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Versuche zur Narkose der Leberfunktionen. I. Der Einflull yon =Narkotieumliisungen auf den Zuekerstoffweehsel der iiberlebenden Frosehleber. Von Artur Linksz, eand. reed. (Aus dem Physiologischen Institut der Universit/~t Kiel.) (Eingegangen am 1. Mai 1924.) Vereinzelte Daten fiber die Wirkung yon Narkotieuml6sungen au~ den Kohlenhydrat-Stoffweehsel der Leber finder man bei versehiedenert Autoren. Lesser und Zip/1) waren die ersten, die -- zwar auf Grund einer ganz anderen, yon uns auf seine Riehtigkeit jetzt nicht zu prfifenden Fragestellung -- die Zuekerausseheidung beim DurehstrSmen der Froseh- leber mit einer Reihe yon homologenAlkoholen systematisch untersuehten. Unter ihren Vorg~ngern waren es aber aueh nur Schdndor// und Vic- torow~), die zur Erkl~rung ihrer kaum sehr beweiskr~ftigen Versuehe yon einer ,,reversiblen L~hmung des diastatisehen Ferments" in ihren in 2 Volum 94proz. Alkohol (Glykogenfgllung?) zerriebenen Lebern, also offenbar yon einer Narkose spraehen. Bang 3) und Lesser und Zip/ wghlten schon Konzentrationen, die naeh Angaben yon Overton, resp. Warburg auf andere Zellarten nicht seh~digend wirkten, daehten also offenbar die physiologisehe Struktur und Funktion der Leber bei ihren langdauernden Versuehen nieht geseh~digt zu haben. DaB dem -- wie wir welter sehen werden -- nieht so war, ist ffir ihre Zwecke und die Gfiltigkeit der rein physikMisehen Erklarung ihrer Versuehsresultate aueh ohne Belang; auf das Problem ,,Narkose", insbesondere die Rever- sibiliti~t der yon ihnen beobachteten Erscheinungen gingen sie nicht ein. Das Problem: Gibt es eine Narkose, eine reversible Hembsetzung einer der zahlreiehen Funktionen der lebendigen Leber ?--- wurde noch iiberhaupt nieht aufgeworfen, insbesondere aber aueh die auf Grund der heutigen Ansehauungen fiber den Mechanismus der Narkose sehr nahe]iegende Frage naeh der J~nderung der Permeabilit~t der Leber- zellen auf Einwirkung yon Narkotiea nicht gestellt. 1) Lesser und Zip/, Bioehem. Zeitsehr. 14tl, 439. 1923. ~-) Schb'ndor// und Victorow, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1116,495. 1907. a) Bang, Biochem. Zeitschr. 49, 81. 1913 (s. besonders S. 115).

Versuche zur Narkose der Leberfunktionen

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Page 1: Versuche zur Narkose der Leberfunktionen

Versuche zur Narkose der Leberfunktionen.

I. Der Einflull yon =Narkotieumliisungen auf den Zuekerstoffweehsel der iiberlebenden Frosehleber.

Von Artur Linksz, eand. reed.

(Aus dem Physiologischen Institut der Universit/~t Kiel.)

(Eingegangen am 1. Mai 1924.)

Vereinzelte Daten fiber die Wirkung yon Narkotieuml6sungen au~ den Kohlenhydrat-Stoffweehsel der Leber finder man bei versehiedenert Autoren. Lesser und Zip/1) waren die ersten, die -- zwar auf Grund einer ganz anderen, yon uns auf seine Riehtigkeit jetzt nicht zu prfifenden Fragestellung -- die Zuekerausseheidung beim DurehstrSmen der Froseh- leber mit einer Reihe yon homologenAlkoholen systematisch untersuehten. Unter ihren Vorg~ngern waren es aber aueh nur Schdndor// und Vic- torow~), die zur Erkl~rung ihrer kaum sehr beweiskr~ftigen Versuehe yon einer ,,reversiblen L~hmung des diastatisehen Ferments" in ihren in 2 Volum 94proz. Alkohol (Glykogenfgllung?) zerriebenen Lebern, also offenbar yon einer Narkose spraehen. Bang 3) und Lesser und Zip/ wghlten schon Konzentrationen, die naeh Angaben yon Overton, resp. Warburg auf andere Zellarten nicht seh~digend wirkten, daehten also offenbar die physiologisehe Struktur und Funktion der Leber bei ihren langdauernden Versuehen nieht geseh~digt zu haben. DaB dem -- wie wir welter sehen werden -- nieht so war, ist ffir ihre Zwecke und die Gfiltigkeit der rein physikMisehen Erklarung ihrer Versuehsresultate aueh ohne Belang; auf das Problem ,,Narkose", insbesondere die Rever- sibiliti~t der yon ihnen beobachteten Erscheinungen gingen sie nicht ein.

Das Problem: Gibt es eine Narkose, eine reversible Hembsetzung einer der zahlreiehen Funktionen der lebendigen Leber ?--- wurde noch iiberhaupt nieht aufgeworfen, insbesondere aber aueh die auf Grund der heutigen Ansehauungen fiber den Mechanismus der Narkose sehr nahe]iegende Frage naeh der J~nderung der Permeabilit~t der Leber- zellen auf Einwirkung yon Narkotiea nicht gestellt.

1) Lesser und Zip/, Bioehem. Zeitsehr. 14tl, 439. 1923. ~-) Schb'ndor// und Victorow, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1116, 495. 1907. a) Bang, Biochem. Zeitschr. 49, 81. 1913 (s. besonders S. 115).

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Folgende Untersuehungen - - die ich auf Veranlassung und unter Ftihrung yon I Ier rn Prof. Hdber ausfiihrte - - gelten nur der ersten, allgemeinen Frage, eigentlich sogar nur einem kleinen Teile dieser: der Frage nach der Narkose der Zuckerbildungsfunktion der Leber; fiber die zweite k6nnen h6chstens Vermutungen gei~uftert werden. Eine endgiiltige Stellungsnahme zu ihr ist heute sehon deshalb unmSglieh, weil fiber die physiologische Permeabilit~t der Leber such so gut wie gar- nichts bekannt ist und ohne richtige Kenntnis dieser aueh fiber ihre -~nderungen nichts Endgfiltiges ausgesagt werden kann. Diesbezfigliche Versuehe haben wir der vorgesehrittenen Jahreszeit halber abgebroehen, sie k6nnen erst im Herbst welter ausgeffihrt werden. Auch fiber eine eventuelle narkotisehe Beeinflussung der Glykogenbi]dungsfunktion der Leber wird dann noeh weiteres zu ssgen sein.

Betraehten wir nun die in der Literatur fiber Narkoticumwirkung auf die Zuckerproduktion der Leber auffindbaren Angaben vom Stand- punkt der Narkose, so ist aufter einigen Daten yon ~'rdhlich und Pollalc 1) niehts Verwendbares anzutreffen.

Frdhlich und Pollak, die ersten, die die Zuckerproduktion der heraus- gesehnittenen, iiberlebenden [s. dazu such Bang'2)] Froschleber bei Durch- strSmung mit verschiedenen LSsungen untersuchten und yon denen die such yon uns verwendete Durehstr6mungsmethode s tammt, teilen - - freilich such ganz ohne Bezug auf dss Problem ,,Narkose" -- einige uns sehr interessierende Versuchsresultate mit. Sie fanden, daft die Zuekerausschwemmung auf Adrenalin dutch kleine Atherkonzentra- tionen (0,5%) schwaeh gehemmt wird, w~hrend h6here Konzentrat ionen (2%) selber zuckertreibend wirken, daft eine 1 proz. UrethanlSsung die Adrenalinwirkung vollkommen hemmt, Morphium sie ,,nicht aufhebt" (ob sic gehemmt wird, wurde quantitativ nicht untersueht), Papsver in eine merk]iche Abschw~chung derse]ben bedingt, und dab die zucker- treibende Wirkung der hohen J~therkonzentrstion durch Ergotoxin nicht gehemmt werden kann.

Schauen wir aber die Versuehsprotokolle n~her an, so finden wir noeh eine, ffir uns h6ehst wichtige, den Autoren scheinbar nicht aufgefallene Angabe (Versueh 20, S. 280):

A. l~inger . . . . . . Zucker 0,7 mg B . R . -t- 1 proz. Urethan Zucker 0 mg.

Eine 1 proz. Urethanl6sung hat also die bei Ringer-DurehstrSmung vor- handene Zuekerausscheidung gehemmt. Bei den anderen Versuehen mit Narkoticum l~ftt sieh eine solehe Wirkung nieht naehweisen. Z .B . Versueh 18, S. 279.

A. Ringer Zucker 0 mg B .R . -~ 0,5 proz. Ather Zucker 0 rag.

2) Fr6hlich und Pollak, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. "/~', 265. 1914. 2) Bang, Biochem. Zeitschr. 49, 40. 1913 (s. S. 47).

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Es hat aber sehon Lesser 1) auf einen Fehler der Versuchsanordnung yon Frdhlich und Pollak hingewiesen. Ihre Durchstr6mungsperioden sind viel zu kurz (5 Minuten). Die in dieser Zeit bei Durehstr6mung mit Ringer ausgeschwemmte Zuekermenge ist zu klein und nur ganz selten naehweisbar; Lesser land aber, dag die Leber selbst bei stundenlanger DurehstrSmung mit Ringer dauernd Zueker ausscheidet. Dieser Angabe yon Frdhlich und Pollalc k~me aber, selbst wenn sie keine vereinzelte w~re, keine entscheidende Bedeutung zu; die Reversibilit~t dieser Er- scheinung mfigte dazu auch untersucht worden sein. Durch den Nachweis der Reversibilit~t der Hemmungswirkung auf Adrenalin wurde allerdings aueh diese sehr wahrseheinlich gemaeht.

Die Diskussion ihrer Resultate haben Frdhlich und Polla]c sehr kurz gehalten. Der Ergotoxinversueh bewiese, dab die zuekertreibende Wir- kung des J~thers nieht fiber den Sympathicus geht; sie denken an einen ,,nekrobiotischen (autolytisehen) Prozeg". l~ber den Meehanismus der Hemmung der Adrenalinwirkung wird niehts ausgesagt.

Aueh Lesser und Zip/ bedienten sich der Versuchsanordnung yon Frdhlich und Pollalc. Trotzdem, dag ihre Resultate - - wie schon oben erw~hnt -- auf das Problem ,,Narkose" eigentlich keinen Bezug haben, mug der Versuchsanordnung halber ihrer gedaeht werden. Sie benfitzten eine etwas hypertonisehe NaC1-L6sung, weleher in der yon Warburg ~) ffir 50proz. Atmungshemmung der G~nseblutk6rperchen angegebenen, also aller Wahrseheinlichkeit nach auch ffir die Leber narkotisehen Kon- zentr~tion verschiedene einwertige Alkohole beigesetzt waren, und erhielten eine m~ehtige, in der 2. Stunde der Durchstr6mung sogar noch etwas zunehmende Steigerung der Zuekerproduktion; ein naeh allen Erfahrungen fiber Narkose gewig ~ul~erst seltsames Resultat. Bei Betrachtung der Versuchsanordnung wird es aber sofort Mar, dug yon einer Narkose bei ihr nieht unbedingt die Rede sein muD; dag Lesser und Zip/ dies aueh nicht untersuchten, wurde schon oben erw~hnt. Sie wo]lten fiir die yon Lesser ~) in einer Reihe yon Arbeiten vertretene Ansicht yon der r~umliehen Trennung yon Glykogen und Diastase einen neuen Beweis erbringen und durehstr6mten zu diesem Zwecke mit L6sungen, die - - wie unsere Versuche ergaben -- ffir die Frosehleber stark giftig sind, so dal~ sie bei kurzer Einwirkungsdauer zwar noch eine reversible Narkose erzeugen k6nnen, bei der yon Lesser und Zip[ gew~hl- ten langen Durchstr6mungsperiode (60 Minuten) aber eine irreparable Sch~digung der Leberzellen bewirkten.

304.

1) Lesser, Biochem. Zeir 102, 294. 1920. ~") O. Warburg, Biochem. Zeitschr. 119, 134. 1921. a) Kerner und Lesser, Biochem. Zeitschr. 102, 284. 1920; Lesser, ebenda 102,

1920; Lesser, ebenda 119, 108. 1921.

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Bemerkungen zur Methodik. :Die wichtigste Neuerung ffir ein exaktes Experiment fiber die Narkose der

Zuckerproduktion der Leber ergibt sich naeh obigem yon selbst. Wit w~hlten eine DurehstrSmungsperiode yon mittlerer L~nge und prfiften immer die Rever- sibilit/~ der Narkotieumwirkung. Als DurehstrSmungsflfissigkeit benutzten wir die yon Barkan, Broemser und Hahn 1) angegebene, die wit der Kfirze halber des weiteren als ,,Ringer" bezeichnen werden. Als Ausgangspunkt f i l r die zu w~h- lenden •arkotieumkonzentrationen dienten aueh uns die Angaben yon Warburg. Ffir die Leber sind -- wie es sieh zeigte - - diese Konzentrationen gut anwendbar, doch nieht alle gleich giftig.

Dauer der Durchs~rSmungsperioden, Druek und Menge der durchgeflossenen Fliissigkeit weehselten wir einige Male. Unsere ]etzte Anordnung, mSgliehst viel Fliissigkeit in m~glichst kurzen (abet nicht allzu kurzen!) Perioden durch die Leber zu sehieken, sehien die beste zu sein. Die Kfirze der Perioden war bei dem ~ul~erst sehnell giftig wirkenden Propylalkohol besonders wichtig. Die grSl~eren Flfissigkeitsmengen haben die ausgesehiedenen absoluten Zuckermengen vermehrt, die Ausschl~ge deutlieher gemaeht, eine Erseheinung, wie sie sehon Lesser 2) beob- achtet hat (s. dazu auch Geiger und Loewi3).

Wir verwendeten ausschlie~lich Rana temporaria. Da zu einem Versuehe nur 1 Froseh nStig war, es aul]erdem nur auf die relativen Zuekermengen ankara, so kamen versehiedene Gr0Be und Fangzeit der einzelnen FrSsehe ffir uns nicht in Betraeht. Diese wie aueh die Jahreszeit maehten sich aber an den absoluten Zuckermengen selbstverst~ndlich bemerkb~r.

Die Zuckerbestimmung erfolgte naeh der Methode yon Bertrand, mit einigen Ab/~nderungen naeh Angaben yon Moeckel und Frank% Auch wurde eine groBe Anzahl yon Kontrollbestimmungen ausgeffihrt. In der LSsung yon Barkan, Broemser und Hahn und ihren Kombinagonen mit Adrenalin, Phenylurethan, Phenylharnstoff, Acetophenon war eine quantitative Zuckerbestimmung m5glich; nicht aber in der mit Propylalkohol, aus weleher, zur ErmSglichung des quanti- ta t iven Arbeitens, der Propylalkohol erst durch Eindampfen entfernt werden mul3te, und in der mit Heptylalkohol, wobei der hohe Siedepunkt dieses Alkohols aueh ein Eindampfen illusorisch machte. Einige Versuehe mit Heptylalkohol, die also nieht ganz exakt waren, ergaben aber ein -- wie es doch abzusch/~tzen ist -- yon den Ergebnissen mit anderen NarkotieumlSsungen nieht abweiehendes Resultat.

Es ist gewil3 nicht unnfitz, aueh fiber die LSsliehkeit der verwendeten Sub- stanzen etwas zu s~gen. Phenylurethan 15sten wir am Wasserbad in mSglichst viel Wasser; es konnte sogar das Doppe]te der Warburgschen Konzentration ge]Sst werden. Zur abgekfihlten LSsung wurden dann die yon Barkan, Broemser und Hahn angegebenen StammlSsungen hinzugesetzt. Phenylharnstoff konnte nur in der Warburgschen Konzentration verwendet werden, die doppelte fiel bei der Abkfihlung wieder aus. Die m5gliche ttSehstkonzentration her~uszufinden, hatte ffir uns keine Wichtigkeit. Bei der Zubereitung der PropylalkohollSsung war ganz besondere Vorsieht nStig. Sehr leieht entstand eine Triibung, aueh das Aus- ~allen eines Carbonat- und Phosphatniedersehlages wurde sehr begiinstigt. HeptyL alkohol 15sten wir erst in einigen Kubikzentimetern Alkohol. Als einziges yon Warburg nieht angegebenes Narkoticum verwendeten wir Acetophenon; als Aus-

1) Barkan, Broemser und Hahn, Zeitschr. ~. Biol. 74, 1. 1922. 3) Lesser, Biochem. Zeitsehr. 102, 294. 1920. 3) Geiger und Loewi, Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 198, 633. 1923. ~) Moeckel und Frank, Zeitschr. f. physiol. Chemie 65, 323. 1910.

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gangspunkt ffir die Wahl einer passenden Konzentration dienten die Angaben yon Joelt) tiber Permeabilitgts~nderung roger Rinderblutk6rperchen.

Den zu analysierenden L6sungen warde immer 10 mg Traubenzucker zu- gesetzt.

Versuehsergebnisse.

Eine groBe Anzahi yon Versuehen, yon denen bier nur einige ange- fiihrt werden sollen, ergab

1. gaff eine I~urzgauernde Durchstrdmung ger Froschleber mit Narl~o- tieum-Ringerl5sungen yon passenger Konzentration eine reversible Hem- mung der ,,spontanen" Zuckerausscheidung bewirlct (Tab. I);

2. daft dieselben Konzentrationen die Zuckerausschwemmung au/ Adrenalin hemmen oder u, enigstens deutlich tterabsetzen (Tab. II) , und

3. gaff hdhere Konzentrationen, aber auch die ,,narkotisehen" bei lgngerer Einwirl~ungsgauer eine irreparable Schggigung der Leber ver- ursachen, die rich in einer irreversibZen Steigerung get Zudcerproguktion mani/estiert (Tab. I I I ) .

Versuehe mit HeptylaIkohol ergaben eine I teminung der , ,spontanen" Zuekerauseheidung und eine bedeutende Herabsetzung der Zuckeraus- sehwemInung auf Adrenalin.

Versuehe mit Acetophenon in einer Konzentrat ion yon 0,05% und 0,025% ergaben eine Steigerung der Zuckerproduktion, die durehge- flossene Fliissigkeit war milehig triib (Glykogenaussehweininnng?); diese Konzentrationen sind also zu hoeh. Konzentrationen yon 0,005% und 0,0i % waren indifferent; sie sind also entweder sehon zu klein oder ein eventuell m6gliehes Mittel zwisehen heminender und f6rdernder Konzentration. Die Frage wurde welter night verfolgt. Anch Versuche Init Adrenalin wurden nieht ansgefiihrt.

Bemerkungen.

A. Die Ergebnisse der drit ten Versuchsreihe (Tab. I I I . ) haben fiir das Problem der Narkose der Leberfunktionen eigentlieh kein besonderes Interesse. Das Narkotieuin kann in die gesch~digten Zellen eingedrungen sein, um dann dutch irgendeine rein physikalisehe Wirkung, etwa im Sinne yon Bang oder yon Lesser und Zip/ die verst~rkte Glykogenhydrolyse zu bewirken.

Es mug auf diese Vorstellungen doch kurz eingeg~ngen werden. Nach der yon Bang 2) werden bei Esculenta durch das Narkoticum ,,Hemmungs-

k6rper" lipoider Art herausgelSst, bzw. gebunden, aueh wird das Hineindiffundieren yon ,,fermentaktivierendem" Koehsalz, welches die Leberzelle gew6hnlieh night in optimaler Konzentration enthielte, begfinstigt. Gegen diese Auffassung ist

t) Joel, Pfltigers Arch. f. d. ges. Physiol. 161, 5. 1915. 3) Bang, Biochem. Zeitschr. 49, 40. 1913; ebenda 49, 8I. 1913.

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von vornherein nichts einzuwenden. Es muB nur noehmals betont wmden, dal~ ( t rotzdem Bang das Gegenteil ausdrficklieh hervorhebt) die Zellen bei seinen s tundenlang dauernden Versuchen nicht mehr lebendig waren, die yon ihm beob- aehte ten und als reversibel angenommenen Erscheinungen also nicht durch Narkose der Leber hervorgebracht warden. Die Narkose der Leber manifest iert sieh -- wie unsere Versuche zeigten -- durch eben entgegengesetzte Erseheinungen. Auf Grund dieser Vorstellungen n immt Bang welter an, da$ der Mechanismus der Adi'enalinwirkung bei Esculenta in einer reversiblen Bindung, bzw. Aussehaltung der lipoiden Hemmungsk6rper besteht . Der physiologische Regulationsmechanismus

Tabelle I.

Versuche mit Phenylurethan, Phenylharnsto//, Propylalkohol (und Heptylalkohol) in der Konzentration yon Warburg.

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Page 9: Versuche zur Narkose der Leberfunktionen

580 A. Linksz:

Tabelle [ I I . a) Langer Versueh mit Propylalkohol (Wiederhotung eines Versuches yon Lesser und

Zip/ mit verdnderter Methodik).

Oa umun0Ll O uor der

Zahl des [IPeriode Periode Versuches ~ Min.

22. IIL 24

42

Durchs t rSmungsf l i i s s igke i t

I II III IV V VI VIf VIII IX X

Duchge- flossene Menge

r

20 l0 10

Ringer

Ringer § 50/0 Propylalkohol

I

46 44,5 47,5 10 ~

10 ,, 10 ,, 10 ,, 10 10 10

+ 5% ,, + 5% ,, + 5% ,, + 5% ,, + 50/0 ,,

Ringer

43 42,5 42

! 4 8 , 5 [

46,5 i

cm

12

V90

m g

Anmerkungen

- - z. Blutfreisptllen 2,6 ]~2 | Narkotische t,8 ( 2:0 / Ver~tnderung

2~9

3,0 Irreversible 3,0 "Steigerung

3,3

b) Versuche mit Phenylurethan in gesteigerter Konzentration.

D a t u m und Daue r Durchge- ~ ~ Zahl des IIPeri~ der flossene ~ Period e DurchstrSmungsfliissigkeit Menge ~ ~ ~ Anmerkungen Versuchs Min. ecru cm mg

12. XII. 23 I I I

1 HI

l 7. XII. 23 I 3 If

I I I IV V

20 30 30

20 20

20 20 20

Ringer - - " I 46

Ringer + 0:1~ Phenylure~han 1) 35

r i

Ringer

" I 48

Ringer + 0,1~oPhenylurethanl)l 42,5 Ringer 47~5

. ~ 41~5 f

6

0,9 3,5

6

zum Bluffreisptilen

Starkes 0dem ; k~tsi~ Aussehen; Pr~paratw nndieht; naeh Absch] des Versuchs mikros] pisch untersueht: Z len ganz verschwom~

- - wie oben Per. I

0,6 ,.(Symptome wie ob~ 3,0 mikroskopiseh nict 3:8 ~untersucht; irreversi 2~4 r( Steigerung

der Zuckerbildung ~) w~re also eben das Vorhandensein yon HemmungskSrperu und yon ungeni~genden Kochsalzmengen.

DaB Schltisse yon nicht mehr physiologlschen Verhfiltnissen auf physiologische nicht unbeding~ binden4 sein miissen, leuchtet aber sofort ein; die Wahrschein-

1) Dieselbe Konzentration bewirkte beim Froschgastrocnemius eine starke, aber auch nach 2 Stunden reversible Erh6hung der Reizschwelle.

2) So nennen wir jenen unbek~nnten, aber offenbar regulatorischen Mech~- nismus, welcher es bewirkt, da~, trotz des Vorhandenseins yon Glykogen und Ferment, ersteres nur in dem Ma3e, als es fiir den Organismus notwendig ist, abgebaut wird.

Page 10: Versuche zur Narkose der Leberfunktionen

Versuche zur Narkose der Lebeffunktionen. 581

lichkeit, dab der physiologische gegulationsmeehanismus der Zuekerproduktion wirktieh der naeh Bang ist, ist also gewiB nieht groB.

Dazu kommt noch, dab dieser Mechanismus und auch der der Adrenalin- wirkung bei Fusca ein ganz anderer sein soll, als bei Esculenta -- eine jedenfalls nu t mit gewissem Widerstreben annehmbare Vorstellung. Eine Steigerung der Zuekerproduktion dureh Alkohol und Koehsalz Iand Bang bei Fusca nur aus- nahmsweise. Die Fusealeber bes~Be also keinen grogen Vorrat an Diastase, und Koehsalz enthielte sie in gentigender Menge. Eine durch tIinzugabe yon sekun- d~rem Phosphat bedingte Herabsetzung der It-Ionenkonzentration (evtl. durch Bindung der entstehenden Milchs~ure) bewirkte hingegen eine Steigerung der Zuckerproduktion. Aueh die Adrenalinwirkung besttinde bei Fusea in dor Sehaffung einer optimalen H-Ionenkonzentration. Nun hat aber Bang tiber die Reaktion seiner L6sungen keine zahlenm~Bigen Angaben gemaeht, und Versuehe yon Lesser ~) ergaben, 1. dab die optimale t t-Ionenkonzentration etwas hSher ist als die normale, 2. dab die dureh IIerstellung dieses Optimums nnd die durch Adrenalin bewirkte Steigerung quanti tat iv und dem Verlaufe nach, also prinzipiell ver- sehieden sind.

Naeh Mledem bleibt es also nieht sehr wahrseheinlieh, dab der Meehanismus der Adrenalinwirkung, der physiologisehen Zuekerregulation oder - - wovon jetzt eigentlieh die Rede .ist - - der Alkoholwirkung auf die geschiidigte Leberzelle der- jenige yon Bang sei.

Ganz anders ist es um die Vorstellungen yon Lesser und Zip/g) bestellt. Die Ho[meistersche Lehre yon der ehemischen Organisation der Zelle 3) maeht

die Auffassung Lessers yon der r~umliehen Trennung yon Glykogen und Diastase yon vornherein sehr wahrseheinlieh. Die Einw~nde H6bers 4) gegen die Mlzu schema- tisehe Vorstellung Ho/meisters gelten aber auch ffir sie. Nun geben Lesser und Zip[ auf Grund ihrer Alkoholversuche dieser Vorstellung einen etwas pr~ziseren Charakter. Die Diastase sei an Strukturoberfl/ichen adsorbiert und ihre Ein- wirkung auf das Glykogen dadureh gehemmt, bzw. reguliert. Alkohol wtirde Diastase yon der Oberfl~ehe verdr~ngen und so steigernd auf den Glykogenabbau wirken; Adrenalin solite dutch Erregung sympathiseher Nervenendigungen eine Verkleinerung dieser Oberfl~ehen bedingen, Diastase dadurch Irei machen; der physiologisehe gegulationsmeehanismus der Zuekerbildung w~re eben die Ober- fl~chenentwieklung und die Fermentadsorption.

Aueh Lesser und Zip[ daehten aber bei ihren Versuehen an ein Erhaltensein der physiologisehen Verh~tltnisse. Es mug kaum wiederholt werden, dab dem nieht so war. Aueh ihre Alkoholversuehe bewirkten keine Narkose, sondern ihr ent+ gegengesetzte Erscheinungen. Ob ihre Vorstellungen trotzdem mit unseren Ver- suehsresultaten in Einklang zu bringen sind, muB also noch weiter untersueht werden. Aueh bei der Frage naeh der Permeabilit~it der Leber werden sie noeh zu erw~hnen sein.

Die e in fachs t e A n n a h m e zu r D e u t u n g unse re r 3. Ver suchs re ihe i s t

a b e r w o h l die, daft die Nar]wtica die Strulctur der Zelle (dutch Herausl6sen der Lipoide usw.) geschdidigt haben. Es ist bekannt, daft Zerstdrung der Zellstru]ctur viele ]ermentative Prozesse begiinstigt, besonders solche auto- lytischer Natur. Es g i b t zwar a u c h R e a k t i o n e n ( A d s o r p t i o n s k a t a -

I) Lesser, Bioehem. Zeitsehr. 119, 108. 1921. 2) Lesser und Zip], 1. c. 3) S. dazu H6ber, Physikalisehe Chemie der Zelle, 5. Aufl., S. 817. 4) H6ber, l . e . S . 819.

Pflfigers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 204. 38

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582 A. Linksz:

lysen, z. B. die Zellatmung nach der Theorie yon Warburg), die durch StrukturzerstSrung gehemmt werden; zu diesen kann die Glykogen- hydrolyse abet nicht gehSren.

B. Erkl~rungsversuche der Ergebnisse der ersten zwei Versuehs- reihen (Tab. I u. II) habenim vornherein drei prinzipielle MSglichkeiten:

1. da[~ dureh diese Konzentrationen die sympathischen Nerven- endigungen der Leber gel~hmt wurden, so, dab a) die ,,spontane" Zucker- ausseheidung [welehe, wit der normale Zuckerspiegel unter einem dauernden sympathisehen Reiz stehen kannl)] dadurch gehemmt wurde, b) diese ]ahmende Wirkung sieh aueh gegenfiber Adrenalin behaupten konnte ;

2. daf~ das Narkotieum am noch unbekannten Angriffspunkt der sympathisehen lqervenendigungen, richtiger am noch unbekannten, aber sieher unter Sympathieuseinflul) stehenden physiologisehen Regu- lationsmeehanismus der Zuekerproduktion eine solehe (reversible) Xnderung hervorbrachte, dab nicht einmal der durch Adrenalin aufs st~rkste erregte Sympathicus seine zuckermobilisierende Wirkung ent- falten konnte, und

3. dab die Permeabilit~t der Leberzelle fiir Zucker aufgehoben oder wenigstens herabgesetzt wurde.

Ad 1. Die erste Annahme ist die einfaehste und bequemste; das Wesen dieser Narkosewirkung bliebe zwar ebenso unbekannt wie das einer Narkose der Nervensubstanz iiberhaupt, das Spezialproblem der Lebernarkose wgre aber einem groi~en Komplex angegliedert. Ein anderer Vorteil dieser Annahme ist, dab sie ffir den physiologischen Regu- lationsmeehanismus der Zuckerbfldung (den es unbedingt geben mul)) gar keine Postulate stellt; er kSnnte der yon Lesser und Zip/, eventuell der yon Bang oder noch ein anderer sein. Fiir sic scheint aueh jene bekannte Tatsaehe zu spreehen, dal~ Nervensubstanz ]eichter und schneller narkotisierbar ist als andere Gewebe. Aber aueh einige Versuehe sprechen fiir sie. Wir wiederholten n~mlich den Erdmannsehen Froseh- augenversuch, und zwar folgendermaften: das eine Auge wurde in eine Phenylurethan-, resp. Prophylalkohol-RingerlSsung (a), das andere (Kontrollauge) in Ringer (b) gesetzt; nach einer Stunde kam Auge (a) in Narkoticum-Adrenalin-RingerlSsung, das andere (b) in Adrenalin- Ringer. Bei 3 Versuchen yon 4 war die Pupillenerweiterung des narko- tisierten Auges kleiner; es muI~ also eine sich auch gegeniiber Adrenalin behauptende L~hmung der Sympathicusendigungen des Auges bestanden haben.

1) Lesser und Zip/ (Biochem. Zeitschr. 140, 612; 1923) fiihrten vor kurzem Versuche aus, welche sehr dafiir sprechen, dab die Zuckerbildung in der Kaninchen- leber unter einem dauernden sympathischen Reize steht. Wh" glauben, da~ da- durch dasselbe auch fiir die Froschleber sehr wuhrscheinllch gemacht wurde.

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Yersuche zur h~arkose der Leberfunktionen. 583

Man mu~ abet t rotzdem bedenken, daI3 bei dieser Erkl~rung der Wirkung fiber den Sympathicus yon ciner eigentlichen ,Narkose der Leber" gar nicht gesproehen werden kSnnte, was durch den Satz yon der Narkotisierbarkeit alles Lebendigen schon in vornhcrein unwahrschein- lieh gemacht wird. Ganz sicher ist jecienfalls, dab die Ergebnisse der dritten Versuchsreihe und der Versuche yon Bang und yon Lesser und Zip/ nur durch direkte Einwirkung auf die Leberzelle erkl~rt werden k5nnen; eine (irreversible) Sch~digung der Nervenendigungen kann bei diesen Versuchen nicht vorgelegen sein. Eine so leichte und sehnelle Sch~digung der Nervensubstanz wiirde 1. den bisherigen Daten fiber ihre Emp~indlichkeit widersprechen, 2. auch einem eigenen Versuchl). Wir konnten n~mlich zeigen, dab ein Nervmuskelpr~parat, welches zwei Stun- den in einer ffir die Leber nach kurzer ZeSt tStlichen PhenylurethanlSsung (0,1~o) gelegen ist, sich in l~inger wieder vollkommen erho]en konnte. Dieser Versuch ist freilieh insofern kein zwingender Beweis, als hier ein motorischer und kein Sympathicusnerv geprfift wurde. Die Empfindlieh- keit dieser zwei Arten yon Nerven wird abet keinesfalls so sehr verschieden sein.

Die Seh~digung bei unserer 3. Versuchsreihe hat also gewil~ die Leber- zellen betroffen. Leberzellen sind also seheinbar empfindlicher als Ner ven. Es wird dadurch wahrseheinlich, dal~ sic auch schneller und leichter narkotisierbar sind als Nerven, da~ also auch die narkotische~t Erscheinungen sich an den Leberzellen abspielten.

Ad 2. Betraehten wir nun die zweite Annahme etwas n~her, so zeigt es sich, dal~ innerhalb dieser zwei prinzipiell verschiedene MSglich- keiten bestehen. Es ist n~mlich denkbar, a) dal~ jener gesuchte physio- logisehe Regulationsmechanismus im Innern der Zelle gelegen und diese zugleieh ffir Zucker permeabel ist und die Narkose in der Hemmung dieses Mechanismus besteht; b) daI] die Leberzelle fiir Zucker gewShnlich imper- meabel und der gesuchte ,,~r eben nichts anderesist als das Per - meabelwerden der Zelle au~ Sympathieusreiz. Die Narkose w~re in diesem Falle eine Verminderung der Permeabilit~t im Sinne der ,,Permeabilit~ts- theorie" der Narkose.

Es wurde schon anfangs erw~hnt, dal3 unsere Kenntnisse fiber die Permeabilit~t keines~alls so welt vorgeschritten sind, hierfiber ein richtiges Urteil f~llen zu kSnnen. Dal~ Muskeln ffir Zueker impermeabel sind, hat Overton 2) bewiesen. Aueh auf die Frage, wieso Zucker doeh in den Muskel gelangt, versuchte er eine Antwort zu geben. Er untersuehte auch die Leber3), maehte es wahrseheinlich, da~ sie Zucker aufnehmen kann, und hielt dies ftir ein Ph~nomen, an dem die Leberzelle akt iv mit-

1) S. die Anmerkung zu TabeHe IIIb. ~) Overton, Pfliigers Archly 92, 115. 1902. 3) Overton, ~agels ttandbuch der Physiol. 2, 846, 1906.

38*

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584 A. Linksz:

beteiligt ist. Bang 1) machte auch Versuche fiber die Zuckerpermeabilit~t der Leber. Er deutete sie dahin, dab Zueker wgnigstens in die heraus- geschnitt,ene Leber nicht eindringen kann. Seine Versuehsprotokolle kann man abet bgi n~herer Betrachtung zum Teil auch in entgegen- gesgtztem Sinne deuten. An der Permeabilit~t der Leber far Zucker in der Richtung innen-~uften zweifelte er nicht. Die Leber w~re also naeh Bang einseitig permeabel far Zucker. Den Mech~nismus der Zucker- regnlation mui~te er danaeh selbstverst~ndlich in der Leberzellg suehen.

In den ausgedehnten Arbeiten yon Lesser ist yon dem Problem der Permeabil i tat der LeJ6er nights zu linden; er n immt es scheinbar als selbstverstandlich an, dab die Leber in beiden Richtungen Zucker durehlgf~t. Er sucht also den Meehanismus aller Erscheinungen des Zuekerstoffwgehsels der Leber (Adrenalin-, Pankreasdiabetes usw.) aueh in dgr Leberzelle. Es hat aber schon HSber ~) ale erster auf die M6glich- keit hinggwiesen, den Pankreasdiabetes dutch eine Ver~nderung der Permeabilit~it der Leber ffir Zucker zu erkl~ren; Arnoldis a) Theorie des Diabetes bgruht auch auf der Annahme, dab die KSrperzellen ffir Wasser und Zucker impermeabel oder weniger permeabel werden, und endlieh konnten Geiger und Loewi ~) beweisen, dab dig Froschlgber aus Diabetikerserum weniger Zuckgr aufnimmt. Jedenfalls darf aber fiir eine Theorie des Pankreasdiabetes nich~ aufter aeht gelassen werden, daft Lesser und Zip/s) bei den herausgeschnittenen Lebern pankrgasdiabeti- scher FrSsehe eine gesteigertg Zuckgrauscheidung fanden.

Auch in diesen Arbeiten wird aber die Zuckerpgrmeabilit~t der Leber in der Richtung innen-auften nicht erSrtert oder als etwas Selbstverst~ind- liches hingenommen. Sie ist aber durehaus nicht selbstverst~ndlieh. Es ist sehr wohl denkbar, daft die Leberzelle gew6hnlich ]ceinen Zucker durchli~[dt, sondern nur wenn sie durch Sympathieusreiz in Erregungszu- stand versetzt wurde. Aueh yon anderen Erregungszust~nden wurdg sehon bewiesen oder wahrscheinlieh gemacht, daft sie in einer Steigerung der Permeabilit~it bestehen, ja es wird immer wahrscheinlicher, daft zwisehen ,,Erregung" und Permeabilit~ts~tnderung iiberhaupt enge Beziehungen gxistierenS).

Die Narkose als eine reversible Permeabilit~tsverminderung aufzu- fassen, ist seit den Untersuehungen yon H6ber, Lillie und Winterstei~ sehr naheliegend. Nun k~nn man aber auch die Permeabilit~tsveran-

~) Bang, ]3iochem. Zeitschr. 49, 40. 1913. 2) ItSber, Biochem. Zeitschr. 60, 253. 1914. a) Arnoldi, zi~. nach Arnoldi und Roubitschek, Dtsch. reed. Wochensehr. 8,

250. 1922. ~) Geiger nnd Loewi, 1. c. ~) Lesser und Zip/, Biochem. Zeitschr. 140, 435. 1923. S. auch Lesser, ebenda

103, 1. 1920. 6) S. dazu H6ber, PhysikMische Chemie der Zelle, 5. Aufl., S. 534.

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Versuche zur Narkose der Lebeffunktionen. 585

derung der Leber auf Narkosewirkung auf zweierlei Art deuten. Die oberflachenaktiven Narkotica k6nnen einfach mechaniseh die fiir die Diffusion yon Zucker bestehenden oder entstandenen ,,Poren" bedeckt oder aber sie k6nnen einen , ,aktiven" Permeabilit~tsprozel31) gehemmt haben. Um in diese Frage wenigstens eine gewisse Kl~rung zu bringen, h~ben wir einige Versuche ausgefiihrt.

Die Permeabi]it~t der Leberzelle fiir Zucker yon augen nach innen ist ein - - wie schon yon Bang ausgesprochen, aber erst yon Geiger und Loewi 2) einwandfrei bewiesen wurde - - yon der Permeabilit~t yon innen nach auBen versehiedener ProzeB. Es ist nun nach ~]len osmotischcn Erfahrungen an den Zellen nicht unwahrscheinlich, dM~ beim Eindringen von Zucker in die Zel]e diese [vielleicht im Sinne yon OvertonS)] akt iv bet~tigt ist. Es w~re dann denkbar, dM~ diese , ,Aktivit~t" wegnarkoti- sierbar ist. Wir haben also Froschlebern mit Narkoticum-Zucker-Ringcr- LSsungen durchstrSmt und untersucht, ob Zucker aufgenommen wurde. Die Methodik war die yon Geiger und Loewi. Vor den Versuchen strych- ninisierten wit unsere Fr6sche, da - - wie Geiger und Loewi ~ngeben - - im ~{~rz sonst kein Zueker aufgenommen wird. Die Versuche ergaben

- - wie die folgende Tabelle IV ze ig t - - , dM~ Narkoticum die Zuekerauf- nahme nieht hemmt. MSglieh ist es abet, dab die Leber durch das Stryehnin geseh~digt wurde; wir wollen jedenfMls die Versuehe im Herbst wiederholen. Aueh die MSgliehkeit besteht, dab zur , ,Narkose" der Zucker- aufnahme, die ein yon der Abgabe offenbar versehiedener Prozel~ ist, eine andere Konzentrat ion gefunden werden miigte. Zwei Versuche in dieser Richtung (51, 52) zeigten aber aueh keine Hemmung der Zueker- aufnahme.

Ad 3. Auf die dritte Erkl~rungsmSglichkeit miissen wit nun nicht l~nger eingehen. Fiir sie mug aueh das Vorhandensein einer dauernden Zuekerpermeabilit~t innen-auBen angenommen werden, und die Narko- tica wtirden eine mechanisehe Abdiehtung der Zellw~nde, einen Ver- sehlug der Poren bewirken. Die Vorstellungen yon Bang oder yon Lesser und Zip /w~ren mit dieser am besten vereinbar.

Aus all dem ergibt sich, dab wir vorl~ufig nur mit M6gliehkeiten fiir die Erkl~rung des Zuekeraustausehes der Leber rechnen k6nnen, und dab die bisherigen Ansehauungen dariiber nieht vorurteilsfrei sin& Die Annahme, daft die Leberzelle ]gr Zuc]cer (besonders in der Richtung innen- auflen) permeabel ist, ]cann richtig sein, ist abet bis heute nicht bewiesen. Bei der Entscheidung dieser Frage wird die durch unsere Versuche erwiesene narkotische Beein/luflbarlceit der Zuckerausscheidung der Leber jeclen/alls mitberi~cksichtigt werden mi~ssen.

~) S. dazu Hb'ber, Biochem. Zeitschr. 60, 253. 1914. .2) Geiger und Loewi, 1. c. 3) Overton, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 92, 115. 1902. S.S. 228.

Page 15: Versuche zur Narkose der Leberfunktionen

586 A. Linksz: Versuehe zur Narkose der Leberfunktionea.

Tabelle I V.

Dauer ~ [ Dutch- Trauben- lyon d.

Datum und ~ der I geflos- ~ zuckergeh. ] Leber tier Durch- I aufge- VersuchesZahl des ~'~ Periode Durchstr(imungsflttssigkeit 5iengeSene ~n str6mungs-fltissigke t Zuckern~ Anmerkungen

Min. cem e % mg

27. III. 24

48

28. IIL 24

49

28. III. 24

50

31. I11.24

51

31. III. 24

52

I II IIi

Is I V i I ! I I i I I I IV I

III IV I

II tII IV

20 30 10 30 20 30 10 30 30 30 30 30 30 30 10 30 30 30 10 30

Ringer Ringer + 0 05% Phenylurethani I Ringer 1

Ringer Ringer + 0,05~ Phenyhrethan

Ringer

Ringer + 0,05% Phenylurethan ,, + 0,05% ,,

Ringer

Ringer+ 0,075% Pheny]urethan ,, + 0,075% ,,

Ringer

Ringer + 0,025% Phenylurethan ,, +0,025% ,, ,

I Ringer

- - !12 44 J

41,5:

- - ;12 48

52 - - 12

40 45 53,5

- - 12 42

43 - - 12

50

46

0 , 2 8

0,28

0,28

0,28

0,28 0,28 028

0,28

0,28

0,28

0,28

m

5,6

4,1

0,0

0,0

5,6 4,1 2,0

2,5

0,3

2,4

2,5

zum Bluffrei- sptilen >

r z. Auswaseh. d. Narkotie. =

wieobenPer.I "~ a2

wie obenPer.I ~

g

: wie obenPer.I

[ wieobenPer.I

Zusammen/assung.

1. Eine kurzdauernde Durehst rSmung der Frosehleber mit Narko- t ieum-Ringer-LSsungen yon passender Konzent ra t ion bewirkt eine reversible t te rabse tzung der spontanen Zuckerausseheidung.

2. Dieselben Konzentra t ionen hemmen die Zuckerausschwemmung auf Adrenalin oder setzen sie wenigstens deudieh her~b.

3. H6here Konzentr~tionen, abet ~uch dieselben bei l~ngerer Ein- wirkungsd~uer verursachen eine irreparable Sehgdigung der Leber, die sieh in einer irreversiblen Steigerung der Zuckerprodukt ion mani- festiert.

4. Eine t I e m m u n g der Zuekeraufnahme dureh Narkot iea war nieht zu beobaehten.

Es soll mir zum SehluB noah erl~ubt sein, I-Ierrn Prof. Hdber fiir die Erlaubnis, in seinem Ins t i tu te zu arbeiten, flit den Auf t rag zu dieser Arbei t und fiir die freundliehe Teilnahme nieht nu t an ihr, sondern meinem Studiengang i iberhaupt meinen innigsten Dank auszuspreehen.