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Heft 2 ] 1977 199 Kurze Mitteilungen Verzögerte Ausbildung des Augenringes bei jungen Brillenvögeln (Zosteropidae). -- Bei der Aufzucht von drei Jungvögeln des Gangesbrillenvogels (Zosterops palpebrosa)1) konnte ich im Sommer 1972 folgende Erscheinung beobachten: Wenn die Jungen im Alter von !3 Tagen das Nest verlassen, sind sie bis auf na&te Streifen an der Kehle voll befiedert, nur der Augenring, der bei adulten Vögeln aus weißen Federchen besteht, ist ebenfalls noch unbefiedert. Diese weißen Federchen erscheinen erst nach weiteren fünf Tagen, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, wenn die Jungen ihre volle Flugfähigkeit erreichen (beim Ver- lassen des Nestes können sie zwar ausgezeichnet klettern, aber nur sehr unbeholfen kurze Stre&en flattern). An diese Beobachtung schließen sich einige Fragen an, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Zum einen ist nicht geklärt, ob der vom 17.--18. Tag an vorhandene Augenring noch vom Jugendgefieder ausgebildet und anschließend bei der ca. am 23. Tag ein- setzenden Mauser ins Adultgefieder nochmals gewechselt wird, oder ob die Ausbildung des Augenringes aus dem Adultgefieder ,vorgezogen" wird. Die unten gegebene funktionelle Deutung spricht für die erstere Annahme; experimentell ließe sich die Frage durch Mar- kierung der weißen Federchen entscheiden. Daß solche auf einzelne Federregionen begrenzte Verschiebungen der Mauser auch bei anderen Vögeln vorkommen, zeigt die von NICOLAI (1968) beschriebene vorgezogene Mauser der Kopfabzeichen bei zwei Uraeginthus-Arten (Estrildidae). Zum anderen liegt die Frage nach der Funktion der verzögerten Ausbildung des Augen- ringes auf der Hand. Dazu muß zunächst auf die Funktion der ,Brille" überhaupt ein- gegangen werden. Es darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, daß es sich bei dem Augenring der Brillenvögel um einen Auslöser handelt, der es den Angehörigen der Gattung Zosterops (mit Ausnahme der brillenlosen Formen) mit Hilfe eines angeborenen Auslösemechanismus ermöglicht, einen Art- (bzw. Gattungs-) Genossen als solchen zu er- kennen und auf den ersten Blick von anderen ähnlich gefärbten Vögeln zu unterscheiden. Hinzu kommt, daß das übrige Gefieder sehr unspezifisch und kryptisch gefärbt ist, was als Feindschutz sicher von großer Wichtigkeit ist. Der spezifische Auslöser hat seine Bedeutung bei der Paarbildung (wobei bei sympatrischen Arten noch weitere differenzierende Mechanismen hinzukommen müssen, um eine Bastardierung zu vermeiden) und beim Territorialverhalten. Im letzteren Fall dient der Augenring als Aggressionsauslöser; seine verzögerte Ausbildung beim Jungvogel muß in diesem Lichte gesehen werden, wenn man den übereinstimmenden Zeitpunkt von Ausbildung des bis dahin zurückgehaltenen Augenringes und dem Erreichen der vollen Flugfähigkeit der Jungvögel beachtet: Brillenvögel mit ausgebildetem Augenring stellen potentiell für Artgenossen einen Auslöser für intraspezifisches Aggressionsverhalten dar. Solange die Jungen im Nest sitzen bzw. nach dem Verlassen des Nestes noch nicht voll flugfähig sind, wären sie solchen Angriffen hilflos ausgeliefert und würden wahrscheinlich dabei verletzt werden, da aggressive Brillenvögel sehr stürmische Attacken ausführen. Als Angreifer würden wohl weniger die eigenen Eltern in Frage kommen (im beschriebenen Fall wurden die Jungen bis zum Schlüpfen der nächsten Brut weitergefüttert) als vielmehr benachbarte Brutvögel, in deren Revier die ,ausgekletterten « Jungvögel geraten können, oder nistplatzsuchende Artgenossen, die in das elterliche Revier eindringen. Bei dieser Deutung ist ersichtlich, dafl eine bis zur vollen Flugfähigkeit verzögerte Ausbildung des Augenringes einen klaren Selektionsvorteil mit sich bringt. l) Da die Herkunft der Vögel nicht zu ermitteln war, ist eine Fehlbestimmung nicht ausgeschlossen. Die Tiere wiesen jedoch alle für Z. palpebrosa angegebenen diagnostischen Merkmaleauf (vgl. Mrrs 1957).

Verzögerte Ausbildung des Augenringes bei jungen Brillenvögeln (Zosteropidae)

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Heft 2 ] 1977 199

Kurze Mitteilungen

Verzögerte Ausbildung des Augenringes bei jungen Brillenvögeln (Zosteropidae). - - Bei der Aufzucht von drei Jungvögeln des Gangesbrillenvogels (Zosterops palpebrosa)1) konnte ich im Sommer 1972 folgende Erscheinung beobachten: Wenn die Jungen im Alter von !3 Tagen das Nest verlassen, sind sie bis auf na&te Streifen an der Kehle voll befiedert, nur der Augenring, der bei adulten Vögeln aus weißen Federchen besteht, ist ebenfalls noch unbefiedert. Diese weißen Federchen erscheinen erst nach weiteren fünf Tagen, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, wenn die Jungen ihre volle Flugfähigkeit erreichen (beim Ver- lassen des Nestes können sie zwar ausgezeichnet klettern, aber nur sehr unbeholfen kurze Stre&en flattern).

An diese Beobachtung schließen sich einige Fragen an, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Zum einen ist nicht geklärt, ob der vom 17.--18. Tag an vorhandene Augenring noch vom Jugendgefieder ausgebildet und anschließend bei der ca. am 23. Tag ein- setzenden Mauser ins Adultgefieder nochmals gewechselt wird, oder ob die Ausbildung des Augenringes aus dem Adultgefieder ,vorgezogen" wird. Die unten gegebene funktionelle Deutung spricht für die erstere Annahme; experimentell ließe sich die Frage durch Mar- kierung der weißen Federchen entscheiden. Daß solche auf einzelne Federregionen begrenzte Verschiebungen der Mauser auch bei anderen Vögeln vorkommen, zeigt die von NICOLAI (1968) beschriebene vorgezogene Mauser der Kopfabzeichen bei zwei Uraeginthus-Arten (Estrildidae).

Zum anderen liegt die Frage nach der Funktion der verzögerten Ausbildung des Augen- ringes auf der Hand. Dazu muß zunächst auf die Funktion der ,Brille" überhaupt ein- gegangen werden. Es darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, daß es sich bei dem Augenring der Brillenvögel um einen Auslöser handelt, der es den Angehörigen der Gattung Zosterops (mit Ausnahme der brillenlosen Formen) mit Hilfe eines angeborenen Auslösemechanismus ermöglicht, einen Art- (bzw. Gattungs-) Genossen als solchen zu er- kennen und auf den ersten Blick von anderen ähnlich gefärbten Vögeln zu unterscheiden. Hinzu kommt, daß das übrige Gefieder sehr unspezifisch und kryptisch gefärbt ist, was als Feindschutz sicher von großer Wichtigkeit ist. Der spezifische Auslöser hat seine Bedeutung bei der Paarbildung (wobei bei sympatrischen Arten noch weitere differenzierende Mechanismen hinzukommen müssen, um eine Bastardierung zu vermeiden) und beim Territorialverhalten. Im letzteren Fall dient der Augenring als Aggressionsauslöser; seine verzögerte Ausbildung beim Jungvogel muß in diesem Lichte gesehen werden, wenn man den übereinstimmenden Zeitpunkt von Ausbildung des bis dahin zurückgehaltenen Augenringes und dem Erreichen der vollen Flugfähigkeit der Jungvögel beachtet: Brillenvögel mit ausgebildetem Augenring stellen potentiell für Artgenossen einen Auslöser für intraspezifisches Aggressionsverhalten dar. Solange die Jungen im Nest sitzen bzw. nach dem Verlassen des Nestes noch nicht voll flugfähig sind, wären sie solchen Angriffen hilflos ausgeliefert und würden wahrscheinlich dabei verletzt werden, da aggressive Brillenvögel sehr stürmische Attacken ausführen. Als Angreifer würden wohl weniger die eigenen Eltern in Frage kommen (im beschriebenen Fall wurden die Jungen bis zum Schlüpfen der nächsten Brut weitergefüttert) als vielmehr benachbarte Brutvögel, in deren Revier die ,ausgekletterten « Jungvögel geraten können, oder nistplatzsuchende Artgenossen, die in das elterliche Revier eindringen. Bei dieser Deutung ist ersichtlich, dafl eine bis zur vollen Flugfähigkeit verzögerte Ausbildung des Augenringes einen klaren Selektionsvorteil mit sich bringt.

l) Da die Herkunft der Vögel nicht zu ermitteln war, ist eine Fehlbestimmung nicht ausgeschlossen. Die Tiere wiesen jedoch alle für Z. palpebrosa angegebenen diagnostischen Merkmale auf (vgl. Mrrs 1957).

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L i t e r a t u r

BI~OE~mJYS~N, G. J. & J. M. WINTEI~BOT'rOM (1968): Breeding activity of the Cape White- eye Zosterops virens capensis Sundevall in the Southwest Cape. Ostrich 39: 163--176. * KUNKrt, P. (1962): Bewegungsformen, Sozialverhalten, Balz und Nestbau des Ganges- brillenvogels (Zosterops palpebrosa Temm.). Z. Tierpsychol. 19: 559--576. • MEBS, G. F. (1957): A systematic review of the Indo-Australian Zosteropidae (Part I). Zool. Ver- handelingen 35: 1--204. • NmotM, J. (1968): Die isolierte Frühmauser der Farbmerkmale des Kopfgefieders bei Uraeginthus granatinus (L.) und U. ianthinogaster Reichw. (Estril- didae). Z. Tierpsychol. 25: 854--861.

Helmut Schmalfuß, Institut und Museum für Geologie und Paläontologie 74 Tübingen, Sigwartstraße 10

Nestbau und Nestanpassung an den tropischen Regenwald bei Glaucls hirsuta.-- Wäh- rend einer Exkursion nach Trinidad im Februar 1974 hatte ich Gelegenheit, Glaucis hirsuta beim Nestbau zu beobachten. Der Biotop dieses Kolibris ist die Sekundärvegetation des tropischen Regenwaldes. Bevorzugter Standort des Nestes waren Straßenböschungen, an denen die Farnart Hemitelia spectabilis wuchs (ScHUeHMANN 1975).

Die Gattung Glaucis errichtet wie alle anderen Vertreter der Schattenkolibris (Threnetes, Phaethornis) ein hängendes Nest, welches an der Blattunterseite verschiedener schmalblätt- tiger Pflanzen in 1 bis 2 m Höhe vom Erdboden entfernt befestigt wird. Wie bei anderen Kolibris, so wird auch bei Glaucis hirsuta der Nestbau allein vom ~ besorgt.

Einzelheiten des beginnenden Nestbaus sind bisher noch nicht beschrieben worden. SKUTC~ (1972) vermutete bei Glaucis aenea, daß die Aufhängevorrichtung, bestehend aus Spinn- weben, an der Blattunterseite im Schwirrflug befestigt wird. Im Gegensatz dazu konnte ich beobachten, daß bei 6 verschiedenen nestbauenden ~ von Glaucis hirsuta stets die Spinn- weben sitzend um das Blatt herum angeklebt wurden. Der Kolibri krallt sich dabei mit den Füßen an der Blattkante fest und hält durch Flügelschlagen das Gleichgewicht (Abb. A).

A Befestigung der Spinnweben an der Blattunterseite (A); Formen der Nestmulde mit dem Körper (B)