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1 -VORLESUNG 1: DER WORTSCHATZ: EIN ‘SCHATZ’ MIT STRUKTUR
1. Struktur des Wortschatzes
Der Wortschatz: ein ‘Schatz’ mit Struktur: primärer Wortschatz vs. sekundärer Wortschatz;
aktiver Wortschatz vs. passiver Wortschatz vs. potentieller Wortschatz. Wortschatz als
Speicher lexikalischer Mittel umfasst den Gesamtbestand der Lexeme einer Sprache
(Inventar an Ausdrucksmitteln {Simplizia vs Komplexe}) und mobilster Teil/offenes System
mit gröβter Bereitschaft zur Weiterentwicklung ('Dynamik' der Lexik einer Sprache: es
kommen mehr Einheiten hinzu als solche, die verschwinden) → Frage des Umfangs
(Abschätzung): Wortformen, Wortbildungen, Fachwortschätze → was soll einbezogen
werden? Wichtiger als die Frage nach dem Umfang ist die nach der Benutzungshäufigkeit →
primärer Wortschatz [Grundwortschatz] vs. sekundärer Wortschatz [abgeleiteter Wortschatz;
Wörter, die mit Hilfe von Wortbildungsregeln vom Grundwortschatz abgeleitet sind] →
Inhaltswörter [offene Klasse] in ständiger Entwicklung; Anpassung an neue
Kommunikationsbedürfnisse; laufend entstehen neue Wortschatzelemente/Bedeutungen
(Substantive, Adjektive, Verben) vs. Strukturwörter [geschlossene Klasse]: Pronomina,
Artikel, Konjunktionen, Präpositionen → Grundwortschatz [beständiger, produktiver und
zentraler Teil; Zweitsprachenerwerb, Grundschulunterricht, Wörterbuch-herstellung] →
häufigster Wortschatz [wiederkehrende Lexeme im Text] → lexikalisches Minimum [Menge
lexikalischer Einheiten, die zur Lösung bestimmter Kommunikationsaufgaben erforderlich ist].
Im FSU: → aktiver Wortschatz [Wörter, die die Lerner produktiv verwenden] → passiver
Wortschatz [Wörter, die die Lerner einmal gelernt haben, aber nicht produktiv verwenden
können] → potentieller Wortschatz [abgeleitete/zusammengesetze Wörter, die neu für den
Lerner sind, die er aber auf Grund der Wortbildung erschließen kann, wenn er die
Wortbildungsregeln kennt]. Die deutsche Sprache hat ihren Umfang im 19./20. Jh. stark
vergrößert [300000 – 500000 + Fachwörter → 5-10 Mio. Wörter; Durchschnittssprecher:
6000 bis 10 000 aktiv beherrschte Wörter]. Laut IdS Mannheim gehören der, die, den, und,
von zu den häufigsten Wortformen; sein, haben, konnte, kommen, stehen, macht,
Modalverben, mehr, nicht, schon, wieder, immer, doch, keine, neue, neuen, ersten →
zentrale vs. periphere Einheiten. Die deutsche Sprache weist sowohl flektierende
Wortklassen (Nomen, Verben, Adjektive, Pronomen) als auch isolierende morphologische
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Schwerpunkte ⇨ Struktur des Wortschatzes ⇨ Markierungsprädikate im Überblick ⇨ Wortschatzarbeit und Wortschatzvermittlung ⇨ Wörter als Zeitzeugen: die Dominanz des Englischen in der Wirtschaft, im Computerwesen und in der Werbung
Wortklassen (Adv., Partikeln, Konj.) auf. Die meisten dt. Wörter sind morphologisch komplex,
d.h. sie bestehen aus mehreren Morphemen und sind mittels Komposition oder Derivation
entstanden. Das Sprachsystem braucht Kontinuität für eine Verständigung → Notwendigkeit,
sich den kommunikativen und kognitiven Bedürfnissen anzupassen → die größte
Entwicklung verzeichnen die Fachwortschätze → durch neue Bezeichnungen werden neue
Gegebenheiten benannt → Wortschatzentwicklung: → Bildung und Übernahme neuer
lexikalischer Einheiten vs. → Rückgang oder Ausscheiden vorhandener lexikalischer
Einheiten.
Im Wortschatz sind neutrale Einheiten von markierten Einheiten zu unterscheiden →
Schwankungen in der Kenntnis lexikalischer Markierungen bei den Sprachteilhabern [berufs-,
ausbildungs-, alters-, sozialbedingt] → Relevanz für die Textproduktion und -rezeption →
Sprachwissen [funktional-stilistischer vs. kommunikativ-pragmatischer Einsatz von
Wortschatzelementen].
Der Wortschatz ist ein vielschichtiges Gebilde; er kann nach folgenden
Gesichtspunkten gegliedert und beschrieben werden:
a) etymologische Gliederung: Gruppierung der Wörter nach deren historischen
Gesichtspunkt der Abstammung, nach der Grundbedeutung der Wortwurzel: Etymon)
Wortfamilien
b) semantische Gliederung: Einteilung des Wortschatzes in Gruppen von Wörtern,
die semantische Gemeinsamkeiten haben Wortfeld (Farben, Temperaturen, Berufe)
c) die regionale oder diatopische Gliederung des Wortschatzes: Feststellung und
Lokalisierung von regional verbreiteten Elementen des Wortschatzes; kann sich auf
Existenzformen verteilen (z.B. Umgangssprache, Mundart, Standardsprachen). Innerhalb des
Deutschen haben sich verschiedene Schichten herangebildet, die den Menschen zur
Erfüllung ihrer kommunikativen Bedürfnisse dienen. Für die Gegenwart lässt sich das an
bestimmten Merkmalen unterscheiden: regionaler Geltungsbereich, unterschiedliche
Anwendungsgebiete (kommunikative Bereiche), stilistische Markierung, heute an Stelle einer
sozialen Markierung. Es gibt drei Existenzformen (Varietäten), die nicht auf den Wortschatz
beschränkt sind: Mundart, Umgangssprache und Standardsprache. Mundartliche
Wortschätze sind durch einen engen regionalen Geltungsbereich im Sprachgebiet
gekennzeichnet. Im Zuge der Veränderung der Umgangssprache gehen die mundartlichen
Wortschätze mehr und mehr zurück. Die Schweiz hat z.B. nur eine Standardsprache und
Mundarten, die Rolle der Mundarten im süddeutschen Sprachraum ist stärker, ein
Rückgangsprozess ist aber erkennbar. Eine Beschränkung von Sprechern auf die reine
Mundart gibt es nicht mehr, aber Beschränkung auf regionale Eigenheiten. Mundartforschung
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gibt es seit ca. 120 Jahren (Wörterbücher, Wortatlanten). Der standardsprachliche
Wortschatz bildet den Gegenpol dazu. Der standardsprachliche Wortschatz bietet vielfältige
stilistische Differenziertheit und ist universell einsetzbar. Mit der Standardsprache kann alles
ausgedrückt werden, mit Mundart und Umgangssprache nicht. Die meisten Wörterbuchtypen
beziehen sich auf den standardsprachlichen Wortschatz. Die Umgangssprache ist umstritten
in ihrer Abgrenzung. Historisch ist sie relativ jung (19. Jahrhundert). Sie ist erwachsen aus
der Tendenz, sich über lokale Mundartgrenzen hinweg zu verständigen. Es gibt nicht DIE
deutsche Umgangssprache. „umgangssprachlich“ hat auch eine stilistische Bedeutung –
Wörter mit pejorativem Charakter werden zur Umgangssprache gezählt, selbst wenn sie
überregional sind, daraus entstehen Schwierigkeiten. Zur Umgangssprache gehören: a) nicht
mundartliche Wörter mit nicht nur regionaler Verbreitung im Sprachgebrauch; b) nicht-
standardsprachliche Wörter mit abwertender stilistischer Markierung, auch überregionaler
Bedeutung (z.B. „Scheiße“, konnotiert pejorativ, ist aber im ganzen deutschen Sprachgebiet
verbreitet – funktioniert aber in der Standardsprache nicht; „Karfiol“, ist in Österreich
Standardsprache, aber nur auf Österreich beschränkt). Die Umgangssprache ist die
mehrheitliche Alltagssprache, Mundart und Standardsprache kommen nur in spezifischen
Situationen vor.
d) diastratische, soziologische Gliederung: Untersuchung der spezifischen
Wortschätze soziologisch differenzierter Gruppen. Mannigfaltige Gruppen definieren sich
durch die Sprache Gruppenwortschätze und Fachwortschätze Sonderwortschätze von
Berufsgruppen Wortschatzbesonderheiten von Interessensgruppen, Altersgruppen usw.
Diese Differenzierung kann alle Teile des Sprachsystems umfassen. Sie ergibt sich aus den
Bedingungen der sprachlichen Tätigkeit der Menschen, die zur Ausbildung sprachlicher
Besonderheiten führen. Die Sonderwortschätze sind Resultat der kommunikativen
Bedingungen und Anforderungen innerhalb sozialer Gruppen. Diese entstehen auf
Grundlage von Beziehungen und Gemeinsamkeiten (fachlich, beruflich, weltanschaulich,
altersmäßig, interessenmäßig). Alle diese Kleingemeinschaften entwickeln Normen speziell
beim Wortschatz, wodurch eine optimale Verständigung erreicht werden soll. Die Gruppen
konstituieren die Sprachunterschiede – nicht umgekehrt! Die allgemeinsprachlichen Mittel
reichen oft nicht aus. Die Ausbildung sprachlicher Besonderheiten dient: a) der Effektivität
der Kommunikation; b) dem Ausdruck der Integration und der Abgrenzung der
Gruppenteilnehmer. Sonderwortschätze sind: a) Fachwortschätze: Lexikalische
Besonderheiten, die sich in der Sphäre der Arbeit und des Berufs ergeben; b)
Gruppenwortschätze: Lexikalische Besonderheiten, die sich in anderen Gruppierungen und
Interessen ergeben. Manchmal findet man auch Sonder-, Fach- und Gruppensprache als
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Ausdruck (weil Sprache mit Wortschatz verwechselt wird). Diese Differenzierungen sind im
Wesentlichen auf den Wortschatz beschränkt. Es gibt keine scharfen Grenzen zwischen den
Sonderwortschätzen insgesamt. Zwischen den verschiedenen Ausprägungen gibt es viele
Übergänge. Die zunehmende fachliche Differenzierung führt zur Ausbildung von
Wortschatzbesonderheiten, die der Beschreibung des Gebietes dienen. Der Umfang der
Fachwortschätze ist größer als der Allgemeinwortschatz. Von zehn Millionen Wörtern des
deutschen Thesaurus sind 500000 Allgemeinwortschatz. Anwendungsbereich ist das
entsprechende Fachgebiet, die Fachwortschätze sind der Allgemeinheit nicht so zugänglich.
Der Kraftfahrzeugwortschatz ist jedoch allgemeiner als der Medizinwortschatz. Folgende
Merkmale sind prototypisch für Fachwortschätze: a) Fachbezogenheit; b) Begrifflichkeit und
Exaktheit. Der Grad der Exaktheit ist abhängig von der Anzahl der verwendeten Termini; c)
relative Eindeutigkeit von Fachwörtern innerhalb des Rahmens der Fachgebiete; d)
Systematik: Begriffsreihen von Fachbegriffen; e) Knappheit (relativ): Tendenzen zu geringer
Redundanz; f) stilistische Neutralität: Fachwörter sollten keine Konnotationen haben. Diese
Merkmale sind nicht alle gleichermaßen ausgeprägt. Die Differenzierung erfolgt in
verschiedenen Fachwortschätzen. Mundartliche Fachwortschätze existieren heute kaum
noch. Die diatopische Differenzierung geht mehr und mehr zurück, während
Fachwortschätze sich ausweiten. Bei Gruppenwortschätzen handelt es sich um lexikalische
Besonderheiten bestimmter Gruppen, d.h. um besondere Wortschätze, bei denen eine
gewisse Konnotation effektiv erforderlich sein soll. Sofern sie umgangssprachlich und
pejorativ sind, wird das als Jargon und Slang bezeichnet.
e) historische oder diachronische Gliederung des Wortschatzes
Zusammenstellung der Bestandteile des Wortschatzes, die zu einem bestimmten Zeitpunkt
veraltend bzw. neu sind: Archaismen z.B. „Eidam“, „Muhme“; Neologismen: keine exakte
Klassifikation, keine ewigen Neologismen, z.B. „Flugzeug“ war vor dem 1. Weltkrieg ein
Neologismus.
f) diaintegrative Gliederung der Sprache: entlehnte oder fremde Wörter in der Sprache „Fremdwort“. Mit der Wortentlehnung ist ein Prozess der Integration verbunden Lehnwörter = Fremdwörter, die man nicht als Fremdwörter erkennt (Mauer, Tafel).
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2. Markierungsprädikate im Überblick. Zur Einordnung einer lexikalischen Einheit
Die wichtigsten MARKIERUNGEN sind [nach den vorhherrschenden und relevanten
Merkmalen]: diaintegrativ, diachronisch, diatopisch, diastratisch, diatechnisch, diaevaluativ,
diafrequent, diatextuell, diamedial
nach der HERKUNFT [als Fremdwort vs. Lehnwort]: diaintegrativ
nach der CHRONOLOGIE [als Archaismus/Historismus vs. Neologismus]: diachronisch
nach der RÄUMLICHEN Beschränkung [als Regionalismus]: diatopisch
nach der SOZIALEN Beschränkung [als Gruppen- oder Sonderwortschatz]: diastratisch
nach der FACHLICHEN Beschränkung [als Terminus]: diatechnisch
nach der emotionalen WERTUNG [als neutral oder emotional bewertend]: diaevaluativ
nach der TEXTFREQUENZ [als sehr beliebt oder selten im Gebrauch]: diafrequent
nach der BEVORZUGUNG oder MEIDUNG in bestimmten
Kommunikationsbereichen/Textsorten: diatextuell
nach der BEVORZUGUNG oder MEIDUNG in der schriftlichen oder mündlichen
Kommunikationsform: diamedial
Archaismus/Historismus vs. Neologismus
Historismen: die Denotate, die bezeichnet werden, sind als historisch zu betrachten:
Landgraf Archaismen: die Denotate werden heute meist durch andere Wörter bezeichnet:
Lusthaus (Bordell), Advokat (Rechtsanwalt) → Lexeme oder Lexembedeutungen, die von
einer Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als veraltet und nicht mehr zeitgemäß
empfunden werden → sie sind noch Bestandteile des Wortschatzes mit abnehmenden und
zunehmend spezialisiertem Sprachgebrauch → untergegangene Wörter sind keine
Archaismen, da sie ja gar nicht mehr zum Wortschatz gehören, sie sind ja verschwunden!
Neologismen und Archaismen sind parallele Vorgänge
zeitliche Differenzierung: veraltete Wörter/Wortbedeutungen vs. veraltende
Wörter/Wortbedeutungen. Unterscheidung von Denotatsarchaismen und
Bezeichnungsarchaismen
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Diese Markierungen überschneiden sich, man kann aber eine lexikalische Einheit auch mehreren Markierungen zuordnen.
1. Denotatsarchaismen: ein Gegenstand kann sich verändern oder verschwinden,
dadurch veraltet die Bezeichnung. Die Wörter, deren Denotate veralten, nennt man
auch Historismen
2. Bezeichnungsarchaismen: die sprachliche Benennung der Sache veraltet. Der
Gegenstand besteht unverändert weiter, die sprachliche Bezeichnung wird nicht
mehr als zeitgemäß angesehen; es veralten nur einzelne Sememe eines Lexems,
das Wort bleibt bestehen. Archaismen haben eine wichtige Funktion in bestimmten
Textgestaltungen, z.B. Geschichtsschreibung, historische Romane.
Mit der Entwicklung der Wisenschaft, Kunst, Religion, später Technik hat das Wortmaterial
der Sprache zugenommen, darunter findet man selbstverständlich auch Neuwörter, die zu
einem bestimmten Zeitpunkt aufgekommen sind. Es handelt sich um Bildungen, die von der
Sprachgemeinschaft als ‚neu‘ empfunden werden, die Neuartiges benennen. Es ergeben
sich eine Reihe von Schwierigkeiten bei der Zuordnung einer Einheit zur Erscheinung
Neologismus aus der Sicht mancher Sprachforscher, darunter auch Schippan (1992).
Als Neologismen werden nach Schippan (1992, 243ff.) „gewöhnlich Neubildungen
(nach Wortbildungsmodellen gebildeter Wörter) und Wortschöpfungen (erstmalige
Verbindungen von Formativen und Bedeutungen - Entstehung neuer Morpheme)
bezeichnet“. Schippan präzisiert: Die Vorsilbe neo- verleitet aber zu einer zeitlichen
Zuordnung, deshalb kommen bei der Einordnung eines Wortes zu dieser Erscheinung
Fragen auf: Sie definiert Neologismen als Lexeme, deren Entstehungszeit bekannt ist, die
aber für die Sprachteilhaber noch als neu empfunden werden, obwohl sie zum Sprachbesitz
der Sprachgemeinschaftsmitglieder gehören. Okkasionelle Einheiten zählt sie nicht zu den
Neologismen, es sei sie gehen in den allgemeinen Sprachgebrauch über. Manche Forscher
gehen bei der Definierung noch weiter, indem sie auch Neuentlehnungen mit einbeziehen.
Von so einer weiten Begriffsauffassung distanziert sich Schippan. Die Ursachen, die zur
Entstehung von Neologismen führten, liegen z.T. in dem Bedarf an neuen Benennungen.
Mit der Werbung werden Neologismen zur Benennung der Produkte eingeführt. Das
Aufkommen von Neologismen ist im Zusammenhang mit dem Prozess der Veralterung der
Wortschatzeinheiten zu betrachten. Durch die Einfuhr oder das Entstehen von neuen
Lexemen kommt es zu Synonymien im Wortschatz, zu Bedeutungsdifferenzierungen und
Bedeutungserweiterungen, zu Veränderungen des Stellenwertes eines Lexems, zu
Verdrängungen (Restaurant hat Gasthaus verdrängt), zu ungleichmässigen Erweiterungen
(so ist der Bedarf an neuen Benennungsmittel im technischen Bereich größer als in anderen
Bereichen; die Werbung und der Handel benötigen auch Neuwörter, um ihre Produkte zu
benennen).
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Der Neologismus aus linguistischer Sicht
Die Erscheinung Neologismen wird teilweise sowohl in Gesamtdarstellungen zur deutschen
Sprachgeschichte, Lexikologie und Wortbildung berücksichtigt. Als sprachwissenschaftlicher
Terminus der Disziplin Lexikologie und Lexikografie hat sich „Neologismus“ erst um die Mitte
des 20. Jahrhunderts – also vergleichsweise spät – etabliert, aber bis heute zeigen
Definitionen dieses Terminus eine auffällige Vagheit und Uneinheitlichkeit. Mit Neologismen
wird der Bedarf an Neubennenungen in einer Kommunikationsgemeinschaft befriedigt. Da
Neubennenungen an lexikalische Einheiten gebunden sind, bildet die als bilaterales Zeichen
aus Ausdrucks- und Inhaltsseite, also aus Form und Bedeutung aufgefasste lexikalische
Einheit den Ausgangspunkt für eine Definition des Neologismus. Von den etablierten, seit
langem gebräuchlichen Wortschatzeinheiten unterscheiden sich Neologismen dadurch, dass
entweder die Form und die Bedeutung oder nur die Bedeutung der betreffenden Einheit von
der Mehrheit der Angehörigen einer bestimmten Kommunikationsgemeinschaft eine zeitlang
als neu empfunden wird. Man unterscheidet demgemäß grundsätzlich zwei Arten von
Neologismen: neue lexikalische Einheiten und neue Bedeutungen. Neue lexikalische
Einheiten umfassen neue Einwortlexeme („Neulexem“) und neue Mehrwortlexeme
(„Neuphraseologismus“), die in ihrer Einheit aus Form und Bedeutung im deutschen
Wortschatz bis zu einem mehr oder weniger genau bestimmten Zeitpunkt nicht vorhanden
waren. Dabei wird kein prinzipieller Unterschied gemacht zwischen im Deutschen gebildeten
neuen lexikalischen Einheiten und als Ganzes aus anderen Sprachen neu entlehnten
lexikalischen Einheiten. Um eine neue Bedeutung („Neubedeutung“) handelt es sich, wenn
bei einer im Deutschen etablierten mono- oder polysemen lexikalischen Einheit zu deren
vorhandener Bedeutung bzw. zu deren vorhandenen Bedeutungen eine neue Bedeutung
hinzukommt. Der naturgemäß gegebene Bezug zu der jeweiligen Zeit des Aufkommen eines
Neologismus macht den Begriff „Neologismus“ zu einem relativen und historisch
gebundenen: Die Bezugnahme auf den – mehr oder wenig exakt zu bestimmenden –
Zeitpunkt des Aufkommens sowie auf die sich anschließende Ausbreitungs- und
Durchsetzungsphase ist für die Definition des Neologismus konstitutiv.
Ein Neologismus ist eine lexikalische Einheit bzw. eine Bedeutung, die
1. in einem bestimmten Abschnitt der Sprachentwicklung in einer
Kommunikationsgemeinschaft aufkommt,
2. sich ausbreitet,
3. als sprachliche Norm allgemein akzeptiert und
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4. in diesem Entwicklungsabschnitt von der Mehrheit der Sprachbenutzer über
eine gewisse Zeit hin als neu empfunden wird.
a) Usualisierung,
b) Lexikalisierung und
c) Integration
sind mithin die wesentlichen Abgrenzungskriterien des Neologismus von anderen
lexikalischen Neuheiten wie z.B. von Okkasionalismen (auch: Ad-hoc, Einmal-,
Individualbildungen) oder von neuen, den Anwendungsbereich einer Bedeutung
erweiternden Gebrauchsweisen etablierter Wörter, denen der Neologismenstatus im hier
definierten Sinne nicht zugeschrieben werden kann.
Als Neologismen werden gewöhnlich Neubildungen und Wortschöpfungen bezeichnet,
es handelt sich also um Lexeme, deren Entstehungszeit bekannt ist, die aber für die
Sprachteilhaber noch als neu empfunden werden, obwohl sie zum Wortschatz der Sprecher
gehören.
Folgende Ausführungen gehen auf http://de.wikipedia.org/wiki/Neologismus
(21.05.2009) zurück. Ein Neologismus („Wortneuschöpfung“, mit lateinischer Endung
entlehnt vom griechischen νεολογισμός neologismos, von νέος neos „neu“ und λόγος logos
„Wort“) ist ein lexikalisches Zeichen, das in einem bestimmten Zeitraum in einer
Sprachgemeinschaft aufkommt und sich verbreitet. Schließlich nehmen es die Wörterbücher
auf, die den Wortschatz dieser Sprache kodifizieren. Charakteristisch für die Neologismen ist,
dass die Sprecher sie für eine gewisse Zeit als neu empfinden. Welche lexikalischen Zeichen
(noch) Neologismen sind, hängt also auch davon ab, zu welchem Zeitpunkt man den
Wortschatz einer Sprache betrachtet oder untersucht. Neben den in allgemeinsprachlichen
Standardwörterbüchern erfassten Neologismen gibt es für viele Sprachen auch
Spezialwörterbücher, die ausschließlich diesen Teil des Wortschatzes behandeln.
Ursachen der Entstehung
Der Bedarf an neuen Benennungen und Veränderungen in der Gesellschaft, Veralterung der
Wortschatzeinheiten, Sprachökonomie in der Politk und Wirtschaft sind die Ursachen für das
Aufkommen von Neologismen. Sprecher lebender Sprachen produzieren oder erfinden
täglich neue Wörter, mit denen sie spontan entstehende Benennungslücken schließen. Die
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meisten solcher Wörter werden aber nur ein einziges Mal verwendet. Ihr Zweck ist mit der
einen Benennungssituation erfüllt. Diese Gelegenheitsbildungen (Okkasionalismen) werden
weder als Neologismen betrachtet, noch lexikographisch erfasst. Im Deutschen, das die
Bildung komplexer Komposita erlaubt, entstehen täglich solche momentane
Neuschöpfungen. Gelegentlich belebt erneuter Gebrauch lange Zeit ungenutzte Wörter
wieder, die nicht mehr lexikographisch erfasst werden (Archaismen): Auch sie sind keine
Neologismen.
Die Lexik einer lebenden Sprache ist ein komplexes Gebilde aus
allgemeinsprachlichen, fachsprachlichen und gruppensprachlichen Wörtern.
Allgemeinsprachliche Wörterbücher erfassen nur den Kernbereich der Lexik, den die
Alltagssprache verwendet. Gelegentlich kommt es vor, dass bereits lang verwendete Wörter
einer Fachsprache in den alltagssprachlichen Diskurs vordringen. Dies gilt zum Beispiel für
die Fachsprachen technischer Schlüsselbereiche wie Informationstechnik und
Telekommunikation. Auch diese Wörter werden nicht als Neologismen betrachtet, da sie in
der jeweiligen Fachsprache schon länger im Gebrauch sind. Ein besonders produktiver
Bereich ist die Gruppensprache der Jugendlichen. Viele der dort gebildeten Neuwörter sind
allerdings kurzlebig. Wörter, die aus einer anderen Sprache entlehnt sind (z. B. downloaden
aus dem Englischen) und in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, werden oft als
Neologismen gesehen und entsprechend lexikografisch erfasst, im engeren Sinne sind sie
aber keine Neuschöpfungen, somit keine Neologismen. In der Praxis der Lexikografie ist die
Abgrenzung zwischen Neologismen einerseits und Okkasionalismen, wiederbelebten
Archaismen und Fachwörtern andererseits, schwierig. Besonders Textkorpora, die den
aktuellen Sprachgebrauch dokumentieren, leisten bei der Erfassung und Beschreibung von
Neologismen nützliche Dienste.
Typen von Neologismen
Folgende Arten von Neologismen lassen sich unterscheiden:
a) Neuwörter: Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit ist das Verb simsen für das
Versenden von Kurznachrichten (SMS)(Ausdruck und Bedeutung sind neu)
b) Neubedeutungen: Ein alter Ausdruck erhält lediglich eine neue (weitere)
Bedeutung. So steht als ein etwas älteres Beispiel Maus auch für „technisches Gerät, Teil
der Computerperipherie“. Oder auch: Ein Ausdruck mit ursprünglich positivem Sinnbezug
erhält eine neue, pejorative Bedeutung und findet als politisch-ideologischer Kampfbegriff
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gegen verschiedene sprachliche Konventionen und Verhaltensweisen Verwendung.
Beispiele: Gutmensch, Politische Korrektheit.
c) Neue Wortkombinationen: Hier ist das Zusammenziehen von gebräuchlichen
Wörtern (Internetcafé, Laptop-Tasche) von metaphorischen Neubildungen zu unterscheiden.
Bei letzteren entscheidet für die Verwendung nicht die tatsächliche Bedeutung, sondern eine
charakteristische Eigenschaft (Modezar, Literaturpapst, Börsenzwerg, Wirtschaftsauguren,
Erzeinwohner) d) Neuwörter als Ersatzwörter mit gleicher Bedeutung: z. B. Idemnität statt
Identität (nicht zu verwechseln mit Indemnität)
e) Neologismen und Sprachnorm: Wenn ein neues Wort in Gebrauch kommt, haben
Sprecher oft Normunsicherheiten. Da geht es u. a. um: die Rechtschreibung. Schreibt man
Spinoff, Spin-off oder Spin-Off? die Aussprache. Sie ist besonders bei Lehnwörtern
kompliziert und passt sich oft, aber nicht immer, dem Phonemsystem der entlehnenden
Sprache an. Ein Beispiel ist Download, das sich von /...loʊd/ nach /...lo:t/ entwickelt; das
Genus. Heißt es der Blog oder das Blog? die Flexion. Heißt es des Piercing oder des
Piercings? Heißt es im Plural die PC oder die PCs? Oft muss sich eine Norm auch erst
etablieren. Dies gilt zum Beispiel für das Genus von Lehnwörtern aus dem Englischen, wo
das Genussystem nur schwach ausgeprägt ist.
Sprecher, die ein Neuwort verwenden, signalisieren manchmal, dass sie das
entsprechende Wort noch nicht als Teil der Sprachnorm akzeptieren. Häufig dafür
verwendete Mittel sind Anführungszeichen (der „Breakeven“ sei noch nicht erreicht) oder
abgrenzende Ausdrücke (der sog. Breakeven, der Breakeven, wie man heutzutage sagt...).
Nicht immer besteht die Hauptfunktion eines Neologismus darin, einen neuen
Sachverhalt zu bezeichnen. Mit der Verwendung von Neologismen möchte man oft etwas
signalisieren: Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Modernität, oder einfach nur
Aufmerksamkeit erregen. Diese pragmatischen Funktionen sind die Ursache dafür, dass vor
allem die Sprache der Werbung Neuwörter verwendet. Die Signalfunktion neuer Wörter wird
bis dahin ausgereizt, dass man gegen grammatische Regeln verstößt (unkaputtbar, hier
werden Sie geholfen).
Neologismen haben auch kulturellen Wert. Durch Wortneuschöpfungen können
Denkanstöße und Neuassoziationen gefördert werden. Die zeitgenössische Kunstrichtung
expressiver Neologismus (kurz auch als neolog bezeichnet) befasst sich auf kritische Art mit
der Sprache als Massenmedium und Beeinflussungsinstrument. Neologismen werden auch
als ersetzende Bezeichnungen verwendet, wenn dem Bezeichneten eine andere Wertung
oder ein anderes Ansehen gegeben werden soll. Beispiel für eine solche Sprachpolitik ist die
Deutsche Bahn AG: (Schaffner → Zugbegleiter; Schalter → Servicepoint, neuerdings
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Counter). Zugleich entzündet sich an Neologismen als Symptom oft ein sprachkritischer
Diskurs. Konservative Sprachkritiker machen an Neologismen, und vor allem an
Lehnwörtern, einen von ihnen behaupteten Verfall der Sprache fest. Dagegen wird an den
Neologismen ebenfalls die Wandlungsfähigkeit einer Sprache und ihre Fähigkeit
festgemacht, den ständig sich wandelnden Benennungsanforderungen gerecht zu werden.
Neologismen sind auch ein häufiges Instrument von Propaganda. Beispielhaft dafür die 1942
erstmalig verwendete Bezeichnung gesetzloser Kämpfer (unlawful combatant) zur
Einführung einer Klassifizierung von Kriegsgefangenen, die das Völkerrecht umgeht. Weitere
Beispiele: internationales Finanzjudentum, Islamo-Faschismus, sozialbehinderte
Jungmigranten.
Quellen von Neuwörtern
Eine Quelle von Neologismen, die Entlehnung aus anderen Sprachen, wurde bereits genannt.
Ein Sprachsystem stellt aber noch eine Reihe weiterer Mittel für die Neuwortbildung bereit.
Hierzu gehören unter anderem:
a) Komposition. Die Zusammensetzung neuer Wörter aus existierenden ist im Deutschen der
produktivste Wortbildungsprozess und entsprechend auch eine ergiebige Quelle für
Neologismen (Dosenpfand, Genmais);
b) Derivation. Die Ableitung mittels Affixen (insbesondere Präfixe oder Suffixe) ist ebenfalls eine
ergiebige Quelle. Dabei können Affixe selber Neuprägungen sein (z. B. Cyber-) und eine
größere Gruppe von Neuwörtern prägen (Cyberpunk, Cyberkriminalität);
c) Abkürzungen sind ein wichtiges Mittel sprachlicher Ökonomie. Verfestigt sich ihr Gebrauch,
dann können auch sie als Neologismen betrachtet werden (SMS, Hiwi, Azubi);
d) Zusammenziehungen, im Englischen auch portmanteaus genannt. Diese werden aus dem
ersten Teil einen Wortes und dem zweiten Teil eines zweiten Wortes gebildet, Beispiel:
education + entertainment > Edutainment. Zusammenziehungen sind im Deutschen selten, sie
werden meist aus anderen Sprachen entlehnt;
e) Ein typischer Fall für ein neu entstehendes Wort ist, dass ein Wort durch ein anderes ersetzt
wird, oft aus Gründen des Marketing oder der politischen Korrektheit – insbesondere als
Euphemismus, also um ein negativ belegtes Wort (Pejorativ) zu verdrängen. Manche Wörter
unterliegen zudem einer „sprachlichen Inflation“ (Abnutzung, vergl. Euphemismus-Tretmühle),
und Neuschöpfungen oder die Verwendung außergewöhnlicher Bezeichnungen dienen dazu,
den Sensationswert zu steigern und Aufmerksamkeit zu erregen. Beispiele aus der Werbung: 11
Technologie, wo eigentlich Technik gemeint ist; Zahncreme anstelle der gewöhnlichen
Zahnpasta; exklusive Schreibweise Cigaretten. Ursache dafür ist häufig, dass neue Trends und
Entwicklungen – heutzutage meist aus dem englischsprachigen Raum – zu uns gelangen
(Kulturdominanz), und die Szene bzw. das Fachpublikum die zugehörigen Begriffe (Xenismen)
unreflektiert auch im deutschen Kontext verwendet oder eine weniger gelungene Übertragung
vornimmt. Das geschieht sogar dann, wenn es einen synonymen Begriff bereits gibt, eventuell
gerade in der Absicht, den Benutzer neudeutscher Wörter als Insider auszuweisen
(Szenesprache). Das Wort Neudeutsch selbst kann als Beispiel dafür dienen: Es ist eine
Neuschöpfung in Analogie zu Neusprech (englisch: Newspeak) aus dem Roman 1984 von
George Orwell. Die Verwendung des Wortes impliziert zumindest eine kritische Distanz des
Verwenders gegenüber Neologismen und das Bewusstsein um die „Macht der Sprache“, soll
ihn also als einer gebildeten und aufmerksamen, wertebewußten Schicht zugehörig
auszeichnen.
Im Unterschied dazu stehen Fremdwörter, die sich durchsetzen, weil kein angemessener
deutscher Begriff verfügbar ist. Sie dienen oft zunächst der präzisen Ausdrucksweise in
Fachkreisen, verbreiten sich dann teilweise in das gehobene Allgemeinwissen, bis einige
schließlich im alltäglichen Sprachgebrauch landen und dann gar nicht mehr als fremd
empfunden werden. Regionale Unterschiede können über den Jargon der Massenmedien in
das Standarddeutsch eingehen. Ein Beispiel sind autochthone Varianten, die sich in den Jahren
der Trennung Deutschlands Mitte des 20. Jahrhunderts unterschiedlich entwickelt haben.
Beispiele: Podcast, zusammengesetzt aus Apples „iPod“ und „broadcast“ (engl. Sendung): Eine
Sendung, die man auf einem MP3-Player wie dem iPod nachträglich anhören kann, indem man
diese aus dem Internet herunterlädt; Politesse, aus Polizei und Hostess; sitt, als Anlehnung an
satt: nicht mehr durstig; im Rahmen eines Wettbewerbs zur Suche eines entsprechenden
Wortes erfunden; Blog, Vlog, abgeleitet von web-log bzw. video-log (engl. für Internet-/Video-
Tagebuch) – häufig aktualisierte Homepage im Internet; Folksonomy, Menschenmaterial,
Eierschalensollbruchstellenverursacher, Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht, Islamophobie.
Neologismen zur Legitimierung gesellschaftlicher und politischer Veränderungen:
Gesellschaftliche Veränderungen, die eine politische Legitimation benötigen, führten oft zur
Neuschöpfung von Wörtern.
3. Wortschatzarbeit und Wortschatzvermittlung
Der Wortschatz als Speicher lexikalischer Mittel → vielfach aufgefächertes Inventar von
Erscheinungsformen → Auswahl sprachlicher Mittel ⇨ Möglichkeiten im 12
Kommunikationsprozess: Sprechereinstellung zum Kommunikationsgegenstand und zum
Kommunikationspartner → Emotionalität/Bewertungsrichtung → z.B. Haus, Hütte, Palast,
Bude → Ableitungsmittel → Vielschichtigkeit des Wortschatzes/Mehrdeutigkeit sprachlicher
Einheiten → sprachliche Nuancierungen/Differenzierungen in der Kommunikationspraxis. Die
Wortschatzarbeit führt neue Begriffe und Sprachstrukturen nicht isoliert ein; verwendet und
grenzt neue Begriffe/Strukturen in bekannten Wortfeldern ab; führt zu relevanten mündlichen
und schriftlichen Äußerungen und vermeidet mechanischen Sprachgebrauch; fördert das
Sprachbewusstsein und die Einschätzung der kommunikativen Situation vs. adäquate Auswahl
der eingesetzten Sprachmittel: Wer gebraucht wann welchen Ausdruck mit welcher Absicht im
Gespräch mit wem? → semantische Probleme fachspezifischer Wortschatzarbeit → Tipps zur
Wortschatzerweiterung: alternative Wörterbücher [Thesaurus, Kollokationen-Wörterbuch,
Bildwörterbuch, Slangwörterbuch, Enzyklopädien, Fachwörterbücher] und Glossare;
Internetnutzung (z.B. Tageszeitungen); Kontakt mit Muttersprachlern; Liedtexte übersetzen
(Kontrolle im Internet); Wortschatzspiele (z.B. Scrabble); Reisen, Lesen, Radio- und TV-
Sendungen → Sprachkompetenz [= internalisiertes Wissen, das die Bildung von
Sätzen/Äußerungen ermöglicht u.zw. entsprechend den Mitteilungsabsichten des Produzenten]
→ Perspektivenvielfalt: formal, inhaltlich, kommunikativ → sprachliche FERTIGKEITEN →
richtige Interpretation der Sätze/Äußerungen bzw. Mehrdeutigkeiten erfassen →
Bedeutungsfixierung vs. Disambiguierung [Aufheben der Mehrdeutigkeit].
4. Wörter als Zeitzeugen
Zwischen sprachlichem Wandel, Fachausdruck und purer Nachlässigkeit und
Gedankenlosigkeit muss unterschieden werden. Das Aufkommen und der Untergang der
Wörter spiegeln immer auch die Zeit, die Veränderungen der Lebensbedingungen und den
gesellschaftlichen Wandel wider. Bei der Durchsetzung von sprachlichen Alternativen spielt u.a.
der Einfluss der Medien oder der Werbung eine Rolle. Die Gesellschaft für deutsche Sprache
(GfdS) in Wiesbaden gibt am Jahresende die „Sprachhitliste“ “Wörter des Jahres” heraus; seit
1991 auf Grund von Umfragen auch das „Unwort des Jahres“. Die Wiesbadener Gesellschaft
wählt nicht die häufigsten Wortformen zu „Wörtern des Jahres“, sondern eher diejenigen, die für
das vergangene Jahr chrakteristisch waren. Es handelt sich um Schlüsselbegriffe, die für das
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Leben und Denken, für die Kultur eines Jahres repräsentativ sein sollten: finale Vergruftung,
Nulllösung, Ozonloch, Rinderwahnsinn, Augustputsch, Zar Boris, ausländerfrei, unkaputtbar,
virtuelle Realität, Globalisierung, genmanipuliert, Klonschaf, Euro, Event, Cousinenwirtschaft,
Telefonsex, Elefantenhochzeit, Dönerkebab. Unter den 811 Vorschlägen für die „100 Wörter
des Jahrhunderts“ sind selbstverständlich auch Anglizismen anzutreffen: Aids, Pop,
Psychanalyse, Computer, Drogen, Sex, Jeans.
Das heutige Sprachbild ist nur unter Einbezug der Vergangenheit begreifbar. Sprache ist
als eine historisch entstandene Erscheinung aufzufassen und zu beschreiben →
Sprachdynamik: Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen Veränderungen und den
sprachlichen Wandlungen: Veränderungen vs. Entwicklungen in der Sprache → in der
Lexematik schlagen sich die sprachlichen und gesellschaftlichen Veränderungen am
auffälligsten nieder → wechselseitige Aufnahme und Abgabe von Wortmaterial.
Linguistische Fragestellungen in der deutschsprachigen Öffentlichkeit: die
Rechtschreibung und ihre Reform; die feministische Linguistik; der angebliche Sprachverfall
und die Bedenken gegen einen übermäßigen und überflüssigen Anglizismengebrauch im
Deutschen. Große Unternehmen wie die Deutsche Post (GermanCalls, CityCalls, GlobalCalls),
die Deutsche Bundesbahn (service point, BahnCard, Fly & Drive, Rail & Fly) werden kritisiert →
Zunahme von Anglizismen im Alltagsdeutsch/Anglizismen-‚Flut‘ → die Dominanz des
Englischen wird kaum einzuschränken sein. Zahlreiche Entlehnungen aus dem Französischen
wurden durch das Englische zurückgedrängt bzw. verdrängt: Mannequin durch Modell, Revue
durch Show, Tendenz durch Trend, Playboy ersetzte Belami, Chanson wandelte sich zu Song,
Ticket hat Billet verdrängt.
Anglizismen sind auf dem Vormarsch, einst verpönt, heute “dudenreif”: Babysitter,
Comeback, clever, Feature, Publicity. Fachausdrücke im Sprachalltag: rationell statt sparsam,
Gynäkologe statt Frauenarzt, Etage statt Stockwerk, Helikopter statt Hubschrauber, Zentrum
statt Statdtmitte; Internationalismen: Demonstration, Distribution, Kompetenz, Kybernetik,
Mechanik, Psychologie. Über den amerikanischen Einfluss haben eine Reihe längst
ausgeschiedener lateinischer Fremdwörter eine „unerwartete Wiederkehr” erlebt: Divergenz,
Relevanz, Subversion, Mobilität.
Die Printmedien und die elektronischen Medien (Film, Funk, Fernsehen, Internet) sind
die Multiplikatoren, Verstärker und Beschleuniger sprachlicher Entwicklungsrichtungen. Die
Wege der Übernhame sind vielfältiger geworden: Im Unterschied zu den vorigen Jahrhunderten
sind heute durch das Informationswesen, den Verkehr, die Wirtschaft, die Werbung usw. reiche
Möglichkeiten für Sprachkontakte geboten. Der intensive Sprachkontakt, die weitverbreitete
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Zweisprachigkeit und nicht zuletzt die Bezeichnungslücken in Wirtschaft, Wissenschaft und
Computer sind die Voraussetzungen für zahlreiche Entlehnungen aus dem Englischen.
Ein erheblicher Teil der Importe lebt nur kurzzeitig in der Empfängersprache; manche
Sprachimporte sind „modische Protzereien”, andere aber willkommene Bereicherungen. Der
Gebrauch englischer Wörter nimmt zu; heute wird geschätzt, dass das Deutsche aus dem
Englischen und Amerikanischen 4000 Wörter übernommen hat. Die Laienlinguistik und
Anglizismenjäger, deren Klagen über den nicht aufzuhaltenden Sprachverfall nicht aufhören
wollen, vergessen, dass jeder Sprachzustand Altes und Neues, Eigenes wie Fremdes vereint –
ein Nebeneinander, das der Sprache nicht schaden kann. Institutionen wie Post, Bahn,
Lufthansa, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens greifen immer mehr zu einer
Mischsprache. 1997 ist die Modeschöpferin Jil Sander vom „Verein zur Wahrung der deutschen
Sprache” für folgende Aussage (Beispiel für Denglisch) mit einem„Sprachpanscher”-Preis
geächtet worden: „Mein Leben ist eine giving-story Ich habe verstanden, dass man
contemporary sein muss, das future-denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-
Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated
concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen
muss. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste
Mensch von heute kann die Sachen, die refined Qualitäten mit spirit aben auch appreciaten.
[…]Wer Ladysches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless,
das magic meines Stils.”
Die Sprachschützer sprechen von Denglisch, Deutschlisch (es gibt auch überflüssige und
ärgerliche Anglizismen!); die Sprachhüter sind laut eigenen Angaben keine Fremdworthasser,
sie möchten aber gegen überflüssiges „Denglisch” antreten, das von Managern und auch
Werbeleuten gesprochen wird. Es geht nicht darum, eingebürgerte und bekannte englische
Wörter, die längst zum deutschen Sprachgebrauch hören, zu beseitigen; der Zorn der
Sprachschützer richtet sich gegen solche Fremdwörter, für die es im Deutschen gleichwertige -
wenn nicht bessere - Wörter gibt: Nutzer statt User, Ereignis statt Event oder Zeitlupe statt slow
motion.
Kaum eine Sprache kommt ohne Lehnwörter aus anderen Sprach- und Kulturräumen
aus. Die Klagen über die gefährliche Überflutung sind unbegründet und so alt, wie die Sprache
selbst. Der englische Einfluss muss zu den auffallenden Entwicklungserscheinungen der
deutschen Sprache der Gegenwart gerechnet werden. Nicht allein die Fülle, sondern die
Vielfalt der Aufnahmewege machen diese Erscheinung für die Sprachwissenschaft und -pflege
interessant.
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Der Einfluss des Englischen auf die deutsche geschriebene und gesprochene Sprache
wird von den Sprachpflegern kritisch betrachtet → Konsequenzen und Status englischer
Transferenzen bzw. Dauerhaftigkeit des Vorgangs → keine Sprache der Welt kommt ohne
Fremdwörter aus. Fragen des öffentlichen Sprachgebrauchs in den Medien und der
übermäßige Anglizismengebrauch: Fremdwörter → stiften mehr Nutzen als Schaden? Ihre
speziellen Funktionen lassen sich in Opposition zu einheimischem Sprachmaterial ableiten. Aus
der Konkurrenz von Fremdwort und deutschem Wort wird der Wortbestand der
Aufnahmesprache angereichert mit neuen Bedeutungen, Nuancen, wird sich eine Verfeinerung
ihrer Ausdrucksmöglichkeiten abzeichnen.
Die politischen Vereinigungsprozesse, die Explosion der elektronischen Medien, die
rasche Verbreitung der Information und das Internet als Informationsquelle erleichtern den
Einzug der Internationalismen englischen Ursprungs. Die Tendenz der Anglisierung und
Amerikanisierung der deutschen Gegenwartssprache ist als eine europäische Sprachbewegung
(Braun 1987, 193) zu betrachten → vgl. auch den Begriff „Franglais” für anglisiertes
Französisch oder Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng vs. Romengleza.
Exkurs: Computer- Internet - Werbe‘deutsch‘?
Die gesamte Internet-Metakommunikation vollzieht sich fast ausschließlich auf Englisch: Audio-,
Text-Channel, E-Mail, Internet, Local Area Network, Metro Area Network, Homebanking,
Homeshopping, Teleworking, Button, Access-Provider, Cracker, Chat, Browser, Bit, Basic, AOL,
Content Provider, Service Provider, High-Tech, Datenhighway, Imputs, Outputs.
Schlüsselbegriffe werden fast nicht mehr übersetzt: browser, chat, page, pagemaster, tools,
Cyber-Space, link, Modem, on line, server, web. Hier begegnet eine eigenartige und oft
fehlerhafte Mixtur aus amerikanischem Englisch und Deutsch. Die deutschen Fachtermini
bestehen aus Übersetzungen englischer Termini und direkten Übernahmen englischer Termini
als Fremdwörter. Für manche Begriffe aus der englischen Computerterminologie hat man
treffende Entsprechungen im Deutschen gefunden: Maus (’Mausklick’, ’Maustaste’), ’Menü’,
’Datei’. Lehnübersetzungen erscheinen vor allem im Softwarebereich: Fenster, aktiviertes
Dokument, Rollbox, Rollbalken, durchblättern, löschen, ausschneiden, Speicher,
Datenautobahn, Ordner, Suchmaschine, Menüpunkt, suchen, ändern, speichern, schließen,
numerieren, sortieren, trennen. Neben Lehnübersetzungen erscheinen unübersetzte, als
Fremdwörter gebräuchliche Termini oder Internationalismen wie aktivieren, formatieren,
adressieren, Diskette, Option, Finder, Font. Fremdwörter, direkt aus dem Englischen
übernommen, die weder in der Schreibung noch in der Aussprache dem Deutschen angepasst
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sind: File, Server, Backup, Scanner, Cursor, Desktop, Publishing, Access-Provider, Content
Provider, Service Provider, High-Tech, Imputs, Outputs. Es kommen auch zahlreiche
Abkürzungen (mit unübersetzten englischen Basen und die auch als Kompositateile
vorkommen): RAM-Disc, PC, MS-DOS; Hybridbildungen (etwa Komposita, die morphologisch
integriert sind, aber im Stamm Fremdelemente enthalten): absaven, Webseite, Zeilendisplay,
Compiliersprache, Datenhighway. Folgende Begriffe aus der Computerwelt haben Eingang in
die Alltagssprache gefunden: File, Server, Video-, Audio-, Text-Channel, E-Mail, Internet,
Homebanking, Homeshopping, Hotline, Schnittstelle, gecheckt, gebrieft, gefixt, geoutet, geliftet,
gefrustet, cancel, getrickst, gefault, ausgesurft, gelyncht, clicken.
Der Umgang mit den Computern erneuerte zum Teil das jugendtypische Vokabular:
falsch programmiert sein, ein total falsches Programm für etwas haben; einen leeren Speicher
haben, einen veralteten Prozessor haben drücken Zweifel an den Geisteskräften des
Kommunikationspartners aus. Das Computer- und Internet-Englisch zeugt von dem gewaltigen
Einfluss des Englischen auf das alltägliche Deutsch: gecheckt, gebrieft, gefixt, geoutet, geliftet,
gefrustet, cancel, getrickst, gefault, ausgesurft, gelyncht. Das Deutsche ist eigentlich durch das
technische Cyber-Deutsch nicht gefährdet, es wird durch die aus der Computersphäre
stammenden Neologismen ja nicht nur belastet, sondern auch bereichert.
„Werbechinesisch”: Advertising, Covergirl, Layout, Salesmanship, Slogan, Hot Dog, Anti
Age System, Bodylotion, High Power, High Performance, High Tech, cool - viele Fremdwörter
gehen auf lateinisches Sprachmaterial zurück, sind als Internationalismen leicht verständlich.
Die Werbung hat Tausende von Anglizismen, von denen viele mit wechselnder Mode und
verändertem Warenangebot ins Deutsche gebracht. Manche von ihnen haben deutsche
Wortbildungs- und Flexionsmorpheme angenommen: canceln, checken, computern, designen,
formatieren, jobkilling, joggen, layouten, leasen, rappend, recyclen, relaxen, saven, scannen,
skaten, snaken, soundmixen, surfen/sörfen, trampen; abgefuckt, anpowern, anturnen/antörnen,
ausflippen, reinmoven, reinpowern. Mischkomposita („übelklingende anglo-deutsche Zwitter”)
sind: Action-Film, Aerobicsocken, Brot-Shop, Country-Musik, Fitnesspfad, Frischebox,
Gartencenter, Jet-Flug, Jogginganzug, Käsetoast, Leasinggeber, light-Bier, Livesendung, Milch-
Shake, Raumdesigner, Reiseboom, Reiscrispies, Sparleasing, Wickeltisch-Service,
verfassungskonform, Third-stream-Musik, Round-Table-Gespräch, Auftragsboom,
Übersetzerteam. Wortbildungen, die man als Pseudowörter bezeichnen könnte, sind: Bahn
Card, Family & Friends Tarif; englische Warenbezeichnungen: After Shave Lotion, Cleanser;
englische Orthographie: Cigarette statt Zigarette (oft wird „c“ mit „k“ ersetzt z.B. in exklusiv,
kreativ, Klub). Werbeanzeigen erscheinen mit englischen Titeln, um die Aufmerksamkeit auf
bestimmte Produkte zu lenken. Werbetexte z.B. in der Mode für Babies, Kids, Teenies, Twens:
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coloured Denim-Jeans, gebleached Jacket, Shorties, Sweatshirt, Zipper, Sweater; vgl. Das
„Jeanslatein”: stone-washed, mill-washed, pre-washed, bleached.
Scheinentlehnungen/Scheinfremdwörtern sind: z.B. Twen (zu engl. twenty)[= ’Person zwischen
20 und 29 Jahren’], eine Wortschöpfung der deutschen Bekleidungsindustrie (vgl. auch
Smoking, Pullunder. Dressman, Showmaster,Talkmaster, Happy-End, Handy). Es kommen
nicht nur englische, sondern auch italienische und französische Bezeichnungen und
Eigennamen für Produkt-/Warennamen (vor allem auf dem Gebiet der Kosmetik, der Kleidung
und der Nahrungs- und Genussmittel) vor: Astor, Lord extra, Marlboro (Zigaretten); Polycolor
Creme-Shampoo-Pastell (Haarfärbemittel); Enden-Clear golden liquid, Old Spice Stick
Deodorant, Tabac Original Deodorant Spray, Yardley Shower Talc Deodorant, Axe, Feature for
Men, Sir, Ardena Skin Deep Milky Cleanser (Kosmetikartikel), Gabriella (Dessous); coloured
Denim-Jeans, gebleached Jacket, Shorties, Sweatshirt, Sweater (Kleidung), picobello
(Kehrmaschinen); Michelangelo, Leonardo (Fernsehgeräte der Firma Philips); Admiral, Consul,
Diplomat, Mercedes, Rekord, Senator (Auto); Puschkin (Wodka), Black & White, Johnny
Walker, White Horse (Whisky); Presta Indian-Tonic-Water; Super-Patna-Selecta-Reis. Die
Sprachteilhaber greifen zu fremdsprachlichen Elementen, um Originalität, Modernität und
Werbewirksamkeit zu signalisieren. Werbetexter hoffen durch ihre Bereitschaft, Anglizismen
aufzunehmen, eine übersteigerte Werbewirksamkeit zu erreichen, entsinnen „Blä- und
Zauberworte” (Schneider, 1996,105): z.B. Creative Director (Direktor der Schöpfung !?).
Die Bezeichnungen für ‚Läden‘ (‚Verkaufsstellen‘) → Internationalisierung der
Gaststättenamen: das Denotat ‚Laden‘ als ‚öffentlich zugängliche Verkaufstelle für Waren und
Dienstleistungen‘ hat ein ganzes Feld neuer Benennungen um sich eröffnet hat, in denen
Originalität und Modernität zum Ausdruck kommen sollen; sehr beliebt sind die Ausdrücke, die
in verschiedenen Sprachen ‚Läden‘ bedeuten: Beauty-Basar, Wurst-Basar, Blühtique, Army-
Discount, Souvenir-Store, Büchermagazin, Frischbrot-Shop, Intim-Shop. Eine besondere
Gruppe umfasst die Zusammensetzungen mit ‚Centrum‘,‚Center‘ und ‚Zentrum‘: Abflusszentrale
(=Klempnerei), Car Color Center (= Autolacke), Fell-Zentrale (= Laden für Auto-Sitzbezüge);
Freizeitzentrum Muskelkater, Mietenter (= Autoverleih), Mundcenter (=Zahnputzzubehör), Self-
Wasch-Center Münzstudi (= gewerbliche Waschküche); stark verbreitet sind englische,
italienische und französische Ausdrücke und Eigennamen, die das zum Verkauf stehende
Produkt bezeichnen oder darauf verweisen: City-Wash + Proper Point (= gewerbliche
Waschküchen), Gabriella (= Dessous), modern fold (=Harmonikatüren), picobello (=
Kehrmaschinen), Bijou Bla-Bla; sehr oft erscheinen Zusammensetzungen mit ‚–in‘: Chic-in (=
Kleiderladen), Teig-in (= Nudelgeschäft) → Überfremdung des Wortfeldes durch Anglizismen
feststellbar, in denen sich Bemühungen um Originalität und Individualisierung niederschlagen:
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Beauty Line, Charme Beauté, Biotronic Institut für apparative Ganzheitskosmetik, Hollywood
Nail & Cosmetic Studio, Sheriffs Black Cosmetic, Spinnrad-Kosmetik zum Selbermachen;
Barbier Benny, Bellezza, Biosthetique-Haarpflege, Fanatic Cut, Figaros Locke, Inge‘s
Frisierstube, Frisurenkiste, Haircutters, City-Hairdresser, Hair-Inn, Hairpoint, Hairport, Hair-
Station, Intercoiffure, Joy of Hair, Kamm und Schere, Kojak, Lockenstübchen, Lui e Lei Stilista,
Peluqueria, La tete. Der Ausdruck ‚Laden‘ ist Bedeutungsverschiebungen ausgesetzt worden:
vgl. Gemüseladen, Bioladen, Kulturladen. Fazit: Englisch ist lingua franca in der Wirtschaft, im
Computerwesen und in der Werbung und Weder Deutsch noch Englisch: Denglitsch,
Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng, Deuglisch!
Ist in manchen Bereichen der öffentlichen Kommunikation die große Anzahl von
Anglizismen wirklich notwendig? Verdanken wir nicht einen bestimmten Umgang mit
Fremdwörtern einem Imponiergehabe, wenn z.B. Fremdwörter als Ausdruck von
Pseudogelehrtheit oder oberflächlicher Modernität gebraucht werden? Oft handelt es sich auch
um ein „bad English“, mit dem geprotzt wird. Leser verschiedener Zeitungen/Zeitschriften
äußern sich als Gegener der Anglizismen negativ zu dieser Erscheinung, beklagen die
Mißhandlung der Sprache: sie sei „nicht mehr wie früher“. Warum sollte man cool benutzen
wenn in der Muttersprache kühl zur Verfügung steht? Die gefährliche Überflutung der
deutschen Sprache von Anglizismen in Presse, Funk, Fernsehen und kommerzielle Werbung
führte zu einer „sprachlichen Verkümmerung“ des Typs „Dummdeutsch”/“Amideutsch“ →
Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng, Deuglisch: BroSis Style für Ihr
Handy, HobbySwingerin, coming-out, Last minute-Angebot, Popsänger, Jetflug, Auftragsboom,
Ärzteteam, hart gefightet, handgefinishte Damenbekleidung, gehandikapte Mannschaften,
grillen, killen, trampen sind Beispiele für eine Mischsprache (Ami-Welsch), für eine „unnatürliche
Vermischung” deutscher und englischer Wörter; es werden Ausdrücke der Fremdsprache mit
Verben der Muttersprache verknüpft, englische Endungen tauchen bei deutschen Wörtern auf,
deutsche Endungen bei Anglizismen, Groß- oder Kleinschreibung, mit Bindestrich oder „in
einem Wort“, mischsprachige Satzkonstruktionen.
Die „Fremdwörterei” hat „allergische Überreaktionen“ (Stemmler 1994, 79) ausgelöst;
man kämpft mit „teutonischer Tapferkeit“ gegen die „Fremdwortflut” und die angebliche
„Kolonisierung des Deutschen durch das Englische“ (“Rheinischer Mekur”, 20. 2. 1998). Das
Werbe-Denglisch sei meistens nur dümmlich, bemerkt auch „Der Spiegel“ (20.4.1998) und
verweist besonders auf die Sprache der Firma Telekom; auch Unternehmen und Banken
greifen häufiger zu englischen Ausdrücken, auch dort, wo es nicht unbedingt nötig sei. Dass
z.B. zahlreiche moderne Berufsbezeichnungen kaum noch auf die üblichen Visitenkarten
passen, bemerkt Titus Arnu („Süddeutsche Zeitung Magazin“, 17.10.1997); hier heißt es
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Account Executive Marketing-Koordinator/Direct Marketing oder auch Field Application
Engineer/Compiling Solutions for Embedded Systems → auch bei den Stellenanzeigen trifft
man auf „eine Geheimsprache“ .
VORLESUNG 2: MÖGLICHKEITEN DER WORTSCHATZERWEITERUNG
1. Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung im Überblick
1. Wortschöpfung [= Neuprägung eines Wortes z.T. ohne Rückgriff auf vorhandene
Wörter/Morpheme]: Töfftöff, klicken [Onomatopoetikon; Neuwort], simsen [Neuwort],
Pendlerpauschale [Neuwort], Maus [Neubedeutung], O2 [Markenname]; Kunstwort [nicht mit
den natürlichen Mittel der Wortbildung einer Sprache gebildet, keine Entlehnung: Teuro, Q10,
Aktiv-Sauerstoff]; Gelegenheitsbildungen [einmal oder selten im Gebrauch; besteht meist nur
im Kontext; vgl. Ich-kann-nicht-anders-als-weinen-Gefühl]
2. Wortbildung [= Bildung eines komplexen Wortes aus vorhandenen Wörtern/Morphemen:
Kombination, Konversion, Kürzung]: Zusammensetzungen, Ableitungen, Kürzungen,
Kontaminationen, Zusammenrückungen, Reduplikationen, Lautnachahmung,
Analogiebildungen: Literaturpapst
3. Phraseologisierung [und das ist gut so]
4. semantische Transfers/Bedeutungswandel [neue Seme: Netz, Seiten]
5. Homonyme und neue WB-morpheme [die Ex, Ex-Chef, Ex-Innenminister]
6. Entlehnungen: [= Übernahme eines Wortes aus einer anderen Sprache: Fremdwort,
Lehnwort, Lehnübersetzung, Lehnübertragung, ab 1945 vorwiegend Anglizismen: Manager,
Airbag, skaten, Gag; zusätzliche Seme: feuern; Fenster, Keller, Wein, Königinmutter,
Wolkenkratzer]
2. Ursachen für die Wortschatzerweiterung
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Schwerpunkte: ⇨ Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung im Überblick ⇨ Ursachen für die Wortschatzerweiterung (sprachinterne und sprachexterne Faktoren) ⇨ Verfahren der Wort- (Weiter)Bildung: Die Wortbildung als Mittel der Wortschatzerweiterung: Faktoren der Wortbildung ⇨ Hauptformen der deutschen Wortbildung: die Ableitung (Derivation) und die Zusammensetzung (Komposition)
Sprachexterne Faktoren: Bezeichnungsbedarf durch wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Veränderungen [neue kommunikative Anforderungen durch außersprachliche soziokulturelle
Veränderungen: Medien, Technik, gesellschaftliche Verhältnisse]; aktuelle Ereignisse
[Bankenkrise]; Erfindungen und neue außersprachliche Referenten [iPhone]; orthografische
Regelungen; Terminologien [DIN]; Vorschriften [Feminisierung: Lehrerinnen und Lehrer vs.
Lehrer/innen; LehrerInnen]; neue Ideologien; Sprachkontakt [Aftobus, Pomodore]
Sprachinterne Faktoren: neue Lexeme: durch Wortbildungsprozesse < einfache oder
komplexe Lexeme, mit/ohne neuer Bedeutung; neue lexikalische Einheiten: durch
semantischen Transfer, neue Bedeutung (Polysemie); neue Morpheme: freie/gebundene
Morpheme, neue Lexikonregeln; Verstöße → gegen Bestehendes → Normen → übliche
Verwendungsregeln; die Veränderungen im Wortschatz sind bestimmt durch: → das
sprachlich-kommunikative Handeln → kommunikative und kognitive Bedürfnisse →
Reduktionen → Entfaltungen → Strukturveränderungen → Bedeutungswandel →
Übernahmen fremden Wortgutes; füllen Lücken im WS aus oder verdrängen andere Wörter →
bestimmte Wörter rücken an die Peripherie des WS; sie veralten, sterben aus und sind den
Sprechern nicht mehr bekannt; Wörter werden aus anderen Sprachen entlehnt bzw.
eingedeutscht; Wörtern tauchen in anderen Gebrauchssphären auf; sie erscheinen in einem
neuen Kontext; ihre Bedeutung verändert.
3. Verfahren der Wort- (Weiter)Bildung: Die Wortbildung als Mittel der WSE: Faktoren der
Wortbildung
Die Wortbildung ist die Bildung neuer Wörter durch Kombinationen vorhandener Wörter oder
mit Wortbildungselementen nach bestimmten Strukturtypen oder Mustern. Die Wortbildung
aus vorhandenen Worten ist die wichtigste Möglichkeit bei der Wortbildung der deutschen
Sprache, das spricht sehr für die Sprache. Andere Möglichkeiten wären die Entlehnung oder
der Bedeutungswandel. Es gibt bestimmte Strukturmodelle, die man Wortbildungsarten nennt.
Die Ursachen der Wortbildung ergeben sich aus den Gründen der Wortschatzerweiterung.
Die Mehrzahl aller Wörter entsteht durch Wortbildung. Die Gründe für die Wortentstehung
sind mannigfaltig:
a) Benennungsbedürfnis,
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b) die Erfordernis, Bezeichnungslücken zu schließen,
c) Bedürfnis, vorhandene Bezeichnungen zu ersetzen und zu ergänzen,
d) pragmatische Gründe (Wandel von Fremdarbeiter – Gastarbeiter –
ausländische Mitbürger; Altersheim – Feierabendheim – Seniorenheim),
e) Sprachökonomie (z.B. Rundtischgespräch),
f) Expressivität und Ausdrucksstärke (z.B. sauber – blitzsauber, reaktionär –
erzreaktionär).
Die Wortbildung ist weitgehend auf die Wortarten Substantiv, Adjektiv (sowie Adverb) und
Verb beschränkt, zu deren Ausbau sie auf verschiedene Weise und in ganz unterschiedlichem
Maße beiträgt. Laut der Duden-Grammatik (1995, 427) hängt die Verteilung der Bildungen auf
die verschiedenen Wortarten u.a. von folgenden Faktoren ab:
vom Anteil, den die Hauptwortarten am Grundwortschatz der Ausgangswörter haben (bei
den Adjektiven werden z.B. nur einige hundert Simplizia gezählt);
von der Produktivität der Suffixe (bei -bar ist sie z.B. sehr groß, bei -sam gering) und der
Leistung der sie ergänzenden Halbsuffixe (neben verwendbar auch verwendungsfähig
usw.), ähnlich wie bei den Präfixen im Zusammenspiel mit Halbpräfixen;
von der Tendenz, Lexeme der Hauptwortarten zu einem Wort zu verbinden
(Univerbierung); Bei den Substantiven ist sie sehr groß, bei den Adjektiven hingegen nur
mäßig und bei den Verben kaum vorhanden;
von dem Bedarf an Bildungen, der sich z. B. in den Fachsprachen in erster Linie auf den
Ausbau des substantivischen Wortschatzes richtet, besonders im Hinblick auf die vielen
benötigten Gegenstandsbenennungen und Begriffe, die - wie die Determinativkomposita -
gewissermaßen eine Definition in sich enthalten;
von Rahmenbedingungen des allgemeinen Sprachgebrauchs, im heutigen Deutsch z.B. von
der Neigung zum Aufbau umfangreicher Nominalgruppen (die verwaltungsmäßige
Verzögerung der Ausstellung von Ausnahmebewilligungen);
von zahlreichen sozialen und geistigen Rahmenbedingungen, z.B. von der Bereitschaft zur
Übernahme von Fremdwörtern oder zu ihrer Umbildung (auch Übersetzung) ins Deutsche
(vgl. Heroentum neben Heroismus; im 19. Jh. Volkstum statt Nationalität);
von Bedingungen der Kommunikationsmedien, die etwa zur Wortverdichtung in den
Schlagzeilen der Presse führen usw.
Die Wortbildung wird durch gewisse Faktoren bestimmt, auf die im Folgenden eingegangen
werden soll (vgl. Duden-Grammatik 1995, 430-432):
1. Die Art einer Substantivzusammensetzung bestimmt das, was damit ausgedrückt
oder bezeichnet werden soll. Bei neuen Produkten wird beispielsweise das
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übliche Gattungswort zum Grundwort der Wortbildung gewählt, wobei ihm das
sinnwichtigste oder präziseste Wort, das das Produkt beschreibt, als
Bestimmungswort vorangestellt wird z.B. Brotmaschine – eine Maschine, mit der
Brot geschnitten wird; Bohrmaschine – eine Maschine zum Bohren von Löchern.
Im Grundwort kommt ein Oberbegriff (Genus proximum) vor, der durch das
Bestimmungswort, das ein spezifisches Merkmal darstellt (Differentia specifica),
näher bestimmt wird. In unserem Beispiel ist die Maschine Oberbegriff
(Grundwort) und Brot- bzw. Bohr- Bestimmungswort. Der Oberbegriff ist zugleich
auch grammatisch dominant. Die beiden Konstituenten des Kompositums
brauchen vor der Zusammensetzung in keinerlei semantischer Beziehung
zueinander gestanden zu haben.
2. Bei Komposita, die schon vorhandene Bezeichnungen ersetzen sollen, sind eher
psychologische Motivationen am Werk. Die neue Bildung soll leicht merkbar sein,
sich an geläufige Gebrauchsmuster anlehnen und gewisse Assoziationen
auslösen. Ein Beispiel dafür wären die neuen Berufsbezeichnungen, die zur
Beseitigung negativer Konnotationen eingeführt wurden: Die Putzfrau wurde zur
Raumpflegerin, die Blumenhändlerin zur Floristin, das Dienstmädchen zur
Haushaltshilfe. Für Krankenschwester wurde die Bezeichnung Krankenpflege
erfunden, die auch eine maskuline Form hat. Bezeichnet wird hier jeweils
dasselbe, aber die Bewertung ist eine andere.
3. Die Wortbildung kann auch von fremdsprachlichen Mustern bestimmt werden. Es
geht dabei um Lehnübersetzungen und freiere Lehnübertragungen wie etwa
Wolkenkratzer aus engl. skyscraper oder Gipfeltreffen von engl. summit meeting.
4. Ferner ist die Wortbildungsart durch innersprachliche Bedingungen bestimmt:
der Zusammenhang zwischen bedeutungsverwandten Wörtern wird leicht verständlich,
wo die Wörter gemeinsame Teile haben, seien es Wortstämme (wie bei den Mitgliedern
einer Wortfamilie z.B. hör-en, hör-bar, Hör-er, Hör-barkeit usw.) oder Wortbildungsmittel
(wie -bar in hör-bar, ess-bar, genieß-bar);
bei gleichlautenden Wörtern (Homonymen) wie Tor (1. breiter Eingang in einer Mauer,
Vorrichtung aus Holz, 2. durch zwei Pfosten u. eine sie verbindende Querlatte markiertes
Ziel, in das der Ball zu spielen ist, 3. durch zwei in den Schnee gesteckte Stangen
markierter Durchgang, der bes. beim Slalom passiert werden muss) werden sie durch
ein Bestimmungswort eindeutig (1. Haustor, 2. Fußballtor, 3. Skitor).
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innerhalb von Fachsprachen werden weitere Differenzierungen durch zusätzliche
Bestimmungswörter vorgenommen (z.B. Purpurfarbstoff, Karminfarbstoff, Indigofarbstoff,
usw.);
der grammatische Formenbau (die Morphologie) kann für die Entstehung von
Wortbildungen bestimmend sein. Zu manchen Substantiven, die keinen Plural haben
(Regen, Unglück) gibt es zusammengesetzte Ersatzformen (Regen- bzw. Unglücksfälle).
Dasselbe gilt für Pluralwörter (Pluraliatantum) mit zusammengesetzten Ersatzformen für
den Singular (Unkosten - Unkostenbeitrag, Eltern - Elternteil); Wortbildungen können
auch syntaktisch begründet werden. Attributive Wortgruppen werden durch Komposition
zu einem zusammengesetzten Wort (z.B. Fremdherrschaft für fremde Herrschaft,
Adoptivkind für adoptiertes Kind, Leichtkost für leichte Kost);
die Zusammensetzung kann im Rahmen des Textaufbaus der Themabildung
(Topikalisierung) dienen. z. B. Tierfütterung – die Tiere werden gefüttert. Solche
Komposita eignen sich besonders als Überschriften für Zeitungsmeldungen oder
Schlagzeilen.
oft werden Wortbildungen durch soziologische Faktoren bestimmt. Das ist der Fall der
Neuprägungen und Augenblicksbildungen, die dem Erwartungshorizont ihrer Empfänger
- Leser oder Hörer - angepasst werden oder der Wortprägungen der
Gruppenzugehörigkeit und -unterscheidung, die meistens nur „für andere“ verwendet
werden: Kleinbürgertum, Großbürgertum. Hierher gehören auch Bildungen aus dem
Bereich der unterschiedlichen Gruppensprachen.
4. Die Hauptformen der deutschen Wortbildung
Ein zentrales Thema der germanistischen Sprachwissenschaft ist die Wortbildung als Teilgebiet
der Lexikologie, das sich mit den Regeln der Neubildung von Wörtern auseinandersetzt.
Folgende Ausführungen beruhen auf die von Pelz (2007) und Miclea (2002)
zusammengestellten Einführungen zur deutschen Wortbildung. Das wichtigste Mittel des
Ausbaus des Wortbestandes der deutschen Sprache ist die Wortbildung. Sie nimmt im System
der Sprachwissenschaft eine besondere Stellung ein, ihr Gebiet ist sehr umfangreich. Ein Wort
besteht entweder aus einem einzelnen lexikalischen Morphem oder aus einem einzelnen
grammatikalischen Morphem oder aus einer Kombination aus lexikalischen und
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grammatikalischen Morphem(en). Für deren Zusammentreten zu Wörtern gibt es in jeder
Sprache eigene verschiedene Muster. Dabei können freie Morpheme wieder mit freien
Morphemen zusammentreten (z.B.: Haus/tür, schall/dicht) und/oder mit gebundenen (z.B.
Schön/heit, zer/reiß, schnell/er; -heit, zer-, -er sind gebundene Morpheme). Die gebundenen
sind auf die Kombination angewiesen und treten nur zusammen mit einem oder mehreren
anderen (freien oder gebundenen) Morphemen auf (z.B.: schnell/er: freies lexikalisches +
gebundenes grammatikalisches Morphem). Die grammatikalischen Morpheme lassen sich nach
ihrer Funktion einteilen in Flexionsphormene (z.B. -t in er sagt) und Wortbildungsmorpheme
(z.B. -heit in Krankheit). Die Möglichkeiten der Wortbildung sind im Deutschen besonders
vielfältig. Zwei Wortbildungsmuster fallen im Deutschen durch sehr große Produktivität auf: die
Ableitung und die Zusammensetzung.
Die Ableitung (Derivation)
Die Ableitung besteht aus einem lexikalischen Morphem und einem oder mehreren
Wortbildungsmorphemen; ein Flexionsmorphem kann hinzutreten. Wortbildungsmorpheme
können zwei Funktionen haben: eine inhaltliche und/oder eine morphologische Funktion,
nämlich die, das lexikalische Morphem in eine andere Wortart abzuleiten.
Wortbildungsmopheme treten als Präfixe (= Vorsilben) oder als Suffixe (= Nachsilben) oder als
Infixe (= Zwischensilben) auf; Prä- und Suffixe werden unter dem Begriff Affixe
zusammengefasst. Man unterscheidet: die äußere Ableitung (explizite Derivation) und die
innere Abeitung (implizite Derivation). Die äußere Ableitung erfolgt durch Hinzufügung von
Affixen: dien-en, be-dien-en, Be-dien-ung, Dien-er, Dien-st, dien-lich; arbeit-en, ver-arbeit-en,
Ver-arbeit-ung, Arbeit-er, arbeit-sam. Die innere Ableitung erfolgt durch Stammveränderungen:
Ablaut, Umlaut, Konsonantenwechsel (ohne erkennbare Affixe): trinken-Trank-Trunk; biegen-
beugen. Die Ableitung tritt vorwiegend in den romanischen und slawischen Sprachen auf. Es
gibt eine große Zahl von Wörtern, die heute nicht mehr als Komposita gelten (obwohl sie es
ihrer Entstehung nach sind). Sie gelten nicht mehr als Komposita, weil einer ihrer Bestandteile
aufgehört hat, als selbständiges Wort zu existieren. Z. B.: ding-lich, er-lauben, Freund-schaft,
Un-ehre, Weis-heit. Hier erkennen wir jeweils nur ein selbständiges Wort, an das ein
(unselbständiges) Wortmittel getreten ist. Auch heute ist die Grenze zwischen einem
selbständigen Wort- und Ableitungsmitteln unscharf, denn es gibt zahlreiche Wörter, die
selbständig stehen können, trotzdem aber die Neigung zeigen, gruppenbildend, wie Affixe,
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aufzutreten: Biedermier, Blätterwerk, Gasmann, hoffnungsvoll, Marktweib, Prahlhans, ratlos,
redselig, Schlaumeier.
Die Ableitungen mit Hilfe von Präfixen werden in der Sprachwissenschaft unterschiedlich
behandelt. Manche Grammatiken ordnen sie unter historischem Gesichtspunkt als sogenannte
Präfixkomposita den Zusammensetzungen zu. W. SCHMIDT, der vom gegenwärtigen
Sprachstand ausgeht, betrachtet diese Bildungen jedoch als Ableitungen. Er begründet seine
Einstellung folgendermaßen: da die Morpheme:be-, ent-, er-, erz-, ge-, miß-, un-, ur-, ver-, zer-
in unserer Sprache nicht mehr selbständig auftreten können, gehören die damit gebildeten
Wörter zu den Ableitungen: z.B. begrüßen, entlaufen, erwarten, Erzbischof, Gefährte, Mißklang,
Unlust, Urlaub, vermieten, zerstören. Es gibt aber auch eine zweite Art der Ableitung, die ohne
erkennbare Affixe vor sich geht und seit JAKOB GRIMM „innere Ableitung“ genannt wird: z. B.
trinken - Trank – Trunk; binden - Band – Bund; biegen - beugen – brechen; heilen - heil – Heil.
Die Ableitung mit Suffixen
Suffixe zur Bildung von konkreten Substantiven
Zur Bildung männlicher Personenbezeichnungen (Personalia) dienen die Suffixe): -er (-ler, -
ner), -ing, -rich und die fremden Suffixe: -ant, -aster, -ian, -ist, -ikus.
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Das Suffix -er tritt bei der Bildung von Maskulina am häufigsten auf. Es dient zur Bildung
von Substantiven aus Substantiven und Verben, in einigen Fällen auch aus Adjektiven
und Numeralien: Schule - Schüler; weben - Weber, schuldig - Schuldiger, hundert -
Hunderter.
Mit dem Suffix -er werden Bezeichnungen für Personen nach ihrer Tätigeit gebildet.
Diese Bezeichnungen für Personen nach ihrer Tätigkeit heißen nomina agentis.
Berufsbezeichnungen sind z. B. Böttcher, Gärtner, Köhler (hier hat das Suffix -er die
Umlautung des Stammvokals bewirkt), dann: Maurer, Sattler, Schreiber. Aus den
Nomina agentis sind von Verben abgeleitete Ausdrücke entstanden, die auch die
Tätigkeit selbst bezeichnen. Bezeichnungen für Werkzeuge sind: Schalter, Klammer,
Drucker, Zeiger. Münzbezeichnungen (hier eine Übertragung auf leblose Gegenstände):
Kreuzer (eine mit einem Kreuz bezeichnete Münze), Heller (Münze aus Schwäbisch
Hall), Taler (Münze aus Joachimsthal), und aus Zahlen abgeleitete Bezeichnungen:
Dreier, Sechser.
Mit Hilfe des Suffixes -er werden aus nomina actionis (Bezeichnungen für Tätigkeiten)
nomina agentis gebildet: Mörder - aus Mord abgleitet; Lehrer - aus Lehre; Spieler - aus
Spiel. Sie erweckten den Eindruck, dass sie direkt auf Verben zurückgehen. Deshalb
entstanden auch direkte Ableitungen aus Verben. Substantive auf -er können sich
inhaltlich auf eine einzelne Tätigkeit beziehen - Erbauer (der Stadt), Gründer (der
Firma) als auch auf eine wiederholte oder gewohnheitsmäßige Tätigkeit: Bäcker,
Bauer, Färber, Jäger, Schneider usw.
Allerdings liegt nicht bei allen Wörtern auf -er das Suffix -er vor. Z. B. Ausdrücke, die
schon im Ahd. einen leblosen Gegenstand bezeichneten, sind lateinischer Herkunft:
Becher <bicarium; Pfeiler <pilarius; Söller<solarium; Speicher<spicarium.
Herkunftsbezeichnungen, die mit -er von Orts-und Läündernamen gebildet werden,
gehen auf ein pluralisch auftretendes Suffix für Völkernamen: Bukarester, Prager,
Berliner, Wiener, Kölner: Amerikaner - hier ist das -er pleonastisch an fremde
Ableitungsilben getreten; auch Afrikaner, Venetianer, Athenienser. Aus dem Suffix -er
haben sich durch Verschmelzung mit einem vorangehenden Suffix oder einem
stammschließenden Konsonanten die Suffixe -ner und -ler entwickelt. Sie bilden
Ableitungen von Substantiven und Verben: Harfner Häusler, Hinterwälder, Lügner,
Redner, Schaffner, Tischler.
Die Suffixe -ing und -ung sind altgermanischer Herkunft; sie stehen im Ablautverhältnis
und bezeichnen die Zugehörigkeit und die Herkunft von Personen oder Sachen. Sie
bilden Vaternamen (Patronymika) aus Personennamen: Waelsing = Sohn/Abkomme
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des Waelse. In dieser Funktion erscheinen sie in Namen von Dynastien, Stämmen,
Bewohner einer Landschaft: Merowinger, Karolinger, Thüringer, Nibelungen. So erklären
sich zahlreiche Ortsnamen auf -ing(en) - Dat.Pl; -ing(hofen); -ing(hausen); -ing(dorf):
Meiningen, Bozingen, Sigmaringen. Sie bezeichnen Siedlungen von einem Meino, Bozo,
Sigmar. Als Familiennamen haben sich die Bildungen auf -ing und -ung bis heute
erhalten: Henning, Adelung, Hartung.
Aus dem Suffix -ing ist durch Verschmelzung das Suffix -ling entstanden; es leitete
Substantive aus Substantiven, Adjektiven, Numeralien und Verben ab: Fäustling,
Schwächling, Drilling, Prüfling. Die Substantive auf -ling, die aus Adjektiven abgeleitet
sind, bezeichnen Lebewesen (meist Personen) nach einer hervorstechenden
Eigenschaft, z. B.: Jüngling, Neuling, Fremdling, Frischling. Nicht so alt sind
Ableitungen aus Substantiven; sie benennen Lebewesen und Gegenstände nach ihrer
Zugehörigkeit und einer dauernden Eigenschaft. Z. B. Günstling, Sprößling,
Häuptling, Fäustling, Silberling. Manche Substantive auf -ling haben einen negativen
Gefühlswert. Das gilt besonders für Personenbezeichnungen auf -er, die mit -ling
weitergebildet sind, z. B. Dichterling, Schreiberling, auch Höfling, Sonderling.
Mit Hilfe des Suffixes -ling kann man Substantive von Verben ableiten. Die von
transitiven Verben abgleiteten Substantive haben passivische Bedeutung - Pflegling,
Findling, die von itransitiven Verben abgleiteten Substantive haben aktivische Bedeutung
- Flüchtling, Säugling, Emporkömmling.
Das nhd. Suffix -rich erscheint nur in wenigen Wörtern; es bezeichnet männliche Tiere,
deren Namen Feminine sind: Enterich, Gänserich, Täuberich, Personen oder
Gegenstände nach ihrer Zugehörigkeit, nach ihrem Verhalten oder einem
besonderen Merkmal: Fähnrich, Wüterich, Knöterich (= Ackerspergel; Pflanze, die nach
den Knoten des Stengels benannt wird). Bei der Bildung männlicher Personalia haben
die Eigennamen einen großen Einfluß ausgeübt. In nhd. Zeit sind Bildungen des Typus
„Prahlhans“ sehr produktiv geworden: Großhans, Polterhans, Schnarchhans.
An die Personennamen auf -bold - Humbold und -bald - Willibald haben sich einige
moderne Bildungen auf -bold angelehnt: Saufbold, Trunkenbold, Raufbold, Witzbold,
wobei -bold zum Suffix geworden ist. Im 19.Jahrhundert treten Bildungen mit -meier, -
berger, -huber auf: Angstmeier, Kraftmeier, Biedermeier, Schlaumeier, Drückeberger,
Schlauberger, Krafthuber. Diese Bildungen haben in der Regel pejorativen Charakter.
Zur Bildung von Personenbezeichnungen dienen auch einige fremde Suffixe. Diese
Suffixe erscheinen zunächst in Fremdwörtern, treten dann aber auch an deutsche
Stämme. Z. B.
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o -ant: Dilettant, Intrigant, Musikant, Lieferant, Aspirant, Maturant
o -and: Doktorand, Maturand (in der Schweiz)
o -aster: Kritikaster, Philosophaster, Politikaster
o -ent: Student, Absolvent
o -är: Aktionär, Millionär, Veterinär
o -ist: Jurist, Romanist, Anarchist, Hornist
o -eur: Ingenieur, Amateur
o -euse: Friseuse, Masseuse
o -ian: Grobian, Schlendrian
o -ier: Offizier, Grenadier
o -iker: Fanatiker, Praktiker
o -ikus: Pfifikus, Luftikus
Zur Bildung persönlicher Feminina dient im Ahd. das Suffix -in. Sie werden aus den
meisten männlichen Personenbezeichnungen gebildet, besonders aus Standes und
Berufsbezeichnungen: Lehrerin, Göttin, Sportlerin, Sängerin usw. So entstehen auch
weibliche Tiernamen: Löwin, Bärin, Hündin. Das Suffix -in diente früher zur
Kennzeichnung des weiblichen Geschlechtes bei Personennamen: Luise Millerin,
Karoline Neuberin.
Als Diminutivsuffixe treten im Nhd. -chen (in N-Dtl.) und -lein (in S-Dtl.) bevorzugt. Sie
bezeichnen etwas Kleines und Unbedeutendes: Bäumlein, Mäuslein, Hündchen,
Häuschen, drücken aus Zärtlichkeit und Liebkosung: Mütterlein, Schwesterchen,
Väterchen. Bei gutturalem Stammauslaut muss man aus Gründen des Wohlklangs -lein
setzen: z. B. Krüglein, Sträuchlein, Bäuchlein. Nach l steht -chen: Schlüsselchen,
Zettelchen. Oft kommen beide Suffixe nebeneinander vor, allerdings mit
Bedeutungsdifferenzierung (oder nicht): Fräulein – Frauchen; Männlein -Männchen (bei
Tieren) aber Märlein - Märchen. Das Suffix -lein erscheint in den Mundarten als l, le, el,
erl: Dirndl, Männle, Weibel, Hunderl.
Abgleitete Suffixe auf -nis, -sal, -heit, -keit, -tum, -in, -ling bilden kaum Diminutive.
Viele Substantive auf -en, -e stoßen das -en, -e vor dem Diminutivsuffix aus: Öfchen,
Röslein.
Andere Suffixe dienen zur Bildung konkreter Substantive und zwar Dingbezeichnungen
und Ländernamen. Z. B. bildet das Suffix -el schon in ahd. Zeit männliche
Werkzeugbezeichnungen: Schlüssel, Zügel, Löffel (ruft Umlaut hervor), aber auch
Griffel, Wirbel, Hebel. Dieser Wortbildungstypus wird in spätmhd. Zeit durch den auf -er
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ersetzt: Behälter, Drucker. Dingbezeichnungen kann auch das Suffix -ling bilden:
Fäustling, Silberling. Viele Länder-und Landschaftsnamen enden auf -en: Hessen,
Sachsen, Schwaben, Thüringen. Darin steckt der D. Pl. der entsprechenen
Völkernamen; z. B. mhd. ze swâben = bei den Schwaben. Dieser deutsche
Wortbildungstyp für Ländernamen entspricht dem latenischen Wortbildungstyp auf -ia. Z.
B. Asien - Asia; Belgien - Belgia; Sizilien - Sicilia: In fremden Ländernamen erscheint das
Suffix -ei < mhd. îe. Es stammt aus dem Lateinischen und kam über das Französische
ins Deutsche: Mongolei, Türkei, Mandschurei.
Suffixe zur Bildung abstrakter Substantive
Diese abgeleiteten Wörter bezeichnen zunächst Tätigkeiten, Eigenschaften, Zustände,
Gedanken. Sie nehmen häufig aber auch gegenständliche Bedeutung an. Außerdem muss
darauf hingewiesen werden, dass die Suffixe, die abstrakte Substantive ableiten, ursprünglich
selbst konkrete Bedeutung besessen haben.
Das Suffix -ung ist das verbreiteste Suffix, das zur Bildung von femininen nomen actionis
dient. Ursprünglich bildete es Ableitungen aus Nomina: Holzung, Niederung, Waldung,
Zeitung. Die meisten Substantive sind jedoch von Verben abgeleitet: Ergebung,
Vereinigung, Bergung, Erwähnung, Zählung, Brandung, Drohung, Handlung, Hoffnung
(von reflexiven, intransitiven und transitiven Verben abgeleitet). Die femininen
Substantive mit dem Suffix -ung bezeichnen:
a.) Tätigkeiten und Vorgänge: Auferstehung, Verdummung, Wirkung
b.) Zustände als Folge einer Tätigkeit: Lähmung, Lichtung, Ordnung, Verzweiflung
c.) Gegenstände als Mittel oder Ergebnis einer Tätigkeit: Feuerung, Rüstung,
Siedlung, Schöpfung. Im ständigen Anwachsen sind die Ableitungen von
zusammengesetzten Verben aber auch die Zusammensetzung selbst im Nhd.:
Mitteilung, Instandsetzung, Überführung. Häufig sind von einem Verb sowohl der
substantivierte Infinitv als auch die Ableitung mit -ung in Gebrauch. Allerdings
haben sie meistens verschiedene Bedeutungen: das Füttern - die Fütterung; das
Rechnen - die Rechnung; das Zeichnen - die Zeichnung; das Eintragen - die
Eintragung; das Stiften - die Stiftung.
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Das Suffix -heit dient zur Bildung von Eigenschaftsbezeichnungen. Es geht auf mhd. und
ahd, -heit zurück und bedeutete: Art und Weise, Beschaffenheit, Eigenschaft, Person,
Stand, Rang, Ehre. Als selbständiges Substantiv ist es in allen germanischen Sprachen
zu finden.Es dient zur Bildung von Abstrakta aus: Substantiven: Kindheit, Menschheit;
Adjektiven und adjektivischen Partizipien: Klugheit, Schönheit, Gebundenheit,
Zerrissenheit, Verstocktheit; Numeralien: Einheit, Mehrheit, Vielheit.
Eine Weiterbildung des Suffixes -heit ist das Suffix -keit. Das Suffix -keit tritt an
Adjektive auf: -bar, -ig, -lich, -sam und teilweise -er, -el: Ewigkeit, Brauchbarkeit,
Bedeutsamkeit, Redlichkeit, Bitterkeit, aber Sicherheit; Eitelkeit aber Dunkelheit.
Das Suffix -igkeit ist eine weitere Sekundärform zu -heit und tritt an Adjektive,
besonders an Adjektive auf -los: Auswegslosigkeit, Bangigkeit, Dreistigkeit, Genauigkeit,
Kompormißlosigkeit, Leichtigkeit, Müdigkeit, Sorglosigkeit. Es sind auch zweierlei
Bildungen mit verschiedener Bedeutung möglich, wobei die Bildungen auf -igkeit die
konkrete Bedeutung haben: Feuchtigkeit – Feuchtheit; Kleinigkeit – Kleinheit; Neuigkeit –
Neuheit.
Das Suffix -schaft <mhd. schaft <ahd. scaf bedeutete ursprünglich Beschaffenheit/
Form, Gestalt, Eigenschaft. Es verbindet sich mit Substantiven, Adjektiven und
substantivierten Infinitven, die Ableitungen bezeichnen und weisen auf: einen Zustand,
ein Verhalten, eine Zusammengehörigkeit, eine örtliche Einheit hin.
Zustandsbezeichnungen: Knechtschaft, Gevatterschaft, Vormundschaft; Verhalten:
Freundschaft, Feindschaft; eine kollektive Bedeutung (Zusammengehörigkeit):
Bruderschaft, Dienerschaft, Genossenschaft, Gewerkschaft; eine örtliche Bedeutung:
Grafschaft, Ortschaft, Landschaft; Ableitungen aus Adjektiven: Eigenschaft,
Gemeinschaft, Liebschaft; Ableitungen aus Partizipien: Bekanntschaft, Gefangenschaft,
Hinterlassenschaft; aus substantivierten Infinitiven: Liegenschaft, Machenschaft,
Rechenschaft, Wissenschaft.
Das Suffix -tum geht auf ahd. und mhd. -tuom zurück. -tuom war im Ahd. noch ein
selbständiges Die Ableitungen mit nhd. -tum sind Eigenschaftsbezeichnungen, gehen
aber auch in Gegenstands- -und Kollektivbezeichnungen über. Aus Substantiven sind
abgeleitet: Bürgertum, Christentum, Priestertum, Rittertum. Aus Adjektiven sind
abgeleitet: Deutschtum, Eigentum, Heiligtum, Reichtum. An einige Substantive kann
außer dem Suffix -tum auch ein anderes treten; allerdings führt das zu Unterschieden in
der Bedeutung: Christentum (abstrakt) - Christenheit (kollektiv); Priesterum –
Priesterschaft; Ritterum – Ritterschaft; Heiligtum (konkret) - Heiligkeit (abstrakt).
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Das Suffix -e <ahd. î(n) bildet zahlreiche Ableitungen. Es bildet aus Adjektiven
Eigenschaftsbezeichnungen: Blässe, Größe, Höhe, Länge, Schärfe, Strenge, Tiefe,
Würde. Andere Bildungen sind aus Adverbien abgeleitet: Nähe, Ferne; andere
Ableitungen haben konkrete Bedeutungen erlangt: Ebene, Höhle, Fläche, Feste (Burg).
Substantive, die aus Verben abgleitet sind, bezeichnen Tätigkeiten und Zustände: Bitte,
Eile, Rede, Sorge, Taufe. Aus Verben abgeleitete Substantive bezeichnen auch
Gegenstände und Werkzeuge: Haue, Fähre, Feile, Schleppe. In gleicher Verwendung
wie das Suffix -e konnt auch -de < ahd. ida vor. Ableitungen mit diesem Suffix haben
sich nur spärlich erhalten: Begierde, Behörde, Beschwerde, Freude, Gebärde,
Gemeinde, Zierde. Es hat aus Verben Substantive abgleitet, die das Ergebnis der
Handlung bezeichnen: Diese Bildungen haben das Präfix ge-: Gebäude zu bauen,
Gemälde zu malen, Getreide zu tragen.
Sehr alt ist das Suffix -t. Es diente zur Bildung von Verbalabstrakta, insbesondere von
nomina actionis aus starken Verben. Dieser Wortbildungstyp ist schon lange nicht mehr
produktiv, es haben sich aber viele Wörter bis heute erhalten: Brut, Glut, Fahrt, Flucht,
Last, List, Naht, Macht (zu mögen), Saat, Tat, Verlust. Bei manchen tritt zwischen dem
Nasal und Dental ein Gleitlaut, z. B.: Ankunft, Vernunft, Zunft.
Das Suffix -nis <mhd. misse <ahd. missi bildet feminine und neutrale Abstrakta. Die
abgeleiteten Substantive bezeichnen einen Zustand oder das Ergebnis einer Tätigkeit:
Bedrängnis, Betrübnis, Finsternis, Geständnis, Verzeichnis, Zeugnis.
Das Suffix -sal, geschwächt -sel bildet Abstrakta und Konkreta aus Verben, Adjektiven
und Substantiven. Die Ableitungen auf -sal gehören dem hohen und feierlichen Stil an:
Drangsal, Mühsal, Rinnsal, Scheusal, Schicksal, Trübsal, Wirrsal. Das Suffix -sel
hingegen bildet meist Ausdrücke der Alltagssprache: Amsel, Rätsel aber: Anhängsel,
Häcksel, Stöpsel, Überbleibsel.
Das Suffix -ei ist fremden Ursprungs. Im Nhd. hat es weite Verbreitung gefunden. Es
bildet Abstrakta, seltener Kollektiva aus Substantiven und Verben. Der fremde Ursprung
ist daran zu erkennen, dass es entgegen den Betonungsgestzen des Deutschen den
Wortakzent trägt. Es erscheint zunächst in Lehnwörtern aus dem Lateinischen und
Französischen: Arznei, Abtei, Probstei. Die Substantive auf -ei und
-erei bzeichenen wiederholte Tätigkeiten, ihre Ergebnisse und den Ort an dem sie als
Berufe ausgeübt werden. Sie werden häufig von Berufsbezeichnungen auf -er abgleitet:
wiederholte Tätigkeiten: Betrügerei, Raserei, Hehlerei; das Ergenis wiederholter
Tätigkeit: Stickerei, Malerei; der Ort der Berufsausübung: Brauerei, Bäckerei, Molkerei,
Schlosserei, Ziegelei.
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Andere fremde Suffixe treten besonders in gelehrten Bildungen auf:
o -tät: Universität, Universalität, Gravität
o -tion: Kaution, Portion, Publikation, Reputation, Sektion,
o -age: Blamage, Stellage
o -(iz)ismus: Dadaismus, Klassizismus, Kubismus, Nihilismus
o -asmus: Marasmus (= körperlich-geistiger Kräfteverfall), Sarkasmus
o -ur: Garnitur, Mixtur, Natur
o -enz: Magnifizenz, Pestilenz
Andere fremde Suffixe zeigen konkrete Substantive wie: Stativ, Spital, Ventil, Element, Granit,
Komnet, Meteorit, Baldachin oder: Violine, Sirene, Amulett, Granulom, Narkotikum, Chemikalie.
Suffixe zur Bildung von Adjektiven
Die häufigsten Suffixe, die Adjektive ableiten sind: -en, -ig, -icht (heute tritt er nur noch selten
auf), -isch, -lich, -sam, -bar, -haft, -haftig und zahlreiche fremde Suffixe.
Das Suffix -en <mhd. -en, în < ahd. -în bezeichnet die Zugehörigkeit zu dem durch
das Stammwort ausgedrückten Gegenstand. Schon seit dem Ahd. dient er zur
Bildung von sogenannten Stoffadjektiven: golden (gülden), irden, papieren, seiden.
Adjektive werden auch von Substantiven auf -er abgleitet; infolgedessen entstand der
Eindruck, als ob ein Suffix -ern vorliege.
Mit Hilfe dieses Suffixes -ern sind im Nhd. verschiedene Adjektive gebildet worden:
gläsern, hölzern, tönern, wächsern. Adjektive wie lüstern oder schüchtern heißen
Neigungsadjektive.
Das Suffix -ig ist heute das gebräuchlichste Suffix zur Bildung von Adjektiven. -ig < ahd.
-ig, -ag, hat die Bedeutung „versehen mit etwas“: blutig = mit Blut versehen schimmlig
= mit Schimmel versehen. Die abgeleiteten Adjektive bezeichnen: Eigenschaften,
Ähnlichkeiten: bärtig, bergig, felsig, holzig, massig, ölig, wurmig.; diese sind von
konkreten Substantiven abgeleitet; Vorgänge, Zustände: bedächtig, eilig, geizig, hastig,
müßig, vorsichtig, zornig; diese sind von abstrakten Substantiven abgleitet. Es leitet aber
auch Adjektive aus Verben ab: ergiebig, findig, schläfrig, aus Adverbien: baldig, dortig,
gestrig, hiesig aus Adjektiven: lebendig, niedrig, untertänig.
Das Suffix -icht tritt heute nur noch selten auf. Es tritt zu Stoffnamen und hat die
Bedeutung „mit etwas versehen“. Es war im 17. und 18. Jahrhundert besonders
beliebt, ist aber heute nur noch in töricht zu finden; es wurde durch -ig oder andere
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Suffixe verdrängt. Alte Ableitungen sind z. B.: blumicht, dornicht, nervicht, runzelicht,
schatticht.
Das Suffix -isch <mhd. -isch < ahd. isc bildet Ableitungen aus Personen- und
Tierbezeichnungen. In Ableitungen wie z. B.: asiatisch, bäuerisch, europäisch,
gärtnerisch, kaufmännisch, städtisch, studentisch bezeichnet es die Abstammung oder
Herkunft. In Ableitungen wie: diebisch, hündisch, knechtisch, närrisch, prahlerisch,
schmeichlerisch, viehisch enthält es einen abschätzigen Gefühlswert. Besonders
häufig sind die Ableitungen aus Eigennamen; sie bezeichnen eine Herkunft oder
Zugehörigkeit: asiatisch, europäisch, indisch, kölnisch, rumänisch, ungarisch, wienerisch.
In Ableitungen aus Fremdwörtern steht das Suffix -isch für lat. -icus oder griech. -ikós:
historisch, physisch, politisch, psychisch, tragisch. Es tritt auch an fremde Suffixe:
amerikanisch, bestialisch, egoistisch, puritanisch.
Das Suffix -lich <mhd. -lich <ahd. -lîh geht eigentlich auf ein germanisches Substantiv
„lika“ = Körper, Leib zurück. Die Ableitungen auf -lich sind schon im Gotischen zu
verzeichnen, aber besonders seit dem 8. Jahrhundert häufig. Ursprünglich hatte es die
Funktion, auf etwas dem Stammwort Gemäßes hinzuweisen: königlich = nach Art des
Königs; kaiserlich = nach Art des Kaisers; päpstlich = nach Art des Pabstes; gütlich =
von guter Art. Es bildet Adjektive von Personenbezeichnungen: brüderlich, feindlich,
gastlich, väterlich; von Gegenstands- oder Dingbezeichnungen: bildlich, brieflich, leiblich,
sachlich; von Zeitbezeichnungen: abendlich, monatlich, sommerlich, stündlich, täglich,
zeitlich; von Vorgangs- und Zustandsbezeichnungen: ängstlich, dienstlich, feierlich,
freundschaftlich, gefährlich, kümmerlich, nützlich, schmerzlich, wissenschaftlich. Das
Suffix -lich leitet Adjektive auch aus anderen Adjektiven ab. Z. B. Ableitungen, die eine
Annäherung an den Begriff des Grundworts ausdrücken: ältlich, gelblich, gütlich,
rötlich. Andere Ableitungen weisen auf eine Neigung hin: kleinlich, kränklich, reinlich,
weichlich. Aus Partizipien und Infinitiven werden Ableitungen auf -en, -lich mit
eingeschobenem -t gebildet: flehentlich, geflissentlich, hoffentlich, öffentlich. Bildungen,
die direkt auf Verben zurückgehen, sind im Anwachsen: besinnlich, bestechlich, käuflich,
nützlich, verderblich. Sekundärbildungen auf -erlich sind fürchterlich, leserlich. Diese
sind nach dem Muster der Ableitungen entstanden, deren Grundwörter -er Ableitungen
waren.
Das Suffix -sam geht auf einen alten Adjektivstamm zurück. Dieser Adjektivstamm trug
die Bedeutung „von derselben Beschaffenheit wie“, „ähnlich“, „zusammengehörig
mit“. Dementsprechend bezeichnen diese Ableitungen besondere
Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Neigungen. Ableitungen aus Substantiven:
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arbeitsam, furchtsam, ratsam, sittsam; aus Adjektiven : gemeinsam, genugsam, sattsam;
aus Verben: duldsam, folgsam, strebsam. Doppelbildungen auf -sam und -lich sind
möglich: sittsam –sittlich; sorgsam –sorglich; bildsam – bildlich; ratsam, rätlich. Die
unterschiedlichen Suffixe dienen oft der Bedeutungsdifferenzierung.
Das Suffix -bar <mhd. baere < ahd. bâri <got. baíran bedeutet „Frucht tragen“.
Ursprünglich bedeutete es „imstande sein, etwas zu tragen“. Die ältesten Bildungen
gehen von Substantiven aus: dienstbar, ehrbar, fruchtbar. In der jüngeren Sprache sind
die Ableitungen von Verben häufiger: brauchbar, denkbar, eßbar, trennbar, vorstellbar;
diese Bildungen bezeichnen eine Möglichkeit. Auch hier gibt es Doppelbildungen auf -
bar und auf -lich: kostbar – köstlich; strafbar - sträflich oder wunderbar - wunderlich –
wundersam.
Das Suffix -haft war ursprünglich ein selbständiges Wort. Die selbständige Form ist noch
im Mhd. zu finden. Seine Grundbedeutung ist „mit etwas behaftet/ versehen sein“:
gewissenhaft, grauenhaft, fehlerhaft, herzhaft, mangelhaft, vorteilhaft. Diese
Grundbedeutung wird später zu der allgemeineren einer Eigenschaft erweitert: boshaft,
heldenhaft, knabenhaft, krankhaft, mädchenhaft, meisterhaft, stümpelhaft, wohnhaft,
zaghaft. Dieses sind Ableitungen von Substantiven und Adjektiven. Ableitungen von
Verben sind: flatterhaft, scherzhaft, schmeichelhaft, wohnhaft.
Das ahd. und mhd. -haft wird oft zu -haftig erweitert: leibhaftig, teilhaftig, wahrhaftig.
Damit sind jedoch nicht alle Ableitungsmitel der Bildung von Adjektiven erschöpft. In der
Gegenwartssprache sind Reste von Wortbildungstypen erhalten geblieben, die früher
wesentlich wirksamer waren: auswendig, inwendig, notwendig, ebenmäßig, unmäßig,
gegenwärtig, widerwärtig oder die zahlreichen Adjektive auf -artig: bösartig, fremdartig,
gleichartig, großartig, gutartig, verschiedenartig. Auch bei den Adjektiven gibt es
selbständige Wörter, die gruppenbildende Funktion haben können; solche Adjektive, die
die Tendenz haben, zu Suffixen herabzusinken sind:
o arm: blutarm, freudenarm, pflanzenarm, regenarm
o reich: arbeitsreich, freudenreich, segensreich, wasserreich
o voll: hoffnungsvoll, rücksichtsvoll, sinnvoll, trostvoll
o leer: blutleer, inhaltsleer, luftleer
o los: ahnungslos, elternlos, hoffnungslos, grenzenlos
o fähig: lebensfähig, leistungsfähig, zurechnungsfähig
o frei: fehlerfrei, giftfrei, schulfrei, steuerfrei
o fertig: friedfertig, leichtfertig, schlagfertig
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o recht: aufrecht, lotrecht, senkrecht, waagerecht
o wert: lesenswert, liebenswert, lobenswert, sehenswert
o breit: fingerbreit, fußbreit, handbreit, meterbreit
Groß ist auch die Zahl fremder Suffixe, die Adjektive ableiten. Z. B. formal – formell, original –
originell, subtil, elementar, regulär, human, mondän, delikat, diskret, komplett, morbid, horrend
(= schandhaft, schrecklich, übermäßig), skandalös, rasant, dezent, virulent, dubios, operativ,
antik, grotesk, diskutabel, disponibel.
Suffixe zur Bildung von Verben
Die wichtigsten verbbildenden Suffixe sind: -eln, -ern, -igen, -zen, -sen, -schen und das
fremde Suffix -ieren.
Das Suffix -eln bildet Verben mit iterativer (wiederholender) Bedeutung: betteln,
grübeln, handeln, häkeln, klingeln, lächeln, rieseln, schmeicheln, schnüffeln, streicheln,
sticheln, wackeln. Manche Bildungen mit dem Suffix -eln haben die Bedeutung einer
krankhaften Neigung: hüsteln, kränkeln, nörgeln. Hier gehören auch lautmalende
Wörter: baumeln, bimmeln, prasslen, rascheln.
Auch das Suffix -ern bildet iterative Verben: flackern, flatteren, flimmern, glimmern,
glitzern, plappern, plätschern, plaudern, stölpern oder Schallnachahmungen: donnern,
flüstern, gackern, kichern, schnattern, wiehern.
Ableitungen mit dem Suffix -igen sind aus Adjektiven und Substantiven gebildet. Sie
erscheinen oft mit den Präfixen: be-, ent-, ge-. Z. B. einigen, kräftigen, nötigen. Aus
Adjektiven abgeleitete Verben: befestigen, besänftigen, beschönigen, berichtigen. Aus
Substantiven abgeleitet sind: entschuldigen, huldigen, peinigen, schädigen.
Die Suffixe -zen, -sen, -schen finden wir in Ableitungen von Interjektionen, Pronomen,
Substantiven. Sie bezeichnen einen Schall, eine Bewegung, einen Gemütszustand:
ächzen, jauchzen, krächzen, schluchzen; hopsen, knicksen, plumpsen; glitschen,
klatschen, quietschen.
Das Suffix -ieren ist fremder Herkunft; übernommen wurde eigentlich nur -ier. Es drang
im 12. Jahrhundert mit den französischen Ausdrücken des Rittertums in die nhd.
Literatur ein. Es war jedoch üblich, an die fremden Wörter deutsche Verbalendungen
anzufügen, so dass das Suffix -ier zum Bestandteil des Stammes gemacht wurde. Auf
diese Weise entwickelte sich allmählich ein neuer Wortbildungstyp: aus Fremdwörtern
wurden Verben auf -ieren gebildet. Das gleiche geschah auch mit deutschen Stämmen;
so entstanden Mischbildungen wie: amtieren, buchstabieren, gastieren, halbieren, 36
hausieren, stolzieren. Ein Untertyp sind Wörter auf -isieren. Im 16. Jh. entstand -isieren
< fr. -iser: botanisieren, galvanisieren, später politisieren, privatisieren.
Suffixe zur Bildung von Adverbien
Solche Suffixe sind:
o -lich < mhd. liche(n): bitterlich, neulich, schließlich, schwerlich, sicherlich, wahrlich;
o -lings: blindlings, neuchlings, rittlings. Hier gehören auch die Wörter, die ihren
selbständigen Charakter aufgegeben haben und zu Halbsuffixen geworden sind. Sie
haben gruppenbildenden Charakter.
o -weise: ausnahmsweise, beispielsweise, gleicherweise, glücklicherweise,
haufenweise, kreuzweise, literweise, möglicherweise, paarweise, schluckweise,
teilweise,
o -maßen: dermaßen, einigermaßen, folgendermaßen, gewissermaßen,
o -dings: allerdings, neuerdings, schlechterdings,
o -seits: allerseits, andererseits, beiderseits, einerseits, diesseits, meinerseits
o -weg: durchweg, kurzweg, leichtweg, schlechtweg,
o halb(en): deshalb, weshalb, allenthalben, meinethalben
o -halber: beilspielshalber, krankheitshalber
o -lei und -art: allerlei, derlei, dreierlei, mancherlei und art
o -wärts: aufwärts, heimwärts, himmelwärts, landeinwärts, seitwärts, stromabwärts,
o -mal(s) bildet Zeit- und Zahladverbien: einmal, keinmal, manchmal, oftmal, damals,
einstmals, jemals, niemals, nochmals, vielmals.
Das Suffix -s ist ursprünglich die Genitivendung starker maskulinen und neutralen Substantive
oder stark gebeugter Adjektive, die zu Adverbien erstarrt sind: abend (des Abends), tags (des
Tages). Es trat dann auch an feminine Substantive, schwache Adjektiven und Numeralien
analogisch: nachts, übrigens, seitens, meistens.
Die Ableitung mit Präfixen
Auch die Präfixe waren ursprünglich selbständige Wörter. Die meisten waren
Präpositionaladverbien. Diese Präpositionaladverbien gingen Zusammensetzungen und
Ableitungen ein: Unart, Erzbischof. Dieses ist daran zu erkennen, dass sie in den
substantivischen Bildungen die Betonung tragen und somit den Charakter der
Bestimmungswörter bewahrt haben. Sie bildeten darin ursprünglich trennbare, später dann
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untrennbare Teile. Einige Präfixe wie, ge- und miß- bilden sowohl Substantive und Adjektive als
auch Verben.
Die Präfixe bilden neue Wörter oder eine Flexionsform des entsprechenden Wortes. In
den meisten Fällen haben sie wortbildende Funktion: z.B. Unwetter, Mißgunst, zerfallen,
vergeben, Fehlbetrag aber: gegangen, gebraucht (ge- = Perfektpartizip). Auch die frei
verwendbaren Partikeln, Präpositionen und Adverbien: ab, an, aus, fest, frei, nach, vor,
vorher, zu, zusammen können präfixartigen Charakter haben und zwar in verbalen
Zusammensetzungen. Diese verbalen Zusammensetzungen heißen Partikelkomposita. Das
Problem der Präfixbildung ist in der Sprachwissenschaft eine umstrittene Frage. Man konnte
sich nicht darauf einigen, ob man die Präfixbildung als Ableitung oder Zusammensetzung
betrachten soll.
Die Nominalpräfixe
Diese Präfixe sind: un-, ur-, erz-, rück-, ge-, miß-.
Das Präfix un- hat verneinende Wirkung, oft hat es auch verschlechternde
Bedeutung. Es bildet Antonyme wenn kein ursprüngliches Antonym zum positiven
Begriff besteht:Es tritt an Substantive, Adjektive und an adjektivierte Partizipien: Mensch
- Unmensch;, Unsinn, Undank, Unehre, Untiefe; unbequem, unwahr; ungekocht,
unbewacht. Manche Partizipien werden nur mit dem Präfix un- adjektiviert: unerhört <
erhören; unbedacht < bedenken. Verschlechterne Bedeutung sind zu finden in: Unart,
Unfall, Unkraut. Verstärkende (augmentative) Bedeutung ist in: Unmenge, Unzahl,
Unsumme, Unwetter, Unkosten, unerhört, unglaublich. Bei Personenbezeichnungen
wird un- oft durch nicht ersetzt: Nichtraucher, Nichtschwimmer; nicht tritt auch zu
Adjektiven: nichtrostend, nichtfärbend. Das Präfix un- ist jedoch nicht das einzige Präfix
mit verneinender Wirkung; auch andere Präfixe erfüllen diese Funktion (oder andere
präfixartige Partikeln). Z. B. das fremde Präfix a-: amusisch, arhythmisch, amoralisch
oder miß- mißgünstig; wider- widerwillig; ab- abgneigt; aber: Aberglaube; anti-
Antifaschist; dis- Disharmonie; in- inhuman; non- Nonsens.
Das Präfix ur- hatte ursprünglich lokale Bedeutung: „aus“, „von - her“. Ur <ger. uz
erscheint schon im Ahd. in Verbindungen mit Nomina als ur-., kommt aber auch als
selbständige Präposition vor. Heute bezeichnet es noch immer den Ausgangs- und
Anfangszustand, das Ursprüngliche, Anfängliche, zeitlich Vorausgehende, also
auch den ersten Vertreter einer Gattung: Urform, Urgeschichte, Urzeit, Ursache,
Urtext, urgermanisch, urverwandt; Urahn, Urenkel, Urgroßvater, Ururgroßvater. Ur- hat
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bei Adjektiven verstärkende Funktion: uralt, urgemütlich, urplötzlch, urkräftig,
urkomisch, urwüchsig.
Das Präfix erz- erscheint bereits in ahd. Zeit < gr. archi = der erste/ der oberste. Es kam
über das Kirchenlateinische arci ins Deutsche. Z. B.: Erzengel, Erzbischof. Es hat
verstärkende Wirkung und wurde erst in fnhd. Zeit produktiv; oft tritt es an Wörter mit
tadelnder Bedeutung: Erzdieb, Erzschelm, Erznarr, Erzbube. Es tritt auch an Adjektive:
erzfaul, erzdumm, erzböse, erzklug.
Das Präfix rück- triit seit dem 17. Jh. an Substantive: Rücktritt, Rückweg, Rückfall,
Rückfrage, Rückmarsch, Rückzug, Rücklauf.
Das Präfix ge- ist als selbständiges Wort schon früh untergegangen. Es leitet Verben ab;
es findet sich häufig in Verbindung mit den Suffixen -de, -e, -sel. Die ursprüngliche
Bedeutung war die des Zusammenhangs, der Verbindung, der Gemeinschaft. Diese
Bedeutung finden wir noch in Substantiven wie Gefährte zu Fahrt oder Genosse zu ahd.
nôz (= wertvolle Habe, Nutzvieh; später: der seinen Besitz mit anderen gemeinsam hat);
Gesinde zu ahd. sind = Weg (Weggenossen, Reisegefolge, Kriegsgefolgschaft). Bei
einigen Ableitungen hat sich eine kollektive Bedeutung entwickelt. Kollektiva werden
aber nicht nur von Personenbezeichnungen gebildet, sondern auch von
Tierbezeichnungen und Sachbezeichnungen: Gebein, Gebirge, Gedärm, Gepäck,
Gestrüpp, Geflügel, Getier, Gewürm (dieses sind Neutra). Die ursprüngliche kollektive
Bedeutung kann verlorengehen; in solchen Fällen sind die Ableitungen konkrete
Gegenstandsbezeichnungen: Gehäuse, Gelenk, Geschütz, Gewitter, Gedicht aber
auch Gerät, Gemüse. Andere Ableitungen gehen direkt auf Verben zurück: Geheul,
Gebrüll, Gekicher, Gemetzel, Gewühl. Manche, besonders die jüngeren Bildungen,
haben den Gefühlwert des Lästigen, des Verächtlichen, besonders die Bildungen
auf -el, -er, -e: Gebimmel, Gefasel, Gekicher, Geklimper, Gepfeife, Geplärre, Getue. Die
Zahl der Adjektive mit ge- ist geringer: es gibt Perfektpartizipien, die unmittelbar zu
Substantiven gebildet sind. Diese Perfektparizipien werden nur adjektivisch gebraucht:
gelaunt, gesittet, gewillt, gesinnt, gestiefelt; andere Beispiele sind: getrost, geheim,
gehässig (in Verbindung mit Substantiven), gerecht, gestreng (in Verbindung mit
Adjektiven), gemach (zu machen), gemäß (zu messen - in Verbindung mit Verben). Mit
verlorenem Stammwort sind: gering, geschwind, genug, gesund.
Das Präfix miß- <ahd. missa, missi (= verschieden, ungleich) < mhd. missi (= das
Fehlen), nhd. in missen, mißlich, Missetat hat den Sinn „fehl“, „falsch“. Es bildet
Substantive, Adjektive und Verben. Vor Adjektiven, adjektivisch gebrauchten Partizipien
und Substantiven ist es betont: mißtrauisch, mißgünstig, mißmutig, mißgelaunt,
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mißtönend, Mißernte, Mißerfolg, Mißklang, Mißgeschick, Mißgriff. Eine ältere Form ist
Missetat.
Fremde Präfixe sind schon erwähnt worden: erz-, a-, und anti-, dis-, in-, non-. Andere
fremde Präfixe, die in Mischbildungen auftreten sind:
o super (lat. = über): superfein, superklug,
o hyper (gr. = „über“): hyperkritisch, Hyperkultur,
o vize (lat. = „an Stelle von“): Vizepräsident, Vizekönig, Vizefeldwebel, Vizekanzler,
o ex (lat. = „aus“): Exkönig, Exkaiser, Exweltmeister,
o quasi (lat. = „gewissermaßen“, „gleichsam“): Quasivertrag,
o pseudo (gr. = „falsch“): Pseudoname. Pseudokultur,
o anti (gr.-lat. = „gegen“) drückt einen Gegensatz aus: Antichrist, Antifaschist,
Antialkoholiker.
Die Verbalpräfixe
Verbalpräfixe verändern den Verbinhalt, im Sinne, dass sie den Beginn oder die Beendigung
eines Vorgangs ausdrücken, d. h. eine zeitliche Begrenzung des Vorgangs zum Ausdruck
bringen. Verbalpräfixe bezeichnen also perfektive Verben.
erstehen > stehen beschlagen > schlagen
entstehen > stehen erschlagen > schlagen
zerschlagen > schlagen
Durch die Perfektivierung können intransitive Verben transitiv werden: gehen - ein Fest
begehen; steigen - einen Berg besteigen / ersteigen. Die Verbalpräfixe können zusammen mit
Vebalsuffixen an Wortstämme treten; in Verbindung mit solchen Suffixen (Verbalsuffixe
genannt) leiten die Verbalpärfixe aus Substantiven und Adjektiven Verben ab. Es bestehen
dabei jedoch Zweifel, ob es sich um Ableitungen von Substantiven /Adjektiven oder von Verben
handelt. Z. B. bestrafen zu strafen oder Strafe? verspotten zu spotten oder Spott? enthärten zu
härten oder hart? verstärken zu stärken oder stark? Andererseits entstehen aber erst mit Hilfe
von Präfixen aus den Substantiven oder Adjektiven Verben: vergolden, beseelen, entfernen,
verkupfern, vergrößern.
Die Präfixverben können in vier Bedeutungsgruppen eingeteilt werden:
1) Verben des Versehens und Zuwendens: betreuen, versilbern, beaufsichtigen,
vergolden.
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2) Verben des Enteignens: entziehen, entrechten, enteignen, entwässern, enttrümmern,
entgiften, entmotten, entkräften.
3) Verben des Verwandelns: vergehen, verblühen, zerfließen, betören, zerfleischen,
zerfetzen.
4) Verben des Bewirkens: versalzen, erniedrigen, befreien, veranlassen, veranstalten,
verursachen, verstaatlichen, verbilligen.
Heute noch wirksame Verbalpräfixe sind: be-, ge-, ent-, er-, ver-, zer-, miß-. Sie dienen zum
Teil auch zur Ableitung von Nomina z. B. ge- und miß-.
Das Präfix be- geht zurück auf got. und ahd. bi (Präposition) = um, herum, rundum.
Diese Grundbedeutung liegt in vielen ahd. und mhd. Verben mit bi- bzw. be- vor: ahd.
bigurten = umgurten, mhd. besliezen = umschließen, umspannen. Aus der erwähnten
Grundbedeutung um, herum, rundum hat sich eine andere Bedeutung entwickelt und
zwar die von „über etwas hin“: bespritzen, bewässern, bestrahlen, befahren, belecken.
Die heute allgemeine Bedeutung ist „mit etwas versehen/ ausstatten“: bewaffnen,
betiteln, benennen, belohnen, beseelen, beflügeln. Das Präfix be- leitet häufig Verben
von Substantiven ab; die Neubildungen stehen auf -igen oder auch nicht:
benachrichtigen, bevollmächtigen, berücksichtigen, begnadigen, beerdigen; oder:
beurlauben, bekunden, beziffern, besteuern, bestreiken. Diese von Verben abgeleiteten
Bildungen heißen Denominative. Das Präfix be- bildet in der Regel transitive Verben:
bekämpfen, bearbeiten, aber auch intransitive Verben: behagen, beharren. Die
Neubildungen können von transitiven Verben abgeleitet sein: begießen, begraben,
beschützen, behüten. Ableitungen von intransitiven Verben: beantworten, bekommen,
belügen, beschimpfen, betrachten. Die von Verben abgeleiteten Bildungen mit be- haben
meist perfektiven Sinn: behauen, beschmieren, beginnen, bewerfen, bescheinen.
Ableitungen mit ge-. Das Präfix ge- bedeutet ursprünglich „mit“, „zusammen“. Diese
Bedeutung zeigt es auch als Nominalpräfix. Die ursprüngliche Bedeutung von „mit“,
„zusammen“ läßt sich noch in dem mhd. gerinnen (eigentlich zusammenrinnen)
erkennen. In ahd. und mhd. Verben ist sie noch öfter festzustellen. Das Präfix ge- hatte
eine perfektivierende Wirkung; es wurde jedoch immer mehr zum Charakteristikum des
2. Partizips und infolgedessen ging die perfektivierende Wirkung verloren. Nach W.
SCHMIDT ist die perfektivierende Wirkung in der nhd. Schriftsprache nur noch beim Verb
gefrieren nachweisbar und in machen Mundarten: alemann: g-stehe(n) = zum Stehen
kommen; g-stelle(n) = zum Stehen bringen. Ableitungen mit ge- sind im Nhd. nicht sehr
häufig: gebieten, gebären, gebühren, gedenken, gehorchen, gehören, geleiten,
geschehen, gestalten, gestatten, gesunden, gewinnen, gewöhnen. Verkürzte Formen
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sind: glücken < mhd. g(e)lücken; glauben < mhd. Gelouben; gleichen < mhd. ge-lîch;
gönnen < mhd. gi-unnan.
Das Präfix ent- hatte ursprünglich die Bedeutung „entgegen“. Zu vergleichen: Antwort =
Gegenwort; Antlitz = eigentlich Entgegenblickendes. Heute drücken die Ableitungen mit
ent- aus: eine Trennung: enterben, entfliehen, entführen, enhaupten, entkräften,
entlaufen; einen aufhebenden Gegensatz: entfesseln, entkleiden, entmilitarisieren,
entwickeln. Das Präfix ent- leitet Verben von Substantiven und Adjektiven ab: entamten,
entgleisen, entpuppen, enthronen; entmutigen, entledigen, entmündigen. Bei Adjektiven
mit negativem Sinn wirkt das Präfix verstärkend: entleeren, entfremden, entblößen.
Das Präfix er- hatte ursprünglich eine lokale Bedeutung. Diese lokale Bedeutung finden
wir noch in Verben wie: ergießen, erheben, erbrechen, (erschrecken, erschüttern). Die
lokale Bedeutung ging allmählich in eine inchoative Bedeutung über (inchoative
Verben drücken den Beginn eines Geschehens oder den Eintritt in einen anderen
Zustand aus): erblassen, erblinden, erblühen, erkranken, ermatten, erschrecken. Auch
transitive Bildungen sind möglich: erheitern, ermöglichen, erschrecken, erwärmen. Das
Präfix er- bildet auch resultatvie Verben (resultative Verben drücken das Ende eines
Geschehens aus oder die Erreichung eines angestrebten Ziels). resultative Verben sind:
transitiv: erhören, erleben, erlegen, erlösen, erschaffen, erschlagen, ertränken,
erwerben, erzeugen, erzielen. Intransitive Verben sind: erfrieren, erliegen, erlöschen,
ertrinken. Das Präfix er- leitet Verben auch von Adjektiven und Präpositionen ab: Von
Adjektiven: erbleichen, errröten, erblinden, erkalten, ergrauen, erhellen, ergänzen. Von
Präpositionen: erwidern, ertrotzen. Von Substantiven: sich ermannen.
Das Präfix ver- <mhd. ver- <ahd. far-/ fir-. Das nhd. ver- setzt aber nicht das mhd. ver-
direkt fort, sondern es ist die obd. Form, der LUTHER gegen das mhd. ver-/vir- zum
Durchbruch verholfen hat. Das Präfix ver- ist durch den Zusammenfall mehrerer
Partikeln entstanden, deren verschiedene Bedeutung in den nhd. Bildungen mit ver-
verzeichnet ist. Die ursprüngliche Bedeutung ist: „vorbei“, „weg“, „heraus“. Heute
bezeichnen die Bildungen mit ver-:
a.) die Veränderung eines Zustandes: verarmen, verbauen,
verkleinern, verhüllen, verfärben, verwässern,
b.) den Abschluß einer Handlung oder Zustands: verblühen,
verbluten, verbrennen, versinken, verzehren,
c.) die Trennung oder Entfernung: verdrängen, verjagen, verkaufen,
versetzen, verstoßen, vertreiben, verwerfen,
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d.) die Verbindung oder Vermischung: verbinden, verbrüdern,
vereinigen, vermischen,
e.) eine Fehlhandlung: verbiegen, verdrehen, verführen, vergießen,
verleiten, sich verlaufen, sich versprechen (verschreiben),
f.) das Ergebnis einer Handlung: verfilmen, vergolden,
verstaatlichen, vertönen, verzieren,
g.) dient der Verstärkung: verändern, verbeugen, verdanken,
verwalten.
Das Präfix ver- leitet Verben aus Adjektiven ab. Die Bildungen aus Adjektiven haben
faktitiven Sinn. Faktitive Verben sind: versüßen, verdeutlichen, veröffentlichen,
verfremden. Oft haben diese faktitiven Verben den Komparativ des Adjektivs als
Ausgangspunkt: verschönern, verbessern, verschlimmern, verlängern, verbittern.
Das Präfix zer- hat die Bedeutung „auseinander“, „in Teile“ <mhd. ze(r) < ahd. za(r),
zi(r), zur. Es drückt somit eine Sonderung, Trennung, Zerstörung aus: zerschneiden,
zerstückeln, zerfließen, zerbrechen, zermalmen. Es bildet Präfixbildung zu transitiven
und intransitiven Verben: zerlegen, zerschlagen, zerfallen, zerreiben, Präfixbildungen zu
Substantiven: zerbomben, zerkörnern, zerlöchern. Manche Präfixbildungen auf zer-
werden nur als Partizipien gebraucht: zerlumpt, zerklüftet, zerfurcht.
Das Präfix miß- bildet Verben mit der Bedeutung des Schlechten, Falschen, Niedrigen:
mißachten, mißbilligen, mißbrauchen, mißdeuten, mißfallen, mißglücken, mißgönnen,
mißhandeln, missraten.
Fremde Vebalpräfixe sind: ad- adjustieren; de- demoralisieren, denazifizieren, des-
desorganisieren, dis- disponieren, e- emanzipieren, ex- exponieren, in- inhaftieren,
inter- intervenieren, kon- kondolieren, per- perkutieren, prä- prädominieren, pro-
produzieren, re- revozieren, sub- subästimieren, trans- transportieren.
Die Zusammensetzung (Komposition)
Die Komposition ist eine Wortbildungsart, bei der durch die Verbindung von zwei oder mehreren
Stämmen (Grundmorphemen) ein neues Wort entsteht. Komposita sind in der Regel binär
strukturiert, d.h. ihre unmittelbaren Konstituenten sind zweigliedrig angeordnet. Das
Kompositum stellt aus der Wortgruppe eine eigenständige Größe dar, die formal und auch
semantisch nicht mehr mit der freien Wortgruppe identisch ist.
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In der Wortbildungslehre werden zwei Möglichkeiten der Klassifikation unterschieden:
nach dem semantischen Verhältnis der unmittelbaren Konstituenten von Komposita
(semantisch-syntaktische Klassifikation); nach den formalen Verfahren der Zusammensetzung
und den Kombinationsmöglichkeiten der Wortarten (morphologisch).
Die Zusammensetzung ist der gebräuchlichste Wortbildungstyp des Deutschen.
Sprachgeschichtlich ist die Zusammensetzung aus der syntaktischen Verbindung zweier oder
mehrerer Wörter entstanden: des Tages Licht – Tageslicht, Segens reich – segensreich, wohl
gesinnt – wohlgesinnt, Gewähr leisten – gewährleisten.
Die Zusammensetzung besteht aus mindestens zwei lexikalischen Morphemen; ein oder
mehrere Wortbildungsmorpheme und/oder Flexionsmorpheme können hinzutreten. Beispiele für
solche Zusammensetzungen (= Komposita) sind: Handtasche, Straßenbahnhaltestelle,
stockfinster oder hochstapeln.
Neben den Komposita gibt es als besonderen Fall der Zusammensetzung die
Zusammenrückung, das ist eine Ad-hoc-Zusammensetzung, z.B.: das Über-den-Dingen-
Stehen.
Nach dem logischen Verhältnis der Glieder in der Zusammensetzung unterscheidet man:
die determinativen (bestimmenden) Zusammensetzungen. Sie treten mit wenigen
Ausnahmen nur bei zusammengesetzten Substantiven und Adjektiven auf und
machen die Mehrzahl aller Zusammensetzungen aus.
die possessiven (besitzanzeigenden) Zusammensetzungen
die kopulativen (verbindenden) Zusammensetzungen
die verdunkelten Zusammensetzungen
Die determinativen Zusammensetzungen
Sie machen die Mehrzahl der Zusammensetzungen bei Substantiven und Adjektiven aus. Sie
bestehen aus einem Vorderglied, dem untergeordneten Bestimmungswort und aus einem 2.
Glied, das nachstehende oder übergeordnete Grundwort. Das Bestimmungswort trägt den
Haupton: Lándstraße, Frühlingsboten, Sómmernachtstraum, erfólgreich. Das Grundwort
kann sein: ein Substantiv, Adjektiv oder Partizip. Nach ihm richten sich: die Wortart, das
Geschlecht und die Zahl der Zusammensetzung. Das Grundwort ist im Vergleich zum
Gesamtbegriff immer der weitere Begriff. Diesen weiteren Begriff engt das Bestimmungswort
ein. Bestimmungswörter können sein:
Substantiv Stadtmauer
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Adjektiv (Partizipien) Neuland, Neustadt
Numeralien Dreiklang
Pronomen Selbstsucht, Ichbezogenheit
Verben Schlepptau, Schleppdampfer, Schlingpflanze
Partikeln (Adverbien, Präpositionen) nimmermüde, Immergrün, Widerstand,
Nachsommer, Nachwelt
Das Bestimmungswort entspricht in den meisten Fällen einem Attribut, zuweilen auch einem
Objekt oder einem anderen Satzglied. Wenn das Bestimmungswort einem Attribut oder einer
Modalbestimmung entspricht, so kann es in Bezug auf das im Grundwort genannte Wesen,
Ding oder Merkmal folgendes ausdrücken:
eine Charakterisierung: Edelmut - der edle Mut
ein Besitzverhältnis: Vaterhaus - Haus des Vaters
den Stoff oder Bestandteil: Belirohr - Rohr aus Blei, Dornbusch - Busch mit
Dornen
die Lage oder Richtung: Seebad - Bad an der See, Weltraumflug - Flug im
Weltraum
die Zeit: Sommerabend - Abend im Sommer
den Grund: Freudentränen - Tränen aus Freude
den Zweck: Augenschild - Schild für die Augen
das Mittel: mundgemalt - mit dem Mund gemalt
den Vergleich: bleischwer - schwer wie das Blei, federleicht - leicht wie eine
Feder, schneeweiß, grasgrün, blutrot
den Vergleich: Hundekälte, bitterböse
Entspricht das Bestimmungswort einem Objekt oder einem anderen Satzglied, was nur bei
Adjektiven und Partizipien der Fall ist, so werden die Beschaffenheit, die Qualität, die
Umstandsangabe oder der Zweck ausgedrückt. Z.B.: ruhmvoll - des Ruhmes voll, siegreich -
an Siegen reich, kriegsgefangen- im Kriege gefangen, tragfähig - fähig zu tragen, göttergleich
- den Göttern gleich.
Die possessiven Zusammensetzungen
Sie zeigen ursprünglich den Besitzer eines Dings, das hervorstehende Merkmale aufweist
und das Wesen dieses Besitzers kennzeichnet. Sie bezeichnen als Namen einer Sache
eigentlich deren Besitzer. Z. B. mit Dickopf bezeichnet man den störrischen Besitzer eines
solchen Kopfes, mit Langbein bezeichnet man einen Menschen der lange Beine hat, mit
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Stelzfuß jemanden der einen Stelzfuß (Holzbein) hat, mit Grünschnabel bezeichnet man
einen unerfahrenen Menschen. Andere Besipiele: Plattfuß, Hasenfuß, Dreifuß. Mit Bezug auf
die Bedeutung wäre wohl genauer zu scheiden in Possessivkomposita im engen Sinne
wie z.B. Langbein, Lockenkopf - ihre Bedeutung ist, dass das bezeichnete Wesen die
genannte Sache hat; Metaphern - sie drücken aus, dass das bezeichnete Wesen der
genannten Sache gleicht: Spatzenhirn, Schafskopf (eigentlich = Personifikationen). Der
Bedeutungsunterschied der verschiedenen Fälle ergibt sich vielleicht am besten aus
folgenden Definitionen: Dickkopf = Mensch mit dickem Kopf, Lockenkopf = Mensch mit Kopf
mit Locken, Flachskopf = Mensch mit Kopf mit Haaren wie Flachs, Schafskopf = Mensch mit
Kopf wie der Kopf eines Schafs. Der Ursprung solcher Zusammensetzungen geht auf die
sogenannten Spitz- oder Übernamen zurück. Hierher gehören auch Namen von Tieren,
Pflanzen, Sachen wie: Rotkehlchen, Löwenzahn, Dreifuß. Dieses sind substantivische
Komposita. Adjektivische Komposita sind: barfuß = mit bloßen Füßen; barhaupt = mit bloßem
Haupt. Die adjektivischen Komposita bezeichnen eigentlich Eigenschaften eines Wesens
oder Dings. Possessivbildungen sind auch die sogenannten Satznamen. Die Satznamen
halten eine charakteristische Eigenschaft des Trägers in der Form eines ihm
zugeschreibenen Ausspruchs fest. Sie dienen als Personenbezeichnungen, Tier-und
Pflanzennamen. Z. B. Taugenichts, Wendehals, Wagehals, Störefried, Fürchtegott,
Schlagetot, Vergißmeinnicht, Rührmichnichtan, Kehraus, Reißaus, Springinsfeld, Hupfinstroh
(Floh).
Die kopulativen Zusammensetzungen
Man spricht von kopulativen Zusammensetzungen, wenn beide Glieder der
Zusammensetzung einander gleichgeordnet sind. Man unterscheidet: eigentliche und
uneigentliche Zusammensetzungen. Die kopulativen, eigentlichen Zusammensetzungen
heißen auch noch Additionswörter. Eigentliche Additionswörter als Substantive sind selten. Z.
B. Strichpunkt = weder ein Strich, noch ein Punkt, sondern beides zugleich als Summe der
Teile. Hierher gehören auch die zusammengerückten Namen vereinigter Länder und Städte:
Schleswig-Holstein; Hamburg-Altona; Sachsen-Anhalt; Österreich-Ungarn. Häufiger sind
addierte Adjektive als eigentliche Zusammensetzungen. Zwei aufeinander bezogene
Wortstämme sind aus Nebeneinanderstellung zur Worteinheit verschmolzen. Die
ursprüngliche Bildungsweise hat sich auch in den Additionszahlwörter dreizehn bis neunzehn
erhalten. Andere solche Adjektive sind: taubstumm, naßkalt, bittersüß, schwarzweiß,
dummdreist, tollkühn, lateinisch-deutsch, helldunkel. Mehrgliedrige Reihenwörter sind:
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schwarz-rot-golden; gesteigerte Adjektive: kohl-pech-rabenschwarz; Klammerformen:
schwest- und brüderlich. Isoliert steht das ältere Adjektive: jammerschade.
Die uneigentlichen Zusammensetzungen stellen nicht die Summe verschiedener Teile
oder Merkmale dar, sondern die uneigentlichen Zusammensetzungen bezeichnen zwei
Seiten derselben Person oder desselben Dinges. Z.B. Hosenrock als Ganzes = sowohl Hose
als auch Rock; Mähdrescher, Tauchsieder. Andere Besipiele: Dichterkomponist, Zwergriese
(bei Shakespeare), Königinmutter, Königinwitwe, Prinzregent, Prinzgemahl und das alte
verdunkelte Werwolf ( = Mann und Wolf). Häufig sind Zusammensetzungen, deren zweites
Glied die allgemeine weitere Begriffskategorie des ersten angibt, wie in den Beispielen:
Hirschkuh, Mutterschwein, Schafbock, Eichbaum, Kieselstein. Diese Zusammensetzungen
stehen den verdeutlichenden Zusammensetzungen nahe. In den verdeutlichenden
Zusammensetzungen wird ein ungeläufig gewordenes Wort durch Verbindung mit einem
bekannten vedeutlicht: Maultier, Maulesel = für Maul (so noch im 18. Jh. und mundartlich <
lat. mulus). Ähnlich Murmeltier, Elentier (Hirschkalb), Lindwurm, Damhirsch, Walfisch neben
Wal, Auerochse, Turteltaube, Weichselkirsche, Mohrrübe, Farnkraut, Buchsbaum,
Quaderstein, Bimsstein, Teddybär, Guerillakrieg. Auch Schwiegermutter und
Samstag<samedi wären hierher zu stellen. Diese Bildungen stehen aber auch den
tautologischen Zusammensetzungen nahen, in denen zwei Synonyme vereint erscheinen:
Schalknarr, Streifzug, Zeitalter.
Die verdunkelten Zusammensetzungen
Eine Zusammensetzung kann ihre etymologische Durchsichtigkeit namentlich aus zwei
Gründen einbüßen: das eine Glied - in der Regel das zweite - verkümmert infolge
akzentueller Unterordnung unter das andere. Die Unbetontheit führt zur Verstümmelung
eines Gliedes. Z. B. mhd. nâchgebûr = der nahe Wohnende = Nachbar; Jungfer < mhd. junc
-vrouwe = junge Herrin, Edelfräulein; Drittel < mhd. drit-teil = der dritte Teil; Kiefer < ahd.
kien-forha, dazu mhd. kienforhîn = Kienföhre. Es gibt auch Fälle, wo das eine Glied
untergegangen oder verändert ist, während die Zusammensetzung es erhalten hat. Z. B. das
erste Glied = untergegangen: Brombeere < mhd. brâm-ber < ahd. brâm-beri, die alte
Bezeichnung brâme, brâmo = Dornstrauch; Dienstag < mhd. zies-tac <ahd. zîos-tag - den
Namen des germanischen Kriegsgottes Ziu; Freitag <mhd. vrî-tac <ahd. frîa, frîje-tag - den
Namen der germanischen Göttign Freia; Maulwurf < mhd. mûl-wurf <ags. mûga, mûwa =
Hügel, Haufen, Erde; ahd. moltwerfer = Erdaufwerfer; Meineid < mhd. mein-eit <ahd. mein-
eid; ahd. mein = falsch; Wahnsinn, Wahnwitz < mhd. wan-witzec < ahd. wana wizzi =
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unverständig, leer an Verstand. Das zweite Glied ist verdunkelt: Beispiel < mhd.; ahd. bî-spel
= lehrhafte Erzählung, Gleichnis, Sprichwort, altes spel = Bericht, Rede, Botschaft, Sage,
Fabel; Bräutigam < mhd. briute-gome <ahd. brûti-gomo; ahd. gomo = Mann; vgl. lat. homo =
Mensch; kostspielig < mhd. spildec = verschwenderisch; Nachtigall < mhd. nachte-gal(e) <
ahd. nahta-gala < asä. nahti-gala; altes gala = Sängerin. Beide Glieder sind verdunkelt:
Amboß < ahd. ana- bôz = Aufhau zu bôzzan = schlagen; Wiedehopf < ahd. witu-hopfo =
Waldhüpfer; ahd. witu = Holz.
Die Struktur zusammengesetzter Wörter
Man unterscheidet:
Zusammensetzung mit einem Substantiv oder Adjektiv als Grundwort
Zusammensetzung mit einem Verb als Grundwort
Zusammensetzung mit einer Partikel als Grundwort
Die Zusammensetzung mit einem Substantiv oder Adjektiv als Grundwort heißen auch noch
nominale Zusammensetzungen. Hier unterscheidet man zwei- und mehrgliedrige
Zusammensetzungen. Die Bestimmungswörter dieser Zusammensetzugen können sein:
Substantive, Adjektive, Numeralien oder Pronomina, Verben, Partikeln.
Zusammensetzungen mit einem Substantiv als Bestimmungswort
Diese Zusammensetzungen stellen unter den nominalen Zusammensetzungen die
geläufigste und umfangreichste Gruppe dar. Die Verbindung zwischen Bestimmungswort und
Grundwort ist entweder unmittelbar oder durch ein Fugenzeichen realisiert. Unmittelbare
Verbindungen haben wir z. B. bei: Grundstück, Dienstfahrt, Autofahrer, Parkanlage. Diese
bilden die Gruppe der eigentlichen Zusammensetzungen. Bei femininen Substantiven fällt oft
das -e aus. Z. B. Rachsucht, oder hilfreich, taufrisch. Hier ist das Grundwort ein Adjektiv und
das Bestimmungswort ein Substantiv.
Verbindungen durch ein Fugenzeichen oder einen Fugenlaut haben wir in den
Beispielen: Pferdeknecht, Vereinspräsident, Lindenblatt, aber Bretterzaun, Meereswasser.
Das Fugenzeichen ist in den meisten Fällen eine Flexionsendung, die eng in die
Zusammensetzung eingegangen ist: Meeresgrund - Grund des Meeres; Hirtenstab - Stab
des Hirten; Bärenfell - Fell des Bären. In manchen Fällen sind die Fugenzeichen erstarrte
Flexionsendungen: Sonnenlicht - Licht der Sonnen = alter Genitiv. Die Fugenzeichen sind
also in den meisten Fällen Flexionsendungen vorausgegangener syntaktischer Fügungen. In
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vielen Fällen sind sie Analogiebildungen zu bereits bestehenden Mustern: Hühnerei - Ei
eines Huhnes; Freundeskreis - Kreis der Freunde; Liebesdienst - Dienst aus Liebe;
Königstiger - Tiger wie ein König.
Die einzelnen Fugensilben sind:
das Fugen -e ist mit der Pluralendung -e zusammengefallen: Hundehütte,
Gänsefeder;
die Fugensilbe -en. Diese entspricht der Genitivendung der schwachen
maskulinen Substantive: des Bären, des Boten; oder der Genitivendung der
früheren schwachen Feminina: der Sonnen. Sie wird meist als Pluralendung
verstanden: Rosenblatt, Botenlohn, rabenschwarz. Eine alte Genitivform haben
wir in den Zusammensetzungen: Straußenei (Ei des Straußes), Schwanenhals
(Hals des Schwans);
die Fugensilbe -er ist schon in ahd. Zeit aus einem Stammauslaut zu einer
reinen Pluralendung geworden: Lämmerwölkchen, Kindergarten, kinderlieb;
das Fugen -s oder -es (das Binde-s) entspricht bei starken maskulinen und
neutralen Bestimmmungswörtern dem Genitiv Singular: Bahnhofshalle,
Meeresstrand. Von hier ging das Fugen-s auf weibliche Abstrakta über und auf
solche Bestimmungswörter, die eigentlich im Plural stehen müßten:
Liebesdienst, Armutszeugnis, Zwillingspaar; das Fugen-s kennzeichnet die
Zusammensetzungsfrage besonders deutlich und erleichtert zwischen zwei
Konsonanten das Sprechen. Deshalb ist es sehr verbreitet: Geburtstag,
Fabrikshof, Zwangsverkauf. Das Fugen-s steht in Zusammensetzungen mit
abgeleiteten Bestimmungswörtern auf: -tum – Altertumskunde; -ing –
Heringssalat; -ling - Frühlingssturm; -heits – Schönheitswettbewerb; -schaft –
Freundschaftsbesuch; -keit – Heiterkeitserfolg; -ung – hoffnungsvoll; -ut –
Armutszeugnis. Das Fugen-s steht bei Bestimmungswörtern auf -ion und -tät
und beim Infinitv: Sensationserfolg, Universitätsgelände, Essenszeit,
Schlafenszeit, lobenswert. Das Fugen-s fehlt aber in Zusammensetzungen mit
einsilbigen weiblichen Bestimmungswörtern oder zweisilbigen weiblichen
Bestimmungswörtern auf -e: Nachtdienst, Handarbeit, Bahnhof, Wandverputz,
Wärmeleiter, Klagelied, Lagebericht, schwerelos, säurefest, Minnesang. Das
Fugen-s fehlt auch bei Bestimmungswörtern auf -er und -el: Bäckerhandwerk,
Wendeltreppe, spindeldürr. Bei deutlicher Vorstellung eines Genitiv ist das
Fugen-s auch hier schon eingedrungen: z. B. Wandersmann, Müllerstochter.
Kein Fugen-s steht noch bei femininen fremden Bestimmungswörtern auf -ur
49
und -ik: Kulturhaus, Kulturgruppe, Naturempfinden, Fabriktor. kritiklustig. Kein
Fugen-s steht vor allem bei Bestimmungswörtern auf sch, tz, s, ß: Fleischbrühe,
Blitzableiter, Preistafel, Flußbett. Aber: Fleischeslust, Blitzesschnelle. Im
Gebrauch des Fugen-s treten oft Schwankungen auf: Mietzins – Mietskaserne;
Bahnhofstraße – Bahnhofsplatz. In Österreich ist das Fugen-s in stärkerem
Maße üblich: Fabriksarbeiter, Zugsverkehr.
In der Neuzeit ist im allgmeinen eine wachsende Neigung zu Zusammensetzungen mit
Fugenzeichen zu registrieren. Z.B. bie Goethe und Wieland hieß es noch: Befehlhaber. Auch
heute stehen nebeneinander: Waldrand –Waldesrand; Eichwald – Eichenwald; Kirschbaum –
Kirschenbaum. Die Gegenwartssprache zielt dahin, mit Hilfe der Fugenzeichen die
Vorstellung einer syntaktischen Beziehung zwischen den Gliedern der Zusammensetzung
anzudeuten; so entstandene Neubildungen wären: Motorenlärm, Gästebuch, Bücherstube,
Ärztetagung, Ärztekongress. Diese Tendenz zur Verdeutlichung einer syntaktischen
Beziehung führt dazu, dass die gleichen Gliedwörter Zusammensetzungen mit und ohne
Fugenzeichen oder mit verschiedenen Fugenzeichen bilden. Diese Zusammensetzungen
unterscheiden sich nach landschaftlichem Gebrauch oder auch nach der Bedeutung.
Süddeutsch heißt es: Schweinsbraten, Rindsbraten, Visitkarte. Nordeutsch hingegen:
Schweinebraten, Rinderbraten, Visitenkarte. Beispiele für Unterschiede in der Bedeutung:
Landmann (Bauer) - Landsmann (Heimatgenosse); Wassernot (Mangel an Wasser) -
Wassersnot (Überschwemmung) oder Meßband und Meßtechnik (zu messen) stehen neben
Messehalle und Messeleitung (zu Messe) und Meßopfer oder Meßgewand (zu Messe als
Kirchenwort). Es können aber auch verschiedene Formen ohne Bedeutungsunterschied
nebeneinanader stehen: Schokoladefabrik – Schokoladenfabrik; Toiletteartikel –
Toilettenartikel. Es kommen auch drei oder mehrere verschiedene Formen nebeneinander
vor: Aschbecher - Aschenbecher –Aschegehalt; schblond - Aschenbahn –
Aschefangscheibe; aschfahl - aschenfarbig – Aschermittwoch. In manchen
Zusammensetzungen bilden Partizipien die Grundwörter. Diese Partizipien sind mit ihren
Ergänzungen oder Umstandsangaben so fest zusammengewachsen, dass das
Fugenzeichen seltener auftritt: friedliebend, postlagernd, stadtbezogen, inhaltbezogen,
achtunggebietend. Einige solcher Bildungen sind zu festen Substantiven geworden: der
Gewerbetreibende, der Kriegsgefangene.
Zusammensetzungen mit einem Adjektiv als Bestimmungswort
50
Sie sind meistens aus einem attributiven oder modalen Verhältnis entstanden: der Edelmut <
der edle Mut; die Hochzeit < die hohe Zeit; die Oberfläche < die obere Fläche; eisigkalt <
eisig kalt. Flexionsendungen sind in der Zusammensetzung nicht eigegangen. Sie können
aber in Orts-und Personennamen erhalten bleiben: Stolzenburg < in (zu) der stolzen Burg;
Breitenfeld < auf dem breiten Feld. Solche Orts- und Personenamen sind als syntaktische
Fügungen nur zusammengerückt. Besonders häufig sind Zusammensetzungen mit allgemein
charakterisierenden Adjektiven und mit Ortsadjektiven: z. B. Oberhaus-stadt-kellner diese
bilden oft Wortreihen oberdeutsch; Unterarm -tasse-wäsche-stadt-unterirdisch oder Alteisen -
Altstadt, altfränkisch. Bei Zusammensetzungen gebildet aus 2 Adjektiven oder aus Adjektiv
und Partizip ist zu unterscheiden, ob eine Zusammensetzung oder eine syntaksiche Fügung
vorliegt. Z. B. spätgotisch, bitterkalt, kleinlaut, stillschweigend, blondgelockt =
Zusammensetzungen; eisigkalt, hartgekocht, weichgekocht, hellstrahlend = syntaktische
Fügungen
Zusammensetzungen mit einem Numerale oder Pronomen als Bestimmungswort
Diese Zusammensetzungen sind selten. Z.B. Zweigespann, Dreiklang, Tausendfuß,
Erstgeburt, Mittbester, Halbinsel, halbrund; hier ist das Bestimmungswort ein Numerale. In
Selbstsucht, jedermann, Nichtsnutz, selbstsicher, selbstredend ist das Bestimmungswort ein
Pronomen.
51
Zusammensetzungen mit einem Verb als Bestimmungswort
Den Ausgangspunkt dieser Zusammensetzungen bilden Wörter mit einem Substantiv an
erster Stelle, das auch als Verbalstamm aufgefaßt werden konnte: Schlafkammer = eigentlich
ein altes Substantivkompositum, dennoch wird der erste Teil als Verbum aufgefaßt. In dieser
Lage sind auch: Werktag, Baustein, Ruhebett, reisefertig. Diese Entwicklung hat im
Althochdeutschen ihren Anfang genommen. Im Neuchochdeutschen ist die Zahl dieser
Zusammensetzungen ganz bedeutend angewachsen: Anzeigepflicht, Ausgehverbot,
Bindfaden, Fahrschein, Füllfeder, Gefrierpunkt, Leithammel, Löschblatt, Mischklasse,
Nähmaschine, Riechfläschen, Rennplatz, Saufbruder, Schmierseife, Sparkasse, Steppdecke.
In diesen Zusammensetzungen erscheint das Verb als endungsloser Verbalstamm oder mit
dem Fugenlaut -e. Fälle wie: Schlafengehen, Hörensagen, Lebenszeit - gehören nicht
hierher, weil sie nicht dem Werdegang der anderen Komposita entsprechen; z. B.
endungslosen Verbalstamm - Kampfgeist, oder der Fugenvokal -e: Schweigepflicht. Der
Fugenvokal -e steht mit Vorliebe nach einem b, d, g, s, im Verbalstamm (aber nicht
regelmäßig). Z. B. Blasebalg, Lebemann, Lesebuch, Lösegeld, Säugetier, Sterbezimmer,
Werdegang, Werkoffizier, Zeigefinger. Der Fugenvokal -e fehlt aber eher hinter dem l, m, n, r,
t als Stammauslaut: Kläranlage, Malkasten, Reithose, Schermesser, Tretmühle, Wohnhaus,
aber auch Haltestelle, Schlagzeug, Schreibtisch, Wärmeflasche, Webstuhl. (-e nach t; kein -e
nach b, g). Über das Bedeutungsverhältnis der beiden Glieder wäre verallgemeinernd zu
sagen, dass:
a.) der Verbalstamm im großen und ganzen auf einen Zweck hinweist: Schreibfeder
= Feder zum Schreiben; Brennholz, Gießkanne, Sparkassem Strikcnadel,
Trinkwasser, Webstuhl, Zündholz.
b.) seltener steht der Verbalstamm zum Substantiv im Verhältnis eines
ursprünglichen Prädikats: Stechpalme = Palme, die sticht; Säugetier,
Springbrunnen, Zeigefinger, Werbeoffizier - das ursprüngliche Prädikat ist später zum
Attribut geworden. Zusammensetzungen von Verb + Adjektiv sind selten. Beispiele:
treffsicher, denkfaul, merkwürdig, trinkfest . In diesen Zusammensetzungen fehlt der
Fugenlaut -e.
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Zusammensetzungen mit einer Partikel als Bestimmungswort
Ihre Zahl ist heute im Anwachsen. Bestimmungswörter sind: Raumadverbien, Präpositionen.
Man unterscheidet zwei Gruppen:
a.) das Bestimmungswort entspricht einem Adverb im attributiven Gebrauch:
Gegenmittel = das Mittel dagegen; Vorabend = der Abend davor; Rückweg = der Weg
zurück.
b.) das Bestimmungswort entspricht der Präposition eines Präpositionalgefüges: die
Nachlese = die Lese nache der Lese; Vorstadt = die Stadt vor der Stadt; überschlau =
schlau über alle Maßen. Die Partikel „zurück“ wird in Zusammensetzungen durch
„rück“ ersetzt: Rückweg, Rückzug, Rückfracht. Die Partikel „in“ als Ortsangabe wird in
Zusammensetzungen durch „ein“ ersetzt: Eingeweide - mhd. Ingeweide; einheimisch.
In Einwohner steht „ein“ für inne: mhd. innewohner. In anderen Fällen bleibt „in“
erhalten: Inhalt - mhd. Innehalt; inwendig - mhd. Innewendie. Die präpositionalen
Adverbien hinter, unter, nieder berühren sich mit den gleichlautenden Adjektiven.
Alle Bildungen, die keine Beziehung auf ein Verb erlauben, gehen hier auf die
Adjektive zurück: Hintermann, Hinterland, Unterleib, Unterhaus, Niederlagen. Andere
flexionslose Bestimmungswörter erscheinen in: Fürbitte, Fürsorge, Fürsprache,
Immergrün, Jawort, Nichterschienen, nimmermüde, wohlklingend.
Drei- oder mehrgliedrige Zusammensetzungen
Zweigliedrige Zusammensetzungen können ihrerseist den Ausgangspunkt für neue
Zusammensetzungen bilden. In diesen neuen Zusammensetzungen sind sie entweder
Grund-oder Bestimmungswörter. Sie erwecken den Eindruck der Mehrgliedrigkeit. Z.B.
Armband-uhr, Haupt-bahnhof, Straßenbahn-haltestelle. Diese sind eigentlich zweigliedrige
Zusammensetzungen. Solche Bildungen haben in der Umgangssprache wenig Verbreitung
gefunden, dafür sind sie in der Amtssprache und in der Sprache der Technik sehr verbreitet.
Die Umgangssprache hat dafür entsprechende Kurzwörter gebildet: PKW =
Personenkraftwagen; LKW = Lastkraftwagen; Flak = Flugabwehrkanone; Füller =
Füllfederhalter. Wirkliche Mehrgliedrigkeit ist in verstärkenden Wörtern wie:
mutterseelenallein, kohlpechrabenschwarz, in poetischen Ausdrücken wie:
dämmernachtverstohlen, in Zusammensetzungen wie: Dreizimmerwohnung, Unterseeboot,
Sauregurkenzeit. Das Fugen-s kann in mehrgliedrigen Zusammensetzungen stehen oder
fehlen: Eingangstor, Bahnhofshalle, Fußballmeisterschaft, Ellbogenknochen.
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Dreigliedrige Zusammensetzungen mit Zahlen über eins im ersten Glied können auf
drei Arten gebildet werden:
1.) durch unmittelbare Zusammensetzung - Viertaktmotor
2.) das zweite Glied steht im Plural - Vierfarbendruck
3.) das zweite Glied trät ein Fugenzeichen - Zehnjahresfeier
Zusammensetzungen mit einem Verb als Grundwort
Man unterscheidet feste und unfeste Zusammensetzungen (auch unlösbare oder
unumkehrbare Zusammensetzungen). Die Adverbpartikeln durch, hinter, um, unter, über,
wi(e)der und das Adjektiv voll bilden sowohl feste als auch unfeste Zusammensetzungen mit
Verben: durchbrechen, durchgehen, hinterbringen, hintergehen, umgehen, umstellen,
unterschreiben, übersetzen, übersiedeln, widersprechen, widerstreben. Die unfesten
Zusammensetzungen bewahren gewöhnlich die Konstruktion des einfachen Verbs:
úmgehen - es geht um; mítgehen - ich gehe mit. Als allgemeingültig erweist sich nur die
verschiedene Betonung. Die festen Zusammensetzungen haben den Akzent auf das
Verbum, die unfesten Zusammensetzungen auf den Verbzusatz (die Partikel) (aber: die
Partikel „hinter“ ist nur mit Vorbehalt hierher zu stellen: z. B. hinterbringen, hintergehen,
hinterlegen, hinterziehen sind unfeste Zusammensetzungen, kommen aber praktisch so gut
wie nicht vor). Ursprünglich stellten wider und wieder dasselbe Wort dar. Ihre
Bedeutungsspaltung erfolgte aber schon im Ahd. und wurde dann durch die Schreibweise
fixiert. Im Großen gilt die Regel, dass Zusammensetzungen mit „wider“ als fest zu behandeln
seien und Zusammensetzungen mit „wieder“ als unfest. Diese Regel stimmt aber nicht
durchweg, denn von beiden erscheinen beiderlei Bildungen: wiéderholen gegen wiederhólen;
wié+derfinden; wiédersehen.
Unfeste Zusammensetzungen
Trennbar bleiben alle anderen Partikeln: ab, an, auf, aus, bei, dar, ein, her, hin, mit, vor, zu;
heran-ab, -auf usw. Diese Adverbien behalten bei der Verbindung mit einem Verb
größtenteils ihre Eigenbedeutung, ihre semantische Selbständigkeit. Sie behalten nicht nur
die semantische Selbständigkeit, sondern auch die Stellung der freien Verbalbestimmung. Z.
B. ich schreibe bald - ich gedenke bald zu schreiben; ich schreibe ab - ich gedenke
abzuschreiben. Man kann also sagen, dass in solchen Wörtern jeder Teil seine Bedeutng
unverändert beibehalten habe; aber in einer noch viel größeren Zahl von Fällen weist die
Verbindung doch eine spezialisierte Bedeutung auf. Diese Spezialisierung kann sein:
vollständig (mitteilen, vorkommen, zutreffen) oder est steht neben der eigentlichen
54
Bedeutung eine übertragene: annehmen heißt auch vermuten/sich kümmern um; aufgeben
= als verloren betrachten; vorwerfen = einen Vorwurf machen; aufheben = auflösen,
annullieren. Andere Beispiele: abtreten, anführen, ausführen beilegen, einschlagen,
eingehen, einstellen, herunterkommen, nachlassen, zulassen. Den heute gültigen
syntaktischen Gesetzen zufolge, ist die Stellung Patrikel + Verb ungemein häufig; regelmäßig
ist sie im Infinitiv, aber auch sonst durchgehend, außer im Präsens und Imperfekt der
Hauptsatzform. Das Bindende ist aber vollends darin zu suchen, dass Partikel + Verb eine
einzige Tätigkeit ausdrücken, nicht nur in Fällen mit spezialisierter Bedeutung z. B. zugeben,
sondern auch in anderen Fällen:): abschreiben, herunterkommen, hinaufgehen zumachen
(=schließen). Infolgedessen werden das Verb und seine Partikel als innere funktionelle
Einheit empfunden. Manche unfesten Zusammensetzungen kommen als einfache Verben
nicht mehr vor. Z. B. ausmerzen, ausrollen, ausmergeln, aufwiegeln, einverleiben. Als erstes
Glied in unfesten Zusammensetzungen erscheinen:
ursprüngliche Adverbien (heute meist Präpositionen)
zusammengesetzte Adverbien
Adjektive
Substantive
Ursprüngliche Adverbien + Verb sind z.B.: anfangen, beitreten, aufbauen, hingehen,
wiederkommen usw. Ihren ursprünglichen adverbiellen Charakter zeigen diese Partikeln in
elliptischen Wendungen wie: Das Licht ist an. Der Kranke ist wieder auf. Die Partikeln
können ein intransitives Verb in ein transitives Verb verwandeln: lachen – auslachen; blicken
– zublicken. Die Partikel kann dem Verb eine perfektive Bedeutung geben (den Sinn des
Abschlusses): blasen - ausblasen; gießen - ausgießen; laufen - ablaufen; reisen – abreisen.
Die Bedeutung des Beginnens ist in: blühen - aufblühen; gehen - losgehen.
Dementsprechend teilt man die Verben (nach der zeitlichen Verlaufsweise eines
Geschehens) ein in: a.) ingressive oder inchoative Verben (Anfang/Beginn der Handlung)
und b.) resultative Verben (Ende eines Geschehens). Zusammengesetztes Adverb + Verb:
emporsteigen, daherkommen herausgeben, herbeiführen. Laut DUDEN ist die Grenze
zwischen Prädikatsteil und Satzglied mit Gliedprägung fließend. Adjektiv + Verb: feilbieten,
fertigstellen, festbinden, freigeben, hochheben, irreführen, losfahren, loslassen, vollführen,
weiterreden. Substantiv + Verb: achtgeben, fehlschießen, haushalten, heimfahren,
maschinenschreiben, preisgeben, radfahren, standhalten, stattfinden, teilnehmen. Mit
Substantiven verbundene Verben können aber auch Ableitungen sein: maßregeln,
ratschlagen, wehklagen.
55
Zusammensetzungen mit einer Partikel als Grundwort
Das sind flexionslose Zusammensetzungen. Es sind meist Zusammenrückungen. Neben
Zusammensetzungen, deren letztes Glied schon ein flexionsloses Wort war, entstehen solche,
die einer anderen Wortart angehören als das letzte Glied. Das letzte Glied dkann sein: ein
Substantiv - das Ganze aber eine Präposition: infolge; ein Adjektiv - das Ganze aber ein
Adverb: fürwahr; ein Pronomen - das Ganze aber ein Konjunktion: trotzdem. Diese Bildungen
stellen erstarte syntaktische Verhälnisse flektierbarer Wörter dar und deshalb ist oft keine
scharfe Grenze zu ziehen zwischen formaler Selbständigkeit und Zusammensetzung. Diese
Unsicherheit wirkt sich (auch) in der Schrift aus, wo die Wörter oft getrennt bleiben, auch wenn
sie einen einheitlichen Begriff wiedergeben: von dannen, vor allem, in bezug, in Hinsicht auf,
zu guter Letzt - gegen infolge, insgesamt, zutiefst. Bei anderen herrscht noch Schwanken:
zuoberst, zutage, zugrunde. Da es sich um einen fortschreitenden Prozeß handelt, neigt die
Rechtschreibung in Zweifelsfällen mit Recht zur Zusammenschreibung. Es gibt folgende
Möglichkeiten der Zusammensetzung:
Adverb + Adverb: dahin, dorther, dorthin, hinweg, immerhin, jawohl, sofern, sofort usw.
Adverb + Präposition: daran, gegenüber, herab, hiermit, hinzu, hinterdrein, nachher,
obenan, vorhin, wohlan.
Präposition + Präposition: mitunter, nebenbei, überaus, voran, zugegen.
Präposition + Substantiv: abhanden, anstatt, beiseite, imstande, überhaupt, zufolge,
zugunsten.
Präposition + Adjektiv: beinahe, ingsgeheim, vorlieb.
Präposition + Pronomen: außerdem, mitunter, ohnedies, unterdessen, überall.
Präposition + Numerale: entzwei
Präposition + Adverb: bisher, umsonst, vorgestern, zusammen.
(Verdunkelte Bildungen: besonders, binnen, empor, neben. Die Bildungen dieser Gruppe
sind: Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen).
Substantiv + Präposition: bergan, jahraus, jahrein, kopfüber, ordnungsgemäß, treppauf.
Adjektiv + Präposition: geradeaus, kurzum.
Adjektiv + Adverb: gemeinhin, gleichwohl, schlechthin, schlechtweg
Adjektiv + erstarrtes Substantiv: allerdings, heutigenstags, jederzeit, keineswegs,
kurzerhand.
Pronomen + erstarrtes Substantiv: allemal, allezeit, derart, derweilen, diesmal, einmal
Pronomen + Präposition: demnach
Verdunkelte Zusammensetzung: innerhalb
56
Die Zusammensetzungen dieser Gruppe sind Adverbien.
Das Kompositum
Die Komposition ist das wichtigste Mittel der Wortbildung. Von Wortbildung durch
Zusammensetzung oder Komposition spricht man, wenn (mindestens) zwei Wörter so
aneinander gefügt werden, dass sie - ohne zusätzliche Ableitungsmittel - eine neue Einheit
bilden, die wiederum als ein Wort aufgefasst wird. Die Einzelkomponenten verlieren ihre
semantische Selbstständigkeit, das neu zusammengesetzte Wort hat eine
Gesamtbedeutung, die nicht einfach der Summe der Einzelbedeutungen entspricht. In den
germanischen Sprachen, die dem flektierenden Sprachtyp folgen, bestehen
Zusammensetzungen prinzipiell aus einer Gruppe von zwei Wörtern, von denen nur das
zweite flektiert wird. Im Deutschen werden sie im Unterschied etwa zum Englischen
durchgehend zusammen geschrieben. Normabweichungen betreffen vor allem plakative
Aufschriften (z.B. Herren Salon, Frisch Fleisch), Firmen- und Produktnamen (z.B. Schwann
Verlag, Aral Langzeitbatterien); sonst fast nur englisch beeinflusste Texte mit Schreibweisen
wie Hollywood Film und Import Rarität. Diese Tendenz der Normabweichung ist aber
zunehmend. (vgl. Duden-Grammatik 1995, 421) Die Produktivität des Kompositionsvorgangs
ist von Sprache zu Sprache unterschiedlich ausgeprägt und wird von der Kategorie des
Vorder- bzw. Hinterglieds beeinflusst. Das Deutsche kennzeichnet sich durch seine
besondere Kompositionsfähigkeit, während das Phänomen z.B. in romanischen Sprachen
viel schwächer entwickelt ist. Zusammensetzungen können aus unterschiedlichen Wortarten
gebildet werden:
besonders produktiv sind Zusammensetzungen aus zwei nominalen Gliedern
(sogenannte N+N–Komposita): Wintermonat, Hausapotheke, Bienenhaus,
Bahnhof, Fürstenhaus, Hausarbeit, Büroarbeit, Handarbeit, Stadtbahn, Lichtspiel,
Weltklasse, Weltbild, Schulweg, Autofahrer, Fahrpreis.
Weniger häufig setzen sich solche Bildungen aus Adjektiv + Nomen zusammen:
Breitwand, Altpapier, Altbau, Hochbau, Hochwasser, Tiefpunkt, Tiefschlag,
Volltreffer, Vollmacht, Weichtier, Kurzurlaub, Schnellaufzug, Langfilm, Langlauf,
Dünndarm.
sehr selten ist der Typ Verb + Verb (drehboren).
als Bestimmungswörter bei substantivischen Grundwörtern stehen auch:
Pronomina: Selbstentfaltung, Selbsterfahrung, Selbstbetrug, Ich-Kult;
Adverbien: Außenspiegel, Vorderachse, Außenstürmer, Innenwand,
57
Binnenmarkt, Zwischenabrechnung, Abwärtstrend; Präpositionen: Beiprogramm;
Übergang, Zwischenruf; Nachtisch; Vorspeise Konjunktionen: Dass-Satz;
Interjektionen: Aha-Erlebnis; Buchstaben: O-Beine, U-Bahn, U-Profil.
Die Komponenten einer Zusammensetzung sind auch selbst als Wörter verwendbar
(wortfähig), im Kompositum jedoch nicht umstellbar - von Kopulativkomposita (s. weiter
unten) abgesehen -, weil das Grundwort die Wortart, d.h. die grammatischen Eigenschaften
des Kompositums, und die semantische Grundkategorie bestimmt. Sie sind auch nicht
voneinander trennbar (mit Ausnahme der trennbaren Verbbildungen). Vereinigt sind sie
durch einen Betonungsbogen, aus Haupt- und Nebenakzent gebildet, und im heutigen
Deutsch, im Unterschied zum älteren Deutsch und z.B. auch zum Englischen gewöhnlich
durch Zusammenschreibung. Auch umfangreiche Komposita lassen sich in der Regel auf
zwei Bestandteile (Konstituenten) zurückführen: Wohnungsbauförderung – Förderung des
Wohnungsbaus; Landeswohnungsbauförderung - Wohnungsbauförderung des Landes/
durch das Land; Wohnungsbauförderungsgesetz – Gesetz zur Wohnungsbauförderung.
Verbindungselemente wie das -s- zwischen Wohnungsbauförderung- und -gesetz, die an
Flexionsendung erinnern, haben keine syntaktische Beziehungsfunktion, sondern
kennzeichnen die Grenze (Fuge) zwischen den Kompositionsteilen. Verschiedene
Bedeutungen haben z.B. Sommer-Abendkleid und Sommerabend-Kleid auf Grund des
gliedernden Bindestrichs bekommen. Das Bestimmungswort ist häufiger mehrgliedrig als das
Grundwort. Das erklärt sich daraus, dass es – vor allem im Verwaltungs- und
Wissenschaftstexten – in ganz besonderem Masse zur begrifflichen Differenzierung dient.
Mehrgliedrige Grundwörter finden sich vor allen Dingen in Zusammensetzungen, deren
Zweitglieder viel gebrauchte Komposita sind.
Substantivzusammensetzungen bestehen aus zwei leicht erkennbaren lexikalischen
Bestandteilen: dem Bestimmungswort und dem substantivischen Grundwort, das, wie schon
erwähnt, im Allgemeinen die grammatische Funktion und die semantische Kategorie festlegt.
Beim Bestimmungswort kann es sich dabei entweder um ein Substantiv, ein Adjektiv oder
Partizip, ein Verb, Pronomen oder eine Partikel (Präposition, Adverb) handeln.
Die zwischen dem Bestimmungswort und Grundwort bestehende semantische
Beziehung kann durch die Auflösung des Kompositums in eine Satzfügung verdeutlicht
werden, in der beide Komponenten als selbstständige Wörter auftreten, wie das im Weiteren
dargestellt wird.
Semantische Beziehungen in der substantivischen Zusammensetzung
58
Der vorliegenden Übersicht diente die Darstellung in der Dudengrammatik (1995, 466- 479)
als Ausgangspunkt. Die Lexeme, aus denen ein zusammengesetztes Substantiv besteht,
sind zum kleineren Teil einfache Wörter (Simplizia), zum größeren Teil komplex, d.h.
ihrerseits Wortbildungen oder Wortgruppen. Ohne den zugehörigen Kontext wirken
zahlreiche Komposita vieldeutig, wie z.B. Holzkiste (Kiste aus Holz, Kiste für das Holz). Im
Kontext aber sind fast alle Komposita eindeutig.
Kopulativzusammensetzungen
Bei Kopulativkomposita stehen beide Konstituenten in einem koordinierenden Verhältnis
zueinander. Zwei Situationen sind da zu unterscheiden:
a) Die beiden Bestandteile des Kompositums gehören der gleichen
Bezeichnungsklasse an und sind einander gleichgeordnet, wie etwa in einer
Konstruktion mit der kopulativen Konjunktion und:
Strumpfhose = Strumpf und Hose
Hemdbluse = Hemd und Bluse
Jodkalium = Jod und Kalium
Strichpunkt = Strich und Punkt
Studienratdoktor = Studienrat und Doktor
Schneeregen = Schnee und Regen
b) Die Reihenfolge der beteiligten Elemente ist prinzipiell vertauschbar
(symmetrisch), aber durch Lexikalisierung ist die Abfolge häufig festgelegt:
Hosenrock - Rockhose
Uhrenradio - Radiouhr
Ofenkamin - Kaminofen
Diese Bildungsweise ist nicht besonders produktiv und eher in Berufs- und Fachsprachen
anzutreffen. Viel häufiger ist der Typ der determinativen Komposition vertreten. Die Grenze
zwischen Determinativ- und Kopulativzusammensetzungen ist jedoch nicht immer eindeutig
festlegbar. Determinativzusammensetzungen
Determinativkomposita stellen den Haupttyp der Substantivzusammensetzung dar und
herrschen in der Gemeinsprache vor. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der erste
Bestandteil dem zweiten untergeordnet ist. Das Grundwort ist der wortsyntaktische und
semantische Kern der Konstruktion, der die Bezeichnungsleistung erbringt, das
Bestimmungswort ist ihm morphosyntaktisch und semantisch untergeordnet. Aus diesem
59
Grund gilt die Formel „ein ab ist ein b”, z.B. Brautschuhe sind Schuhe. Die Reihenfolge der
Glieder bestimmt, welche Bedeutung die andere spezifiziert. Die Spezifizierung des
Grundwortes erfolgt durch das Bestimmungswort: Brautschuhe – Schuhe, die eine Braut
trägt. Im Unterschied zu den Kopulativkomposita lässt eine Umstellung der Komponenten
völlig andere Bedeutungsbeziehungen entstehen; sie bewirkt die Umkehrung des
Determinationsverhältnises: Treppenhaus – Haustreppe; Blumentopf – Topfblume; Reisebus
– Busreise.
Bei Determinativzusammensetzungen erscheinen häufig auch Komposita als Grund-
oder Bestimmungswörter. In Fachtexten der Wissenschaft, Technik und Verwaltung ist die
Tendenz zu überlangen Bildungen erkennbar, in denen noch mehr Wörter miteinander
verbunden sind: Rund/sicht//wind/schutz/scheibe, Landes/spar/kassen//zweig/anstalt,
Super/nutz/stich//frei/arm/näh/maschine, Atom/kraft/werk/stand/ort/sicherungs//programm. In
mehrgliedrigen Zusammensetzungen wird manchmal das Mittelstück ausgespart, wodurch
Klammerformen entstehen: Fernamt aus Fernsprechamt, Freilandeier aus
Freilandhühnereier. Solche Konstruktionen werden auch elliptische Komposita genannt.
Neuerdings gibt es als Gelegenheitsbildungen sogar vielgliedrige Gebilde, die durch
Koppelung einer Satzfügung mit einem (Einzel)wort entstehen: der Ab-und-zu-muß-man-es-
wieder-einmal-probieren-Einsatz. Bei den Determinativzusammensetzungen unterscheidet
man gewöhnlich exozentrische (auch Possessivkomposita genannt) und endozentrische
Komposita. Exozentrische Zusammensetzungen wie Dickkopf oder Milchgesicht weisen zwar
dieselbe (determinative) Bedeutungsbeziehung zwischen den Bestandteilen auf wie die
endozentrischen Zusammensetzungen (Dickdarm, Milchkanne usw.), unterscheiden sich
aber von diesen in der Bezeichnungsweise, da sie sich nicht auf die im Grundwort genannte
Größe beziehen, sondern insgesamt charakterisierend auf eine ungenannte: Während die
endozentrische Zusammensetzung Milchkanne eine Kanne bezeichnet, bezieht sich die
exozentrische Zusammensetzung Milchgesicht nicht auf ein Gesicht, sondern auf eine
Person. Entsprechend bezeichnet man mit Rotkehlchen einen Vogel, der eine rote Kehle
(rotes Gefieder an der Kehle) hat, oder mit Löwenmäulchen eine Blume, deren Blüten wie
kleine aufgesperrte Löwenmäuler aussehen.
Aufbau und Erweiterung der Fachwortschätze
Die Erweiterung von Fachwortschätzen, d.h. die Prägung von Fachwörtern ist eine
Notwendigkeit in allen wissenschaftlich und technisch innovativen Tätigkeitsfeldern →
Benennungsstrategien sind eng mit den situativen Bedingungen der jeweiligen Forschungs-
60
bzw. Entwicklungssituation verbunden → totale Neuschöpfungen sind in Fachsprachen
extrem selten; das berühmte Beispiel Gas, das von J. B. Helmont (1579-1644) geschaffen
wurde, ist an gr. Chaos angelehnt. Neue Lexikoneinheiten werden als motivierte
Benennungen kreiert → oft besteht die benennungspragmatische Aufgabe darin, minimale
mnemotechnische Anhaltspunkte zu geben, die bei einer totalen Neuschöpfung entfallen →
andererseits aber muss die allzu große Nähe zu im Fach bekannten oder nichtfachlichen
Wörtern vermieden werden. Es werden am häufigsten die folgenden Erweiterungsstrategien
im fachlichen Zusammenhang angewendet: Neologismen Illokution , Übersetzung, (verteilte
Wicklung), Ableitungen (Textoid), Zusammensetzungen, (Einschreibenkupplung),
Mehrwortlexem (lombardischer Vorschlag), Metapher (Dämon) , Umdefinition (Kraft). Beim
Benennungsprozess stehen nicht alle diese Darstellungsmittel zur freien Verfügung; die Wahl
der sprachlichen Mittel ist eine Folge der Benennungsstituation: (1) wird z.B. die Entwicklung
einer spezifischen technischen Problemlösung (schnelle und billige Herstellung von
Verdrahtungen bzw. Schaltungen) angestrebt, so liegt es nahe, die Lösung nach dem
entscheidenden verfahrenstechnischen Detail (gedruckte Schaltung) zu benennen; (2) wenn
dagegen in der Grundlagenforschung Entdeckungen benannt werden müssen, dann kann ein
Phantasie-Name näher liegen; (3) greift man zum Mittel der Wortzusammensetzung, so
ergeben sich für den systematischen Aufbau einer Terminologie Schwierigkeiten: das
semantische Verhältnis zwischen Grundwort und Bestimmungswort kann determinativ oder
kopulativ sein: Informationswirtschaft (det.)
Spritzgießen (kop.); die im Bestimmungswort gegebene Spezifizierung nach: Form, Lage,
Herkunft, Funktion, Eigenschaften, Teil-von-Beziehung bietet sich als Lösung an; die
Unterscheidung in determinativ/kopulativ ist häufig eine etwas künstliche linguistische und
muss nicht der fachlichen Intention der Terminologie entsprechen. Mitnehmergabel kann
zwar linguistisch als Determinativkompositum klassifiziert werden (eine Gabel, die als
Mitnehmer funktioniert), aber fachlich gesehen ist die Beziehung gerade umgekehrt: Der
Mitnehmer hat Gabelform: Mitnehmergabel ist eine Art Mitnehmer. In bestimmten
Fachgebieten (Medizin, Geisteswissenschaften) ist die Bildung von Fachwörtern aus
lateinischem oder griechischem Material üblich (Neologismus) → Benennungen nach
Personen: Keplersche Gesetze, Moniereisen, Dopplereffekt, Petrinetz.
61
VORLESUNG 3: BESONDERE ARTEN DER WORTBILDUNG
Besondere Arten der Wortbildung
Zu den Mitteln der Wortbildung im engeren Sinne gehören auch:
Der Übertrittt aus einer Wortart in die andere (Konversion)
Die Bildung von Stummel-und Initialwörtern
Die Wortbildung durch Verdoppelung
Die Wortmischung oder Kontamination
die Volksetymologie
Der Übertritt aus einer Wortart in eine andere (Konversion)
Der Übertritt aus einer Wortart in die andere wurde schon bei der Ableitung festgestellt. Dieser
Übertritt vollzog sich aber mit Hilfe von Suffixen, also mit der gleichzeitigen Veränderung des
Stammwortes mit Hilfe von Suffixen: z. B. Glück – glücklich; reich – Reichtum; Fall – fällig. Ein
Wort kann aber auch ohne formale Änderung in eine andere Wortart übergehen. Im
Deutschen können z. B. alle Wörter substantiviert werden, sogar Wortgruppen und Sätze. Z.
B.: blau - das Blau, das Kommende, das Bevorstehende, das Ich, das Leben, das Sein, das
Nimmerwiedersehen, das Sich-einer-Sache-bewußt-werden-können. Substantive gehen aus
Adjektiven und Partizipien hervor: das Gut, das Hoch, das Tief, das Recht, das Grün, das
Unentschieden, der Stolz. Diese werden wie starke Substantive dekliniert. Die adjektivische
(schwache) Deklination kann beibehalten werden: das Gute, das Schlechte, das Schöne, der
Gläubige, der Reisende. In manchen Fällen ist die Substantivierung durch Auslassung eines
dazugehörigen Substantivs entstanden: die Linke (Fraktion), die Rechte (Hand), der Beste
(Student), die Gerade (Linie).
Substantive entstehen auch aus Verben; für die Substantivierung dient der Infinitiv als
Ausgangsform: das Gehen, Kommen, Arbeiten, Versprechen, Geben, Ruhen usw. Häufig sind
Zusammenrückungen: das Radfahren, Eislaufen, Kegelschieben, Klavierspielen,
Großreinemachen. Als Ausgangspunkt für die Substantivierung dienen auch die
Personalformen: das Stirb und Werde, das Soll und Haben, das Kredo. Substantive entstehen
aus:
Adverbien : das Jetzt, Nein, Nimmer
Schwerpunkte: ⇨ Besondere Arten der Wortbildung (Konversion, Kurzwortbildung, Reduplikation, Kontamination, Volksetymologie)
62
Pronomen : das Ich, das Nichts
Numeralien : die Eins, die Beiden, das Hundert
Präpositionen : das Auf und Ab, das Gegenüber, das Aus
Konjunktionen : das Wenn und Aber
Interjektionen : das Weh und Ach, das Hurra
einzelnen Buchstaben : von A - Z, das hohe C, das A und I
Suffixen : der -Ismus
Substantiviert werden auch Präpositionalgefüge und ganze Sätze: der Vormittag, der
Nachmittag, die Mitternacht, das Zuhause, das Vergißmeinnicht, der Taugenichts, der
Springinsfeld (der seltsame Springinsfeld -Grimmelshausen) oder das Vegißnichtmein
(Volkslied).
Adjektive entstehen durch Adjektivierung von Substantiven oder Adverbien. Aus
Substantiven: angst, ernst, feind, schade, schuld, freund, not (wurst = umgangssprachlich =
schnuppe); Farbbezeichnungen: lila, rosa, orange; Herkunftsbezeichnungen: Brüsseler
Spitzen, Moldauer Klöster; aus Adverbien: selten, zufrieden, behende, bange, vorhanden.
Besonders die Adeverbien auf -weise werden attributiv verwendet: probeweise, Anstellung,
schrittweises Vorgehen, teilweiser Erfolg, zeitweise Unterbrechung. Diese Verbindungen
scheinen sich allmählich durchzusetzen, obwohl sie nach den grammatischen Regeln nicht
zulässig sind: Partikeln: Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen sind häufig erstarrte
Kasusformen. Z. B. krank (N); morgens, abends, flugs, namens (G); morgen, gestern, mitten
(D), heim, weg, weil (Akk); oder kraft (= durch Kraft), laut (= nach dem Laut). Erstarrte
Kasusformen von Adjektiven und Partizipien sind: links, rechts, vergebens, eilends (G);
während, einzeln (D); genug, meist (Akk). Erstarrte finite Verbformen sind: geschweige,
bewahre, gelt (es gelte).
Die Bildung von Stummel- und Intialwörtern
Die Kurzwortbildung erfasst den Prozess der Kürzung der Vollformen eines Wortes oder
einer Wortgruppe und das Ergebnis: das Kurzwort oder die Abkürzung. Dieses Verfahren
unterscheidet sich von der bisher betrachteten Form der Abkürzung. Es tritt kein
Wortartwechsel noch eine semantische Modifikation gegenüber der Vollform ein. Es entsteht
zunächst kein neues Wort, sondern nur eine Wortvariante. Diese mit der Vollform
gleichbedeutende Wortvariante dient der Rationalisierung der Kommunikation und schränkt
auf Dauer die Vollform ein oder verdrängt sie ganz.
63
Von vielen Kurzformen aus Fremdsprachen sind die Vollformen unbekannt: AIDS, BSE,
PIN, die Kurzformen entstehen aus Wortbildungen und Wortgruppen. Die Kurzformen können
ihrerseits wieder Bestandteile von Wortbildungskonstruktionen werden. 90% der Kurzwörter
sind Initialkurzwörter.
Die Tendenz zur Wortkürzung ist eine alte Spracherscheinung. Schon der Ausfall oder
die Abschleifung verschiedener Laute (um sie mundgerechter zu machen) stellt eine
Wortverkürzung dar. Wir finden sie in zahlreichen älteren Formen wie z. B. Herr(e), Nachbar,
Jungfer, Drittel.
Die Wortkürzung ist oft an dreigliedrigen Zusammensetzungen festzustellen; in solchen
dreigliedrigen Zusammensetzungen fällt oft das Mittelglied aus. Z.B. Klavier(spiel)lehrer,
Fern(sprech)amt. Besonders die Umgangssprache kürzt häufig gebrauchte
Zusammensetzungen: Kilo, Auto, Photo (Foto), Ober. Gekürzt werden auch lange
Fremdwörter: Uni, Labor, Lok, Bus. Diese Wörter heißen Stummelwörter. Stummelwörter
können die Grundlage für Zusammensetzungen und Ableitungen bilden: Lokführer,
Chemielabor, Bushaltestelle, kiloweise, Photoausstellung, Unigelände. Stummelwörter sind
auch die Kurz-und Koseformen von Namen: Alex, Heini, Sigi, Theo, Inge, Willi u.a.
Initialwörter sind Wortbildungen aus Buchstaben und Teilen von Wörtern. Sie
unterscheiden sich von den sogenannten graphischen Abkürzungen wie: usw., u.a., d. h., z.
B. Die graphischen Abkürzungen werden voll ausgesprochen. Die Intialwörter sind
zusammengerückte Buchstaben, die ein neues Wort bilden. Ihre Verwendung ist in allen
modernen Sprachen im Anwachsen. Man unterscheidet drei Gruppen:
Intialwörter, die mit den Buchstabennamen ausgesprochen werden: USA, LKW, UNO
Wortbildungen, die Silben und Silbenteile der abgekürzten Wörter enthalten: Kripo
(Kriminalpolizei), Moped (Motor Pedal), Flak (Flugabwehrkanone). Diese Wortbildungen
werden wie ien Normalwort ausgesprochen.
Kunstwörter aus Teilen von Stoffbezeichnungen. Sie sind meist fremder Herkunft und
kommen im Handel als Markennamen vor: Persil (aus Perborat und Silikat), Eulan (aus
gr. eu= gut und lat. lana = Wolle).
Initialen gehen auch Zusammensetzungen ein; in diesen Zusammensetzungen sind sie
Bestimmungswörter: D-Zug (Durchgangnszug), U-Bahn (Untergrundbahn), S-Bahn
(Stadtbahn), Lkwfahrer (Lastkraftwagenfahrer). Sie können auch als Ausgangwörter zu
Ableitungen dienen.
Wörter können folglich auch durch Kürzung gebildet werden, aus langen einfachen
Wörtern, Zusammensetzungen oder Wortgruppen: z.B. Bus aus Omnibus, Uni aus Universität,
LKW aus Lastkraftwagen, Info aus Information, BGB aus Bürgerliches Gesetzbuch, Akku aus
64
Akkumulator, Abi aus Abitur, Cola aus Coca Cola, Limo aus Limonade, Deospray aus
Deodorantspray; vgl. im Rumänischen: Tarom, aprozar, C.F.R., plafar. Bei diesen Kürzungen
weisen die Ausgangsbildung und die Kurzform gewöhnlich den gleichen Wortinhalt auf,
während durch Erweiterungsbildung ein neuer Wortinhalt entsteht.
Altmann/Kemmerling (2000, 40) definieren die Wortkürzung als einen Prozess der
Kürzung längerer Vollformen sowie als Resultat dieses Prozesses. Sie teilen die Wortkürzung
folgendermaßen ein:
1. Akronyme oder Initialwörter (z.B. DM, UKW, PKW, NATO)
2. Kurzwörter oder clippings, die wieder in Schwanz-, Kopf- und Kopf-
Schwanz-Wort eingeteilt werden, wie (Coca) Cola, (Tele)Fon, Limo(nade),
Uni(versität), Abi(tur), Fern(melde)amt, Ku(rfürsten)damm,
Deo(dorant)spray
3. Abkürzungen, die nur grafisch existieren (z.B. Dr., Abb., Prof).
Bei der Kürzung von Namen spielt das Suffix –i eine entscheidende Rolle; viele
Initialkurzwörter sind z.T. umgangssprachlich, sie gelten als bekannt und dienen der
Sprachökonomie. Initialkurzwörter bezeichnen oft: politische Parteien, Organisationen,
Institutionen, Verbände, internationale Abkürzungen für erfolgreiche
Sendungen/Persönlichkeiten, deutsche Marken/Medienprodukte/Fernsehkanäle, geografische
Namen, Fachwörter aus verschiedenen Bereichen (Computerwesen, Elektronik/Technik,
Medizin); Vielfalt von Anglizismen unter den Initialwörtern. Viele Kurzwörter stellen
Kombinationen aus einem englischsprachigem Initialkurzwort und einer deutschen Vollform
dar: US-Schauspielerin, CSU-Chef, TV-Rolle; häufig werden mit Kurzwörtern Komposita
gebildet, deren erste Konstituente ein Initialkurzwort ist. Viele Kürzungen können mehrere
Erklärungen haben, d.h. dass der Leser aus dem Kontext erschließen muss, welche
Abkürzung für was in Frage kommt: PS – Pferdestärke vs. PS – Post Scriptum; OB –
Oberbürgermeister vs. OB – Odense Boldklub. Da Kurzwörter in Texten mit ihren Vollformen
alternieren können und in der Regel mehrmals im Text gebraucht werden, sowohl
selbstständig als auch im Wortbildungskonstruktionen, ist ihre textverknüpfende Funktion
besonders hervorzuheben. Manchmal entfernen sich die Kurzwörter so stark von ihren
Vollformen, dass sie eine neue Bedeutung bekommen (vgl. BMW als Auto und BMW als
Unternehmen). Die Wortbildung durch Verdoppelung
Dieses Wortbildungsmittel bildet neue Wörter durch Verdoppelung von Silben (Reduplikation;
Wiederholung eines Wortteils) oder Wörtern (Iteration =Wiederholung eins Wortes). Dieses
65
ist ein schon älteres Mittel der Ausdrucksverstärkung. Die Iteration und Reduplikation findet
in der Umgangssprache, Ammen-und Kindersprache häufig Verwendung.
Wauwau, Wehweh, Wehwehchen, Bimbim, Kuckuck, Mimi, Mama, Papa vgl. auch
Bonbon, Tamtam, bye-bye, Kuckuck, Effeff, Pingpong, Singsang, Tipptopp,
Mischmasch, Wischiwaschi, Cancan, Charivari, Blabla; vgl. rum.: a fîlfîi, a pîlpîi, cocor,
fîş-fîş, tic-tac, vrînd-nevrînd, treacă-meargă, hara-para, harcea-parcea , miau-miau,
ham-ham, ga-ga, cucurigu, tălălău, ţîr-ţîr, încet-încet, hai-hai, talmeş-balmeş, talmoş-
balmoş, talmuş-balmuş, halmeş-balmeş, haluniş-baluniş, tanda-manda, tandea-
mandea, tandili-mandili, şuntai-muntai, taman pe taman, vrînd-nevrînd, hara-para,
harcea-parcea, treacă-meargă, făt-logofăt, laie-bălaie, a gungura, a gunguri, a lălăi, a
şuşoti, a şuşui, mititel, mîţîţel, mîmîţel, a dîrdîi, a giugiuli, gogoloi, gogonea, gogoaşă,
gogoriţă, gîgîlice , a bîzîi, a zîzîi, a bîţîi, a gîfîi, a dîrdîi, a turui, a lălăi, a fîlfîi, a pălălăi,
a bîlbîi, ţaţă, a se chercheli, derdeluş, cercevea, cotcodac, a durdui, a forfoti, hahaleră,
cocoaşă, titirez, a se cocoşa, a se titiri, poponeţ, bang-bang! bau-bau! bîţ-bîţ! Hier
finden wir sie als Wortbildungmittel in Schall-und Bildwörter; diese Schall-und
Bildwörter entstammen einer primitiven Ausdrucksweise, der sogenannten
Ammensprache.
In jaja, soso, nana, plemplem, tagtäglich dienen sie der Ausdrucksverstärkung.
Wir finden sie auch in Bildungen mit Ablaut: z. B. bimbambum, Krimskrams,
Mischmasch, Singsang, ticktack, Wirrwarr, zickzack, lirumlarum. Auch in Bildungen mit
Ablautwechsel: Hokuspokus, Klimbim, Techtelmechtel.
schriftsprachlich sind: beben, dudeln, lallen, plappern, quieken, zittern. Diese sind
durch Reduplikation entstanden.
Die Wortmischung oder Kontamination
Nach dem Duden-Band (1995, 426) ist die Wortkreuzung die Verschmelzung von zwei
Wörtern, die gleichzeitig in der Vorstellung des Sprechenden auftauchen, zu einem neuen
Wort. Sie erfolgt gewöhnlich in der Weise, dass von jedem der Ausgangswörter ein Teil
ausfällt, gelegentlich aber auch so, dass eines der Ausgangswörter mit dem anderen
verschmolzen wird (vgl. verschlimmbesssern aus verbessern und schlimm,
Pubertätlichkeiten aus Pubertät und Tätlichkeiten, Literatour aus Literatur und Tour).
Gewöhnlich ist ihre Bildung mit einer Ausdruckskürzung verbunden. Zum Beispiel ist
vorwiegend aus vorherrschend und überwiegend entstanden, angeheitert aus angetrunken
und aufgeheitert. Hierher gehören fast nur Gelegenheitsbildungen, die manchmal, wie
Gebäulichkeiten aus Gebäude und Baulichkeiten, aus versehen gebildet wurden. In
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mundartlichen Übergangsgebieten entstehen sie vereinzelt durch Verschmelzung zweier
Mundartsynonyme (Heideweizen aus Heidekorn und Buchweizen). Daneben gibt es die
bewusste Wortkreuzung, durch die zwei Wörter bzw. Wortstämme gekürzt und zu einem
neuen Wort verbunden werden: Stagflation aus Stagnation und Inflation, Grusical aus
gruseln und Musical, Kurlaub aus Kur und Urlaub, jein aus ja und nein. Manchmal werden die
Wortkreuzungen in scherzhafter oder satirischer Absicht geschaffen. Sie bleiben dann – von
umgangssprachlichen Fällen wie im Gegentum oder fürchterbar abgesehen – gewöhnlich
„Eintagsfliegen“. Beispiele von Bildungen dieser Art, die nur der Sprache eines Autors (oder
dem Stil einer Zeitschrift) und nicht dem allgemeinen Schreibgebrauch angehören, sind:
Kompromißgeburt Modeschauerliches, Medizyniker; (ugs) akadämlich usw.
In der einschlägigen Literatur begegnen mehrere Termini zur Bezeichnung dieses
Wortbildungstyps: Wortkreuzung, Wortmischung, Wortverschmelzung,
Wortzusammenziehung, Amalgamierung, Kombi-Wort, Portmanteauwort, Kofferwort,
blending → manche Autoren ordnen diese Erscheinung grob der okkasionellen Wortbildung
oder der Abweichung zu; andere wiederum sprechen von Wortspielen. Die hohe
Kontextgebundenheit und die negative Kritik seitens der Sprachpfleger hemmt ihre
Lexikalisierung und daher gehen nur verhältnismäßig wenige Kontaminate in den
allgemeinen Wortschatz über (= Einmalbildungen) → dt. Kontaminate: Erdtoffel < Erdapfel +
Kartoffel; Transistor < Transfer + Resistor; Mechatroniker < Mechaniker + Elektroniker;
Monicagate < Monica [Lewinski] + Watergate; Bennifer < Ben [Afflec] + Jennifer [Lopez] vs.
Brangelina; Gorbasmus ; Famillionär; Doktrinärrin; Fraulenzen; manntasielos; mitternackt;
Morgasmus; Nescafé < Nestlé + Café; Brunch (< breakfast + lunch); Smog (< smoke + fog);
Bistrorant (< Bistro + Restaurant) → Beispiele mit Rumänienbezug: Vodcăroiu < Văcăroiu
[ehemaliger, unter Iliescu amtierender Premier und jetziger Vorsitzender des Senats] + vodcă
[Vodka, scheinbar sein Lieblingsgetränk]; Tăbăcilă < Tărăcilă [ehemaliger, unter Iliescu
amtierender Innenminister] + a tăbăci [Jargonismus für 'prügeln, bläuen']; Verwöhnaroma
[puterea] alintaromei < a alinta + aromă; Knorrbiţă < Knorr + ciorbiţă ; Knorroc < Knorr +
noroc ; Oknorrul [statt: ocolul] Pământului ; Ideea Knorriginală [statt: originală]; TEOviziunea
< Teo [Trandafir] + televiziunea; ProTVara < ProTV + vara; ProTVlion < ProTV + revelion ;
Ţine portofelul desKISS ; Miss diKISS ; bookarest; B'Estival [estival – bestial – Bucureşti]
Die Volksetymologie
Seit Beginn etymologischer Untersuchungen glaubt man, die „Dinge“ besser erkennen zu
können, wenn man die Benennungen, die „Namen“, auf ihr ursprüngliches Motiv zurückführt.
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Mit Hilfe der historisch-vergleichenden Methode und sprachsoziologischer Untersuchungen
kann das schon bis zu einem gewissen Grad gelingen. Da nun aber auch der
„Durchschnittssprecher“ durch seine Alltagserfahrung geneigt ist, Wort und Sache zu
identifizieren (er glaubt, mit der Benennung auch die Sache zu erkennen), ist er bestrebt,
etymologisch nicht oder nicht mehr durchschaubare Wörter in seinen Wortschatz
einzuordnen oder mit bekanntem Wortmaterial zu erklären. Oftmals stimmen aber die
Vermutungen nicht, und es kommt zu „Fehletymologien“, d.h. Pseudo- oder
Volksetymologien. Man versucht, unbekanntes Wortmaterial mit klang- und – wie man glaubt
– sinnähnlichen Lexemen in Verbindung zu bringen. Häufig übernimmt dann tatsächlich im
Laufe der Wortgeschichte ein Wort die Bedeutung des mit ihm in Zusammenhang
gebrachten Lexems. Nach Schippan (1992, 44f.) tritt die Fehl- oder Volksetymologie oft dann
auf, wenn fremdes Wortgut nicht verstanden und deshalb ähnlich klingenden deutschen
Wörtern gedanklich zugeordnet wird: Laute wird mit laut assoziiert. Es geht aber über
gleichbedeutendes franz. luth über altfranz. leüt auf arab. al-ud – „Holzinstrument“ zurück.
Landschaftlich gebundenes Wortgut wird umgedeutet, weil die Sprachformen in anderen
Regionen nicht bekannt sind: Maulwurf wird gedeutet als, Tier, das Hügel mit dem Maul
aufwirft: Maul ist jedoch eine Umdeutung aus nd. molt – „Erde, Erdhügel“. Veraltetes Wortgut
wird mit bekanntem Wortmaterial erklärt, vor allem, wenn keine semantische Stützung mehr
vorhanden ist: Meerrettich gilt als „Rettich der übers Meer zu uns gekommen ist“. Adh.
meriratich mhd. meretich ist etymologisch verwandt mit „mehr“ oder bedeutet „größerer
Rettich“. Fremdes Wortgut kann auch mit anderen Fremdwörtern in Verbindung gebracht
werden: Duell wird im 17.Jh. aus lat. duellum, einer Nebenform von bellum, „Krieg“,
eingeführt. Ihm wird aber die Bedeutung „Zweikampf“ zugeordnet und mit lat. duo – „zwei“
erklärt. Die Volksetymologie ist somit eine Form der Neumotivierung. Ist die Motivation, nicht
erschließbar, wird eine semantische Stütze gesucht. Unabhängig davon, ob ein Wort neu
motiviert ist, wirken Benennungsmotive als Stütze in der geistigen und sprachlichen Tätigkeit.
Die Volksetymologie ist als lexikalisches Phänomen zu verstehen, bei dem
sprachgeschichtlich nicht zusammengehöriges Wortmaterial wegen zufälliger Gleichheit oder
Ähnlichkeit auf lautlicher Ebene „im synchronen Sprachgefühl miteinander assoziiert,
verknüpft wird“ (Olschansky 1996, 229); dabei wird in den meisten Fällen das betreffende
Wort lautlich umgeformt und dadurch neu motiviert bzw. interpretiert: Schlittschuh < mhd.
schritschuoch [Schrittschuh] in Anlehnung an Schlitten. Die Voraussetzung, dass ein Wort
volksetymologischen Prozessen unterliegt, ist dessen Isolierung in der Synchronie: Das
Wort, das der Sprachteilhaber nicht mehr zu dekodieren und in keine Wortfamilie zu
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integrieren vermag, wird ohne Rücksicht auf dessen Herkunft und eigentliche Bedeutung
einer bekannten lexikalischen Einheit zugeordnet.
VORLESUNG 4: BEDEUTUNGSWANDEL
Ursachen und Arten des Bedeutungswandels
Bedeutungswandel: diachronischer Vorgang, der bestimmte Auswirkungen auf die
Gegenwartssprache hat wenn sich die Bedeutungsseite lexikalischer Zeichen (Sememe und
ihre Seme) verändert und die Formseite gleich bleibt oder lautgesetzlichen Wandlungen
unterliegt.
Wesen des Bedeutungswandels. Neue Denotate in der Sprache werden schon
vorhandenen Lexeme zugeordnet und damit deren Bedeutung verändert z.B. Schlange zu
der schon vorhandenen Bedeutung tritt eine weitere hinzu, dadurch entsteht Polysemie. Oft
durch Ähnlichkeiten der Form der Denotate; metaphorische/metonymische
Bezeichungsübertragung: bezieht sich auf ein bestimmtes logisches Verhältnis (z.B. Schule
als Forschungsrichtung). Bedeutungswandel besteht nicht immer in der Vergrößerung der
Sememe eines Lexems. Oft kommt es auch zu Veränderung der Sememe: Wertsteigerungen
und Wertminderungen.
Ursachen des Bedeutungswandels
→ Benennungsbedürfnis von neuen Objekten, Empfindungen
→ Denotatsverwendung bei Beibehaltung des Formativs: Bleistift, Federhalter
→ Veränderung der menschlichen Erkenntnis im weitesten Sinne: Engel, Teufel
→ Veränderung sozialer Beziehungen und kommunikativer Normen: Bezeichnungen
für Frau: Dame, Weib, Fräulein
→ Volksetymologie: semantische Fehlinterpretation auf Grund von Ähnlichkeit der
Formative: Maulwurf, Friedhof
Arten des Bedeutungswandels
Schwerpunkte: ⇨ Ursachen und Arten des Bedeutungswandels
69
1. Lexemumstrukturierung: → neue Sememe treten mit neuem Denotatsbereich hinzu oder
fallen weg: Flügel, Linse, Schlange
2. Sememumstrukturierung: → die Zahl der Sememe bleibt gleich, aber die Sememe
verändern sich in ihren Semen, bis zu einem Denotat, das mit dem ursprünglichen Wort
nichts mehr zu tun hat: Marschall, Hochzeit
VORLESUNG 5: ENTWICKLUNGEN IN DER DEUTSCHEN SPRACHE IM 20.JH.
Die Sprache ist an die Menschen, an die Sprachgemeinschaft gebunden und sie verändert
sich gleichzeitig mit dem sich wandelnden Hintergrund und den sich laufend verändernden
Lebensbedingungen. Das 20. Jahrhundert ist durch politische, wirtschaftlich-soziale
Veränderungen geprägt worden, wobei eine rasche, unkomplizierte und einfache
Kommunikation angestrebt wird - Veränderung der Sprache [Wandel, Entwicklung, Evolution,
Verfall, Veränderung] - Entwicklungstheorien [vom Besseren zum Schlechteren –
Dekadenztheorie – oder vom Schlechteren zum Besseren – Progresstheorie]- Veränderung
und Stabilität normale Stadien der Sprachgeschichte . Hinter den großen Veränderungen im
Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache stehen als Ursachen die Vermehrung und
Differenzierung der Informations- und Wissensbestände im modernen Zeitalter. Die
Multiplizierung und Popularisierung neuer Sach- und Sprachgegebenheiten steht heute unter
günstigeren Voraussetzungen als je zuvor. Die Massenmedien bringen neue Informationen
und Worte in Umlauf. Die Veränderungen sind am deutlichsten in der Wortklasse des
Substantivs, des Adjektivs und des Verbs sichtbar (minimal bei den Form – und
Funktionswörtern Pronomen, Präpositionen, Numerale usw.).
Das heutige Deutsch muss in Beziehung zu den vorausgehenden Jahrzehnten
dargestellt werden. Ein Blick darauf verdeutlicht einige Tendenzen in der deutschen
Gegenwartssprache:
der Vorrang der mündlichen Rede
die Tendenz zur Aufhebung von Sprachgrenzen (regional, funktional, national)
die Tendenz zur Sprachmischung und Sprachmobilität (Jargonisierung,
Adhoc-Bildungen, Neologismen)
die Tendenz zur Internationalisierung zeigt sich am deutlichsten in den
lexikalischen Lehneinflüssen aus dem Englischen und Amerikanischen.
Schwerpunkte: ⇨ Entwicklungen in der deutschen Sprache im 20.Jh. im Überblick
70
Tendenzen im Bereich des Wortschatzes
Die deutsche Sprache im 20. Jh. wurde u.a. durch folgende Entwicklungen geprägt1. Nach
1918 kommt es zu einer Umorientierung (1) in sozialer, kultureller und auch sprachlicher
Hinsicht.
Die Urbanisierung (2) führt zur Konzentration der Bevölkerung in Städten; um 1910 gab es
bereits 48 Großstädte in Deutschland. Die neuen Produktionsformen lösen die alten sozialen
Strukturen (Großfamilie, Dorfgemeinschaft, Bauernhöfe, Handwerksbetriebe) auf. Der soziale
Abstieg führt zu einem Orientierungsverlust und zum Krisenbewusstsein; Wertsysteme
verlieren ihre Gültigkeit, traditionelle Funktionen und Rollen gelten als veraltet.
Mit der vertikalen und horizontalen Mobilität – den Migrationsbewegungen (3) - sind
auch die sozialen Auf- und Abwärtsbewegungen, die Migration vom Lande in die Stadt – als
Folgen politischer Krisen und wirtschaftlicher Wandlungen - verbunden. Nach 1945 ist die
Ost-West-Migration als Folge des Zweiten Weltkrieges (ca. 10 Millionen Menschen werden
vertrieben, ausgesiedelt) sehr groß gewesen; im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung
werden Ende der 50er Jahre Millionen Arbeitsmigranten vor allem aus südeuropäischen
Ländern nach Deutschland geholt.
Die (4) audiovisuellen Medien und die Alfabetisierung (5) der Bevölkerung spielen
eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Standardsprache. Hörfunk und Fernsehen wirken
normgebend. Durch die Massenmedien erreichen neue und auch fremde Wörter ein großes
Publikum, die den passiven Wortschatz der Sprachträger vergrössern. Die Standardsprache
erhält eine neue Qualität durch die Medienwelt, die sich mit dem 19. Jh. entwickelt. Die
Massenmedien haben die sozialen und kommunikativen Verhältnisse im 20. Jh.
entscheidend verändert. Die hier vorgeführten Entwicklungsrichtungen sind z.T. auch mit
dem Einfluss der heutigen Massenmedien erklärbar. Die Printmedien (Massenpresse) und
1 Die beiden Weltkriege markieren politische und gesellschaftliche Brüche, die sich auch in der sprachlichen Entwicklung niedergeschlagen haben.
71
die elektronischen Medien (Film, Funk, Fernsehen) sind die Multiplikatoren, Verstärker und
Beschleuniger sprachlicher Entwicklungsrichtungen. Im Wortschatz vollzieht sich der Wandel
rascher als früher, bei der Auswahl und Durchsetzung von Sprachvarianten sind gegenwärtig
andere Faktoren ausschlaggebend (z.B. Einfluss der Medien und der Werbung). Durch
Zeitungen und Nachrichtenredaktionen der Rundfunkanstalten, die viele amerikanische
Agenturnachrichten übernehmen, werden viele Fremdwörter in Umlauf gesetzt. Diese
erreichen alle Schichten der Bevölkerung. Viele Entlehnungen aus den Bereichen Wirtschaft,
Politik, Marktforschung, Werbung, Computer, Schlagerindustrie, Technik und Sport sind zum
festen Bestandteil der deutschen Sprache geworden. Das Verkaufswesen, die
Öffentlichkeitsarbeit, die Mode und Kosmetik haben den angloamerikanischen Einfluss
verstärkt
Die auffälligste Erscheinung unter den sprachlichen Veränderungen ist die
explosionsartige Expansion des Wortschatzes (6) im 20. Jh. besonders nach 1945. Den
größten Anteil daran hat die Entstehung des neuen wissenschaftlich-tehnischen Vokabulars,
von dem ein Anteil in die Allgemeinsprache übernommen wird.
In engem Zusammenhang damit steht die Internationalisierung (7) fachlicher und
wissenschaftlicher, aber auch politischer und kultureller Wortschätze. Vor allem die Presse
und die audiovisuellen Medien können als Distributoren für internationale Fachtermini und
Slogans angeführt werden. Die Wortschätze der Politik, der Wirtschaft und der Werbung sind
durch international verständliche Neuwörter und Wortkombinationen (besonders die
Produktnamen) angereichert. Viele Sprachforscher finden die Internationalisierung. als
eine normale und voraussehbare Folge der Bemühungen der Regierungen und Institutionen
um internationale Vereinheitlichungen zu schaffen. Die Internationalisierung des
Wortschatzes ist nicht aufzuhalten. Der starke anglo-amerikanische Einfluss bringt
lexikalisch-semantische Interferenzen mit sich. Andererseits wurden zahlreiche
Entlehnungen aus dem Französischen zurückgedrängt bzw. verdrängt: Mannequin durch
Modell, Revue durch Show, Tendenz durch Trend, Playboy ersetzte Belami, Chanson
wandelte sich zu Song, Ticket hat Billet verdrängt. Anglizismen sind auf dem Vormarsch,
einst verpönt, heute “dudenreif”: Babysitter, Comeback, clever, Feature, Publicity. Außerdem
ist die Tendenz feststellbar, Fachausdrücke im Sprachalltag zu gebrauchen, so sind rationell
statt sparsam, Gynäkologe statt Frauenarzt, aber auch Etage statt Stockwerk, Helikopter
statt Hubschrauber, Zentrum statt Statdtmitte im Gebrauch. Internationalismen aus lat.-
griech. Elementen bestehend findet man in vielen Kultursprachen: Demonstration,
Distribution, Kompetenz, Kybernetik, Mechanik, Psychologie usw. Über den amerikanischen
Einfluss haben eine Reihe längst ausgeschiedener lateinischer Fremdwörter eine
72
“unerwartete Wiederkehr” erlebt: Divergenz, Relevanz, Subversion, Mobilität. Die
Erneuerungen im Wortschatz sind mit gesellschaftlichen und geistigen Bewegungen in
Beziehung zu setzen. Eine kontinuierliche Zunahme des Wortschatzes geschieht auch durch
die lexikalische Interferenz, durch die wechselseitige Aufnahme und Abgabe von
Wortmaterial. Ein großer Teil des heutigen deutschen Wortschatzes geht auf Entlehnungen
und Lehnwortschatz zurück. Politik und Sport, Unterhaltungsindustrie, Verkaufswesen,
Öffentlichkeitsarbeit, Technik, Mode und Kosmetik, Wirtschaft und Werbung haben den
angloamerikanischen Einfluss verstärkt.
In vielen europäischen Sprachen gibt es zahlreiche Lehnwörter, das Ergebnis
übernationaler, politischer, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Prozesse sind. Die
meisten Neuwörter kommen als Lehngut in die Sprache, direkt in der fremden Form als
Lehnwort oder indirekt als Lehnbildung. Die Massenmedien, die Werbung und die
Fachsprachen sind die Einfallstore der Wortimporte.
Die Übernahmen (8) aus anderen Sprachen bilden zusätzliche Möglichkeiten der
Wortschatzerweiterung. Das fremde Wortgut wurde der eigenen Sprachentwicklung
unterworfen, der Importcharakter ist den Sprachteilhabern oft gar nicht mehr bewusst.
Im Laufe ihrer Entwicklung ist die deutsche Sprache auf vielfältige Art durch andere
Sprachen bereichert worden. Bei den Ursachen, die zu sprachlichen Transferenzen geführt
haben, spielen außersprachliche und innersprachliche Faktoren eine entscheidende Rolle.
Für die Art und den Umfang der Übernahme fremden Wortgutes in die deutsche Sprache
können historische, objektive, linguistische, stilistische, psychologische,
soziolinguistische und geografische Ursachen angeführt werden. Die Existenz der
Fremdwörter in den einzelnen Sprachen muss auch darauf zurückgeführt werden, dass sich
Sprachen unter bestimmten soziokulturellen und politischen Bedingungen gegenseitig
beeinflussen. In der deutschen Sprachgeschichte hat man von bestimmten Wellen der
Wortschatzübernahme gesprochen. Während bis Ende des 19. Jhs Französisch die
beherrschende Gebersprache für Entlehnungen ins Deutsche gewesen ist, übernimmt diese
Rolle im 20. Jh. das Englische, seit 1945 das Angloamerikanische (9). Nicht zu übersehen
ist die Bedeutung der englischen Sprache in der Weltwirtschaft, ihr Status als neue
Weltsprache, die in den letzten Jahrzenten starke Ausbreitung auch in den elektronischen
Medien fand. Im Hinblick auf die Tendenz der Anglisierung und Amerikanisierung der
deutschen Gegenwartssprache sollte man von einer europäischen Sprachbewegung
sprechen. (vgl. auch den Begriff “Franglais” für anglisiertes Französisch). Seit 1945 ist
Englisch – vor allem in seiner amerikanischen Ausprägung - die Fremdsprache, die das
Deutsche am meisten beeinflusst hat. In den Medien, in vielen Institutionen und vor allem in
73
der Werbung werden zunehmend englische Wörter verwendet. Viele wirken störend, weil sie
unnötige Einfuhren darstellen, aber vor allem, weil sie dort verwendet werden, wo es
deutsche Wörter für den entsprechenden Sachverhalt gibt. Als ‚trauriges‘ Beispiel führen
viele Sprachwissenschaftler – wie auch ‚Sprachhüter‘ – die Deutsche Telekom AG mit ihren
„Calls“ (City Call, Regio Call, German Call, GlobalCall statt Ortgespräch, Ferngespräch,
Auslandsgespräch) an. Andere Beispiele liefert die Deutsche Post AG mit ihren
englischsprachlichen Bezeichnungen für unterschiedliche Größen der Postpakete: Small (S),
Medium (M), Large (L), Extra Small (XS) und Extra Large (X L).
Fremdes Wortgut kann auf unterschiedliche Weise und Wege in eine Sprache
gelangen. Heute ist die Situation anders, die Wege der Übernhame sind vielfältiger
geworden, d.h. bei der Behandlung der Einflüsse auf die gegenwärtige deutsche Sprache
muss man heutzutage eine andere Situation in Erwägung ziehen: Im Unterschied zu den
vorigen Jahrhunderten sind heute durch das Informationswesen, den Verkehr, die Wirtschaft,
die Werbung usw. reiche Möglichkeiten für Sprachkontakte geboten. Der intensive
Sprachkontakt, die weitverbreitete Zweisprachigkeit und nicht zuletzt die
Bezeichnungslücken in Wirtschaft, Wissenschaft und Computer sind die Voraussetzungen
für zahlreiche Entlehnungen aus dem Englischen. Ein erheblicher Teil der Importe lebt nur
kurzzeitig in der Empfängersprache und die Mehrzahl kann ihren ursprünglichen
Geltungsbereich (Fach- und Gruppensprachen) überschreiten. Manche Sprachimporte sind
zwar nur “modische Protzereien”, andere sind aber willkommene Bereicherungen. Der
Gebrauch englischer Wörter nimmt zu und nicht immer handelt es sich um modebedingten
Sprachgebrauch. Heute wird geschätzt, dass das Deutsche aus dem Englischen und
Amerikanischen 4000 Wörter übernommen hat. In der gegenwärtigen Diskussion über den
aktuellen Stand der deutschen Gegenwartssprache werden immer öfter Stimmen laut, die
sich gegen diese Vermischung deutscher und englischer Wörter zur Wehr setzen. Begriffe
wie Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng, Ami-Welsch sollen die
Mischsprache erfassen, die weder Englisch noch Deutsch ist, eigentlich sowohl schlechtes
Englisch als auch schlechtes Deutsch. Die Sprachkritiker behaupten, dass die Anglisierung
des Deutschen sich vor allem auf den Wortschatz, die Wortbildung und die Idiomatik auswirkt
und nicht auf die Syntax. Auf Sonderwortschätze im Bereich der Computertechnik und der
Werbung möchten folgende Ausführungen hinweisen. Durch die rapide fortschreitende und
weltweite Vernetzung erfährt der Prozess der Anglisierung eine große Beschleunigung. Die
gesamte Internet-Metakommunikation vollzieht sich fast ausschliesslich auf Englisch (Audio-,
Text-Channel, E-Mail, Internet, Local Area Network, Metro Area Network, Homebanking,
Homeshopping, Teleworking, Button, Access-Provider, Cracker, Chat, Browser, Bit, Basic,
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AOL, Content Provider, Service Provider, High-Tech, Datenhighway, Imputs, Outputs) und so
werden Schlüsselbegriffe fast nirgends mehr übersetzt: browser, chat, page, pagemaster,
tools, Cyber-Space, link, Modem, on line, server, web. Darüber hinaus ist eine eigenartige
und oft fehlerhafte Mixtur aus amerikanischem Englisch und Deutsch anzutreffen. Für
manche Begriffe aus der englischen Computerterminologie hat man treffende
Entsprechungen im Deutschen gefunden: Maus (’Mausklick’, ’Maustaste’), ’Menü’, ’Datei’.
Lehnübersetzungen erscheinen vor allem im Softwarebereich: Fenster, aktiviertes Dokument,
Rollbox, Rollbalken, durchblättern, löschen, ausschneiden, Speicher, Datenautobahn,
Ordner, Suchmaschine, Menüpunkt, suchen, ändern, speichern, schliessen, numerieren,
sortieren, trennen. Neben Lehnübersetzungen erscheinen unübersetzte, als Fremdwörter
gebräuchliche Termini: Internationalismen wie aktivieren, formatieren, adressieren, Diskette,
Option, Finder, Font. Es erscheinen auch Fremdwörter, direkt aus dem Englischen
übernommen, die weder in der Schreibung noch in der Aussprache dem Deutschen
angepasst sind (wie: File, Server, Backup, Scanner, Cursor, Desktop, Publishing, Access-
Provider, Content Provider, Service Provider, High-Tech, Imputs, Outputs), Abkürzungen
(mit unübersetzten englischen Basen und die auch als Kompositateile vorkommen wie: RAM-
Disc, PC, MS-DOS) und Hybridbildungen (etwa Komposita, die morphologisch integriert sind,
aber im Stamm Fremdelemente enthalten): absaven, Webseite, Zeilendisplay,
Compiliersprache, Datenhighway. Darüber hinaus sind viele neue Ausdrücke in die
Alltagssprache eingedrungen. Folgende Begriffe aus der Computerwelt haben Eingang in die
Alltagssprache gefunden, z.B.: File, Server, Video-, Audio-, Text-Channel, E-Mail, Internet,
Homebanking, Homeshopping, Hotline, Schnittstelle, gecheckt, gebrieft, gefixt, geoutet,
geliftet, gefrustet, cancel, getrickst, gefault, ausgesurft, gelyncht, clicken. Eine eigenartige
und oft fehlerhafte Mixtur aus amerikanischem Englisch und Deutsch trifft man nicht nur in
der Computerbranche an. HobbySwingerin, coming-out, Popsänger, Jetflug, Auftragsboom,
Ärzteteam, gefightet, handgefinishte Damenbekleidung, gehandikapte Mannschaften, grillen,
killen, trampen sind Beispiele für eine Mischsprache, eine Vermischung deutscher und
englischer Wörter (Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng). Auch
zahlreiche Anzeigen z.B. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ können als Beispiele für
„code-mixing“ (Area Sales Manager Fernost, JuniorProdukt Manager) angeführt werden.
Manche Anzeigen folgen der deutschen Schreibweise (Spezialist, Produkt), andere zeigen
eine Vorliebe für die englische Orthographie (Specialist, Product, Coordinator, Controller).
Die englische Schreibart erscheint auch in zahlreichen Werbeanzeigen (exclusiv, creativ,
club). Englische Begriffe erscheinen selbst dort, wo deutsche Äquivalente vorhanden sind, so
wie bei Engineering für Ingenieurwesen oder Food für Nahrung. Es erscheinen auch
75
Stellenangebote, die gänzlich in der englischen Sprache verfasst wurden (und in denen
selbstverständlich hingewiesen wird, das ausgezeichnete Englischkenntnisse gefragt sind),
oder in denen abgeleitete Berufsbezeichnungen aus dem Englischen auftauchen:
Vertriebsberaten/in, Banking/Finance Hauptabteilungsleiter/in Finance Manager, Top-
Position in Seoul, General Manager Südkorea, Director Finance Northern Europe, Customer-
Support-Representative usw.
Für sprachliche Gemeinsamkeiten in Wortschätzen verschiedener Sprachen steht der
Begriff „Internationalismus“. Für Braun (1987) sind „Nationalismen“ im Gegensatz zu
„Internationalismen“ Wörter, die sehr tief in der Kultur eines Landes verwurzelt sind. Er
nennt als Beispiel dafür Fersehen, da die meisten europäischen Sprachen das griechisch –
lateinischen Mischwort „television “ dafür verwenden. Viele Lehnwörter werden zu
Internationalismen vor allem in den verschiedenen Fachsprachen. Sie sind aus lateinischen
und griechischen, manchmal auch englischen Wortstämmen gebildet und gelangen oft durch
Vermittlung des Englischen ins Deutsche:
Internationalismus Herkunftssprache Herkunftswort
Infrastruktur
DiskothekSuper-EgoKybernetikMorphemAquaplaningoptimaloperationalisieren
Latein
GriechischLateinGriechischGriechischLatein/EnglischLateinLatein
infra/,unterhalb‘ + structura/,Schichtung‘discos/,Scheibe‘ + theke/,Behältnis‘super/,über‘ + ego/,ich‘kybernetike/,Steuermannkunst‘morphe/,Gestalt‘aqua/,Wasser‘ + plane/,gleiten‘optimus/ ,der Beste‘operatio/,Arbeit/Verrichtung‘
Internationalismen bilden eine besondere Gruppe von Fremdwörtern, die sich durch
übereinzelsprachliche Geltung auszeichnen. Als Erscheinungen, die in vielen (meist
genetisch verwandten) Sprachen vorkommen und die jeweils eine Ursprungssprache
aufweisen (Griechisch, Lateinisch, Englisch, Französisch) werden sie annähernd
bedeutungsgleich verwendet (Auto, Radio). Ihr häufiger Gebrauch in Massenmedien ist auf
ihre leichte Verständlichkeit zurückführbar, trotz den oft sprachspezifischen Bedeutungen, die
viele von ihnen charakterisieren. Internationalismen sind Wörter, die international
gebräuchlich sind und die sich der Aufnahmesprache angepasst haben. In gleicher
Bedeutung sind sie oft als Termini im Gebrauch: dt. Theater, engl. theatre, franz. theatre,
russ. teatr. Nach Decsy (1973:220) ist jedes Wort, das aus einer anderen großen Sprache
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(Deutsch, Russisch, Spanisch, Italienisch) stammt und in einer größeren Anzahl von
Sprachen verbreitet ist, ein Internationalismus (z.B. franz. civilisation, engl. civilization, dt.
Zivilisation, russ. ziwilisazija stellen mehrere Lexeme dar, die zusammen genommen einen
Internationalismus ausmachen). Wenn Unterschiede in der Bedeutung eines international
gebrauchten Wortes auftauchen, dann sind das “falsche Freunde”, d.h. die Audrucksseite
kann in unterschiedlichen Sprachen gleich oder ähnlich sein, semantisch jedoch
auseinandergehen. So hat Chef im Deutschen die Bedeutung “Vorgesetzer, Leiter einer
Dienst- oder Arbeitsstelle”, im Englischen aber die Bedeutung “Chefkoch”, während im
Französischen beide Bedeutungen auftauchen.
Zu den modernen Internationalismen gehören viele Fremdwörter aus Wissenschaft, Technik,
Politik, Freizeitgestaltung (Computer, Laser, Radar, Finale), d.h. Lexikoneinheiten, die
Begriffe der modernen internationalen wirtschaftlich-technischen Entwicklung bezeichnen.
Für das Zustandekommen von Internationalismen z.B. in der deutschen, englischen
und französischen Sprache nennt Braun (1987:194) u.a. folgende Ursachen: die
indoeuropäische Sprachverwandtschaft; wechselseitige Entlehnungen aus den drei (oder
anderen) Sprachen; Entlehnungen aus nichteuropäischen Sprachen; Sprachkonventionen in
übernationalen Institutionen (Kirchen, Verbände); Sprachregelungen in internationalen
Fachsprachen; Informationsaustausch durch (internationale) Nachrichtenagenturen.
Auch nichteuropäische Sprachen übernahmen mit der Technik den Internationalismus:
televiz‘jon (arabisch), talivinyen (malaysisch), terebijon (japanisch).
Die meisten Internationalismen sind vor 1945 entlehnt worden. Viele dieser Wörter
gehören zu den Standardwortschätzen vieler europäischer Sprachen; Jahr für Jahr kommen
neue Internationalismen hinzu. Die Tendenz der zunehmenden Internationalisierung lässt
sich auch daran erkennen, dass die jüngeren Entlehnungen nicht mehr in dem Maße
angepasst bzw. integriert werden, wie das bei älteren Entlehnungen zu beobachten war.
Die Vorteile internationaler Wortschätze liegen auf der Hand. Sie können die
Alltagskommunikation zwischen den Menschen verschiedener Herkunftssprachen erheblich
erleichtern, sie haben im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb bzw. –unterricht einen
hohen Gebrauchswert. Darüber hinaus geben sie Aufschluss über die geschichtlichen und
kulturellen Kontaktvorgänge zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften.
In den beiden nach 1945 neu entstandenen deutschen Staaten wurden neue
eigenständige Wörter gebildet aber auch zunehmende amerikanische und russische Wörter
übernommen. Da erschienen Wörter wie: Ampelkoalition, Bioladen, kaputtsparen, Luftbrücke,
Nulltarif, Pillenknick, Retortenbaby, Sozilaprodukt und viele andere. Darüber hinaus
erscheinen auch zahlreiche Fremdwörter wie: clever, Comics, Feature, Feeling, live, Make–
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up, okay, Petticoat, Playboy, Shop, Short, Teenager, up to date, Meeting usw .
Bemerkenswert waren die west – östlichen unterschiedlichen Bezeichungen für gleiche
Sachverhalte.
Lexikalische Unterschiede
Nach der Wiedervereinigung veralteten viele Wörter. Viele verschwanden sozusagen über
Nacht, weil die damit bezeichneten Sachen oder Sachverhalte überholt waren: Arbeiterstaat,
Betriebsakademie, Friedenskampf, proletarischer Internationalismus, Jugendbrigade,
Masseninitiative, allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit. Andererseits waren nach
der Wiedervereinigung die Sprachträger in den neuen Bundesländern gezwungen, sehr viele
westdeutsche Wörter zu (er)lernen: Erziehungsgeld, föderal, Kreditkarte, Leihstimme,
Sozialgericht, Sozialhilfe, Steuerfreibetrag, Tarifpartner, Telefax. Auch Fachtermini wie
Biotop, Fixing, floaten, Matketing, Numerus clausus, Ökosystem, Recycling, Risikokapital
und viele Abkürzungen wie ASCII (= American Standard Code for Information Interchange),
CAD (= Computer Aided Design ), CD-ROM (= Compact Disk Read – Only Memory), DOS (=
Disk Operating System) sind in ihren Sprachgebrauch eingedrungen. Für das Verschwinden
von Wörter können mehrere Gründe angeführt werden: Wörter gehen unter, weil die Sachen,
die sie bezeichneten, verschwunden sind oder weil sie als Verdeutschungen von
Fremdwörtern nicht gelungen sind. Ein anderer Grund dafür ist die Sprachökonomie und der
Vorzug einfacher Wörter. Andere Wörter verschwanden, weil sie stärkere Konkurrenzwörter
bekamen und das ist auch der Fall von Euphemismen. Ein weiterer Grund für das
Verschwinden von Wörter ist die etymologische Isolierung.
Tendenzen im Bereich des Wortbildung
Braun (1987:168) hat hingewiesen, dass das Deutsche sich immer mehr zu einer
Wortbildungssprache entwickelt, da die Wortbildung eines der häufigsten Mittel der
West Ost
AlleinvertretungsanspruchAlters - / SeniorenheimEinfrierenFührerscheinSupermarktNon – Stop – KinoSchandmauer
AlleinvertretungsanmaßungFeierabendheimEinfrostenFahrerlaubnisKaufhalleZeitkinoSchutzwall
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Wortschatzerweiterung ist. Die Zunahme und Verstärkung der Univerbierung (1) kann als
Haupttendenz im Bereich der deutschen Wortbildung angesehen werden; aus
Wortmehrheiten werden Worteinheiten. Man kann im Bereich der Wortbildung eine
Synthesetendenz beobachten. Es gibt folgende Ursachen für die heute so überaus starke
Zunahme der zusammengesetzten Wörter: der ungewöhnlich große Benennungsbedarf in
allen Bereichen des modernen Lebens, vor allem in Sach- und Fachbereichen; das Streben
nach Verdeutlichung; das Streben nach sprachlicher Ökonomie. Hierfür können auch
stilistische Gründe angeführt werden: Zusammensetzungen sind prägnanter und
anschaulicher als Wortgruppen. Gegenwärtig versucht man ganze Teilsätze durch ein
einziges Wort zu ersetzen z.B.: „Polizeihund“ statt „der Hund der Polizei“ oder „Heimarbeit“
für „Arbeit, die im eigenen Heim geleistet werden kann“. Für Wortzusammensetzung werden
vor allem zahlreiche fachsprachliche Ausdrücke genannt: Diskettenlaufwerksbeschreibung,
Fassadenvollwärmeschutzbehandlung, Halogen-zusatzscheinwerfeangebot,
Drehstromantriebstechnik,Umsatzsteuerdurchführungsverordnung,
Wischwasserpumpenmotor. Die Forscher behaupten, dass die Wortzusammensetzung durch
die starke Komprimierung zwar verkompliziert wird, aber doch ein wirksames Mittel
sprachlicher Ökonomie darstellt. Man kann in der deutschen Sprache der Gegenwart eine
Tendenz zur Substantivierung (2) beobachten. Auch diese Veränderung kann dem
sprachökonomischen Prinzip zugeordnet werden. Substantivierungen sind besonders in der
Verwaltungs – bzw. Behördensprache gebräulich. Viele Sprachforscher beklagen in der
letzten Zeit die Tatsache, dass die Bildlichkeit der deutschen Sprache zunehmend verblasst
– ein Vorgang, der seit dem 19. Jahrhundert beobachtet werden kann. Den Vorgang der
Abstrahierung (3) begünstigt vor allem der Nominalisierungs-/Substantivierungsprozess
Einige Konkreta werden abstrakt und auch Spracheinheiten mit Formmerkmalen des
Abstraktums können konkrete Bedeutungen bekommen.
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Fazit
Bei der Behandlung der Einflüsse auf die gegenwärtige deutsche Sprache muss man
heutzutage eine andere Situation in Erwägung ziehen:
im Unterschied zu den vorigen Jahrhunderten sind heute durch das
Informationswesen, den Verkehr, die Wirtschaft, die Werbung usw. reiche
Möglichkeiten für Sprachkontakte geboten: durch Zeitungen und
Nachrichtenredaktionen der Rundfunkanstalten, die viele amerikanische
Agenturnachrichten übernehmen, werden viele Fremdwörter in Umlauf gesetzt; diese
erreichen alle Schichten der Bevölkerung
viele Entlehnungen aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Marktforschung, Werbung,
Computer, Schlagerindustrie, Technik und Sport sind zum festen Bestandteil der
deutschen Sprache geworden
das Verkaufswesen, die Öffentlichkeitsarbeit, die Mode und Kosmetik haben den
angloamerikanischen Einfluss verstärkt
die Massenmedien z.B. haben einen starken Einfluss auf den Übergang
fachsprachlicher Fremdwörter in den nichtfachgebundenen Gebrauch und damit auf
deren Entterminologisierung, sie können auch die Frequenz der Übernahme
beeinflussen
VORLESUNG 6: ENTLEHNUNG FREMDEN WORTGUTES
1. Formen der Übernahme fremden Wortguts im Überblick
Entlehnungen spiegeln historisches Geschehen, Ideologien Modeerscheinungen,
Kulturwandel, aber auch wissenschaftliche und technische Entwicklungen wider. Bei den
Ursachen, die zu sprachlichen Transferenzen geführt haben, spielen außersprachliche und
innersprachliche Faktoren eine entscheidende Rolle. Für die Art und den Umfang der
Schwerpunkte: ⇨ Formen der Übernahme fremden Wortguts im Überblick ⇨ Integrationsgrade ⇨ Ursachen für Entlehnungen (außersprachliche und innersprachliche Faktoren) ⇨ Entlehnungen aus verschiedenen Einzelsprachen ⇨ Romanische Transferenzen ⇨ Slawische Transferenzen ⇨ Germanische Transferenzen ⇨ Transferenzen aus anderen Sprachen
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Übernahme fremden (englischen) Wortgutes in die deutsche Sprache können historische,
objektive, linguistische, stilistische, psychologische, soziolinguistische und geografische
Ursachen angeführt werden.2(Vgl. auch weiter unten.) Im Zeitalter der Technik und der
Kommunikation ist die gegenseitige kulturelle und somit auch sprachliche Beeinflussung der
Völker besonders stark. Gegenwärtig dominiert das Englisch-Amerikanische.
Folgende Formen der Entlehnung sind zu unterscheiden.
A. Wortübernahme
1. Lehnwörter: Fremdwörter, die schon assimiliert sind und damit
keine Fremdwörter mehr sind, haben keine Merkmale, die von
heimischen Wörtern abweichen: Fenster, Mauer, Ziegel, Wein
2. aus anderen Sprachen übernommen, in ihrer Struktur und
Bedeutung noch Element anderer Sprachen: Fremdwörter
(Übernahme von Form und Inhalt); Internationalismen: in mehreren
oder vielen (europäischen) Sprachen verbreitet: Universität,
Organisation, Philosophie, Toilette → hauptsächlich auf griech.-lat.
Wörtern begründet; Untergruppe der Fremdwörter
B. Lehnprägung
1. Lehnbildung: Lehnübersetzung: Teil für Teil- Übersetzung, Glied für
Glied wiedergegeben; Lehnübertragung: freiere Übertragung:
Showbusiness, Vaterland
2. Lehnbedeutung: ein fremdes Semem wird heimischen Wörtern
/Formativen zugeordnet, eine Bedeutung aus einer anderen Sprache
wird einem heimischen Formativ zugeordnet, das dadurch ein weiteres
Sem bekommt, eine weitere Bedeutung. Es werden im lexikalischen
Bereich folgende Entlehnungsklassen unterschieden (Polenz 1991, 44
ff.): → Lehnwörter (Studium, clever) → Zitat-Wörter
(Bedeutungsexotismen; auf Sachverhalte im Herkunftsland bezogen:
Siesta, Perestrojka) → Lehnpräfixe (anti, ex-, Mini-) und –suffixe (-
ismus, -ität, -abel, -fizieren) → Lehnübersetzungen (Mehrheit nach
franz. majorite, Eiserner Vorhang nach Churchills Iron Curtain) →
Lehnübertragung (Wolkenkratzer nach engl. Skyscraper, Auflärung
2 vgl. Fleischer (1987, 274f.) und (1993, 88ff.); Munske (²1980, 661ff.); Clyne (²1980, 641ff.); Heller (1982, 211f.).
81
nach franz. les lumieres) → Lehnschöpfung (Kraftwagen nach franz.
automobile statt ‚Selbstbeweger‘) → Lehnbedeutung (realisieren in der
Bedeutung ‚erkennen, begreifen, einsehen‘ nach engl. to realize) →
Lehnübersetzung, -übertragung, -schöpfung, -bedeutung werden unter
dem Oberbegriff Lehnprägung zusammengefasst (= innerer
Lehneinfluss)
Die Einflüsse fremder Sprachen schlagen sich also in Lehnwörter, Fremdwörter,
Lehnbedeutungen und Lehnbildungen nieder. Solange das fremde Wort die
ursprüngliche Gestalt beibehält, wird es als Fremdwort bezeichnet.3 Die Art der
Verarbeitung des Lehnguts hängt mit dem Zeitpunkt und den Umständen der Übernahme
zusammen. Der Begriff „Transferenz” oder „Entlehnung” wird definiert als „Übernahme
von Elementen, Merkmalen und Regeln aus einer anderen Sprache“ (Clyne ²1980, 641).
„Entlehnung“ [engl. borrowing/loan – Auch: Interferenz, Transferenz] definiert
Bußmann (1990, 213f.) als „Vorgang und Ergebnis der Übernahme eines sprachlichen
Ausdrucks aus einer Fremdsprache in die Muttersprache, meist in solchen Fällen, in denen
es in der eigenen Sprache keine Bezeichnungen für neu entstandene Sachen bzw.
Sachverhalte gibt”.
In den weiteren Ausführungen rücken in den Mittelpunkt der Betrachtungen die
lexikalisch-semantischen Transferenzen, d.h. die Übertragung von Lexemen (z.B. Dip,
Pizza, Steak) und Bedeutungseinheiten aus einer Abgabe-/Gebersprache in eine
Aufnahme-/Empfängersprache.
Die meisten Neuwörter kommen als Lehngut in die Sprache. Sie werden entweder
direkt in der fremden Form übernommen (Lehnwörter, Fremdwörter, Internationalismen)
oder indirekt mit Mitteln der eigenen Sprache dem fremden Wort nachgebildet
(Sammelbegriff: Lehnbildungen). Schließlich können auch einheimische Wörter durch
fremden Einfluss eine neue Bedeutung bekommen (Lehnbedeutungen).
Verschiedene Versuche zur Klassifizierung dieser Erscheinung nach dem Grad ihrer
Integration/Assimilation in die heimische Sprache (Fremdwort vs. Lehnwort) haben zu einer
verzweigten und nicht immer ganz durchsichtigen Terminologie4 geführt (vgl. die
Übersichten bei Bußmann 1990, S. 215, König 1994, S. 70, Polenz 1991/1994).
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass angesichts der engen Verwandtschaft
beider Sprachen mit einer hohen Akzeptanz und daher mit einer raschen Eindeutschung zu
3 Manche fremde Wörter bleiben lange Zeit Fremdwörter, während andere ziemlich schnell zu Lehnwörtern übergehen.4 Bußmann (1990, 214).
82
rechnen ist. Bei der Entlehnung ist zwischen direkter/äußerer Entlehnung und
indirekter/innerer Entlehnung zu unterscheiden5.
Die terminologische Abgrenzung Fremdwort – Lehnwort erfolgt nach dem Grad der
Eindeutschung. Innerhalb der direkten Entlehnung behält das fremdsprachliche Wort seine
fremde Gestalt (z.B. Camping, Champion, Konto, Garage, Jazz). Es handelt sich um
Fremdwörter, als Wörter fremder Herkunft (d.h. aus nichtheimischen Sprachmaterial
gebildete lexikalische Einheiten), die fremde Merkmale in ihrer formalen Struktur
aufweisen.6 (effektiv, intakt, Rotation usw.)
Fremdes Wortgut unterliegt der Tendenz der Integration in das System der
Empfängersprache (z.B. Großschreibung, deutsche Personalendungen der Verben,
Genuszuweisung, phonetische Eindeutschung, Eingliederung in das Wortbildungssystem;
hybride Bildungen des Typs Grundprinzip, Telekommunikation, Arbeitsökonomie,
Arbeitsmethode, Bau-Boom, Bioschlamm, Starangebot sind Wortbildungkomplexe aus
heimischen und fremden Bestandteilen, die oft der Bedeutungsdifferenzierung dienen. Viele
dieser Einheiten haben einen wesentlichen Anteil am terminologischen System in
Wissenschaft und Technik.). Mit fortschreitender Integration verändert sich ein großer Teil
der Fremdwörter zu Lehnwörtern. Diese sind ihrer Herkunft nach fremd, zeigen aber in
ihrer formalen Struktur keine auffälligen fremden Merkmale mehr (völlige Anpassung an die
Empfängersprache): Nase, Keller, Ziegel, Wein.
Die Tendenz zur Internationalisierung zeigt sich am deutlichsten in den
lexikalischen Lehneinflüssen aus dem Englisch-Amerikanischen. Zum Lehngut gehören
nach Wolff (1994, 242 f.):
evidente Einflüsse:
direkte Übernahmen: Flop, Zoom, Midlife Crisis, Freak, Talkshow,
Skateboard, Recycling, Sex, Power;
Scheinentlehnungen: Dressman, Showmaster, Pullunder, Teenies;
semantische Veränderung: City („Innenstadt“), Gag („originelle
Neuerung“), Slip (engl. pants, briefs), Smoking (engl.dinner jacket);
formale Veränderung: Happy-End (engl. happy ending), last not least
(engl. last but not least);
5 Schippan (1992, 263) vermerkt, dass die direkte Entlehnung „meist auf dem Weg der Sachentlehnung, der literarischen und kontaktiven Übernahme” erfolgt. Bei der indirekten (vermittelten) Entlehnung wird „ein Wort einer Sprache über ein anderes Land vermittelt”, wie z.B. Meeting, Festival aus dem Englischen über das Russische ins Deutsche kamen. Weiterhin bei Schippan: „Wurde ein germanisches/deutsches Wort in eine andere Sprache übernommen und kehrte von dort zurück, spricht man von R ü c k e n t l e h n u n g”. (Salon, Balkon)6 vgl. Fleischer (1987, 276).
83
Mischkomposita: Haarspray, Fernseh-Feature, Popsänger,
Matchball.
latente Einflüsse:
Lehnübersetzung: Geburtenkontrolle (engl. birth-
control),Lebensqualität (quality of life), schweigende Mehrheit (silent
majority), Blutbank (blood bank)
Lehnübertragung: Einbahnstraße (one-way-street), Flughafen
(airport), Marschflugkörper (cruise missile), Luftbrücke (air-lift)
Lehnschöpfung: Kunststoff (für plastics), bügelfrei (für non-iron), oben
ohne (für topless), Luftpirat (für skyjacker)
Lehnbedeutung: kontrollieren/beherrschen (nach to control),
realisieren/erkennen, bemerken (nach to realize), Ebene (nach level),
feuern/entlassen (nach to fire), Kopie/Exemplar (nach copy)
Lehnwendung: grünes Licht geben (to give green light), das macht
keinen Sinn (that does not make sense), jmdm. die Schau stehlen (to
steal a show)
Lehnsyntax: in 1998 (statt „im Jahre 1998“), in anderen Worten (statt
„mit anderen Worten“), für eine Woche (statt „eine Woche lang“).
Das innere Lehngut kann in folgende Subgruppen eingeteilt werden. Es geht hier um
Entlehnungsarten, die schlecht unter dem Begriff “Fremdwort” gefasst werden können; es
handelt sich um Benennungen, die unter Verwendung von sprachlichen Mitteln der
Empfängersprache zustandekommen und die unter dem Begriff „Lehnprägung“ subsumiert
werden. (Beispiele nach Munske (1980, 666) und Stedje (1989, 24)). Lehnprägung [engl.
calque – Auch: Abklatsch, Calque, Kalkierung] gilt als Oberbegriff für alle Formen von
semantischer Entlehnung. Definiert als Vorgang und Ergebnis der Nachbildung eines
fremdsprachlichen Inhalts mit den Mitteln der Muttersprache. Während bei Entlehnung in Form
von Fremdwörtern bzw. Lehnwörtern im engeren Sinne ein fremdes Wort und sein Inhalt in die
eigene Sprache übernommen werden, beruht die Lehnprägung auf der Anpassung der
eigenen Sprache an neue Inhalte. Die Adaption der neuen Inhalte kann auf verschiedene
Weise erfolgen:
Bei Lehnbedeutung durch Wandel bzw. Erweiterung der Bedeutung heimischer
Wörter. Lehnbedeutung definiert als Bedeutung, die ein Wort unter fremdsprachlichem
Einfluss annimmt, wodurch eine Umdeutung der ursprünglichen Bedeutung bzw. eine
Bedeutungserweiterung stattfindet. D.h. es geht hier um die Entlehnung der
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Bedeutungen laut- oder bedeutungsähnlicher Wörter aus einer fremden Sprache (z.B.
realisieren (= verwirklichen) hat durch engl. Interferenz (to realize) die Lehnbedeutung
‚einsehen‘, ‚begreifen‘ erhalten; buchen in der Bedeutung ,in ein Rechnungsbuch
eintragen’ hat zusätzlich eine neue Lehnbedeutung aus dem engl. book bekommen:
‘einen Platz bestellen’). D.h. nur die Bedeutung und nicht das Wort wird bei einer
Lehnbedeutung übernommen und auf ein einheimisches Wort übertragen.
Lehnbedeutungen entstehen oft durch Interferenzen bei Sprachträgern, die die fremde
Sprache gut beherrschen. Semantische Transferenzen aus dem Englischen ins
Deutsche sind durch den hohen Verwandtschaftsgrad zwischen den beiden Sprachen
bedingt. Auffallend ist, dass Bedeutungserweiterungen von Lexemen einer Sprache
nach dem Vorbild einer anderen Sprache nicht nur auf der Klangähnlichkeit beruhen,
sondern auch die inhaltsbezogene Teilidentität zwischen Lexemen der beiden
Sprachen berücksichtigen, z.B. feuern ‚hinauswerfen, entlassen‘ nach engl. fire.
Bei Lehnschöpfung durch formal unabhängige Neubildung. Lehnschöpfung definiert
als Vorgang und Ergebnis der Übernahme der Bedeutung eines fremdsprachlichen
Ausdrucks durch formal relativ unabhängige Nachbildung in der eigenen Sprache
(Umwelt für Milieu, Hochschule für Universität, Weinbrand für Cognac).
Lehnschöpfungen können fremde Wörter ablösen oder ersetzen7: dt. Kraftwagen <
griech. autos + lat. mobilis < Automobil, dt. Niet[en]hosen < engl. Bluejeans, dt.
Weinbrand< franz. Cognac, dt. Fahrrad < franz. velocipede.
Durch Lehnübersetzung, definiert als Vorgang und Ergebnis einer genauen Glied-für-
Glied wiedergebenden Übersetzung eines fremdsprachlichen Vorbilds in die eigenen
Sprache (z.B. Halbwelt < frz. demi-monde; Wandzeitung < russ. stengazeta;
Fünftagewoche < engl. five-day-week; Nuklearwaffen < engl. nuclear weapons;
Wolkenkratzer < engl. sky scraper; Entwicklungsland < engl. developing country;
Gipfelkonferenz < engl. summit conference; das Beste aus etwas machen < engl. to
make the best of it; Gehirnwäsche < engl. brainwashing; kalter Krieg < engl. cold war;
Luftbrücke < engl. air lift; schweigende Mehrheit < engl. silent-majority;
Selbstbedienung < engl. self-service; Taschenbuch < engl. pocket book; Tagesordnung
< franz. ordre de jour. Bei der Übertragung/Übersetzung wird auch den
identischen/ähnlichen semantischen äquivalenten Wortbildungsmuster Rechnung
getragen: public relations > öffentliche Beziehungen (Öffenntlichkeitsarbeit,
7 Das neugebildete Wort hat keine direkte Übersetzung oder Teilübersetzung.
85
Beziehungen zur Öffentlichkeit). Auch Dampfmaschine (für engl. steam maschine),
Geistesgegenwart (für frz. presence d’esprit) gehören hierher.
Durch Lehnübertragung als freiere Form der Übersetzung, im Unterschied zur Glied-
für-Glied-Wiedergabe der Lehnübersetzung basiert die Lehnübertragung auf einem
freieren Umgang mit dem fremdsprachlichen Ausgangswort, das durch eine
angenäherte Übersetzung (Wolkenkratzer für engl. skyscraper) oder aber genauere
Ausdeutung (Vaterland für lat. patria) wiedergegeben wird. D.h. es geht hier um
Teilübersetzungen, freiere Übertragungen von Wörtern einer fremden Sprache (z.B.
Halbinsel < lat. paeninsula [= Fast-insel], Vaterland < lat. patria, Erdkunde < lat.
Geographia [= Erdbeschreibung]).
86
Fremdwörter
Die Erscheinung „Fremdwort” ist nicht nur als Terminus schwer abgrenzbar, sondern auch
zu einem umstrittenen Thema geworden. Einen aus einer fremden Sprache übernommenen
Ausdruck (meist zugleich mit der durch in bezeichneten Sachverhalt), der im Unterschied
zum Lehnwort sich in Aussprache, Schreibung oder Form noch nicht an das System der
Muttersprache angepasst hat, bezeichnet man als Fremdwort.
Bei synchronischer Sprachbetrachtung können Lehnwörter von deutschen Wörtern
nicht unterschieden werden, da sie dem deutschen Sprachsystem angepasst wurden. Bei
der Abgrenzung Lehnwort - Fremdwort sind für Schippan (1987, 264) folgende Kriterien
relevant: die morphematische Struktur (das entlehnte Wortgut hat deutsche
Flexionsmerkmale angenommen – Plural- und Kasusbildung, Konjugation, Komparation,
Genuszuweisung, Eingliederung in Wortbildungsparadigmen, Bildung von Komposita und
Derivaten, hybride Bildungen aus deutschen und fremden Morphemen); Lautung,
Akzentuierung, Graphematik; Geläufigkeit/Textfrequenz.
Die Sprachimporte unterliegen einer ständigen Tendenz der Integration in das
System der Empfängersprache. Aus diesen Gründen ist zwischen den Fremdwörtern und
den als heimische Wörter aufzufassenden lexikalischen Einheiten ein breites Übergangsfeld
angesetzt worden, so dass die Scheidung in Fremd- und Lehnwort zweifelhaft erscheint.
Hier wird deutlich, dass sich die Sprache weiterentwickelt, die Grenzen zwischen diesen
beiden Erscheinungen fließend sind. Wörter8 fremder Herkunft, die als solche nicht mehr
erkennbar sind, weil sie im Deutschen heimisch geworden sind, werden als Lehnwörter
ausgegrenzt. Fremdwörter sind entweder als „fertige” Wörter aus anderen Sprachen
entlehnt (Camping, Sputnik) oder innerhalb des Deutschen aus fremdsprachigen
Morphemen oder Morphemkomplexen gebildet worden (Telekommunikation). Fremdwörter
werden manchmal in einer lexisch-semantischen Variante übernommen und erfahren nach
der Übernahme eine eigenständige Entwicklung.
Das entlehnte Wort kann in einer von der Ausgangssprache sich unterscheidenden
Variante auftreten. Der Prozess der Inkorporierung findet stufenweise statt. Manche
Sprachimporte bereiten nicht selten Schwierigkeiten beim Verstehen oder Unsicherheiten
hinsichtlich der Genuszuordnung9 (der Curry oder das Curry; der Campus oder das
8 Auch Wortbildungsmittel können entlehnt werden. Diese erscheinen entweder eingedeutscht oder bereichern als Fremdaffixe das deutsche Inventar an Wortbildungselementen: anti-, super, mini-, neo-, -and, -ieren usw.9 Das Genus der fremdsprachlichen Wörtern richtet sich in der Regel entweder nach den möglichen Synonymen der Aufnahmesprache oder nach formalen Kriterien.
87
Campus?) oder der Pluralbildung (die Posters oder die Poster? die Regimes oder die
Regime? die Modems oder die Modeme?). Neben den vom Deutschen abweichenden
Formen Atlanten oder Kommata treten im Laufe der Zeit nach deutschem Muster gebildete
Formen auf: Atlasse, Kommas. Auch hybride Bildungen rufen Unsicherheiten hinsichtlich
der Plural-, Kasus- und Genusbildung hervor. Siehe die Pluralbildung bei Hobby oder
Baby. Die Unsicherheit zwischen –ies oder –ys lässt sich nach Höhne (1991, 205) mit der
Unkenntnis über den Eindeutschungsgrad eines solchen Lexems erklären. Eine „sinnvolle
Lösung” sieht Höhne in der Umformung der englischen in eine deutsche Endung: Hobbi und
Babi.
Probleme tauchen auch bei der Verb-, Partizip- und Adjektivbildung auf. Die von
Substantiven abgeleiteten Verben (Desubstantiva) und Anglizismen haben die größte
Verbreitung unter den Verbneubildungen. Fremdsprachliches wird dem deutschen
Wortbildungs- und Flexionssystem angepasst. Das Verb leasen, das gelegentlich mit
mietkaufen verdeutscht wird, gehört inzwischen dem alltäglichen Sprachgebrauch an. Die
Mehrzahl der Verben und Präfixverben englischer Herkunft erscheinen in den technischen
Fachsprachen: (saven, canceln), aber auch im gruppenspezifischen Sprachinventar
Jugendlicher (anturnen, ausgepowert, anpowern, relaxen). Testen, clonen bereiten keine
Schwierigkeiten bei der Einordnung in die deutsche Syntax, anders aber stop, handle.
Weiter oft gebrauchte Verben sind u.a. outsourcen, piercen, talken, designen, mailen,
stretchen. Deutlich zugenommen haben die Zusammensetzungen. Neubildungen sind:
diäten, pillen, müdeln, schlagzeilen, sich anhübschen10, aber auch sandstrahlen, fussballen,
urlauben, kuren, freizeiten, cd-romisieren, stossseufzen, bauchreden.
Das fremde Wortgut wird unterschiedlich in eine Sprache aufgenommen: (a)
Übernahme von Formativ und Bedeutung; (b) manche Fremdwörter werden nur mit einem
ihrer Sememe übernommen; (c) Fremdwörter können Eigenschaften annehmen, die sich
von ihrem Gebrauch in der Gebersprache unterscheiden. Für viele Entlehnungsvorgänge
sind Bedeutungsverschiebungen kennzeichnend: Nach der Übernahme eines Ausdrucks in
eine andere Sprache ändert dieser nicht nur seine Form, sondern oft auch seine
Bedeutungen. So bezeichnete Serviette im Französischen kein Mundtuch, sondern ein
Handtuch. Spleen wurde nur mit der bedeutung „üble Laune, Ärger” aus dem Englischen
übernommen und nicht in der Bedeutung „Milz”.
Im Folgenden soll auf Eigenheiten des Englischen hingewiesen werden, die ins
Deutsche eingedrungen sind. Beobachtbar ist die Getrenntschreibung der Komposita
10 Glück/Sauer (1990, 92).
88
(Windows Anfänger, Support Datei) oder die Großschreibung einzelner
Kompositaelemente im Wortinneren (Inter City Treff). Auch im Bereich der Adjektive ist die
Tendenz erkennbar, die englische Steigerungsform ins Deutsche zu übernehmen (mehr
interessant, am meisten nützlich). Viele Anglizismen werden „deutsch“ ausgesprochen, die
englische Aussprache würde lächerlich wirken: Sport, Moderator, Poker. Eine eigenartige
und oft fehlerhafte Mixtur aus amerikanischem Englisch und Deutsch trifft man nicht nur in
der Computerbranche an. HobbySwingerin, coming-out, Popsänger, Jetflug, Auftragsboom,
Ärzteteam, gefightet, handgefinishte Damenbekleidung, gehandikapte Mannschaften,
grillen, killen, trampen sind Beispiele für eine Mischsprache, eine Vermischung deutscher
und englischer Wörter (Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng).
Auch zahlreiche Anzeigen z.B. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ können als
Beispiele für „code-mixing“ (Area Sales Manager Fernost, JuniorProdukt Manager)
angeführt werden. Manche Anzeigen folgen der deutschen Schreibweise (Spezialist,
Produkt), andere zeigen eine Vorliebe für die englische Orthographie (Specialist, Product,
Coordinator, Controller) – in Anlehnung an das Englische. Die englische Schreibart
erscheint auch in zahlreichen Werbeanzeigen (exclusiv, creativ, club). Englische Begriffe
erscheinen selbst dort, wo deutsche Äquivalente vorhanden sind, so wie bei Engineering für
Ingenieurwesen oder Food für Nahrung. Es erscheinen auch Stellenangebote, die gänzlich
in der englischen Sprache verfasst wurden (und in denen selbstverständlich hingewiesen
wird, das ausgezeichnete Englischkenntnisse gefragt sind), oder in denen abgeleitete
Berufsbezeichnungen aus dem Englischen auftauchen: Vertriebsberaten/in,
Banking/Finance Hauptabteilungsleiter/in Finance Manager, Top-Position in Seoul, General
Manager Südkorea, Director Finance Northern Europe, Customer-Support-Representative
usw. (Vgl. Stan, 1997, 3). Manche Bezeichnungen in Stellenangeboten sind identisch mit
denen in amerikanischen Firmen (Management Consultant; Marketingmanager/in).
Das Englische beeinflusst das Deutsche aber auch auf eine andere, weniger
auffälligere Art. Angesprochen sind die heimlichen Anglizismen, Wörter oder Wendungen,
die sich auf einen ersten Blick deutsch ausnehmen, aber englischer Herkunft sind. Es geht
entweder um Übersetzungen; oder ein fast vergessenes Wort erhält unter englischem
Einfluss zusätzlich eine neue Bedeutung; oder seine alte Bedeutung wurde von einer aus
dem Englischen stammenden Bedeutung verdrängt: realisieren in der Bedeutung von to
realize „verstehen, sich klarmachen”; kontrollieren in der Bedeutung von „beherrschen”,
konfirmieren in der Bedeutung von „bestätigen” verwendet; feuern bedeutete einst
“rotwerden” später „heizen”, in Anlehnung an to fire bedeutet es heute „hinauswerfen”,
89
Administration bedeutete früher „Verwaltungsbehörde”, heute bedeutet das Wort nach
Washingtoner Vorbild der gesamte gewählte „Regierungsapparat”. Kompetenz bedeutete
„Zuständigkeit”, die heutige Bedeutung hat sich zu – ebenfalls nach dem englischen Vorbild
– „Befähigung” erweitert. Die Quellen solcher Anglizismen: sind u.a. flüchtige
Synchronisationen von Filmen, Fernsehspielen (Billion statt Milliarde, Sodium statt Natrium,
Ich sehe Ihren Punkt (engl. „I see your point”), jmdm. die Schau stehlen (engl. to steal the
show), habt eine gute Zeit (engl. have a good time), das macht keinen Sinn oder in 1999
wird etw. passieren, einmal mehr (engl. once more) statt „noch einmal”, Rechte und
Verantwortlichkeiten (anstatt „Rechte und Pflichten”; in Anlehnung an das engl. rights ans
responsabilities), nicht notwendigerweise (anstatt „nicht unbedingt”; in Anlehnung an das
engl. not necessarily), nicht länger für nicht mehr, Dies ist mein Platz (anstatt „Hier bin ich
Zuhause”; in Anlehnung an das engl. This is my place).
Oft werden nach englischem Vorbild neue Wörter gebildet, Wörter, die im
englischsprachigen Raum nicht existieren: Know-how, bodysuit, handy. Zum einen geht es
auch um die vermehrte Verwendung des Buchstabens „c“ (Club, Focus, Casino,
Cassette), andererseits handelt es sich um den „englischen“ Genitiv und die
Pluralbildung. Zum falschen Gebrauch des Apostrophs (in Udo‘s Kneipe, Gaby‘s Laden,
Robert’s Haarstudio, Internat. Drink’s, oder Petra‘s Boutique) sind z.B. im „Fachdienst
Germanistik“ zahlreiche Artikel aus der deutschen Presse erschienen. Die Frage, woher die
Entwicklung vom „genitivus idioticus” zum „pluralis aberratis” komme, habe jedoch
keine befriedigende Antwort erfahren. Bei der Einfuhr von englischen Wörtern und
Ausdrücken können Fehler auftauchen. Z.B. Body (statt Bodysuit) und Know-How (statt
expertise), Handy (statt cellular phone). Handy existiert im englischen Sprachgebrauch
ebensowenig wie Smoking. Auch die Gefahr der „falschen Freunde“ ist groß. So bedeutet
eventually nicht eventuell und familiar nicht familiär. Problematisch ist auch die direkte
Übersetzung von englischen Wendungen wie not really, das heute mit nicht wirklich
übersetzt wird, während es nur nicht heissen hätte können. Ein anderer Aspekt, der
ärgerlich ist, ist „die umstandslose Gleichsetzung“ gleichlautender Worte im Englischen und
im Deutschen, die immer öfter vorkomme, bemerkt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
(29.12.1999)11 – ein warehouse sei eben kein Warenhaus, ein sword sei nur selten ein
Schwert, und to sail bedeutete nicht unbedingt nur segeln. Außer Fremdwörtern, die als
11 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 5/2000, S. 6.
90
selbständige Wortschatzelemente in der gegenwärtigen deutschen Sprache vorkommen,
treten noch gebundene Fremdelemente auf als Konstituenten von Phraseologismen.
Im Bereich der Idiomatik schlagen sich die Entlehnungen aus dem Englischen in
Lehnübersetzungen bzw. –übertragungen nieder: grünes Licht geben/bekommen, in
einem/im gleichen Boot sitzen (engl. to be in the same boat), das Gesicht wahren/retten
(engl. to save one‘s face),(jmdm.) unter die Haut gehen/dringen (engl. to get under
someone‘s skin), jmdm. die Schau stehlen (engl. to steal someone‘s show), etw. macht
keinen Sinn (engl. it does not make any sense). Das Englische ist vor allem in den letzten
beiden Jahrzehnten in die deutsche Idiomatik eingedrungen: last (but) not least, in/out sein,
etw. live übertragen, (völlig/…) down sein12,wait and see usw. Crème de la crème, Don
Juan, Don Quichotte, enfant terrible, Femme fatale, First lady, Grand Old Lady, Haute
Couturier, Homme de lettres, Homo faber, Homo ludens, Homo sapiens, Native speaker,
Spiritus rector, Upper ten, Uncle Sam, Postillon d’amour, Commis voyageur, Maitre de
plaisir, Avocatus Dei, Avocatus Diaboli, Persona grata, Persona ingrata, Persona nongrata
setzen als “bildungssprachlich” markierte festgeprägte Fügungen in lateinischer, englischer
oder französischer Formulierung einen erweiterten Bildungshorizont voraus (Braun 1991,
58).
Fremdwörter haben einen großen Anteil an dem terminologischen Begriffsapparat
in Wissenschaft und Technik. Es wäre falsch, bestimmte Fachwörter durch heimische
Äquivalente zu umschreiben. Hier wäre aber zu vermerken, dass in bestimmten Situationen,
z.B. in dem medizinischen Bereich in vielen Fällen neben dem fremdsprachigen Terminus
(Hepatitis) auch eine deutsche Entsprechung (Gelbsucht) vorkommt, und die Verwendung
variiert je nach Textsorte und Kontext. Darüber hinaus kommt es vor, dass sich für den
fremden Begriff auch in der wissenschaftlichen Kommunikation das deutsche Äquivalent
durchgesetzt hat (s. Herzschrittmacher), andererseits können fremdsprachige Termini im
nichtfachlichen Alltagsverkehr vorkommen oder beide Bezeichnungen (fremde/deutsche)
paralell verwendet werden.
Lehnwörter
Nach dem Grad der Eindeutschung bezeichnet man Entlehnungen, die dem deutschen
Sprachsystem völlig inkorporiert und angeglichen sind, nicht mehr als fremd anerkannt
werden, als Lehnwörter, d.h. mit fortschreitender Integration verändert sich ein großer Teil
der Fremdwörter zu Lehnwörtern. (Fleischer/Michael 1975, 205)
12 vgl. Schemann (1993, XCVII).
91
Aus synchronischer Perspektive ist die Unterscheidung Lehnwort – Fremdwort nicht
einfach; andererseits kann ein Sprachteilhaber ein Erbwort als fremd empfinden, ein
Fremdwort als deutsches Wort betrachten.
Bußmann (1990, 445f.) unterscheidet: (1) Lehnwort im engeren Sinn. Im
Unterschied zum Fremdwort geht es um Entlehnungen einer Sprache A aus einer Sprache
B, die sich in Lautung, Schriftbild und Flexion vollständig an die Sprache A angeglichen
haben: dt. Fenster aus lat. fenestra, dt. Wein aus lat. vinum, frz. choucroute aus dt.
Sauerkraut. (2) Lehnwort im weiteren Sinn definiert als Oberbegriff für Fremdwort und
Lehnwort im Sinn von (1). Bei dieser Verwendung wird zwischen lexikalischen und
semantischen Entlehnungen (Lehnprägungen) unterschieden. Bei lexikalischen
Entlehnungen wird das Wort und seine Bedeutung (meist zusammen mit der „neuen”
Sache) in die eigene Sprache übernommen und als Fremdwort (= nicht assimiliertes
Lehnwort), wie Psychologie, Flirt, Sputnik, oder als assimiliertes Lehnwort im engeren Sinn
(Beispiele unter 1) verwendet.
Scheinentlehnungen
Schippan (1992, 268f.) verweist auf Lehnert (1986, 59), der von „Falsch- und
Scheinentlehnungen“ spricht, der den häufigen Umgang mit englischem Wortgut als Grund
nennt, weshalb man „nach freiem Ermessen“ aus englischem Wortmaterial morphologisch,
lexikalisch und semantisch in Großbritanien und den USA unbekannte deutsche „Schein- und
Falschentlehnungen”, englische „Geisterwörter (ghost-words)“ bildete (als Beispiele führt er
u.a. Twens oder Talk-Master an). Viele Lehnwörter decken einen Bedarf, füllen eine Lücke
aus, andere werden aus Prestigegründen aus fremden Sprachen übernommen, sie sind
„Luxuslehnwörter“ (Stedje 1989, 169) [auch “Bedürfnis- und Luxusentlehnungen”
(Carstensen zit. von Donalies 1992, 103)] Hierher gehören auch die „vorgetäuschten“
Fremdwörter, die sogenannten Scheinfremdwörter, die es in z.B. in der englischen Sprache
gar nicht gibt. Scheinentlehnungen sind Fremdwörter, die nur scheinbar aus einer fremden
Sprache entlehnt wurden. Sie sind Scheinfremdwörtern (Pseudoanglizismen). Diese Wörter
gibt es in diesen Bedeutungen zumindest in der Gebersprache überhaupt nicht. Z.B. Twen (zu
engl. twenty) [= ’Person zwischen 20 und 29 Jahren’], eine Wortschöpfung der deutschen
Bekleidungsindustrie (vgl. auch Pullunder, Smoking13, Dressman), aber auch Beamer,
13 Nach engl. smoking jacket nachgebildet; Goalgetter als Bezeichnung für den Torjäger/-schütze nach engl. goal scorer nachgebildet.
92
Dressman, Handy, Happy End, Shakehands, Talkmaster/Showmaster statt data projector,
male model, mobile, cell, mobile phone, cell phone, cellular phone, happy ending, handshake,
host. Scheinentlehnungen zielen auf die gleichen Effekte, die „wirkliche“ Entlehnungen haben.
Sie führen semantische Neuerungen bzw. Differenzierungen herbei (Kettemann 2002, 68f.).
Internationalismen
Eine besondere Gruppe von Fremdwörtern sind die Internationalismen, die sich durch eine
übereinzelsprachliche Geltung auszeichnen. Als Erscheinungen, die in vielen (meist genetisch
verwandten) Sprachen vorkommen und die jeweils eine Ursprungssprache aufweisen
(Griechisch, Lateinisch, Englisch, Französisch) werden sie annähernd bedeutungsgleich
verwendet (Auto, Radio). Ihr häufiger Gebrauch in Massenmedien ist auf ihre leichte
Verständlichkeit zurückführbar, trotz den oft sprachspezifischen Bedeutungen, die viele von
ihnen charakterisieren. Zu den modernen Internationalismen gehören viele Fremdwörter aus
Wissenschaft, Technik, Politik, Freizeitgestaltung (Computer, Laser, Radar, Finale), d.h.
Lexikoneinheiten, die Begriffe der modernen internationalen wirtschaftlich-technischen
Entwicklung bezeichnen. Aufgrund der starken Internationalisierung der Kommunikation wird
die Veränderung der lexikalischen Einheiten auf ein Mindestmaß reduziert, um eine eindeutige
und schnelle Verständigung zu gewährleisten. Internationalismen sind Wörter mit gleicher
Bedeutung und mit gleicher/ähnlicher Form in verschiedenen Kultursprachen. Viele
Lehnwörter werden zu Internationalismen vor allem in den verschiedenen Fachsprachen. Sie
sind aus lateinischen und griechischen, manchmal auch englischen Wortstämmen gebildet
und gelangen oft durch Vermittlung des Englischen ins Deutsche: Infrastruktur, Diskothek,
Super-Ego, Kybernetik, Morphem, optimal usw. Internationalismen sind Wörter, die
international gebräuchlich sind und die sich der Aufnahmesprache angepasst haben. In
gleicher Bedeutung sind sie oft als Termini im Gebrauch: dt. Theater, engl. theatre, franz.
theatre, russ. teatr. Nach Decsy (1973 zit. nach Braun 1987, 195 ) ist jedes Wort, das aus
einer anderen großen Sprache (Deutsch, Russisch, Spanisch, Italienisch) stammt und in einer
größeren Anzahl von Sprachen verbreitet ist, ein Internationalismus (z.B. franz. civilisation,
engl. civilization, dt. Zivilisation, russ. ziwilisazija stellen mehrere Lexeme dar, die zusammen
genommen einen Internationalismus ausmachen). Wenn Unterschiede in der Bedeutung eines
international gebrauchten Wortes auftauchen, dann sind das “falsche Freunde”, d.h. die
Audrucksseite kann in unterschiedlichen Sprachen gleich oder ähnlich sein, semantisch
jedoch auseinandergehen. So hat Chef im Deutschen die Bedeutung “Vorgesetzer, Leiter
93
einer Dienst- oder Arbeitsstelle”, im Englischen aber die Bedeutung “Chefkoch”, während im
Französischen beide Bedeutungen auftauchen. Für das Zustandekommen von
Internationalismen z.B. in der deutschen, englischen und französischen Sprache nennt Braun
(1987, 194) u.a. folgende Ursachen: die indoeuropäische Sprachverwandtschaft;
wechselseitige Entlehnungen aus den drei (oder anderen) Sprachen; Entlehnungen aus
nichteuropäischen Sprachen; Sprachkonventionen in übernationalen Institutionen (Kirchen,
Verbände); Sprachregelungen in internationalen Fachsprachen; Informationsaustausch durch
internationale Nachrichtenagenturen. Auch nichteuropäische Sprachen übernahmen mit der
Technik den Internationalismus: televiz‘jon (arabisch), talivinyen (malaysisch), terebijon
(japanisch). Die meisten Internationalismen sind vor 1945 entlehnt worden. Viele dieser Wörter
gehören zu den Standardwortschätzen vieler europäischer Sprachen; Jahr für Jahr kommen
neue Internationalismen hinzu. Die Tendenz der zunehmenden Internationalisierung lässt sich
auch daran erkennen, dass die jüngeren Entlehnungen nicht mehr in dem Maße angepasst
bzw. integriert werden, wie das bei älteren Entlehnungen zu beobachten war. Die Vorteile
internationaler Wortschätze liegen auf der Hand. Sie können die Alltagskommunikation
zwischen den Menschen verschiedener Herkunftssprachen erheblich erleichtern, sie haben im
Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb bzw. –unterricht einen hohen Gebrauchswert. Darüber
hinaus geben sie Aufschluss über die geschichtlichen und kulturellen Kontaktvorgänge
zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften.
Bezeichnungsexotismen
Deutlich von den Internationalismen abzuheben sind die sogenannten
Bezeichnungsexotismen/Bedeutungsexotismen (auch „Zitat-Wörter“) als Bezeichnungen
für landesspezifische Realien/ Gegenbenheiten des Herkunftlandes (z.B. Währungseinheiten
Lira, Lewa, Rubel, Dinar, Lei oder für Namen oder Titel (Wojewode, Lord), die international in
verschiedenen Sprachen für das gleiche Denotat gebraucht werden (vgl. Fleischer 1993, 88):
Samowar, Siesta, Safari, Forint, Queen, Harakiri, Datscha, Geisha, Iglu, Kreml. Die Denotate
auf die diese Fremdwörter Bezug nehmen, gehören der Realität nur derjenigen
Sprachgemeinschaften an, aus der die Bezeichnung stammt. Wesentliches Merkmal der
Exotismen ist ihre „ausschließliche Verwendbarkeit im Rahmen einer spezifisch fremder
Situation“ (Bellmann ²1980, 684).
2. Integrationsgrade
94
Die Transferenzen werden nach den unterschiedlichen Arten/Graden der Integration in das
deutsche Sprachsystem (Assimilation, Eingliederung, Eindeutschung) gegliedert:
phonemische Integration, graphemische Integration, flexivische Integration (fremdsprachliche
Pluralendungen können durch deutsche ersetzt werden: Verben statt Verba, Kommas statt
Kommata), Wortbildungs-Integration (Kombinierbarkeit mit ererbten, indigenen
Wortbildungselementen), semantische Integration (entlehnte Wörter können innerhalb des
deutschen Wortfeldes einen eigenen Platz einnehmen und dadurch eine
Bedeutungsveränderung benachbarter deutscher Wörter verursachen; ein Lehnwort kann in
einer von der Herkunftssprache teilweise abweichenden Bedeutung verwendet werden: so
bedeutete das in der Barockzeit entlehnte Wort Konversation häufig ein oberflächliches und
unverbindliches Gespräch; im Englischen und Französischen aber „Gespräch” allgemein;
dieses Lehnwort ist bei der Eingliederung in das deutsche Wortfeld semantisch eingeschränkt
worden), sprachsoziologische Integration (ein Lehnwort ist in einem geringen Grad integriert
worden, wenn es nur in exklusiven Kreisen - Eliten, unter den Fachleuten - gebraucht wird).
Da die Integration auf den verschiedenen Sprachebenen unterschiedlich wirkt, ergeben
sich Integrationsarten; damit wird die traditionelle Zweiteilung in → Fremd- und Lehnwort
fragwürdig. Manager ist nach der alten Einteilung auf grafemisch-phonemischer Ebene nicht
ins deutsche Sprachsystem integriert worden; Manager wird als Fremdwort eingestuft, obwohl
das Wort flexivisch und auch wortbildungsmäßig, semantisch und sprachsoziologisch voll
integriert ist.
Lehnwörter: nach dem Grad der Eindeutschung bezeichnet man Entlehnungen, die dem
deutschen Sprachsystem völlig inkorporiert und angeglichen sind, nicht mehr als fremd
anerkannt werden, als Lehnwörter, d.h. mit fortschreitender Integration verändert sich ein
großer Teil der Fremdwörter zu Lehnwörtern → aus synchronischer Perspektive ist die
Unterscheidung Lehnwort – Fremdwort nicht einfach; andererseits kann ein Sprachteilhaber
ein Erbwort als fremd empfinden, ein Fremdwort als deutsches Wort betrachten.
Bei der gegenwärtigen Fremdwortdiskussion sind zwei Ebenen zu unterscheiden
(1) die Fachdiskussion über die Begriffsbestimmung (die Dreierunterscheidung
Erbwort – Lehnwort – Fremdwort)
(2) die in der Öffentlichkeit lebhaft geführte Diskussion über Nutzen oder Schaden
der Fremdwörter
Die terminologische Abgrenzung Fremdwort – Lehnwort erfolgt nach dem Grad der
Eindeutschung → innerhalb der direkten Entlehnung behält das fremdsprachliche Wort seine
95
fremde Gestalt (z.B. Camping, Champion, Konto, Garage, Jazz) → Fremdwörter gelten als
Wörter fremder Herkunft (d.h. aus nichtheimischen Sprachmaterial gebildete lexikalische
Einheiten), die fremde Merkmale in ihrer formalen Struktur aufweisen. Fremdwort: einen aus
einer fremden Sprache übernommenen Ausdruck (meist zugleich mit der durch in
bezeichneten Sachverhalt), der im Unterschied zum Lehnwort sich in Aussprache, Schreibung
oder Form noch nicht an das System der Muttersprache angepasst hat. Fremdwörter sind
entweder als fertige Wörter aus anderen Sprachen entlehnt (Camping, Sputnik) oder innerhalb
des Deutschen aus fremdsprachigen Morphemen oder Morphemkomplexen gebildet worden
(Telekommunikation) . Fremdwörter werden manchmal in einer lexisch-semantischen Variante
übernommen und erfahren nach der Übernahme eine eigenständige Entwicklung → das
entlehnte Wort kann in einer von der Ausgangssprache sich unterscheidenden Variante
auftreten → der Prozess der Inkorporierung findet stufenweise statt. Tendenz: häufig
vorkommende Fremdwörter als heimisch, seltener gebrauchte deutsche Wörter jedoch als
fremd eingeschätzt. Auch Wortbildungsmittel können entlehnt werden; diese erscheinen
entweder eingedeutscht oder bereichern als Fremdaffixe das deutsche Inventar an
Wortbildungselementen: anti-, super, mini-, neo-, -and, -ieren usw. Hybride Bildungen des
Typs Grundprinzip, Telekommunikation, Arbeitsökonomie, Arbeitsmethode, Bau-Boom sind
Wortbildungkomplexe aus heimischen und fremden Bestandteilen, die oft der
Bedeutungsdifferenzierung dienen; viele dieser Einheiten haben einen wesentlichen Anteil am
terminologischen System in Wissenschaft und Technik.
Fremdes Wortgut (Sprachimporte) unterliegt der Tendenz der Integration in das System
der Empfängersprache (z.B. Großschreibung, deutsche Personalendungen der Verben,
Genuszuweisung, phonetische Eindeutschung, Eingliederung in das Wortbildungssystem) →
aus diesen Gründen ist zwischen den Fremdwörtern und den als heimische Wörter
aufgefassten Einheiten ein breites Übergangsfeld angesetzt worden → die Scheidung in
Fremd- und Lehnwort erscheint z.T. Als zweifelhaft → hier wird deutlich, dass sich die
Sprache weiterentwickelt, dass die Grenzen zwischen diesen beiden Erscheinungen fließend
sind. Mit fortschreitender Integration verändert sich ein großer Teil der Fremdwörter zu
Lehnwörtern. Lehnwörter sind ihrer Herkunft nach fremd, zeigen aber in ihrer formalen Struktur
keine auffälligen fremden Merkmale mehr (d.h. völlige Anpassung an die Empfängersprache;
z.B.: Nase, Keller, Ziegel, Wein, Kloster, Vater, Fenster, Pforte, Mauer, Tafel, Most, Winzer,
Trichter, Becher oder Kelch → Lehnwörter: Wörter fremder Herkunft, die als solche nicht mehr
erkennbar sind, weil sie im Deutschen heimisch geworden sind. Bei synchronischer
Sprachbetrachtung können Lehnwörter von deutschen Wörtern nicht unterschieden werden,
96
da sie dem deutschen Sprachsystem angepasst wurden. Bei der Abgrenzung Lehnwort -
Fremdwort sind für Schippan (1987, 264) folgende Kriterien relevant:
die morphematische Struktur (das entlehnte Wortgut hat deutsche
Flexionsmerkmale angenommen: Plural- und Kasusbildung,
Konjugation, Komparation, Genuszuweisung, Eingliederung in
Wortbildungsparadigmen, Bildung von Komposita und Derivaten,
hybride Bildungen aus deutschen und fremden Morphemen)
Lautung
Akzentuierung
Geläufigkeit
Textfrequenz
Unterscheidung zwischen Fremdwort und Lehnwort
die Unterscheidung ist in manchen Fällen nicht immer einfach → wenn man bei der
Anpassung an das deutsche Sprachsystem von den formalen Kriterien ausgeht, dann
kann ein Verb z.B. nie ein Fremdwort sein, da es in seiner Form immer angepasst wird
(z.B. funktionieren, revolutionieren, regieren)
Lehnwörter wie z.B. Bank, Keks, Natur, Note, Sekt, Sport, starten, Musik, Zement
werden heute nicht mehr als „fremd“ empfunden, obwohl es sich hier nicht um
heimisches Wortgut handelt, sondern um Sprachimporte. Dies zeigt, dass ein
Fremdwort nach einer gewissen Zeit des Gebrauchs an die deutsche Sprache
angeglichen worden ist
Die Tendenz zur Internationalisierung zeigt sich am deutlichsten in den lexikalischen
Lehneinflüssen aus dem Englisch-Amerikanischen
Fremdwort Lehnwort
Automatismus, Bonus, Chronik, Demokratie, Diktator, Dekret, Export, Generation, Leutnant, Manager, Parlament, Sputnik, Ski, Tourist, Uniform, Violine
Admiral, Bank, Batterie, Bibel, Büro, Bus, Dekor, Film, Juwel, Kabine, Keks, Konto, Natur, Roman, Sport, Termin
Fazit
der transferierte Wortschatz wird unterschiedlich integriert
97
die Sprachwisenschaft unterscheidet zwischen dem Fremdwort, als ein
Sprachzeichen, das nur teilweise oder überhaupt nicht integriert wurde, und Lehnwort,
das sich der Aufnahmesprache angepasst hat und dessen fremder Ursprung den
Sprachbenutzern nicht mehr bewusst ist, d.h. erst aus diachronischer Perspektive kann
die Herkunft gedeutet werden
eine eindeutige Unterscheidung Fremdwort – Lehnwort ist schwierig, da die
Übergänge fließend sind, d.h ein Fremdwort kann sich schrittweise der deutschen
Sprache angleichen; dabei können einige Merkmale des Fremden durchschimmern
oder aufgegeben werden
bei der Festlegung des Status eines Wortes als Fremd- oder Lehnwort sind Lautung,
Orthographie, morphologische Struktur, die grammatische und pragmatische
Einordnung, Gebräuchlichkeit, Festigung im Sprachbewusstsein Kriterien, die den
Übergang eines Fremdworts zum Lehnwort kennzeichnen
manche Sprachimporte bereiten nicht selten Schwierigkeiten beim Verstehen oder
Unsicherheiten hinsichtlich der Genuszuordnung (der Curry oder das Curry; der
Campus oder das Campus?) oder der Pluralbildung (die Posters oder die Poster? die
Regimes oder die Regime? die Modems oder die Modeme?) → neben den vom
Deutschen abweichenden Formen Atlanten oder Kommata treten im Laufe der Zeit
nach deutschem Muster gebildete Formen auf: Atlasse, Kommas.
→ auch hybride Bildungen rufen Unsicherheiten hinsichtlich der Plural-, Kasus- und
Genusbildung hervor (–ies vs. –ys)
Probleme tauchen auch bei der Verb-, Partizip- und Adjektivbildung auf → die von
Substantiven abgeleiteten Verben (Desubstantiva) und Anglizismen haben die größte
Verbreitung unter den Verbneubildungen
Fremdsprachliches wird dem deutschen Wortbildungs- und Flexionssystem angepasst:
leasen (dt. mietkaufen) → die Mehrzahl der Verben und Präfixverben englischer
Herkunft erscheinen in den technischen Fachsprachen (saven, canceln), aber auch im
gruppenspezifischen Sprachinventar Jugendlicher (anturnen, ausgepowert, anpowern,
relaxen); testen, clonen bereiten keine Schwierigkeiten bei der Einordnung in die
deutsche Syntax, anders aber stop, handle → weiter oft gebrauchte Verben sind u.a.
outsourcen, piercen, talken, designen, mailen, stretchen → Neubildungen sind: diäten,
pillen, müdeln, schlagzeilen, aber auch sandstrahlen, fussballen, urlauben, kuren,
freizeiten, cd-romisieren, stossseufzen, bauchreden
98
3. Ursachen für Entlehnungen (außersprachliche und innersprachliche Faktoren)
Ursachen für Entlehnungen
außersprachliche Faktoren
innersprachliche Faktoren
Fremdwortdiskussion → verstärkter Sprachkontakt in Europa/Internationalisierung; Zeitalter
der Technik und der Kommunikation: gegenseitige kulturelle und somit auch sprachliche
Beeinflussung; Sprachberührungen können politisch, historisch, geographisch, kulturell-
gesellschaftlich begründet sein; Erfordernisse der modernen Kommunikation → semantische
und soziopragmatische Aspekte, die eng mit den Ursachen, Bedingungen und Folgen der
Entlehnung zusammenhängen. Es werden Wörter – aus vielen und unterschiedlichen Gründen
– aus anderen Sprachen entlehnt; sie passen sich der Empfängersprache Deutsch an oder
können ihre Fremdheit beibehalten, so dass ihre fremdartige Herkunft sichtbar bleibt. Wörter
fremder Herkunft, die als solche nicht mehr erkennbar sind, weil sie im Deutschen heimisch
geworden sind, werden als Lehnwörter ausgegrenzt. In vielen Fällen gab es vor der
Entlehnung im Deutschen weder einen semantischen äquivalenten Ausdruck noch einen
entsprechenden Begriff im Sachbereich → Entlehnung von Begriffen zusammen mit den
Wörtern. Gegenwärtig werden insbesondere Fremdwörter englischer Herkunft aufgenommen;
der Grund für die vermehrte Aufnahme dieser Wörter liegt einerseits in den außersprachlichen
Faktoren, andererseits im gemeinsamen Ursprung beider Sprachen.
Deutsch war nie eine reine Sprache gewesen: eine Einzelsprache stellt ein
Mischphänomen dar → der kontinuierliche Prozess der Übernahme fremder Wörter kann nicht
aufgehalten werden → selbst das Englische entwickelt sich weiter; die Engländer beklagen die
vielen Amerikanismen und die Amerikaner beschweren sich über den spanischen Einfluss. Ein
großer Teil des heutigen deutschen Wortschatzes geht auf Entlehnungen und Lehnwortschatz
zurück: Politik und Sport, Unterhaltungsindustrie, Verkaufswesen, Öffentlichkeitsarbeit,
Technik, Mode und Kosmetik, Wirtschaft und Werbung haben den angloamerikanischen
Einfluss verstärkt.
Durch Zeitungen und Nachrichtenredaktionen der Rundfunkanstalten, die viele
amerikanische Agenturnachrichten übernehmen, werden viele Fremdwörter in Umlauf gesetzt;
diese erreichen alle Schichten der Bevölkerung. Viele Entlehnungen aus den Bereichen
Wirtschaft, Politik, Marktforschung, Werbung, Computer, Schlagerindustrie, Technik und Sport
sind zum festen Bestandteil der deutschen Sprache geworden. Das Überhandnehmen
99
amerikanischer Fremdwörter ist Ausdruck der Wandlungen unserer Zeit → die
Internationalisierung des Wortschatzes ist nicht aufzuhalten. Sprachimporte/Entlehnung von
Sprachelementen aus anderen Sprachen → Alternative zur Wortschatzinnovation: bestimmte
Sprachen bildeten die Hauptspendersprachen (Latein: Mittelalter bis Renaissance;
Französisch: 17. bis 19. Jahrhundert; Englisch-Amerikanisch: ab 1945). Im Prinzip verkraftet
jede Sprache den fremden Einfluss, die Gefahr liegt in der Verdrängung der eigenen Sprache
aus verschiedenen Kommunikationsbereichen, die Fremdwörter selbst sind keine Gefahr!
Die Anteile verschiedener Herkunftssprachen beim Ausbau des Wortschatzes können
unterschiedlich ausfallen; bei der massenhaften Entlehnung lexikalischer Elemente aus einer
anderen Sprache sind → sind die Arten und Grade ihrer Integration (Assimilation, Anpassung)
linguistisch interessant.
Bei den Ursachen, die zu sprachlichen Transferenzen geführt haben, spielen
außersprachliche und innersprachliche Faktoren eine entscheidende Rolle. Bei der
Verbreitung der Fremd- bzw. Lehnwörter spielen die Medien als Informationsträger eine Rolle:
diese erfinden die Neuerungen, sie entscheiden, ob fremde Wörter in Umlauf gebracht werden
und in welcher Gestalt → Medien haben auch einen großen Bedarf an neuen und auch
fremden Benennungen: Torwart, Torhüter, Tormann, Torwächter → Goalkeeper bzw. Keeper,
Goaler oder Goalie vgl. auch Dumping, Inflation, Business, Lobby, Konzernboss, Boom, US-
Administration, Pentagon, Know-how. Massenmedien → einen starken Einfluss auf den
Übergang fachsprachlicher Fremdwörter in den nichtfachgebundenen Gebrauch, sie können
auch die Frequenz der Übernahme beeinflussen.
Das heutige Sprachbild → nur unter Einbezug der Vergangenheit begreifbar → Sprache
als eine historisch entstandene Erscheinung → Wechselbeziehungen zwischen Sprache und
Gesellschaft → Sprachdynamik: Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen
Veränderungen und den sprachlichen Wandlungen: Veränderungen vs. Entwicklungen in der
Sprache → in der Lexematik schlagen sich die sprachlichen und gesellschaftlichen
Veränderungen am auffälligsten nieder → Wörter als Zeitspiegel → wechselseitige
Aufnahme und Abgabe von Wortmaterial.
Im Laufe ihrer Entwicklung ist die deutsche Sprache vielfältig durch andere Sprachen
bereichert/beeinflusst worden → sprachliche Transferenzen sind durch außersprachliche und
innersprachliche Faktoren bedingt → für die Art und den Umfang der Übernahme fremden
Wortgutes in die deutsche Sprache können historische, objektive, linguistische, stilistische,
psychologische, geografische und soziolinguistische Ursachen der Übernahme angeführt
100
werden → die Vorzüge der Wortimporte → Leistung und Funktion im Sprachgebrauch →
Verhältnis zwischen Fremdwort und deutscher Entsprechung (Formen der Entlehnung).
Einige Wörter haben sich in das System der Empfängersprache so fest eingegliedert,
sind so selbstverständlich geworden, dass ihr fremder Ursprung den Sprachteilhaber nicht
mehr bewusst ist: Frack, Keks, Koks, Schal, Teddybär, Tennis, Filet, Kalender, Schachtel,
Mappe.
Die meisten Neuwörter kommen als Lehngut in die Sprache, direkt in der fremden Form
als Lehnwort oder indirekt als Lehnprägung: vgl. Kalter Krieg < engl. cold war; Pressefreiheit <
engl. freedom of press; Gipfelkonferenz < engl. summit conference; aber auch Freihandel,
Kartell, Streik, Außenseiter oder Wandzeitung.
Entlehnungen als die Übernahme von Wörtern, Wortbestandteilen, oder
Wortbedeutungen aus anderen Sprachen in die eigene Sprache spiegeln historisches
Geschehen, Modeerscheinungen, Kulturwandel, aber auch wissenschaftliche und technische
Entwicklungen wider. Für die Art und den Umfang der Übernahme fremden (englischen)
Wortgutes in die deutsche Sprache können historische, objektive, linguistische, stilistische,
psychologische, soziolinguistische und geografische Ursachen angeführt werden.
Historische Ursachen
Heute sind die Wege der Übernahme vielfältiger geworden. Der direkte Kontakt
zwischen den Sprachträgern z.B. in der Grenzzone und/oder durch die
Besetzung/Besiedlung von Gebieten, durch Krieg oder Handel war früher der Hauptweg
der Übernahme. Fremdes Wortgut wird später durch die Presse, Fachliteratur,
Belletristik vermittelt. Das jahrelange Zusammenleben, aber auch der hohe
Verwandtschaftsgrad zwischen zwei oder mehreren Sprachen führten dazu, dass
Transferenzen aufgenommen werden. Diese haben einen festen Platz im Wortschatz
der Empfängersprache eingenommen, innerhalb deren sie entsprechende Wortfamilien
erweitern. Der große Anteil der englischen Wörter im heutigen deutschen
Lehnwortschatz wird auf die vielfältige politische, wirtschaftliche und kulturelle
Verflechtung der BRD mit den USA nach 1945 zurückgeführt, die zu einem Transfer-
und Absortionsprozess des amerikanischen Englisch geführt haben. Schon um die
Jahrhundertwende lästerte Karl Kraus über Foxtrottel und Freaks14. Darüber hinaus ist
zu beachten, dass der soziokulturelle Hintergrund der Quellsprache als Vorbild
14 Glück/Sauer (1990, 97).
101
fungiert, ihr wirtschaftlicher und politischer Entwicklungsstand, ihr kultureller und
ideologischer Einfluss maßgeblich sein kann. Von diesen Faktoren hängt auch die
Menge des Lehnguts, das aufgenommen wird, ab. Durch die internationale
Zusammenarbeit (im 19. und 20. Jh.) hat sich auch ein international gebräuchliches
Wortgut herausgebildet (Internationalismen).
Objektive Ursachen
Die Übernahme von fremdsprachlichen Elementen ist mit dem Wunsch verbunden,
Kommunikationserfordernissen und -bedürfnissen gerecht zu werden, die in der
Ausgangssprache geprägten Informationen zum Ausdruck zu bringen. Die Übernahme
von Benennungen zur Erfassung der neuen Erscheinungen und Entwicklungen hängt
mit dem Wandel von Wirtschaft und Politik zusammen. Das steigende Interesse für
die Weltgeschichte, -wirtschaft und -kultur aber auch die zahlreichen
Informationsmöglichkeiten (Massenmedien) führen zu einer stetig ansteigenden Anzahl
von Benennungen für Erscheinungen/Gegenstände, die aufgrund vielfältiger
Besonderheiten (politisch, geographisch, wirtschaftlich, kulturell bedingt) nur in
bestimmten Ländern anzutreffen sind. Bezeichnungen landesspezifischer Realien (z.B.
Währungseinheiten), die innerhalb deutscher Sprachgrenzen nicht existieren, aber
international in verschiedenen Sprachen für das gleiche Denotat gebraucht werden,
sind unter dem Begriff Bezeichnungsexotismen bekannt: z.B. Forint, Balalaika, ,
Kreml, Safari, Samowar, Taiga, Geisha, Harakiri, Queen. Die Entwicklung der
Wissenschaften und der Technik erfordert neue Bezeichnungen für Erfindungen,
Geräte, Verbrauchsgüter und Verkehr, bedingt einen ungewöhnlich großen
Benennungsdedarf: Atomreaktor, Einwegflasche, Jet, Kreditkarte, Lokomotive,
Mittelstreckenraketen, Paddelboot, Satellitenfoto, Software, Tiefkühltruhe, Walkie-talkie.
Die wichtigste Ursache, die in der Vergangenheit15 zur Übernahme fremden Wortgutes
führte, war die Entlehnung eines Lexems mit dem entsprechenden Sachverhalt. So
wurde in der Zeit der römischen Besetzung lateinisches Wortgut ganzer Sachbereiche
übernommen: Garten- und Weinbau (Wein, Keller, Rettich), Straßenbau (Straße,
Pflaster), Militärwesen (Pfeil), Handel (Sack). Kulturelle Vorbilder oder Beziehungen
führten auch zu Entlehnungen. Auch die Christianisierung (5. Bis 9.Jh.) brachte
griechisches und lateinisches Wortgut (Messe, Altar, predigen). In der Renaissance war
15 Schippan (1992, 261ff.).
102
das Griechische und das Lateinische die Wissenschaftssprachen. Ein großer Teil des
Benennungsbestandes zahlreicher Wissenschaftsbereiche, der auch internationale
Verbreitung fand, entstammt dem amerikanischen bzw. britischen Englisch. Die
Internationalisierung16, die in verschiedenen Gebieten zu verzeichnen ist, und die
Tatsache, dass in zunehmendem Maße wissenschaftliche Arbeiten in englischer
Sprache verfasst oder ins Englische übersetzt werden, d.h. Englisch als
Wissenschafts- und Publikationsprache sind weitere Gründe für die große Flut der
Entlehnungen. Die Massenmedien können auch die Frequenz der Übernahme
beeinflussen. Zahlreiche Entlehungen hängen auch mit Freizeitgestaltung, Unterhaltung
und Mode zusammen. Begünstigt wurde dieser Vorgang auch durch den
Fremdsprachenunterricht, der darüber hinaus die Möglichkeit für den richtigen
Gebrauch eines Fremdwortes erhöht und durch die Werbung. Die Massenmedien und
die Fachsprachen können als Vermittlungsinstanzen für Entlehnungsprozesse
angeführt werden. Der englische Einfluss auf den Wortschatz der deutschen Sprache
wird im 20. Jh. immer stärker. Der große Zuwachs an fremden Wörtern kennzeichnet
eine Entwicklung, die auch in anderen modernen Sprachen verfolgt werden kann (vgl.
die Bezeichnung Franglais für anglisiertes Französisch) - eine Tendenz, die sogar in
den ehemaligen Ostblockstaaten registriert werden kann. (vgl. Braun 1987, 193). In der
‘Nachwendezeit’ ist eine Anpassung des ostdeutschen Sprachgebrauchs an die neuen
Wirtschafts-, Rechts- und Sozialstrukturen feststellbar bzw. ein Zurückgehen der
Slawismen. Einige Wörter haben sich in das System der Empfängersprache so fest
eingegliedert, sind so selbstverständlich geworden, dass ihr fremder Ursprung den
Sprachteilhaber nicht mehr bewusst ist: Aids, Frack, Jazz, Jeans, Keks, Koks, Schal,
Teddybär, Tennis. In vielen europäischen Sprachen sind gemeinsame Wortbestände,
übernationale Gemeinsamkeiten zu verzeichnen, die als Ergebnis von übernationalen
Prozessen mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Voraussetzungen zu deuten
sind. Diese sprachlichen Gemeinsamkeiten in den Wortschätzen verschiedener
Sprachen wurden mit dem Begriff Internationalismus erfasst (z. B. Diskothek,
Infrastruktur, Kybernetik, optimal). Es darf aber dabei nicht übersehen werden, dass
diese nicht selten noch sprachspezifische Bedeutungen aufweisen.
16 Die Fachwörter des Massensports, des Tourismus und einiger Wissenschaftszweige liefern einen Anteil an Fremdwörtern. Fachsprachen mit stark anglisierter Terminologie sind u.a. Luftfahrt, Datenverarbeitung, Werbefachsprache. Die meisten Neuwörter kommen als Lehngut in die Sprache, direkt in der fremden Form als Lehnwort oder indirekt als Lehnprägung (vgl. Kalter Krieg< engl. cold war; Pressefreiheit< engl. freedom of press; Gipfelkonferenz< engl. summit conference; aber auch Freihandel, Kartell, Streik, Aussenseiter; Wandzeitung).
103
Linguistische Ursachen: Sind Fremdwörter besser als ihr Ruf?17
Für eine ganze Reihe von Begriffen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur,
aber auch im institutionellen und sozialen Bereich besteht ein großer
Benennungsbedarf, man übernimmt sprachliche Importe, wenn in der
Empfängersprache dafür keine Benennungseinheiten existieren18. Ihre Bedeutung
könnte durch Umschreibungen mit deutschen Wörtern nur annähernd wiedergegeben
werden, oft lassen sich bestimmte Fachwörter nicht durch ein einziges Wort ersetzen,
oft müssen sie umständlich umschrieben werden: Aggregat, Agitation, Apotheke, Atlas,
Automat, Elektrizität, Kongress, Medaille, Nation, Pub, Politik, Snobismus, Tablette,
Zirkus, Zynismus, (=lexikalische Transferenz infolge fehlender Äquivalenzen). D. h.
fremdes Wortgut wird mit der Aufgabe übernommen, (1) Leerstellen/Lücken im
Wortschatz der Empfängersprache zu füllen: Brainstorming, fit, Ironie, Sarkasmus.
Darüber hinaus vermögen Fremdwörter einen Sachverhalt (2) knapper und präziser
auszudrücken als ein konkurrierendes deutsches Wort z.B. Playback, Know-How. Die
Vorliebe der Deutschen für amerikanische Wörter ist z.T. (3) Ausdruck des
Zeitgeistes, der Mode, nicht immer handelt es sich um das Synonymbedürfnis der
Sprachträger. Begünstigt wurde diese Vorliebe aber auch durch die große Anzahl
kurzer Wörter, die das Englische, besonders in seiner amerikanischen Ausprägung
bereithält, d. h. aus (4) sprachökonomischen Gründen werden lexikalische
Transferenzen wegen ihrer Knappheit/ Kürze bevorzugt: Argument [Beweisführung],
Diskussion [Meinungsaustausch, Auseinandersetzung](vgl. auch die Einsilber Boss,
Chip, fair, Fax, fit, Gag, Hit, Pop, Rock, Sex, Snob, Spot, Team, Test, Tip, Trend, Trip).
Abkürzungswörter z.B. auch für internationale Organisationen werden unübersetzt
übernommen: WHO, UNICEF, CD, Radar, UNO, NATO, NASA, OPEC, AIDS.
17 In dem Kapitel Sind Fremdwörter innovativ? stellt Schneider (1996) die Vorzüge der Importe – ‘Acht Gründe für die Fremden’ dar (101ff.), aber auch die Nachteile der Übernahmen. Laut Schneider (1996, 103f.) haben Fremdwörter „drei gravierende Nachteile”: Die meisten sind schwerer verständlich als Wörter deutscher Herkunft; Fremdwörter bieten „weniger Anschauung und Gefühl”, in der mündlichen Kommunikation entstehen „häßliche Zwitter” wie Rossbief für roast beef.18 Für beide Anglizismen Manager und Management verzeichnet die Fachliteratur sowohl die englischen als auch die deutschen Bezeichnungen, die Synonym gebraucht werden. Synonymität entsteht auch durch Übersetzung englischer Termini, so z.B. Führung nach dem Ausnahmeprinzip (engl. “management by exception”) oder Führung durch AuFachdienst Germanistik, Sprache und Literatur in der Kritik deutschsprachiger Zeitungenabendelegation (engl. “management by delegation”) usw. Die Tendenz, Fachausdrücke unübersetzt zu übernehmen, steigt; durch die jeweiligen Managementtheorien gelangen englische Bezeichnungen ins Deutsche: lean production (auch als schlanke Produktion bezeichnet) oder Lean-Management.
104
Besonders die einsilbigen Wörter scheinen anziehungskräftig zu sein. Die englischen
Wörter sind meist kürzer als die entsprechenden deutschen. Oft tritt eine
Bedeutungsdifferenzierung hinzu, dadurch dass das entlehnte Wort z.B. eine
speziellere Bedeutung enthält als das deutsche Pendant: Drink ,(alkoholisches, bes.
Mix-)Getränk‘, Hit, (bes. erfolgreicher) Schlager‘, Job ‘(meist vorübergehende) Arbeit’,
Gag ,(witziger, effektvoller) Einfall‘ (u.a. in Filmen), Meeting ,(politische,
wissenschaftliche oder sportliche) Zusammenkunft‘. Manche Fremdwörter sind (5)
populärer und verständlicher (!!!) als ihr deutsches Gegenstück: Adresse [Anschrift],
Baby [Säugling], Foto [Lichtbild], Fotokopie [Ablichtung], Telefonzelle [öffentlicher
Münzfernsprecher], Walkie-Talkie [kleines, tragbares Funksprechgerät], Base, Job,
Team, Walkman. Nicht selten trat aber auch das deutsche Wort neben das fremde und
(6) bereicherte das entsprechende Wortfeld inhaltlich oder stilistisch. Fest zum
deutschen Wortschatz gehören Bildungen wie Ausflug (Exkursion), Bücherei
(Bibliothek), Empörkömmling (Parvenu), Fernsprecher (Telefon), fortschrittlich
(progressiv), Weltall (Universum), während andere wie Meuchelpuffer für “Pistole”,
Dörrleiche für “Mumie”, Lusthöhle für “Grotte” oder Lotterbett für “Sofa” lediglich als
sprachgeschichtliche Kuriositäten erhalten geblieben sind. Fremdwörter erleichtern die
(7) Ableitung anderer Wörter: Telefon [Fernsprecher] - telefonisch [nicht:
fernsprecherisch]; Musik [Tonkunst] - Musiker, Musikant, musizieren, Musikalität.
Manche Fremdwörter verfügen über mehrere (8) Bedeutungsvarianten von denen
eine ohne deutsche Ensprechung im Gebrauch ist: demonstrieren hat deutsche
Äquivalente in ‘zeigen’,‘vormachen’, ‘beweisen’, ‘erklären’; ohne solche in der
Bedeutung ‘an einer Demonstration teilnehmen’. Andererseits kann ein Fremdwort nur
in einer lexikalisch-semantischen Variante übernommen werden. Von engl. spleen
wurde nur die Variante ‘üble Laune’, ‘Ärger’ beibehalten, die sich zu ‘seltsamer Einfall’
entwickelt, nicht aber auch die englische Bedeutungsvariante ,Milz’. Eine (9)
Bedeutungserweiterung erfuhren Background (1. ’Hintergrund’; 2. ’Hintergrund bei
Filmaufnahmen’; 3. ’musikalische Untermalung: Hintergrundmusik, Begleitmusik für
Sänger’) und Jeans/Bluejeans (ursprünglich ’Arbeitshose amerikanischer
Landarbeiter’/’italienischer Hafenarbeiter’ in den USA, später ’Freizeithose’, dann als
Bezeichnung für Artikel verwendet, die aus diesem Stoff gefertigt wurden: Jeans-Kleid, -
tasche, -rock usw.)19. Die fachsprachliche Bedeutung eines Begriffs erfährt im
19 Schippan (1992, 279 ff.).
105
öffentlichen Sprachgebrauch oft eine Erweiterung20. Manager wird in der Fachliteratur
als „Träger der betrieblichen Führungsentscheidungen” definiert, im allgemeinen
Sprachgebrauch aber findet man Ausdrücke wie Partei-, Spitzen-, Top-,
Wahlkampfmanager u.a.m. Im Computerbereich erscheint unter dem Einfluss des
amerikanischen Englisch die Bezeichnung Programmanager. Andererseits ist eine
Tendenz feststellbar, die Bedeutung von Manager und Manangement zu
verallgemeinern. Hier können Komposita wie Koalitions-, Friedens-, Ideen-, Konflikt
oder Krisenmanagement angeführt werden, die darauf hinweisen, dass sich der
Gebrauch dieser Anglizismen auch auf andere Bereiche ausdehnt. Wenn die
Beziehungen einer Sprachgemeinschaft zu einer anderen sehr stark sind, werden sogar
für solche Denotate Entlehnungen bezogen, für die das entlehnende Volk eigene
Bezeichnungen besitzt oder aus dem eigenen Wortmaterial leicht schaffen könnte. So
wurden im 17. und 18. Jh. Verwandtschaftsbezeichnungen aus dem Französischen
übernommen, obwohl entsprechende deutsche Bezeichnungen zur Verfügung standen.
Diese Parallelformen dienen dazu, (10) Bedeutungsnuancen zu betonen (vgl. die
Ausdruckspaare: Mut/Courage; Tapferkeit/Bravour; Unglück/Malheur). Zu den
überflüssig-eingeschmuggelten Anglizismen zählen u.a.: Jogging/Dauerlauf,
Pipeline/Rohrleitung, Swimmingpool/Schwimmbecken.
Stilistische Ursachen
Im Folgenden werden die vielfältigen Möglichkeiten stilistischer Nutzung kurz
dargestellt. Wörter können aus sehr vielfältigen, “auch recht versteckten und dabei sehr
interessanten Motiven” entlehnt werden. (Donalies 1992,103)21 Als Sprachträger
profitieren wir von dem Sprachkontakt, der Ausdrucksvarianten und
Bedeutungsnuancierungen liefert und somit stilistische Feinnuancierungen erlaubt.
Aus diesem Blickwinkel muss man die entlehnten Wörter betrachten, denen gemeinsam
ist, dass sie mit synonymen, heimischen Wörtern konkurrieren. Darüber hinaus ist die
Erkenntnis wichtig, dass sich im Laufe der Zeit semantische Transferenzen
durchgesetzt haben, und zwar dort, wo übernommenes und heimisches Wortgut
nebeneinander standen. Das synonymische Nebeneinander von Fremdwort und
heimischem Wort hat zur Bereicherung und Differenzierung sprachlicher
20 Kovtun (1996, 347 f.).21 Siehe E. Donalies (1992, 97-110).
106
Ausdrucksmöglichkeiten geführt. Dabei werden treffendere Ausdrucksweise (11),
Ausdrucksvariation/Wirkungsstärke (12), Präzision (13) und “schwungvoller
Wohlklang”22 (14) angestrebt. Vgl. die Paare: Phantasie –
Einbildungskraft/Vorstellungskraft/Erfindungsgabe, Hotel – Gasthaus, Passion –
Leidenschaft, Disziplin – Zucht, Exemplar – Stück.). Gelegentlich werden Fremdwort
und heimisches Synonym mit differenzierender Absicht nebeneinandergestellt. (vgl.
Beispiele bei Fleischer/Michael 1975, 108 f.). Im Gegensatz zu ihren deutschen
Entsprechungen können durch Fremdwörter Bedeutungsdifferenzierungen (15)
suggeriert werden, d.h. Fremdwörter können sich semantisch und stilistisch von ihren
deutschen Äquivalenten abheben und somit eine zusätzliche Verfeinerung des
Ausdrucks bedingen, jeweils Merkmale des Denotats hervorgehoben (vgl. die Paare
Fragment – Bruchstück; Station – Haltestelle; Team – Kollektiv; Autor - Verfasser).
Fremdwörter und heimische Wörter tragen zur synonymischen
Bedeutungsdifferenzierung bei. Dass das Fremdwort und seine deutsche Entsprechung
unterschiedliche Bedeutungen haben können, sich folglich im Bedeutungsumfang (16)
unterscheiden können, zeigt folgendes Beispiel23: Originell beispielsweise bezeichnet im
Zusammenhang mit Idee “schöpferisch”, aber z.B. auch “lustig” (“lustiger/origineller
Einfall”). Besteht ein starker Unterschied zwischen der deutschen Entsprechung und
dem fremden Element, so wird der Bedeutungsumfang des übernommenen Lexems
größer ausfallen im Vergleich zu seinem deutschen Pendant: z.B. Artikel [=Ware; =
käuflicher Gegenstand; =Abhandlung; =Aufsatz; =selbständiger (bezifferter) Abschnitt
innerhalb eines fortlaufendes Text; =Geschlechtswort ](vgl. auch: Figur, Magazin,
Organ, Original, Toast). (17) Textfärbung. Entlehnungen den eingebürgerten
“Konkurrenten” vorzuziehen, liegt in dem Wunsch, Varietät und Präzision zum Ausdruck
zu bringen, aber auch in der Absicht Lokalkolorit zu erzeugen. Hier soll eine “ganz
bestimmte lokalspezifische Atmosphäre imaginiert, die andere, die fremde objektive
Wirklichkeit auch mit anderen, fremden sprachlichen Zeichen dargestellt werden.”
(Donalies 1992, 103) So wird in den Berichten über New York oft die berühmten Skyline
erwähnt. Dies ist auch ein wichtiger Grund für die Verwendung sogenannter
Bezeichnungsexotismen. Wie auch ihr Name besagt, wirken sie ‘exotisch’24. Das
amerikaspezifische Lebensgefühl soll der Leser mit dem entlehnten Wort assozieren. 22 Schneider (1996, 101).23 Schippan (1992, 267).24 Vgl. das aus dem Amerikanischen kopierte Wohnen in einem Loft, einer komfortabel ausgebauten, riesigen Dachgeschosswohnung, zu dem auch ein spezieller, kühl und karg möblierender Wohnstil gehört. (Donalies 1992, 104 f.)
107
Als Amerikaspezifikum nennt Donalies (1992, 105) auch das Adjektiv tough (von engl.
tough), das mit ‘zäh im Verhandeln, psychisch und physisch stark, hart im Nehmen,
hartgesotten’ nicht exakt übersetzt ist. Als Bezeichnungsexotismen können auch
Ausdrücke aus den verschiedensten Lebensbereichen (wie Sport, Freizeit, Ausbildung,
Wohnen, Mode, Küche, Kultur) erscheinen. Es handelt sich hier oft auch um
“Eintagsfliegen”, aber nicht, weil die entlehnten Bezeichnungen “nicht taugten, sondern
weil mit den ephemeren Signifikaten auch die Signifikanten verschwinden”, bemerkt
Donalies (1992, 105f.) und führt hierzu an25: Dynamic-Stretch (als Bezeichnung für ein
behutsames Fitnesstraining geht es nicht um irgendeine Art der Körperertüchtigung,
sondern um eine ganz bestimmte mit ganz bestimmten festgelegten Übungen, zu einem
ganz bestimmten Zweck, auf ein ganz bestimmtes Ziel ausgerichtet); Cocooning (als
Bezeichnung für einen Kleidungsstil geht es hier nicht um irgendeine Art verhüllenden
Einkleidens, sondern um eine mit ganz bestimmten Materialien, einem ganz bestimmten
Stil usw.); Hip-Hop (Popmusikrichtung). Hinter Bezeichnungsexotismen steckt immer
auch eine spezifische Mentalität, die eben nur dieses mitimportierte Wort wirklich
beinhaltet. Es gibt auch eine Gruppe von Entlehnungen, die ein Fachkolorit erzeugen
sollen (Berufsjargonismen): z.B. Jetlag als Bezeichnung für ‘Störungen, wie Mattigkeit,
Schlaflosigkeit u. ä., die bei Flugpassagieren besonders nach langer Flugstrecke
auftreten’. Zahlreiche Fremdwörter werden im Sprachgebrauch aufgrund ihrer
Attraktivität/Werbewirksamkeit (18) (Anbiederung) eingesetzt, weil sie in spezifischen
Kontexten ein exotisches/fremdländisches Kolorit zum Ausdruck bringen können wie bei
folgenden Exotismen: Datscha, Geisha, Basar, Tomahawk, Troika. Da manche
Fremdwörter vieldeutig sind, wird bei ihrem Gebrauch diese Eigenschaft bewusst
ausgenutzt: z.B. perfekt [=vollendet; =vollkommen; =fehlerfrei; =vorbildlich;
=vortrefflich], problematisch [=schwierig; =ungewiss; =fragwürdig; =gewagt;
=zweifelhaft], Interesse [=Anteil; =Aufmerksamkeit; =Reiz; =Neigung; = Vorteil], Look
[=Blick; =Ausdruck; =Aussehen; =Stil], Aktivität [=Aktionen; =Handlungen; =Taten;
=Tätigkeiten; =Leistungen; =Arbeit; =Geschäft; =Unternehmungsgeist; =Fleiss].
“Umfassende Fremdwörter” (K. Heller), d.h. Fremdwörter, die durch einen weiten
Bedeutungsumfang gekennzeichnet sind, können in vielen Kommunikationssituationen
eine Erleichterung darstellen, da sie bequemen, denkträgen Sprechern/Schreibern
entgegenkommen, ihnen das Ringen um den engeren, treffenderen Ausdruck ersparen
25In diesem Sinne möchte Donalies den Begriff „Bezeichnungsexotismus” u. U. als eine Art Terminus verstanden wissen.
108
(Interesse, interessant). Sie führen zur Bereicherung des Wortbestandes der
Aufnahmesprache: In ihrer Unbestimmtheit bzw. Vieldeutigkeit (19) liegen ihre
besonderen stilistischen Möglichkeiten. Man kann durch ihren Gebrauch verschiedene
Nuancen ausdrücken, wobei das deutsche Wort oft eine genauere Festlegung aufweist
(vgl auch problematisch/’schwierig’, ‘ungewiss’, ‘zweifelhaft’, raffiniert). In der Politik
werden Sprachimporte wegen ihres vagen semantischen Inhalts bevorzugt. So hat
Korruption eine weniger negative Bedeutung als das äquivalente Wort Bestechung.
Diese Vagheit wird bei ihrem Einsatz in der Kommunikation auch bewusst angesteuert,
deshalb ist das Fremdwort auch bequemer: originell hat mehrere deutsche Ersatzwörter
(originelle Ideen sind schöpferische Ideen, ein origineller Einfall ist ein lustiger Einfall).
Die Variabilität ihres Bedeutungsumfanges (vgl. z.B. auch original, frisieren vs.
kämmen, Bombe vs. Sprengkörper), die Bedeutungsdifferenzierungen im Gegensatz
zu der deutschen Entsprechung (Fragment vs. Bruchstück), und die neuen
Bedeutungsnuancen (siehe Profit/Gewinn, Gentleman/Herr, irritiert/gereizt,
Grazie/Anmut), die sie transponieren, verdeutlichen, dass das Fremde die Sprache
durch “starke Farben” und “ungewohnte Rhythmen” (20) (Schneider 1996,101)
anreichert: elegant, guttural, Majestät. (vgl. alle Wörter auf -al, -ant, - ät, -enz, -ion, -
thek). Fremdwörter können zum Ausdruck verschiedener Gefühls- und Stilwerte (21)
eingesetzt werden, werden häufig als emotional ausdrucksstärker empfunden (attraktiv
– anziehend; sensibel – empfindsam), sie bieten die Möglichkeit zur
Expressivitätssteigerung (22). Eine große Anzahl der Sprachimporte haben eine
usuelle abwertende Stilfärbung: Gazette, Komplice, Visage, Denunziant, Spekulant.
Andere gehören der gehobenen Stilschicht an, dienen der Hervorhebung und
verleihen dem bezeichneten Sachverhalt eine feierliche Note: Auditorium, Gratulation,
Salon, soupieren. Der Fremdwortgebrauch kann aber auch mit politischer Absicht
(23)gepflegt werden, z.B. in der Ex-DDR um Verhältnisse im Westen zu bezeichnen.
Dabei sollten vor allem negative Begleitvorstellungen erweckt werden26:
Gewerkschaftsbosse, High Society, Luftgangster, Vietnam-Killer. Im Gegensatz dazu
stehen Ausdrücke, mit deren Verwendung eine Hervorhebung und Aufwertung
angestrebt wird [Bukett (statt Strauss), aber auch Diner, Gigant, Salon] oder eine
erhöhte Aussagekraft wie im Falle von Phantasie (=Einbildungskraft, Vorstellungskraft,
erfinderische Gabe). Der Gebrauch von Fremdwörtern ist dann fragwürdig, wenn er
26 vgl. Stedje (1989, 171).
109
Manipulationszwecken dient (in der Politik und in der Werbung), der Überredung oder
als intellektueller Schmuck, zur Imagepflege, aus Prahlerei, Snobismus,
Imponiergehabe heraus. Darüber hinaus können die aus nichtheimischen
Sprachmaterial gebildeten lexikalischen Einheiten auch dazu dienen, eine
unangenehme Tatsache weniger hart zu bezeichnen, zu beschönigen, Sachverhalte
verhüllend darzustellen. Das Fremdwort ist aufgrund seiner oft erwähnten und auch
kritisierten undurchsichtigen Benennung gut als Euphemismus (24)
geeignet/vorgezogen: z.B. genieren [statt sich zieren, sich schämen], Diskretion [statt
Schonung, Verschwiegenheit, Rücksichtnahme], Ressentiment(s) [statt Neid,
Vergeltung, Rachegefühl, heimlicher Groll, Abneigung], transpirieren [statt schwitzen],
Basement [statt Kellergeschoss], Callgirl [statt Prostituierte]. Das deutsche Paar wirkt in
den hier aufgezeigten Fälen oft zu direkt, das fremde Wort ist nicht selten ‘behutsamer’,
Sensibel und Sensibilität können für überempfindlich, leicht zu beleidigen stehen. Für
Entlassungen sind schon immer Euphemismen verwendet worden (Freisetzung oder
Freistellung); für den Stellenabbau sind die neuen Bezeichnungen Betriebsoptimierung
oder Verschlankung der Produktion geschaffen worden. Von Sozialleichen im
Zusammenhang mit verstorbenen Obdachlosen, die von Verkehrsunfallforschern bei
Crashtests als Ersatz für Puppen (die englische Bezeichnung dafür ist Dummy)
eingesetzt werden, zu sprechen, ist ebenso geschmacklos und unangemessen wie von
postmortalen Test- oder Versuchsobjekten. Das Unternehmungskonzept lean
production als euphemistische Umschreibung von betriebswirtschaftlichen Vorteilen, bei
denen die negativen sozialen Folgen, insbesondere die Vernichtung von Arbeitsplätzen
und Massenentlassungen verdeckt bleiben, erscheint im Deutschen nicht als “magere
Produktion”, sondern als schlanke Produktion. Abschließend sei nochmals darauf
hingewiesen, dass ein Fremdwort besondere stilistische (Portier/Pförtner) und
inhaltliche (Exkursion/Ausflug; fair/anständig; simpel/einfach) Nuancen (25) enthalten
kann, die es von einem entsprechenden oder inhaltlich ähnlichem deutschen Wort
unterscheiden. Es kann unerwünschte Assoziationen (26) oder nicht zutreffende
Vorstellungen (27) ausschliessen (Passiv statt Leideform; Substantiv statt Hauptwort).
Heimische Begriffe können unerwünschte Assoziationen hervorrufen, wie im Falle von
Führer statt Manager (durch den Nationalsozialismus negativ belegtes Wort) oder auch
in der ehemaligen DDR, wo Anlizismen allgemein verpönt waren, negativ konnotiert,
deuteten sie doch auf westliche Verhältnisse hin. Man bevorzugte deshalb Leiter und
Leitungstätigkeit. Bei der Bildung von Terminologien haben Fremdwörter gegenüber
110
den deutschen Wörtern den Vorteil der konnotativen Nichtbelastung, der
Eindeutigkeit (28). Das Fremdwort kann verhüllend (Fäkalien, koitieren) aber auch
abwertend (Visage vs. Gesicht) gebraucht werden. Es gibt eine ganze Reihe von
Fremdwörtern im Deutschen, die sich eingebürgert haben, weil sie sich nicht
übersetzen (29) lassen. Einen anderen Grund der Übernahme ist darin zu sehen, dass
im Gegensatz zu den deutschen Wörtern, sprachliche Importe von den
Sprachbenutzern als neutral (30) empfunden werden. Als Mittel stilistischer
Differenzierung markieren Fremdwörter affektive Wertungen (31) und dienen darüber
hinaus der Vermeidung von Wiederholungen (32) (es gibt, ist vorhanden, es existiert).
Daraus ist zu schliessen, dass das Fremdwort in der deutschen Sprache wichtige
Funktionen zu erfüllen hat.
Psychologische Ursachen
Bei der Übernahme nichtheimischer Spracheinheiten kann die „Effekthascherei“ (33)
(Heller 1982, 212) und das Prestige einer Sprachgemeinschaft, aber auch die
Aufnahmebereitschaft (Sprachloyalität) (34) der Sprachträger ausschlaggebend sein.
Das Imponiergehabe (35) (Vornehmtun auch mancher Experten) und die
Bequemlichkeit (36) tragen ebenfalls dazu bei, ‘Fremdes’ in das heimische System zu
integrieren. Hier liegen auch oft die Ursachen für fehlerhaften Fremdwortgebrauch. Die
Sprachteilhaber greifen des weiteren zu fremdsprachlichen Elementen, um Originalität
(37), Modernität (38) und Werbewirksamkeit (39), “Bildungsprotzerei”27 und
Expertenwissen (40) zu signalisieren. Das Substantiv Stillife steht neben dem
einheimischen, eingebürgerten Stilleben. Wozu diese Neuentlehnung? Weil – und das
wird den englisch-amerikanischen Neuentlehnungen oft vorgeworfen – “das fremde
Wort als vornehmer, als ‘schicker’ empfunden wird, weil ‘sein Prestigewert höher ist’”
(Donalies 1992, 103) Vor allem im PC-Jargon oder im Argot deutscher
Lufttransporteure erscheinen zahlreiche Ausdrücke fremder Herkunft (check-in, counter,
bagage security check, customs and passport control, boarding card, gate, on board, no
smoking area, tax free, duty free shop, seat, travelen (vgl. das „Service-Paket” der
Lufthansa). Als Beispiel dafür kann die oben angeführte Aussage des
Luftwaffenoffiziers angeführt werden, der 1963 von der ’Newsweek’ zitiert wurde28. Nicht
27 Leonhardt (1987, 45).28 Bausinger (1972, 101).
111
nur Institutionen wie Post, Bahn oder Lufthansa, sondern auch Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens wird Anglizismen-Missbrauch vorgeworfen. Viele Menschen
versprächen sich durch den Gebrauch von Fremdwörtern einen Prestigegewinn (41).
Eine anderen Standpunkt vertritt E. Donalies (1992). Mittels sozialer Jargonismen (d.h.
gruppensprachlicher Anglizismen) kann Sozialkolorit (42)(Donalies 1992, 106)
erzeugt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang z.B. von “Intellektuellenjargon”.
Den Sprechern, die diesen Jargon benutzen, “elitäres Gebaren vorzuwerfen”, hält
Donalies für verfehlt. Es geht hier lediglich um “tendenziöse Begriffe, die eine negative
Einstellung bekunden und hervorrufen sollen“. Der durch zahlreiche Anglizismen
gekennzeichnete Sonderwortschatz bestimmter Gruppen soll “nicht nur als Zeichen von
Bildungs- und Wirtschaftsprivilegien verstanden werden”, der Sprecher greift “in einem
bestimmten sozialen Kontext” häufig zu Anglizismen, “um seiner Gruppenzugehörigkeit
Ausdruck zu verleihen” (Pfitzner 1978, zit. nach Donalies, ebd., 106). Sondersprachlich
sind z.B. Fashion-Victim, Hopping, Smash-Hit. Vor allem greifen Jugendliche zu einem
gruppenspezifischen Inventar. „Der Workshop hat einen Snob Appeal” - schreibt
Schneider (1996, 106)- und das soll heissen, dass Fremdwörter Imagearbeit (43)
leisten. Hier muss aber auch eingewendet werden, dass viele Fremdwörter sich gut zur
Verschleierung eignen, sie Tarnfunktionen (44) übernehmen können. Laut Ruth
Römer sei in den letzten Jahren der Anteil von Fremdwörtern in der deutschen Sprache
nur leicht gestiegen. Sie führt als wichtigste Gründe für diesen Anstieg die bessere
Beherrschung von Fremdsprachen sowie den heutigen Sprachgebrauch in den
Medien29an. Zur Verbreitung der Anglizismen trug die Werbung wesentlich bei. Manche
von ihnen haben deutsche Wortbildungs- und Flexionsmorpheme angenommen:
designen, joggen, leasen, rappend, recyclen, relaxen. Sehr oft erscheinen
Mischkomposita: Action-Film, Aerobicsocken, Brot-Shop, Country-Musik, Fitnesspfad,
Frischebox, Gartencenter, Jet-Flug, Sparleasing, Wickeltisch-Service sind oft
anzutreffen. Nicht nur bei Produktbezeichnungen, sondern auch bei
Berufsbezeichnungen werden Fremdwörter eingesetzt. Sei es aus
werbepsychologischen Gründen (45), sei es um die den betreffenden Beruf
Ausübenden oder das Produkt sozial aufzuwerten (46).
Geografische und soziolinguistische Ursachen
29 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 12/1996, S.8.
112
Die nachbarschaftliche Situierung zweier Kommunikationsgemeinschaften kann die
Übernahme fremdsprachlicher Wörter entscheidend bedingen. Hier ist zu erwähnen,
dass der deutsche Sprachraum eine geographisch günstige Lage mit sprachlichen
Kontaktgrenzen von einer Länge von 4850 km und eine Nachbarschaft zu 14 anderen
Sprachen hat. Kontaktgrenzen und Nachbarschaften bieten die Möglichkeit der
Einflussnahme und des Beeinflusswerdens. Der Status der Quellsprache, die
vielfältigen zwischenmenschlichen Beziehungen und die Zweisprachigkeit
vermögen das Wesen des Sprachkontaktes mitzubestimmen. Die Art der Verarbeitung
des Lehnguts hängt mit dem Zeitpunkt und den Umständen der Übernahme zusammen.
Nicht zuletzt muss die Existenz der Fremdwörter in den einzelnen Sprachen darauf
zurückgeführt werden, dass sich Sprachen unter bestimmten soziokulturellen und
politischen Bedingungen gegenseitig beeinflussen.
Fazit
Jede Sprache ist, auch wenn man sie synchron betrachtet, ein Ergebnis von Geschichte und
sie umfaβt Bestandteile sehr verschiedener Herkunft und vor allem sehr verschiedenen Alters.
Es werden Wörter – aus vielen und unterschiedlichen Gründen – aus anderen Sprachen
entlehnt. Sie passen sich der Empfängersprache Deutsch an oder können ihre Fremdheit
beibehalten, so dass ihre fremdartige Herkunft sichtbar bleibt.30 Einige Wörter haben sich in
das System der Empfängersprache so fest eingegliedert, dass ihr fremder Ursprung der
Sprachteilhaber nicht mehr bewusst ist: Comics, Teddybär, Jazz, Jeans, PC, Aids, Keks,
Koks, Schal, Frack, Tennis, Radar, Quiz, Puzzle, Hit, CD, Make-up, Lotion, Shampoo, fair, fit.
Angloamerikanisches Wortgut in der deutschen Sprache der Gegenwart: nicht allein die
Fülle, sondern die Vielfalt der Aufnahmewege machen diese Erscheinung für die
Sprachwissenschaft und – pflege interessant. Bei der Verbreitung der Fremd- bzw. Lehnwörter
spielen die Medien als Informationsträger eine wichtige Rolle. Die Massenmedien übernehmen
zahlreiche Fremdwörter um z.B. Erscheinungen aus der ganzen Welt zu bezeichnen:
Dumping, Inflation, Business, Lobby, Konzernboss, Boom, US-Air-force, US-Administration,
Pentagon, Pershing, Overkill, Space-shuttle, Know-how. Anglizismen haben ähnliche Vorzüge
und ähnliche Nachteile wie andere Fremdwörter auch: Viele sind sehr praktisch, so Job oder
Team, andere sind kaum entbehrlich z.B. Brainstorming. Viele “weniger anschaulich” als das
30 Schippan (1992, 240 ff.).
113
deutsche Gegenstück, soweit dieses vorhanden ist, andere verleiten zu einer falschen
Aussprache (“Zwitter-Aussprache”)(Schneider 1996, 113). Schneider (S. 106 und 108 ff.)
präsentiert die Wege der Übernahme und zeigt dabei, dass nicht nur nützliche Wörter
eingeführt werden, sondern auch „fremdländischer Unsinn”, und nicht nur die Deutschtümelei
lässt sich übertreiben, sondern auch die „Lust am welschen Wort”.
Ursachen für die Übernahme von Wörtern im Überblick
Bezeichnungslücken in Wirtschaft, Wissenschaft und Computer (Übernahme der
Denotate, mit den Sachen wurden die Wörter dafür übernommen: Pfeil, Wein, Mauer
politische, kulturelle Einflüsse anderer Völker (Schule, Universität, Doktor)
gruppen- und schichtenspezifische Übernahmen aus den Bereichen Mode, Kunst,
Sport, Computerwesen
wirtschaftliche und politische Beziehungen und die Dominanz verschiedener Staaten
(USA)
die sprachliche Internationalisierung und die soziale Geltung (Mehrwert)fremder
Ausdrücke
die Printmedien, elektronischen Medien (Film, Funk, Fernsehen, Internet), das
Informationswesen, der Verkehr, die Wirtschaft, die Werbung
der intensive Sprachkontakt, die weitverbreitete Zweisprachigkeit
4. Entlehnungen aus verschiedenen Einzelsprachen
I. Romanische Transferenzen in der deutschen Sprache
Die nachstehenden Ausführungen sollen darlegen, zu welchen Zeiten, welche Bereiche des
deutschen Sprachsystems romanische Einflüsse erfahren haben. Die Darstellung der
romanischen Transferenzen im Deutschen soll im Folgenden skizzenhaft aufgezeigt werden
und bleibt auf die lexikalischen Transferenzen beschränkt.
französisch-deutsche Transferenzen. Wesentlich für die Entlehnungen aus dieser
Sprache sind neben den aussersprachlichen Faktoren die enge Sprachverwandtschaft zu
Latein und die Zugehörigkeit zur ide. Sprachfamilie. Die Übernahmen aus dem
Französischen lassen sich beginnend mit dem 12. bis zum 14. Jh. aufzeigen, dann von
114
der 2. Hälfte des 17. bis zum 19. Jh. Dazwischen liegt die Zeit des Humanismus mit ihren
vorwiegend lateinischen (bzw. griechisch-lateinischen) Transferenzen. Die früheste
Schicht französischer Lehnwörter steht im Zusammenhang mit dem Rittertum und der
höfischen Kultur. Die Fachausdrücke (Bezeichnungen für Kampfspiele, für Teile der
Rüstung) sind mit dem Untergang des Rittertums aus der Sprache verschwunden. Andere
haben sich mit verallgemeinerter / veränderter Bedeutung erhalten: Abenteuer, Turnir,
Palast, fein. Frankreich war zeitweise führend im Finanzwesen, in der Mode, in der
Gastronomie und in verschiedenen Wissenschaftszweigen. Manches wurde stärker
assimiliert (Frisör, Schofför), anderes veraltete (Billett, Kondukteur, Postillon), einiges
wurde neu benannt (Trottoir, Portemonnaie, Portefeuille), erhalten haben sich:
Mannequin, Medaille. Viele Wörter erhielten neue Bedeutungen (Chauvinismus, Boutique,
Rendezvous, Ressourse, Vernissage): Kader < frz. cadre, urspr. ,Stamm von
Berufsoldaten und Offizieren’; mit der Bedeutungsentlehnung aus dem Russischen kam
hinzu: ’planmässig herangebildeter Stamm von Nachwuchskräften, Fachleuten oder von
Personen mit wichtigen Funktionen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens (z.B.
in Partei, Staat und Wirtschaft)’; Boulevard < niederl.-frz., urspr. ’Bollwerk’, dann ’breite,
gepflegte Straße, oft Ringstraße, häufig auf abgetragenen Festungswerken’; seit der Mitte
der 70er Jahre (wahrscheinlich auch unter dem Einfluss des Russischen):
’Fußgängerzone aus der jeglicher Fahrverkehr entfernt wurde, ausgestattet mit Bänken
und Grünpflanzengruppen, meist Hauptgeschäftsstraßen der Stadtzentren’. Aus folgenden
Bereichen wurden die meisten französischen Wörter übernommen: a) Wohnung: Möbel,
Garderobe; b) Speisen: Boulette / Bulette, Bouillon, tranchieren; c) Körperpflege: Puder,
frisieren; d) Kleidung: Mode, Weste, Taille; e) Kunst: Profil, Portrait, Gobelin, gravieren; f)
Bezeichnungen aus dem Eisenbahnwesen: Perron, Coupé, Retourbillet, Kondukteur
italienisch-deutsche Transferenzen. Der Einfluss des Italienischen auf die deutsche
Sprache beschränkt sich auf den Bereich des Wortschatzes und tritt in Form von
Lehnwörtern, Lehnübersetzungen, Lehnbedeutungen auf. In geografischer Hinsicht muss
entschieden werden zwischen Transferenzen, die das gesamte deutsche Sprachgebiet
betreffen und solchen regionaler Verbreitung in den südlichen Teilen des deutschen
Sprachgebiets. Im folgenden werden nur die ersteren präsentiert. Ein Teil der Italienismen
erscheinen mit vokalischer Endung (-o, -a, -e). Die Lehnwörter stammen aus folgenden
Sachbereichen: a) Handel: Risiko, Firma, Bankrott, Bilanz; b) Geldwesen: brutto, netto,
Porto, Girro; c) Musik: Tempo, Solo, Oper, Konzert, Sopran; d) musikalische
115
Vortragsbezeichnungen: moderato, adagio, andante, presto, vivace, staccato, piano,
allegro, crescendo; e) gastronomische Einrichtungen: ristorante, trattoria, taverna,
cafeteria; f) Essen und Trinken: prosciutto di Parma, tortellini alla campagna, ravioli,
saltimbocca alla romana, frutti di stagione, capuccino, espresso con grappa, Broccoli,
Lasagne, Pizza; g) Spiel und Sport: Boccia, Libero.
spanisch-deutsche Transferenzen. Es sind nicht zahlreiche Entlehnungen aus dem
Spanischen in der deutschen Sprache vorhanden, vor allem handelt es sich nur um
Bezeichnungen für Tänze (z.B. Quadrille, Bolero, Tango, Rumba) oder Bezeichnungen
aus verschiedenen anderen Sachgebieten: Infant, Siesta, Embargo, Liga, Moskito, Silo,
Zigarre.
116
II. Slawische Transferenzen in der deutschen Sprache
Folgende Übersicht konzentriert sich auf auffällige Erscheinungen, die durch den Kontakt mit
slawischen Sprachen in der deutschen Sprache vorzufinden sind. Die Betrachtungen
orientieren sich ausschliesslich an den lexikalischen Slawismen, d.h. im Zentrum stehen die
slawischen Integrate der deutschen Lexik, die vor allem aus der Politik und Wirtschaft
stammen und auf „sowjetische Erfahrungen” zurückgreifen. Z.B. Agronom, Wandzeitung,
Meisterbauer fanden Eingang in die deutsche Sprache zwischen 1945-1950, Kombine,
Produktion, Propaganda zwischen 1951-1958, Arbeiterforscher, Materialfonds zwischen
1959-1962, Arbeiter- und Bauern-Inspektion, materielle Interessiertheit zwischen 1939-1968.
Lehnguteinheiten in der deutschen Sprache haben insbesondere im Sprachgebrauch der Ex-
DDR (Speziallexik/ideologisches Sondervokabular) Eingang gefunden (lexikalisch-
semantische Integrate: vor allem Substantive und Verben). Die lexikalischen Integrate
umfassen vor allem Lehnwörter (Wodka) und Lehnübersetzungen (Fünfjahresplan,
Kollektivwirtschaft), Lehnbedeutungen (Aktivist: ’anerkannter Neuerer einer Arbeitsbrigade’;
Pionier: ’Mitglied der sozialistischen Kinderorganisation’). Hier sind folgende Kategorien von
Slawismen zu verzeichnen: a) ehemalige Termini der Rechtssprache: Grenze, Robot; b)
handelssprachliche Begriffe: Nerz, Zobel; c) ideologisch gesellschaftpolitischer Wortschatz
(vor allem nach 1917 und 1945, typisch für den öffentlichen Sprachgebrauch in der Ex-DDR):
Agitation, Agronom, Aktivist, Brigadier, Kader, Kollektiv, Kombinat, Kursant, Lektor, Lager,
Mechanisator, Norm, Organ, Parade, Plattform, Pionier, Traktorist, Rekonstruktion. Diese
Integrate sind zunächst überwiegend Elemente einer ideologischen Fachsprache. Es sind vor
allem Elemente, die werten, Signale, die zu dem eigenen oder dem kapitalistischen ’Lager’
angehörten und einen zentralen Bereich der DDR-Lexik ausmachen, weil sie nicht nur auf die
sowjetische Wirklichkeit, sondern auch auf die in der DDR bezogen wurden; d) eine
Sonderkategorie von Lexikoneinheiten (Exotismen) wird als Lehngut in ausschließlich
russischen Bezügen betrachtet: Kopeke, Wodka, Kremel, Taiga, Samowar, Balalaika, Bojar
und weitere Ex-UdSSR-spezifische Sowjetismen; e) volkssprachlich verwendete Integrate (als
konnotierte Lexeme, die in der Ausgangssprache konnotationsfrei waren): dalli, Halunke.
III. Germanische Transferenzen in der deutschen Sprache
117
englisch-deutsche Transferenzen. Im Folgenden sollen die Sprachkontakte zwischen
der Standardsprache und den germanischen Sprachen vorwiegend am Beispiel
englischer Transferenzen und ihrer Integration im gegenwärtigen Deutsch aufgezeigt
werden, wobei nur ein allgemeiner Überblick angestrebt wird. Bei der Behandlung der
Kontakteinflusse germanischer Sprachen auf die deutsche Gesamtsprache treten
folgende Aspekte in den Vordergrund. An dem primären Sprachkontakt war eine
Minderheit berufsmäßiger/bilingualer Sprecher beteiligt, im Unterschied zu der
gegenwärtigen Situation, wo durch Informationswesen, Verkehr, Wirtschaft, Werbung usw.
reiche Möglichkeiten für Sprachkontakte geboten sind. Ein erheblicher Teil der
Transferenzen lebt nur kurzzeitig in der Empfängersprache und die Mehrzahl der
Restklasse kann ihren ursprünglichen Geltungsbereich (Fach- und Gruppensprachen, vgl.
Transferenzvokabeln in der wissenschaftlichen Fachliteratur und in der Werbung)
überschreiten. Im 17. und 18. Jh. ist ein reges Interesse für die politischen Institutionen
und die englische Lebensart zu verzeichnen. In dieser Zeit wird englisches Wortgut, vor
allem durch literarische Übersetzungen (z.B. englische Wochenzeitschriften)
übernommen: Held (im Drama) < engl. hero; tote Sprachen < engl. dead languages;
Volkslied (von Herder geprägt) < engl. popular song; Gemeinwohl < engl. commonwealth;
Minderheit < engl. minority; Pressefreiheit < engl. freedom of press. Bis zum ersten
Weltkrieg haben vor allem die Großstädte Wien und Berlin zahlreiche (heute nur teilweise
erhaltene) Anglizismen übernommen. In den 20er Jahren begann der Einfluss des
amerikanischen Englisch das britische Englisch abzulösen, nachdem die USA die Rolle
als Weltmacht übernommen hatte. Der direkte Kontakt war sehr vielfältig und durch
Kriegsgefangenschaft, Emigration, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch,
sowie Politik (Bündnispolitik: NATO) begünstigt. Die amerikanische Industrie- und
Konsumgesellschaft was das Hauptgebiet der sprachlichen Importe. Die Zeit nach 1945 ist
nicht der Beginn der Periode, in der lexikalisches Material aus dem Englischen in großer
Zahl ins Deutsche gelandte. Schon um die Jahrhundertwende lästerte Karl Kraus über
Foxtrottel und Freaks. Die Fachwörter des Massensports, des Tourismus und einiger
Wissenschaftszweige liefern einen großen Anteil an Wörtern und Wortkonstruktionen.
Nach 1945 dringt das Englische in fast alle Bereichen der deutschen Sprache ein: in die
verschiedenen Fachsprachen, in die Umgangssprachen und Dialekte. Dieses Phänomen
ist vielfach beklagt worden, manchmal mit „deutschnationalen Untertönen” (Glück/Sauer
1990, 97). 1947 wurde der SPIEGEL (mit britischer Lizenz) gegründet, dessen Vorbild
auch in sprachlicher Hinsicht die amerikanischen Zeitschriften waren. Die Kontakteinflüsse
118
sind vor allem auf folgenden Gebieten deutlich: a) früher war der Einfluss des Englischen
auf die Sprache der Hanse ausgeprägt: Boot < engl. boat; Lotse < engl. loodsman; b) der
Umfang und die Art der englisch-deutschen Sprachkontakte änderten sich im 19. Jh.
durch Englands Weltmachtposition, seine Führungsrolle in der industriellen Revolution,
durch sein entwickeltes Pressewesen und die Begründung des Volksports. In dieser Zeit
sind zahlreiche englische Lehnwörter und Lehnprägungen ins Deutsche eingedrungen,
von denen heute nur ein Teil erhalten geblieben sind: Industrialisierung, Dampfmaschine,
Lokomotive, Koks, Dampfer, Tram; Freihandel, Streik (= Arbeiterbewegung);
Parlamentarismus, erstklassig, Schlips, Flirt, Smoking, High Life (= Gesellschaftsleben);
Trainer, Start, Kicker, Foul, Record, Fit, Paddelboot, Mannschaft, Außenseiter, Tor,
Zweirad (= Sport); Leitartikel, Rundschau, Reporter, Interview (= Pressewesen);
Gipfelkonferenz, Elektronengehirn, Sprachlabor (= Wissenschaft und Politik); c)
Wirtschaft: Boom, Marketing, Trend, Service, Supermarkt, Image, Consulting, Dow
Jones, Job, Business, fulltime job, Connections, cost-controlling, continuous improvement,
globalpayer; d) Technik: Datenverarbeitung, Transistor, Radar; e) Vergnügen/Freizeit:
Feeling, Live-Sendung, Musical, Cartoon, Quiz, Striptease, Techno-Center, Holiday,
Mountainbike, Hobby, jogging, aerobic, skateboard, Party, Partygrill, Trip, Party, Show,
Lifestyle, High-Society, Hometrainer, CD-Player, Joint, Surfing, Fitnesscenter,
Bodybuilding, Trekking, Bungee-Jumping, bikemann, beauty queen, Talkshow; f)
Musik[alische Richtungen]: Pop, Rock, Beat, Jazz, Rap, Country, Reggae, Techno,
Disco, Soul, Blues, Sound, Break-Dance, Top, evergreen, Beat, Hard Rock, Playback,
Background; g) Körperpflege: high hair fresh color Schaum, lipstick, eye-shadow, eye-
liner, Make-up, [Body] Lotion, Aftershave for men, Spray, Shampoo; h) Mode / Kleidung:
Nylon, Blazer, Minirock, fashion colors, Body, Stretch, Leggings, Longshirt, Jacket, T-Shirt,
Boxershorts, Cocktail jacke, Outfit, Look, Boots, Clogs; i) Gastronomie: Ketchup, Curry,
Hot Dog, Milchshake, Schokoflips, Whiskey, Bloody Mary, Hamburger, Barmixer, Shaker,
ice cream, Obstshake, fast food, junk food, Brunch, Dip, Dressing, Beefsteak,
Barbecuesauce, Stew, Dinieren, Shrimps, Sherry, Snack, Corn Flakes, Popcorn, Juice,
Drink; i) Wohnen: Bungalow, Swimmingpool, Motel, Campinghouse; j) Verkehrsmittel:
Intercity, Eurocity, Interregio, Space[-wagen]; k) Sport: Rallye, Trophy, Speedway,
Bowling, Surfing, Goalkeeper, Badminton; [aus der Welt der Skater]: Jamming (= mit
schnellen, kurzen Schritten skaten], Pads (= Teile der Schutzausrüstung, vor allem an
Ellbogen und Knien), Back-Flip (= Rückwärtssalto), Backstretch (= mit einer Seitdrehung
verbundene Bewegung im Sprung), Event, Happening (= Inline-Skating-Veranstaltungen,
119
Wettbewerb, Shows), Ride the grass (= weniger elegante Methode, in einem Rasenstück
zu bremsen); k) Berufsbezeichnungen: Expert, Manager, Barkeeper, Dealer, Broker,
Boss, Talkmaster, Barmixer, Hairstylist, Callgirl, Bodyguard, Babysitter, Artdirector,
Moderator, Account Executive Marketing-Koordinator, Direct Marketing, Field Application
Engineer; l) Verschiedenes: Tatoo, chic, made in, Junior, Fan, fit, Team, Image, Kid,
Meeting, Appeal, Teenager, happyend, horrortrip, Gag, Clip, Chip, Spot, Kick, Cockpit,
Killer, Interview, Action, Comeback, Insider, Voice control Wecker, Midlife-crisis, Trend,
Pipeline, Lover, Password, Supermarkt, Bestseller, Jetsetter, workaholic, cool, Glamour,
Service, crazy, Story, Slogan, Smog, Poster, second hand, crew, timing, Airbag, allround-
Talent, Eros-center, Darling, Newcomer, Blackout
niederländisch-deutsche Transferenzen. Die Kontakterscheinungen zwischen den
beiden Sprachen gehen bis ins Mittelalter zurück und sind nachbarsprachlich und kulturell
bedingt, teils auf Dialekte, Sondersprachen, teils auf die Standardsprache bezogen. Der
Einfluss des Niederländischen lässt sich auf folgenden Gebieten aufzeigen: a)
Seemannssprache und Fachsprache des Schiffbaus und der Schiffahrtstechnik; b)
Geldwesen: Börse, Aktie; c) Garten: Krokus; d) Literatur: als kulturelles Vorbild war
Niederlanden an den Entlehnungen aus verschiedenen Bereichen beteiligt. Die deutschen
Barockschriftsteller orientierten sich z.B. an der niederländischen Dichtung. Ph. v. Zesen
und H. Campe bemühten sich um zahlreiche Eindeutschungen nach niederländischem
Vorbild: Sinnbild (nl. zinnebeeld) für Symbolum; Vorsitzel (nl. voorzitter) für Präsident;
Staatsmann (nl. staats man) für Politicus; Gemütsbewegung (nl. gemoedsbeweging) für
Affect
jiddisch-deutsche Transferenzen. Das Jiddische ist die drittwichtigste Kontaktsprache
neben dem Englischen und Französischen. Vorwiegend gesprochen realisiert prägte das
Jiddische zahlreiche Entlehnungen, die vor allem in den Dialekten ihren Niederschlag
gefunden haben und auch hier weiter leben. Darüber hinuas drangen zahlreiche
Jiddismen über das Rotwelsche und die Gaunersprache in die Umgangssprache ein: Kaff,
meschugge, mies. Überregionale Verbreitung durch das Berlinische erlangten: dufte,
kess, knorke. Viele Entlehnungen erscheinen als Verballhornungen in der gesprochenen
Sprache (d.h. mit ähnlich lautenden deutschen Lexemen identifiziert und semantisch
umgedeutet): Hals- und Beinbruch (hazlóche un bróche ’Glück und Segen’), Saure-
Gurken-Zeit (zóress-und jókresszeit ’Zeit der Leiden und der Teuerung’)
120
skandinavisch-deutsche Transferenzen. Die Begeisterung für die nordische Mythologie
und Literatur brachte zahlreiche Skandinavismen in die deutsche Hochsprache (z.B.
durch Klopstock und Wagner): Walküre (J. Grimm, Wagner), Norne (Klopstock, Herder),
Stabreim, Erlkönig. Jüngere Transferenzen sind Sachentlehnungen wie: Ski, Fjord,
Nordlicht, Rentier, Moped, Knäckebrot. Darüber hinaus wurden zahlreiche skandinavische
Rufnamen übernommen: Birgid, Ingrid, Kerstin, Ulla, Nils, Knut, Sven, Torsten
IV. Weitere Transferenzen aus anderen Sprachen
Aus dem Japanischen kommen: Bonsai, Ikebana, Geisha, Judo, Kimono, Mikado; aus dem
Finnischen hat die deutschen Sprache nur ein einziges Fremdwort übernommen (ausser
Vornamen für Personen): Sauna (seit 1941 belegt; vgl. Fleischer ebd.; 289); aus dem
Indischen: Dschungel, Ingwer, Joga, Pyjama, Pfeffer, Reis, Lack, Indigo, lila, Patschuli; aus
dem Arabischen: Karussell, Karawane, Diwan, Limonade, Orange, Pascha, Schach; aus den
Indianersprachen: Kokain, Kondor, Schokolade, Tomate, Tabak; Türkisch sind: Kelim,
Kiosk, Lakei, Tulpe, Turban; Chinesisch: Taifun, Soja, Tee.
VORLESUNG 7: „DEUTSCHER, SPRICH DEUTSCH!“ DAS ALTER DER
FREMDWORTDISKUSSION
1. Vorbehalte gegen den Begriff „Fremdwort”
Ein wichtiger Punkt in der Fremdwortdiskussion ist das Problem der „Gegenwehr”. Man
kann sich gegen die Flut englischer Wörter damit wehren, indem man gleich beim
Auftauchen eines Wortes nach Verdeutschungen sucht. Beispiele für misslungene
Verdeutschungen gibt es genug. Andererseits kann man Förster (1989, 113) nur beipflichten,
wenn er feststellt, dass es bei vielen Eindeutschungen doch zu einem Verlust an „stilistischer
Aura“ kommt. Manche Eindeutschungen wurden angenommen (z.B. Gotteshaus für Tempel
oder Streitgespräch für Debatte), andere nicht (so etwa Hochlehrer für Professor; Bernung
für Elektrizität oder Meuchelpuffer für Revolver).
Schwerpunkte: ⇨ Vorbehalte gegen den Begriff „Fremdwort ⇨ Die Fremdwort-Debatte: Der Kampf gegen die Fremdwörterei: Bemühungen um Sprachregelung und Sprachreinigung: Sprachgesellschaften (17.- 19.Jh.) ⇨ Sprachpflege und Sprachkultur heute
121
Viele ‚Vorschläge‘ konnten die Fremdwörter nicht ersetzen, sie bereicherten aber das
Sprachinventar. Nicht selten trat aber auch das deutsche Wort neben das fremde und
bereicherte das entsprechende Wortfeld inhaltlich oder stilistisch. Besonders französische
Fremdwörter beeinflussten die deutsche Sprache in den vergangenen zwei Jahrhunderten.
Viele fielen der Verdeutschungsaktion im 19. Jahrhundert zum Opfer, die das Militärwesen,
den Bereich der Eisenbahn und der Post betraf (z.B. wurde mandat durch Postanweisung;
poste restante durch postlagernd; billet durch Fahrschein ersetzt). Feststellbar ist aber, dass
auf dem Gebiet der Eisenbahn die Deutsche Bahn die Verdeutschung wieder rückgängig
macht, indem sie viele Ausdrücke in eine Art Englisch ‚übersetzt‘: Ticket, Service-Point, Bahn
Card, City Night Line, Regional Express, Inter City usw. Handelte es sich aber um nützliche
Importe (z.B. Bezeichnungen für Dinge oder Vorgänge, für die das Deutsche keine treffende
Begriffe bereitstellte), so wurden diese eingebürgert. Viele Verdeutschungen decken das
englische Wort nicht richtig ab. Erfolgslos blieben auch die Sprachgesellschaften, als sie in
einem Preisausschreiben deutsche Entsprechungen für Image und Rooming-in finden wollte.
(Förster 1989, 113). Förster erinnert daran, dass sich in den letzten 20 Jahren (das war
1989) eine einzige Verdeutschung durchgesetzt hat: Wasserglätte für Aquaplaning. Hier
handelt es sich um stilistisch nicht geladene Wörter, die Eindeutschung stellt bloss eine
Verständnis- und Aussprachehilfe dar. Viele Anglizismen wurden in Aussprache und
Schriftbild eingedeutscht: Keks aus “cakes”, Koks aus “cakes”, Schal aus “shawl”, Streik aus
“strike”. Andere Angebote aus dem Englischen wurden “vernünftig” übersetzt, statt sie zu
übernehmen: Gehirnwäsche (“brainwashing”), Kalter Krieg, Luftbrücke, schweigende
Mehrheit, Selbstbedienung. Inzwischen bezweifeln sogar Fachleute, dass durch den
Einstrom englischer Wörter tatsächlich bedeutungsgleiche deutsche Pendants – soweit diese
überhaupt vorhanden sind – verdrängt werden. Hier sollte man sich auf diachronische
Untersuchungen verlassen können. Ausserdem können selbst Anglizismen von anderen
Wörtern verdrängt werden. Andererseits sind selbst solche Anglizismen, gegen die noch vor
Jahrzehnten gekämpft wurde, heute ausgeschieden (Five o’ clock tea, Supper, Garden-
Party). Was den Vorwurf betrifft, viele dieser Neologismen seien Modewörter, so muss
eingeräumt werden, dass dieser Teil des Wortschatzes nicht unbeachtet bleiben sollte, da er
Ausdruck von Zeitgeschichte sei. Der englische Einfluss ist sehr stark ausgeprägt und muss
zu den auffallenden Entwicklungserscheinungen der deutschen Sprache der Gegenwart
gerechnet werden.
Viele sogenannte Fremdwörter sind schon so alltäglich geworden, dass sie
niemandem mehr ‘fremd’ erscheinen dürften. Zahlreiche Wörter, die eindeutig aus
122
muttersprachlichem Material gebildet sind, sind wesentlich unverständlicher. Die
Bezeichnung „Fremdwort“ ist irreführend, da viele von ihnen (wegen den verbreiteten
Englischkenntnisssen) gar nicht mehr als ‘fremd‘ vom Sprachteilhaber empfunden werden.
Manche Fremdwörter, die uns im Alltag begegnen, sind überhaupt keine Fremdwörter,
sondern sogenannte ‚Scheinentlehnungen‘, die weder im britischen noch im amerikanischen
Englisch beheimatet sind: Smoking, Dressman, Highlife, Twen, Showmaster, Talkmaster,
Handy, Happy End.
Der Prozess der Übernahme wurde unterschiedlich eingeschätzt, die
Sprachwissenschaftler haben dem Fremdwort gegenüber unterschiedliche Positionen
eingenommen. Findet eine Wortschatzbereicherung statt oder führt eine unkontrollierte
Aufnahme zu einem Sprachverfall, zu dem Verlust der Sprachindentität? In der Einstellung
der Sprachträger lassen sich folgende Positionen erkennen: Dem Fremdwort wird ein
besonderes Prestige zugewiesen, dehalb werden Fremdwörter gewollt und gehäuft
gebraucht. Die warnenden und kritischen Stimmen, die sich gegen die Eingländerei richteten,
sind schon seit über 100 Jahren laut geworden: Hermann Dunger vom Allgemeinen
Deutschen Sprachverein sah in diesem Einstrom eine Überschätzung des Fremden als
Ausdruck mangelnden Selbstwertgefühls. Die Gegenposition vertraten die Sprachpuristen,
die eine „reine” Sprache fordern und verteidigen. Schon früh lassen sich bei diesen
nationalistischen Töne nicht überhören. Für die Sprachpfleger ist der Einfluss der
Anglizismen/Fremdwörter Anzeichen des Sprachverfalls, der zum Sprachidentitätsverlust
führt. Im Gegensatz dazu werden die späteren Sprachhüter eine ‘mildere’ Haltung vertreten,
die einen überlegten Fremdwortgebrauch anstreben. Die heutigen Sprachpfleger (z.B. die
Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden) wirken im Sinne eines überlegten
Fremdwortgebrauchs. Das Thema „Sprach-Überfremdung” sei uralt, gewinne jedoch im
Zeitalter des High-Tech eine neue Aktualität, bemerkt auch Ruprecht Skasa-Weiss
(„Stuttgarter Zeitung”, 26.3.1994)31. Schon immer wurden sprachliche Importe aus
unterschiedlichen Gründen übernommen. Neu ist der ausländische Einfluss nicht, so auch
die Furcht vor der Invasion. Bereits im 19 Jh. agitierte der Allgemeine Deutsche Sprachverein
„wider die Engländerei”. Die Fragen, die im Zusammenhang mit diesem “Reizthema” immer
wieder auftauchten, sind: Wie groß ist die Gefahr, die der deutschen Sprache droht? Droht
Überfremdung bis zur Unkenntlichkeit? Oder sind Anglizismen eine willkommene
Bereicherung? Filet, Kalender, Schachtel, Mappe, Schal, Keks sind Wörter, die man nicht
31 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 6/1994, S.7.
123
mehr als Fremdwörter wahrnimmt, sie sind inzwischen Teil des deutschen Wortschatzes
geworden. Manche Fremdwörter verschwinden als Modewörter wieder. Die meisten sind alt
und vollständig eingebürgert und Fremdwörter nur noch “im Sinne der Puristen, die den
germanischen Ahnengspass verlangen.” (D. E. Zimmer, Die Zeit, 23.6.1995). Das gute und
alte Deutsch - befürchten die Sprachkritiker und Sprachpuristen - werde von schädlichen
Anglizismen und Pseudowörtern aufgefressen: Euro Tec-park, Anti-Stress-Hit, softes Power-
Elixier, FlyDrive-Kunde, Maso-Freak, Onko-Lunch, Quickpick, Ski-Kids-Corner, Mediamix,
Infopool, InterCityExpress. Angst vor diesem Wandel und Tendenzen der „Verdeutschung“
gibt es schon seit vielen Jahrhunderten. Die Fremdwortjagd sei „in Deutschland seit
Generationen ein beliebter Sport”, schreibt Günter Pflug im „Sonntagsblatt” (10.3.1995)32.
2. Die Fremdwort-Debatte: Der Kampf gegen die Fremdwörterei. Bemühungen um
Sprachregelung und Sprachreinigung: Sprachgesellschaften (17.- 19.Jh.)
In den letzten 350 Jahren sind unterschiedliche Positionen gegenüber dem Fremdwort im
Deutschen zu verzeichnen. Die puristische Bewegung in Deutschland muss in engem
Zusammenhang nicht nur mit der Entwicklung des modernen Hochdeutsch, sondern auch mit
der deutschen Geistesgeschichte in Beziehung betrachtet werden. Nach dem Vorbild der
italienischen “Accademia della Crusca” im 17. und 18. Jh. wurden in Deutschland
Vereinigungen von Fürsten, Adligen und Dichtern gegründet, die sich für die Förderung der
deutschen Sprache durch Abwehr fremder Einflüsse und Erhöhung der poetischen
Ausdruckskraft einsetzten. (Bußmann 1990, 707f.) Verdienst und Wirkung dieser eng mit
dem literarischen Barock verbundenen Gesellschaften liegen vor allem in der Pflege und
Verfeinerung der Übersetzungskunst, in den zusammengestellten Wörterbüchern und
zahlreichen Abhandlungen zur Rechtschreibung und Grammatik (Wolff 1994, 142ff.).
Sprachreinheit war auch das Ziel zahlreicher Sprachgesellschaften, die im 17. und im
18. Jh. in Deutschland entstanden und der überhandnehmenden „Fremdwörterrei und
Verwelschung“ den Kampf ansagten. Das waren vor allem die 1617 von Fürst Ludwig von
32 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 9/1995, S.6.
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Anhalt-Köthen nach französisch-italienischen Vorbildern begründete Fruchtbringende
Gesellschaft, der bald bekannte Zeitgenossen wie Opitz, Schottelius und Gryphius u.a.
angehörten. Diese in Weimar gegründete Gesellschaft gilt als einflussreichste und größte
Sprachgesellschaft. Es folgten die Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen (J. M.
Moscherosch, 1633), die Deutschgesinnte Genossenschaft (Ph. v. Zesen, 1643), der
Löbliche Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz (Harsdörffer, Klaj 1644), der
Elbschwanorden (J. Rist, 1659). Kurzlebiger waren die Gründungen des 18. Jh.s.:
Deutsche Gesellschaft in Leipzig und die Teutschliebende Geselschaft in Hamburg. Über
die Mitglieder solcher Vereinigungen setzten sich eine ganze Reihe von Verdeutschungen
durch33: Mundart für Dialekt, Beistrich für Komma, Zahlwort für Numerale, Zeitwort für
Verbum (Schottelius); Augenblick für Moment, Entwurf für Projekt, Verfasser für Autor,
Trauerspiel für Tragödie, Abstand für Distanz, Schauspieler für Acteur, Leidenschaft für
Passion, Lustwandeln für spazieren (Zesen); Sinngedicht für Epigramm, Briefwechsel für
Korrespondenz, beobachten für observieren, Geschmack für Gusto (Harsdörffer).
Die Sprachpflege verfolgte folgende Ziele: Die Reinigung des Deutschen von
Fremdwörtern; man bemühte sich um Eindeutschungen, manche von ihnen sind bis heute
gebräuchlich (Anschrift oder Hochschule); Kampf gegen die modische Vermengung mehrerer
Sprachen; die Schaffung einer einheitlichen Literatursprache, normiert in Grammatiken und
Wörterbüchern. Die bedeutendsten Schriftsteller der Zeit waren Mitglieder der
Fruchtbringenden Gesellschaft, so Opitz, Harsdörffer, Stieler, Zesen34.
Die große Ausweitung des Wortschatzes im 19.Jh. wird hauptsächlich aus drei
Quellen bezogen: der Übernahme aus Fachwortschätzen, der Entlehnung aus anderen
Sprachen, der Verdeutschung fremdsprachiger Wörter nach der Reichsgründung 1871. Hier
sind die Bemühungen des 1885 gegründeten Allgemeinen Deutschen Sprachvereins35
(1885–1943) oder einzelner Persönlichkeiten wie Generalpostmeister H. v. Stephan zu
erwähnen36. Die Sprachgesellschaften des Barock waren über 100 Jahre tätig.
Eine übersichtliche und materialreiche Untersuchung zu einer der wichtigsten
Sprachgesellschaften Deutschlands legt Reinhard Olt vor. Seine Arbeit “Wider das Fremde?
Das Wirken des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins in Hessen 1885-1944. Mit einer
einleitenden Studie über Sprachreinigung und Fremdwortfrage in Deutschland und
33 Wolff (1994, 144ff.).34 Förster (1989, 105ff.).35 Dessen Zeitschrift Muttersprache [1925ff.] seit 1949 von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden herausgegeben wird.36 Wolff (1994, 189f)..
125
Frankreich seit dem 16. Jahrhundert” (1991) muss an dieser Stelle hervorgehoben werden.
Folgende Ausführungen stützen sich auf eine Rezension zu dieser Studie37.
Olt vermerkt, dass es schon im 16. und 17. Jh. Gründe gab, Fremdwörter zu
übernehmen, und zwar wenn eine Entsprechung in der Muttersprache fehlte, wenn
Fremdwörter die Aufmerksamkeit weckten, wenn sie schmückten oder beschönigten. Den
radikalen Sprachpurismus repräsentierte die Teutschgesinnte Gesellschaft (1643 von
Philipp von Zesen gegründet). Als Vorbild fungierte Frankreich im 17. Jh. in der Kriegs- und
Wehrarchitektur, im Schlossbau, in der Kochkunst, in der Kleidermode, so dass Herder von
der “Franzosensucht” der Deutschen sprach. Die Sprachgesellschaften im späten 18. Jh. und
19. Jh. lehnten das Fremdwort meist radikal ab. Die Vereinsarbeit war auf die
Eindeutschung von Fremdwörtern konzentriert (z.B. Lesehalle für Volksbibliothek,
Flammenhalle für Krematorium), und zu allen Zeiten gab es gelungene Verdeutschungen.
Die meisten von ihnen sind uns als solche gar nicht mehr bewusst (Flurstück für Parzelle; ein
gelungener Versuch ist auch Wasserglätte für Aquaplaning). Leider werden oft nur
Fehlformulierungen zitiert, die den Sprachvereinen zur Last gelegt werden, auch wenn sie
gar nicht von ihnen stammen. Nach dem Ausgang des Ersten Weltkrieges, den man als
erniedrigend empfand, wurde der Gebrauch auch französischer Fremdwörter als „nationale
Schande” hingestellt. Der Kampf gegen das Fremdwort und der Fremdworthass müssen „im
Zuge der Zeit” verstanden werden. Die Tätigkeit eines Sprachvereins ist vielfältig, der Kampf
gegen die “Engländerei” ist nur ein Teil davon. Olt nennt z.B. den Zweig Darmstadt, der sich
für eine korrekte Schreibung der Straßennamen eingesetzt hatte, man beschäftigte sich auch
mit Orts- und Flurnamen, mit Personennamen. Zu den Vereinsbemühungen gehörten auch
die Aussprache, die Mundarten und die deutsche Schrift. Die gegen Ende des Jahrhunderts
scharf kritisierte und bekämpfte „Engländerei” und „Frankomanie” findet sich besonders im
Konversationsstil der adligen Gesellschaft. Die Zahl der Fremdwörter ist „gewaltig
angewachsen“. Es werden englische Wörter nicht nur für Dinge und Begriffe, die aus
England und Amerika übernommen wurden, verwendet, sondern oft auch „für die einfachsten
Begriffe des gewöhnlichen Lebens“, wie „ das deutsche häusliche und öffentliche Leben“. In
den Kreisen der vornehmen Gesellschaft („feine Welt“) ist gegenwärtig die englische Sprache
angesehener als die französische. Die Einbürgerung englischer Wörter in die deutsche
Sprache ist angesichts des großen Einflusses, „welchen englische Sitten und Mode,
englische Einrichtungen im politischen und gesellschaftlichen Leben, namentlich Sport und
37 Förster (1993, 180f.).
126
Bewegungsspiele in neurer Zeit bei uns gewonnen haben“ erklärbar. 38 Die Gründe der
Übernahme stellt Dunger eindeutig vor und auch damals wie auch jetzt ist der Aufbau eines
gewissen Image ein wichtiger Grund für die Sprachimporte gewesen. Dunger erwähnt auch
einen Wandel im „Geschmack der Deutschen“: Hausbau und Hauseinrichtung haben sich
verändert, um sich den englischen Ansichten auch über Gesundheitspflege und Geschmack
anzupassen. Die Bevorzugung des Englischen – vor dem Französischen - zeigt Dunger u. a.
auch an bestimmten Bereichen auf: Vornamen, Tiernamen, Bezeichnungen für Stoffe und
Kleidungsstücke, Speisen und Getränke („ja sogar die gute deutsche Ochsenschwanzsuppe
muss es sich meist gefallen lassen, in englischem Gewandt als Oxtail-soup auf der
deutschen Speisekarte zu erscheinen“), in den öffentlichen Ankündigungen der
Kunstreitergesellschaften, in Sing- und Spielhallen und in „ähnlichen Schaustellungen“, in der
Darstellung englischer und amerikanischer Verhältnisse. Berechtigte Gründe für die
Übernahme sieht Dunger dort, wo das englische Wort unübersetzbar ist oder wenn es einen
Begriff bezeichnet, der in der deutschen Sprache nicht vorhanden ist (z.B. Sport, Spleen,
Humor, Pudding u.a.). Englische Erfindungen werden selbstverständlich unter englischer
Bezeichnung in den Handel gebracht, „mag auch die Übersetzung so nahe liegen” (Fountain
Pen, Independent Pen, Spray, Meat Preserve bzw. Meat Preserve Crystal39). Bedenken
tauchen aber dann auf, wenn deutsche Erzeugnisse unter englischem Namen in deutschen
Zeitungen (Werbeanzeigen) angekündigt werden. Die Überfremdung beklagt Dunger aber
vor allem im Sport.
Die Schlussfolgerung, die sich nun ableiten kann, ist die gleiche, die wir auch in den
Tutzinger Thesen 100 Jahre später vorfinden: Die Schuld an dem übermässigen
Fremdwortgebrauch - an der „englischen Hochflut”- liegt beim Sprachteilhaber selbst. Eine
Spracherscheinung, die damals wie auch jetzt, „den Freund der Muttersprache mit Besorgnis
erfüllen muss”.
An der Darlegung der Gründe, die für die Einfuhr fremden Wortgutes
ausschlaggebend waren, hat sich in 100 Jahren kaum etwas geändert.
3. Sprachpflege und Sprachkultur heute
38 Renn-, Ruder, Jagdsport, Pferde- und Hundezucht, Radfahren, Croquet, Tennis und Fußball. 39 Als Bezeichnung für das oft verwendete Fleischsalz, das zur Färbung des Hackfleisches und der „sogenannten Appetitswürstchen” dient, und den deutsche Fleischern angeboten wird, ihnen damit englische Kenntnisse zutraut. Ebd., S. 245.
127
Die Sprachreinigungsbestrebungen (angefangen vom 17. Jh. bis zum Zweiten Weltkrieg)
standen in Verdacht, Ausdruck einer allgemeinen Abneigung gegen alles Nichtdeutsche
gewesen zu sein. Die gefährliche Überflutung der deutschen Sprache von Anglizismen
wurde oft beklagt, manchmal mit „deutschnationalen Untertönen”. (Glück/Sauer 1990, 97)
Dabei sind unterschiedliche Einstellungen und Haltungen gegenüber dem Fremdwort laut
geworden: Aufgeschlossenheit im 18. Jh., Mitte des 19. Jh., seit 1945; Ablehnung im 17. Jh.,
frühes 20. Jh.
Im 17. Jh. blieben die Versuche, eine nationale Sprachakademie zu bilden, vergeblich.
„Deutscher, sprich Deutsch”, lautete die Parole der Sprachbewahrer im Fremdwörterstreit.
Es hat Perioden gegeben, in den die Sprachreiniger (Puristen), die Fremdwörter aus der
deutschen Sprache zu entfernen suchten. Die im 17.Jh. in der Zeit des Dreißigjährigen
Kriegs und während der Alamodezeit gegründeten Sprachgesellschaften – z.B.
Fruchtbringende Gesellschaft (1617) - wandten sich gegen die lateinische und vor allem
gegen die französische Überfremdung; nach der Reichsgründung (1871) waren die
puristischen Bestrebungen des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins (1885) besonders
zu Beginn des 20. Jhs erfolgreich, bis Hitler sich durch einen sogenannten Führererlass 1940
gegen „die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerte Fremdworte“ wandte. Es
gibt in Deutschland keine Entsprechung zur Academie Francaise, aber neben der
Gesellschaft für deutsche Sprache haben sich auch die Deutsche Akademie für Sprache
und Dichtung, die Dudenredaktion und das Institut für deutsche Sprache in Mannheim
die Sprachpflege zum Ziel gesetzt.
Man darf die Zielsetzungen der Sprachvereine bzw. Institutionen von heute nicht mit
jener vergangener Jahrhunderte vergleichen oder verwechseln, welche gebräuchliche
Fremdwörter oder Lehnwörter um jeden Preis einzudeutschen versuchten. Heute ist die
Haltung dem Fremdwort gegenüber liberaler geworden. Die Sprachpfleger haben erkannt,
dass die internationale Terminologie bedeutend ist, und dass die Muttersprache manche
Fremdwörter tatsächlich braucht.
Das Sprachviereck Dortmund – Wiesbaden – Mannheim –Darmstadt wird hier
unvollständig repräsentiert; die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung“ (Darmstadt)
blieb unberücksichtigt. Der übermässige Fremdwortgebrauch, die Verwendung von
Fremdwörtern überhaupt und auch die Kritik daran sind nicht neu. Deutschland kann auf
eine lange Tradition des Sprachpurismus, die bis in 17. Jh. reicht, zurückblicken. Der
„Kristallisationspunkt”40 des modernen deutschen Sprachpurismus ist ein 1997 in Dortmund
40 Niehr (2002, 4).
128
gegründeter Verein, der sich ursprünglich Verein zur Wahrung der deutschen Sprache e.
V. nannte. Der Name des Vereins klang nach Sprachpolizei und nach Deutschtümelei, wurde
deshalb auch zum Beitrittshindernis. Heute trägt er den Namen Verein deutsche Sprache
(VdS). Seine Aufgabe ist, die Öffentlichkeit auf den Anglizismengebrauch aufmerksam zu
machen und sich für die Vermeidung bzw. Ersetzung überflüssiger Anglizismen einzusetzen
(z.B. durch öffentliche Diskussionsveranstaltungen, Preisverleihungen – und zwar wird Jahr
für Jahr der “Sprachpanscher des Jahres” gekürt – Publikationen). Institutionen wie Post,
Bahn, Lufthansa aber auch, gar nicht mehr vereinzelt, Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens, greifen immer mehr zu einer Mischsprache. Als Beispiel für Denglisch wird oft Jil
Sander mit einer Aussage aus einem FAZ-Magazin-Interwiev (1997) zitiert:41 „Mein Leben ist
eine giving-story Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-denken
haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu
verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass
man viele Teile einer collection miteinander combinen muss. Aber die audience hat das alles
von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann die Sachen,
die refined Qualitäten mit spirit aben auch appreciaten. […]Wer Ladysches will, searcht nicht
bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.” Oft auch
die Deutsche Lufthansa42 mit dem Satz: „ Miles & More führt ein flexibleres Upgrade-
Verfahren ein: Mit dem neuen Standby Oneway Upgrade Voucher kann direkt beim Check-in
das Ticket aufgewertet werden.“
Die Sprachschützer sprechen von Denglisch, der Muttersprache Deutschlisch, die
die deutsche Sprache entstellt. Es gibt auch überflüssige und ärgerliche „Anglizismen”, d. h.
sie gelten als englische Ausdrücke, existieren in englischsprachigen Ländern aber nicht. Der
„wilde Aktivistenhaufen”43 kämpft z.B. mit Inseraten in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung”
gegen die englische Werbung der deutschen Telekom. Das Lächerlichmachen von
Anglizismen-Verwendern ist “zwar nicht die feine, aber die wirkungsvollste Art des Vereins”44.
Die Sprachhüter sind laut eigenen Angaben keine Fremdworthasser, sie möchten aber
gegen überflüssiges „Denglisch” antreten, das von Managern und auch Werbeleuten
gesprochen wird. Es geht nicht darum eingebürgerte und bekannte englische Wörter, die
längst zum deutschen Sprachgebrauch hören, zu beseitigen.
41 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S.6.42 C. B. Sucher, „Süddeutsche Zeitung“, 23.1.1997. In: FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 3/1997, S. 7.43 J. Steinhoff, Der Stern, 36/1999, S. 60.44 Ebd., S. 59.
129
Der Zorn der Vereinsmitglieder richtet sich gegen solche Fremdwörter, für die es im
Deutschen gleichwertige wenn nicht bessere Wörter gibt, so etwa Nutzer statt User, Ereignis
statt Event oder Zeitlupe statt slow motion.
In Frankreich gibt es seit Jahren (seit 1975) ein Gesetz über den Gebrauch der
französischen Sprache. Hier wird per Gesetz verfügt, - es ist nicht unbedingt ein Anti-
Englisch-Gesetz - dass Fremdwörter (in offiziellen Aussendungen wie Fernsehsendungen,
Zeitung, Werbung, offiziellen Dokumenten usw.) zu vermeiden sind, wenn ein gleichwertiger
französischer Ausdruck existiert. 1994 wurde noch ein strengeres Gesetz („loi Toubon”)
eingeführt, das das Verbot von ausländischen Wörter und Wendungen auf weitere Bereiche
ausdehnt etwa im amtlichen und öffentlichen Sprachgebrauch (Kauf- oder Arbeitsverträge).
Als es in Kraft trat, wurde es in Deutschland als nationalchauvinistisch verspottet. Die
Franzosen sind gezwungen, in Texten, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, die also für
jeden verständlich sein müssen, bei der Verwendung von Anglizismen auch die französische
Übersetzung dazu zu schreiben. (Hinweisschilder, Wegweiser, Gebrauchsanleitungen,
Vertrags- oder Gesetzestexte).
In Rumänien versuchte der inzwischen verstorbene Senator George Pruteanu
Anhänger für einen ähnlichen Gesetzesentwurf („Legea privind protecţia limbii române”) zu
gewinnen, einer Sprach- und Kulturkommission des rumänischen Parlaments obliegt die
Durchsetzung und Durchführung dieser Regelung (siehe auch die verschiedenen
Stellungnahmen in der rumänischen Tageszeitung “Adevărul“). Dazu Pruteanu: „Legea este
complet lipsită de xenofobie sau şovinism.”45
Im Zeitalter der Multikulturalität, des Intrenet und der Globalisierung sei ein
Sprachschutzgesetz kaum nützlich, obwohl viele meinen, dass man der rumänischen
Sprache mehr Respekt entgegenbringen sollte. Eine Reihe englischer Wörter wie fast food,
shop, supermarket, show, soft, leasing, hit haben sich eingebürgert; viele von den
Anglizismen haben keine rumänische Entsprechung. Pruteanus
Sprachschutzgesetzesentwurf bestimmt, dass im öffentlichen Sprachgebrauch (in den
Massenmedien, in Institutionen, im öffentlichen Schriftverkehr, bei der Bezeichnung von
Produktnamen und der Dienstleistungen usw.), in schriftlichen oder mündlichen Texten
Fremdwörter durch Übersetzungen ersetzt werden sollen. Viele Unternehmen46 (z.B. in der
Software- und Tabakindustrie, aber auch im Bereich der Dienstleistungen) beklagen, dass
das Durchsetzen dieser Regelung unmöglich und mit einem hohen Kostenaufwand
45 Mircea Marian, Legea lui Pruteanu, adoptată în aplauzele PRM, Adevărul, 9.10.2002, S. 2.46 Mediafax, Reprezentanţii companiilor străine contestă şi ei Legea Pruteanu, Adevărul, 11.10.2002, S. 5.
130
verbunden wäre; Probleme tauchen u.a. auch bei der Übersetzung verschiedener
Produktnamen auf. So kann man hot dog unmöglich mit câine fierbinte übersetzen. Pruteanu
versucht es mit folgender ‚Übersetzung‘: „Un fel de cârnat într-un fel de chiflă”.
Die Sprachdebatten und Kampagnen gegen die Überfremdung der deutschen
Sprache führten dazu, dass man als Rassist und extremer Nationalist bezeichnet wurde. Die
Bemühungen des von Walter Krämer geleiteten „Vereins“ werden von den meist recht
gelassenen Fachleuten als „dummes Zeugs“ (Peter Eisenberg) abgetan und Dieter Herberg
(IdS) etwa halte die „Alarmrhetorik der Sprachbewahrer“ für übertrieben. Die Mehrheit aller
Deutschen sei der Ansicht, dass in Deutschland viel zu viele englische Wörter benutzt
würden. Die Ablehnung der Anglizismen wachse mit zunehmendem Alter und falle bei
höherer Schulbildung deutlich niedriger aus („Tagesspiegel“, 4.4.1999).47 Nach Krämer
sprechen Frauen ein „deutlich reineres Deutsch“ als die Männer, deren Imponiergehabe
meistens erheblich größer sei („Frankfurter Rundschau“, 3.5.1999),48 man wisse nun endlich,
dass die Bedrohung der deutschen Sprache nicht von den TV-Talk-Ladies ausgehe, sondern
eher „vom gemeinen fremdwörterschleudernden Mann“, kommentiert Nma. („Süddeutsche
Zeitung“, 7.5.1999).49
Die erfolgreichste deutsche Sprachgesellschaft war der Allgemeine Deutsche
Sprachverein. 1947 wurde er unter dem Namen Gesellschaft für deutsche Sprache in
Wiesbaden neu gegründet. Nach 1945 ist es für die Gesellschaft schwer gewesen, dieses
Erbe abzutragen, die Sprachpflege vom Ruch des Purismus und der nationalistischen
Engstirnigkeit zu befreien. 1947 hat man an die Arbeit des alten Sprachvereins – natürlich mit
geänderter Zielsetzung – anknüpfen können. Dieser traditionsreichen Gesellschaft muss - im
Rahmen der Diskussion - ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden, ihre heutigen
Aufgaben kurz vorgestellt werden.
Heute hat die GfdS über 40 Zweigvereine, organisiert pro Jahr rund 90
Vortragsveranstaltungen, leistet täglich Sprachberatung. Außer dem „Medienpreis für
Sprachkultur“ verleiht die Gesellschaft den Alexander-Rhomberg-Preis für Journalisten, um
hervorragende Verdienste um die Sprach- und Sprechkultur in Deutschland zu würdigen.
Wettbewerbe wie der um das Wort oder Unwort des Jahres sind sehr beliebt.
Es ist wichtig, dass die Sprachgemeinschaft auf den öffentlichen Sprachgebrauch
aufmerksam gemacht wird; in diesem Sinne möchten die „Unwort”-Aktionen für mehr
47 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S. 6.48 Ebd.49 Ebd.
131
Rücksichtnahme im sprachlichen Umgang miteinander werben. Die Sprache sei als
„unschuldiges Instrument” nicht für sprachliche Fehlleistungen, für unangemessenen und
inhumanen Sprachgebrauch verantwortlich zu machen, sondern die Sprecher selbst
(Schlosser 1992, 50).
Die Aktionen der GfdS möchten zur Entwicklung eines kritischen öffentlichen
Sprachbewusstseins beitragen. 1999 hat die Gesellschaft eine Kommission gebildet, die sich
mit der Fremdwortproblematik befasste und der Öffentlichkeit eine „Stellungnahme der
Gesellschaft für deutsche Sprache zum englischen Einfluss auf die deutsche
Gegenwartssprache“50 vorgelegt hat. Hier wird auch festgehalten, dass Deutsch nie eine
reine Sprache war. Im Laufe seiner Geschichte hat Deutsch zahlreiche Wörter aus
verschiedenen Sprachen übernommen, vor allem aus dem Lateinischen, Griechischen,
Französischen und Englischen. Die Zahl der englischen Wörter hat in den letzten
Jahrzehnten zugenommen, ist aber im Vergleich zu anderen Fremdwörter noch gering. In der
deutschen Alltagssprache sei die Zahl englischer Wörter immer noch relativ gering, bei den
Fachsprachen ist die Situation anders. Das Besondere der Wörter aus dem Englischen sei,
dass sie vor allem in jüngster Zeit (und zwar in den letzten Jahrzehnten) in die deutsche
Sprache übernommen worden seien, dass sie nahezu die gesamte Bevölkerung betrafen
und dass sie vermutlich in alle Sprachen der Erde übernommen würden, weil die
internationale Verständigung weitgehend Englisch stattfindet, Englisch Weltsprache ist. Allen
Tendenzen zu einer Einheitssprache sei Widerstand zu leisten – die sprachliche Vielfalt
müsse vor allem in Europa erhalten bleiben. Wie weit der Einfluss des Englischen auf das
Deutsche gehe, entscheiden die Sprecher selbst51: „Wir selbst sind für die Entwicklung
unserer Muttersprache verantwortlich. Diese Verantwortung sollen wir ernst nehmen und
alles tun, um das Besondere unser Sprache zu erhalten, nicht aus nationalistischen oder gar
chauvinistischen Erwägungen, auch nicht in erster Linie aus kommunikativen Gründen,
sondern weil es in Zukunft darauf ankommt, bei aller Globalisierung das eigene Gepräge der
Einzelsprache zu erhalten. Verschiedene Sprachen ermöglichen uns verschiedene Zugänge
zur ‚Welt‘, sie bieten uns verschiedene Perspektiven, verschiedene ‚Brillen‘ an, und diese
Vielfalt sollte nicht verloren gehen. Das heisst zunächst, dass jeder Einzelne entscheiden
muss, wie er mit den Fremdwörtern umgeht. Zwar gibt es vor allem in der fachbezogenen
Kommunikation einen gewissen Zwang zur Fremdwortverwendung, aber in den meisten
Fällen steht uns die Entscheidung frei.“
50 Der Sprachdienst 6/1999, 217ff.51 Ebd.
132
Hauptaufgabe der GfdS ist die Sprachpfllege im Sinne der Verbesserung der
Sprachbewusstheit. Ihre Tätigkeit muss aber aus der richtigen Perspektive gedeutet werden.
Die GfdS lehnt die „Deutschthümelei“ ab, als Nachfolgeorganisation hat sie die
Fremdwortfrage „ängstlich umgangen“52 und andere Aufgaben gesucht. Die Aufgabe der
GfdS besteht nicht darin, Fremdwörter abzuschaffen, sondern deren unangemessenen,
unüberlegten, inflationären Gebrauch aufzuhalten, einen verantwortungsvollen
Sprachgebrauch zu fördern. Über ihre Aktivitäten berichten die Zeitungen zu Recht in der
Regel im vermischten und nicht im kulturellen Teil.53
Das Institut für deutsche Sprache (IdS) mit dem Sitz in Mannheim wurde 1964
gegründet. Die Zielsetzung des IdS ist die Erforschung und Beschreibung der deutsche
Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch. Der gegenwärtige „Sprachschrott“ ist auch in
Mannheim anerkannt worden– allerdings ohne Hinweise auf irgendwelche Angriffe auf den
Tiefencode des Deutschen vermelden zu könen. Die „Sprachfreunde“ übersehen in ihrem
„Anglizismen-Gram“, was sich sonst im Deutschen ereignet, mit womöglich weitaus
gravierenden Folgen. Gerhard Stickel, vom Institut für deutsche Sprache, habe das
„Vordringen des Englischen in manche Bereiche von Wissenschaft und Wirtschaft als
Besorgnis erregender“ eingestuft, als die durch Werbung, Fernsehen oder Internet
ausgelösten Einflüsse. („Stuttgarter Zeitung“, 18.3.2000). Daher sollten auch
wissenschaftliche Veröffentlichungen in deutscher Sprache verfasst werden.54 Das Institut
für deutsche Sprache (IdS) und Gerhard Stickel haben wiederholt vor einer unreflektierten
Verwendung von Anglizismen gewarnt, auch weil nur die Hälfte der West- und ein Viertel der
Ostdeutschen Kenntnisse des Englischen hätten („Tagesspiegel“, 23.12.1998).55 Stickel hat
auch angeregt, die gängigen englischen Computer-Ausdrücke als Teil der deutschen
Sprache zu betrachten. Wenn sich englische Wörter einmal etabliert hätten, betont Wilfried
Schütte (IdS), sei es unsinnig, krampfhaft nach einem deutschen Ausdruck Ausschau zu
halten („Frankfurter Allgemeine“, 17.5.1999).56
Der englische und amerikanische Einfluss auf die deutsche Sprache stellt eine
Entwicklung dar, die von den meisten Kritikern auch als Sprachverfall angesehen wird (siehe
52 Förster (1990, 1 ff.).53 Siehe FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 11/1990, S. 5f.; FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 1/1997, S. 8; FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 6/1998, S. 6.54 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S. 6.55 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 9/1999, S. 6.56 Ebd.
133
z.B. veröffentlichte Artikel in Fachpublikationen, im Sprachdienst, in der Muttersprache,
Vorträge und Tagungen zum Thema). Am 3. und 4. Juni 1999 hat der Deutsche
Germanistenverband zusammen mit der Evangelischen Akademie Tutzing Thesen
erarbeitet, die dazu beitragen sollen, die Sprachvielfalt in Europa zu sichern. Verfolgt wird,
eine europäische Sprachenkonferenz einzuberufen und dort eine Sprachencharta zu
erarbeiten. Die GfdS unterstützt die Tutzinger Thesen (siehe dazu die „Stellungnahme der
Gesellschaft für deutsche Sprache zum englischen Einfluss auf die deutsche
Gegenwartssprache“). Dass es in der besonderen Verantwortung der Philologen liege, für
das Neben- und Miteinander der europäischen Sprachen einzutreten, habe der Deutsche
Germanistenverband betont und sich dabei gegen eine Vorherrschaft des Englischen
ausgesprochen, berichtet Uwe Schlicht („Tagesspiegel“, 7.7.1999).57 „Der
Germanistenverband kommt zu dem Schluss: Nicht die Perfektion in einer Fremdsprache,
sondern weniger perfekte Mehrsprachigkeit sollte das Leiziel einer europäischen
Sprachkompetenz sein.“ Der Verband schlägt eine „Initiative zur Einrichtung einer
europäischen Sprachenkonferenz“ vor, die eine Art Charta erarbeiten solle, in welcher die
„Grundsätze der Sprachenpraxis im europäischen Mehrsprachenraum niedergelegt wären“ –
verstanden als Projekt gegen die „ungeregelt“ fortschreitende „Mono-Anglisierung“.
Aus Graz/Österreich zieht die IG Muttersprache (Interessengemeinschaft
Muttersprache) gegen Anglizismen zu Felde. Universitätsprofessor Werner Pfannhauser,
Obmann der “Interessengemeinschaft Muttersprache in Österreich/Graz e.V.”: „Wir machen
uns beim Fremdwortgebrauch ja alle dauernd in irgendeiner Weise schuldig. Aber dieser
sprunghafte Anstieg der Anglizismen in unserer Umgangssprache ist bedenklich” (zit. von V.
Gönitzer, “Stadtjournal”, 8.9.1999, S. 30). Internetz statt Internet, E-Post statt E-Mail,
Leitseite statt Homepage, Pendelbus statt Shuttle-Bus, Kinder statt Kids, Schneebrett statt
Snowboard – es sind vor allem die Anglizismen der Werbung und der
Sportberichterstattung in den Medien, die den Grazer Freunde der Muttersprache „ein
Dorn im Auge” sind, und die sich gegen diese Anglizismen wehren möchten. „Es geht uns
nicht um einen Feldzug gegen alle Fremdwörter” erklärt Olga Kanda, Mitglied des Vereins
und seit Jahren „eifrige Streiterin wider die Anglizismen.”58 Ausdrücke wie Röstling für den
Toast oder Handohrler für das Handy – wie sie der Verein „Muttersprache” Wien vorschlägt –
erscheinen selbst ihr unangemessen. Handy steht auf der „schwarzen Liste” der Grazer
„Sprachretter”ganz oben. Im englischsprachigen Raum kennt niemand ein „Handy”,
57 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 1/2000, S.5.58 Th. Stanzer, Kleine Zeitung, 19.8.1999, S. 25.
134
Mobiltelefone heißen hier ‘mobile phones’. Im Kurier (4.6.1999, S. 34) fordert ein Ingenieur
statt Handy „Tagfernsprecher” zu verwenden. Aus „dem Labor des selbsternannten
Sprachbewahrers” stammen auch folgende „Übersetzungsbeispiele”: „Ferndruck” statt Fax,
„unter-20-Mädel” statt Teenager, „Fruchtbräu” statt Bowle, „Düsenriese” statt Jumbo,
„Pferdefuß” statt Handicap, „Schlager” statt Hit. Für ihn gilt – obwohl das Fußballspiel aus
England kommt – auch hier das Reinheitsgebot: „Grobspiel” statt Foul. Es sind vor allem die
älteren Menschen, die mit diesen Wörtern nicht zurecht kommen. Location, Servicelines,
Freelines in der Telekomwirtschaft müssen nicht sein. Sind Anglizismen aufzuhalten? Ja,
meint die IGMS. Die Sprachhüter aus Graz schöpfen ihren Optimismus z.B. auch aus
Umfragen, wie die des ORF, wonach 66% der Anrufer meinen, dass sich zu viele
Anglizismen in die deutsche Sprache geschlichen haben. „Wir wehren uns dagegen, dass die
Sprache zu einem Einheitsbrei wird, zu einem Kauderwelsch ohne jegliche kulturelle Basis.
Das hat nichts mit Deutschtum oder Purismus zu tun” (Werner Pfannhauser). „Was nicht gut
in Deutsch ausgedrückt werden kann, soll jedenfalls ein Fremdwort bleiben – sonst wirkt es
lächerlich”.59
Ein sprachpflegerisches Dauerthema - die Furcht vor einer Überflutung der Sprache
durch Amerikanismen und Anglizismen - ist hier zur Sprache gekommen. Die Frage, die
immer wieder auftaucht ist, weshalb gerade jetzt dieses Thema so oft angesprochen wird?
Die Antwort lautet: Weil jetzt die Lage eine andere ist, als noch vor hunderte von Jahren, als
der Einstrom fremder Wörter zeitlich begrenzt und auf bestimmte Sprecherkreise beschränkt
war. Im Unterschied zu den früheren Jahrhunderten, wo Wortimporte in der Form, in der sie
erstmals übernommen wurden, zumeist auch die endgültige war, ist die Situation heute eine
andere. Die Medien haben einen großen Bedarf an neuen Bezeichnungen und auch an
Fremdwörtern. Die Sprachimporte bleiben heute nicht mehr auf die eine oder andere Fach-
oder Sondersprache beschränkt. Der Computerjargon ist dafür ein gutes Beispiel. Dieser
Jargon beschränkte sich ursprünglich auf die Fachsprache, da aber die Computer Teil des
Alltags geworden sind, gehen große Teile dieses Wortschatzes in die Alltagssprache über. In
wichtigen Lebensbereichen, in einigen Wissenschaftszweigen, in der Werbung, in der
Popmusik, in der Mode und im Tourismus sind heutzutage fast alle wichtigen Begriffe
fremder Herkunft.
Der Ansturm der Anglizismen auch auf das alltägliche Deutsch ist so gewaltig –
meinen viele Zeitgenossen – dass sie um die Zukunft der deutschen Sprache bangen und
fürchten. Dies ist aber kein kulturelles Phänomen, sondern ein kommerzielles: Ein
59 Ebd.
135
Schneebrett verkauft sich z.B. schlechter als ein Snowboard. Englisch ist deshalb erfolgreich,
weil es eine einfache und internationale Sprache sei.
Es geht nicht um eine Abwehr, sondern auf die Aufnahme, nicht der Fremdwortimport
an sich, sondern die Unfähigkeit, das Fremde zu assimilieren stören. Sicherlich hat das
Englische für Änderungen in der deutschen Sprache gesorgt; der englische Einfluss auf die
deutsche Sprache sei aber harmlos im Vergleich dazu, wie Französisch und Latein auf das
Deutsche eingewirkt hätte - das ist die Schlussfolgerung, zu der die Referenten und
Teilnehmer an der Tagung „Das Schicksal europäischer Sprachen im Zeitalter der
Globalisierung – die Zukunft des Deutschen” (New York, 2002)60 gelangten.
Nicht die Verarmung der Sprache ist die wirkliche Gefahr, sondern der Verlust von
kulturellen Eigenheiten und von Vielfalt. Die Sorge um die zahlreichen Anglizismen im
Deutschen bestehe und ist ernstzunehmen, doch machen sich wenige Experten Sorgen.
Durch Importe wird die deutsche Sprache zwar nicht nur verändert, sondern auch bereichert.
Historische Beispiele belegen, dass Sprachen „neu aufleben” wenn Fremdsprachen auf sie
einwirken. Kaum eine Sprache kommt ohne Lehnwörter aus anderen Sprach- und
Kulturräumen aus. Die Klagen über die gefährliche Überflutung sind unbegründet und so alt,
wie die Sprache selbst. „Mit englischen Ausdrücken kommt Power in die deutsche Sprache
… ‘Lass uns tanzen gehen’ ist fucking altmodisch […] ‘einkaufen’ klingt grässlich, nach
Mineralwasserkästenschleppen und Kartoffeln im Netz. ‘Shoppen’ – da ist Fun,
Geldausgeben light […] Eine lebendige Sprache ist immer offen für fremde Einflüsse, nur
wenn sich eine Sprache weiterentwickelt, bleibt sie erhalten.” (Titus Arnu, „Süddeutsche
Zeitung”, 23./24.5.1998, S. VII).
Die Debatte um die Zukunft der Sprachen in Europa, ihr Schicksal im Zeitalter der
Globalisierung wird auch zur Zeit mit emotionaler Heftigkeit geführt: Die Dominanz des
Englischen und der Einstrom der Anglizismen spaltete die Öffentlichkeit in Pro- und
Contra-Lager auf. Die Linguisten sehen diese Entwicklung eher gelassen; man könnte
keineswegs von einer Invasion der Anglizismen sprechen, da es keine aktive Anstrengungen
gäbe, sie zu verbreiten.
Die Laienlinguistik und die Anglizismenjäger,61 deren Klagen über den nicht
aufzuhaltenden Sprachverfall nicht aufhören wollen, vergessen, dass jeder Sprachzustand
Altes und Neues, Eigenes wie Fremdes vereint – ein Nebeneinander, das nicht unbedingt
die Sprache zugrunde richtet und dass eine lebendige Sprache immer offen ist für fremde
60 A. Kreye, Süddeutsche Zeitung, 10.4.2002, S.16.
61 Niehr (2002, 9).
136
Einflüsse, sich weiterentwickelt und anwächst. Zum Schluss sei vermerkt: Das Leiden am
Verfall der deutschen Sprache ist alt, „doch alles Mäkeln muss einmal enden“. (Leserbrief
aus dem „Tagesspiegel“, 9.1.2000)62
62 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 5/2000, S. 6.
137
VORLESUNG 8: TENDENZ DER ANGLISIERUNG UND AMERIKANISIERUNG DER
DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE ALS EUROPÄISCHE SPRACHBEWEGUNG
1. Anglizismen in der deutschen Gegenwartssprache und in deutschsprachigen Publikationen
Was ist „deutsche Gegenwartssprache“?
Hans Eggers (1994, 9) definiert den Begriff „Gegenwartssprache“ als „diejenige
Sprachgestaltung, die seit dem Ende des letzten Krieges immer ausgeprägter in Erscheinung
tritt“. Die Bezeichnung bezieht sich eigentlich auf „die Sprache der jeweils lebenden
Generation“; Eggers möchte den Terminus als Epochenbegriff verstanden wissen. Eine
anfängliche Phase der Gegenwartssprache währt bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Von
da an vollziehen sich Änderungen, so dass nach dem Zweiten Weltkrieg ein Zustand der
Schriftsprache erreicht worden ist, dessen Strukturen sich deutlich als neuartig
charakterisieren lassen. Was mit dem Begriff „heutiges Deutsch“ gemeint ist, ist nicht nur die
vertraute Umgangssprache, sondern auch die öffentliche Sprache: die Sprache der
Werbung, der Medien, der gedruckten Mitteilungen, der Behörden.
Es ist bekannt, dass sich der Wortschatz der deutschen Sprache – wie der aller
modernen Sprachen seit dem 19. Jh. – durch Entlehnungen aus anderen Sprachen,
besonders dem Anglo-Amerikanischen, beträchtlich erweitert hat. Bei der Verbreitung der
Schwerpunkte: ⇨ Anglizismen in der deutschen Gegenwartssprache und in
deutschsprachigen Publikationen ⇨ Ursachen der Anglizismenaufnahme ⇨ Besonderheiten
des angloamerikanischen Zustroms (Themenbereiche und Erscheinungsformen) ⇨ Vorzüge
und Nachteile der Übernahmen: Nutzen oder Schaden? Bereicherung oder Störung? ⇨
Funktionen der Anglizismen (Fremdwörter) ⇨ Weder Deutsch noch Englisch: Denglitsch,
Denglisch, Deutschlisch, Engleutsch, Germeng, Deuglisch! ⇨ Die Geltung der deutschen
Sprache in der Welt ⇨ Deutsches Wortgut in den Nachbarsprachen und Germanismen im
Englischen
138
Fremd- bzw. Lehnwörter spielen die Medien als Informationsträger eine wichtige Rolle. Die
Massenmedien z.B. haben einen starken Einfluss auf den Übergang fachsprachlicher
Fremdwörter in den nichtfachgebundenen Gebrauch und damit auf deren
Entterminologisierung, sie können auch die Frequenz der Übernahme beeinflussen.
Die Standardsprache erhält eine neue Qualität durch die Medienwelt, die sich mit
dem 19. Jh. entwicklet: Telefon 1879, Rundfunk 1923, Tonfilm 1929, Fernsehen 1952.
Zu der Vermehrung und Differenzierung der Information haben die Massenmedien
entscheidend beigetragen. Diese bringen täglich neue Informationen und Worte in Umlauf.
Das Fernsehen63 dominiert heute die Medienlandschaft, aber auch das Freizeitverhalten der
Bevölkerung: Champions-League Matches, Talk Shows, Daily Soaps, Night Shows, Morning
Shows, Classical Channels, Science Fiction Channels - die Dominanz amerikanischer
Produktionen auf dem deutschsprachigen Filmmarkt ist offensichtlich; manche englische
Filmtitel werden oft gar nicht mehr übersetzt.
Das durch Satellit, Kabel u.ä. übertragbare audiovisuelle Medium bietet weltweite
Empfangsmöglichkeiten. Als Informationsträger spielen die Medien heute eine wesentliche
Rolle bei der Verbreitung der Fremdwörter. Darüber hinaus muss auf die vielen Fehler, die
sich einschleichen, weil die Journalisten durch die Terminhetze überarbeitet sind,
hingewiesen werden.
Es ist wichtig, dass die Sprachgemeinschaft auf den öffentlichen Sprachgebrauch
aufmerksam gemacht wird. Vor allem die Tagespresse äußert sich kritisch gegen die
Anglizismen-Konzentration. Auf der Jahrestagung 1999 „Sprache und neue Medien“ des
Instituts für deutsche Sprache (IdS) in Mannheim wurde über die Wechselwirkung zwischen
Sprache und neuen Medien heftig debatiert. Umstritten sei, ob die neuen Medien eine große
Veränderung des sprachlichen Repertoires bewirkten, oder ob es gar keine neue Sprache im
Internet gebe. „Neue Kommunikationsformen waren schon immer Motor von
Sprachveränderungen“, bemerkt Heike Marx („Stuttgarter Zeitung“, 20.3.1999)64.
Die neue Schriftkultur im Internet als Diskussionsgegenstand ließ offen, ob damit eine
Auffrischung der deutschen Sprache erfolge und ein unverkrampfter Schreibstil im Entstehen
sei, oder ob mit den E-Mails das endgültige Ende der deutschen Briefkultur erreicht sei. Fest
63 Hörfunk 1923 in der BRD, Fernsehen 1952 in der BRD, 1955 in der ehemaligen DDR, 1957 in Österreich.64 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 5/1999, S. 6.
139
stehe allerdings, dass das Internet mit seinen E-Mail-Möglichkeiten einen „Schreibboom“
speziell bei jüngeren Menschen ausgelöst habe.
Sprachkritiker behaupten, dass die Presse (auch Fernsehen, Radio und Internet)
besonders viele Anglizismen verwendet. Anglizismen in der deutschen Gegenwartssprache
sind auf Grund gegenseitiger Einflüsse eine normale Erscheinung des Sprachkontakts. Viele
sind je nach der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lage als
Modeerscheinung aufzufassen, deren Dasein deshalb als temporär, nicht wirklich als
dauerhaft zu betrachten ist.
Das Vorkommen der Anglizismen in den Medien hat eine vielfache linguistische
Interpretation erfahren.
Im Folgenden sollen einige Beobachtungen zu dem heutigen Sprachbild aus der Sicht
deutschsprachiger Publikationen angestellt werden. Dabei wird nach den Erklärungen für das
Vorkommen englischer Transferenzen gefragt. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, wie
sich diese dem Deutschen angepasst haben, in welcher Form sie in den Zeitschriftentexten
einfließen. Gefragt wird nach: den Ursachen oder Bedingungen (WARUM?), die für ihr
Erscheinen ausschlaggebend waren; dem Bereich, aus dem Material übernommen wurde
(WAS?); dem Grad ihrer Integration ins deutsche Sprachsystem, nach ihrer
Erscheinungsform (WIE?); den Vorzügen des Wortimports, Funktion bzw. Leistung
(WESHALB?).
Ausgangspunkt weiterer Überlegungen ist auch die Frage, wie sich die
Sprachlandschaft im publizistischen Diskurs unter Einwirkung fremdsprachlicher Einflüsse
gestaltet. Oft wurde die Art und Weise kritisiert, wie die Medien mit englischen Ausdrücken
umgehen. Die Sprachpraxis in den Medien, das „große Gewicht“, das die öffentliche
Kommunikation im Bewusstsein der Kommunikationsteilnehmer und –beobachter im
Vergleich zu anderen Kommunikationsbereichen besitzt, hat dazu geführt, dass zahlreiche
fremdsprachliche Elemente auch in die alltägliche Sprache eindrangen. Dabei ist es zu einer
Überbewertung lexikalischer Transferenzen in den Medien gekommen. Allgemein betrachtet,
handelt es sich hier um die Darstellung eines Ausschnitts aus dem öffentlichen
Sprachverkehr, der auf Entwicklungstendenzen im gegenwärtigen deutschen Wortschatz
hindeutet. Aus dieser Sicht rücken immer häufiger Fragen in den Mittelpunkt der Diskussion
um den Themenkomplex „Entlehnung”: Warum werden Sprachimporte aufgenommen?
Welche Funktionen können ihnen zugeschrieben werden? Finden sie deshalb Aufnahme,
weil sie als ‘Zeichen der Zeit’ in sind? Wie hoch ist der Grad ihrer Eindeutschung? Wird die
140
deutsche Sprache von Anglizismen gefährlich überflutet? Kann man von einem sog. „Ami-
Deutsch“ (Probst 1989) sprechen? Wie groß ist die „Schuld“ der Medien an der Förderung
dieses Prozesses?
Das Korpus besteht aus Texten deutschsprachiger Publikationen aus Deutschland
und Österreich. Es handelt sich um Wochenzeitungen wie folgt verteilt: zwei aus der
Bundesrepublik Deutschland (Zeitmagazin und Gala) und zwei aus Österreich (Profil und
News). Bei sämtlichen Zeitschriftenartikeln aus den ausgewählten Druckmedien sind auch
die formalen Kennzeichnungen (Überschriften, typographische Hervorhebungen,
Bildunterschriften) mitberücksichtigt worden. Die Anzeigenwerbung (die übrigens in diesen
Zeitschriften häufig mit englischsprachigen Elementen besetzt ist) wurde nicht berücksichtigt.
Die Entscheidung fiel auf diese Publikationen, da sie einen etablierten Platz im deutschen
bzw. österreichischen Pressewesen einnehmen. Diese nicht fremdwortscheuen
Publikationen richten sich an ein breites und heterogenes Publikum. Es ist anzunehmen,
dass die Journalisten, die die Texte dieser Zeitschriften verfassen, Anglizismen gegenüber
aufgeschlossener sind. Die Untersuchung beschränkte sich auf Substantive mit englischer
oder amerikanischer Schreibweise, Verben und Adjektive blieben unberücksichtigt. Es
wurden zwei deutsche Wochenzeitschriften aus der BRD und zwei aus Österreich einander
gegenübergestellt und auf die Häufigkeit von Anglizismen, sowie deren Verteilung auf
bestimmte thematische Bereiche hin untersucht. Es sollte auch ersichtlich werden, dass die
Vorzüge mancher Wortimporte auf der Hand liegen, dass die Empfängersprache Deutsch
durch Importwörter nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ angereichert wird.
Was sind Anglizismen?
Unter Anglizismen (genauer Amerikanismen wenn man die Herkunft des
übernommenenen Wortes angeben will) sind Wörter oder Ausdrücke zu verstehen, die aus
der englischen Sprache in die deutsche Sprache übernommen wurden. Dazu gehören auch
Ausdrücke, die schon seit längerer Zeit zum Worschatz der deutschen Sprache gehören
(Athlet, Produkt, Reporter, Interwiev usw.).
141
2. Ursachen der Anglizismenaufnahme in deutschsprachigen Publikationen
Eine synchrone, d.h. dynamische und flexible Sprachbetrachtung muss die Ursachen, den
Zweck und das Ausmaß der Übernahme von englischen Herkunftswörtern berücksichtigen,
die Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache als Wandel vs. Veränderung und
Entwicklung begreifen. Zur Ermittlung des englischen Einflusses auf die deutsche Sprache
können unterschiedliche Ansätze führen. Der hier vorgezogene Weg, deutschsprachige
Pressezeugnisse aus einem Zeitraum als Ausgangspunkt der Untersuchung zu machen,
bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich: Der Vorteil liegt einerseits darin, dass Gegenstand
unserer Untersuchung Wochenzeitschriften darstellten, die den Zeitdruck nicht kennen, d.h.
von vornherein ein inflationärer Anglizismengebrauch nicht zu befürchten war. Andererseits
liegt ein weiterer Vorteil darin, dass Pressetexte gegenwartsbezogen sind, die Möglichkeit
bieten, mit aktuellen und neuen Erscheinungen in der Sprachlandschaft konfrontiert zu
werden. Die Darstellung des englischen Einflusses auf das Deutsche muss in Betracht
gezogen werden als Teil einer (Sprach-)Realität. Als ‚Zeitspiegel‘ muss diese Erscheinung
entsprechend wahrgenommen und untersucht werden.
Wörter können aus sehr vielfältigen, auch versteckten Gründen entlehnt werden. Als
Sprachträger profitieren wir von dem Sprachkontakt, der Ausdrucksvarianten liefert und somit
Feinnuancierungen erlaubt. Aus diesem Blickwinkel muss man die entlehnten Wörter
betrachten.
Wie andere Sprachen auch, wurde die deutsche Sprache im Laufe ihrer
Entwicklungsgeschichte verschiedenen sprachlichen Einflüssen ausgesetzt. In der Mitte des
20. Jhs. wandten sich die Linguisten diesem Phänomen mit größerer Aufmerksamkeit zu.
Als wichtigste Quelle für die neuen Ausdrücke fungiert in der ersten Hälfte des 20 Jhs.
das britische Englisch. Die politische, technische, wissenschaftliche und wirtschaftliche
Macht der USA heute deutet darauf hin, dass der Einfluss des amerikanischen Englisch
wesentlich größer ist, als der des Britisch Englischen auf das Deutsche. Der Marshall Plan,
die amerikanischen Besatzungstruppen und die NATO, die amerikanische (Welt-)Politik, die
wirtschaftlich-technischen Entwicklungen, der Kalte Krieg, aber auch durch die Mitteilungen
der Nachrichtenagenturen, den Englischunterricht in den Schulen, die Tatsache, dass
Englisch zur Wissenschaftssprache und Weltsprache emporkam, auch in der Wirtschaftswelt
und Weltwirtschaft führend ist, ihre starke Verbreitung durch die elektronischen Medien, nicht
zuletzt der hohe Verwandtschaftsgrad zwischen den beiden Sprachen führten dazu, dass
142
(fach)sprachliche Transferenzen breitwillig aufgenommen werden, dass fremdes
Wortmaterial eingebürgert wurde. Bei den Ursachen, die zu sprachlichen Transferenzen
geführt haben, spielen folglich außersprachliche und innersprachliche Faktoren eine
entscheidende Rolle. Für die Art und den Umfang der Übernahme fremden Wortgutes in die
deutsche Sprache konnten unterschiedliche Ursachen ausfindig gemacht werden. Der große
Zuwachs an fremden – vor allem englischen Wörtern - Wörtern kennzeichnet eine
Entwicklung, die auch in anderen modernen Sprachen verfolgt werden kann (vgl. die
Bezeichnung Franglais für anglisiertes Französisch). In einer Welt der schnellen und
vielfältigen Kommunikation, müssen linguistische Interferenzen berücksichtigt und richtig
gedeutet werden.
Im Zeitalter der Computer, des Internet und der Satellitenkommunikation haben sich
auch die Mittel des sprachlichen Kommunizierens verändert; Anglizismen sind als ‚Zeichen
der Zeit‘ zu deuten, die die Realitäten unserer Zeit widerspiegeln. Man denke an die
Internationalisierung des Informationswesens auch an die allgemeine Orientierung des
Journalismus am amerikanischen Vorbild,65 an die sprachbildende und sprachnormende
Funktion der Presse.
Der „natürliche Feind der Sprache“ (Wiglaf Droste, „tageszeitung“, 24.7.1998)66 ist der
Journalist, der Sprachmodelle liefert. Seine Neuerungen werden durch die Medien verbreitet.
Dadurch wird ihnen die Aufnahmemöglichkeit geboten, in den Sprachgebrauch überzugehen,
d.h. von der Kommunikationsgemeinschaft akzeptiert zu werden. Ob sich ein neues Wort –
sei es auch ein Anglizismus - durchsetzen wird oder nicht, darüber entscheidet die
Sprachgemeinschaft.
In den internationalen (Kultur-)Beziehungen spielt die internationale Lexik eine
wichtige Rolle. Zahlreiche Anglizismen haben im gegenwärtigen Deutsch eine besondere
Verbreitung gefunden. Man sucht kein deutsches Wort wenn man mit englischen Wörtern
auf eine einfache Art modern, witzig erscheinen kann.
Manche Anglizismen sind bereits derart selbstverständlich geworden, dass sich kaum
noch jemand an ihren englischen Ursprungs erinnert (z.B. PC, Baby, Star). Bei vielen
Anglizismen handelt es sich um längst eingebürgerte – deshalb verständliche – Importe, bei
denen die Kürze (z.B. CD und PC) und Prägnanz bei der Entlehnung ausschlaggebend war.
65 z.B. orientiert sich „Der Spiegel” an den Publikationen „Time” und „Newsweek”. Die bekannte ‚Spiegelsprache‘ folgt auch „in stilistischer Hinsicht angloamerikanischen Mustern“. (Glück/Sauer 1990, 98)66 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S.5.: „In diesen grauen Tagen kommt viel zusammen. Die Bundesliga ist grippegeschwächt. Ministerpräsident Strauß wegen Hexenschuss nur begrenzt konfliktfähig […]“.
143
Darunter findet man das so beliebte Handy, Party und Baby. Body und Power können als
überflüssige Übernahmen betrachtet werden; hier geht es vor allem darum, Modernität zu
signalisieren. So klingt auch Make-up moderner als das deutsche Pendant („Schminke”) und
„der Säugling” musste dem Baby weichen. Praktischer klingt auch Shirt,Trend, Job. Look
konkurriert mit Aussehen.
Aus sprachökonomischen Gründen werden englische Wörter bevorzugt, die häufig
kürzer sind als die entsprechenden deutschen: Team, Hit, Fan, Gag, Job, fun, fit. Siehe
hierzu auch die Zeitungsüberschriften, wo möglichst viele Informationen vermittelt werden
sollen, in möglichst wenigen Wörtern; d.h. man versucht auf eine knappe Art, sich präzise
auszudrücken.
Oft werden englische Wörter unverändert übernommen, obwohl eine deutsche
Entsprechung vorhanden war: Baby, Show, Make-up. Englische Wörter werden unverändert
übernommen, aber dekliniert: Job, Team. Manche Eindeutschungen decken das englische
Wort nicht richtig ab. Bei manchen Übernahmen hat man nicht nur die Bezeichnung, sondern
auch die Sache entlehnt (CD). Manche Anglizismen können aus Bequemheit oder zur
Imagepflege eingesetzt werden.
Im Gegensatz zu den deutschen Wörtern werden manche Importe von den
Sprachbenutzern als neutral empfunden. Manche Importe, die in den Fachsprachen neutral
gebraucht werden, werden in der Pressesprache mit einem expressiven Wert aufgeladen.
Wie in den Fachsprachen auch erscheinen in der Pressesprache englische und
deutsche Bezeichnungen nebeneinander, synonymisch gebraucht: Das aus dem
Französischen entlehnte Chef erscheint in vielen Zusammensetzungen. Mit Chef konkurriert
das im 20. Jh. aus dem amerikanisch Englischen übernommene Boss, das häufig negativ
konnotiert erscheint (ebenfalls in vielen Zusammensetzungen)(Kovtun 1996). Chef hat im
Deutschen die Bedeutung „Vorgesetzer, Leiter einer Dienst- oder Arbeitsstelle”, im
Englischen aber die Bedeutung “Chefkoch”, während im Französischen beide Bedeutungen
auftauchen. Die fachsprachliche Bedeutung eines Begriffs erfährt im öffentlichen
Sprachgebrauch oft eine Erweiterung/Verallgemeinerung (z.B. Manager); im
Computerbereich erscheinen unter dem Einfluss des amerikanischen Englisch
Bezeichnungen wie Datei, Programmanager. Der Gebrauch mancher Anglizismen zeigt,
dass sich der ursprüngliche Fachbegriff auch auf andere Bereiche ausgedehnt hat. In der
Sprache der Berufswelt erscheinen sehr viele Neologismen. Oft dienten sie der sozialen
Aufwertung einer Berufstätigkeit. Besonders beliebt sind Substantivableitungen auf „-er“.
„Manager“, „Fachmann“ und „Spezialist“sind beliebte Grundwörter. Lehnwörter aus dem
144
Englischen gehören zum heutigen Berufsdeutsch. Die Sprecher des Managerlateins (siehe
Fachdienst Germanistik, Sprache und Literatur in der Kritik deutschsprachiger Zeitungen
9/1993, S.6) möchten mit der Verwendung englischer Fachausdrücke ihre Kompetenz und
natürlich ihre Zugehörigkeit zur Führungsebene beweisen.
Viele Anglizismen erweisen sich als besonders produktiv, da nicht nur fachsprachliche
Bezeichnungen geschaffen werden, sondern auch viele Ad-hoc-Komposita. In zahlreichen
Zusammensetzungen erscheinen Anglizismen sowohl als Bestimmungswort als auch als
Grundwort. Nach der Konstituentenanzahl überwiegen zweigliedrige Komposita. Viele
Komposita sind Mischbildungen aus englischen und deutschen Konstituenten. In Texten
können Komposita mit oder ohne Bindestrich erscheinen. Nicht nur die Komposition, sondern
auch die Ableitungen sind ein Nachweis der großen Produktivität von Anglizismen (vgl. die
Bildungen mit Star-, Team-, Pop- usw.). Manche Präfixableitungen weisen Präfixe auf, die
aus dem Englischen entlehnt worden sind. Dann wird in der Regel ein Bindestich gesetzt
(Co-, Ex-).
Viele Anglizismen haben sich dem deutschen Sprachsystem integriert; durch die
Konkurrenz mit heimischen Entsprechungen entstehen Synonyme. Darüber hinaus werden
Anglizismen in der Presse bewusst mit expressiven Charakter aufgeladen und erhalten
einen Prestigewert.
Die Ableitungen und Zusammensetzungen dieser übernommenen Wörter können
unterschiedlich lange im Gebrauch sein, das Zustandekommen zahlreicher Bildungen mit
Lexemen englischen Ursprungs deutet auf ihre Produktivität hin. Damit ist aber nicht nur die
Flexibilität der deutschen Sprache angesprochen, sondern auch die Bereitschaft der
Sprachteilhaber, das Deutsche mit anderen und neuen Wortschatzeinheiten anzureichern
und sprachlich zu differenzieren: Team, Star, Interview, Job, Show, CD, Handy, Trend, Party,
Designer/in, Pop, Baby, Check-up, Tech, Design, Make-up, Look, PC, Image, Online, Body,
Chef, Shirt, Power, Model.
145
3. Besonderheiten des angloamerikanischen Zustroms (Themenbereiche und Erscheinungsformen) in deutschsprachigen Publikationen
In den deutschsprachigen Zeitschriften tauchen nicht nur einfache Anglizismen auf, sondern
auch Fügungen, Sprachspiele und Zusammensetzungen mit englischen Herkunftswörtern.
Des Weiteren gibt es Zusammensetzungen oder Abkürzungen englischer Herkunft, die einen
festen Platz im deutschen Wortschatz eingenommen haben. Hier eine Auswahl:
Wortspiele auf Grund der Klangidentität: Radio für die Zushower, Gorbatshows
ungewöhnliche Zusammensetzungen, Fügungen und Nachbildungen: Outsein,
Websonet, Talkkönig, in den Sixties
ungewöhnliche Bildungen wie Pop-Fräuleinwunder, Advent-Drink, Fitness-Guru,
Aftershow-Party, Musiktheaterhappening oder die Pluralform Kiddies
Produkt-/Firmennamen und Filmnamen wie: Wonderbra, Jonny Walker, Rolls Royce,
Boss, Levi‘s Jeans, Jeep, Macintosh-Apfel, Tristar-Boss, Baywatch-Team, Bond, Cola-
light, Big Mac, Guiness, Law & Order, Flower Power
Verschiedenes aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum: Oscar, Bigfoot, First
Lady, Wimbledon, First Lady, Oscar, Hollywood
Bezeichnungen für Musikrichtungen: New Age, New Beat, New Wave, Hip-Hop
Bezeichnungsexotismen: die Queen, Queen Mum, Queen Mother, Royals, Twin-
Tower
das “Fremdwort” ist eigentlich kein Fremdwort, sondern ein deutsches Wort, das nach
einem englischen Vorbild gebildet wurde: Netzwerk, Wochenende
Wörter, die es im englischen Sprachraum gar nicht gibt, tauchen aber im Deutschen
auf: Smocking statt Dinner jacket. Andere Scheinanglizismen: Happy End, Know-how,
Talkmaster, Showmaster
darüber hinaus zeichnet sich deutlich die Tendenz ab, Wörter zu verkürzen. So
erscheinen neben den englischen Kurzwörter/Abkürzungen wie: CD-ROM, LP,
UNICEF, RAM, GAP, VHS, HIV, AIDS, NBA, IBM, CNN, BBC, CBS, MTV, FBI, US,
UN, VIP, R‘n‘B, R&B, SciFi-, PIN-Code, DOW, TV, IQ, PC, NATO, DVD, GSM, UNO,
DJ, USA, SMS, CIA, FBI, X-Mas, &Co;
aus sprachökonomischen Gründen werden englische Wörter bevorzugt, die häufig
kürzer sind als das entsprechende deutsche: Team, Hit, Fan, Gag, Job, fun, fit
zahlreiche Bildungen z.B. mit den Elementen ‚FBI‘: -Akademie, -Trainingsübung, -
Erfahrung, -Agenten, -Methoden und ‚NATO‘: -Beitritt, -Einsätze, -Norm, -Drohungen,
146
Gründer, -Hauptquartier, -Hubschrauber, -Partner, -politik, -Länder, -Macht, -Manöver
usw.
es treten Komposita auf, die englische Konstituenten haben, die reihenbildend wirken.
Sehr zahlreich sind auch die Serienbildungen und mit fit und fun: Just for Fun (-Bier, -
Hütte), Fit for Fun-Pärchen, Fun-Jünger, Sixpack-Fun; andererseits sind Bildungen mit
All-inclusive- auch vertreten
Bildungen mit Bindestrich: food-for-war-Projekten, Go-see, side-to-side-Test, push-up-
push-BH‘s, high-risk-Millionen, high-risk-Investment; Nicht-Raucher-Policen, Twin-
Tower, Inferno, Make, All-in-One-Angebot, All-inclusive-Angebote, Round-Table-
Gespräch, Drop-out, Raten, das Take-off, der Take-over, Drop-out-Raten, High-Tech-
Betrachtung
was die Wortbildung angeht, muss gesagt werden, dass viele Entlehnungen mit
deutschen Prä- oder Suffixen erscheinen oder dass umgekehrt, deutsche Wörter
Fremdaffixe aufweisen. Sehr zahlreich erscheinen auch die Lehnpräfixe Ex-, Mega-,
Super-. Als Mischkomposita erscheinen z.B. mit der Komponente Aids: -krankheit, -
stiftung, -forschung, -helfer, -hilfe, -kranke, -schleife
weiterhin kann ein Schwanken zwischen der neuen deutschen und der alten
englischen Schreibweise festgestellt werden, wie z.B. die alternative Schreibung mit
C/K (in Club/Klub), oder ss/ß. In Show, Shorts, Shopping wird die englische ‚sh‘-
Schreibung beibehalten
auffallend ist auch die variierende Schreibweise in einigen Fällen: Kashmir, Kaschmir
vs. Cashmere, Fit/fit, Fun/fun, Boss/ß, Fitness/ß, Business/Busineß, Dress/ß, Model/ll,
Miss/ß, Model/ll, Power-Frau/Powerfrau, Bodystyling/Body-Styling, Club/Klub
bei einigen Wörtern zeigt sich der Grad der Eindeutschung an der vom Englischen
sich unterscheidenden Schreibweise
auffallend sind auch die Sprüche und Slogans: Love-Not-War-Event, Dress-for-
Succes, Summer Time is Party-Time
zahlreich vertreten sind auch Movierungen
von der großen Produktivität mancher Anglizismen zeugen die Zusammensetzungen
mit –Show (TV-, -Talker/Talkerin, Talk-Show, -Gast) oder Zusammensetzungen mit
Handy- (-Verbot, -Provider, Super-, -Nation, -manie, -telefonierer, -nummer, -zubehör,
-benutzer, -besitzer, -freaks, -industrie, -Kunde, -Ass, -Netz, Foto-, -Postkarte, Super-,
MMS-, -branche, -Anbieter-, -Zukunft)
147
englische Wörter werden unverändert übernommen, obwohl eine deutsche
Entsprechung/Übersetzung vorhanden war: Round-Table-Gespräch statt
Rundtischgespräch, Tennis-Hero statt Tennisheld (vgl. auch Jogging, Pipeline,
Showbusiness, Swimmingpool); andererseits erscheint in den österreichischen
Publikationen Leibwächter statt Bodyguard
es erscheinen auch alte Lehnwörter wie Koks, Klub oder Film. In den Zeitschriften aus
Österreich wird die Schreibweise Klub der Schreibweise Club bevorzugt
viele Wörter sind über das Engl.-Lat. (Sex, Bonus, Box, Video), Franz.-Engl.
(Tourismus) oder Lat.-Franz.-Eng. (Skript, Test, Essay, Discount, Interwiev, Konzern,
Komitee, Report) ins Deutsche gekommen
mehrsilbige, auch schwer aussprechbare Wörter werden vor allem dann übernommen,
wenn keine deutsche Entsprechung vorhanden ist, aber Benennungslücken
erscheinen: Establishment, Know-how, Countdown
englische Wörter, die keine deutsche Übersetzung haben, werden unverändert
übernommen und nicht dekliniert: Blackout, Countdown, Hardware, Joint Venture,
Walkie-talkie
manche englische Wörter werden unverändert übernommen, aber dekliniert: Job,
Team, Training
englische Wörter werden übernommen, die sich aber in Aussprache und Grammatik
dem deutschen Sprachsystem angepaßt haben
hybride Bildungen rufen Unsicherheiten hervor hinsichtlich der Plural-, Kasus- und
Genusbildung. Auch bei eingedeutschen Lexemen können Probleme auftauchen.
es können folgende Bemerkungen zu der Schreibweise des fremdsprachlichen
Wortgutes gemacht werden: Ein Wort im Text kann erklärt werden. Das fremde Wort
kann hervorgehoben werden – durch Anführungszeichen, Kursivdruck, Fettdruck oder
beides. Die Großschreibung deutet darauf hin, dass sich das Wort dem Deutschen
angepasst hat.
es ist eine Bevorzugung des Bindestrichs feststellbar. Dabei muss gesagt werden,
dass viele Schreibweisen von den orthografischen Regeln und Einträgen des
Rechtschreibdudens abweichen; die Zusammenschreibung entspricht der geltenden
Regelung. Bindestrichkopplungen werden bevorzugt bei: Präfixen, insbesondere
fremden (Ex-, All-, Mega-Super-, Vice- erscheinen im Korpus); bei Kurzwörtern als
erster Konstituente (Aids-Hilfe); bei Zusammensetzungen mit nicht- als erster
Konstituente (Nicht-Arbeit). Bindestrich erfogt auch beim Zusammentreffen von zwei
148
oder drei Vokalbuchstaben in Komposita (siehe auch die zahlreichen Bildungen mit
Gala-). Auch fremdsprachige Elemente als Bestimmungsglieder machen den
Bindestrich in hybriden Komposita notwendig (Bildungen mit High-Tech-, mit -Laden,
mit Show-, Business-, -Manager). In Werbetexten und Überschriften werden
Bindestriche regelabweichend als optisch-grapfsche Wirkungskomponente und als
Rezeptionsanreiz häufig genutzt. Die zunehmende Verwendung des Bindestrichs ist
ein Zeichen der fortschreitenden Nominalisierung als Entwicklungstendenz der
Sprache.
149
Die 25 häufigsten Anglizismen in dem Zeitschriftenkorpus (1996 – 2002) sind: in den
Publikationen ZEITMAGAZIN und GALA: Star, Show, Team, Designer/in, Job, Check-up,
Make-up, Pop, CD, Interview, Shirt, Trend, Power, Jeans, Body, Design, Model, Pool, Look,
Baby, Profi, Story, Hip-Hop Hobby, Fitness, Hit, Image, Tech, Training; in den Publikationen
PROFIL und NEWS: Interview, Team, Handy, Job, CD, Trend, Tech, PC, Baby, Chef, Online,
Show, Party, Jet, Comeback, Look, Boss, DVD, Pop, Designer, DJ, VIP, Deal, E-Mail.
Eine Betrachtung des Korpus zeigt, dass in folgenden Tätigkeitsbereichen der
englische Einfluss ausgeprägter ist: Technik, Industrie, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft,
Gesellschaftliches, Reise und Verkehr, Freizeit, Musik, Film, Medien, Sport. Die
Anglizismusforschung hat auf die Kurzlebigkeit angloamerikanischer Neubildungen
hingewiesen, auf das zeittypisch Modebedingte. Bei den Diskussionen um den aktuellen
Sprachwandelprozess und den Gesetzmäßigkeiten, die der Sprachentwicklung
zugrundeliegen, wurde auf Wortschatzveränderungen, die durch Neologismen, semantische
Verschiebungen und Entlehnungsprozesse hervorgerufen werden, hingewiesen und mit aus
Zeitungen, Illustrierten u.ä. stammenden Textvorlagen, mit Dokumenten aus dem öffentlichen
Sprachgebrauch in Deutschland belegt. Aus Zeitungen kann man ermitteln, wie sich die
Interessen der öffentlichen Diskussion innerhalb eines bestimmten Zeitraums verteilten, oder
was zu einer bestimmten Zeit das „Tagesgespräch” war. Das Interesse lässt sich an der Zu-
oder Abnahme bestimmter Wörter ablesen. In unterschiedlichen Frequenzuntersuchungen zu
Anglizismen im Deutschen stand vor allem die Zeitungssprache im Vordergrund des
Interesses. Auch in den letzten Jahren sind Untersuchungen zur Frequenz veröffentlicht
worden, in denen die ermittelte Textfrequenz zwar variierte, eine steigende Tendenz
trotzdem offensichtlich war. Allerdings muss gesagt werden, dass der Aussagewert solcher
Untersuchungen von unterschiedlichen Faktoren mitbestimmt wird bzw. modifiziert werden
kann. So können Textart oder Publikationsart, Zeitraum, Umfang und Zeitpunkt der
Untersuchung das Ergebnis beeinflussen.
150
4. Vorzüge und Nachteile der Übernahmen: Nutzen oder Schaden? Bereicherung oder Störung?
Als lingua franca stellt Englisch die Hauptquelle neuer Wörter in anderen Sprachen dar. Neu
ist der ausländische Einfluss auf jedenfall nicht, wie auch die Attacken gegen die
Anglizismen; Angst vor diesem Wandel und Tendenzen der „Verdeutschung“ gibt es schon
seit vielen Jahrhunderten. Man muss aber abwägen, was für Vorteile und was für Nachteile
der Fremdwortgebrauch mit sich bringt, nicht allgemein über Fremdwörter – sprich
Anloamerikanismen – urteilen. Es musst deshalb gefragt werden: Anglizismen -
Bereicherung oder Störung? Anglizismen - Fremdwörter oder Fremdkörper? Anglizismen -
Nützlinge oder Fremdlinge? Fremdwörter – der Deutschen liebste Wörter? Wieviel Englisch
braucht der Mensch?
Es stellt sich nicht die Frage, ob man Fremdwörter gebrauchen soll oder darf, sondern
wo und wie und zu welchem Zweck man sie gebrauchen kann oder soll.
Unvermeidlich sind Anglizismen nur bis zu einem gewissen Grad. Viele Entlehnungen
haben einen festen Platz im deutschen Wortschatz und werden auch als Synonyme zu den
heimischen Wörtern gebraucht. Viele von ihnen werden als un- oder halbassimilierte
fremdsprachliche Elemente zum Teil als störend empfunden.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Fremdwörtern bzw. Anglizismen im
Deutschen, die sich eingebürgert haben, weil sie sich nicht übersetzen lassen. Die Gründe
für ihren - oft auch unnötigen - Gebrauch liegen auf der Hand:
sie sind oft präziser;
sie vermitteln ein bestimmtes Image und Prestige;
sie klingen auf jeden Fall modern, weltläufig;
viele dienen auch der internationalen Verständigung.
Englisch ist nach dem Zweiten Weltkrieg als befreiend und offen empfunden worden.
Andererseits muss auch erwähnt werden, dass viele englische Wörter gebraucht werden,
obwohl ein treffenderes deutschen Pendant zur Verfügung stand oder die man mühelos
übersetzen könnte. Es bleibt aber dahingestellt, ob sich hinter folgenden Übersetzungen
kreativer Sprachwitz versteckt oder nicht, wenn z.B. ein Laptop zum Schossrechner
umbenannt, ein Snowboard zum Schneebrett umfunktioniert wird.
Sind Anglizismen für die deutsche Sprache gefährlich? Kann man sich gegen die
Anglizismenflut wehren? Die Antworten darauf können aus verschiedenen Perspektiven
kommen: Anglizismen stellen keine Gefahr dar, solange sie in der richtigen Bedeutung
151
verwendet oder übersetzt werden; den Regeln der deutschen Sprache unterworfen werden.
Darüber hinaus gehören manche der ‚modebedingten‘ Neulinge zu den wichtigen
Kommunikationsmitteln eines Weltbürgers. Nicht nur Fremdwörter, für die keine direkte
Entsprechungen in der Empfängersprache vorhanden sind, besitzen ein Daseinsrecht in der
Sprache.
5. Funktionen der Anglizismen (Fremdwörter)
Ein Anglizismus ist dann gut, wenn er nützlich ist, einen Zweck erfüllt. Die speziellen
Funktionen des Fremdwortes allgemein lassen sich in Opposition zu einheimischen
Sprachmaterial ableiten. Gewisse Fremdwörter werden in der Kommunikation bevorzugt
eingesetzt. Sie sind in vielen Kontexten notwendig, in anderen erweitern, variieren sie die
Möglichkeiten des Ausdrucks um auf diese Weise zur Bereicherung des Erbwortschatzes
beizutragen. Anglizismen sind nur dort zu verwenden, wo ihnen eine Funktion
zugeschrieben werden kann:
semantische Lücken auszufüllen;
einen Sachverhalt kürzer, treffender und deutlicher auszudrücken. Man sollte das
treffendere Fremdwort vorziehen, anstatt ein weniger anschauliches, weniger
treffenderes Wort oder eine umständliche Umschreibung. Fremdwörter sind auch
dann nötig, wenn das deutsche Pendant unvollkommen das fremde Wort umschreibt;
Anglizismen sind häufig sehr praktisch durch ihre Kürze und Präzision,
Ausdruckskraft und Deutlichkeit, aber auch durch die bewusst ausgenutzte
Vagheit;
stellen Anglizismen einen Zugewinn an Ausdruckskraft dar, bereichern sie das
Deutsche. Dieser Zugewinn an Ausdruckskraft jedoch sei heute – beklagen die
Sprachfreunde - bei den allermeisten neuen, meist aus dem Englischen und speziell
aus der Computersprache kommenden Wörtern nicht mehr auszumachen;
Anglizismen werden dort verwendet, wo kein deutscher Ausdruck bereitsteht. (Film,
Manager, Jackpot, Disco) Für die meisten gibt es keine adäquaten deutsche
Synonyme: ein Hit sei eben kein Schlager und für Hip Hop gibt es gar keinen Ersatz;
es gibt Fremdwörter oder Anglizismen im Deutschen, die sich eingebürgert haben,
weil sie sich nicht übersetzen lassen;
152
es gibt Wörter, die mit der Sache, die sie benennen, gemeinsam übernommen
werden und für die deutsche Entsprechungen gar nicht existieren: Zoom, CD, Internet.
Diese englischen Begriffe werden mit den entsprechenden Produkten aus dem
englischen Wirtschaftsraum importiert;
Fremdwörter können Eigenschaften annehmen, die sich von ihrem Gebrauch in der
Gebersprache unterscheiden. Es ist offensichtlich, dass englische Wörter moderner
klingen, oft enthält das englische Wort Bedeutungsnuancen, die den deutschen
Wörtern fehlen. Es gibt z.B. Beudeutungskomponenten in kids, die abwesend sind
in Kinder. Es geht hier also nicht unbedingt um “Wichtigtuerei”
ihr Gebrauch ist auch dann rechtfertigt, wenn Varietät oder stilistische
Sonderfunktionen (Fremdwörter als Stilträger; euphemistische Umschreibung
Striptease vs Entkleidungsnummer, Nackttanz), eine lexikalisch-begriffliche
Differenzierung oder stilistische Differenzierung angestrebt werden, wenn man
einen graduellen inhaltlichen Unterschied ausdrücken will,
in der Wahl eines Wortes ist nicht die Herkunft ausschlaggebend, sondern die
Leistung im Sprachgebrauch. Fremdwörter können auch positv auf die Sprache
einwirken, ihr Musikalität und Kolorit vermitteln
viele Eindeutschungen konnten die Fremdwörter nicht ersetzen, sie bereicherten
aber das Sprachinventar
dass das Fremde eine Signalfunktion hat, kann nicht übersehen werden.
Fremdwörter werden vom Sprecher oft bewusst und gewollt in den
Kommunikationsprozess eingeschleust: als Schmuck, Imagepflege, um anzugeben
– um sich damit von den Mitmenschen zu unterscheiden, um Fach-/Expertenwissen
zu signalisieren (Zunftjargon, Experten-Chinesisch), aus mangelndem Sprachgefühl,
Gedankenlosigkeit und Bequemheit. Hier bestimmt Außersprachliches den
Gebrauch eines Fremdwortes (vgl. folgende Aussage: „Man muss nicht unbedingt von
Kretins sprechen, wo man es mit Trotteln zu tun hat.“ Karl Kraus, „Fackel“
10.12.1915)67;
zwischen „sprachlichem Wandel, Fachausdruck und purer Nachlässigkeit und
Gedankenlosigkeit“ müsse man auch heute unterscheiden wissen, bemerkt Andreas
Bodenstedt („Süddeutsche Zeitung“, 6.6.1998).68 Die Grenze sei dort zu ziehen, „wo
67 Glück/Sauer (1990, 105).68 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S.5.
153
bereits ein ebenso brauchbares deutsches Wort existiert“ (Gerhard Grohs,
„Süddeutsche Zeitung“ 16.6.1998)69;
manche Anglizismen kennzeichnen wesentliche Phänomene des 20. Jahrhunderts
und bringen damit die Zeit/Epoche, welcher sie entstammen auf den Begriff, andere
sind bereits derart selbstverständlich geworden, dass sich kaum noch jemand an ihren
englischen Ursprungs erinnert. Teddybär, Jazz, Jeans, PC gehören ebenso zum
Deutschen wie Aids;
„sprachliche Illoyalität“ (Wolfgang Bader) und ein „geknicktes Selbstbewusstsein
aus historischen Gründen“ (Jörg Drews) sind weitere Ursachen, die die Aufnahme
von Importwörtern begünstigen würden70;
viele Sprachkritiker meinen, bei den meisten Anglizismen - mit Ausnahme der
fachsprachlichen – handle es sich um einen Sprachmissbrauch. Für viele ein
Ärgernis, für andere ein Versteck, eine bequeme Möglichkeit alles und nichts zu
sagen, sich anzubiedern und zu distanzieren, für jeden aber vielleicht eine
Möglichkeit, seinen Wortschatz zu erweitern.
Inzwischen dürften sich einige Fremdwortgegner davon überzeugt haben, dass die
Muttersprache Fremdwörter braucht. Die oft geäußerte Befürchtung, dass Fremdwörter
deutsche Wörter verdrängen, ist laut Kettemann (2002, 58) am Sprachmaterial nicht belegt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Leistung eines Wortes in einer Sprache entscheidend ist
und nicht seine Herkunft. Es droht keineswegs der Untergang der deutschen Sprache; es
gibt kaum eine Sprache, die ohne Lehnwortschatz auskommt – und wenn Ende des 20.Jhs
die Nationalstaaten an Bedeutung verlieren, wird dasselbe auch mit den Nationalsprachen
passieren.
Fremdwörter sind nicht abzulehnen, obwohl Fremdwortgebrauch und geringere
Verständlichkeit oft gleichgesetzt wurden. Über die Gefahren, die die Verwendung von
Fremdwörtern bergen, darf nicht hinweggesehen werden. Das Fremdwort ist nur dort
anzuwenden, wo es tatsächlich eine Funktion zu erfüllen hat.
Viele Fremdwörter decken einen Bedarf, andere sind “Luxuslehnwörter” (Stedje 1989,
169), die aus Prestigegründen entlehnt werden. Dort, wo Fremdwörter gehäuft auftreten,
kann das Verständnis durchaus gestört sein. Der fehlerhafte Fremdwortgebrauch oder eine
falsche Aussprache können zu Kommunikationsstörungen führen. Auf jeden Fall ist ein
unüberlegter, übermäßiger und unnötiger Fremdwortgebrauch abzulehnen. Eine nicht
69 Ebd.70 Ebd.
154
gerechtfertigte Häufung, unüberlegter Gebrauch insbesondere in fachexterner
Kommunikation sind nicht zu begrüßen.
In der Allgemeinsprache wird vor einem Prestigegebrauch überflüssiger Fremdwörter
gewarnt, der zum Teil soziale Unterschiede unterstreicht und darüber hinaus zu
kommunikativen Störungen führen kann. Anglizismen und Fremdwörter sind dann zu
vermeiden, wenn sie nicht verstanden werden, wo die Gefahr besteht, dass man sie
unvollkommen versteht. Deshalb ist ein vernünftiger Umgang mit Fremdwörtern zu begrüßen.
Viele sind sehr praktisch, so Job oder Team, andere sind kaum entbehrlich. Viele sind oft
schwerer verständlich, weniger anschaulich als das deutsche Gegenstück, soweit dieses
vorhanden ist, andere verleiten zu einer falschen Aussprache („Zwitter-Aussprache” wie z.B.
bei Roßbief).
In der Alltagssprache erscheinen viele Fremdwörter, die für jeden Sprachteilhaber
verständlich sind. Die Tatsache, dass ein Fremdwort verständlich ist, ist ausschlaggebend,
da aufgrund der fremden Herkunft Fremdwörter Schwierigkeiten im Gebrauch und im
Verstehen bereiten können; oft aber sind sie zu einem unentbehrlichen Bestandteil der
Sprache geworden. Bei der Vermittlung von Fachwissen an die Öffentlichkeit würden sich
Verständnisprobleme da einstellen, wo Fremdwörter verwendet werden. Den Vorwurf, den
man oft Fremdwörtern macht, ist, dass sie unklar, unpräzise, nicht eindeutig seien. Dasselbe
kann aber auch für deutsche Wörter gelten.
Der Fremdsprachenunterricht erhöht die Möglichkeit, ein Fremdwort richtig zu
gebrauchen, er kann dazu beitragen, dass der Prozess der Übernahme – vor allem in
bestimmten Bereichen wie Freizeit, Mode, Unterhaltung – begünstigt wird, dass die
Gebrauchsfrequenz ansteigt. Auf Grund der übertriebenen Übernahme ist die Bezeichnung
„Fremdwort“ irreführend, da viele von ihnen – wegen den verbreiteten Englischkenntnisssen
– gar nicht mehr so‘fremd‘ vom Sprachteilhaber empfunden werden.
155
6. Weder Deutsch noch Englisch: Denglitsch, Denglisch, Deutschlisch,
Engleutsch, Germeng, Deuglisch!
Ist in manchen Bereichen der öffentlichen Kommunikation die große Anzahl von
Anglizismen wirklich notwendig? Verdanken wir nicht einen bestimmten Umgang mit
Fremdwörtern einem Imponiergehabe, wenn z.B. Fremdwörter als Ausdruck von
Pseudogelehrtheit oder oberflächlicher Modernität (Andreas Gardt)71 gebraucht
werden? Oft handelt es sich auch um ein „bad English“, mit dem geprotzt wird. Die
immerwährende Diskussion über das Zunehmen von Anglizismen im Deutschen hört
nicht auf.
Leser verschiedener Zeitungen/Zeitschriften äußern sich als Gegener der
Anglizismen negativ zu dieser Erscheinung, beklagen die Misshandlung der Sprache;
sie sei „nicht mehr wie früher“. Warum sollte man cool benutzen wenn in der
Muttersprache kühl zur Verfügung steht? Man protestiere in jüngster Zeit zu Recht
gegen die Umgestaltung des Deutschen zum Denglisch.
Die gefährliche Überflutung der deutschen Sprache von Anglizismen in Presse,
Funk, Fernsehen und kommerzielle Werbung führte zu einer „sprachlichen
Verkümmerung“ des Typs „Dummdeutsch”/“Amideutsch“: BroSis Style für Ihr Handy,
HobbySwingerin, coming-out, Last minute-Angebot, Popsänger, Jetflug, Auftragsboom,
Ärzteteam, hart gefightet, handgefinishte Damenbekleidung, gehandikapte
Mannschaften, grillen, killen, trampen sind Beispiele für eine Mischsprache (Ami-
Welsch), für eine „unnatürliche Vermischung” deutscher und englischer Wörter. (Drube
1994, 70f.)
Der übertriebene und unbedachte Gebrauch führt zur Entstehung dieser
Mischsprache. D. h. Ausdrücke der Fremdsprache werden mit Verben der
Muttersprache verknüpft, englische Endungen tauchen bei deutschen Wörtern auf,
deutsche Endungen bei Anglizismen, Groß- oder Kleinschreibung, mit Bindestrich oder
„in einem Wort“, mischsprachige Satzkonstruktionen sollen Ausdrucksstärke
hervorbringen.
71 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 5/2000, S. 5.
156
Die „Fremdwörterei” hat „allergische Überreaktionen“ (Stemmler 1994, 79)
ausgelöst. Dagegen werden auch unabhängig von Krämers Verein immer mehr
Proteste laut. Eigentlich sind die Sorgen der „Alt- und All-Deutschen“ (Leonhardt 1987,
53) auf das Bangen, die deutsche Sprache würde ihre Eigenständigkeit verlieren,
ausgerichtet, sich zum „Denglisch“ umgestalten.
Krämers Verein kämpft energisch und mit „teutonischer Tapferkeit“ gegen die
„Fremdwortflut” und die angebliche „Kolonisierung des Deutschen durch das Englische“
(„Rheinischer Mekur”, 20.2.1998)72.
Das Werbe-Denglisch sei meistens nur dümmlich, bemerkt auch „Der Spiegel“
(20.4.1998)73 und verweist besonders auf die Sprache der Firma Telekom. Auch
Unternehmen und Banken greifen häufiger zu englischen Ausdrücken, auch dort, wo es
nicht unbedingt nötig sei. Dass z.B. zahlreiche moderne Berufsbezeichnungen kaum
noch auf die üblichen Visitenkarten passen, bemerkt Titus Arnu („Süddeutsche Zeitung
Magazin“, 17.10.1997)74. Hier heiss es Account Executive Marketing-Koordinator/Direct
Marketing oder auch Field Application Engineer/Compiling Solutions for Embedded
Systems.
Bei den Stellenanzeigen trifft man auf „eine Geheimsprache“. Offenbar ist der
Siegeszug der Anglizismen nicht zu stoppen. Walter Krämer vom „Verein zur deutsche
Sprache“ bemerkz dazu („Die Welt“, 4.5.1998)75: „In keinem Land der Welt ist die
Anpassung an die angelsächsische Kultur und Sprache […] derart fortgeschritten wie
im Westen Deutschlands (seltsamerweise scheinen die neuen Bundesländer hier etwas
immuner)[…] Sich auf eine gemeinsame Sprache – und das kann nur Englisch sein –
als Mittel der internationalen Verständigung zu einigen, ist eine Sache. Eine andere
Sache ist es, dabei zugleich die eigene Kultur und Sprache zu verleugnen.“ Dass man
die Sprachentwicklung auch spielerisch umdrehen und die gängisten Anglizismen
übersetzen kann, zeigt Jutta Makowsky („Süddeutsche Zeitung”, 21.10.1998):76 „Klar,
72 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S.6.73 Ebd.74 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 12/1997, S.8.75 Ebd.76 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 7/1998, S.5.
157
ihr seid ja auf dem Datum und seht alles ganz kühl. Ihr tragt alle blaue Barchanthosen
und düst auf Bergrädern herum […] Ihr bevorzugt schnelle Nahrung, vor allem
gebackene Kartoffelstäbchen mit Tomatenschmei drauf […] Ihr geht auch ins
Körperbildungszentrum und macht euch tauglich fürs Leben. Dann nehmt ihr an
Geschehnissen und Einsitzungen teil. Na, seht ihr? Mit ein wenig gehirnsturm lässt sich
das ganze amerikanische Gelaber doch tadellos eindeutschen.”
Aus linguistischer Sicht kann das Eindringen von Anglizismen nicht als eine
Entwertung der Muttersprache betrachtet werden. Die Ausführungen zeigten, dass für
die Verwendung eines Fremdwortes unterschiedliche Gründe ausschlaggebend sind.
Ob ein neuentlehntes Wort Fuß fasst oder sich als „Ephemeride“ entpuppt – so
Donalies (1992, 98) – kann nie mit letzter Sicherheit vorhergesagt, sondern eigentlich
nur im nachhinein festgestellt werden.
Im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung und der europäischen Einigung
kommt es zu Sprachkontakten. Dabei hat man immer wieder betont, dass Deutsch nie
eine reine Sprache war. Das Besondere an diesem angloamerikanischen Zustrom
ist:
dass der Anprall im Zeitalter der Massenkommunikation in einem
zusammenwachsenden Europa gewaltiger ist als vor hundert Jahren;
dass Anglizismen vor allem in jüngster Zeit massenweise übernommen
worden seien,
dass die ganze Sprachgemeinschaft erfasst wurde und ihr Gebrauch nicht nur
auf bestimmte Sprecherkreise beschränkt blieb ;
dass sie vermutlich in alle Sprachen der Erde übernommen werden.
Unabhängig davon, wie man die Dominanz des Englischen beurteilt sie werde nur
schwer einzuschränken sein und wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch
zunehmen. Wie weit der Einfluss des Englischen auf das Deutsche gehe, entscheiden
die Sprecher selbst. Die Neuerungen im Wortschatz einer Sprache müssen als ein
Spiegelbild der Realität einer Sprachgemeinschaft verstanden werden, wodurch die
Sprachteilhaber den Anforderungen der Kommunikationspraxis gerecht zu werden
158
suchen. Nur als solche können sie richtig verstanden und erläutert werden, ihnen ein
angemessener Platz im (sprachlichen) Gesamtgeschehen eingeräumt werden.
Es geht vor allem darum, Gegenwart aus der Vergangenheit zu begreifen und
die Verflechtung sprachlicher und sozialer Prozesse besser zu verstehen,
Erscheinungen zu erfassen und in ihren Zusammenhängen zu interpretieren.
Die Ursachen des Sprachwandels können systemintern- oder systemextern
bedingt sein. Als Faktoren, die den Sprachwandel fördern, können außer
Veränderungen der Gesellschaft, auch sozio-ökonomische und kulturelle Verhältnisse,
Entwicklungen der Großstädte, die „Völkerwanderungen“, die allgemeine Mobilität
sowie Sprachkontaktphänomene angeführt werden.
Der Widerstand gegen fremdsprachliche Neologismen spiegelt in Wirklichkeit ein
‚Unbehagen‘ an dem schnellen gesellschaftlichen und technischen Fortschritt wider.
Veränderungen in der Sprache werden nicht gleich akzeptiert; vielmehr werden sie
abgelehnt. So versuchten beispielsweise die Sprachgesellschaften im 18 Jh. (und auch
später) die deutsche Sprache von französischen Ausdrücken zu ‚reinigen‘. Auch
gegenwärtig werden an die GfdS Forderungen gerichtet, den Einfluss der Anglizismen
und Amerikanismen einzuschränken. Oft wird dabei der Tatsache nicht genug
Rechnung getragen, dass es im Wesen einer Sprache liegt, sich als ein flexibles
Kommunikationsinstrument den sich immer wieder verändernden
Kommunikationsaufgaben anzupassen. Dazu gehört eben auch der Zuwachs und das
Eindringen fremdsprachlicher Wörter und Ausdrücke.
Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass die zur Diskussion stehende
Problematik folgendem Themenkreis zuordnen ist: Einerseits als ‚natürliche‘ auch vom
Sprachwandel her geforderte Erscheinung, die in die aktuellen Entwicklungstendenzen
einer modernen Sprache eingegliedert werden kann; andererseits im Rahmen
vielfältiger internationaler Beziehungen zwischen den Sprachträgern als eine
Erscheinung, die durchaus zu erwarten sei, d.h. als ein Phänomen, das durch den
Sprachkontakt motiviert ist, betrachtet werden kann, folglich als gesamteuropäische
Erscheinung wahrgenommen werden muss. Diese Erscheinung muss – trotz den häufig
beklagten Nachteilen – auch als eine willkommene Bereicherung für jede moderne
Kultursprache angesehen werden.
159
Wichtige geschichtliche und gesellschaftliche Ereignisse, kulturelle
Veränderungen, wissenschaftlich-technische Errungenschaften und nicht zuletzt das
Wettbewerbsdenken sind die Faktoren, die der Sprache zu einem neuen Design
verhelfen, sie bunter, nuancenreicher, lebendiger, lustiger – sogar interessanter –
scheinen lassen.
In vielen Bereichen stiften Fremdwörter mehr Nutzen als Schaden. Aus der
Konkurrenz von Fremdwort und deutschem Wort wird der Wortbestand der
Aufnahmesprache angereichert mit neuen Bedeutungen, wird sich eine Verfeinerung
ihrer Ausdrucksmöglichkeiten abzeichnen.
Eine Ablehnung, aber auch die uneingeschränkte, unkontrollierte Aufnahme sind
nicht zu begrüßen. Gefragt ist ein vernünftiger Umgang mit Fremdwörtern.
Internationalismen, Fachwörter und Bezeichnungsexotismen kann man nicht ablehnen
oder verdeutschen. Sie sind international verständlich und erleichtern auch die
internationale Kommunikation.
Die deutsche Sprache gliedert seit Jahrhunderten Fremdes ins Eigene ein. Auf
Grund dieser Überlegungen kann man u.U. von einer Sprachvermischung nicht
sprechen, einen Untergang der deutschen Sprache nicht prophezeihen.
Anglizismen im Deutschen sind als eine normale Erscheinung des
Sprachkontakts zu begreifen, bedenklicher ist der Funktionsverlust des Deutschen in
manchen Wissenschaftsbereichen. Wenn die Sprachteilhaber bedacht und sorgsam
mit dem Fremdwort umgehen, dann wird es die Empfängersprache nicht gefährden,
sondern ihren Wortbestand bereichern. Es gilt: Beim Einsatz englischer Entlehnungen
muss ein goldener Mittelweg gefunden werden. Durch Sprachimporte wird die Sprache
reicher. Oder schön deutsch gesagt: Sänck juh!
7. Die Geltung der deutschen Sprache in der Welt
160
Insgesamt hat sich die Stellung von Deutsch als Fremdsprache seit 1989 stark
verändert. Das liegt vor allem am politischen Wandel in Ost (Mittel-)Europa, die
Hauptregion der Deutschlernenden. Die Nachfrage nach Deutsch ist sprunghaft
gestigen. Diese gewaltige Nachfrage kann auch durch das Goethe-Institut (Gründung
1979 in Bukarest) kaum mehr befriedigt werden.
Ulrich Ammon (1991)77 meint, dass der politische Umbruch von 1989 die
internationale Stellung der deutschen Sprache nicht wesentlich verändert hat. Berschin
(1994, 308 ff.) hingegen vermerkt, dass Ammon bei seinen Untersuchungen einige
Faktoren unberücksichtigt oder kaum berücksichtigt hat und zwar sind das: die
demographische Entwicklung in Deutschland mit einer hohen Zuwanderungsrate (aus
Ost (Mittel-)Europa; die neugewonnene Stellung des Deutschen als Verkehrssprache in
Ost (Mittel-)Europa; die sprachpolitische Anerkennung der deutschen Minderheiten Ost
(Mittel-)Europas. Eindeutig ist das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache in den
GUS-Ländern und in Ostmitteleuropa. Fraglich ist, ob die deutsche Sprache das
Russische als lingua franca in Polen, Weissrussland und in anderen Nachbarstaaten
ablösen könne. Die deutsche Sprache wird zur Zeit und an Universitäten und
Gymnasien als zweite Fremdsprache hinter Englisch unterrichtet. Das Interesse am
Erlernen der deutschen Sprache in den letzten Jahren ist weltweit sprunghaft
gestiegen. Als Grund kann hier die wirtschaftliche Bedeutung des wiedervereinigten
Deutschlands angeführt werden. In Japan und in den USA stagniert der
Deutschunterricht oder geht zurück, obwohl die Handelsbeziehungen wachsen. Die
Stellung des Deutschen ist aber stärker, als man angenommen hat. In vielen
europäischen Ländern sei derzeit die Nachfrage nach Deutsch größer als das Angebot.
Besonders in Polen, in der Tschechischen Republik und in Ungarn ist das Interesse an
Deutsch gewachsen. Deutsch sei nicht nur in Osteuropa, sondern auch in vielen
Ländern Asiens und Afrikas „ein Exportschlager“, schreiben Helmut Glück und
Wolfgang Sauer. („Die Welt“, 21.7.1993).78
Deutsch ist in Osteuropa neben Englisch eine wichtige Verkehrssprache, in
Westeuropa nach Englisch und Französisch im Wirtschaftsbereich auf dem dritten
77 Ulrich Ammon, Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin/New York, 1991.78 FACHDIENST GERMANISTIK, SPRACHE UND LITERATUR IN DER KRITIK DEUTSCHSPRACHIGER ZEITUNGEN 9/1993, S. 6.
161
Platz. Die gefestigte Stellung des Englischen als internationale Verkehrssprache
bestreitet niemand, doch müsse man künftig die Sprachenvielfalt bewahren (siehe auch
Tutzinger Thesen zur Sprachenpolitik in Europa), dem Deutschen in der EU infolge der
“numerischen Stärke” eine gewichtigere Rolle zuschreiben – die Wirtschaftskraft, die
bedeutende Kulturtradition, das wachsende Ansehen des Deutschen in Ost-
(Mittel-)Europa plädieren dafür. Das Problem für den Gebrauch des Deutschen weltweit
sind nicht die Fremdwörter, die in das Deutsche gelangen, sondern der fortschreitende
Funktionsverlust79 des Deutschen als Wissenschaftssprache. Dieses ist einerseits auf
die wirtschaftliche Entwicklung der USA und die Globalisierung zurückzuführen,
andererseits aber auch auf die deutsche Politik vor und seit dem Ersten Weltkrieg.
Insgesamt bleibt Deutsch eine auch international wichtige Sprache, solange die
deutschsprachigen Länder wirtschaftlich und technologisch an vorderster Stelle stehen.
Andererseits ist der Anteil des Deutschen im Internet gegenüber dem Englischen
erheblich gestiegen.
Der Bedeutungsverlust des Deutschen als internationale Wissenschaftssprache
ist vielfach beklagt worden. Auch hier setzt das Englische seinen internationalen
Siegeszug weiter fort. Heute publizieren die meisten Wissenschaftler ihre
Forschungsergebnisse in englischer Sprache, viele Publikationen verlangen eine
englischsprachige Zusammenfassung des veröffentlichten Aufsatzes. Es gibt auch
deutsche Fachzeitschriften, deren Publikationssprache das Englische ist. Die
“Frankfurter Allgemeine” (21.9.1994)80 berichtet, dass der Vorstand der Gesellschaft
Deutscher Chemiker (GDCh) beschlossen habe, in den drei traditionsreichen Periodika
auf Deutsch als Publikationssprache zu verzichten. Er “erhoffe sich damit eine höhere
internationale Akzeptanz seiner Printmedien”. Schon im ersten Weltkrieg setzte der
Niedergang ein Man rezipiert und publiziert auf Englisch. „Wer künftig auf Deutsch
publiziert, ist isoliert“, so Ammon. („Frankfurter Allgemeine“, 14.10.1999)81
Tatsache ist, dass aber nicht die Sprache Shakespeares, sondern eher ein „bad
English“ die internationale Wissenschaftskommunikation dominieren werde.
Andererseits gibt es auch wichtige Initiativen, die im europäischen Mehrsprachenraum
79 Kettemann (2002, 60).80 Ebd.81 Ebd.
162
für eine Sprachbalance plädieren, in welcher Englisch als eine Sprache neben anderen
fungiere – siehe auch die „Tutzinger Thesen“ des Deutschen Germanistenverbandes.
Diesen Niedergang könnte vielleicht folgendes aufhalten: eine Orientierung am
sprachlichen Modell Frankreichs, sowie die Pflege von Vielsprachigkeit.
Ungeachtet des Niedergangs als Wissenschaftssprache ist Deutsch
wirtschaftlich zweit- oder drittstärkste Sprache der Welt.
8. Deutsches Wortgut in den Nachbarsprachen und Germanismen im Englischen
Das Englische ist heute lingua franca der Welt und damit die Hauptquelle für den
Einstrom neuer Wörter auch in den anderen Sprachen Europas. Es gibt jedoch auch
163
den umgekehrten Prozess, dass deutsche Wörter in fremde Sprachen übernommen
und angeglichen werden. Englischsprachige Länder aber auch Frankreich übernehmen
– allerdings in geringerer Anzahl als wir von ihnen, doch vielmehr als aus anderen
Sprachen82 - deutsche Wörter. Zu den Klassikern gehören kindergarten, hinterland,
kaffeeklatsch, leberwurst, weltschmerz, weltanschuung, ersatz, gemütlichkeit, zeitgeist
gesellen sich the ostblock, le waldsterben, the wunderkind (Boris Becker) und
selbstverständlich Wiedervereinigung.
„Vasistas – was ist das? Deutsches Wortgut in Nachbarsprachen” lautet der Titel
eines Aufsatzes von Konrad Wörtmann (“Der Sprachdienst”, Heft 5/19901). Wörtmann
zeigt, dass die deutsche Sprache nicht nur fremde Ausdrücke aufgenommen, sondern
auch “kräftig” in benachbarte Sprachgemeinschaften exportiert hat. Dies gelte vor allem
für mehrere slawische Sprachen und, ab und zu auch für das Türkische, Italienische
und Französische (“Vasistas”, in je anderen Schreibweisen, sei mit “Schiebefenster”
oder “Guckloch” zu übersetzen). Die erfolgreichsten Germanismen in den
Nachbarsprachen sind: Im Französischen neben le kirsch (“Kirschwasser”) auch le
leitmotiv (“fixe Idee”), l’ersatz (ironisch etwa für “Kunsthonig” oder “Malzkaffee”) und le
blockhaus (“kleiner Bunker”). Für das Italienische werden die Wörter birra (“Bier”), crauti
(“Sauerkraut”), kaputt, valzer, spec, wurstel, scherzare (“scherzen”) genannt.
Spitzenreiter in dieser Liste sind Nickel und Quarz, die jeweils in zehn europäische
Sprachen vertreten sind. Marschall, Zickzack und Zink sind in neuen Nachbarsprachen
gebräuchlich, Walzer werde in acht Sprachen verwendet; je sechsmal hat Wörtmann
Schnitzel, Wolfram, Leitmotiv und Lied ausgemacht, je fünfmal Weltanschauung und
Hinterland. Als Ursachen dieser und anderer “Wortentleihungen” werden Kriege und
Revolutionen, Grenzverkehr, Einwanderungen, kulturell-religiöse Einflüsse,
wirtschaftliche Beziehungen und wissenschaftlicher Austausch angeführt. Die
Untersuchungsergebnisse erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit; die Analyse
deutschen Sprachexports ergebe “keine schlechte Mischung; die Zusammensetzung
des Wortguts widerspricht der vorherrschenden Meinung, die Nachbarn entlehnten dem
Deutschen nur negative Ausdrücke”.
82 Wolf (1966, 322).
164
Aus dem Deutschen hat das Englische Wörter aus verschiedenen Bereichen
aufgenommen.83 Viele sind historisch motiviert: Zweiter Weltkrieg, Nazi(sm)(1930),
Third Reich (1933), Nazism, Führer, Gestapo (1934), Luftwaffe (1935), Blitzkrieg
(1939), aber auch messerschmidt, panzer, lebensraum, herrenvolk. Manche
Übernahmen bezeichnen in der Aufnahmesprache einen anderen Sachverhalt als in der
Gebersprache Deutsch. So bezeichnet Luftwaffe im gegenwärtigen Deutsch airforce im
Englischen aber “the airforce in Nazi Germany”.
Der deutsche Beitrag zur englischen Sprache widerspieglt sich auch in folgenden
sehr unterschiedlichen Bereichen: angst, aspirin, Cristmastree, dachshund, enzyme,
fahrenheit, hamster, handbook, heroin, kaput, poltergeist, swindler, yodel, yiddish,
zeitgeist, blitz, ersatz, kindergarten, fest, müsli, rucksack, kaffeeklatsch, schweinehund,
zeitgeist, zinc, auf wiedersehen, gemütlich, galgenhumor, kitsch, wunderkind,
Bildungsroman, ostpolitik, lager (vgl. Stubbs 1998, 19ff.). Aber auch bratwurst,
hamburger, kohlrabi, leberwurst, sauerkraut. Auch Mischbildungen oder
Eigenschöpfungen wie apple strudel, beer stube, sitz bath kommen vor84. Viele der
deutschen Importe sind nur den “educated speakers” bekannt.
Deutsch als Sprache des 19. und 20. Jh. in der Chemie, in den
Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften führte zu Entlehnungen wie
chromosome, gauss, gestalt, hertz, leitmotiv, marxism, quartz, umlaut, weltanschauung
(Pl. the weltanschauungs), weltschmerz, allergy, diktat, festschrift, schizophrenia und
zur Übernahme von Eigennamen: Alzheimer’s (disease), Bauhaus, Dobermann, Diesel,
Geiger, Jugendstil, Rottweiler, Hitler, Nietzschean, Humboldtian, Leibniz,
Schumannesque. Andere Entlehnungen entstammen der Mineralienkunde, der
Biologie, der Geologie, der Botanik, der Medizin, Physik und Mathematik.
Übersetzungen sind anti-body (“Antikörper”), power politics (“Machtpolitik”), rainforest
(“Regenwald”), space-time (“Raumzeit”), superman (“Übermensch”).
83 Stubbs (1998, 19 ff.), Duden (1999, 11), Kettemann (2002, 71 f.).84Im Rumänischen u.a.: şniţel, leitmotiv, lied, şlagăr, spriţ, ştrand. Siehe auch C. Cujbă, Influenţa germană asupra vocabularului limbii române literare contemporane, 1999, Bukarest (= GGR-Beträge zur Germanistik 5).
165
Deutsche Entlehnungen können spezifisch deutsche Erscheinungen, Stereotype
bezeichnen: lederhosen, dirndl, loden, autobahn, dummkopf, edelweiss, riesling,
schadenfreude, weltschmerz.
Germanismen in der internationalen Ausgabe von Time Magazin untersucht
Hans-Joachim Kann (1989, 118 ff.; 1990, 99 ff.). Kann hat seine Belege in drei Gruppen
eingeteilt: sprachliche „Eintagsfliegen“, die so neu sind, dass sie übersetzt oder erklärt
werden müssen; Entlehnungen, die nicht im Wörterbuch stehen, aber doch einen
gewissen Grad der Bekanntheit (aus Filmen, Fernsehserien und aktuellen
Nachrichtensendungen) voraussetzen können, so dass sie nicht übersetzt oder erklärt
werden; Weiterentwicklungen von Wortmaterial, das bereits in Wörterbüchern
verzeichnet ist. Der deutsche Wortexport geht nicht nur in Richtung Osteuropa, sondern
ganz besonders über den Atlantik: Das Deutsche wächst auch im Englischen kräftig
weiter.
LITERATURVERZEICHNIS
A. Nachschlagewerke
1. Duden (5 1995): Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. und bearb. von Günther Drosdowski in Zusammenarbeit mit Peter Eisenberg. Mannheim. Bd. 4.
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3. Fleischer, W./Helbig, G. /Lerchner, G. (Hrsg.)(2003): Kleine Enzyklopädie. Deutsche Sprache. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien.
4. König, W. (10 1994): dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. München.
5. Metzler-Sprache (22000): Lexikon Sprache. Hrsg. von H. Glück. Stuttgart, Weimar.
6. Probst, A. (1989): Amideutsch. Ein kritisch-polemisches Wörterbuch der anglodeutschen Sprache. Frankfurt am Main.
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2. Bausinger, H. (1972): Deutsch für Deutsche. Dialekte – Sprachbarrieren – Sondersprachen. Frankfurt am Main, Bd. II.
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4. Berschin, H. (1994): Kontinuität oder Wende? Deutsch als internationale Sprache seit 1989. Diskussionsbeitrag anlässlich des Erscheinens von Ulrich Ammon: Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin/New York, 1991. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 3/1994, S. 308-324.
5. Braun, P. (1991): Personale Mehrwortbenennungen in der deutschen Gegenwartssprache. In: Muttersprache 1/1991, S. 48-60.
6. Braun, P. (21987, 31993) : Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz.
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57.Wolff, G. (3 1994): Deutsche Sprachgeschichte. Ein Studienbuch. Tübingen, Basel.
VERZEICHNIS DER ARTIKEL IN DEUTSCHEN UND RUMÄNISCHEN
ZEITSCHRIFTEN UND ZEITUNGEN
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22.8.1997,S. 21.Volkmar Gönitzer: Muttersprache Deutschlisch, Stadtjournal, 8.9.1999, S. 30.Suzanne K. Hilgendorf: The Impact of English, English Today, 47/1996, S. 3-14. Olga Kanda: Hoffnung auf eine Ende der Zeit der Verunglimpfungen, Kleine Zeitung, 1.2.1996, S. 24.Bernhard Kettemann: Zwischen Verunglimpfung und Bereicherung, Kleine Zeitung, 8.2.1996, S. 24.Andrian Kreye: Alles halb so wild. In New York wird über die Zukunft der deutschen Sprache verhandelt, Süddeutsche Zeitung, 10.4.2002, S.16-17.Mircea Marian: Legea lui Pruteanu, adoptată în aplauzele PRM, Adevărul, 9.10.2002, S. 2.Mediafax: Reprezentanţii companiilor străine contestă şi ei Legea Pruteanu, Adevărul, 11.10.2002, S. 5.Diana Popescu: Limba română are nevoie de şcoală, nu de legi, Adevărul, 11.10.2002., S. 4.Stefan Rychlak: Sprachliche Grausamkeiten, Badische Zeitung, 31.8.2002, o. S.Thomas Stanzer: Internetz oder Die Ritter des Dudens, Kleine Zeitung, 19.8.1999, S. 25.Jürgen Steinhoff: Sprach-Störung, Der Stern, 36/1999, S. 56-60.Michael Stubbs: German loanwords and cultural stereotypes, English Today, 53/1998, S. 19-26.Dieter E. Zimmer: Sonst stirbt die deutsche Sprache, Die Zeit, 23.6.1995.Leserbriefe aus der Kleinen Zeitung: 29.12.1995, 30.1.1996, 10.3.1996, 7.7.1999, 20.7.1999, 24.7.1999, 28.7.1999, 3.8.1999Meldungen aus: Adevărul, 12.10.2002; Kleine Zeitung, 4.1.1996; 6.4.1999; 20.5.1999; Kurier, 4.6.1999; Sprachnachrichten, 4/2002; Süddeutsche Zeitung, 10.4.2002.
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