30
VWA R HEIN -N ECKAR / BFW D IPLOMSTUDIENGANG B ETRIEBSWIRT (VWA) – S CHWERPUNKT G ESUNDHEITSMANAGEMENT Gesundheitsökonomie Dozent: Dr. Jürgen Stenger Verfasser: Andreas Ohlmann Vorlesungen am: 05.11.2004 12.11.2004 19.11.2004 Der vorliegende Text basiert auf den Aufzeichnungen des Verfassers und persönlicher Ergänzungen. Für den Inhalt wird keine Gewähr übernommen. Fehler und Unstimmigkeiten können Sie dem Autor mitteilen.

VWA R -N · PDF fileVWA RHEIN-NECKAR/BFW DIPLOMSTUDIENGANG BETRIEBSWIRT (VWA) – SCHWERPUNKT GESUNDHEITSMANAGEMENT Gesundheitsökonomie Dozent: Dr

Embed Size (px)

Citation preview

VWA RHEIN-NECKAR/BFW

DIPLOMSTUDIENGANG BETRIEBSWIRT (VWA) – SCHWERPUNKT GESUNDHEITSMANAGEMENT

Gesundheitsökonomie

Dozent:

Dr. Jürgen Stenger

Verfasser:

Andreas Ohlmann

Vorlesungen am:

05.11.2004

12.11.2004

19.11.2004

Der vorliegende Text basiert auf den Aufzeichnungen des Verfassers und persönlicher Ergänzungen. Für den Inhalt wird keine Gewähr übernommen.

Fehler und Unstimmigkeiten können Sie dem Autor mitteilen.

INHALTSVERZEICHNIS

1. Definition und Ziele der Gesundheitsökonomie ..........................................4

2. Der Gesundheitsmarkt .......................................................................4

2.1 Die Nachfrage nach Gesundheitsgütern ...................................................4

2.1.1 Die Bedeutung des Preises – Preiselastizität der Nachfrage ...........................5

2.1.2 Der Gesundheitszustand .....................................................................7

2.1.3 Die Bedeutung des verfügbaren Einkommens ............................................7

2.1.4 Die Bedeutung der Preise von Substitutionsgütern ......................................8

2.1.5 Die Bedeutung der Zeitkosten ..............................................................8

2.1.6 Eigenanteil des Versicherten – Das MORAL-HAZARD-Theorem .........................9

2.1.7 Angebotsinduzierte Nachfrage – Das PRINZIPAL-AGENT-Theorem.....................9

2.2 Das Angebot an Gesundheitsleistungen ................................................. 11

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“) ..................................................................... 12

3.1 Staatlich administrierte Höchstpreise ................................................... 12

3.2 Rationierung (Kapazitätsbegrenzung) ................................................... 14

3.3 Weitere Instrumente ....................................................................... 17

3.3.1 Steuerungsinstrumente auf der Nachfrageseite (Kassen und Versicherte) ........ 17

3.3.2 Steuerungsinstrumente der Angebotsseite.............................................. 19

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte.............................. 20

4.1 Die Problematik externer Effekte ........................................................ 23

4.2 Negative externe Effekte – externe Kosten............................................. 23

4.2.1 Auswirkungen................................................................................ 23

4.2.2 Korrekturmöglichkeiten.................................................................... 25

4.3 Positive externe Effekte – externe Vorteile ............................................ 26

4.3.1 Auswirkungen................................................................................ 26

4.3.2 Korrekturmöglichkeiten.................................................................... 28

Gesundheitsökonomie Inhaltsverzeichnis

5. Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich .................................... 29

6. Ökonomische Verfahren zur Beurteilung der Gesundheitssysteme (Evaluierungsverfahren).................................................................... 29

6.1 Kosten-Effektivität-Analyse ............................................................... 29

6.2 Kosten-Nutzwert-Analyse .................................................................. 30

6.3 Kosten-Nutzen-Analyse..................................................................... 30

Andreas Ohlmann Seite 3

1. Definition und Ziele der Gesundheitsökonomie Gesundheitsökonomie

1. Definition und Ziele der Gesundheitsökonomie Definition von Buchert/Matschke

„Gesundheitsökonomie1 ist die Wissenschaft von der Disposition über relativ knappe Mittel zur Bereitstellung von Gütern (Gesundheitsleistungen) für die Befriedigung von Bedürfnissen (Gesundheitsbedürfnissen)“

2. Der Gesundheitsmarkt

2.1 Die Nachfrage nach Gesundheitsgütern Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach „Gesundheitsleistungen“ und den sie bestim-menden Faktoren:

Nachfragefunktion:

AqtPYhpfx prsVN ,,,,,,(=

p = Preis der Gesundheitsgüter siehe 2.1.1

H = Gesundheitszustand siehe 2.1.2

YV = verfügbares Einkommen 2 siehe 2.1.3

Ps = Preis der Substitutionsgüter siehe 2.1.4

T = Zeitkosten siehe 2.1.5

qpr = Anteil/Quote der privat zu zahlenden Leistungen siehe 2.1.6

A = Angebotsseite siehe 2.1.7

1 Wikipedia.de (de.wikipedia.de) bietet folgende Definition:

Medizinische Ökonomie (meistens Gesundheitsökonomie genannt; engl.: medical economics, health economics, frz.: édonomie de la santé, économie médicale) ist eine empirische und theoretische, interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Produktion und Verteilung von knappen und anderen Gesundheitsgütern und mit der ökonomischen Seite der Gesundheitsversorgung allgemein beschäftigt. Schwerpunkt ist die möglichst optimale Nutzung und faire Verteilung dieser Güter (z.B. Krankenhäu-ser, Personal, Apparate, Arzneimittel, präventive, diagnostische und therapeutische Maßnahmen). Dabei sollen Kosteneffizienz, Effektivität, Qualität und Gerechtigkeit (Zugang für alle) in Einklang gebracht werden ("Magisches Viereck"). Im Vergleich zu den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Skandinavien ist die Gesundheitsöko-nomie im deutschsprachigen Raum noch wenig entwickelt. Weblinks Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln (http://www.medizin.uni-koeln.de/kai/igmg/kurzinfo.html) Kommentierte Literatur- und Linkliste zu Gesundheitsökonomie (http://www.medinfoweb.de/oekonom.htm)

2 Abkürzung „Y“ kommt vom engl. Yield

Gesundheitsökonomie 2. Der Gesundheitsmarkt

2.1.1 Die Bedeutung des Preises – Preiselastizität der Nachfrage

Bei „konventionellen“ Gütern gilt das „Gesetz der Nachfrage“:

Bei steigendem Preis sinkt die nachgefragte Menge, bei sinkendem Preis steigt die nachgefragte Menge.

Bei Gesundheitsleistungen gilt dieses „Gesetz der Nachfrage“ im Prinzip auch.

Beispiel:

Rückgang der Arztbesuche seit Einführung der Praxisgebühr zum 01.01.2004 (ca. 8 %)

Rückgang der häuslichen Krankenpflege nach Einführung der Zuzahlung zum 01.01.2004

Rückgang der Ausgaben für Medikamente nach Einführung der Rezept- und Zuzah-lungsgebühr

Frage des Ausmaßes der Nachfragereduktion der Patienten ist DIFFERENZIERT zu beantwor-ten:

Abhängig von der Preiselastizität der Nachfrage:

x

x

N

N

PP

XX

Δ

Δ

ΔPx = relative Preisänderung

PX = Preis des Gutes

ΔXN = relative Mengenänderung

XN = Menge des Gutes

ε = Preiselastizität

| ε | = Betrag von ε

Andreas Ohlmann Seite 5

2. Der Gesundheitsmarkt Gesundheitsökonomie

Verschiedene Varianten/Möglichkeiten der Preiselastizität

Elastische Nachfrage

| ε | > 1 Ursachen/Beispiele: Güter mit Substitutionsmöglichkeiten; auch Möglichkeit des vollständigen Verzichts, z. B.

• Massagen

• Generika

• Pflege durch Angehörige

• Chirurgische Schönheitsoperationen

• ...

unelastische Nachfrage

| ε | < 1

Ursachen/Beispiele:

Güter mit geringen Substitutionsmöglichkeiten, wie z. B.

• Brillen

• Kuren/Reha

• ...

vollkommen unelastische Nachfrage (starre Nachfrage)

| ε | = 0

Preis steigt ↑; Nachfragemenge bleibt unverändert (ΔxN = 0)

P1

P2

P3

x1

x2

x3

P

x

Gesundheitsökonomie 2. Der Gesundheitsmarkt

Beispiele/Ursachen:

Lebensnotwendige Gesundheitsgüter ohne Substitutionsmöglichkeit:

• Lebenserhaltende Medikamente (Insulin, Beta-Blocker, Marcumar ...)

• Lebensnotwendige Operationen

• ...

Realität:

Preiselastizität nach Gesundheitsgütern im ∅:

ε = 0,1 – 0,3 %

2.1.2 Der Gesundheitszustand

Der Gesundheitszustand ist abhängig von:

• Persönlichen Faktoren (Alter, Geschlecht, Lebens-/Konsumgewohnheiten, ...)

• Sozio-ökonomische Faktoren (Wohnverhältnisse, Arbeitswelt, Milieu, ...)

• ...

Zusammenhang: Je besser der Gesundheitszustand, desto geringer die Nachfrage nach Gesundheits-gütern

2.1.3 Die Bedeutung des verfügbaren Einkommens

= Brutto-Einkommen

- Steuern (direkte Steuern)

- Sozialversicherung

+ Transferleistungen

= verfügbares Einkommen

Andreas Ohlmann Seite 7

2. Der Gesundheitsmarkt Gesundheitsökonomie

Zusammenhang:

Abhängig von der Einkommenselastizität des Einkommens

V

V

N

N

YY

XX

Δ

Δ

Varianten:

• Elastisch:

ε > 1 Beispiel:

o Wellness-/Beauty-Farm

• Unelastisch:

ε < 1 Bei der Mehrzahl der Gesundheitsgüter der Fall

2.1.4 Die Bedeutung der Preise von Substitutionsgütern

Beispiele:

• Generika

• Stationäres ↔ Ambulantes Operieren

• Stationäres Heim ↔ Kurzzeitpflege, ambulante Pflege

Zusammenhang: Preis von Substitutionsgütern steigt (↑) NS ↓ Nachfrage XN steigt(↑)

2.1.5 Die Bedeutung der Zeitkosten

≙ Opportunitätskosten, z. B. des Arztbesuches, des Krankenhausaufenthaltes, ...

Konkret: Kosten der

• Wartezeiten

• Wegezeiten, Fahrzeiten

• Untersuchungszeiten

• ...

Gesundheitsökonomie 2. Der Gesundheitsmarkt

Ausgedrückt in

• Verdienstausfall

• Verzicht auf Freizeit

• ...

Zusammenhang: je höher die Zeitkosten, desto niedriger die Nachfrage nach Gesundheitsgütern

2.1.6 Eigenanteil des Versicherten – Das MORAL-HAZARD-Theorem

≙ Eigenanteil des Versicherten

Annahme:

je höher der Anteil der Leistungen ist, die von der Kranken-/Pflegeversicherung über-nommen werden, desto höher die Nachfrage nach den Gesundheitsgütern

versicherungsinduzierte Leistungen

= MORAL-HAZARD-Theorem

Beispiele:

• Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes bei Abschluss von Krankenhaustage-geld-Versicherung

• Rückgang der Nachfrage nach Kuren durch Einführung/Erhöhung der Eigenbeteili-gung

• Nachfrage nach Zahnersatz in Abhängigkeit vom Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung

2.1.7 Angebotsinduzierte Nachfrage – Das PRINZIPAL-AGENT-Theorem

Nachfrage nach Gesundheitsgütern wird wesentlich bestimmt durch die Anbieter

• Ärzte

• Zahnärzte

• Krankenhäuser

• Therapeuten

• Pharmaindustrie (-hersteller)

• ...

Andreas Ohlmann Seite 9

2. Der Gesundheitsmarkt Gesundheitsökonomie

angebotsinduzierte Nachfrage

(„Anbieter schaffen ihre eigene Nachfrage“)

Problem:

Informationsasymmetrie

= Informationsvorsprung des Anbieters (Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten, ...)

Patient = Auftraggeber des Arztes (Prinzipal)

Arzt = Auftragnehmer (Agent)

Patient beauftragt den Arzt mit der Entscheidung darüber, was „zu tun ist“

Gesundheitsökonomie 2. Der Gesundheitsmarkt

2.2 Das Angebot an Gesundheitsleistungen Angebots-Funktion

xA = f(p, PS, n, K, ...)

p = am Markt erzielbarer „Verkaufspreis“

Zusammenhang: Je höher der erzielbare Peis, umso größer die angebotene Menge Angebots-Kurve hat steigenden Verlauf

Ps = Preis für Substitutionsgüter

Zusammenhang:

Ps↑ sAx ↑

sNx ↓

n = Anzahl der Anbieter

K = Produktionskosten

Zusammenhang: K↑ xa↓

Andreas Ohlmann Seite 11

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“) Gesundheitsökonomie

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesund-heitsmarkt („Gesundheitspolitik“)

3.1 Staatlich administrierte Höchstpreise Höchstpreis < Marktgleichgewichtspreis

p < p0

Beispiele:

Begrenzung der Erhöhungsraten gemäß § 31 SGB V an die Steigerung der beitrags-pflichtigen Einnahmen (Grundlohnsummensteigerung); 2004: 0,02 %, 2005: 0,38 % (Prognose)

Nachstehend Originaltext der Prognose des Jahres 20043:

Bekanntmachung vom 15. September 2004 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

Bekanntmachung über die auf der Grundlage der vierteljährlichen Rechnungsergebnisse der Krankenkassen

festzustellenden durchschnittlichen Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied nach § 71 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -

Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vom 15. September 2004

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gibt gemäß § 71 Abs. 3 SGB V bekannt: Auf der Grundlage der vierteljährlichen Rechnungsergebnisse der Krankenkassen betragen die durchschnittlichen Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Kran-kenkassen (§ 267 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) je Mitglied für die Vereinbarungen für das Kalenderjahr 2005 auf der Basis der Veränderungsraten des Zeitraumes des zweiten Halbjahres 2003 und des ersten Halbjahres 2004 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum im gesamten Bundesgebiet + 0,38 % in dem Gebiet der in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder - 0,60 % und im übrigen Bundesgebiet + 0,56 % Bonn, den 13. September 2004 P 25 - 44 802 / 1

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

Im Auftrag Klaus Busch

Deckelung der Pflegesätze in der stationären Altenhilfe in den Jahren 1997 – 1999

Deckelung der Budgetsumme im stationären Krankenhausbereich in den Jahren 1993 – 1995

3 Quelle:

http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/themen/gesundheit/gesetzl/index_5907.cfm

Gesundheitsökonomie 3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“)

P

x

A

N

Ax 0x Nx

p

0p

NÜ/AL

Zum Höchstpreis p gilt:

Angebotene Menge: Ax Nachfragemengen-Überschuss (NÜ)

Angebotsmengen-Lücke (AL)

Nachgefragte Menge: Nx ( AN xx − )

Realität:

Warteliste, „Pflegenotstand“

Angebotene Menge ↓ ( von x0 Ax ); z. B. Umwandlung von Pflegeplätzen in „Betreutes Wohnen“, von Krankenhausplätzen in Kurzzeit-/Tagespflege, ...

Außerdem:

Nachgefragte Menge steigt ↑ (von x0 Nx )

„Gewinner“ des Höchstpreises:

• Die Nachfrager, die zum niedrigeren Preis p < p0 einen Platz erhalten (bzw. ihre Kostenträger (Krankenversicherung, Pflegekasse, Sozialhilfeträger)

„Verlierer“ des Höchstpreises:

• die Nachfrager, die auf der Warteliste stehen, die auf einen Platz warten müssen („in die Angebotslücke fallen“)

• die Anbieter (die nur noch den Preis p < p0 erhalten)

Wahrscheinliche Reaktion:

Ausweichen auf Schwarzmarkt, Nebenmärkte oder auf andere Zuteilungsmechanismen

Alternativen zum Höchstpreis:

Mengenbeschränkung (Rationierung)

Andreas Ohlmann Seite 13

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“) Gesundheitsökonomie

3.2 Rationierung (Kapazitätsbegrenzung) Beispiel:

Begrenzung der maximalen

• Bettenzahl im Krankenhausbereich (Landeskrankenhausplan)

• Platzzahl im Pflegebereich (Landespflegeplan)

• Begrenzung der niedergelassenen Ärzte (Zulassungsbeschränkungen)

• ...

Beispiel aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte:

Gesamtübersicht über die Versorgungssituation im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland

nach Beschluss Landesausschuss Ärzte und Krankenkassen vom 27.10.2004 Stand: 10.11.2004

Arztgruppe Planungsbereich (Stadtverband/Kreis)

Saarbrücken Saarlouis Merzig- Wadern St.Wendel Neunkirchen Saarpfalz

Anästhesisten X X X X X X

Augenärzte ist geöff-net (für 1)

ist geöffnet(für 1)

X ist geöffnet (für 1) X

Chirurgen X X X X X X

Fachärztlich tätige Internisten X X X X X X

Frauenärzte X ist geöff-net (für 1)

X X X X

HNO-Ärzte X X X X X X

Hautärzte X X ist geöffnet(für 1)

X X X

Kinderärzte X X ist geöffnet(für 1)

X X X

Nervenärzte X X X X X X

Orthopäden X X X X X X

Radiologen X X X X X X

Gesundheitsökonomie 3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“)

Arztgruppe Planungsbereich (Stadtverband/Kreis)

Urologen X X X X X X

Hausärzte ist geöffnet(für 1)

ist geöffnet(für 2)

X X X

Psychotherapeuten X X X X X X

Ärztliche Psychotherapeuten können noch in fünf Planungsbereichen zugelassen werden -mit Ausnahme Planungsbereich Kreis Saarpfalz-

Erläuterung X Eine Zulassungsbeschränkung ist angeordnet.

Auswirkungen:

P

x

A

N

0xNx

0p

NÜ/AÜ

A

C

D B+

Annahme:

Staat begrenzt die maximale Zahl an Pflegeplätzen/Krankenhausbetten auf Nx < x0

Auswirkungen:

Angebot an der Kapazitätsgrenze ist vollkommen unelastisch (starr) Gleichgewichtspreis steigt von p0 auf . p̂

Andreas Ohlmann Seite 15

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“) Gesundheitsökonomie

Frage:

In welchem Fall (OHNE ↔ MIT Kapazitätsbegrenzung) sind die Ausgaben für den Staat größer?

(1) Ausgaben OHNE Kapazitätsbegrenzung:

A1 = p0 * x0 = 0p0Bx0 (=Eckpunkte des schwarzen Rechtecks)

(2) Ausgaben MIT Kapazitätsbegrenzung:

A2 = p * ˆ x = 0p Cˆ x (=Eckpunkte des roten Rechtecks)

↳ welche Fläche ist größer?

↳ kommt darauf an; kann man so nicht sagen; ist abhängig vom konkreten Verlauf der Angebots-/Nachfragekurven

“Lösungsansatz“

Kombination aus Höchstpreis + Kapazitätsbeschränkung

z. B. p0 wird zum Höchstpreis erklärt

Auswirkungen:

„Verlierer“:

• Nachfrager, die auf der Warteliste stehen ( Nachfrageüber-schuss/Angebotslücke) als Folge der Kapazitätsbegrenzung

• Anbieter, weil p0 < p̂

„Gewinner“:

• Nachfrager, die zum niedrigeren Preis p0 < p die Leistung erhalten ˆ

• Staat: Ausgabenrückgang auf D p0 * x = 0p0D x (= Eckpunkte des Rechtecks)

Gesundheitsökonomie 3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“)

3.3 Weitere Instrumente

Angebotsseite

P Preismoratorium

Honorareinschränkungen

Preisbildungsvorschriften

Preisstop und Preisreduzierungen

M Angebotsplanung niedergelassene Ärzte

Krankenhausplanung

Großgeräteplanung

M, x, p Festlegung von Budgets

Nachfrageseite P Selbstbeteiligung

Wahlrecht der Kassen

Beiträge

M Wahlfreiheit der Leistungen

Leistungskataloge

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) P Wettbewerb zwischen den Kassen

Freie Wahl der Krankenkasse

Wahlfreiheit Kosten- und Sachleistungsprinzip

M Präventive Maßnahmen

Informatorische Maßnahmen

Veränderung des Leistungskataloges

Eigenbeteiligung

Beitragsrückerstattung

Gesundheitsabgaben

3.3.1 Steuerungsinstrumente auf der Nachfrageseite (Kassen und Versi-cherte)

Informatorische Instrumente

Die Instrumente sollen ein preis- und kostenbewusstes Nachfrageverhalten der Versicher-ten, Patienten oder Kunden und ihrer Kassen fördern. Bei den Nachfragern soll insbeson-dere die Eigenverantwortung gesteigert werden. Ohne eine direkte Einwirkung und Spür-barkeit des Mehr- oder Minderkonsums wird die Eigenverantwortung aber nicht gesteigert werden können. In diesem Fall fehlt jegliche Information. Erhält der Kunde keine Infor-mation, kann er auch keine Änderung seines Verhaltens initiieren.

Andreas Ohlmann Seite 17

3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“) Gesundheitsökonomie

Eigenbeteiligung der Kunden (Selbstbeteiligung)

• Absolute Selbstbeteiligung: die Kunden bezahlen bis zu einem vorgegebenen Be-trag alle Ausgaben. Alle diesen Betrag übersteigenden Kosten werden von der Krankenversicherung erstattet.

• Indemnitätsregelung4: Die Krankenkasse übernimmt für bestimmte Leistungen ei-nen festen Betrag. Die darüber hinausgehenden Kosten trägt der Versicherte.

• Prozentuale Selbstbeteiligung: Der Versicherte übernimmt einen bestimmten Prozentsatz der Behandlungskosten.

Wahlfreiheit Kassen

Der Kunde kann seine Krankenkasse nach eigenen Kriterien selbst wählen

Wahl zwischen Kosten- und Leistungsprinzip

Der Patient hat die Wahl sich die Kosten für eine Therapie erstatten zu lassen (z. B. Be-handlung im Ausland) oder direkt die Behandlung gestellt zu bekommen.

Abwahl Leistungen

Freiheit des Versicherten, bestimmte Leistungen der Kassen von Vornherein auszuschlie-ßen, um dadurch einen geringeren Beitrag zu erzielen.

Beitragsrückzahlung

Wie bei den Privaten Krankenversicherungen wird nach § 65 SGB V5 die Beitragsrücker-stattung möglich, wenn Patienten keine oder wenige Leistungen in Anspruch genommen haben.

Gesundheitsabgaben

Für bestimmte Risikogruppen oder gesundheitsgefährdende Güter werden in einem Bo-nus-/Malussystem Abgaben erhoben bzw. Prämien gewährt6.

4 Zahlt eine Versicherung für eine Mengeneinheit einer beanspruchten Leistung einen bestimmten

Festbetrag, liegt die Kostenbeteiligungsform der Indemnität (auch Festbetragsregelung) vor. Bezugs-größen können z.B. Einzelleistungen, Behandlungsfälle oder Krankenhaustage sein. Kennzeichnend für die Indemnitätsregelung ist die Übertragung des Preisrisikos auf den Versicherungsnehmer. Fällt die Leistungsinanspruchnahme geringer aus als der angesetzte Festbetrag (d.h. die Leistung ist preiswerter als angenommen wurde), findet ein Nettotransfer statt. Liegt der angebotene Preis für die Leistung jedoch oberhalb des Festbetrags, muss der Versicherte den verbleibenden Restbetrag selbst tragen. Damit werden Anreize zur Wahl preisgünstiger Versorgungsformen geliefert.

5 Alter Stand des SGB V. Der Artikel 65 wurde letztmalig mit Wirkung zum 01.01.2004 geändert. Die Regelung zur Beitragsrückerstattung befindet sich jetzt in dem neu eingefügten Paragraphen 65 a.

6 siehe § 65 a SGB V

Gesundheitsökonomie 3. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt („Gesundheitspolitik“)

3.3.2 Steuerungsinstrumente der Angebotsseite

Planung Vertragsärzte

Bedarfsorientierte Zulassung der Kassenärzte im niedergelassenen Bereich, Berücksichti-gung der Institutszulassungen.

Großgeräteplanung

Die Planung und Zulassung von Großgeräten kann von einer Kommission zentral gesteuert werden.

Preisbildung

Mit Einführung des leistungsorientierten und pauschalierten Vergütungssystems nach DRG7 sind die Preise im stationären und ambulanten Bereich8 vergleichbar, werden Voll-kosten mit Abschreibungen berücksichtigt und verrechnet ist die monistische Finanzie-rung erreicht.

Honorareinschränkungen

Die Entwicklung der Honorare der Zahn- und Kassenärzte kann an die allgemeine Ent-wicklung der Einkommen oder die beitragspflichtigen Einkommen gekoppelt werden.

Positivliste/Negativliste

Bestimmte Arzneimittelgruppen werden aufgelistet, die von den Kassen bei ärztlicher Verordnung automatisch erstattet werden. Andere Arzneimittel werden zur Sicherung der Qualität aufgelistet und von den Kassen nicht finanziert.

Festbeträge

Die Preise für Arzneimittel, Heil, und Hilfsmittel werden nur bis zum Festbetrag von den Kassen finanziert.

Preisstopp, Preisreduzierungen

Dieses Instrument wird bei Arzneimitteln eingesetzt, um Monopole an einer Abschöpfung des Marktes zu hindern.

7 Diagnosis Related Groups (kurz DRG, deutsch Diagnosebezogene Fallgruppen) ist ein Begriff aus dem

Gesundheitswesen. Dabei handelt es sich um eine medizinisch-ökonomische Klassifizierung von Patien-ten einerseits nach medizinischen Kriterien (Organsystem, Ursache der Erkrankung), andererseits nach dem ökonomischen Ressourcenverbrauch für die Behandlung. Das deutsche DRG-System basiert ur-sprünglich auf dem Australischen DRG-Katalog und wurde zur Abrechnung von Krankenhausfällen ab 2003 eingeführt. Während in Australien und anderen Ländern mit ähnlichen Klassifikationssystemen die DRGs vor allem zur Bestimmung eines Globalbudgets für das Krankenhaus dienen, wurde es in Deutsch-land zur Abrechnung einzelner Krankenhausfälle und somit als Fallpauschalen-System eingeführt. Demnach wird das bisherige verweildauerbezogene Vergütungssystem für Krankenhausbehandlung nach der Anzahl der Behandlungstage, abgelöst durch ein fallbezogenes Vergütungssystem nach der Ein-gruppierung in eine DRG.

8 Die Vergleichbarkeit mit dem Ambulanten Bereich wird allerdings erst mit Einführung des EBM 2000plus zum 01.04.2005 erreicht. Dieser enthält erstmals für operative Leistungen eine Zuordnung zu einem OPS-301-Schlüssel (Operationen- und Prozedurenschlüssel)

Andreas Ohlmann Seite 19

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte Gesundheitsökonomie

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte

Nachfolgend Auszug aus dem Buch „Gesundheitsökonomie“ von Hajen/Paetow/Schumacher, Kohlhammer Verlag, 2000:

Externalitäten und öffentliche Güter

Externe Effekte (Externalitäten) entstehen, wenn mit der Produktion oder der Konsumption eines Gutes Nachteile oder Vorteile für Dritte verbunden sind, die nicht in den Kauf-, Pro-duktions- und Verkaufsentscheidungen der unmittelbar Beteiligten berücksichtigt werden und deshalb Preisbildung und Marktgleichgewicht nicht beeinflussen. Es gibt negative und positive externe Effekte. Im ersten Fall gehen bestimmte Kosten nicht in die Marktbeziehun-gen ein, im zweiten Fall Erträge bzw. Nutzen.

Typisches Beispiel für negative externe Effekte sind Umweltschädigungen oder Lärmemissio-nen. Positive externe Effekte finden sich z. B. bei der Nutzung frei veröffentlichter wissen-schaftlicher Erkenntnisse oder bei Anbau und Pflege eines Waldes zur Holzproduktion, wenn damit zugleich ökologische (klimatische) und landschaftspflegerische (Tourismus) Ziele erreicht werden. Streng genommen gibt es keine Produktion und keinen Konsum ohne exter-ne Effekte. Es geht immer nur eine begrenzte Anzahl von Kosten und Nutzen in die individu-ellen Kalkulationen ein.

Liegen externe Effekte vor, so orientiert sich die wettbewerbliche Preisbildung an individu-ellen Kosten und Nutzen, die mit den volkswirtschaftlichen nicht übereinstimmen. Es entste-hen verzerrte Anreize. Der Konsum orientiert sich nicht an der tatsächlichen Knappheit, weil diese in den Kosten bzw. in den Preisen nicht sichtbar wird.

Bei negativen externen Effekten (externe Kosten) wird vom betroffenen Gut mehr herge-stellt und konsumiert als bei Berücksichtigung dieser Kosten. Der Konsument kann einen Teil der tatsächlichen Kosten auf die Gesellschaft abwälzen. Bei positiven Externalitäten (exter-ner Nutzen) wird zuwenig nachgefragt, weil nur der individuelle Nutzen nicht aber der Nutzen Dritter berücksichtigt wird. Im Extremfall, bei so genannten öffentlichen Gütern kann man niemanden davon ausschließen, von einem Gut zu profitieren, wenn es erst einmal produziert ist. So ist von einem Deich jeder geschützt, der hinter ihm wohnt, auch wenn er sich an den Kosten nicht beteiligt hat. Daher lohnt sich Trittbrettfahrerei und die individuel-len Zahlungsbereitschaften sind in der Summe zu gering, um einen Deich zu finanzieren. Die Produktion würde also völlig unterbleiben, wenn man sich auf den Markt verlässt.

Zwar könnte ein effizientes Gleichgewicht unter bestimmten Bedingungen auch erreicht werden, wenn Verursacher und Empfänger externer Effekte miteinander verhandeln würden (Coase-Theorem). Aber diese Bedingungen sind in der Realität selten erfüllt. Es dürfte meist schon nicht gelingen den Kreis der Betroffenen exakt einzugrenzen oder auf gemeinsame Ziele zu verpflichten. Oder die Transaktionskosten für die Anbahnung und Durchsetzung einer Verhandlungslösung sind prohibitiv hoch.

Daher sind in den meisten Fällen staatliche Regelungen erforderlich, entweder in Form von Ver- und Geboten oder durch spezielle Abgaben und Steuern, mit denen die externen Kosten dem Verursacher auferlegt werden. Bei positiven Externalitäten, gerade bei öffentlichen Gütern, kann auch der Staat selbst die Produktion vornehmen oder sie durch Subventionen fördern.

Gesundheitsökonomie 4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte

Externalitäten und öffentliche Güter bei Gesundheitsgütern

Gesundheitsleistungen können zahlreiche positive externe Effekte aufweisen, die sie insofern in die Nähe von öffentlichen Gutem bringen, als diese Effekte nahezu nicht ausschließbar sind. Umgekehrt formuliert kann die Krankheit Einzelner Folgen für unmittelbar nicht be-troffene Mitglieder der Gesellschaft oder für gesellschaftliche Institutionen haben, die die Gesellschaft nicht hinzunehmen bereit ist.

• Impfungen, Behandlung von Infektionskrankheiten schützen im allgemeinen auch diejenigen Personen vor einer Infektion, die selbst nicht an einer Impfung oder an einer Behandlung teilgenommen haben. Diese Vorteile werden bei der indi-viduellen Entscheidung über die Inanspruchnahme einer solchen Gesundheitsleis-tung nicht berücksichtigt.

• Das Bewusstsein von der Existenz bzw. der Anblick von leidenden und hilfsbedürf-tigen Menschen löst bei den meisten Menschen unterschiedlich intensive Mit-leids-, Angst- oder Abscheureaktionen hervor, die schwer zu ertragen oder zu verdrängen sind. Nicht zuletzt die Verwurzelung in christlich-abendländischen oder vergleichbaren Wertsystemen bewirkt, dass solche Reaktionen nicht durch gegenläufige Emotionen und Vorstellungen aufgewogen werden, die etwa Krank-heit als selbstverschuldet, als Gottesstrafe etc. interpretieren oder die Differenz zwischen Krankheit anderer und eigener Gesundheit als positiv erleben oder sozi-aldarwinistisch bewerten.

• Ein entsprechendes Wertesystem (Solidarprinzip) vorausgesetzt kann die Gesell-schaft die Übernahme der Kosten von Krankheit nicht abweisen, sofern sie nicht individuell beglichen werden können. Krankheit kann insofern zu externen Effek-ten in Form von unvermeidlichen Einkommenstransfers führen, unabhängig da-von, ob diese durch geeignete (Pflicht-)Versicherungssysteme, durch Solidari-tätsstrukturen von Familien, Nachbarschaften bzw. Berufsständen oder etwa durch Mildtätigkeit organisiert werden. Krankheit führt daher zu einer erhebli-chen Umlenkung von Einkommensströmen in Form von unmittelbaren Therapie-kosten, aber auch von Lohnfortzahlung, Renten etc..

• Da die Medizin zu einem erheblichen Teil „Erfahrungswissenschaft" ist, führt die Behandlung einer jeden Krankheit zur Erweiterung des medizinischen Erfahrungs-schatzes und damit zur Fortentwicklung der Medizin. Dadurch entstehen positive Effekte zugunsten künftiger Patienten bzw. Patienten künftiger Generationen.

• Krankheit einzelner ist immer auch eine Minderung menschlichen Humankapitals, d.h. der Verfügbarkeit von Arbeitskraft. Sie kann zur kostenintensiven Störung von Betriebsabläufen9, zu verringerter Wettbewerbsfähigkeit sowohl einzelner Betriebe als auch der Wirtschaft insgesamt, zu Steuerausfällen, Lohnfortzahlun-gen und überhaupt zur Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt und damit zu Einbußen auch für Gesunde führen.

• Zunehmende Inzidenz von Krankheiten, etwa in Form von Epidemien, wachsen-den Risiken für umwelt- oder arbeitsplatzbedingte Krankheiten kann das Vertrau-en in die Leistungsfähigkeit der Politik unterminieren und zu Loyalitäts- und Legi-timitätskonflikten führen.

9 Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit werden auf ca. 90 Mrd. DM jährlich geschätzt; Thiehoff

1994, 84 ff.

Andreas Ohlmann Seite 21

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte Gesundheitsökonomie

• Die Produktion von Gesundheitsleistungen ist relativ konjunkturstabil, wegen des hohen Dienstleistungsanteils beschäftigungsintensiv und wegen des hohen Inno-vationsanteils jedenfalls bei Medikamenten und Medizintechnik exportintensiv. Ein gesicherter Gesundheitsstand der Bevölkerung ist zudem ein gewichtiger Standortfaktor.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass für Gesundheitsgüter wegen zahlreicher exter-ner Effekte nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich hohe Präferenzen anzuneh-men sind. Betont werden sollte an dieser Stelle, dass dies unabhängig vom jeweiligen Finan-zierungs- bzw. Versicherungssystem der Fall ist und insofern einen eigenständigen Regulie-rungsgrund darstellt, der auch bei geänderten Finanzierungsverfahren greifen würde.

Externalitäten bei Versicherungen

Externe Effekte treten in Form von Risikostreuung bei jedem einzelnen Versicherungsvertrag zugunsten der übrigen Versicherten auf. Dies ist geradezu der Zweck von Versicherungen und insofern zunächst nicht regulierungsbedürftig. Wegen der externen Effekte von Gesundheits-leistungen ist die Krankenversicherung in Deutschland als Pflichtversicherung ausgestaltet.

Derartige Pflichtfinanzierungssysteme welcher Form auch immer reflektieren letztlich das politisch definierte Ziel, jedem Mitglied der Gesellschaft eine Gesundheitsmindest- oder auch -Vollversorgung unabhängig vom individuellen Einkommen zu sichern. Dem einzelnen ist insofern der Weg zu alternativen und u.U. individuell wirtschaftlicheren Finanzierungs- und Versicherungsformen versperrt. Er muss die Risiken aller Mitversicherten mittragen und insofern externe Effekte zu eigenen Lasten auch dann in Kauf nehmen, wenn dies für ihn individuell irrational ist. Marktprozesse, in denen der einzelne das im Rahmen der Versiche-rung gewählte Maß an solchen versicherungstypischen externen Effekte bestimmt, sind ausgeschlossen. Es wird also politisch bewusst und wohl unvermeidbar auf marktmäßige Anreize zur Begrenzung von Versicherungsleistungen verzichtet, so dass eine Regulierung des Leistungsumfangs aller überhaupt versicherten Leistungsbereiche erforderlich ist.

Gesundheitsökonomie 4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte

4.1 Die Problematik externer Effekte = Auswirkungen des Handelns eines einzelnen Entscheidungsträgers auf die gesamte Gesell-schaft (Volkswirtschaft), die aber von ihm selbst nicht getragen werden (von ihm bei seinem Handeln überhaupt nicht berücksichtigt werden).

4.2 Negative externe Effekte – externe Kosten

4.2.1 Auswirkungen

Beispiel:

Alkoholkonsum

Volkswirtschaftliche Kosten des Alkoholkonsums /Alkoholismus:

• Ausfall an Arbeitskraft geringeres Bruttoinlandsprodukt (BIP)

• Geringere Leistungsfähigkeit

• Höhere Fehlerquote (Ausschussquote, „Montagsauto“)

• Ressourcenaufwand für Reha, Entzugsmaßnahmen

• ...

Volkswirtschaftliche Kosten des Alkoholkonsums

- private, individuelle Kosten ( Marktpreis, Kaufpreis)

= externe Kosten

vom Entscheidungsträger bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigte volkswirtschaftliche Kosten.

Auswirkungen anhand eines Modells:

• Variablen:

x = Alkohol

vGK = volkswirtschaftliche Grenzkosten des Alkoholkonsums (Infinitesimal)

pGK = private Grenzkosten des Alkoholkonsums = Verkaufspreis, Marktpreis

konstanter Marktpreis für den Einzelnen

N = Nutzen des Alkoholkonsums (individueller Nutzen; ausgedrückt durch die

Zahlungsbereitschaft (Nachfrage des Einzelnen)

• Modellannahmen:

• vGK > Summe der privaten Grenzkosten; pGK ( externe Kosten)

• Summe der privaten Nutzen = volkswirtschaftlicher Nutzen ( keine positi-ven externen Effekte)

Andreas Ohlmann Seite 23

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte Gesundheitsökonomie

voptx p

optx

MEWE

N

ZEME

vGK

0

pGK

ME = Mengeneinheit

WE = Werteinheit

ZE = Zeiteinheit

(1). Kalkül des einzelnen Entscheidungsträgers (Kosten-Nutzen-Kalkül)

Wert/Nutzen einer private Kosten einer

zusätzlichen ME zusätzlichen ME

solange N > pGK

Nachfragemenge AUSWEITEN

N↓ ; pGK

wenn N = pGK

privates Optimum

tatsächlich nachgefragte Menge an x (Alkohol, Zigaretten) = poptx

(2). Ermittlung der volkswirtschaftlich optimalen Menge

Wert/Nutzen einer private Kosten einer

zusätzlichen ME zusätzlichen ME

solange N > vGK

Nachfragemenge AUSWEITEN

N↓ ; vGK↑

wenn N = vGK

volkswirtschaftliches Optimum; optimale Konsummenge voptx

Gesundheitsökonomie 4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte

FAZIT:

(1). Aus gesundheitsökonomischer Sicht wird „zuviel Alkohol getrunken“ vopt

popt xx >

(2). Die gesundheitsökonomisch optimale Konsummenge an z. B. Alkohol, Zigaretten > 0

vollständiges Alkohol-, Tabakverbot wäre volkswirtschaftlich SUBOPTIMAL (sie-he Prohibition)

4.2.2 Korrekturmöglichkeiten

(1). Alternative: Rationierung

Die angestrebte Menge wird so verteilt, dass jeder ein Kontingent erhält Summe

der Kontingente =

voptx

voptx

Beurteilung:

ökonomisch ineffizient, persönliche Präferenzen können nicht berücksichtigt werden

Lösung: „Quotentausch“

(2). Alternative: Internalisierung externer Kosten

Korrektur durch eine Internalisierungssteuer

= PIGOU-Steuer (z. B. „Ökosteuer“, Tabaksteuer, Branntweinsteuer, Steuer auf Alkopops (50 Cent), Biersteuer, Schaumweinsteuer (wurde 1916 eingeführt zur Finanzierung der kaiserlichen Marine))

gesucht:

Höhe der Steuer, die dazu führt, dass zur tatsächlich realisierten Nachfragemenge

wird.

voptx

Problem der Umsetzung in der Praxis:

N ist nicht bekannt

vGK ist nicht bekannt

↳ Steuerbetrag kann nicht analytisch ermittelt werden

Annäherungslösung:

Herantasten durch Versuch und Irrtum (Trial and Error)

↳ politisch schwer durchsetzbar

Andreas Ohlmann Seite 25

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte Gesundheitsökonomie

Auswirkungen am Modell:

voptx p

optx

MEWE

N

B

ZEME

vGK

0

pGK

pGK + SteuerSteuer

4.3 Positive externe Effekte – externe Vorteile

4.3.1 Auswirkungen

Positive externe Effekte gesundheitsbewusstes Handeln eines Einzelnen führt zu positiven Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft:

Volkswirtschaftliche Kosten von z. B. Nutzung von Bioprodukten:

• geringerer Ausfall an Arbeitskraft höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP)

• höhere Leistungsfähigkeit

• geringere Fehlerquote (geringere Ausschussquote, „Montagsauto“)

• geringerer Ressourcenaufwand für Reha, Diätmaßnahmen

• ...

diese positiven externen Kosten werden vom Einzelnen nicht in die Entscheidung einbezo-gen

Auswirkungen anhand eines Modells:

• Variablen:

x = Bioprodukte

vGK = volkswirtschaftliche Grenzkosten von Bioprodukten (Infinitesimal)

pKG = private Grenzkosten von Bioprodukten = Verkaufspreis, Marktpreis

Gesundheitsökonomie 4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte

konstanter Marktpreis für den Einzelnen

N = Nutzen von Bioprodukten (individueller Nutzen; ausgedrückt durch die

Zahlungsbereitschaft (Nachfrage des Einzelnen)

• Modellannahmen:

• vGK = pGK ( keine externe Kosten)

• Summe der privaten Nutzen Npriv < Summe der volkswirtschaftlicher Nutzen Nv ( positive externe Effekte)

poptx

MEWE

Npriv

B

ZEME

p GK = vGK

0

Nv

voptx

ME = Mengeneinheit

WE = Werteinheit

ZE = Zeiteinheit

privates Optimum: tatsächlich realistisch, nachgefragte Menge poptx

volkswirtschaftliches Optimum: voptx

FAZIT:

Aus volkswirtschaftlicher Sicht werden zu wenig „Bioprodukte“ nachgefragt.

vopt

popt xx <

Andreas Ohlmann Seite 27

4. Marktversagen im Gesundheitswesen – externe Effekte Gesundheitsökonomie

4.3.2 Korrekturmöglichkeiten

(1). Subventionierung von „Bioprodukten“ durch den Staat

gesucht:

Der Subventionsbetrag, der dazu führt, dass zur tatsächlich nachgefragten Menge

wird:

voptx

NV unbekannt

Versuch und Irrtum (Trial and Error)

(2). Durch gesundheitliche Aufklärung

Versuch eine Verhaltensänderung herbeizuführen durch Aufklärung, Beratung, Infor-mation ... ) z. B. durch Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)

Npriv nähert sich Nv an

dauert lange, genaue Steuerung unmöglich (wie viele Werbespots, Zeitungsanzei-gen sind notwendig)

Auswirkungen am Modell:

poptx

MEWE

Npriv

B

ZEME

p GK = vGK

0

pGK - Subvention

Subvention

Nv

voptx

Gesundheitsökonomie 5. Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich

5. Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich (siehe Punkt 4 im Skript Struktur des Gesundheitswesens)

6. Ökonomische Verfahren zur Beurteilung der Ge-sundheitssysteme (Evaluierungsverfahren)

6.1 Kosten-Effektivität-Analyse Effektivität von Gesundheitstechnologien werden in PHYSISCHEN Einheiten gemessen, z. B. „gewonnene Lebensjahre“, auch: Blutdruckwerte, Cholesterinwerte, Blutzuckerwerte u. ä..

klinische Werte

Kosten werden ausgedrückt in „Netto-Kosten“

Gesamtkosten der Technologie - vermiedene Krankheitskosten (vermiedene Krankheit, vermiedener Verdienst- = Nettokosten ausfall volkswirtschaftliche Kosten)

Kosten–Effektivitäts-Quotient (KEQ)

eLebensjahrgewonnenekostenKrankheitsvermiedeneieTechnoderenGesamtkost

KEQ−

=log

eLebensjahrgewonnenenNettokosteKEQ =

Probleme/Kritik:

Zurechnung einer längeren Lebenserwartung auf bestimmte Technologien ist schwie-rig

Ermittlung der vermiedenen volkswirtschaftlichen Krankheitskosten ist schwierig bzw. unmöglich Ermittlung der Nettokosten ist schwierig bzw. unmöglich.

Keine Berücksichtigung der subjektiven Lebensqualität der gewonnenen Lebensjah-re

Lösung:

Weiterentwicklung zur Kosten-Nutzwert-Analyse

Andreas Ohlmann Seite 29

6. Ökonomische Verfahren zur Beurteilung der Gesundheitssysteme (Evaluierungsverfahren)Gesundheitsökonomie

6.2 Kosten-Nutzwert-Analyse Bewertung der Veränderung des Gesundheitszustandes durch Maßgrößen der Lebensqualität.

Health Related Quality of Life: HRQL

Beispiel:

Patientenbefragungen, Befragung potenzieller Patienten

3 Lebensjahre, die durch entsprechende Maßnahmen „gewonnen“ werden, werden mit einem Faktor von z. B. 0,5 gewichtet

QALY-Maß (Quality adjusted Life years):

3 * 0,5 = 1,5 Jahre (Faktor kann auch > 1 sein)

Modifikation des KEQ

)( eLebensjahrgewonnenebewerteteQALYnNettokosteKEQ =

Probleme/Kritik:

Schwierigkeit der subjektiven Bewertung von Lebensqualität

ethisch-moralische Bedenken gegen die Bewertung von Lebensjahren

6.3 Kosten-Nutzen-Analyse Einführung einer Technologie/Verfahrens lohnend, wenn

1| >>KostenNutzenKostenNutzen

Bewertung des Nutzens:

bewertet durch die VERMIEDENEN Kosten einer Erkrankung („kostentheoretischer Ansatz“)

bewertet durch ZAHLUNGSBEREITSCHAFT der Patienten („willingness-to-pay-Ansatz)

Probleme/Kritik:

Zahlungsbereitschaft ist dort kein verlässlicher Indikator, wo GKV10 die Kosten über-nimmt

dort wo die GKV die Kosten nicht übernimmt: Problem der Zahlungsfähigkeit

ethisch-moralische Bedenken

10 GKV = gesetzliche Krankenversicherung