39

Click here to load reader

VWL Skript FH Berlin

Embed Size (px)

DESCRIPTION

VWL Skript

Citation preview

Page 1: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

VWL Semesterskript

(Mitschrift)

Dozent:

Prof. Dr. Hans-Jürgen Kraatz

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 2: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 3: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 4: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 5: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 6: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Teil A

I. Wirtschaftliche Grundbegriffe

1. Gegenstand der Volkswirtschaftlehre

Wirtschaftswissenschaften

Betriebswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre Finanzwissenschaften

BWL • Betrachtung innerbetriebliche Vorgänge

(Betrieb wird „von oben“ betrachtet) • Betrachtungen des Umfeldes,

d. h. Absatz- und Beschaffungsmärkte (lokale und globale Betrachtungen) VWL • Betrachtung wirtschaftliche Vorgänge innerhalb einer Volkswirtschaft

Arbeitsmarktlage, Kapitalmarktlage, ...

• Betrachtungen zur Integration der eigenen Volkswirtschaft in die globale Wirtschaft

Handelsbeziehungen,, Dienstleistungen, Tourismus, ...

Finanzwissenschaften Betrachtung der Einnahmen und Ausgaben des Staates Staat im volkswirtschaftlichen Sinne sind der Bund, die Länder, und die

Gemeinden sowie die gesetzlichen Sozialversicherungsträger Träger der gesetzlichen Sozialversicherung sind:

die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Träger der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung die Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung

Staatseinnahmen:

Steuern (vgl. Skript B 25) Sozialversicherungsbeiträge

(liegen derzeit rd. 100... 150 Mrd. DM unter dem Steueraufkommen, die Gesamtverschul-dung der Bundesrepublik Deutschland liegt derzeit bei rund 2.400 Mrd. DM, dies ent-spricht einer Verschuldung/Kopf von rund 28.000 DM)

Beiträge, Gebühren, Buß- und/oder Strafgelder

2. Wirtschaftliches Handeln

2.1 Bedürfnisse

Bedürfnisse

begrenzte Mittel

Widerspruch bzw. Spannungsverhältnis

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 7: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Zu erkennen ist ein Konflikt zwischen den nahezu unbegrenzten menschlichen Bedürfnissen und den nur be-grenzt zur Verfügung stehenden Mitteln (Ressourcen). Die Bedürfnisse werden wie folgt unterschieden:

Grundbedürfnisse, d. h. lebensnotwendige Bedürfnisse; Kulturbedürfnisse, Luxusbedürfnisse

2.2 Güter Güter im Sinne der Volkswirtschaft können beispielsweise wie folgt eingeteilt: 1. Einteilungsmöglichkeit:

Konsumgüter, d. h. Ge-/Verbrauchsgüter und Investitionsgüter, die z. B. zur Erschaffung von Gütern oder Dienstleistungen dienen

2. Einteilungsmöglichkeit:

Sachgüter, Dienstleistungen

3. Einteilungsmöglichkeit:

freie (kostenlose) Güter wirtschaftliche Güter (Güter, die einen Marktpreis haben)

2.3 Wirtschaftssubjekte Wirtschaftssubjekte treffen wirtschaftliche Entscheidungen. Wirtschaftssubjekte im volkswirtschaftlichen Sinne sind:

• die Privathaushalte zusammengefasst im Wirtschaftssektor der Privathaushalte; von Interesse z. B. die Höhe der Sparquote (derzeit in Deutschland rd. 11% des Haushaltseinkommens);

• der Staat (vgl. volkswirtschaftliche Definition Ziffer 1. unter Finanzwissenschaften); • die Unternehmen und • das Ausland.

Aus diesen vier Sektoren besteht jede Volkswirtschaft.

Page 8: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

3. Produktionsfaktoren Produktionsfaktoren im Sinne der Volkswirtschaftslehre (nach J. B. Say)sind different zu den aus der Betriebs-wirtschaftslehre bekannten Produktionsfaktoren nach E. Gutenberg. Diese sind:

• Arbeit, • Boden, • Kapital, - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - • (technologischer Fortschritt)

3.1 Arbeit

3.1.1 Arbeitsmarktlage • Faktoren zur Beurteilung der Arbeitsmarktlage

- Arbeitslosenquote (vgl. vorstehende Ausführen zur Berechnung der Arbeitslosenquote) nicht mit ein in die Arbeitslosenquote geht die sog. „stille Reserve“ ein. Stille Reserve (Personen, die nicht arbeitslos gemeldet sind, in Deutschland derzeit ca. 1,5 ... 3 Mio. Menschen)

- ABM-Kräfte - Vorruheständler - arbeitswillige Hausfrauen, die nicht arbeitslos oder –suchend gemeldet sind. - Kurzarbeiter (in Deutschland derzeit ca.100.000 Menschen) - offene Stellen (in Deutschland derzeit ca.550.000)

Berechnung der Arbeitslosenquote:

Anzahl der gemeldeten Arbeitslosen • 100 Arbeitslosenquote [%] = Gesamtzahl der Erwerbspersonen

Anzahl der gemeldeten Arbeitslosen • 100 Arbeitslosenquote [%] = Gesamtzahl der abhängig beschäftigten Erwerbspersonen Derzeitige Berechnung der Quote

⇒ Verringerung der Quote durch Erhöhung des Nenners der Quote, da die Gesamtzahl aller Erwerbspersonen, um den Faktor der selbständig beschäftigten Erwerbspersonen höher ist als die Anzahl der abhängigbeschäftigten Erwerbspersonen.

Ehemalige Berechnung der Quote Erläuterungen:

a) Erwerbspersonen Selbständige Erwerbspersonen

abhängig beschäftigte Erwerbspersonen

Erwerbspersonen

gemeldete Arbeitslose

abhängig beschäftigte Erwerbspersonen • gewerbliche AN • Angestellte • Beamte, Richter

und Soldaten

Selbständige Erwerbspersonen b) Nichterwerbspersonen

(ohne Bedeutung für die Berechnung der Arbeitslosenquote)

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 9: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Im Vergleich der Arbeitslosenquote Deutschlands mit den Arbeitslosenquoten von Volkswirtschaften anderer Länder ist zu beachten, dass es sehr unterschiedliche Berechnungsgrundlagen und Personengruppen gibt, die in diese Berechnungen einfließen. Internationale Vergleiche mit Dezimalstellenangeben sind daher sehr mit Vor-sicht zu genießen.

3.1.2 Volkswirtschaftliche Beschäftigungsgrade - Volkswirtschaftliche Beschäftigungsgrade sind:

- Vollbeschäftigung liegt dann vor, wenn die Arbeitslosenquote einen bestimmten Wert unterschreitet (in Deutschland derzeit ca.3%) oder wenn die Zahl der Arbeitslosen etwa der Zahl der offenen Stellen entspricht.

- Unterbeschäftigung

Die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen ist wesentlich größer als die Zahl der offenen Stellen.

- Überbeschäftigung Die Zahl des inländischen Arbeitskräftepotentials ist nicht ausreichend, die offenen Stellen zu be-setzen. (Vgl. Skript Abb. B 2)

3.1.3 Arten der Unterbeschäftigung 1. technologische Unterbeschäftigung (Ersetzung durch Technik) 2. strukturelle Unterbeschäftigung (z. B. verursacht durch sinkende Nachfrage, geändertes Konsumver-

halten, Exportabnahme/Wechselkursschwankungen) 3. konjunkturelle Unterbeschäftigung (Abschwung, Rezession, Depression, Krise)

idealisierter Realfall, Konjunktur als Sinus-kurve

Idealfall, stetig stei-gende Konjunktur

Sozialprodukt: Wert aller produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen in einem Jahr. 4. saisonale Unterbeschäftigung (wetterabhängig: Bauwirtschaft, Agrarwirtschaft, Tourismuswirtschaft) 5. friktionelle Unterbeschäftigung (freiwillige kurzfristige Unterbeschäftigung, häufig bei Voll- und Ü-

berbeschäftigung anzutreffen)

3.2 Kapital

3.2.1 Sachkapital (Investitionsgüter) 1. Ersatzinvestition (z. B. Austausch einer Maschine gegen eine gleichwertige andere Maschine)

- kein Einfluss auf den Arbeitsmarkt/die Volkswirtschaft 2. Erweiterungsinvestition (z. B. Anschaffung einer zusätzlichen Maschine)

- volkswirtschaftliche/arbeitsmarktpolitische positive Wirkung 3. Rationalisierungsinvestition (Anschaffung einer leistungsfähigeren Maschine statt der alten Maschi-

ne) rd. 50% aller Investitionen fallen hierunter

3.2.2 Geldkapital Geldkapital umfasst alle Mittel die geeignet sind, um Sachkapital zu beschaffen, dabei gibt es differente Liquidi-tätsgrade (vgl. Bargeld ⇒ Kunstwerk).

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 10: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

3.3 Weitere Produktionsfaktoren

3.3.1 Boden 1. Anbauboden (Landwirtschaft) 2. Abbauboden (Bergbau) 3. Standort für Unternehmen

3.3.2 Technischer Fortschritt 1. Wissen 2. Menschliches Kapital

4. Ökonomisches Prinzip

4.1 Minimal- und Maximalprinzip

Bedürfnisse

begrenzte Mittel

Widerspruch bzw. Spannungsverhältnis

4.1.1 Minimalprinzip Das Minimalprinzip sagt aus, dass ein gegebenes Ziel mit dem geringst möglichen Mitteleinsatz erreicht wer-den soll.

4.1.2 Maximalprinzip Das Maximalprinzip sagt aus, dass mit vorgegebenem Mitteleinsatz ein größtmöglicher Erfolg zu erreicht werden soll.

4.2 Messung der Wirtschaftlichkeit (Produktivität und Rentabilität) Die Produktivität ist ein Erfolgsmaßstab.

toduktivitäatzMitteleinsrgebnisoduktionse PrPr

= (Reale Größen)

Beispiel:

Stunde

AktenStunden

Akten 2816

=

Aussagekraft nur als Vergleichswert untereinander; mögliche Vergleiche:

1. interpersoneller Vergleich – Mitarbeiter untereinander 2. Betriebsvergleich – Betriebe untereinander 3. Zeitvergleich – Änderung der Produktivität im Zeitvergleich Vergleichsvoraussetzungen: 1. vergleichbare Tätigkeiten oder Betriebe 2. qualitativ vergleichbare Ergebnisse

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 11: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Anreize zur Steigerung der Produktivität in einem Betrieb: - Materielle Anreize

Übergang von Zeitlohnsystemen auf Leistungslohnsysteme: 1. Akkordlohn, 2. Prämienlohn, 3. Gewinnbeteiligungen.

- Immaterielle Anreize 1. Urlaub 2. Arbeitszeitflexibilisierung, 3. Titel, Urkunden, Ehrungen

Jede Maßnahme, die dazu geeignet sein kann, die Produktivität zu erhöhen, muss darauf untersucht werden, welche Auswirkungen sich auf die Rentabilität ergeben. Rentabilität (Definition aus der BWL) Allgemein kann gesagt werden: Rentabilität ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (z. B. Eigenkapitalren-tabilität, Umsatzrentabilität).

4.3 Produktivität und Lohnsteigerungen Erhöhungen der Produktivität durch mögliche Änderungen folgender Punkte: • Veränderungen der Aufbau- und/oder Ablauforganisation

• Aufbauorganisation (Unternehmensstruktur) z. B. Liniensystem UL

Marketing Produktion IT/EDV Fin Kennzeichen: strenge Hierarchie Abwandlungen: • Stab-Liniensystem • Matrixorganisation

UL F+E Beschaff. Produktion Controll Market. Produktions-

Gruppe A Produktions-

Gruppe B Produktions-

Gruppe C ...

Spartenorgantisation UL

Division Division

Privatkunden gehobene Privatkunden

• Controlling • Marketing • Organisation • Personal • ...

• Control-ling

• Marke-ting

• Organi-sation

• Personal • ...

u. v. a. ...

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 12: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

• Ablauforganisation ist die Organisation der Arbeitsabläufe eines Betriebes • Aus- Fortbildung der Arbeitnehmer • Einsatz technischer Hilfsmittel (z. B. PC, Maschinen, Roboter) • Betriebsklima (Führungsstil, Gesundheitsmanagement)

Das Zusammenspiel und mögliche Auswirkungen am Beispiel:

Arbeitslo-senquote ↑

Gewerkschaften ↓

Produktionskostenanstieg ↓

Kaufkraftsteigerung ↓

Nachfrageerhöhungen ↓

Produktionssteigerungen ↓

Arbeitsplatzschaffung

Unternehmer ↓

Produktionskostenanstieg ↓

Rationalisierungsinvestitionen ↓

Preiserhöhungen ↓

Auslandsinvestitionen

Lohnsteigerungen > Arbeitsproduktivität Langfristig ökonomisch betrachtet, ist es sinnvoll, wenn die Lohnsteigerungen unterhalb der Arbeitsproduktivi-tätsrate liegen. (4.2 und 4.3 sind klausurrelevant)

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 13: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

II. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)

1. Wirtschaftskreislauf Ziel der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist es, den Aufbau und die Funktionsweise einer Volkswirtschaft transparent zu gestalten. Zur Erreichung dieses Zieles sind drei Schritte erforderlich:

a) Bildung volkswirtschaftlicher Sektoren 1. Sektor Sektor der Privathaushalte 2. Sektor Sektor der Unternehmen 3. Sektor Sektor Staat 4. Sektor Sektor Ausland

b) Unterteilung der volkswirtschaftlichen Sektoren

Beispiele: Zu 1) Haushaltsgröße (Ein-/Mehrpersonenhaushalte);

Haushaltseinkommen; ... Zu 2) Unternehmensgröße (Klein-, Mittel-, Großbetriebe);

• Rechtsform • Einzelunternehmungen, • Personengesellschaften (oHG, KG), • Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) • Genossenschaften (e. G.) • Mischformen (z. B. GmbH & Co. KG)

• Branchen Zu 3) Staat

• Bund, • Länder, • Gemeinden, • gesetzliche Sozialversicherungsträger

Zu 4) Ausland • EU-Länder • Drittländer, • Assoziierte Staaten,´ • Erdteileinteilung

c) Erfassung der Beziehungen zwischen den vier volkswirtschaftlichen Sektoren Mögliche Darstellungsformen sind die Kontenübersicht oder der Wirtschaftskreislauf (Diagramm) Das Ergebnis des Wirtschaftskreislaufs ist die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden alle wirtschaftlich re-levanten Größen einer Volkswirtschaft ermittelt. Die Volkswirtschaftliche Gesamt-rechnung erfasst die Beziehungen zwischen den vier volkswirtschaftlichen Sektoren.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 14: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Stark simplifizierte schematische Darstellung des

Wirtschaftskreislaufes

private Haushalte

Steuern, Gebühren, Beiträge, Buß-/Strafgelder

Sozialeinkommen Renten, BSHG-Hilfen, BAfoeG-Leistungen, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe,

Ausgleichsbeträge

Zölle, Abschöpfungen

Ersparnis Kredite

Im- und Exporte

Geld

Güter

Lohn, Pacht, Zinsen

Arbeit, Boden, Kapital

Ausland

Staat

Banken

Untermnehmen Banken

Die Banken werden wegen Ihrer besonderen volkswirtschaftlichen Bedeutsamkeit aus dem Sektor der Unter-nehmen herausgelöst betrachtet. Banken sind sowohl Kapitalsammelstellen als auch Kreditgeber

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 15: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

2. Volkseinkommen Das Volkseinkommen ist die Summe der drei Faktoreinkommen, die den privaten Haushalten in einem Jahr brutto zufließen In Deutschland betrug das Volkseinkommen bezogen auf das Jahr 2000 rund 2.945 Mrd. DM, also rund 3 Billio-nen DM; im Gegensatz hierzu standen Sozialeinkommen in Höhe von rund 1, 3 Billionen DM. Diese gliederten sich wie folgt auf:

• Renten rd. 400 Mrd. DM • Krankenkassenleistungen rd. 300 Mrd. DM • Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung rd. 120 Mrd. DM • Sozialhilfeleistungen rd. 55 Mrd. DM

2.1 Faktor- und Transfereinkommen

2.1.1 Faktoreinkommen Faktoreinkommen sind Einkommen für deren Erzielung der Einsatz volkswirtschaftlicher Produktionsfaktoren erforderlich ist:

• Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit, • Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, • Einkommen aus Kapitalvermögen.

2.1.2 Transfereinkommen Transfereinkommen sind Einkommen für deren Erzielung kein Einsatz volkswirtschaftlicher Produktionsfakto-ren erforderlich ist:

• Sozialeinkommen.

2.2 Kaufkraft der Einkommen Die Kaufkraft wird durch zwei Bestimmungsfaktoren, nämlich

1. das Einkommen (unabhängig ob, Löhne, Gehalt, Besoldung oder Renten und Pensionen) und 2. die Inflationsrate,

gekennzeichnet. Dabei gibt es zwei Faktoren, die sich kaufkrafterhöhend auswirken:

1. die Netto-Einkommenszuwachsrate ist höher als die Inflationsrate oder 2. durch Preissenkungen sinken die Lebenshaltungskosten (Deflation, zuletzt in der Bundesrepu-

blik Deutschland 1986 mit einer Inflationsrate von -0,2%; vgl. auch Skript, A6, insbesondere „Realverdienst je Arbeitnehmer).

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 16: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

2.3 Lohn- und Gewinnquote Als (ein) langfristiges Gewerkschaftsziel wird die Erhöhung der Lohnquote angesehen. Dem gegenüber sehen die Arbeitgeber als (ein) wichtiges Ziel die Erhöhung der Gewinnquote an. Bei diesen beiden volkswirtschaftlich wichtigen Begriffen geht es um die Aufteilung des Volkseinkommens.

Auf t e i l ung de r Lohn- und Ge wi nnquot e de s

Vol k se i nk omme ns f ür da s J a hr 19 7 0

68,0%

32,0%

Auf t e i l ung de r Lohn- und Ge wi nnquot e de s

Vol k se i nk omme ns f ür da s J a hr 19 9 3

74,2%

25,8%

Auf t e i l ung de r Lohn- und Ge wi nnquot e de s

Vol k se i nk omme ns f ür da s J a hr 19 9 9

71,4%

28,6%

kurzfristiger Zuwachs der Gewinnquote

langfristiger Zuwachs der Lohnquote

langfristiges Absinken der Gewinnquote

kurzfristiger Verlust der Gewinnquote

Lohnquote des Volkseinkommens

Gewinnquote des Volkseinkommens

Die Lohnquote ist der Anteil des Volkseinkommens aus unselbständiger Tätigkeit.

Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit • 100 Lqu. [%] = Volkseinkommen Die Gewinnquote ist der Anteil des Volkseinkommens aus selbständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen.

(Einkommen aus selbständiger Tätigkeit + Einkommen aus Kapitalvermögen) • 100 Gqu. [%] = Volkseinkommen Die bloße Betrachtung der beiden Quoten drückt jedoch nur wenig Informationsgehalt zur wirtschaftliche Situa-tion einer Volkswirtschaft aus. Beispielhaft seien hier nur drei wichtige Gründe angeführt:

1. Bei der Quotenberechnung findet eine Betrachtung des Brutto-Volkseinkommens statt, brutto und netto sind jedoch divergent, d. h. es bleibt die Höhe der Abzüge sowie die Höhe der Transfereinkommen in der Berechnung unberücksichtigt;

2. Die beiden Quoten berücksichtigen nicht die Anzahl der Arbeitnehmer und Un-

ternehmer, die sich die beiden Quoten des Volkseinkommens (also die „Torten-stücke“) teilen.

3. Es muss hier die Frage gestellt werden, ob die Aufteilung der Quoten richtig

vorgenommen wurde und mithin, ob die korrekte Lohnquotendefinition gegeben wurde. Die Lohnquote ist real nämlich größer als die nominale Lohnquote, da sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Berechnung der Unternehmer-seite zugeschlagen werden. Daraus folgt im Gegenzug, dass die Gewinnquote re-al von der nominalen Gewinnquote ebenfalls abweicht, weil diese real etwas niedriger als nominal angegeben ausfällt.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 17: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

3. Sozialprodukt Definition: Das Sozialprodukt ist der Wert aller produzierten Güter und Dienstleistungen aus einer Volkswirt-schaft in einem Jahr (Dabei fließt jedes gefertigte Fahrzeug, jeder Haarschnitt usw. mit in die Berechnung ein).

3.1 Berechnungsarten a) Entstehungsrechnung

In der Entstehungsrechnung werden die Beiträge (BWL = Wertschöpfungsbeiträge) der einzel-nen Wirtschaftzweige zum Sozialprodukt erfasst.

Entstehungsrechnung 1999 [Mrd. DM]

• Produzierendes Gewerbe (Industrie-Wertschöpfungsbeitrag) • Baugewerbe • Handel und Verkehr • Öffentlicher Dienstag • u. v. a.

---

Brutto-Inlands-Produkt (BIP) 3.877

+ Auslands-Einkommen deutscher Arbeitnehmer − Inlandseinkommen ausländischer Arbeitnehmer

−38

Brutto-Sozial-Produkt zu Marktpreisen 3.839

− Abschreibungen ---

Netto-Sozial-Produkt zu Marktpreisen

− Steuern + Subventionen

--- ---

Netto-Sozial-Produkt zu Faktorpreisen (oder Faktorkosten) 2.863

+ Auslands-Einkommen deutscher Arbeitnehmer

BIP

− Inlandseinkommen ausländischer Arbeitnehmer

Wieso entspricht das Netto-Sozial-Produkt zu Faktorpreisen dem Volkseinkommen? Weil in dem Maße, in dem auf der einen Seite Güter produziert werden, andererseits die mone-täre Seite ebenfalls wächst.

Sozial-Pro-dukt,Güter

Volksein-kommen

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 18: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

b) Verteilungsrechnung Die Verteilungsrechnung ermittelt die drei Faktoreinkommen und damit die Lohn- und Ge-winnquote, d. h. die Verteilungsrechnung setzt auf der monetären Seite an.

Verteilungsrechnung 1999 [Mrd. DM]

• Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit • Einkommen aus selbständiger Tätigkeit Handel und Verkehr • Einkommen aus Kapitalvermögen }

2.044

819

Volkseinkommen (VE) 2.836

Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit • 100 Lqu. [%] = Volkseinkommen

2.044 • 100 71,4 % = 2.836

Daraus errechnet sich die Gewinnquote als Differenz zu 100% mit 28,6% des Volkseinkommens.

c) Verwendungsrechnung Die Verwendungsrechnung ermittelt die inländische Verwendung und den Außenbeitrag (Ex- und Importe), d. h. die Verteilungsrechnung setzt auf der Güter-Seite an.

Verwendungsrechnung 1999 [Mrd. DM]

• privater Konsum • Staatsverbrauch (nur die Gebietskörperschaften, ohne die Sozialversicherungsträger!) • Staatliche und private Investitionen

2.238 736 859

+ Außenbeitrag 44 BIP= VE (= BIP zu Marktpreisen + NIP zu Marktpreisen + NSP zu Faktorpreisen)

3.877

Hinweis: Abweichende Zahlen des VE für 1999 resultieren ggf. daher, dass das Statistische Bundesamt

die endgültigen Werte erst etwa 3… 4 Jahre später feststellt, die bis dahin veröffentlichten Zah-len sind also nur vorläufige amtliche Veröffentlichungen.

3.2 Nominales und reales Sozialprodukt Der Begriff „Wirtschaftswachstum“ bezieht sich auf die Zuwachszahlen des realen BIP.

1998 1999 nominal real nominal real

3.784 3.678 3.877 3.732

2,5% Zuwachs 1,5% Zuwachs Die Zuwachsrate des BIP im Vergleich der Jahre 1998 und 1999 betrug 2,5%. Die Berechnung des nominalen BIP erfolgt in den jeweiligen Preisen des Jahres, d. h. die 1999 produzierten Güter werden mit ihren aktuellen Marktpreisen multipliziert. Dies bedeutet, dass die Inflationsrate im BIP mit enthalten ist (Bei einer Inflationsra-te von 2,5%, wäre das Realwachstum damit 0%). Das nominale BIP liefert folglich keine Aussage, ob tatsächlich ein Wirtschaftswachstum stattgefunden hat. Man möchte jedoch wissen, ob real mehr Güter produziert wurden, als ob es ein reales Wirtschaftswachstum gegeben hat. Hieraus resultiert die Berechnung des realen BIP.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 19: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Berechnung des realen BIP: Das reale BIP wird auf der Grundlage eines Basisjahres, also mit künstlichen Preisen, berechnet (z. Zt. Das Jahr 1995). Damit ist die Inflationsrate bei der Berechnung des BIP nicht enthalten.

BIP real 1996 umfasst die produzierten Güter des Jahres 1996, aber mit der Preisbewertung von 1995. BIP real 1997 umfasst die produzierten Güter des Jahres 1996, aber mit der Preisbewertung von 1995. BIP real 1998 umfasst die produzierten Güter des Jahres 1996, aber mit der Preisbewertung von 1995. BIP real 1999 umfasst die produzierten Güter des Jahres 1996, aber mit der Preisbewertung von 1995.

Probleme:

1. Es existieren zum derzeitigen Zeitpunkt Güter, die im Basisjahr noch nicht existierten, d. h. das Statistische Bundesamt kalkuliert, wie hoch ein Preis hypothetisch gewesen wäre, hätte es dieses Produkt bereits im Basisjahr gegeben („schwammige“ Rech-nung)

2. Die produzierten Güter verändern die Qualität im Zeitablauf. Diesen Mangel versucht das Statistische Bundesamt durch Zu- bzw. Abschläge auszugleichen („schwammige“ Rechnung).

3. … Um derartige Fehler möglichst gering zu halten, wird das Basisjahr alle 5… 6 Jahre um 3… 4 Jahre vorverlegt. Für wen ist die Berechnung des Sozialproduktes von Interesse? z. B. für

1. den Staat (Vertreter der Gebietskörperschaften) im Rahmen der aktuellen Steuerschät-zung (alle 6 Monate erfolgt die Schätzung des aktuellen Steueraufkommens), da das Steueraufkommen eine sehr starke Korrelation zum Sozialprodukt aufweist.

2. die EU Die EU finanziert sich über folgende Einnahmequellen: 1. 1% des EUSt/MWSt-Aufkommen aller Mitgliedsstaaten 2. Zölle und Abschöpfungen 3. Beiträge der Mitgliedsstaaten, da 1. und 2. zur deckenden Finanzierung der

EU nicht ausreichen. Die Berechnung dies Anteils erfolgt anhand des BSP. Die Berechnung des BSP in der EU ist jedoch nicht übereinstimmend mit der Berechnung in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Wirtschaftswachstum wird mithin ausgedrückt durch die Rate des realen Brutto-Inlands-Produkts (BIP), also ohne die Inflationsrate. Nur das reale BIP gibt eine korrekte Aussage darüber, ob tatsächlich mehr Güter produziert wurden.

3.3 Das Sozialprodukt als Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft

In der Vergangenheit wurde zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft lediglich das reale Einkommen pro Kopf der Bevölkerung angesetzt. Dieser Ansatz ist jedoch unzulänglich und für die Beurteilung einer Volkswirtschaft unzulänglich. Dies wäre zu Vergleichen mit dem Versuch alle Leite z. B. an Ihrer Frisur vergleichen zu wollen. Heutzutage wird eine Vielzahl sozialer Indikatoren zur Beurteilung der Volkswirtschaft herangezogen. Solch sozialen Indikatoren sind beispielsweise:

• die Arbeitsmarktlage (Arbeitslosenquote), • die Inflationsrate; • das Bildungswesen; • das Gesundheitssystem; • die Infrastruktur; • die Einkommens und Vermögensverteilung; • die Umweltsituation usw.

Die zur Beurteilung herangezogenen Indikatoren werden in eine Gewichtung zueinander gebracht.

Page 20: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

III. Wirtschaftordnungen

1. Modell der Marktwirtschaft soziale Marktwirtschaft

in Deutschland

freie Marktwirtschaft Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft

U. S.-Marktwirtschaft

modellhafte oder idealtypische Marktwirtschaften Darstellung der Spannbreite der Wirtschaftsordnungen mit den modellhaften oder idealtypischen Spannbreiten-grenzender freien Marktwirtschaft einerseits und der Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft andererseits. Zur Historie der freien Marktwirtschaft: am nächsten an der freien Marktwirtschaft war in der Bundesrepublik Deutschland die soziale Marktwirtschaft um 1950 mit dem Wirtschaftsliberalismus und dem Wirtschaftskapita-lismus. Die nächste Nähe zur Planwirtschaft war gegeben in der Sowjet-Union während der Stalin-Ära. Real existiert weder das eine, noch das andere Extrem. Wirtschaftsordnungen können nur durch den Vergleich von mindestens vier Faktoren korrekt dargestellt werden, so dass die Einordnung der sozialen Marktwirtschaft innerhalb der o. a. Marktordnungsgrenzen nicht so leicht vorzunehmen ist.

1.1 Merkmale der Wirtschaftsordnungen

1.1.1 Die wichtigsten Merkmale der freien Marktwirtschaft o Staat: Welche wirtschaftliche Funktion soll der Staat in der freien Marktwirtschaft einnehmen? In

der freien Marktwirtschaft soll sich der Staat vollkommen aus dem wirtschaftlichen Geschehen he-raushalten.

o Eigentum an Produktionsmitteln: In welchem Eigentum sollen sich die Produktionsmittel in der freien Marktwirtschaft befinden? In der freien Marktwirtschaft soll sich das Eigentum an Produktionsmitteln nur als Privateigentum darstellen.

o Preisbildung: Wie soll sich die Preisbildung in der freien Marktwirtschaft vollziehen? In der freien Marktwirtschaft soll sich die Preisbildung ausschließlich durch Angebot und Nachfrage ges-talten oder vollziehen.

o Unternehmenswettbewerb: Wie soll sich der Unternehmenswettbewerb in der freien Marktwirtschaft gestalten? In der freien Marktwirtschaft soll ein grenzen- oder schrankenloser Wettbewerb zwischen den Wirtschaftssubjekten herrschen.

Warum ist Wettbewerb so wichtig für die Wirtschaftsordnung?

Die fünf wichtigsten Funktionen des Wettbewerbs sollen dies verdeutlichen:

1. Antriebsfunktion des Wettbewerbs, d. h. Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, sind zum Überleben gezwungen, sich ständig für den technischen Fortschritt einsetzen zu müs-sen.

2. Steuerungsfunktion des Wettbewerbs für die Produktion, d. h. Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, müssen eine breite Güterpalette anbieten, was zu relativen Niedrig-preisen führt, solange der Wettbewerb besteht.

3. Verteilungsfunktion der freien Marktwirtschaft im Wettbewerb, d. h. in der Wettbe-werbsgesellschaft orientieren sich alle Einkommen am Leistungsprinzip.

4. Ausleseeffekt des Wettbewerbs, d. h. dass Unternehmen, die dem Wettbewerb der freien Marktwirtschaft nicht Stand halten schreiben Verluste und gehen in den Konkurs.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 21: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

5. Entscheidungsfreiheit in der freien Marktwirtschaft, wobei Entscheidungsfreiheit in der freien Marktwirtschaft bedeutet:

1. grenzenlose Berufsfreiheit, 2. Gewerbefreiheit aller Wirtschaftssubjekte, 3. grenzenlose Vertragsfreiheit, 4. dezentrale Wirtschaftplanung aller Wirtschaftssubjekte, d. h. jedes Wirtschafts-

subjekt entscheidet für sich selbst.

1.1.2 Die wichtigsten Merkmale der Planwirtschaft o Staat: Welche wirtschaftliche Funktion soll der Staat in der Planwirtschaft einnehmen? In der

Planwirtschaft soll der Staat vollkommen das wirtschaftliche Geschehen bestimmen.

o Eigentum an Produktionsmitteln: In welchem Eigentum sollen sich die Produktionsmittel in der Planwirtschaft befinden? In der Planwirtschaft soll sich das Eigentum an Produktionsmitteln nur als Staatseigentum darstellen.

o Preisbildung: Wie soll sich die Preisbildung in der Planwirtschaft vollziehen? In der Planwirt-schaft soll sich die Preisbildung ausschließlich durch staatliches Preisdiktat vollziehen.

o Unternehmenswettbewerb: Wie soll sich der Unternehmenswettbewerb in der Planwirt-schaft gestalten? In der Planwirtschaft soll kein Wettbewerb zwischen den Wirtschaftssubjekten herrschen.

1.2 Vorteile und Nachteile (der freien Marktwirtschaft)

1.2.1 Nachteile 1. In der freien Marktwirtschaft existiert keinerlei soziale Absicherung 2. In der freien Marktwirtschaft ist die Kartell- und Monopolbildung sehr groß, da keine staatliche

Kontrolle darüber existiert. 3. In der freien Marktwirtschaft ist die Gefahr von Wirtschaftskrisen sehr groß, da staatliche

Wirtschaftspolitik, Konjunkturpolitik, Arbeitsmarktpolitik usw. nicht existent ist.

1.2.2 Vorteile 1. In der freien Marktwirtschaft käme der Verbraucher in den Genuss relativer Niedrigpreise so-

lange der Wettbewerb besteht. 2. In der freien Marktwirtschaft wäre die Arbeitsproduktivität sehr hoch, da die Entlohnung ent-

sprechend der erbrachten Leistung orientiert wäre. 3. Jedes Wirtschaftssubjekt hat einen weiten Entscheidungsspielraum.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 22: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

2. Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland Die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik hat mehrere „geistige Väter“ und ist auf die sog. „Freiburger Schule“ oder auch „neoliberale1 Schule“, einer Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität in Frei-burg aus den 30er… 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Als bekanntester Kopf dieser Gruppe zählt W. Eucken. Der viel zitierte (parteilose) Ludwig Erhardt, wird als der „politische Vater“ der sozialen Marktwirtschaft angesehen. Ein weiterer wichtiger Vordenker war Müller-Armack (vgl. Skript A8-A11).

2.1 Grundzüge Die Wichtigsten Merkmale der sozialen Marktwirtschaft im Vergleich zur freien Marktwirtschaft

o Staat: Welche wirtschaftliche Funktion soll der Staat in der sozialen Marktwirtschaft einnehmen? In der sozialen Marktwirtschaft soll der Staat in das wirtschaftliche Geschehen eingreifen, um so eine Vielzahl wirtschaftlicher Ziele zu erreichen:

o Die drei wichtigsten Ziele der Sozialpolitik: 1. Soziale Absicherung (fünf Zweige der gesetzlichen Sozialversicherung), 2. Soziale Gerechtigkeit, 3. Chancengleichheit.

o Die vier wichtigsten Ziele der Wirtschaftspolitik: 1. Herstellung und Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Wettbewerbs, 2. Erreichen eines hohen Beschäftigungsgrades (möglichst Vollbeschäftigung), 3. Erreichung der Preisstabilität, 4. Erreichung eines stabilen Wirtschaftswachstums.

Zur Erreichung dieser Ziele soll der Staat marktkonforme Instrumente einsetzen. Marktkonforme Instrumente sind dadurch gekennzeichnet, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen grundsätzlich durch die Wirtschaftssubjekte getroffen werden. Der Staat versucht aber, auf diese Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

o Beispiele für marktkonforme Instrumente des Staates: 1. Investitionsentscheidungen:

Durch umfassende Anreize versucht der Staat Einfluss auf Investitionsentscheidungen zu nehmen, wie z. B. steuerliche Sonderabschreibungen oder Subventionen usw.

2. Sparentscheidungen: Versuch der politischen Einflussnahme des Staates durch Förderprogramme, wie z. B. Bausparprämien, 3. Vermögensbildungsgesetz usw.

3. Umweltpolitik: Versuch der politischen Einflussnahme auf umweltpolitisch gewünschtes Verhalten, wie z. B. Öko-Steueraufschlag auf die MinöSt oder Steuerbegünstigung von Fahr-zeug-Katalysatoren

o Eigentum an Produktionsmitteln: In welchem Eigentum sollen sich die Produktionsmittel

in der sozialen Marktwirtschaft befinden? In der sozialen Marktwirtschaft soll sich das Eigentum an überwiegend als Privateigentum, aber zum Teil auch als Staatseigentum darstellen.

o Preisbildung: Wie soll sich die Preisbildung in der sozialen Marktwirtschaft vollziehen? In der sozialen Marktwirtschaft soll sich die Preisbildung grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage re-geln. Staatliche Einflussnahme bei der Preisbildung findet über folgende politische Maßnahmen statt:

Besteuerung (EUSt, MWSt, VSt, Zölle, Abschöpfungen) Subventionierung (ÖPNV in Berlin 2000 etwa 800 Mio. DM) Preisfestlegungen (Vergleichs-Mietzins, Regulierungsbehörde für das Tele-

kommnikationswesen, vertikale Buch-, Zeitungs-, Zeitschriften-Preisbindung)

o Unternehmenswettbewerb: Wie soll sich der Unternehmenswettbewerb in der sozialen Marktwirtschaft gestalten? In der sozialen Marktwirtschaft soll Wettbewerb zwischen den Wirt-schaftssubjekten, jedoch kein grenzenloser, herrschen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es hierfür zwei wichtige Gesetze:

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

1 neo- = anknüpfend; hier anknüpfend an die freie Marktwirtschaft

Page 23: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

o Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 1909, mit dem Ziel des grundsätzli-chen Verbots sittenwidriger Wettbewerbshandlungen, wie z. B. des früheren Verbots der vergleichenden Werbung oder Werbung oder andere Handlungen, mit dem Ziel der Kun-dentäuschung.

o Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (KartellG) zur Verhinderung von Monopo-len oder Kartellen

o Entscheidungsfreiheit: Welche Entscheidungsfreiheit haben die Wirtschaftssubjekte in der sozialen Marktwirtschaft? In der sozialen Marktwirtschaft haben die Wirtschaftsubjekte grundsätz-liche Entscheidungsfreiheit, jedoch nicht schrankenlos. Grundgesetzlich garantierte Freiheiten sind z. B.:

Berufsfreiheit (Garantie der freien Wahl des Berufs, nicht der Berufsaus-übung),

Gewerbefreiheit (Garantie der freien Wahl des Gewerbes, aber mit gesetzli-chen Voraussetzungen z. B. an Qualifikation, Gesundheit usw.),

Vertragsfreiheit (Privatautonomie ist grundsätzlich gewährleistet, jedoch zum Schutze der Wirtschaftssubjekte in bestimmten bereichen gesetzlichen Schutzvorschriften unterworfen, z. B. gegen Sittenwidrigkeit, Wucher o. ä.)

usw.

o dezentrale Wirtschaftsplanung: Welche Form der Wirtschaftsplanung haben die Wirt-schaftssubjekte in der sozialen Marktwirtschaft? In der sozialen Marktwirtschaft haben die Wirt-schaftsubjekte grundsätzlich das Recht auf individuelle dezentrale Wirtschaftplanung, jedoch nicht schrankenlos. Der Staat behält sich die wirtschaftliche Einflussnahme des Staates über marktkon-forme Instrumente vor.

2.2 Bestimmungen des Grundgesetzes Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)2 sind im I. Abschnitt „Die Grundrechte“ sowohl liberale Grundrechte als Elemente zur wirtschaftlichen Freiheit, als auch soziale Grundrechte als Elemente zur wirt-schaftlichen Freiheit verankert.

Im Folgenden werden jeweils drei Beisiele für die liberalen Grundrechte (= Grundrechte zur Begünstigung der wirtschaftlichen Freiheit) und für die sozialen Grundrechte (= Grundrechte zur Begrenzung der wirtschaftlichen Freiheit) angeführt und erläutert:

1) Beispiele für liberale Elemente des Grundgesetzes: • Art. 9 Abs. 3 GG [Koalitionsfreiheit]

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bil-den, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behin-dern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt wer-den.

Die Koalitionsfreiheit beinhalten drei wichtige Bestandteile: 1. Das Recht zur freien Bildung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Jeder-

mann hat dabei einerseits das Recht Mitglied zu werden oder nicht Mitglied zu wer-den. Die Koalitionsfreiheit wurde historisch 1869 begründet. Mit dem Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. ["Sozialistengesetz"] vom 21. Oktober 18783 bis 1890 wieder abgeschafft, so dass Großgewerkschaften erst nach 1890 gegründet werden konnten.

2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1) 3 Nach 2 Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. und aus Furcht vor einer Revolution infolge der wirtschaftlichen Depression setzte Reichskanzler Otto von Bismarck am 21.10.1878 im Reichstag das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" (Sozia-listengesetz) durch. Das Ausnahmegesetz war zunächst auf zweieinhalb Jahre befristet, wurde jedoch bis 1890 mehrmals verlängert ("Stichwort Gewerkschaften", Heyne Buch, München 1993, S.19) Das Ausnahmegesetz enthielt das Verbot sozialdemokratischer Zusammenschlüsse, wie auch ein Verbot der sozialistischen Gewerkschaf-ten, des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und der Internationalen Gewerkschaften und gab der Regierung die Möglichkeit, sozialisti-sche Zeitungen und Zeitschriften zu verbieten. Agitatoren konnten ausgewiesen werden. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion blieb jedoch bestehen. Die alsbald eingeleitete Gesetzgebung zur Gründung der Sozialversicherung sollte die propagandistischen Möglichkeiten der sozialistischen Agitation gegen den Staat weiter beschneiden. Ein Ergebnis des Sozialistengesetzes war, dass die Reichstagsmandate der Sozialdemokraten 1884 um das Doppelte (gegenüber 1881) stiegen und die staatsfeindliche Einstellung der deutschen Arbeiterschaft ver-steift wurde. FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 24: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

2. die Tarifautonomie gemäß Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes, in dem die Koali-tionsfreiheit als demokratisches Grundrecht festgeschrieben ist, und dem Tarifver-tragsgesetz herrscht in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland das Prinzip der Tarifautonomie. Das heißt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer legen in freier Verein-barung die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen ohne regelndes Eingreifen des Staates fest. Die Tarifpartner, also die Verbände für die Arbeitgeberseite und die Ge-werkschaften für die Arbeitnehmerseite, sind zuständig für Löhne, Gehälter und Aus-bildungsvergütungen, für Pausenregelungen, Wochenarbeitszeit und den Urlaub. Die-se Regelungen werden in entsprechenden Tarifverträgen vereinbart. Nur für eng be-grenzte Vertragsinhalte, beispielsweise bezogen auf den Mindesturlaub oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, hat der Staat aus sozialpolitischen Erwägungen Untergrenzen vorgegeben, die von den Tarifpartnern respektiert werden müssen. E-benso gibt es Obergrenzen, beispielsweise bei der täglichen Arbeitszeit.

3. das Recht zum Arbeitskampf beinhaltet auf Seiten der Arbeitnehmer das Streik-recht4 und auf Seiten der Arbeitgeber das Aussperrungsrecht5. Das Recht zu diesen Arbeitskampfmaßnahmen basiert auf Gewohnheitsrecht und „Richterrecht“. Rechts-folgen einer Aussperrung

• Suspendierung der Hauptpflichten / Nebenpflichten bleiben bestehen • Nach Ende der Aussperrung Wiederbeschäftigung, es sei denn, es liegt eine

lösende Aussperrung vor (die lösende Aussperrung hat die Wirkung einer Kündigung). Bei lösender Aussperrung besteht aber ein Anspruch auf Wie-dereinstellung nach billigem Ermessen (z.B. Arbeitsplatz noch vorhanden).

• Beschäftigungs- und Lohnzahlungspflicht bestehen fort, §§~611, 615 BGB

Grenzen des Streikrechts: Das Streikrecht gilt nur zur Verfolgung primär wirtschaftlicher Ziele der Arbeitnehmer-schaft; Die Durchsetzung politischer Ziele können von Gewerkschaften mit Hilfe der Ver-sammlungsfreiheit (Demonstrationsrecht, vgl. Art. 8 GG) ggf. versucht werden. Ein Streik hierfür wäre Unrechtmäßig. Rechtmäßigkeit eines Streiks 1. Mehrere Arbeitnehmer (eine größere Anzahl Arbeitnehmer) stellen 2. planmäßig und gemeinsam die Arbeit ein, um 3. für sich oder andere eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen. 1. Streikziel ist tarifvertraglich regelbar (kein politischer Streik; kein Streik von Beamten) 2. Streik wird von einer Gewerkschaft organisiert 3. Beachtung der Friedenspflicht 4. Verhältnismäßigkeit des Streiks - Kampfverbot vor dem Scheitern der Verhandlungen - Vorrang etwaigen Gerichtsschutzes - Verbot unlauterer Kampfmittel - Verbot gemeinschädlicher Streiks

Die Aussperrung als Gegenmaßnahme des Streiks im Arbeitskampf hat zwei Grundformen: 1. die Kündigungsaussperrung, d. h. die fristlose Kündigung aller Betroffenen Arbeit-

nehmer (seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes vermutlich erst in einem Fall einer sachsen-anhaltinischen Gemeinde Mitte der 90er Jahre eingetreten).

2. die suspendierende Aussperrung, d. h. für die Dauer der Aussperrung besteht kein Ar-beitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; mit Beendigung des Arbeits-kampfes leben die Verträge wieder auf.

Grenzen der Aussperrung: Die Aussperrung ist nur in Form der Abwehraussperrung nach gewerkschaftlichem Streik-aufruf zulässig. Unzulässig wäre die Angriffsaussperrung. Es gilt im Arbeitskampf für bei-de Seite der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel. D. h. von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allge-

4 Ein Streik liegt vor, wenn eine größere Zahl von Arbeitnehmern die Arbeit planmäßig und gemeinsam einstellt, um für sich oder andere eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen. 5 Eine Aussperrung liegt vor, wenn ein oder mehrere Arbeitgeber planmäßig unter Verweigerung der Lohnzahlung die Nichtzulassung einer Mehrzahl von Arbeitnehmern zur Arbeit vornimmt, um damit bestimmte Ziele zu erreichen. Unterarten: Angriffsaussperrung: Ziel: Verschlechterung der bestehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen zu Lasten der Arbeitnehmer. Abwehraussperrung: Ziel: Brechen von Angriffsstreiks durch Ausweitung des Kampfrahmens. Warnaussperrungen: unterstreichen in der Verhandlungsphase den ernsthaften Kampfwillen und bedeutet, dass alle Arbeitgeber aussper-ren.. Teilaussperrung bedeutet, dass nur einige Arbeitgeber aussperren. Schwerpunktaussperrung und bedeutet, dass nur bestimmte Arbeitgeber mit Schlüsselpositionen aussperren.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Weiterführende Literatur: Wörlen, Rainer, Grundbegriffe des Arbeitsrechts, 2. Auflage 1996, S. 158

Page 25: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

meinheit am geringsten beeinträchtigt oder sinnbildlich: „Es soll nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden!“

• Art. 11 Abs. 1 GG [Freizügigkeit]

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

Die Freizügigkeit gilt selbstverständlich heute auch für alle EU Bürger innerhalb der gesam-ten EU.

• Art. 14 Abs. 1 GG [Garantie von Eigentum und Erbrecht]

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze be-stimmt.

2) Beispiele für soziale Elemente des Grundgesetzes: • Art. 14 Abs. 2 GG [Sozialbindung des Eigentums]

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Die Sozialbindung des Eigentums bedeutet, dass die Eigentümer von Produktionsmitteln nicht grenzen- oder schrankenlos über ihr Eigentum verfügen. Als Beispiele seien genannt:

o Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz – GWG) Datum: 26. August 1998, BGBl I 1998, 2521,Textnachweis ab: 1. 1.1999 Stand: Neuge-fasst durch Bek. v. 26. 8.1998 I 2546, zuletzt geändert durch Art. 45 des Gesetzes v. 27. 7.2001 I 1887

o Begrenzung der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel z. B. durch die Berli-ner Zweckentfremdungsverbotsverordnung (ZwVbVo); Zweckentfremdung: In den von den Bundesländern erlassenen Zweckentfremdungsverordnungen sind die Gemeinden aufgeführt, in denen die Bestimmungen über die Zweckentfremdung von Wohnraum anzuwenden sind. In solchen Gemeinden muss jede Nutzungsän-derung einer Wohnung von der Gemeinde genehmigt werden. Dies gilt auch für Mieter, die z.B. Teile ihrer Wohnung als Büros nutzen wollen. Auch das längere Leerstehenlassen von Wohnraum gilt als Zweckentfremdung. Verstöße gegen das Zweckentfremdungsgebot sind Ordnungswidrigkeiten, die mit Bußgeld geahndet werden.

• Art. 14 Abs. 3 GG [Enteignung] (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund ei-nes Gesetzes erfolgen, das Art. und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädi-gung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Zwei Voraussetzungen für eine Enteignung:

o Im Interesse des Gemeinwohls o Leistung angemessener Entschädigung (Bei Grundstücken in der Regel der Ver-

kehrswert) Als Beispiel sei genannt:

o Grundstücksenteignung wegen Verkehrswegebaumaßnahmen, nach dem ein Kaufangebot des Staates fruchtlos blieb oder in unangemessener Höhe erwidert wurde.

• Art. 15 GG [Verstaatlichung] {Zitat Kraatz: „the biggest hammer“} Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Ge-setz, das Art. und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirt-schaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend. Verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Überführung ganzer Wirtschaftszweige in „Volks-eigentum“ gegen angemessene Entschädigung.

Nach herrschender Auffassung ist das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftspolitisch neutral, d. h. mit dem Grundgesetz ist jede Wirtschaftsordnung – mit Ausnahme der freien Marktwirtschaft und der Planwirtschaft – vereinbar.

soziale Marktwirtschaft in Deutschland

freie Marktwirtschaft Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft

Das GG lässt Verschiebungen der Wirtschaftsordnung sowohl in Richtung „freie MW“ als auch in Richtung „Planwirtschaft zu, ohne jedoch diese Wirtschaftsord-nungen selbst zu legitimieren

modellhafte oder idealtypische Marktwirtschaften

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 26: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Teil B

I. Gegenstand und Träger der Wirtschaftspolitik Die Wirtschaftpolitik umfasst alle staatlichen Maßnahmen, die geeignet sind

1. die Wirtschaft zu ordnen (Ordnungspolitik) 2. bestimmte wirtschaftliche Ziele zu erreichen (Prozesspolitik)

Die wichtigsten wirtschaftlichen (bzw. wirtschaftspolitischen) Entscheidungsträger:

a) innerstaatliche Entscheidungsträger z. B.: • die Bundesregierung (Kanzler, Bundesminister (BMWi, BMF, BMWiFo) • Bundestag und Bundesrat • Landesregierungen und Landesparlamente (jedoch mit geringer wirtschaftspoliti-

scher Entscheidungskompetenz, außer bezogen auf die regionale Wirtschaftsstruk-turpolitik)

• das Bundeskartellamt b) internationale Entscheidungsträger

• die Europäische Union (EU-Kommission), da die Mitgliedsstaaten eine Vielzahl wirtschaftlicher Kompetenzen im Rahmen der Binnenmarktgestaltung auf die Gre-mien der EU übertragen haben, wie z. B. 1997 die Geld- und Kreditpolitik an die Europäische Zentralbank (EZB) oder Regulierung der Zölle und Abschöpfungen, Subventionsgenehmigungen,…

• der Weltwirtschaftsgipfel der G8 Staaten (Kanada, U.S.A., Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland sowie Russland), die jedoch keine verbindlichen Entscheidungen sondern Wirtschaftpolitische Empfehlungen verabschieden.

• der Europäische Rat (Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU [nicht mit dem Rat der EU (ehem. Ministerrat) zu verwechseln!]), der sich in halbjährlichen Treffen auf Grundsatzentscheidungen einigt, wie z. B. die Einführung der gemeinsamen Währung oder die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten.

• die Weltbank, • der IWF, • die OPEC, • …

c) sonstige Entscheidungsträger: das sind Einzelpersonen und Institutionen (z. B. Wirtschaft-verbände, Gewerkschaften, Großunternehmen, Kirchen, Presse), die nicht direkt wirt-schaftspolitische Entscheidungen treffen, jedoch über gezielte „Lobbyarbeit“ versuchen entsprechende Entscheidungen in ihrem Interesse zu beeinflussen.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Page 27: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

II. Ziele der Wirtschaftspolitik

1. Grundziele (weggefallen) 2. Ziele des Stabilitätsgesetzes6 Stabilitätsgesetz: Kurzbezeichnung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirt-schaft von 1967. Es enthält einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen zum Ausgleich von konjunkturellen Schwankungen, auf den die Bundesregierung vor allem in der ersten Hälfte der 70er Jahre zurückgegriffen hat. Dieses Gesetz ist von hoher Relevanz, aufgrund der vier wichtigsten Ziele: 1. Ziel: Stabilität des Preisniveaus

Wie wird das jeweilige Ziel gemessen? Maßstab für die Stabilität des Preisniveaus ist der Preisindex für die Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte. Vorgehensweise: Zur Ermittlung des Preisindex für die Lebenshaltungskosten wird die deutsche Durch-schnittsfamilie mit 2, 3 Personen herangezogen, für die ein sog „Warenkorb“ erstellt wird. Dieser Wa-renkorb enthält alle Güter und Dienstleistungen, die die Durchschnittsfamilie innerhalb eines Monats benötigt, d. h. er spiegelt die typischen Verbrauchsgüter eines Privat-Haushalts wider. Hieraus werden die Lebenshaltungskosten eines Monats ermittelt. Im Vergleich der Lebenshaltungskosten des Ermitt-lungszeitraumes zum Vorjahresvergleichszeitraumes erhält man die prozentuale Differenz als Inflati-onsrate.

Beispiel: Lebenshaltungskosten Oktober 2000: 3000,00 DM Lebenshaltungskosten Oktober 2000: 3150,00 DM } 5% Inflationsrate

Die Preisstabilität ist nicht gesetzlich normiert, nach der Definition der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Preisstabilität bis zu einer Inflationsrate von 2% gewährleistet. (In 12 der 15 Mitglieds-staaten der EU ist die Inflationsrate derzeit > 2%). Zur europaweiten Ermittlung der Inflationsrate, hat die EZB, trotz der sehr unterschiedlichen Verbrauchsstrukturen der einzelnen Mitgliedsstaate der EU, einen einheitlichen EU-Warenkorb erstellt.

Die Inflationsrate gibt an, wie sich die Lebenshaltungskosten der privaten Haus-halte über einen bestimmten Zeitraum entwickeln bzw. entwickelt haben.

Zur Unterscheidung der inflationären Entwicklung seien hier drei Varianten genannt:

6 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz – StWG) 1967 - Stabilitätsgesetz Um den wirtschaftlichen Aufschwung sicherzustellen, ziehen alle gesellschaftlichen Kräfte während der ersten Rezession 1966 an einem Strang. Mit dem Stabilitätsgesetz vom 8. Juni 1967 verabschiedet der Bundestag eine Reihe von staatlichen Maßnahmen, um der negativen Entwicklung der Wirtschaft gegenzusteuern:

• Bund und Länder verpflichtet dieses Gesetz auf die Ziele des sogenannten "magischen Vierecks": Vollbeschäftigung, Geldwert-stabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und wirtschaftliches Wachstum.

• In Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums sollen künftig Rücklagen gebildet werden, die während der Zeiten von Rezessionen wieder eingesetzt werden. Damit kann dann im Rahmen von staatlichen Auftragsprogrammen die Wirtschaftsbelebung initiiert werden.

• Ein neu eingesetzter Konjunkturrat koordiniert die Wirtschafts- und Finanzpolitik von Bund, Ländern und Gemeinden. Gleichzei-tig präsentiert die Bundesregierung künftig jeweils im Januar in einem Jahreswirtschaftsbericht Orientierungsdaten über die vor-aussichtliche wirtschaftliche Entwicklung und ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Vorhaben.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

• Auf dieser Grundlage sollen alle am Wirtschaftsprozess beteiligten Gruppen ihr Verhalten aufeinander und auf die Eckdaten ab-stimmen. Deshalb werden auch die im Februar 1967 ins Leben gerufenen Treffen der "Konzertierten Aktion" im Stabilitätsgesetz verankert und als feste Einrichtung bis 1977 fortgeführt.

Page 28: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Tempo Herkunft Erscheinungsbild

• schleichende Inflation … 3% • hausgemachte Inflation • offene Inflation

• trabende Inflation 3… 8% • importierte Inflation • verdeckte Inflation

• galoppierende Inflation > 8%

• Hyperinflation > 20%

1. Inflationsentwicklung, gegliedert nach der Höhe, also dem Tempo:

Hinweise: Die angegebenen Prozentzahlen sind a. keine amtlich definierte Wertezuweisung b. bezogen auf ein Land bezogen auf einen Zeitraum von 10… 15 Jahren zu betrachten. c. In der deutschen Geschichte gab es zwei Hyperinflationen, jeweils nach den Weltkriegen; so

hatte beispielsweise nach dem ersten Weltkrieg der US $ einen Kurs von 4,2 Billionen Reichsmark.

2. Inflationsentwicklung, gegliedert nach der Herkunft

a. Hausgemachte Inflation bedeutet, dass die Ursachen für die steigende Inflationsrate im eigenen Land liegen. In Deutschland wirken beispielsweise: die ab 01.01.2002 eintretenden Steuererhöhungen der TabSt und ÖkoSt als hausgemachte In-flationsfaktoren. Weitere Beispiele sind: eine hohe Verbraucher-Nachfrage, die zu einem Preisanstieg führt sowie die Lohn-Preis-Spirale7 bzw. Preis-Lohn-Spirale8

b. importierte Inflation bedeutet, dass die Ursachen für den Anstieg der Inflationsrate im Ausland liegen. Zu erkennen wäre dies z. B. am Preis für Importgüter (Kaffee, Rohöl). Im Regelfall kann man davon ausgehen, dass sich die Inflationsrate aus einer hausgemachten und einer importierten Komponente zusammensetzt.

3. Inflationsentwicklung, gegliedert nach offener und verdeckter Inflation a. Verdeckte Inflation nennt man die Inflation, die nicht offensichtlich ist. b. Offene Inflation nennt man die Inflation, die sofort für Jedermann erkennbar ist, wie z. B. ver-

ursacht durch die Einführung des Euro i V. m. dabei durch den Handel verursachten Aufrun-dungen der Preise, Einführung einer Mietpreisbindung durch den Gesetzgeber, da nach Ab-schaffung derselben ein sprunghafter Anstieg der Mieten zu erwarten ist..

Zusammenfassend kann angemerkt werden, dass die Unterscheidung nach Tempo und Herkunft der Inflationsra-te die beiden wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind. Obwohl in Deutschland die Inflationsrate derzeit > 2% ist, stellt diese Inflationsrate kein reales Wirtschaftproblem in Deutschland dar. 2. Ziel: Hoher Beschäftigungsstand:

Wie wird das jeweilige Ziel gemessen? Wichtigster Maßstab für die Größe des Beschäftigungsstandes ist die Arbeitslosenquote in Verbindung mit der sog. „stillen Reserve“, also die arbeitslosen in der Bevölkerung, die trotz Arbeitslosigkeit nicht arbeitslos gemeldet sind (im Dezember 2001 betrug diese rund 1,7 Mio., so dass sich eine reale Arbeits-losenzahl von rund 5,6 Mio. Menschen in Deutschland ergab.).

7 Ausdrucksweise der Gewerkschaften, jeweils synonym zu verwenden 8 Ausdrucksweise der Unternehmer, jeweils synonym zu verwenden

Page 29: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

3. Ziel: stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum:

Wie wird das jeweilige Ziel gemessen? Maßstab für das Wirtschaftwachstum ist die Zuwachsrate des realen BIP (zur Erinnerung: der Unter-schied zwischen realem und nominalem BIP ist, dass im realen BIP die Inflationsrate mit berücksichtigt ist). Ob ein angemessenes Wirtschaftwachstum vorliegt, ist abhängig vom Auge des Betrachters. Stetiges Wirtschaftswachstum bedeutet gleichmäßige Zuwachsraten, diese wurden in den marktwirtschaftlich orientierten Ländern nie erreicht und werden real auch nicht erreicht werden. Bis vor rund 15 Jahren, also Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, ging man davon aus, dass ein angemessenen Wirt-schaftswachstum dasjenige umfasst, welches zu einer Vollbeschäftigung führt; hierzu sei angemerkt, dass auch ein 3%iges Wirtschaftswachstum, unter derzeitigen Bedingungen nicht zu vermehrter Arbeit führen würde, sondern durch Rationalisierungsinvestitionen der Unternehmen erzielt werden würde.

3. Ziel: Außenwirtschaftliches Gleichgewicht: Wie wird das jeweilige Ziel gemessen? Maßstab für das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist die Zahlungsbilanz eines Landes, diese umfasst die Zahlungsströme der Bundesrepublik Deutschlands ins Ausland und umgekehrt.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

D Ausland

• Einnahmen aus deutschen Exporten (1,1 Bio. DM) • Einnahmen aus Auslandskrediten • Einnahmen aus Investitionen ausländischer Unternehmen

• Bezahlung der deutschen Importe (rd. 1 Bio. DM) • Zahlungen an die EU (rd. 30 Mrd. DM) • Kredite dt. Banken an ausländische Staaten und Unternehmen • Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen • Tourismus (80 Mrd. DM) • Entwicklungshilfe (rd. 10 Mrd.)

Die Summe der Zahlungsströme wird in Bilanzen zusammengefasst, aus welchen eine Gesamtbilanz er-stellt wird.

Page 30: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Zahlungsbilanz

1. Außenhandel (Exporte als wichtigster Faktor in Deutschland, Importe) 2. Dienstleistungen (Tourismus, Versicherungsleistungen u. a.) 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen 4. Laufende Übertragungen (EU-Beiträge, Wirtschaftshilfen, …) I. Leistungsbilanz (= Σ 1.-4-) II. Vermögensübertragungen9 III. Kapitalbilanz (Investitionen, Kredite)10 IV. Veränderung der Währungsreserven (Σ I., II.,III. +V.)11 V. Restposten12

Währungsreserven bestehen aus:

1. Bestände ausländischer Devisen13 2. Goldreserven 3. Ziehungsrechte beim IWF14

Daneben existiert eine Vielzahl weiter wirtschaftlicher Ziele.

2.2 Festlegung der Ziele Nach dem StWG ist die Bundesregierung verpflichtet, einen Jahreswirtschaftsbericht zu erstellen. Dieser Bericht wird vom Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium in der Regel Ende Januar des laufenden Jahres für das aktuelle Jahr präsentiert. In diesem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung werden u. a. zwei ent-scheidende Inhalte dargelegt:

1. Die Bundesrepublik legt hierüber in prognostischer Form die Ziele für das laufende Haushaltsjahr als politische Absichtserklärung fest.

2. Es wird ebenfalls als politische Absichtserklärung deklariert, mit welchen wirtschafts- und finanz-politischen Mitteln diese Ziele erreicht werden sollen.

2.3 Beziehungen zwischen den Zielen Allgemein kann festgehalten werden, dass man – unabhängig von der Art der Ziele – drei Beziehungen zwi-schen Zielen kann feststellen:

• Zielharmonie, • Zielneutralität und • Zielkonflikt.

Dabei ist zu Beachten, dass die Nomenklatur in den einzelnen Disziplinen zum Teil Unterschiede aufweist, es also zu differenten Bezeichnungen (zum Beispiel zwischen der BWL und der VWL) kommen kann. Es sollen hier die Beziehungen zwischen den Zielen im Sinne der VWL betrachtet werden:

1. Beziehung der Zielharmonie: Die Erreichung eines Zieles führt dazu, dass man gleichzeitig weitere Ziele bzw. ein weiteres Ziel erreicht. Eine klassische Zielbeziehung in der VWL besteht zwischen dem Wirtschaftswachstum und einem hohen Beschäftigungsstand. Historisch betrachtet kann man davon ausgehen, dass ein hohes Wirtschaftswachstum auch einen relativ hohen Beschäftigungsgrad mit sich brachte. Dies ist

9 Transfer kompletter Vermögen ins Ausland 10 deutsche Auslandsinvestitionen und ausländische Investitionen in Deutschland sowie deutsche Kredite an das Ausland und umgekehrt (neben der Leistungsbilanz sehr bedeutsam!) 11 > =, d. h. Währungsreservenerhöhung, dies bedeutet, dass mehr Geld nach Deutschland hineingeflossen ist, als hinausgeflossen ist; < O, d. h. Verringerung der Währungsreserven, dies bedeutet, dass mehr Geld aus Deutschland abgeflossen ist als nach Deutschland hineingeflossen ist. 12 freier Kapitalverkehr (schwer messbar, da es keine Deklarationspflicht bei Aus- und Einreise gibt), daraus folgt, dass hierfür keine exakte Angabe existiert, die Angabe beruht auf Schätzungen der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes und umfasst alle Beträ-ge die eben nicht exakt erfassbar sind) 13 Devisen sind ausländische Zahlungsmittel, die nur buchmäßig vorhanden sind; Ggs.: Sorten, das sind ausländische Zahlungsmittel die sachlich oder körperlich, also real vorhanden sind.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

14 IWF = Internationaler Währungs-Fond, d. h. Möglichkeit zur Kreditaufnahme beim IWF; für die Bundesrepublik Deutschland nicht von Bedeutung

Page 31: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

in der heutigen Realität jedoch nicht mehr gegeben. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Ursache u. a. darin zu suchen ist, das das Wirtschaftswachstum heute nicht mehr über die Steige-rung der Arbeitsproduktivität durch einen hohen Beschäftigungsstand seitens der Unternehmen ge-sucht wird, sondern weitestgehend über Rationalisierungsinvestitionen stattfindet.

2. Beziehung der Zielneutralität15:

Zielneutralität bedeutet, dass die Erreichung eines Zieles keine Auswirkung auf das Erreichen wei-terer Ziele hat. Betrachtet man die volkswirtschaftlichen Ziele, so gibt es keine Zielneutralität, da

3.

FACHBEWIRTSCH

15 Die Z16 (Zitat

alle Ziele in der Volkswirtschaftslehre im engeren Sinne miteinander verknüpft oder vernetzt sind.

Beziehung des Zielkonflikts: Die Erreichung eines Zieles16 führt dazu, dass die Erreichung eines weiteren Zieles oder weiterer Ziele unmöglich wird. Hierfür seien drei markante Beispiele angeführt: 1. Phillipskurve

Infla

tions

rate

[%]

8

8

Arbeitslosenquote [%]

Anmerkung: Die Phillipskurve liefert keine Dezimalwerte, sondern eine tendenzielle Aussage. Phillips stellte fest, dass eine relativ hohe Inflationsrate mit einer relativ hohen Arbeitslosenquote korreliert und umgekehrt. Festzuhalten bleiben jedoch in diesem Zusammenhang wichtige Punkte:

• es handelt sich bei der Phillipskurve um keine volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeit, son-dern um eine „Momentaufnahme“ der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts aus den USA.

• erklärend sei hinzugefügt, dass hohe Inflationsraten in der Regel in Zeiten von Hochkon-junkturen auftreten. Hochkonjunkturen sind durch eine niedrige Arbeitslosenquote ge-kennzeichnet, weil der Absatz in der Hochkonjunktur hoch ist. Umgekehrt sind niedrige Inflationsraten in Schwachkonjunkturphasen, gekennzeichnet durch hohe Arbeitslosen-quoten.

2. Stagflation Bei der Stagflation handelt es sich um einen „Kunstbegriff“, der sich aus der einerseits Stagnation des realen BIP zusammensetzt, d. h. es findet kein Wirtschaftswachstum statt und diese tritt dann andererseits auch noch gemeinsam in Verbindung mit relativ hoher Inflation auf. Ein wirtschafts-politisch und wirtschaftlich nur schwer zu bekämpfender Zustand. Die Stagflation ist jedoch im engeren Sinne kein korrektes Beispiel für Zielkonflikte, da weder das wirtschaftspolitische Ziel der Preisstabilität, noch das Ziel des angemessenen und steigen Wirt-schaftswachstums erreicht werden.

3. Magisches Viereck unter dem Begriff „Magisches Viereck“ versteht man die vier Ziele der Wirtschaftspolitik im Sin-ne des Wirtschaftsstabilitätsgesetzes (StWG), nämlich

1. Preisstabilität, 2. hoher Beschäftigungsstand, 3. stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und 4. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht.

Da diese Ziele nicht alle vier gleichzeitig erreichbar sind, müssen im Jahresbericht der Bundesre-gierung Prioritäten festgelegt werden, welche Ziele vorrangig erreicht werden sollen.

REICH I AFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

ielneutralität ist die wichtigste Zielbeziehung (Zitat Kraatz: „the most important“) Kraatz: „Guten Abend!“ Das brauchen Sie jetzt nicht mitzuschreiben! – Anm. des Verfassers: Ein bisschen Spaß muss sein)

Page 32: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

III. Bereiche der Wirtschaftspolitik

1. Konjunkturpolitik Unter dem Begriff „Konjunktur“ versteht man die wellenartige Entwicklung des realen BIP, also des realen Wirtschaftswachstums.

1.1 Phasen und Ursachen der Konjunktur

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Alle vier Phasen zusammen – Aufschwung, Hochkonjunktur, Abschwung, Rezession – ergeben den Konjunktur-zyklus. Welche Ziele verfolgt die Konjunkturpolitik?

1. Vermeidung extremer Hochkonjunktur

Extreme Hochkonjunkturphasen sollen Konjunkturpolitisch vermieden werden, da in dieser Phase die Infla-tionsraten besonders hoch sind. Eine hohe Inflationsrate führt jedoch zu einer Verminderung der Kaufkraft des Einzelnen und mithin zur Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. 2. Vermeidung von Rezession, Depression, Krisen Rezessions- bzw. Depressionsphasen oder Krisen sind deshalb konjunkturpolitisch zu vermeiden, da in der-artigen konjunkturellen Phasen die Arbeitslosenquote sehr hoch ist. Die Konjunkturkurve sollte sich folglich möglichst eng an der idealisierten Modellvorstellung annähern.

Zeit

reales BIP

idealisierter Realfall, Konjunktur als Sinus-kurve

Idealfall, stetig stei-gende Konjunktur

a) Aufschwungphase b) Hochkonjunktur (Boom) c) Abschwungphase d) Rezession, Depression, Krise a b c d

idealisierter Realfall, Konjunktur als Sinus-kurve

Idealfall, stetig stei-gende Konjunktur

idealisierter Realfall, Konjunktur als Sinus-kurve

Idealfall, stetig stei-gende Konjunktur

Page 33: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Über die Ursachen der konjunkturellen Schwankungen existieren eine Vielzahl von Theorien z. B. historisch betrachtet von der „Sonnenfleckentheorie“ 17 bis zu heutigen Investitionstheorien. Eine heute immer noch – wenn auch mehr als 60 Jahre alte – gültige Theorie (1936), ist die von John Maynard Keynes18, der bezüg-lich der Konjunkturschwankungen der vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1929 sich mit den zwei Fragestellungen auseinandersetzte:

Über die Ursachen der konjunkturellen Schwankungen existieren eine Vielzahl von Theorien z. B. historisch betrachtet von der „Sonnenfleckentheorie“ 17 bis zu heutigen Investitionstheorien. Eine heute immer noch – wenn auch mehr als 60 Jahre alte – gültige Theorie (1936), ist die von John Maynard Keynes18, der bezüg-lich der Konjunkturschwankungen der vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1929 sich mit den zwei Fragestellungen auseinandersetzte: 1. Wie kommt es zu Schwankungen der Konjunktur? und 1. Wie kommt es zu Schwankungen der Konjunktur? und 2. Was sollte der Staat gegen diese Schwankungen unternehmen? 2. Was sollte der Staat gegen diese Schwankungen unternehmen?

Zu konjunkturellen Schwankungen kommt es nach Keynes immer dann, wenn es ein Ungleichgewicht zwi-schen der volkswirtschaftlichen Nachfrage und dem volkswirtschaftlichen Angebot gibt. Zu konjunkturellen Schwankungen kommt es nach Keynes immer dann, wenn es ein Ungleichgewicht zwi-schen der volkswirtschaftlichen Nachfrage und dem volkswirtschaftlichen Angebot gibt.

Volkswirtschaftliche Nachfrage

Konjunkturelle Schwankungen

Entstehen entweder Volkswirtschaftliches

Angebot >

oder

Vier Determinanten der Nachfrage: 1. Privathaushalte19 2. Unternehmen20 3. Staat21 4. Ausland22 <

Zwei Determinanten des Angebots: 1. inländische Produktion 2. Ausland

Nach Keynes gerät eine Volkswirtschaft in eine Hochkonjunktur, wenn das volkswirtschaftliche Nachfrage das volkswirtschaftliche Angebot übersteigt.

Das Ergebnis der Überlegungen von Keynes: inflatorische

Lücke volkswirt-schaftliche Nachfrage volkswirt-

schaftliches Angebot Bewirken einer Hochkonjunktur

deflatorische

Lücke volkswirt-

schaftliches Angebot Bewirken einer Rezession, Depression, Krise

volkswirt-schaftliche Nachfrage

Bewirken eines steten Wachstumsvolkswirt-

schaftliche Nachfrage

volkswirt-schaftliches

Angebot

17 Die englischen Nationalökonomen W. St. Jevons (1879) und sein Sohn H. St. Jevons (1910) haben die Theorie entwickelt, dass Konjunk-turschwankungen nur auf den exogenen Faktor Sonne zurückzuführen sind. Ihre "Sonnenfleckentheorie" besagt, dass Explosionen auf der Sonnenoberfläche auf der Erde in einem regelmäßigen Zyklus klimatische Schwankungen, wie Wetter- oder Temperaturänderungen, auslö-sen. Diese sich regelmäßig ändernden Witterungsbedingungen haben Auswirkungen auf die Ernteerträge. Unterstellt wird bei dieser Theorie, dass der Agrarsektor einen so starken Einfluss auf die allgemeine Wirtschafttätigkeit hat, dass er das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht stören kann. 18 John M Keynes 1936 über die Wirtschaftspolitik: »Der Staat wird einen leitenden Einfluss auf den Hang zum Verbrauch teilweise durch sein System der Besteuerung, teilweise durch die Festlegung des Zinsfußes und teilweise vielleicht durch andere Wege ausüben müssen. Ferner scheint es unwahrscheinlich, dass der Einfluss der Bankpolitik auf den Zinsfuß an sich genügend sein wird, um eine Optimumrate der Investition zu bestimmen. Ich denke mir daher, dass eine ziemlich umfassende Verstaatlichung der Investition sich als das einzige Mittel zur Erreichung einer Annäherung an Vollbeschäftigung erweisen wird; obschon dies nicht alle Arten von Zwischenlösungen und Verfahren ausschließen muss, durch welche die öffentliche Behörde mit der privaten Initiative zusammenarbeiten wird. Aber darüber hinaus wird keine offensichtliche Begründung für ein System des Staatssozialismus vorgebracht, das den größten Teil des wirtschaftlichen Lebens des Ge-meinwesens umfassen würde. Es ist nicht der Besitz der Erzeugungsgüter, deren Aneignung wichtig für den Staat ist. Wenn der Staat die der Vermehrung dieser Güter gewidmete Gesamtmenge der Hilfsmittel und die grundlegende Rate der Belohnung an ihre Besitzer bestimmen kann, wird er alles erfüllt haben, was notwendig ist.« (Die Zitate sind entnommen aus Keynes, John Maynard (1936): Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin: 318 f.) 19 Nachfrage nach Konsumgütern 20 Nachfrage nach Investitionsgütern 21 Nachfrage nach Investitionsgütern

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

22 Nachfrage nach Konsumgütern und Investitionsgütern, besonders wichtig für Deutschland, da 25% des BIP hierauf aufbauen!

Page 34: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

1.2 Instrumente der Konjunkturpolitik

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Übersicht über Instrumente der

Konjunkturpolitik

Witschafts-

Außen- Antizyklische Tarif- oder Geldpolitik Wirtschaftpolitik Finanzpolitik politik Investitionsklima

Träger der Träger der

Träger der Träger der Finanz- Außen- Geldpolitik Tarifpolitik Wirtschaftpolitik oder Fiskalpolitik

Bund,

Gewerkschaften, Bundesreg rung, ieEU EZB Länder,

Arbeitgeber Gemeinden

Erläuterungen: Die Träger der Finanz- oder Fiskalpolitik (Bund, Länder, Gemeinden) nehmen Einfluss auf die Kon-

junktursteuerung über die Staatseinnahmen (Steuern) und Staatsausgaben (Investitionen). Die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt/M. verfolgt die Konjunktursteuerung über die Zins-

höhe und im Umlauf befindliche Geldmenge Konjunktursteuerung im Bereich der Außenwirtschaftspolitik erfolgt über Zölle, Abschöpfungen, Aus-

gleichsbeträge Währung, Wechselkurse und nichttarifäre Handelshemmnisse, wie z. B. technische Normierung oder lebensmittelrechtliche Vorschriften

Die Konjunktureinflussnahme erfolgt über Löhne, Arbeitszeitregelungen, Urlaubsregelungen, … Konjunktursteuerung primär über psychologische Faktoren; allgemein kann festgestellt werden, dass

wenn es einer Bundesregierung gelänge eine gute Wirtschaftsstimmung zu verbreiten, man davon aus-gehen kann, dass damit rund 30% des wirtschaftlichen Erfolges erreicht wären. Derartige Aufbruch-stimmungen sind in der Regel nach Regierungswechseln zu erwarten.

1.3 Antizyklische Finanzpolitik Antizyklische Finanzpolitik bedeutet nach Keynes, die Konjunktursteuerung über die Staatseinnahmen (Steuern) und die Staatsausgaben (Investitionen).

1.3.1 Grundzüge Nach Keynes besteht für eine Volkswirtschaft auf dem Wege zu einer Hochkonjunktur (die volkswirtschaftliche Nachfrage ist also größer als das volkswirtschaftliche Angebot) die Gefahr, dass es zu einem übersteigerten Booms kommt. Die Aufgabe des Staates besteht nun konjunkturpolitisch darin, mittels sog. „kontraktiver Effek-te“, die Nachfrage zu dämpfen. Dies kann z. B. durch Steuererhöhungen erreicht werden: Kontraktive Effekte in Form von Steuererhöhungen bewirken: o in privaten Haushalten, durch die damit verbundene Absenkung des Nettoeinkommens der Haushalte, ein

Sinken der Nachfrage, also geringere Investitionen. o in den Unternehmen, durch die Erhöhung der Steuerlast, werden über Investitionsrechnungen, angestrebte

Investitionen unattraktiv. o Der Staat sollte Staatsinvestitionen verringern o Auslandinvestitionen sollten jedoch unberührt bleiben, da ein einmal geschwächter Exportmarkt nicht o-

der nur sehr schwer wiedererweckt werden kann. Befindet sich eine Volkswirtschaft hingegen auf dem Wege zu einer Rezession (also die volkswirtschaftliche Nachfrage ist geringer als das volkswirtschaftliche Angebot), so sollte der Staat nach Keynes über Auslösung sog. „expansiver Effekte“ versuchen der allgemein verbreiteten, pessimistische Einschätzung der Lage, durch Steuersenkungen, entgegenzuwirken und hin, auf einem Anreiz von mehr Investitionen in den privaten Haushal-ten und bei den Unternehmen, zu wirken.

Page 35: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

A eut

Expansive Effekte in Form von Steuersenkungen führen nach Keynes o in privaten Haushalten, durch die damit verbundene Anhebung des Nettoeinkommens der Haushalte, zum

Anstieg der Nachfrage, also zu höheren Investitionen. o in den Unternehmen, durch die Senkung der Steuerlast, werden über Investitionsrechnungen, angestrebte

Investitionen attraktiv. o Der Staat sollte Staatsinvestitionen heraufsetzen. o Auslandinvestitionen sollten verstärkt werden, um den Exportmarkt zu unterstützen.

Die Theorie Keynes von 1936 bedeutete eine grundlegende Wende in der Haushaltspolitik. Jahrhunderte lang galt der Grundsatz Friedrich des Großen „Regulieret allemal die Ausgaben an den Einnahmen“. Auf Privathaus-halte bezogen mag diese eine gültige Auffassung sein. Auf die Volkswirtschaft bezogen, ist die Auffassung Friedrich des Großen jedoch nicht umsetzbar, da sie zu einer Verstärkung von Wirtschaftskrisen führt. Als Beispiel hierfür sei die Weltwirtschaftkrise zum Ende der Weimarer Republik genannt, in der der Staat über eine Kürzung der Beamtenbesoldungen um 25% und eine Kürzung der Löhne um 50%, eine Verstärkung der Rezession und der Inflation auslöste. Die Antizyklische Finanzpolitik spiegelt sich im StWG von 1967 wider, das federführend vom damaligen Bun-deswirtschaftsminister Carl Friedrich Schiller (SPD) und dem Bundesfinanzminister Franz-Josef Strauß (CSU)initiiert wurde.

1.3.2 Informations-, Abstimmungs- und Eingriffsinstrumente Für eine wirksame Konjunkturpolitik sind drei Voraussetzungen notwendig

1) Die konjunkturpolitischen Entscheidungsträger23 benötigen Informationsinstrumente Zielsetzung der Informationsinstrumente ist es den Entscheidungsträgern der Konjunk-turpolitik einerseits Informationen über die aktuelle (volks-)wirtschaftliche Lage zur Ver-fügung zu stellen (Diagnosen) und andererseits Informationen über die voraussichtlich weitere Entwicklung (Prognosen)

Die wichtigsten Institutionen24, die den konjunkturpolitischen Entscheidungsträgern als Informationsinstrumente zur Verfügung stehen sind:

• der Sachverständigen Rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen

Entwicklung (genannt: „Die fünf Weisen“). Dabei handelt es sich um fünf Wirt-schaftsprofessoren, die von der Bundesregierung in den Sachverständigenrat für eine Amtszeit von 5 Jahren berufen werden. Der Sachverständigenrat hat insbe-sondere die Aufgabe einmal jährlich das sog. „Herbstgutachten“ zu erstellen. Hierin werden Informationen über die Einschätzung der aktuellen wirtschaftli-chen Lage sowie Empfehlungen und Prognosen zur weiteren wirtschaftspoliti-schen bzw. wirtschaftlichen Entwicklung abgegeben.

• die rbeitsgemeinschaft d scher wirtschaftswissenschaftlicher For-schungsinstitute, umfasst sechs führende Wirtschaftsforschungsinstitute der Bundesrepublik Deutschland (Mitglied ist z. B. das Deutsche Institut für Wirt-schaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin). Diese legt zweimal jährlich ein Früh-jahrs- und Herbstgutachten vor, welches ebenso wie das Gutachten des Sachver-ständigenrates hinsichtlich der Zielsetzung strukturiert ist.

• Als wichtige internationale wirtschaftswissenschaftliche Informationsquelle für die konjunkturpolitischen Entscheidungsträger, dient die OECD25, in der alle westlichen Industriestaaten vertreten sind. Sie wurde in Form einer Vorgängeror-ganisation nach dem 2. Weltkrieg zunächst zur Verwaltung des Geldes aus dem U. S. Marshallplan gegründet. Heute ist die Hauptaufgabe die Erstellung wirt-schaftswissenschaftlicher Analysen auf Basis selbst gewonnener Erkenntnisse aus den Staaten.

23 Die konjunkturpolitische Entscheidungsträger sind: der Bund, die Länder und die Gemeinden sowie die Deutsche Bundesbank (DBB) und die Europäische Zentralbank (EZB) 24 „the most important“ 25 Organisation of economic corporation and development

Page 36: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Der Wert von wirtschaftswissenschaftlichen Diagnosen und Prognosen liegt in der Beurtei-lungsmöglichkeit der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage, da diese weitgehend einheitlich über alle Informationsquellen ist. Der Wert der weiteren wirtschaftlichen Entwicklungsprog-nosen ist jedoch weit gestreut und sehr unterschiedlich. Sie sind daher oft nur von geringem Aussagewert bezüglich einer realistische Darstellung der künftigen wirtschaftswissenschaft-lichen Entwicklung. Die Betrachtung der wirtschaftswissenschaftlichen Prognosen über die letzten 25 Jahre liefert eigentlich keine Übereinstimmung zwischen der Vorhersage und dem späteren Eintritt der Vorhersagen. Als Ursache hierfür kann man sagen, dass es an der Vielzahl der wirtschaftlichen und politi-schen Einflüsse liegt, zumal auch psychologische Einflüsse eine nicht unerhebliche Rolle bei wirtschaftlichem Verhalten haben.

2) Die konjunkturpolischen Entscheidungsträger sind gezwungen neben den Informationsinstrumenten die konjunkturpolitischen Abstimmungsinstrumente einzusetzen:

1. Der Finanzplanungsrat, der rund vierteljährlich zusammenfindet; Mitglieder sind die Bundesregierung (vertreten durch das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesfi-nanzministerium), die sechzehn Länderfinanzminister sowie vier (vom Deutschen Städte- und Gemeindetag bestimmte) Gemeindevertreter und der Deutschen Bundes-bank, jedoch ohne Stimmrecht. Deren Hauptaufgabe besteht in der Abstimmung der Finanzplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden.

2. Der Konjunkturrat; Mitglieder sind die Bundesregierung (vertreten durch das Bun-deswirtschaftsministerium, das Bundesfinanzministerium), die sechzehn Länderfi-nanzminister sowie vier (vom Deutschen Städte- und Gemeindetag bestimmte) Ge-meindevertreter und der EZB sowie der Deutschen Bundesbank, jedoch ohne Stimm-recht. Ziel ist die Abstimmung des Einsatzes konjunkturpolitischer Instrumente (z. B. die Frage welche Steuer ggf. um welchen Betrag gesenkt oder angehoben werden?). Diese Abstimmung ist zur Vermeidung von Konterkarierungseffekten26 erforderlich, d. h. es soll z. B. verhindert werden, dass der Bund möglicherweise die Staatseinnah-men erhöhen und die Länder gleichzeitig dem mittels Steuersenkungen entgegenwir-ken würden oder militärisch gesprochen bedeutete dies, dass alles in dieselbe Rich-tung marschieren solle.

3) Die konjunkturpolitischen Entscheidungsträger sind auf konjunkturpolitische Eingriffsin-strumente angewiesen. Zielsetzung ist es ein antizyklisches Verhalten der volkswirtschaftli-chen Sektoren zu erreichen. So kann (pars pro toto) die Bundesregierung – aufgrund einer ge-setzlichen Ermächtigungsgrundlage aus dem StWG, die Loh- bzw. Einkommenssteuer per Er-lass einer Rechtsverordnung, senken bzw. erhöhen. Darüber hinaus sind im StWG eine Viel-zahl weiterer Eingriffsinstrumente enthalten.

Die antizyklische Finanzpolitik ist zu kombinieren mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB)

1.4 Die Geldpolitik der EZB Seit Anfang 1999 ist die EZB für die Geldpolitik der Europäischen Union zuständig. Damit wurde eine der wich-tigsten bisher nationalstaatlich geregelten Wirtschaftskompetenz auf die EU übertragen.

1.4.1 Aufgaben der EZB Primär hat die EZB die drei folgenden Aufgaben:

1. Die EZB hat das Banknotenmonopol, d. h. nur die EZB ist berechtigt Euro-Banknoten herauszu-geben. Das Münzregal (also das Recht zur Herausgabe von Münzen) liegt bei den jeweiligen Mit-gliedsstaaten der EU.

2. Die EZB hat die Aufgabe der Währungssicherung, d. h. 1. Sicherung des Binnenwertes (Herstellung und Aufrechterhaltung der Preisstabilität), wobei

die EZB die Preisstabilität bis zu einer Grenze von derzeit 2%iger Inflationsrate definiert. Eine Beurteilung inwieweit sich Preisstabilität einstellt kann also erst nach der Einführung des Euro ab 1.1.2002 abgegeben werden.

2. Sicherstellung der Außenwirtschaftsstabilität, d. h. die Stabilisierung des Wechselkurses 3. Abwicklung des Zahlungsverkehrs.

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

26 Zitat Kraatz: „ein Megageiles Wort“; konterkarieren 1. durchkreuzen, et. hintertreiben 2. gegenlenken, et. entgegensetzen (einem Angriff, Vorwurf, Vorsprung)

Page 37: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

1.4.2 Organe der EZB Zur Handlungsfähigkeit der EZB stehen ihr folgende Organe zur Verfügung27:

1. das Direktorium, bestehend aus sechs Mitgliedern und dem Präsidenten als „Primus inter pares28“; das Direktorium ist kein Entscheidungsorgan, sondern ein Exekutivorgan (Ausführungsorgan);

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

organ); 2. die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten; ebenfalls kein

Entscheidungsorgan, sondern ein Exekutivorgan (Ausführungs3. Der Rat der EZB, bestehend aus den sechs Direktoriumsmitgliedern und den Präsidenten der nati-

onalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten; Entscheidungsorgan und kein Exekutivorgan. Zur rechtlichen Stellung der EZB sei festgehalten, dass die EZB autonom ist, d. h. die nationalen Regierungen der Mitgliedsstaaten sind ihr gegenüber nicht weisungsbefugt.

1.4.3 Instrumente der EZB

Einflussnahme auf dieZinsen der Banken

Einflussnahme auf dieBankenliquidität

Einflussnahme auf dieGeldmenge in den

EU-Mitgliedsstaaten

keine verbindlicheVorschrift, sonderndie Einflussnahmeist z. B. über befri-stete Transaktionenmöglich

d. h. Einflussnahmedarauf, ob die Bankenüber viel oder wenigGeld verfügen (i. d. R.Kreditgelder, die anUnternehmen gewährtwerden), z. B. über:• Spitzenrefinanzie- rungsfazilitäten• Einlagefazilitäten• Mindestreserve... u. a.

M1

M2

M3

EZB

27Anmerkung: Die EZB ist zu mehr als 90% identisch im Aufbau zur Deutschen Bundesbank 28 lat.: „Der Erste unter Gleichen“

Page 38: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

Geld- und Kapitalmarkt*

EZBBanken

Wertpapiereder

Banken

Kunden-einlagen1)

* Geldmarkt, d. h. kurz- und mittelfristige Kredite mit einer Laufzeit bis ca. zwei Jahren Kapitalmarkt, d. h. Kredite mit Laufzeiten von mehr als zwei Jahren

Kredite:Einfluss-nahme

überZinsen

undKredit-volu-men

u. a.

Kreditnehmer:1. private Haushalte (Universal- und In- vestitionskredite)2. Unternehmen (Investitionskredite)3. Staat (Finanzierungs- und Investitionskredite)4. Ausland (Finanzierungs- und Investitionskredite)

1)1. Sichteinlagen 2. Termineinlagen 3. Spareinlagen

29

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

Mindestreserve

1.4.2.1 Befristete Transaktionen Die Banken haben die Möglichkeit, gegen Verpfändung eines Teils bestimmter Wertpapiere ihres eigenen Wert-papierbestandes, Kredite von der EZB zu erhalten. Die EZB berechnet dabei einen Zins, den sog. „Hauptrefinan-zierungszinssatz“. Dieser wird auch als Leitzinssatz bezeichnet, da sich alle Zinsen in den Euro-Mitgliedsstaaten grundsätzlich an ihm orientieren. Da sich diese Kreditgeschäfte im Wege einer öffentlichen Ausschreibung voll-ziehen, spricht man vom sog. „Tenderverfahren“. Dabei werden zwei Verfahren unterschieden:

1. Mengentender oder Festzinstender Dabei nennt die EZB im Rahmen der Ausschreibung zunächst den ausgeschriebenen Betrag (Ge-samtkreditvolumen), z. B. 120 Mrd. €, zu einem Festzinssatz von z. B. 3,25%. Weiterhin wird die Laufzeit ausgeschrieben, diese beträgt in der Regel zwei Wochen.

Die Verteilung der Kredite erfolgt nach - dem Windhundverfahren („Wer zuerst kommt malt zuerst“) oder - dem Zuteilungsverfahren (Jede Anforderung wird ggf. quotiert bedient; in der Praxis häufiger

als das Windhundverfahren).

1.4.2.2 Spitzenrefinanzierungsfazilitäten, Einlagefazilitäten Die Banken haben die Möglichkeit, gegen Verpfändung von Wertpapieren für wenige Stunden30 einen Kredit von der EZB zu erhalten. Die EZB berechnet dabei einen Zins, den sog. „Spitzenrefinanzierungszinssatz“. Die Banken haben die Möglichkeit für wenige Stunden31 Geld bei der EZB anzulegen. Die EZB zahlt dafür den sog. „Einlagezinssatz“.

1.4.2.3 Mindestreserve Die EZB kann anordnen, dass die Banken einen bestimmten Anteil an ihren Kundeneinlagen (= Sicht-, Termin- und Spareinlagen) bei der EZB hinterlegen müssen. Damit hat die EZB die Möglichkeit, direkt auf die Bankenli-quidität Einfluss zu nehmen32.

29 Erläuterungen:

1. Sichteinlagen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kunden jederzeit in jeder Höhe über die Einlagen verfügen können. 2. Termineinlagen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kunden nur zum vereinbarten Termin über die Einlage verfügen können. 3. Spareinlagen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kunden nur im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen über ihre Einlagen verfügen können.

30 Fachbezeichnung: „über Nacht“ 31 Fachbezeichnung: „über Nacht“ 32 Aus der Erhöhung der Mindestreserve folgt eine Absenkung der Liquidität und aus der Senkung der Mindestreserve folgt eine Anhebung der Liquidität der Banken. Hieraus resultiert die direkte Einflussnahmemöglichkeit im Ggs. zu den anderen Instrumenten, die nur indirekte Einflussnahmemöglichkeit bieten.

Page 39: VWL Skript FH Berlin

TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE BERLIN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES VWL DIPL.-ING. (FH) MARIO KRÄFT

FACHBEREICH I WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHES AUFBAUSTUDIUM WS 2001/2002

1.4.2.4 Geldmenge Im Rahmen der Geldmenge unterscheidet man quantitativ die Größen Money 1 (M1), Money 2 (M2) und Money 3 (M3): M1 bezeichnet den Bargeldumlauf und die Sichteinlagen in den €-Mitgliedsstaaten; M2 bezeichnet die Geldmenge M1, zuzüglich der Termineinlagen mit einer Laufzeit bis zwei Jahren; M3 bezeichnet die Geldmenge M2, zuzüglich der marktfähigen33 Geldmarktpapiere34 Die EZB legt lediglich ein jährliches Geldmengenziel bezogen auf M3 fest, d. h. sie legt jährlich fest, um wie- viel die Geldmenge M3 steigen sollte. Dabei handelt es sich um eine geldpolitische Absichtserklärung, da die EZB direkt nur Einfluss auf die im Umlauf befindliche Bargeldmenge nehmen kann. Die EZB hat also keinen direkten Einfluss auf die anderen Bestandteile der Geldpolitik. Bei der Festlegung dieses Ziels, geht die EZB von drei Überlegungen aus:

1. von der prognostischen Entwicklung des volkswirtschaftlichen Potentials (Wie entwickelt sich das BIP in der €-Zone?)

2. von der prognostischen Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit (in der Regel findet hier keine große Änderung statt)

3. von der Prognostischen Entwicklung der Inflationsrate in der €-Zone (Fischersche Verkehrsglei-chung35).

1.5 Wechselkurs Der Wechselkurs gibt die Währungsrelation zwischen zwei oder mehreren Währungen an. Es werden drei ver-schiedene Wechselkurse unterschieden:

1. der feste Wechselkurs, d. h. die Regierungen der beteiligten Länder haben den Wechselkurs fest vereinbart, wie z. B. die Teilnehmerländer der €-Zone oder historisch betrachtet der Wechselkurs zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland – jedoch als sehr einseitige Sicht der Din-ge seitens der DDR – mit einem offiziellen Wechselkurs von 1:1 angegeben.

2. der gespaltene Wechselkurs, d. h. für verschiedene wirtschaftliche Transaktionen gibt es unter-schiedliche Wechselkurse, z. B. Wechselkurs A für Wirtschaftstransaktionen, Wechselkurs B für Tourismus usw.

3. der flexible Wechselkurs, d. h. durch das Zusammenspiel von Angebot und nachfrage an den Devi-senbörsen36, entsteht ein flexibler Wechselkurs.

Man unterscheidet drei Börsenarten:

1. Devisenbörsen: hier werden ausländische Zahlungsmittel gehandelt; 2. Aktienbörsen: hier werden Aktien und Wertpapiere (Rentenfonds, …)gehandelt; 3. Waren-/Rohstoffbörsen: hier Werden Waren und/oder Rohstoffe gehandelt (meist in Küstenstädten)

Wichtige Einflussfaktoren für die Bildung von Wechselkursen sind z. B.:

• Zinsunterschiede (z. B. sorgen niedrige Zinsen in einem anderen Land unter Umständen für Auswir-kungen auf den Wechselkurs)

• unterschiedliche Inflationsraten (besteht in einem Land eine hohe Inflationsrate, so besteht für das Land die Gefahr der Flucht der Wirtschaftssubjekte in eine sog. „Ankerwährung“ mit Auswirkungen auf den Wechselkurs)

• der Handelsverkehr (z. B. führen hohe Exporte Deutschlands in die USA zu einem verstärkten Einkauf der Händler von U.S. $ mit Auswirkungen auf den Wechselkurs)

• Spekulationen (z. B. hat das „Vertrauen in eine Währung“ große Einflüsse auf den Wechselkurs)

33 marktfähig bedeutet, dass diese Wertpapiere an der Börse gehandelt werden 34 Geldmarktpapiere sind Wertpapiere, mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren (das sind z. B. Anleihen, diese sind gekennzeichnet durch eine feste Laufzeit, einen festen Zinssatz und durch den Börsenhandel) 35 Die Fischersche Verkehrsgleichung Mit Hilfe der Fischerschen Verkehrsgleichung kann man die Liquidität, also den Geldbedarf einer Volkswirtschaft bestimmen. Die Glei-chung stellt die VR BIP mit der Inflationsrate dem Geldmengenanstieg mit der Umlaufgeschwindigkeit gegenüber. Sie lautet: VR BIP (real) + VR Preisniveau = VR Geldmenge + VR Umlaufgeschwindigkeit 36 Devisen sind ausländische Zahlungsmittel, die nur buchmäßig vorhanden sind; Sorten sind ausländische Währungen die körperlich vor-handen sind.