wagen (Periode 2 und 3), bevorzugte die Maus spontan die 0-Richtung.

Ganz ahnlich verhielt sich S 26 (Abb. 37). Im orts- und richtungsfesten Wagen steigt ihre Dressurkurve vom 20. Lauf ab stetig an. Mit der ersten Drehung des Wagens geht die Dressur verloren, indem die Maus bevorzugt zum Kuhler hinlauft. Weiterhin herrschen so gut wie reine Zufallswahlen, es sind keinerlei Richtungstendenzen erkennbar.

I . . . . . . . . . . . . ...

.......... * .1 {

I I 0

-u I . 6 6 10 P I( 16 n zo 22 A 16 )(I 10 3)

Abb 38 Maus W27 (26 6 - 22 9 50)

W 27 (Abb. 38) dagegen behalt die irn richtungs- und ortsfesten Wagen crworbene W-Dressur auch bei Wagendrehung am O r t bei. Erst in der dritten Periode (standiger Ortswechsel) verlauft die Kurve annahernd waage- recht weiter. Trotz des anfanglichen Anstieges (Abszisse 19-23) lafit sich nicht sicher behaupten, dafl die erlernte Richtungsdressur dern Ortswechsel standgehalten habe. Wohl liegt auch bei Dressurende die Laufzahl in Dressur- richtung noch hoch uber der der drei anderen Gange, doch ruhrt diese Diffe- renz noch aus den Dressuren am Parkplatz in den beiden ersten Perioden her, wahrend bei standigem Ortswechsel die vier Gange gleichmaflig ent- sprechend der Wahrscheinlichkeit angelaufen werden. Bei diesem Tiere hatte offensichtlich auf dem Parkplatz eine Dressur auf Merkmale aui3erhalb des Wagens stattgefunden.

Wie wir sahen, haben zwei Mause (S 26 und S 28) sich statt auf die Himmelsrichtung auf Merkmale auf dem Wagen, eine dritte auf solche des Parkplatzes auRerhalb des Wagens dressiert. Urn wenigstens die Gefahr einer Dressur auf Merkmale des Wagens zu vermeiden, haben wir weiterhin bei ortsfesten Versuchen die Wagenrichtung standig gewechselt.

Unter diescn Bedingungen zeigte N 25 (Abb. 39) nach 30 Laufen einen leichten Dressurerfolg, der sich aber auflerhalb des Parkplatzes nicht fort- setzte. Dafiir begann die Maus die W-Richtung zu meiden. N 17 (Abb. 40)

21.

Page 24: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

316 VOCELBBRG und KRUCBR

hat am Standort nicht erkeiinbar gelernt; nach Fahrtbeginn fallt die Dressur- richtung bis zum Zufallswert. Die West-Scheu setzt sich dagegen fort (bei Versuchsende x2 = 8,81, p = 0,042). Auch 0 31 (Abb. 41) ist auf dem Park- platz erfolglos, verringert auf der Fahrt die Wahlen der Dressurrichtung ebenso wie von S und W, weil die schon auf dem Parkplatz deutliche Nei- gung nach N sich weiter verstarkt ( x 2 bei Versuchsende = 10, p = 0,019).

111. Besprechung der Versuchsergebnisse auf dem Kraftwagen Wahrend i rn L a b o r a t o r i u m m a n c h e M a u s e s i c h a u f

e i n e H i m m e l s r i c h t u n g d r e s s i e r e n lienen, ist es auf dern W a g e n p r i m a r n i c h t gegluckt. S e k u n d a r kam nach langerer Ver- suchszeit e i n e Rattc und e i n e Maus a n d e u t u n g s w e i s e dazu, indem

I I0

..... 1 3 . . .

/ . . . . . . . .. r-_ .- -.._ .. :-. . . . .__.. ........ -I .

..... c

,-----, I ' L * I" ,> ' I 1 5 1' , In I 1 0 '

Abb. 39. Maus NZS (24. 7. - 22.9 . 50)

, .. N d e m W a g e n (aufierhalb des Wegekreuzes), in Richtung des Kuhlers, in welcher die Mause und Ratten sowie die Futter- kafige an der Vorderwand

Leistung ist, SO ist sie doch --._-- ,_ ,. x an die ortlichen Merkmale

. . .

............. standen. So auffallig diese 5 .......... \-- n

...... ......

tL/ b,/s - a

. - ...>: ......... ...... . , . - . . . > .... % ,.., :, .. . . I , ....

.L.. ................ . . ..<. . - . .

I

; I . I I I I I I I I I I

. . . . I 1. . . . . . . . . . . . . _. -. . . . _- I

sie e i n e z u n a c h s t g e m i e d e n e Him- melsrichtung b e v o r - z u g t anzulaufen be- gannen. Auflere Griin- de, Sterblichkeit der Versuchstiere und Kurze der warrnen Jahreszeit verhindern ein Verfolgen der Wei- terentwicklung dieser sekundar positiven Selbstdressuren.

An dem Miner- folge tragt nicht der Wagen die Sdwld, auch nicht das Fahren vor Versuchsbseginn, denn in den Kontroll- versuchen am festen Or t (S. 314) gluckten auch auf dem Wagen positive Richtungsdres- suren. Dabei richteten sich zwei Mause nach

Page 25: Versuche über die Richtungsorientierung bei weißen Mäusen und Ratten

Vcrsuchc iibcr die Kichtungsorientierung bei wciRcn Miusen und Rat ten 317

suchen mit standigem Orts- und Richtungswechsel des Wagens waren zudem alle richtenden Merkmale aufierhalb der Apparatur ebenfalls ausgeschlossen. Dem entspricht die Gesamtverteilung der Laufe aller dieser Versuche auf die vier Richtungen:

Die Abweichungen vom Zufallswert (25%) sind N: 439 24,6 statistisch bedeutungslos. Wenn einzelne Tiere trotzdem W: 422 23,6 in einzelnen Fallen uber langere Versuchsperioden hin-

S: 467 26,l weg bestimmte Richtungen teils sehr deutlich bevorzug- 0: 458 25,6 ten, andere vernachlassigten, so darf man dieses Ver-

Als erste erkennbare Abweichung vom Zufallsverhalten beobachteten wir das p a r a d o x e D r e s s u r e r g e b n i s , die Vernachlassigung der Dressur- richtung, die den Tieren zusatzliche Strafen eintrug, so dafi sic immer angst- licher wurden. Man konnte daran denken, dai3 sic den Sinn der Dressur nicht erfai3ten und hierdurch ein Phanomen zustande kam, wie es in jiingster Zeit GWINN (1949) beschrieb, dessen Tiere nicht lernten, die Strafzeit 211 ver- kiirzen. Da es sich dort jedoch nicht um eine Wahlapparatur handelt, liegen wohl kaum vergleichbare Verhaltnisse vor.

Ferner ware an den verangstigenden Einflufi des stets neuen, unbekann- ten Ortes zu denken. Bekanntlich sind Mause und Ratten typische Erkun- dungstiere, die in neuer Umgebung a d e r s t vorsichtig vom Freilassungsort zuerst sehr kurze Vorstoi3e wagen, jeweils sogleich in der Spur zuriickkehren und den Erkundigungsradius erst sehr langsam erweitern (EIBL-EIBESFELDT 1950). Auf eine weitere Deutungsmoglichkeit kommen wir spater zu sprechen.

Doch konnten auch andere Richtungen als die anzudressierende gemieden werden, wobei die Dressurrichtung dann zumeist nur die Zufallstreff er erhielt, also offenbar nicht besonders beachtet wurde.

Andererseits fand sich aber auch spontane Bevorzugung bestimmter Rich- tungen, jedoch stets einer anderen als gerade der Dressurrichtung, was dem Tier also immer Strafen eintrug. Deshalb hielt sie sich fast auch nie uber die game Versuchszeit, sondern ging allmahlich verloren.

Statistisch vollig gesichert war die paradoxe Vernachlassigung der Dressurrichtung bei der Ratte S 1 (p < 0,0027), nahezu sicher bei Ratte W 1 ( p = 0,004). Bei den Mausen stand die mathematische Sicherung in Prozenten ausgedruckt zwischen 2 und 21; aber nur ein Wert liegt iiber l o % , alle iibrigen unter 8%. D a aber von 17 Tieren 8, also fast jede zweite, erheblich vom Zufallswert abweichende Kurvenverlaufe zeigten, diirfte auch hier mit einer v e r s c h i e d e n c n W e r t i g k e i t d e r H i r n m e l s r i c h t u n - g e n fur diese Nager zu rechnen sein.

Kurz, wir haben bei Ratten und Mausen s p o n t a n e R i c h t u n g s - t e n d e n z e n sowohl p o s i t i v e r wie n e g a t i v e r Art kennengelernt. Primardressuren auf eine vom Versuchsleiter gewahlte Himmelsrichtung ge- langen im Laboratorium sowie auf dem orts- und richtungsfesten Wagen, wahrend sie bei dauerndem Ortswechsel mifigluckten. Von 7 Mausen mit deutlicher Richtungsmeidung zeigten iiur zwei, beides N-Tiere, das paradoxe negative Dressurergebnis. Waren es 8 Mause gewesen, so hatte das genau dem Zufallsverhaltnis entsprochen, und so ergibt sich die mogliche Deutung, daR bei den zweien die spontan gemiedene Richtung mit der Dressurrichtung zusammenfiel. Hierzu paRt die weitere Tatsachc, daR die Mause, wenn uber- haupt, bevorzugt die N- und W-Richtung miedcn. Den S mied nur cine Ratte und undeutlich cine Maus, den 0 niemand.

Seltener war spontane Bevorzugung des N, 0 und S, die W-Richtung f eh 1 t bisl ang.

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halten wohl kaum auf Versuchsfehler beziehen.

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318 VOGELBERG und KRUGER

Insgesamt zeigten Richtungsabweichungen - Bevorzugen wie Meiden - von 19 Mausen neun, von 5 Ratten zwei, also fast die Halfte aller.

Das negative Ergebnis der Richtungsdressur bei wechselndem Standort zeigt jedoch einwandfrei, dafl die Tiere nicht imstande sind, ihre spontanen Richtungstendenzen der Dressuranordnung unterzuordnen. Nur e i n e Ratte und e i n e Maus brachten es vielleicht fertig, aber nur nach sehr langer Ver- suchsdauer, indem sie eine bis dahin gemiedene Richtung bevorzugten, d. h. i n s e k u n d a r e r P o s i t i v d r e s s u r .

Hierin liegt der Unterschied gegenuber den Laboratoriumsversuchen, bei denen die positive Richtungsorientierung sehr schnell und zu einem hohen Prozentsatz - uber 30% - erlernt wurde. Bislang ist es in unseren Ver- suchen noch keinem Tier moglich gewesen, die am festen O r t erlernte Rich- tungsdressur auf andere Orte zu ubertragen. Die Tiere versagten zum Teil schon, wenn der Versuchswagen am gleichen Platz gedreht wurde. A11 dieses spricht mit grofier Wahrscheinlichkeit dafur, dafi wir es bei den R i c h - t u n g s d r e s s u r e n mit g r u n d s a t z 1 i c h E r s c h e i - n u n g e n zu tun haben a l s bei den R i c h t u n g s t e n d e n z e n und d a i 3 a l l e R i c h t u n g s d r e s s u r e n a m f e s t e n O r t n a c h o r t - 1 i c h e n M a r k e n ausgerichtet sind. Dagegen zeigten sich die s p o n - t a n e n R i c h t u n g s t e n d e n z e n als u n a b h a n g i g v o m D r e s - s u r o r t , wurden auch bei starkstem Ortswechsel - zum Teil uber mehrere hundert Kilometer - unverandert beibehalten und scheinen auch durch Dressur- pausen nicht beeinflufit zu werden. Wenn die Maus W V (S. 3 0 3 ) bei einer einzelnen Versetzung die Dressurrichtung ohne Unterbrechung als Vorzugs- richtung beibehielt, so steht das im gewissen Widerspruch zu den Erfahrungen auf dem Wagen, laflt sich vielleicht aber so deuten, dafi in diesem Fall die Dressurrichtung mit einer spontanen Richtungstendenz zusammenfiel. Auch andere Mause zeigten bei dieser Versetzung - andeutungsweise wenigstens - die Unabhangigkeit spontaner Richtungstendenzen von ortlichen Faktoren.

Da zwei Mause ( S . 314) sich nach Merkmalen auf dem Wagen richteten, so pruften wir, ob allgemein die Richtung, in der der Wagen stand, die Lauf- richtung beeinflidt haben mag, indem wir zu jedem Winkel der Wagenstellung als Abszisse die Prozentkurve samtlicher Richtungswahlen bei dieser Stellung als Ordinate auftrugen (Abb. 42). Das vollig regellose Durcheinander der vier Kurven schliet3t einen derartigen Zusammenhang mit Sicherheit aus.

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Versuche iiber die Richtungsorientierung bei w d e n Mausen und Ratten 319

Endlich sei erortert, ob unsere Ergebnisse etwas zur Frage der z. B. durch JAKOB v. UEXKULL und andere vertretenen ,,Hausturtendenz", also eine Wahrnehmung der Richtung zur ,,Heimat", beitragen konnen. Als solche konnte das Zoologische Institut Mihster gelten, in dem alle Versuchstiere sich aufhielten, solange sie nicht reisten. Abb. 43 gibt in Form eines Balken- diagrammes an, wie oft die Versuchstiere an Orten in allen acht Richtungen

\ - - '. Abb. 43, Abhingigkeit dcr Laufrichtung von der Lagc des Drcssorortes zum Zoologischen Institut. In der

Windrosc die Laufzahl j e Scktor

vom Institut den N-, S-, W- oder 0-Gang wahlten. Die Abweichungen vom Zufallswert sind unsystematisch und samtlich statistisch unerheblich. Die An- zahl der Laufe in den einzelnen Sektoren ist sehr unterschiedlich, da wir einzelne Fahrtrichtungen wegen ungunstiger Wegeverhaltnisse nur selten ein- schlugen.

Den vorliegenden Versucheii zufolge ist es nicht moglich, weifie Mause und Ratten unter Anwendung von Futterreizen, unabhangig von ortlichen Marken, auf eine bestimmte Himmelsrichtung zu dressieren. Dagegen bevor- zugten nicht wenige Tiere zeitweise spontan eine bestimmte Richtung bzw. mieden cine andere. Diese Spontantendenzen erwiesen sich unabhangig von allen ortlichen Oricntierungsschlusseln und somit auch unabhangig vom Dressurort. Bevor nicht wciterc Untersuchungen mit entsprechend angepafiter Methodik vorliegen, die zu statistisch besser gesicherten Ergebnissen fuhren,

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320 VOCELBERC und KRUCER

sei die Erorterung der sich an diese Tatbestande anschlieflenden Fragen ver- schoben.

D. Zusammenfassung 1. Geblendete weifle Mause wurden zunachst im Laboratorium auf eine be-

stimmte KompaBrichtung dressiert, indem sie in einem kreuzformigen Gangsystem nur in dieser Richtung ihr Futter erhielten. In anderen Rich- tungen wurden sie durch elektrische Stromschlage gestraft. Keiner der vier Gange bot ihnen einen Anhaltspunkt, den sie durch bekannte Sinnes- empfindungen wahrnehmen konnten.

2. Von 18 Mausen lernten sechs, die Dressurrichtung eindeutig zu bevor- zugen.

3. In einer weiteren Versuchsserie versuchten wir, durch standigen Wechsel zwischen drei Versuchsorten moglichst viele aui3erhalb der Apparatur liegende erkennbare Faktoren auszuschalten. Die Tiere zeigten an dem dritten Versuchsort, an dem sie nicht mit Strafreizen dressiert wurden, die gleiche Richtungsbevorzugung wie an den zwei anderen Stellen.

4. U m eindeutig alle ortlichen Orientierungsmarken auszuschlieflen, stellten wir die Apparatur zum Zweck leichter Ortsveranderlichkeit auf einen Kraftwagen, der bei jeder Dressur an immer neuen, unbekannten Punkten stand, zum Teil mit Entfernungen von 100 km und mehr.

5. Zwei Mause, die auf dem am festen Ort , in unveranderter Richtung auf- gestellten Wagen einen deutlichen Dressurerfolg zeigten, versagten, wenn der Wagen in eine andere Himmelsrichtung gedreht wurde, indem sie der Richtung des Wagens folgten. Sie waren also auf Marken auf dem Wagen dressiert.

6 . Andere Mause, die auch bei wechselnder Richtung des Wagens an festem O r t ihre Dressurrichtung erkannten, verloren ihre Orientierung, wenn der Wagen den gewohnten Platz verliei3. Sie waren offensichtlich auf ortliche Marken aui3erhalb des Wagens eingestellt.

7. Bei Versuchen mit stets wechselndem Dressurort bevorzugen bzw. meiden unter den angewandten Versuchsbedingungen etwa die Half te der Tiere spontan bestimmte Richtungen, die primar keine Beziehung zur Dressur- richtung zu haben scheinen. Die Abweichung von der theoretischen An- laufserwartung einzelner Richtungen uberschritt bei einer Ratte nach der x2-Methode die dreifache Fehlergrenze, bei einer anderen Ratte lag der Wert fur ZZ sehr nahe der statistischen Sicherung. Prinzipiell die gleichen Erscheinungen, wenn auch statistisch nicht in dem Umfang gesichert, wurden auch bei den Mausen beobachtet.

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Im Arischlu(i an CHANCES (dicsc Zcitschr. 7, 1950, s. 143) Bcfundc all tnit 10 m d k g Amphetaminsulfat injizicrten Mauscn crinnern die Verff. an iihnliche Vcrlialtcnsabwcichungen auf andcre Rcizc hin, z. B. bci Einfuhrcn cincr frcmdcn Maus in cine gcschlossene Mause- gescllschaft. Manche dcr von CHANCE als abnorm bchandcltcn Verhaltcnsweiscn gehoren dcm normalcn Aktionskatalog an. - Bei den Bcnzcdrin-Mauscn fandcn die Verff. ubcr- cinstimmcnd niit CHANCE das Hinterbcinstrcckcn, Pupillenerwcitcrung, Pelzstriubcn, der Wand cntlang rciincn u. a. m. Sic bcobachtctcn weiterhin 10 bis 30 Minuren Untatigkeit, Eiiizichcn der Hodcn, stciles Aufrichten dcs Schwanzes, Korpcrzirtcrn, Ruckwiirtsbewcgung, Koordinationsstijrungcn, Nascputzcn mit dcn Vordcrbcincn, Kopfrotationen. Obwohl das soziale Vcrhaltcn gestort war , so konntcn laufcndc Miiusc cinander d o h ausweichcn. Auch dic mit physiologischcr Kochsalzlosung Injizicrren strfubten dic Haare, kiimpftcn und zittcrtcn niit den Schwiinzen; nie jcdoch zcigtcn sie die anfiingliche Untatigkcit, wohl abcr allc sozialcn Handlungen, dic die Bcnzcdrinticrc vcrmisscn IicRcn, wic auch den Schlaf. Daucrlauf fchltc den Salzticrcn, sic aRcn und trankcn. Bcide injizierten Vcrsuchsgruppcn warcn aktivcr als nornialc isolicrtc Mfusc. - So geht es zu wcit, wcnn CHANCE durch Bcnzedringabcn iicue Fornicn sozialcn Vcrhaltcns hcrvorgerufen haben will. Rein physio- locischc Wirkungcn hinderten diesc Miiusc an gcwisscn normalcn Tiitigkcitcn wic Schnuffeln, Stobcrn, Erkuntlcn usw., und nur dcshalb s c h i c n cs so, als micdcn dic Miiusc cinander. 0. Ko!:Ht.v:R-Freiburg Br.

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wciseii klassifizicrtc, vcrsucht V c r f . dicsc von ciner ganz andcrcn Ebcnc her anzugchcn, indeni cr von LOTKAS (1925) ,,kineniatischcn Prinzipien" ausgcht und sich dcr Mcthodcn dcr ,,Mcldctcchnik" (communication cnginccriiig) bedicnt, die die Lcistungsmoglichkciten beliebiger Systcinc nach tlcr Anzahl ihrer Parameter usw. mathcmatisch bcrcchnct. - In1 lebcnden Organismus ais offcncm Systcm ist dcr Enrropicsatz nur schcinbar auBcr Kraft: das Ticr nimmt cncrgicreichc Nahrung auf und schcidct energiciirmcre Soffc aus (vgl. BUN- NING, dicsc 2 . 7, 1950, 30218). Organismen sind im Sinnc dcr Mcldcrcchnik komplcxc Systcinc, bci dcncn nian cine ,,apriorischc" Srruktur bzw. Ordnung und cinen ,,aposteriori- schcn" nietrischcn Aspckt untcrschcidcn kann. ,,logon" heifit die Einheit strukturellcr, ,,mctron" die Einhcit metrischcr Information, die die Wahrschcinlichkcit jcdcs logon defi- nicrt. I n jcdcr biologischcn Entwicklung wird die Organisation immcr komplcxer, immcr gcordnctcr, was jcdoch nicht dassclbc ist. Dcr Ordnungsgrad (negative Entropic) kann zunchnien ohnc Srcigcrung dcr Koniplcxitiit (Anzahl dcr zur Bcschrcibung notigcn Para-