40
Merkblatt 236 Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten Stahl-Informations-Zentrum

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

Merkblatt 236

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Stahl-Informations-Zentrum

Page 2: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

2

Um den Außenauftritt derVerbandsorganisationen der Stahl-industrie in Deutschland für alleZielgruppen einheitlicher zu ge-stalten und die Aktivitäten in denBereichen Information und Kom-munikation zusammenzuführen,hat sich das Stahl-Informations-Zentrum zu Beginn 2014 in dieWirtschaftsvereinigung Stahl inte-griert. Die bekannten Leistungen,insbesondere die firmenneutralensowie markt- und anwenderorien-tierten Informationen über Ver -arbeitung und Einsatz des Werk-stoffs, werden innerhalb der Orga-nisation weitergeführt.

Verschiedene Schriftenreihenbieten ein breites Spektrum praxis -naher Hinweise für Planer, Kon-strukteure und Verarbeiter vonStahl. Sie finden auch Anwendungin Ausbildung und Lehre.

Vortragsveranstaltungenbieten ein Forum für Erfahrungs-berichte aus der Praxis. Die The-men reichen von Konstruktionüber Anwendung und Verarbei-tung bis hin zur Ökologie.

Messen und Ausstellungendienen der Präsentation spezifi-scher Leistungsmerkmale von Stahl.Neue Werkstoffentwicklungen so-wie innovative, zukunftsweisendeStahlanwendungen werden exem-plarisch dargestellt.

Bei Anfragen vermitteln wirauch als in dividuellen Service Kon-takte zu Instituten, Fachverbändenund Spezialisten aus Forschung undIndustrie.

Die Pressearbeit richtet sichin erster Linie an Fachmedien undinformiert kontinuierlich über neueWerkstoffentwicklungen und -an-wendungen.

Marketing-Aktivitäten die-nen der Förderung des Stahlein-satzes in verschiedenen Märkten,beispielsweise im Automobilbausowie im Industrie- und Wirt-schaftsbau.

Der Newsletter informiertAbonnenten per E-Mail über Neu-erscheinungen, Veranstaltungenund Wissenswertes.

Seit 1989 zeichnet die Orga-nisation besonders innovative An-wendungen mit dem Stahl-In-novationspreis aus. Der Wett -bewerb dient dazu, Innovationenaus Stahl zu fördern und die Qua-litäten des Werkstoffs einer brei-teren Öffentlichkeit ins Bewusst-sein zu bringen. Er ist einer derbedeutendsten Wettbewerbe sei-ner Art und wird alle drei Jahreausgelobt.

Die Internet-Präsentationunter der Adresse www.stahl-online.de informiert über aktuelleThemen und Veranstaltungen undbietet u. a. einen Überblick überVeröffentlichungen. ZahlreichePublikationen sind als PDF-Filesabrufbar, Schriftenbestellungensind online möglich.

Impressum

Merkblatt 236„Wärmebehandlung von Stahl –Randschichthärten“Ausgabe 2009ISSN 0175-2006

Herausgeber:Wirtschaftsvereinigung Stahl,Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf

Autoren:Dr.-Ing. Dieter Liedtke, 71636 LudwigsburgDr.-Ing. Hansjürg Stiele79004 Freiburg

Redaktion:Stahl-Informations-Zentrum

Die dieser Veröffentlichung zu -grunde liegenden Informationenwurden mit größter Sorgfalt re-cherchiert und redaktionell be -arbeitet. Eine Haftung ist jedochausgeschlossen.

Ein Nachdruck – auch auszugs-weise – ist nur mit schriftlicherGenehmigung des Herausgebersund bei deutlicher Quellenangabegestattet.

Titelbild:Induktives Randschichthärten einerWelle

Merkblatt 236

Page 3: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

3

InhaltSeite

1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigen-schaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl .............................. 4

1.1 Zweck des Wärme-behandelns und Verfahrensübersicht .... 4

1.2 Ziel des Randschicht-härtens und Anlassens .. 4

1.3 Ablauf des Randschichthärtens ..... 5

2 Einfluss der Zeit-Temperatur-Folge auf den Werkstoffzustand .. 5

2.1 Aufbau des Stahlgefüges ................. 5

2.2 Gefügeänderungen beim Erwärmen – das Zeit-Temperatur-Austenitisier(ZTA)-Schaubild ...................... 7

2.3 Gefügeänderungen beim Abkühlen – das Zeit-Temperatur-Umwandlungs(ZTU)-Schaubild ...................... 8

2.4 Härtbarkeit ................... 102.4.1 Aufhärtbarkeit .............. 102.4.2 Einhärtbarkeit .............. 112.4.3 Ermitteln der

Härtbarkeit ................... 11

3 Prinzip des Rand-schichthärtens und Anlassens ...................... 12

3.1 Austenitisieren ............. 123.2 Abschrecken ................ 123.3 Anlassen

randschichtgehärteter Werkstücke ................... 12

4 Eigenschaften randschichtgehärteter Werkstücke .................. 12

4.1 Härte und Härteprofil –Einhärtungstiefe ........... 12

4.2 Festigkeitsverhalten ..... 134.3 Verschleißverhalten ..... 13

5.4 Elektronenstrahl-härten ............................ 28

5.4.1 Prinzip ........................... 285.4.2 Anlagentechnik ............ 295.4.3 Anwendungs-

beispiele ........................ 305.5 Weitere Verfahren ....... 30

6 Praxis des Randschichthärtens ...... 30

6.1 Werkstoffauswahl ........ 306.2 Vorbehandeln und

Vorbereiten der Werkstücke ................... 31

6.3 Hinweise zum Abschrecken ................. 31

6.4 Angaben und Darstellung in Zeichnungen ................ 32

6.5 Hinweise zum Prüfen randschichtgehärteter Werkstücke ................... 33

6.5.1 Messen der Oberflächen- und Kernhärte ...................... 33

6.5.2 Ermitteln der Einhärtungstiefe SHD ... 33

6.6 Nachbehandlung .......... 34

7 Hinweise zum Vermeiden fehlerhafter randschichtgehärteter Werkstücke ................... 35

7.1 Wärmebehandlungs-gerechte Formgestaltung ............. 35

7.2 Wärmebehandlungs-gerechter Werkstoff und Ausgangszustand ... 35

7.3 Fehler beim Wärmebehandeln ......... 36

8 Quellennachweis ......... 388.1 Schrifttum ..................... 388.2 Normenübersicht ......... 398.3 Bildnachweis ................ 39

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

5 Durchführung des Randschichthärtens ... 14

5.1 Flammhärten .............. 145.1.1 Verfahrenstechnik ..... 145.1.2 Anlagentechnik .......... 155.1.3 Brennerausführungen . 155.1.4 Abschreck-

einrichtungen ............. 165.1.5 Anwendungsbeispiele. 165.2 Induktionshärten ........ 165.2.1 Prinzip der

Induktions-erwärmung ................. 16

5.2.2 Anlagentechnik .......... 185.2.2.1 Umrichter

(Generatoren) ............ 185.2.2.2 Induktoren ................. 185.2.3 Arbeitsweise beim

Induktionshärten ....... 195.2.3.1 Innenfeld-Erwärmung

im Vorschub-verfahren ..................... 19

5.2.3.2 Außenfeld-Erwärmung im Vorschubverfahren .... 19

5.2.3.3 Gesamtflächen-Härtung – Innen- oder Außenfeld-Erwärmung ................. 20

5.2.3.4 Flächeninduktoren ..... 205.2.4 Konduktives Erwärmen

zum Randschicht-härten ......................... 20

5.2.5 Abschreck-einrichtungen ............. 21

5.2.6 Härtemaschinen ......... 225.2.7 Anwendungs-

beispiele...................... 225.2.7.1 Lenkungsteile ............. 225.2.7.2 Gleichlaufgelenke ...... 225.2.7.3 Motorenteile .............. 225.2.7.4 Zahnräder ................... 235.3 Laserstrahlhärten ....... 235.3.1 Prinzip ........................ 235.3.2 Anlagentechnik .......... 255.3.3 Lasertypen .................. 265.3.3.1 CO2-Laser .................... 265.3.3.2 Festkörperlaser ........... 265.3.3.3 Hochleistungs-

Diodenlaser ................ 275.3.4 Führungsmaschinen ... 275.3.5 Anwendungs-

beispiele ..................... 27

Seite Seite

Page 4: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

4

1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaftenvon Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl

1.1 Zweck des Wärmebehandelnsund Verfahrensübersicht

Der Werkstoffzustand, in demBauteile und Werkzeuge aus Stahlhergestellt und bearbeitet werden,erfüllt nur selten gleichzeitig auchdie Anforderungen, die sich ausdem Verwendungszweck ergeben.Es ist daher notwendig, den Werk-stoffzustand durch ein Wärmebe-handeln so zu verändern, dass z.B.die Härte, die Festigkeit, die Zähig-keit oder der Verschleißwiderstandden unterschiedlichen Bedingun-gen der jeweiligen Anwendungoptimal angepasst sind. Das Wär-mebehandeln dient dazu, das Ver-hältnis zwischen Beanspruchbar-keit, Werkstückgeometrie und Ab-messung so zu optimieren, dasseine hohe Lebensdauer mit aus-reichender Sicherheit gegen einenfrühzeitigen Ausfall oder ein Ver-sagen erreicht wird.

Wärmebehandeln heißt nachDIN EN 10052, „ein Werkstückganz oder teilweise Zeit-Tempe-

ratur-Folgen zu unterwerfen, umeine Änderung seiner Eigenschaf-ten und/oder seines Gefüges her-beizuführen. Gegebenenfalls kannwährend der Behandlung die che-mische Zusammensetzung desWerkstoffs geändert werden.“

Je nach dem Ziel des Wärme-behandelns stehen unterschied-liche Verfahren zur Auswahl. Beieinigen Verfahren wird der Werk-stoffzustand gezielt über den ge-samten Querschnitt verändert:beim Glühen, Härten, Anlassen,Vergüten oder Bainitisieren. Beianderen Verfahren ist nur eine Ver-änderung der Randschicht beab-sichtigt, wie beim Randschicht-härten, Nitrieren oder Nitrocarbu-rieren. Bei manchen Verfahrenwird zwar gezielt die Randschichtverändert, jedoch wird dabei auchder Werkstoffzustand im gesamtenQuerschnitt beeinflusst. Dies trifftz.B. auf das Einsatzhärten oder dieDiffusionsbehandlungen Chromie-ren und Borieren zu.

In Bild 1 ist eine Übersichtüber die derzeit industriell ge-bräuchlichsten Verfahren darge-stellt. Sie sind in vier Gruppeneingeteilt. Im Folgenden werdenaus der ersten Gruppe das Rand-schichthärten sowie aus der zwei-ten Gruppe das Anlassen behan-delt. Das Härten, Anlassen, Ver-güten und Bainitisieren sind im

Merkblatt 450, die thermochemi-schen Behandlungen Aufkohlen,Carbonitrieren und das Härtenaufgekohlter oder carbonitrierterTeile, sind im Merkblatt 452 be-schrieben, das Nitrieren und Nitro-carburieren im Merkblatt 447.

1.2 Ziel des Randschichthärtensund Anlassens

Ziel des Härtens ist es, einenmöglichst vollständig martensiti-schen Werkstoffzustand herzustel-len, der durch eine höhere Härtegekennzeichnet ist. Nach der De-finition in DIN EN 10052 schließtdas Härten auch Zustände ein, beidenen neben Martensit im Gefügeauch geringe Anteile an Bainit auf-treten, da je nach Stahl und denGegebenheiten beim Härten, eineUmwandlung ausschließlich inMartensit nicht immer erreichbarist. Dies gilt zwar im Prinzip auchfür das Randschichthärten, jedochist es deutlich leichter, ein voll-ständig martensitisches Gefüge inder Randschicht zu erreichen alsbei einem den gesamten Quer-schnitt erfassenden Härten einesWerkstücks. Das wesentlicheMerkmal eines Randschichthärtensist, ausgehend von der Oberflächebis zu einer bestimmten Tiefe dasHärtungsgefüge Martensit einzu-

Merkblatt 236

Härten über den gesamten

Querschnitt

Anlassen bei Temperatur

< 200 ºC

Anlassen bei Temperaturen 500 bis 600ºC

= VergütenHärten

aufgekohlter Teile= Einsatzhärten

Randschichthärten

Auslagern

Erholungsglühen ohne nachfolgende Härtung:

mit nachfolgende Härtung:

wahlweise ohne/mit Härtung

Weichglühen

GKZ-Glühen

Normalglühen

Rekristallisations-glühen

Spannungsarm-glühen

Diffusionsglühen bzw. -behandeln

Sulfidieren

Oxidieren

Nitrieren

Nitrocarburieren

Chromieren

Thermochemische DiffusionGlühenAnlassenHärten

Bainitisieren

Aufkohlen

Carbonitrieren

Borieren

Härten über den gesamten

Querschnitt

Anlassen bei Temperatur

< 200 ºC

Anlassen bei Temperaturen 500 bis 600 ºC

= VergütenHärten

aufgekohlter Teile= Einsatzhärten

Randschichthärten

Auslagern

Erholungsglühen Ohne nachfolgende Härtung:

Mit nachfolgender Härtung:

Wahlweise ohne/mit Härtung:

Weichglühen

GKZ-Glühen

Normalglühen

Grobkornglühen

Rekristallisations-glühen

Spannungsarm-glühen

Diffusionsglühen bzw. -behandeln

Sulfidieren

Oxidieren

Nitrieren

Nitrocarburieren

Chromieren

Thermochemische DiffusionGlühenAnlassenHärten

Bainitisieren

Aufkohlen

Carbonitrieren

Borieren

Bild 1: Übersicht über die Wärmebehandlungsverfahren

Page 5: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

5

stellen, den restlichen Querschnittin seinem Ausgangszustand jedochunverändert zu lassen. Daraus leitetsich die Bezeichnung Randschicht-härten ab, was die früher gebräuch-liche Bezeichnung Oberflächenhär-ten ersetzt hat. Die Bezeichnung„Oberflächenhärten“ ist nämlichinsofern irreführend, als zwar dieOberflächenhärte gesteigert wird,dies jedoch immer mit einer Ein-härtungstiefe verknüpft ist. Für dasVerschleiß- und Festigkeitsverhal-ten randschichtgehärteter Bauteileist jedoch nicht allein die Ober-flächenhärte, sondern auch dieHärte der Randschicht maßgebend.

In vielen Fällen hat es sich alszweckmäßig erwiesen, Bauteileund Werkzeuge auch nach demRandschichthärten anzulassen, umihr Festigkeitsverhalten den jewei-ligen Beanspruchungsbedingungenoptimal anzupassen und dem Ent-stehen von Rissen bei einem gege-benenfalls nachfolgenden Schlei-fen vorzubeugen. Das Anlassenkann sowohl durch auf die Rand-schicht beschränktes Wärmen alsauch durch Anlassen der Werk-stücke in einem Ofen vorgenom-men werden. Ein Vergüten, d.h.ein Anlassen im Temperaturbe-reich zwischen 550 und 650 °Cnach dem Randschichthärten, istallgemein nicht üblich. Dahin-gegen kann es zweckmäßig sein,Bauteile vor dem Randschicht-härten zu vergüten.

1.3 Ablauf des Randschichthärtens

Grundsätzlich besteht dieZeit-Temperatur-Folge beim Rand-schichthärten wie bei jeder Wärmebehandlung aus den dreiSchritten:1. Erwärmen auf die erforderliche

Behandlungstemperatur2. Halten auf der Behandlungstem-

peratur3. Abkühlen von Behandlungs- auf

Raumtemperatur

Im Regelfall wird – von sehrdünnen Werkstücken abgesehen –nur die Randschicht auf Austeni-tisier- bzw. Härtetemperatur er-wärmt. Dies geschieht aufgrundder hohen spezifischen Wärme-dichte innerhalb von Sekunden-bruchteilen oder Sekunden. Auchdas anschließende Halten bewegtsich in dieser Größenordnung.Daraus folgt, dass im Unterschiedzum Härten mit einem Erwärmendes Werkstücks in einem Ofenoder einer Salzschmelze beimRandschichthärten zwischen demErwärmen und dem Halten zeitlichnicht mehr unterschieden wer-den kann. Wegen dieses kurzzei-tigen Ablaufs ist es andererseitserforderlich, auf ca. 50 bis 150 °Chöhere Temperaturen als in Öfenzu erwärmen, um die Randschichtin ausreichendem Maße zu auste-nitisieren.

2 Einfluss der Zeit-Temperatur-Folge aufden Werkstoffzustand

2.1 Aufbau des Stahlgefüges

Eisen besitzt einen kristallinenAufbau, d.h. die räumliche Anord-nung jedes Atoms ist genau festge-legt. Das Kristallsystem des Eisensist kubisch und je nach Tempera-tur liegt ein kubisch raumzentrier-tes (krz) oder ein kubisch flächen-zentriertes (kfz) Gitter vor, siehedie Bilder 2 und 3.

Das kubisch raumzentrierteEisen wird als α-Eisen bezeichnet.Nach der Darstellung in Bild 3existiert es im Temperaturbereichzwischen Raumtemperatur und911 °C. Bei höherer Temperaturbis 1.392 °C entsteht durch anders-artige Anordnung der Eisenatomedas kubisch flächenzentrierte Git-ter des β-Eisens. Oberhalb von1.392 °C liegt ein kubisch raum-zentriertes γ-Eisen vor, was fürdas praktische Wärmebehandelnaber keine Bedeutung hat.

Die technisch verwendetenEisenwerkstoffe Stähle, Gusseisenoder Sintereisen sind Legierun-gen. Bei diesen sind in das Eisen-gitter entweder an der Stelle einesEisenatoms (substitutiv) oder inGitterzwischenräume (interstitiell)Fremdatome eingefügt – gelöst.Damit wird aus dem Reineisen-

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

a

x

kubischraumzentriert(krz)

kubischflächenzentriert(kfz) a

x

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

α-Eisen(krz)

γ-Eisen (kfz)

δ-Eisen (krz)

Ac2 769 ºC

Ac3 911 ºC

Ac4 1.392 ºCAr4 1.392 ºC

Ar3 911 ºC

Ar2 769 ºC

Erstarrungspunkt 1.536 ºC Schmelzpunkt 1.536 ºC

Bild 3: Umwandlungspunkte von Reineisen beim Abkühlen (linke Kurve) und Erwärmen (rechte Kurve)

Bild 2: Elementarzelle des kubisch raumzentrierten und des kubisch flächenzentrierten Eisengitters

Page 6: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

6

kristall ein Mischkristall. Substi-tutions-Mischkristalle entstehen,wenn die Fremdatome eine ähn-liche Größe wie die Eisenatomeaufweisen. Dies trifft z.B. auf dieElemente Chrom, Molybdän, Vana-dium, Wolfram und andere metal-lische Elemente zu. Fremdatome,

die kleiner als die Eisenatome sind,wie Kohlenstoff, Stickstoff oderWasserstoff, werden dagegen inter-stitiell eingelagert. Speziell Kohlen-stoff und Stickstoff gehen darüberhinaus auch Verbindungen mitdem Eisen und den metallischenLegierungselementen (Carbidbild-ner, Nitridbildner) ein.

Durch die Aufnahme vonKohlenstoffatomen auf Zwischen-gitterplätzen wird aus dem ku-bisch raumzentrierten α-Eisen einα-Mischkristall mit der Bezeich-nung Ferrit. In diesem sind bei723 °C maximal 0,02 Masse-%, beiRaumtemperatur ist kein Kohlen-stoff mehr löslich. Aus dem kubischflächenzentrierten γ-Eisen wirddurch die Aufnahme von Kohlen-stoff ein γ-Mischkristall mit derBezeichnung Austenit. Beim un-legierten Stahl können in diesembei 723 °C 0,80 Masse-% Kohlen-stoff und bei 1.147 °C maximal2,06 Masse-% Kohlenstoff gelöst

werden. Ist die jeweils vorhandeneKohlenstoffmenge größer, entstehtmit Eisenatomen das Verbindungs-kristall Eisencarbid – Fe3C, auchZementit genannt – mit 6,67 Mas-se-% Kohlenstoff. Carbide entste-hen auch mit metallischen Legie-rungselementen. Der Kristallauf-bau ist dann nicht mehr kubisch,sondern besitzt eine wesent-lich kompliziertere Struktur. Beieinem Kohlenstoffgehalt von 0,80Masse-% ist im normalisiertenZustand bei Raumtemperatur derZementit in lamellarer Form ineiner ferritischen Umgebung an-geordnet, siehe Bild 4. DiesesGefüge wird als Perlit bezeichnet.

Die Menge des im Stahl vor-handenen Kohlenstoffs bestimmtdie Zusammensetzung und damitauch das Aussehen des Gefüges.Mit zunehmendem Gehalt an Koh-lenstoff nimmt der Anteil des Per-lits zu und der des Ferrits ab, wiein Bild 5 zu sehen ist.

Merkblatt 236

Bild 4: Aussehen des Perlits im Lichtmikroskop bei einem Stahl mit 0,80 Masse-% Kohlenstoff

0,03 % C

0,60 % C

0,15 % C

0,80 % C

0,45 % C

1,0 % C

Bild 5: Normalisierte Gefüge von Stählen mit unterschiedlichen Massenanteilen Kohlenstoff

Page 7: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

7

Die Vielgestaltigkeit des Eisen-gitters sowie die vielfältige Art derLegierungsbildung bewirken einenunterschiedlichen Aufbau des Ge-füges von Eisenwerkstoffen undder davon abhängigen Eigenschaf-ten und eröffnen Möglichkeiten,diese durch ein Wärmebehandelngezielt zu verändern.

2.2 Gefügeänderungen beim Erwärmen – das Zeit-Temperatur-Austenitisier(ZTA)-Schaubild

Wird Stahl erwärmt, ändertsich sein Gefügezustand. Ober-halb einer Temperatur von 723 °Czerfällt der Zementit und aus demkubisch raumzentrierten Ferritwird der kubisch flächenzentrierteAustenit. Der durch den Zerfalldes Zementits freigesetzte Kohlen-stoff wird vom Austenit in Lösunggenommen. Im weiteren Verlaufdes Wärmens und beim Haltenentsteht nach und nach aus demgesamten Ferrit Austenit, in demder Kohlenstoff mehr oder weni-ger homogen verteilt ist. Beiübereutektoidischen Stählen, alsoeinem Kohlenstoffanteil von mehrals 0,8 Masse-%, mit einem Aus-gangsgefüge aus Perlit und Primär-carbiden beginnt das Umwandelnmit dem Auflösen des Perlits undendet mit dem Zerfall der etwasbeständigeren Carbide. Das Er-wärmen und Halten zum Um-wandeln des Gefüges in Austenitwird als Austenitisieren bezeich-net. Bei den legierten Stählensind dazu Temperaturen über rd.850 °C erforderlich. Das Austeni-tisieren ist die Voraussetzung fürdas Härten.

Die Vorgänge beim Erwär-men lassen sich in Zeit-Tempe-ratur-Austenitisier(ZTA)-Schaubil-dern wie in Bild 6 veranschau-lichen. In Abhängigkeit von Zeitund Temperatur sind die Existenz-bereiche der verschiedenen Ge-fügezustände dargestellt. Für dasErwärmen ist der Ablauf der Ge-fügeänderungen entlang der Kur-

ven für die jeweilige Erwärmge-schwindigkeit zu verfolgen. Dieim Bild rechts liegenden Wärm-kurven entsprechen langsamemErwärmen, wie es in Öfen anzu-treffen ist. Die links liegenden gel-ten für das Randschichthärten.

Dem ZTA-Schaubild für konti-nuierliches Wärmen ist zu ent-nehmen, dass der Beginn und dasEnde der Umwandlungsvorgängein erster Linie von der Erwärmge-schwindigkeit abhängen. Je raschererwärmt wird, umso höher ist dieTemperatur, bei der das Umwan-deln beginnt (Ac1b) und beendetist (Ac3) und umgekehrt. Darausergibt sich auch, dass wegen derhohen Erwärmgeschwindigkeitbeim Randschichthärten auf ca.50 bis 150 °C höhere Temperatu-ren als beim Erwärmen in Öfenerwärmt werden muss. Oberhalbder Ac3-Linie ist der Kohlenstoffim Austenit zunächst noch un-gleichmäßig verteilt, der Austenitist inhomogen. Ein homogener Zu-stand wird erst bei noch höherenTemperaturen erreicht. Dann be-ginnt allerdings auch durch Korn-wachstum das Gefüge gröber zuwerden.

Auf den Ablauf des Austeniti-sierens wirkt sich auch der Aus-gangsgefügezustand aus: Je gröberdie Carbide sind und je weiter sievoneinander entfernt sind, destohöhere Temperaturen müssen er-reicht werden, um das Ausgangs-gefüge vollständig in Austenit um-zuwandeln und den Kohlenstoffgleichmäßig zu verteilen. In derPraxis ist ein vollständiges Auf-lösen sämtlicher Carbide allerdingsnicht immer zweckmäßig.

Das Austenitisieren lässt sichauch durch isothermisches Wär-men herbeiführen. Für diesenZweck gelten ZTA-Schaubilder fürisothermisches Austenitisieren, wiein Bild 7 am Beispiel des Stahls34CrMo4 zu sehen ist.

In diesem Schaubild sind dieGefügeänderungen bei einer be-stimmten Temperatur parallel zurZeitachse abzulesen. Dabei istvorausgesetzt, dass die jeweils be-trachtete Temperatur quasi unend-lich schnell erreicht worden ist.Für das Randschichthärten ist dieseAnnahme hinsichtlich der hiervorliegenden sehr raschen Erwär-mung prinzipiell naheliegend.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

0,1Zeit [s]

Tem

pera

tur [

ºC]

700

800

900

1.000

1.100

1 105

Erwärmgeschwindigkeit [ºC/s]

10 102 103 104

0,050,221310301003001.0002.400

„homogener Austenit“

„inhomogener Austenit“

Ferrit + Austenit + CarbideFerrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Perlit

Ac3

Ac1b

Ac2

Ac1e+ Carbide

Ferrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Austenit + Ca bFerrit

Ac1e

Bild 6: Zeit-Temperatur-Austenitisier(ZTA)-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls 34CrMo4 (nach Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle)

Page 8: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

8

Aus dem ZTA-Schaubild fürisothermisches Austenitisieren istin Abhängigkeit von der Tempera-tur die für das Austenitisieren min-destens erforderliche Haltedauerzu entnehmen. Es ist außerdem zuerkennen, dass auch nach langerDauer bei einem Halten auf einerTemperatur unterhalb der Ac3-Temperatur kein vollständiges Aus-tenitisieren erreicht wird. Auchbeim isothermischen Wärmen er-fordert eine homogene Kohlen-stoffverteilung im Austenit relativhohe Temperaturen und eine re-lativ lange Haltedauer.

Für die Praxis des Austeniti-sierens ist es wichtig zu berück-sichtigen, dass die Temperatur imInneren eines Werkstücks lang-samer ansteigt als an der Ober-fläche bzw. in der Randschicht.Daher ist mit einem unterschied-lichen Verlauf der Gefügeumwand-lung zu rechnen. Die Unterschiedewerden umso größer, je rascherein Werkstück erwärmt wird bzw.je größer der zu erwärmendeQuerschnitt ist. Bei Werkstücken,die im Ofen erwärmt werden,muss dies dementsprechend miteiner Durchwärmdauer berück-

sichtigt werden. Beim Randschicht-härten mit externer Wärmequelleund den hohen Wärmestromdich-ten ist ebenfalls mit deutlichenTemperaturunterschieden an derOberfläche gegenüber dem Inne-ren der erwärmten Randschichtzu rechnen.

Zu beachten ist, dass jedesZTA-Schaubild auf eine ganz be-stimmte Stahlzusammensetzungund ein bestimmtes Ausgangs-gefüge bezogen ist. Sowohl mitzunehmendem Gehalt an Legie-rungselementen als auch mit unter-schiedlichem Ausgangsgefüge ver-schieben sich die Grenzlinien fürBeginn und Ende der Austenitbil-dung. Entsprechend den in denGütevorschriften der Stähle fest-gelegten zulässigen Streuungender Gehalte an Kohlenstoff undLegierungselementen muss mitmehr oder weniger großen, jedochquantitativ unbekannten Verschie-bungen der Umwandlung gerech-net werden, was aber den Nutzender Schaubilder für die Praxis desRandschichthärtens keineswegsschmälert.

2.3 Gefügeänderungen beim Abkühlen – das Zeit-Temperatur-Umwandlungs(ZTU)-Schaubild

Beim stetigen Abkühlen mitniedriger Geschwindigkeit ver-laufen die Gefügeänderungen imumgekehrten Sinne wie beimErwärmen beschrieben. Im Auste-nit entstehen durch Entmischungan Kohlenstoff ärmere und reiche-re Bereiche. In untereutektoidi-schen Eisen-Kohlenstoff-Legierun-gen (< 0,80 Masse-% C) entstehtdann in den kohlenstoffarmenBereichen aus Austenit Ferritund schließlich Perlit mit einerKohlenstoffkonzentration von 0,8Masse-%. In übereutektoidischenStählen beginnt das Umwandelnmit dem Ausscheiden von Zemen-tit bzw. Carbiden aus dem Auste-nit und endet mit dem Umwan-deln in Perlit.

Zum Beschreiben der Vor-gänge beim Umwandeln des Aus-tenits dienen die Zeit-Temperatur-Umwandlungs(ZTU)-Schaubilder.Es ist zu beachten, dass jedes ZTU-Schaubild nur für eine bestimmteStahlschmelze mit einer bestimm-ten Zusammensetzung und für einebestimmte Austenitisierbedingunggilt. Bild 8 zeigt hierzu ein Beispielfür den Stahl C45E.

In das Schaubild sind die Exis-tenzbereiche der verschiedenenGefügezustände in Abhängigkeitvon Zeit und Temperatur sowieKurven für das Abkühlen mit unter-schiedlicher Geschwindigkeit ein-getragen. Unter der 500-°C-Tem-peratur-Horizontalen sind die Ab-kühlparameter für den Tempera-turbereich 800 bis 500 °C einge-tragen. Werden diese mit 100 mul-tipliziert, ergibt sich die jeweiligeAbkühldauer in Sekunden, manch-mal auch „t-8/5-Zeit“ genannt. Ent-lang der eingezeichneten Abkühl-kurven können die entsprechen-den Umwandlungsvorgänge ab-gelesen werden. Am Ende der Ab-kühlkurven ist jeweils die Härte inHV angegeben.

Merkblatt 236

Bild 7: ZTA-Schaubild für isothermisches Austenitisieren des Stahls 34CrMo4 (nach Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle)

0,01Haltedauer [s]

Tem

pera

tur [

ºC]

700

800

900

1.000

1.100

0,1 1 10 102 103

Erwärmgeschwindigkeit bis Haltetemperatur: 130 ºC/s

„homogener Austenit“

„inhomogener Austenit“

Ferrit + Austenit + CarbideFerrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Perlit

Ac3

Ac1e

Ac1b

Ac2

Ferrit + Perlit + AustenitAc1b

A

Page 9: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

9

Für langsames Abkühlen gel-ten die mit 20 °C/min bzw. 1,25°C/min gekennzeichneten Kurvenganz rechts im Bild. Dies würdeeinem Normalglühen entsprechen.Für das Härten sind jedoch dieKurven links im Bild von Bedeu-tung, entlang deren ein Umwan-deln des Austenits in Ferrit, Perlitund/oder Bainit vermieden wirdund beim Unterschreiten der Mar-tensit-Starttemperatur Ms sich derAustenit direkt in Martensit um-wandelt. Die hierfür erforderlicheGeschwindigkeit wird als „kriti-sche Abkühlgeschwindigkeit fürdie Martensitstufe“ bezeichnet. Da-bei können die Kohlenstoffatomeihre Plätze im Eisengitter infolgedes raschen Abkühlens nicht mehrverlassen und verzerren das ku-bisch flächenzentrierte Gitter desAustenits in ein tetragonal raum-zentriertes, siehe Bild 9.

Die Martensit-Starttemperaturhängt von der Stahlzusammenset-zung ab. Für Stähle mit Kohlen-

stoffgehalten bis 0,5 Masse-%, Man-gan bis 1,7 Masse-%, Chrom bis3,5 Masse-%, Molybdän bis 5,0Masse-% und Nickel bis 5,0 Masse-%kann sie nach P. W. Schmidt mitder nachstehenden Beziehung ab-geschätzt werden:

In die Formel sind die Gehalteder jeweiligen Legierungsele-mente in Masse-% einzusetzen.Für andere Stähle kann der Ms-Punkt dem jeweiligen ZTU-Schau-bild entnommen werden.

Zwischen dem mit „Ferrit“ bzw.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Zeit

0,1

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

3

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

AustenitFerrit

Bainit

682 654 570 430 318 278 244 228 213 174722

2 15 20 Anteil Bainit in %

0,008 0,015 0,025 0,04 0,1 0,25 0,6 2,2 20 ºC/min 1,25 ºC/min

4555

406070

30

8020

85

3510

85

Perlit

1 2 4 8 15 30 60Minuten

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HV 1– 85 = Gefügeanteil in % 0,008 – 2,2 = Abkühlparameter λ (λ · 102 = Abkühldauer 800/500 ºC in s)

13

1015

Sekunden

Bild 8: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des Stahls C45E

Bild 9: Atomarer Aufbaudes tetragonalraumzentriertenMartensit-Gitters

Kohlenstoff-atome

möglicheLage derEisenatome

δMs = 561 – 474 · C – 33 · Mn – 17 · Cr – 21 Mo – 17 · Ni [°C] (1)

„Perlit“ und dem mit „Martensit“gekennzeichneten Bereich exis-tiert der Bereich, in dem ein Um-wandeln in Bainit stattfindet. Die-ses Gebiet wird durchschritten,wenn die Abkühlgeschwindigkeitin gewissem Maße noch eine Dif-fusion von Kohlenstoffatomen unddamit Entmischungen im Austenit

Page 10: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

10

zulässt. Der Austenit wandelt sichdadurch in einen Ferrit mit höhe-rem Kohlenstoffgehalt um, ausdem im weiteren Verlauf des Ab-kühlens submikroskopisch feineCarbide ausgeschieden werden.

In Bild 10 ist das ZTU-Schau-bild für kontinuierliches Abkühlendes Stahls 42CrMo4 wiedergege-ben. Im Vergleich zum Stahl C45Eist zu erkennen, dass Beginn undEnde der Umwandlungen zu län-geren Zeiten verschoben sind. Diesbewirken die LegierungselementeChrom und Molybdän; sie machenden Stahl umwandlungsträger undverleihen ihm damit eine höhereHärtbarkeit. Dies ist dann von spe-ziellem Interesse, wenn Bauteilevor dem Randschichthärten ver-gütet werden sollen und/oderbeim Randschichthärten eine großeEinhärtungstiefe und eine hoheRandhärte erreicht werden sollen.

Neben den ZTU-Schaubildernfür kontinuierliches Abkühlen exis-

tieren solche für isothermischesUmwandeln. Diese besitzen jedochfür das Randschichthärten keinepraktische Bedeutung, weshalbhier auf eine Wiedergabe verzich-tet wird.

2.4 Härtbarkeit

Die Härtbarkeit ist eine werk-stoffspezifische Eigenschaft. Siekennzeichnet die Eignung derStähle, durch Härten eine charak-teristische Härte anzunehmen. Da-bei wird zwischen Aufhärtbarkeitund Einhärtbarkeit unterschieden.

2.4.1 Aufhärtbarkeit

Unter der Aufhärtbarkeit wirdder Zusammenhang zwischen demKohlenstoffgehalt und der maxi-mal möglichen Härte verstanden.Diese wird nur erreicht, wenn das

Gefüge zu nahezu 100% aus Mar-tensit besteht und wird bestimmtdurch die Kohlenstoffmenge, dievor dem Abschrecken im Austenitgelöst worden ist. In Bild 11 istdieser Zusammenhang dargestelltund die oberste Kurve (durchge-hende Linie) spiegelt dies wider.Daraus ist abzulesen, dass z.B. beieinem Kohlenstoffgehalt von 0,20Masse-% eine Härte von maximal45 HRC und bei 0,60 Masse-%maximal 65 HRC erreicht werdenkönnen. Wegen des nahezu linea-ren Verlaufs der Kurve lassen sichZwischenwerte näherungsweisemit der Beziehung

Maximalhärte = 35 + 50 · Kohlen-stoffgehalt (Masse-%) ± 2 HRC (2)

berechnen. Sie gilt für Kohlenstoff-gehalte zwischen ca. 0,15 und0,60 Masse-%, für nahezu 100%Martensit im Gefüge und sowohlfür unlegierte als auch für legierteStähle.

Merkblatt 236

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

5 7 710

5

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

Austenit

680

Ferrit5

0,01220 ºC/min

Bainit

660 650 640 625 600 525 470 380 310 300 290 260 230200 175 155 140

0 2 3 2 Restaustenitgehalt in %

3025 35 35 4035

15 40

62

5 ºC/min10 ºC/min 2,5 ºC/min 1,25 ºC/min

5

Anteil Bainit in %

Perlit

15 45 60 80 90 92 90 57228

0,02 0,03 0,060,10

0,200,25 0,40 1,0 1,5 2,5

6,5

1 2 4 8 15 30 60Minuten

Sekunden

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HV 5 – 65 = Gefügeanteil in % 0,012 – 6,5 = Abkühlparameter λ (λ · 102 = Abkühldauer 800/500 ºC in s)

65 65 60

Bild 10: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des Stahls 42CrMo4

Page 11: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

11

Die unterbrochen gezeichneteLinie gehorcht der Beziehung:

Die beiden Beziehungen lie-fern um 1 bis 3 HRC unterschied-liche Härtewerte. Für das Rand-schichthärten treffen eher Härte-werte zu, die mit der zuletzt ge-nannten Beziehung berechnetwerden.

Umgekehrt können die Bezie-hungen auch dazu benutzt wer-den, den für eine vorgegebeneHärte erforderlichen Kohlenstoff-Mindestgehalt zu berechnen:

2.4.2 Einhärtbarkeit

Die Einhärtbarkeit bestimmtdie im Kern eines Werkstückeserreichbare Härte und charakteri-siert damit das Umwandlungsver-halten eines Stahls, entsprechendder jeweils in den verschiedenenWerkstückbereichen erzielten un-terschiedlichen Abkühlgeschwin-digkeit. Diese führt gemäß ZTU-Schaubild des betrachteten Stahlszu unterschiedlichen Ergebnissender Austenitumwandlung.

Während die Aufhärtbarkeitdirekt vom Kohlenstoffgehalt ab-hängt, ergibt sich die Einhärtbar-keit aus Art und Menge der Legie-rungselemente, die das Umwand-lungsverhalten der Stähle ver-zögern. Daher werden Molybdän,Chrom und Mangan dazu benutzt,die Einhärtbarkeit der Stähle ge-zielt zu erhöhen. Allerdings erhöhtauch der Kohlenstoff, wenn auchnur gering, die Einhärtbarkeit. Eineähnliche, jedoch geringere Wir-kung besitzt auch die Austenit-korngröße: Mit zunehmender Korn-größe erhöht sich die Härtbarkeit.

Für das Randschichthärten istaufgrund der vergleichsweisegeringeren Einhärtungstiefe, spe-ziell bei Werten unter 1,0 mm, dieEinhärtbarkeit nicht in dem Maßerelevant wie für ein Härten, beidem der gesamte Querschnitt eines

für ein gegebenenfalls vor demRandschichthärten durchgeführtesVergüten von Bedeutung.

2.4.3 Ermitteln der Härtbarkeit

Die Härtbarkeit kann mittelsdes in DIN EN ISO 642 genormtenStirnabschreckversuchs mit einerzylindrischen Probe mit 25 mmDurchmesser und 100 mm Länge,

Hierzu wird an der gehärtetenProbe auf der Mantelfläche in Ab-hängigkeit vom abgeschrecktenEnde das Härteprofil gemessen.Form und Verlauf der so bezeich-neten Stirnabschreckprobe kenn-zeichnen die Härtbarkeit. In Bild12 ist als Beispiel aus der Normfür die Vergütungsstähle, DIN EN10083, das von den Stahlherstel-lern gewährleistete Streubanddes Stahls 34CrMo4 wiederge-geben.

In der Praxis ist es mittler-weile üblich, die Stirnabschreck-kurve nicht durch den Versuch zuermitteln, sondern mit den vomVDEh-Werkstoffausschuss als Stahl-eisen-Prüfblatt 1664 herausgege-benen Formeln zu berechnen.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

0

Kohlenstoffgehalt [Masse-%]

Härt

e [H

RC]

0

20

0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

40

60

Martensit [%]

99,995908050

max. Härte nach Burns,Moore und ArcherHärte bei verschiedenenMartensitgehalten nachHodge und Orehoski

0Abstand von der abgeschreckten Stirnfläche [mm]

Härt

e [H

RC]

20

25

5 10 15 20 25 30 35 40 45

30

35

40

45

50

55

60Bild 11 (oben): Zusammenhangzwischen Kohlen-stoffanteil und er-reichbarer Höchst-härte in Abhängig-keit vom Martensit-gehalt nach einemHärten

Bild 12 (rechts): Härtbarkeitsstreu-band des Stahls34CrMo4 nach DIN EN 10083

die unter definierten Bedingungengehärtet wird, ermittelt werden.

Maximalhärte = 20 + 60 · √Kohlenstoff-Gehalt (Masse-%) HRC (3)

C-Gehaltmin = 0,02 · [Härteerf (HRC) – 35)] ± 0,04 Masse-% (4)

Werkstücks erfasst werden soll.Die Einhärtbarkeit ist vorwiegend

Page 12: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

12

3 Prinzip des Randschicht-härtens und Anlassens

3.1 Austenitisieren

Das Austenitisieren beginntbeim Randschichthärten bereitsbeim Erwärmen. Dabei kommt esdarauf an, die Randschicht mög-lichst vollständig zu austenitisierenund sie durch Auflösen von Carbi-den mit einer ausreichenden undmöglichst homogen verteiltenKohlenstoffmenge zu versehen.Im Unterschied zum Austenitisie-ren in einem Ofen lässt sich einebestimmte Temperatur jedochnicht in jedem Anwendungsfallmessen und regeln. Vielmehr müs-sen die erforderlichen Prozesspara-meter für das jeweils angewendeteErwärmungsverfahren meist durchvorangehende Versuche ermitteltwerden. Im Vergleich zum Erwär-men der Werkstücke in einemOfen muss auf 50 bis 150 °C höhere Temperaturen erwärmtwerden.

Da die verfügbare Dauer fürdas Austenitisieren wegen derhohen Erwärmgeschwindigkeitenbeim Randschichthärten im Be-reich von Sekundenbruchteilen biswenigen Sekunden liegt, kommtdem Gefügeausgangszustand be-sondere Bedeutung zu. Dabei las-sen sich geeignete, bedingt geeig-nete und ungeeignete Gefügezu-stände unterscheiden, vgl. Kapitel7.2.

Wegen der verwendeten ho-hen spezifischen Leistungsdichtebeim Wärmen und der relativ ho-hen Temperaturen ist besondersdarauf zu achten, dass ein Über-hitzen und irreversible Gefüge-schädigungen durch Aufschmelzenvermieden werden.

3.2 Abschrecken

Die für das Härten erforder-liche kritische Abkühlgeschwin-digkeit für die Martensitstufe lässtsich aus den ZTU-Schaubildern fürkontinuierliches Abkühlen ermit-

teln. Je nach dem Verfahren zumErwärmen und Austenitisierenwird zum Härten ein Fremdab-schrecken durchgeführt oder esfindet ein Selbstabschrecken statt.

Zum Fremd- oder Außenab-schrecken werden zweckentspre-chende Brausen benutzt oderdie Werkstücke in ein flüssigesAbschreckmittel getaucht. BeimSelbstabschrecken erfolgt das Ab-kühlen durch die Masse des beimErwärmen nicht erwärmten kaltenWerkstückbereichs.

Als Abschreckmittel dient imeinfachsten Fall Wasser. Darüberhinaus sind Wasser-Öl-Emulsionen,Polymer-Lösungen, Hochleistungs-öle oder Druckluft im Gebrauch.Die Auswahl richtet sich nach dererforderlichen Abkühlgeschwin-digkeit, der Einhärtungstiefe undder Härtbarkeit der verwendetenStähle.

Es ist zu beachten, dass dasUmwandeln in Martensit erst beimErreichen der so bezeichnetenMartensit-Endtemperatur Mf ab-geschlossen ist. Bei Stählen miteinem höheren Kohlenstoffanteilals ca. 0,60 Masse-% ist dies erstunterhalb der Raumtemperaturder Fall. Dies muss z.B. beim Här-ten von Wälzlagerstahl oder ande-ren Stählen mit ähnlich hohemC-Gehalt beachtet werden.

3.3 Anlassen randschicht-gehärteter Werkstücke

Nach einem den ganzen Werk-stückquerschnitt erfassenden –„durchgreifenden“ – Härten wirdüblicherweise bei Temperaturenbis 200 °C angelassen. Dies hängtu.a. damit zusammen, dass bei sol-chen Werkstücken nach dem Här-ten unmittelbar unter der Ober-fläche im Regelfall Zugeigenspan-nungen vorhanden sind. Das An-lassen dient dann dazu, das Risikomöglicher Anrisse, nicht zuletztbei einem nachträglichen Schlei-fen, zu minimieren. Bei rand-schichtgehärteten Teilen ist diesnicht zwangsläufig, zumal nach

dem Randschichthärten im Regel-fall Druckeigenschaften unter derOberfläche vorliegen. Trotzdemkann es zweckmäßig sein, auchnach dem Randschichthärten an-zulassen.

Das Anlassen kann durch einErwärmen der Randschicht mitderselben Wärmequelle wie fürdas Austenitisieren oder unter Ver-wendung eines Anlassofens durch-geführt werden. Zu beachten istallerdings, dass ein rasches Erwär-men mit den üblicherweise hohenLeistungsdichten für die harteRandschicht grundsätzlich ein Risi-ko darstellt und häufig zu Rissenführt. Es ist deshalb zu empfeh-len, das Erwärmen zum Anlassenmit nicht zu hoher Leistungsdich-te/Erwärmgeschwindigkeit durch-zuführen und eine ausreichendeHaltedauer vorzusehen.

4 Eigenschaften randschichtgehärteterWerkstücke

4.1 Härte und Härteprofil – Einhärtungstiefe

Durch das Randschichthärtenwird die Oberflächenhärte erhöht.Zum Messen muss die Prüfkraftauf die Härtetiefe abgestimmt wer-den, um einen Eierschaleneffektund damit Fehlmessungen zu ver-meiden. Zur Durchführung derHärtemessung siehe Kapitel 6.4.

Nach dem Randschichthärtenliegt im Werkstückquerschnitt einHärteprofil vor, das dadurch ge-kennzeichnet ist, dass die Härtemit zunehmendem Abstand vonder Oberfläche mehr oder wenigerstetig bis auf die Härte des Aus-gangszustands abnimmt. In Bild13 ist dies schematisch dargestellt.

Bei vorher vergüteten Werk-stücken ergibt sich im Übergangs-bereich ein Absinken der Härtezwischen dem gehärteten und demvergüteten Querschnittsbereich(„Härtegraben“) infolge der Anlass-

Merkblatt 236

Page 13: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

13

wirkung durch das Randschicht-härten.

Zum Messen des Härteprofilsund Ermitteln der Einhärtungstiefemuss das zu prüfende Teil zerstörtwerden, um einen Querschliff an-zufertigen, siehe Kapitel 6.5.2.

4.2 Festigkeitsverhalten

Nach dem Härten weist dieWerkstückrandschicht eine höhereHärte und eine höhere örtlicheFestigkeit auf. Außerdem entste-hen durch das Härten in der Rand-schicht im Regelfall Druckeigen-spannungen. Dies führt zu einerhöheren Schwingfestigkeit beiBeanspruchungen z.B. durch Bie-gung oder Torsion. Besondersgünstig wirkt sich dies auf dieBauteilfestigkeit gekerbter Bau-teile, z.B. Zahnräder oder Wellenmit Einstichen, Querbohrungenoder schroffen Querschnittsüber-gängen, aus. Bei diesen könnendie Druckeigenspannungen dieSpannungsspitzen im Kerbgrundmehr oder weniger weit kompen-sieren. Bild 14 veranschaulichtdiesen Effekt.

Bild 15 zeigt die Stellung desRandschichthärtens im Vergleichzu anderen Wärmebehandlungs-verfahren zum Steigern der Dauer-schwingfestigkeit am Beispiel vonZahnrädern. Aus der Darstellung istzu entnehmen, in welchem Maßedie Dauerschwingfestigkeit durch

ein Randschichthärten im Ver-gleich zu einem Einsatzhärten oderNitrieren erhöht werden kann.

4.3 Verschleißverhalten

Die höhere Härte der Rand-schicht verbessert das Verschleiß-verhalten. Besonders günstig wirktsich dies bei den Verschleißmecha-nismen Abrasion oder Furchungs-verschleiß, bei Tribooxidationoder Passungsrost sowie bei Wälz-ermüdung aus. Bei den erstge-nannten Beanspruchungsarten be-stimmt die Härte den Verschleiß-

widerstand. Gemäß den Regelnfür die Aufhärtbarkeit setzt diesdie Verwendung von Stählen mitausreichend hohem Kohlenstoff-gehalt voraus. Die Verbesserungender Wälzverschleißfestigkeit re-sultieren dagegen nicht nur ausder Randschichtfestigkeit, sondernmaßgeblich aus der Einhärtungs-tiefe. Diese muss mindestens bis zudem Oberflächenabstand reichen,in dem das Maximum der durchHertz’sche Flächenpressung indu-zierten Schubspannung auftritt.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Bild 13: Härteprofil eines randschichtgehärteten Werkstücks (schematisch) Bild 14: Wirkung von Druckeigen-spannungen auf die Belastungsspannungbei gekerbten Bauteilen

Druc

kZu

g

Einhärtungs-schicht

Eigen-spannung

Last-spannung

resultierendeSpannung

Abstand von der Oberfläche [mm]

Härt

e [H

V 1] Grenzhärte =

0,8 · Oberflächenmindesthärte [HV]

Härteprofil

SHD

Bild 15: Dauerschwingfestigkeit von geradverzahnten Stirnrädern in Abhängigkeit von der Flankenhärte nach unterschiedlicher Wärmebehandlung

0Flankenhärte [HV 1]

Daue

rsch

win

gfes

tigke

it [N

/mm

2 ]

0

200

1.600

100 800200 300 400 500 600 700

400

600

800

1.000

1.400

1.200

legierter Einsatzstahl, einsatzgehärtet

Vergütungsstahl,randschichtgehärtet

Stahl,nitriert odernitrocarburiert

Vergütungsstähle

legiert, vergütet

unlegiert, vergütet odernormal geglüht

allgemeine Baustähle

Page 14: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

14

5 Durchführung des Randschichthärtens

5.1 Flammhärten

5.1.1 Verfahrenstechnik

Beim Flammhärten erfolgt dasErwärmen der Randschicht mitHilfe von Gasbrennern unter-schiedlichster Bauart. Die in dasWerkstück eingebrachte Wärmestammt aus der Verbrennungswär-me (spezifischer Brennwert) desBrenngases. Als Brenngase kom-men Gemische aus Sauerstoff (O2)und Kohlenwasserstoffen wieMethan (CH4), Acetylen (C2H2)oder Propan (C3H8) zur Anwen-dung. Eine Übersicht möglicherGasgemische und die daraus resul-tierenden maximalen Flammtem-peraturen zeigt die Darstellungin Bild 16. Die heißen Verbren-nungsgase übertragen einen Teilihrer Energie auf die Werkstück-oberfläche. Das Werkstück wirddurch Wärmeleitung von außennach innen erwärmt. Die erzielba-ren Leistungsflussdichten sind imVergleich zu den anderen in die-sem Zusammenhang dargestelltenVerfahren relativ niedrig. Dadurchist der Temperaturgradient in ei-nem dickwandigen Werkstück ver-gleichsweise gering und die zumErreichen der geforderten Um-wandlungstiefe in das Werkstückeingebrachte gesamte Wärmemen-ge im Vergleich zu den anderenVerfahren verhältnismäßig hoch.Um die für das Härten benötigteAbkühlgeschwindigkeit zu errei-chen, ist ein Abkühlen von außen(Fremdabschreckung) über Brau-sen oder Tauchbäder erforderlich.

Das Flammhärten kann ent-weder als Vorschub- oder Umlauf-härten sowie als eine Mischformdieser beiden Verfahren realisiertwerden. Beim Vorschubhärtenwird das Erwärmen des Bauteilsdurch einen entsprechenden Bren-ner partiell (linienförmig) vorge-nommen. Abgeschreckt wird an-schließend mittels einer Brause,siehe Bild 17.

Beim Umlaufhärten wird diegesamte Oberfläche des rotieren-den Bauteils durch einen odermehrere entsprechend gestaltete

Brenner erwärmt und anschließendmit einer Brause, siehe Bild 18,oder durch Tauchen in eine Flüs-sigkeit abgeschreckt.

Merkblatt 236

0Brenngas-Sauerstoff-Verhältnis [m3/m3]

Tem

pera

tur [

°C]

2.600

3.100

3.200

1:5 1:6

3.000

2.900

2.800

2.700

1:41:31:21:1

Acetylen

Gemisch mit Ethen

Ethen

Methan Propan

Propen

Gemisch mitMethylacetylen

Bild 16: Flammentempe-ratur in Abhängig-keit vom Brenn-gas-Sauerstoff-Verhältnis

Bild 17 (links): Flammhärten –Prinzip des Vor-schubverfahrens

Bild 18 (unten): Flammhärten –Prinzip des Umlaufverfahrens

Brenner

Brenner

GasWasser

Abschreckbrause

Werkstück

Werkstück

Gehärtete RandschichtErwärmte Randschicht (T > Ac3)

Erwärmte Randschicht

(T > Ac3)

Abschreckbrause

Gehärtete Randschicht

Wasser

Gas

Gas

Page 15: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

15

Trotz einer zunehmenden Ver-drängung durch die anderen Ver-fahren weist das Flammhärten,insbesondere beim Wärmebehan-deln großer Bauteile mit großenEinhärtungstiefen und geringenLosgrößen, verfahrensspezifischeVorteile auf. Mit Hilfe von Pyro-metern und einer Regelelektronikist es auch möglich, temperatur-kontrolliert zu erwärmen. Die spe-zifische Leistungsdichte liegt imBereich von 1 · 103 bis 6 · 103

W/cm2.

5.1.2 Anlagentechnik

Eine Anlage zum Flammhär-ten besteht üblicherweise, vgl.Bild 19, aus folgenden Kompo-nenten:– der Peripherie zum Bereitstellen

der Gase– dem Gasmischer– der Steuereinheit– dem Brenner mit Aufnahme – der Zufuhr der Abschreckmittel.

Optional können noch Gerätezum Überwachen der Temperatur

und UV-Sensoren zum Brandschutzhinzukommen.

Die Gase können in Gasfla-schen, Flüssigtanks oder über Fern-leitung bereitgestellt werden. Miteinem speziellen Mischer wer-den die Gase gemischt. Über eine Steuereinheit wird dem Bren-ner bzw. den Brennern das Gas-gemisch zugeführt.

5.1.3 Brennerausführungen

Bei den Brennern sind hin-sichtlich ihrer Düsenform Düsen-,Schlitz- oder Sieb-Brenner zu unter-scheiden, vgl. Bild 20. Der jewei-lige Typ wird je nach Gasgemischund der damit verbundenen Zünd-geschwindigkeit ausgewählt. DerBrenner selbst besteht meist ausKupfer oder Messing und ist was-sergekühlt. Maßgebliche Größenfür die Brennereinstellungen sind:– die Gasmenge pro Austritts-

fläche– das Gas-Mischungsverhältnis – die Ausströmgeschwindigkeit

des Gases.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Bild 20: Brennertypen

Abschreckbrause

Gas-gemisch

Düsen-Brenner

Schlitz-Brenner

Sieb-Brenner

Kühl-wasser

Kontrolleinheit– Führungsmaschine– Abschreckmedium– Sicherheitseinheit Feuerschutz

Temperaturmessung

Gasmischereinheit

Abschreckmittel

Brenner

Pyrometer

UV-Sensor

Bild 19: Prinzipieller Aufbau einer Flammhärteanlage

Page 16: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

16

5.1.4 Abschreckeinrichtungen

Beim Flammhärten kommenneben Wasser mit korrosions-schützenden Zusätzen unterschied-liche Abschreckmittel zum Einsatz.Es ist üblich, Brausen oder turbu-lente Tauchbäder zu verwenden.Weiterhin ist es möglich, die Ab-schreckbrause im Brennergehäusezu integrieren und somit den Bren-ner zu kühlen.

5.1.5 Anwendungsbeispiele

Obwohl das Flammhärten inden vergangenen Jahren, insbeson-dere in der Großserienfertigung,in zunehmendem Maße durchdie anderen in diesem Merkblattbeschriebenen Verfahren ersetztwurde, wird es nach wie vor beigroßen und sperrigen Bauteilen,bei denen oft auch große Rand-härtetiefen gefordert sind, ange-wendet.

Zwei Beispiele hierfür sinddas in Bild 21 gezeigte Flamm-härten einer Kolbenstange aus50CrMoV4 und das in Bild 22dargestellte Härten eines Heiß-dampfventils aus X20Cr13. Die ge-forderten Einhärtungstiefen lagenbei diesen beiden Anwendungenim Bereich zwischen 3 und 4 mm.

5.2 Induktionshärten

5.2.1 Prinzip der Induktionserwärmung

Alle Werkstoffe, die den elek-trischen Strom leiten, so auch dieStähle, lassen sich induktiv er-wärmen. Das induktive Erwär-men beruht auf folgendem physi-kalischem Prinzip: Um einen vonStrom durchflossenen elektrischenLeiter herum baut sich ein (elek-tro-)magnetisches Feld auf, sieheBild 23. Wird dieser Leiter zu einerSpule geformt, so kommt es zueiner Verstärkung dieses Feldesim Inneren der Spule. Zum Erzeu-gen eines sich periodisch ändern-den Magnetfeldes wird diese Spule(Induktor) an eine Wechselstrom-quelle (Umrichter) angeschlos-

sen. Die von einem Wechsel-strom durchflossene Spule gene-riert ein (elektro-)magnetischesFeld wechselnder Richtung. Die-ser wechselnde magnetische Flussinduziert seinerseits berührungs-los einen Strom im Werkstück.Bedingt durch den Widerstand desMetallkörpers wird ein Teil dereingebrachten Leistung in Wär-me – Wirbelstrom-, Hysterese-oder Joule’sche Verluste – letzterebesonders unterhalb der Curie-temperatur von 769 °C – umge-wandelt.

Die mit dem Stromfluss imMetallkörper verbundenen Ver-luste bewirken ein Erwärmen imWerkstück selbst und nicht wiebei anderen Verfahren durchWärmeleitung, Konvektion oderWärmestrahlung.

Merkblatt 236

Bild 21: Flammhärten einer Kolbenstange für einen Schiffdieselmotor

Bild 23: Stromdurchflossener Leiter und Spule mit (elektro-)magnetischem Feld

Bild 22: Flammhärten eines Steuerkolbens für ein Heißdampfventil

a) Stromdurchflossener Leiter b) Spule mit (elektro-)magnetischem Feld

Page 17: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

17

Da der induzierte Strom ent-sprechend der Feldverteilung undder Geometrie des Werkstücks ingeschlossenen Bahnen verläuft,nennt man ihn Wirbelstrom. DerWirbelstrom baut seinerseits einmagnetisches Wechselfeld auf.Dieses ist dem Induktorstrom injedem Augenblick entgegenge-richtet (Lenz’sche Regel). Die bei-den Felder überlagern sich. Da-durch kommt es zu einem Abbaudes magnetischen Feldes in radia-ler Richtung nach innen. Magneti-sche Feldstärke und Stromdichtesind miteinander verknüpft. Des-halb nimmt die Stromdichte eben-falls in radialer Richtung nach in-nen ab. Man spricht von einemSkin- oder Haut-Effekt, wie in Bild24 b zu sehen ist.

Die Tiefe, bei der die Strom-dichte auf 37% ihres Maximalwer-tes abgesunken ist, wird als Strom-eindringmaß oder vereinfacht alsEindringtiefe (gebräuchliches Sym-bol: δ) bezeichnet. Die Eindring-tiefe ist, abgesehen von den elek-trischen und magnetischen Eigen-schaften des Werkstoffes, von derFrequenz des Wechselstroms ab-hängig. Vereinfacht gilt folgenderZusammenhang:

ρδ ≈ 503 · √ ––––– (5)µr · f

δ [mm] =elektrische Eindringtiefe

ρ [Ω · mm2/m] =spezifischer Widerstand des zu erwärmenden Materials

µr [1] =Permeabilitätszahl des zu erwärmenden Materials

f [1/s] =Frequenz des Induktionsstromes

Die erreichbare spezifischeLeistungsdichte liegt in der Größen-ordnung von 1 · 103 bis 1 · 104 W/cm2.

Zu beachten ist, dass derWiderstand und die Permeabili-tätszahl des Werkstoffes nichtlinear temperaturabhängig sindund die Permeabilitätszahl außer-

dem noch von der magnetischenFeldstärke abhängt. Maßgebendfür das induktive Wärmen ist je-doch, wie aus der vorstehendenFormel hervorgeht, die Frequenzdes induzierten Stroms. Danachnimmt die elektrische Eindring-tiefe δ mit zunehmender Frequenzab, sodass mit der Wahl der Fre-quenz die Einwärmtiefe gezieltbeeinflusst werden kann. In Bild25 ist dies für Stahl und verschie-dene Temperaturen dargestellt.

Die unterschiedliche Lage der Ge-raden resultiert aus dem Einflussvon Temperatur und Permeabili-tät. Zusätzlich wird die Wirbel-stromeindringtiefe noch von dereingebrachten Leistung bestimmt.

Die tatsächlich erwärmte Rand-schicht eines Werkstücks ist auf-grund der Wärmeleitung und jenach der Einwirkdauer des Induk-tionsstroms größer als die elektri-sche Eindringtiefe δ.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Frequenz [f]

Wirb

elst

rom

eind

ringt

iefe

δ [m

m]

0,001102

100 Hz101

10 Hz103

1 kHz104

10 kHz105

100 kHz106

1 MHz

0,01

0,1

1

10

100

Stahl 1.000 ºC μr = 1 ρ = 1,20Edelstahl 900 ºC μr = 1 ρ = 1,20Edelstahl 20 ºC μr = 1 ρ = 0,80Stahl 400 ºC μr = 30 ρ = 0,45Stahl 20 ºC μr = 100 ρ = 0,13 ρ in –––––––––––

Ω mm2

m

Bild 25: Zusammenhang zwischen Stromeindringtiefe und Frequenz

a) Induktionsprinzip b) Skin- oder Hauteffekt

Bild 24: Induktionsprinzip und Skineffekt

Induktionsstrom

Induktor

Werkstück

0,37 · iO

iO

δ x

i

Page 18: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

18

5.2.2 Anlagentechnik

Eine Anlage zum Induktions-härten besteht im Prinzip, vgl.Bild 26, aus:– der Energiequelle (Umrichter)– dem Werkzeug: Induktor– der Abschreckvorrichtung– der Führungsmaschine mit

Steuerung– den Kühlaggregaten für Genera-

toren, die Induktoren und ggf.das Abschreckmittel.

5.2.2.1 Umrichter (Generatoren)

Grundsätzlich ist zwischenUmformern und Umrichtern zuunterscheiden. Während beim Um-former der Induktionsstrom dyna-misch mittels Motoren erzeugtwird, erfolgt dies bei einem Um-richter statisch durch elektronischeBauteile. Während früher Motor-umformer und Röhrengeneratorenals Energiequellen benutzt wurden,werden heute fast ausschließlichHalbleiterumrichter benutzt.

Ausgehend vom elektrischenFunktionsprinzip kann zwischenzwei Umrichterprinzipien unter-schieden werden:

– Parallelkreis-Umrichter (Parallelschwingkreis)

– Serienkreis-Umrichter (Serienschwingkreis).

Beide Umrichterarten bestehenaus den Baugruppen:– gesteuerter Gleichrichter– Zwischenkreis– Wechselrichter– Schwingkreis mit

Anpassgliedern.

5.2.2.2 Induktoren Die eigentlichen Werkzeuge

für das Härten sind die Induktions-spule oder der Induktor und diezum Abschrecken erforderlichenBrausen oder Tauchbäder.

Wegen der hohen Induktions-ströme ist es zweckmäßig, für dieInduktionsspulen Werkstoffe mithoher Leitfähigkeit zu verwenden.Dies ist in erster Linie Kupfer oderauch Silber. Aus Kostengründenwird meist hochreines Kupfer ver-wendet. Um den Widerstand geringzu halten, werden die Induktorenaus hohlem Profilmaterial herge-stellt und zum Kühlen von Wasserdurchströmt. Meist müssen dieInduktoren der Geometrie des zu

erwärmenden Bauteilbereichs undder Vorgehensweise beim Härtenspeziell angepasst werden.

Der Wirkungsgrad des induk-tiven Wärmens kann durch so be-zeichnete Konzentratoren, die amInduktor angebracht werden, er-höht werden. Diese beeinflussenden magnetischen Fluss einer In-duktionsspule so, dass dieser aufdas erwärmte Werkstück konzen-triert wird. Als Werkstoffe fürKonzentratoren kommen in Be-tracht:– laminierte Weicheisenbleche

(„Trafobleche“)– magneto-dielektrische Materialien– Ferrite.

Bild 27 zeigt das Ergebniseiner Simulation des induktivenWärmens einer Stahlplatte ohne(oben) und mit (unten) Konzen-trator bei sonst gleichen Bedin-gungen.

In den Bildern 28 und 29 istdie technische Ausführung zweierInduktoren dargestellt, in Bild 28mit lamellierten Weicheisenble-chen und in Bild 29 mit magneto-dielektrischem Werkstoff als Kon-zentrator.

Merkblatt 236

Bild 26: Prinzipieller Aufbau einer Anlage zum Induktionshärten

Umrichter (Generator)– Gleichrichter– Zwischenkreis– Wechselrichter

evtl.Netztrafo

Kühlanlage

Abschreck-mittel

50/60 Hz

0,4–800 kHz

Anpassglied– Kondensatoren– Trafo

Führungs-maschine– vertikal– horizontal

InduktorBrauseWerkstück

Page 19: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

19

5.2.3 Arbeitsweise beim Induktionshärten

Für die Vorgehensweise beimErwärmen und Abschrecken gibtes eine Vielzahl unterschiedlicherMöglichkeiten, sie lassen sich aufvier grundsätzliche Varianten unddie daraus resultierenden Induk-tortypen zurückführen.

5.2.3.1 Innenfeld-Erwärmungim Vorschubverfahren

Bei dieser Vorgehensweise,siehe Bild 30, wird mit einemein- oder mehrwindigen Induktorzunächst nur ein Teil des gesam-ten zu härtenden Bereichs erwärmtund dieser dann durch Verschiebendes Induktors – oder des Werk-stücks durch den Induktor hin-durch – erweitert. Mit einer nach-geführten Brause wird gleichzeitigkontinuierlich abgeschreckt. UmFeldinhomogenitäten im Bereichder Stromzu- und -ableitung zukompensieren, lässt man üblicher-weise das Werkstück um die Längs-achse rotieren. Da es im Innenbe-reich des Induktors zu einer Feld-verstärkung kommt, sind die sobezeichneten Induktorwirkungs-grade bei diesem Verfahren amhöchsten.

5.2.3.2 Außenfeld-Erwärmungim Vorschubverfahren

Ebenso wie beim Innenfeld-Erwärmen wird beim Außenfeld-Erwärmen im Vorschubverfahrenimmer nur ein kleiner Teil desgesamten erforderlichen Bereichserwärmt. Der Induktor wird eben-falls relativ zum Werkstück oderdas Werkstück relativ zum Induk-tor bewegt, siehe Bild 31. Auchhier ist ein Rotieren des Werk-stückes zweckmäßig. Da die Feld-stärken bei einer Außenfeld-Erwär-mung deutlich geringer sind alsbei einer Innenfeld-Erwärmung,ist auch der Wirkungsgrad bei die-sem Verfahren deutlich geringerals beim Innenfeld-Erwärmen.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Bild 27: Beispiel einer Simulationsrechnung für das Erwärmen einer Stahlplatte ohne(oberes Teilbild) und mit (unteres Teilbild) einem Konzentrator

Bild 28: Konzentrator aus Weicheisenblechen

Bild 29: Konzentrator aus mageneto-dielektrischem Werkstoff

Bild 30: Innenfeld-Erwärmung im Vorschubverfahren

a) Verfahrensprinzip b) Technische Ausführung

Induktor

Konzentrator

Temperatur [ºC]

Page 20: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

20

5.2.3.3 Gesamtflächen-Härtung – Innen- oder Außen-feld-Erwärmung

Hier wird der gesamte zu här-tende Bereich gleichzeitig erwärmt,siehe Bild 32. Dies kann mit ent-sprechend großen Mehrwindungs-Induktoren oder – bei rotations-symmetrischen Teilen – mit sobezeichneten Gesamtflächen-In-duktoren, auch Linieninduktorenoder „single-shot coils“, durch-geführt werden. Hierbei ist eineWerkstückrotation zwingend er-forderlich. Bei großen Werkstü-cken und Funktionsbereichen istein größerer Leistungsbedarf not-wendig. Der Induktorwirkungs-grad ist geringer als bei einemInnenfeld-Erwärmen.

5.2.3.4 FlächeninduktorenBei dieser Methode wird ein

räumlich begrenzter Bereich mitdem Induktor erwärmt, siehe Bild33. Die Relativbewegung zwischenInduktor und Bauteil kann sowohlgeradlinig als auch entlang einerräumlich gekrümmten Kurven-bahn erfolgen, z.B. beim Umfang-Vorschubhärten von kreis- oderkurvenförmigen Scheiben.

5.2.4 Konduktives Erwärmen zum Randschichthärten

Das konduktive Erwärmenmit mittel- oder hochfrequentenWechselströmen ist eine spezielleForm des induktiven Erwärmens,erfolgt aber im Unterschied zudiesem nicht berührungslos. DerWechselstrom wird dem Werk-stück an einem Ende direkt überKontaktverbindungen zugeführtund am anderen Ende über einenweiteren Kontakt einem, demInduktor entsprechenden Leiter,dem so bezeichneten Konduktor,zum Umrichter zurückgeführt. DasWerkstück schließt somit denStromkreis zwischen den Kontak-ten. Im Prinzip handelt es sich alsoum eine Kombination zwischenInduktions- und Widerstandser-wärmen. In Bild 34 ist hierfür als

Merkblatt 236

Bild 31: Außenfeld-Erwärmung im Vorschubverfahren

a) Verfahrensprinzip b) Technische Ausführung

Bild 32: Gesamtflächen-Härtung – Beispiel für Innenfeld-Erwärmen

a) Verfahrensprinzip b) Technische Ausführung

Bild 33: Flächenhärtung – Beispiel für Standverfahren

a) Verfahrensprinzip b) Technische Ausführung

Page 21: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

21

Beispiel das Erwärmen von Zahn-stangen schematisch dargestellt.

Bedingt durch Hochfrequenz-ströme, typischerweise 300 bis500 kHz, tritt auch beim konduk-tiven Erwärmen der bereits beiminduktiven Wärmen beschriebeneSkin-Effekt auf, d.h. der Strom fließtvorzugsweise in den randschicht-nahen Bereichen des Werkstücks.

Trotz des Vorteils eines gerin-geren Energiebedarfs und einerkonturnäher erwärmten Rand-schicht gegenüber einem induk-

tiven Erwärmen, konnte sich daskonduktive Erwärmen nur beiwenigen und geometrisch spezielldafür geeigneten Werkstückenetablieren. Nachteilig ist die Not-wendigkeit, einen guten Kontaktzwischen Konduktor und Werk-stück sicherzustellen sowie derVerschleiß der Konduktorkontakte.Ein besonders typisches Anwen-dungsbeispiel ist das Härten vonZahnstangen, bei denen nur derVerzahnungsbereich konduktiverwärmt wird, siehe Bild 35.

Eine Anlage zum Härten vonZahnstangen mittels konduktivenWärmens zeigt Bild 36. Um einenVerzug während des Erwärmensund Abschreckens zu vermeiden,werden die Zahnstangen hydrau-lisch eingespannt.

5.2.5 Abschreckeinrichtungen

Abhängig vom Verfahren kom-men Abschreckbrausen unter-schiedlicher Bauart oder turbulenteTauchbäder zum Einsatz. Die Brau-sen können je nach Anwendungals Ring- oder Kastenbrausen aus-geführt werden. Typische Materi-alien für Brausen sind: Kunststoff,Fiberglas, Messing oder Kupfer.Die Lochdurchmesser sollten 1,2bis 3 mm betragen und die Boh-rungen müssen sauber und grat-frei gebohrt sein. Ringbrausen beirotationssymmetrischen Werk-stücken müssen korrekt zentriertsein. In Bild 37 sind Beispiele fürBrausen zu sehen.

Als Abschreckmittel kommenWasser mit korrosionsschützendenund/oder die Abschreckwirkungmildernden Zusätzen, Polymer-lösungen, Emulsionen oder, selte-ner, Öle in Frage. Um eine ausrei-chende und vor allem reproduzier-bare Abschreckwirkung zu erzie-len, ist es zweckmäßig, das Ab-schreckmittel im Kreislauf zu füh-ren und rückzukühlen.

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Bild 34: Prinzip des konduktiven Härtens einer Zahnstange

Bild 37: Beispiele für Abschreckbrausen

a) Ringbrause b) Kastenbrause

Kontaktierungs-druck ρ

Kontakt

Kontaktierungs-druck ρ

Kontakt

Konduktor

Zahnstange Lagerbock

Bild 35: Nach konduktivem Wärmen gehärteter Verzahnungsbereich einer Lenkungszahnstange

Bild 36: Konduktionshärten von Zahnstangen

Page 22: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

22

5.2.6 Härtemaschinen

Die Härtemaschine hat grund-sätzlich die Aufgabe, Induktorund Werkstück relativ zueinanderzu bewegen. Dabei kann entwederder Induktor bewegt werden unddas Werkstück steht still oder ro-tiert um seine Längsachse oderdas rotierende Bauteil wird axialzum stehenden Induktor bewegt.Das Härten kann sowohl in hori-zontaler als auch in vertikalerRichtung erfolgen. Ein Beispielfür eine Vertikalhärtemaschine istin Bild 38 und für eine Horizon-talhärtemaschine in Bild 39 zusehen. Neben diesen verbreite-ten Maschinenkonzepten kom-men auch Roboterlösungen zurAnwendung.

5.2.7 Anwendungsbeispiele

Das Induktionshärten ist dasindustriell am häufigsten angewen-dete Verfahren zum Randschicht-härten. Dazu gibt es eine Vielzahlvon Beispielen aus dem Automo-bilbau, der Luft- und Raumfahrt-industrie, dem Schiffsbau und demKraftwerksbau. Im Folgenden wer-den einige typische Beispiele vor-gestellt.

5.2.7.1 Lenkungsteile Typische induktiv gehärtete

Lenkungsteile sind Zahnstangen.

Bei diesen wird sowohl der Ver-zahnungsbereich als auch dernicht verzahnte Bereich (Schaft)induktiv gehärtet. Hierbei kommenmeist das Vorschubverfahren undspeziell geformte Induktoren oderein konduktives Wärmen zur An-wendung. Bild 40 zeigt eine An-

lage zum Induktionshärten undBild 41 den Längsschliff einer ge-härteten Zahnstange

5.2.7.2 Gleichlaufgelenke Beim Induktionshärten von

Bauteilgruppen im Bereich derGleichlaufgelenke werden in derRegel komplex geformte Induk-toren angewendet. Die Bilder 42und 43 zeigen hierzu Beispiele.

Bild 43 gibt die Querschliffeeines induktiv gehärteten Achs-zapfens und einer Tripode wie-der. Beide Bauteile wurden mitHilfe von Gesamtflächen-Verfah-ren gehärtet.

5.2.7.3 Motorenteile Typische induktiv gehärtete

Motorenteile sind insbesondereNocken- und Kurbelwellen. Diecharakteristische Geometrie derBauteile bedingt eine entspre-chend komplexe Anlagentechnikund Prozesssteuerung. In Bild 44ist ist als Beispiel eine Anlage zumHärten von Kurbelwellen abgebil-det. Bild 45 zeigt Längsschnitteaus verschiedenen Bereichen dergehärteten Kurbelwelle.

Merkblatt 236

Bild 41: Beispiele für eine induktiv gehärtete Zahnstange

Bild 38: Vertikal-Härtemaschine

Bild 40: Anlage zum Induktionshärten vonZahnstangen

Bild 39: Horizontal-Härtemaschine

Page 23: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

23

5.2.7.4 Zahnräder Abhängig vom Modul und

dem Beanspruchungsprofil wer-den zum induktiven Härten vonZahnrädern unterschiedliche Ver-fahren benutzt. Für größereModule und Zahnraddimensionensind das Einzel-Zahnflankenhärten,Bild 46 a, und das Einzel-Zahn-lückenhärten, Bild 46 b, geeig-net. Bei Letzterem besteht unterUmständen wegen des Erwär-mens nur jeweils einer Flanke einhöheres Verzugsrisiko als beimEinzel-Zahnflankenhärten, beidem jeweils beide Flanken einesZahns gleichzeitig gehärtet wer-den. Für kleinere Zahnräder mitkleineren Modulen im Bereichm = 2 mm hingegen, werden All-zahn-Härteverfahren, vgl. Bild46 c, angewendet.

5.3 Laserstrahlhärten

5.3.1 Prinzip

Das Prinzip der Laserstrahlung(englisch: light amplification bystimulated emission of radiation,kurz: laser) ist eine Lichtverstär-kung durch induzierte oder stimu-lierte Strahlungsemission. Sie kannin unterschiedlichen Medien er-zeugt werden, sodass monochro-matisches, scharf gebündeltes, zeit-lich und räumlich kohärentes Lichtunterschiedlicher Wellenlänge ent-

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

a) Achszapfen b) Tripode

Bild 43: Induktiv gehärteter Achszapfen und Tripode

Bild 46: Beispiele induktiv gehärtete Zahnräder (Makroschliffe)

Bild 42: Härtekopf für das Innenhärten einer Tripode

Bild 44: Anlage zum Induktionshärten von Kurbelwellen (Ausschnitt)

Bild 45: Induktiv gehärtete Kurbelwelle mit Makroschliffen

b) Einzel-Zahnlückenhärtung

a) Einzel-Zahnflankenhärtung

Induktor

Konzentratoren

Abschreckbrause

Abschirmbrause

Härtezone

Tripode (geschnitten)

c) Allzahn-härtung

Page 24: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

24

steht. Um Laserstrahlen zu erzeu-gen, muss ein geeignetes Mediumdurch Energiezufuhr aus einemZustand des thermodynamischen

Gleichgewichts in einen laser-aktiven Zustand überführt („ge-pumpt“) werden. Mittels einesResonators, der im einfachsten Fall

aus einem total reflektierendenund einem teildurchlässigen Spie-gel besteht, wird ein Teil der durchden Lasereffekt angeregten Ener-gie als Laserstrahlung ausgekop-pelt. Das Schema des prinzipiellenAufbaus einer Laserstrahlquelle istin Bild 47 dargestellt.

Für das Randschichthärtenstehen derzeit im Wesentlichendrei Lasertypen zur Verfügung: – Gaslaser (CO2-Laser)– Festkörperlaser (Nd:YAG-Laser,

Yb:YAG-Laser)– Hochleistungs-Diodenlaser.Eine Gegenüberstellung der ver-fügbaren Strahlquellen enthältTabelle 1.

An der Oberfläche des zu er-wärmenden metallischen Werk-stückes wird die Strahlung zumTeil reflektiert, zum Teil absor-biert. Der Anteil der absorbiertenbzw. reflektierten Strahlung er-gibt sich hauptsächlich aus demWerkstoff, der Oberflächenbe-schaffenheit und der Temperaturdes Werkstücks sowie der Wellen-länge, dem Einfallswinkel und derPolarisation der Strahlung. In Bild48 ist die Anfangsabsorption vonEisen und Stahl mit blanker Ober-fläche bei verschiedenen Laser-typen mit unterschiedlicher Wel-lenlänge dargestellt.

Aus der Darstellung geht her-vor, dass bei Werkstücken ausStahl die Anfangsabsorption derOberfläche bei Festkörper-Laser-strahlung des Typs Nd:YAG undbeim Diodenlaser deutlich höherals bei CO2-Laserstrahlung ist. Da-raus resultiert die Notwendigkeit,bei Verwendung von CO2-Laserndie Werkstückoberfläche absorp-tionsfördernd zu beschichten.

Mit dem Laserstrahlhärten sindEinhärtungstiefen bis 2,0 mm undje nach Strahlfokussierung Einzel-spurbreiten bis 40 mm erreichbar.Das Abschrecken erfolgt durchSelbstabschrecken, d.h. durch dieunter der Einwärmtiefe liegendennicht erwärmten Werkstückberei-che. Diese müssen gegenüber derjeweiligen Wanddicke ausrei-chend dick sein, wobei die Ein-

Merkblatt 236

Tabelle 1: Technische Daten von Lasertypen für das Randschichthärten

Bild 47: Prinzipschema einer Laserstrahlquelle

Strahlquelle Gaslaser Festkörperlaser Hochleistungs-CO2-Laser Nd:YAG, Yb:YAG Diodenlaser

Leistung [kW] 6–20 bis 8 6 (10)

Wellenlänge [nm] 10.600 1.064 800–980

Anfangsabsorption gering hoch hoch

Wirkungsgrad [%] 10–15 Stab: 5–12 25–40Scheibe: bis 18

Strahlführung Spiegelsysteme Lichtleitkabel FreistrahlLichtleitkabel

Strahlformung Zonenspiegel- Linsen- Linsen-Scanner systeme systeme

Handhabungs- 5 (6)-Achsen- 6-Achsen- 5 (6)-Achsen-system Portalroboter Knickarmroboter Portalroboter,

6-Achsen-Knickarmroboter

Bemerkung hohe verfügbare gute gute Leistung, Handhabung, Handhabung,geringe mittlerer guter

Anfangsabsorption, Wirkungsgrad Wirkungsgrad,geringer Prozess- flexibel

wirkungsgrad

Verlustenergie (Wärme)

Resonator

laseraktives Medium

Laserstrahl

Anregungsenergie (Strahlung, el. Anregung)

teildurchlässigerSpiegel

vollreflektierenderSpiegel

Page 25: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

25

wärmtiefe maximal etwa 10% derjeweiligen Wanddicke betragensollte, um eine für das Härten aus-reichende Abkühlwirkung zu er-reichen.

5.3.2 Anlagentechnik

Abhängig vom jeweiligen Laser-typ ergeben sich hinsichtlich derAnlagentechnik deutliche Unter-

schiede. Grundsätzlich bestehteine Anlage zum Laserstrahlhärtenaus den in Bild 49 dargestelltenKomponenten:• der Strahlquelle (Laser)• z. B. Pyrometer, Schutzgasdüse

der Bearbeitungsmaschine• den Kühlaggregaten für den

Lasergenerator und eventuelloptischen Komponenten

• der Strahlführung• der Strahlformung• der Schutzumhausung

des Bearbeitungsraums• den Peripheriegeräten

In Abhängigkeit von der je-weiligen Wellenlänge und derLeistungsdichte des Lasersystemswird der Laserstrahl über ein ge-eignetes Strahlführungssystem inForm von Spiegeln oder Glas-fasern zum Werkstück geleitet. Ab-hängig von der Bearbeitungsauf-gabe wird im Bearbeitungskopfder Strahl durch Spiegel und Lin-sen geformt. Von diesem Bearbei-

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Strahlführung– Spiegel– Lichtleitkabel (Faser)

Strahlformung– Spiegel– Linsen– Scanner

RelativbewegungWerkstück – Laserstrahl

Werkstück

Schutzumhausung– Lasersicherheit

Temperaturregelung– In-axis– Off-axis

Strahlquelle (Laser)

Resonator

KontrolleinheitFührungsmaschine

KontrolleinheitLaser

Kühler

Bild 49: Prinzipieller Aufbau einer Laserstrahlhärtemaschine

Bild 48: Zusammenhang zwischen dem Anfangsabsorptionsgrad und der Wellenlängefür verschiedene Lasertypen

Wellenlänge [mm]

Anfa

ngsa

bsor

ptio

nsgr

ad [%

]

5

0,1

Dioden-Laser0,8 mm

Nd:YAG-Laser1,06 mm

CO2-Laser10,6 mm

10

15

20

25

30

40

0,2 0,4 0,8 1 2 4 6 8 100

Stahl

Fe

Page 26: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

26

tungskopf aus wird die Laser-strahlung auf die Oberfläche desWerkstücks fokussiert, vgl. Bild 49.Die Temperatur beim Wärmendes Werkstücks wird im Regelfallmit einem Pyrometer kontrolliert.

5.3.3 Lasertypen

5.3.3.1 CO2-Laser Je nach dem Aufbau der CO2-

Laser unterscheidet man diffu-sionsgekühlte, quer- und längs-geströmte Laser. Bei allen dreiTypen bildet das Gas Kohlendio-xid (CO2) das laseraktive Medium.Die Anregung des Mediums fin-det mittels einer Gleichstrom(DC)- oder einer Hochfrequenz-entladung (HF, RF) statt, vgl. Bild47. Bild 50 zeigt ein kommerziel-les System eines 5-Achsen-Portal-roboters in Auslegerbauweise miteinem 4 kW CO2-Laser zum 3D-Laserhärten.

Zu Beginn der industriell ge-nutzten Lasersysteme standen zu-nächst für das Laserstrahlhärtennur CO2-Laser zur Verfügung. Be-dingt durch die niedrige Anfangs-absorption, vgl. Bild 48, ist beidiesem Lasertyp ein Beschichtenzum Verbessern der Absorptions-eigenschaften des Werkstücks vordem Erwärmen notwendig. Diesschränkt den industriellen Ein-satz des CO2-Lasers für das Rand-schichthärten stark ein. Aus Ta-belle 1 sind die industriell für dasRandschichthärten übliche Leis-tung, die Wellenlänge, der Wir-kungsgrad und der Arbeitsabstandzu entnehmen.

5.3.3.2 FestkörperlaserBei Festkörperlasern werden

Kristalle oder Gläser als so ge-nannte Wirtsmaterialien benutzt,die mit Metallionen oder Ionenseltener Erden als laseraktivem

Medium dotiert werden. Die heutefür das industrielle Randschicht-härten wichtigsten Lasertypen sindder Nd:YAG- und der Yb:YAG-Laser. Beim Nd:YAG-Laser ist diesein „yttrium alumin(i)um garnet“,das ist ein mit dem Element Neo-dym Nd dotierter Einkristall mitGranatstruktur und der chemischenFormel Y3Al5O12. Beim Yb:YAGwird anstatt mit Neodym mitYtterbium dotiert. Als Pumplicht-quellen werden Krypton- bzw.Xenonlampen oder Laserdiodenverwendet. Bedingt durch dieWellenlänge des Festkörperla-sers lässt sich das Licht nahezuverlustfrei über flexible Lichtleit-kabel bzw. -fasern an den Erwär-mungsort führen. Nachteilig fürdas Laserstrahlhärten mit Fest-körperlasern, insbesondere denlampengepumpten Systemen, istder geringe Wirkungsgrad, vgl.Tabelle 1.

In Bild 51 a ist ein lampen-gepumpter 3 kW Nd:YAG-Laserabgebildet. Da mit Hilfe der Licht-leitkabel auch größere Distanzenzwischen Laser und Bearbeitungs-kopf überbrückt werden können,werden in der industriellen Praxishäufig Lasergenerator und Bearbei-tungsstation räumlich getrennt.Bild 51 b zeigt einen 6-Achsen-Knickarmroboter mit der mit demBearbeitungskopf (der Fokussier-optik) verbundenen Lichtleitfaser.

Merkblatt 236

Bild 50: Industriell üblicheAnlage zum 3D-Laserhärtenmit dem CO2-Laser

Bild 51: Industrielle Ausführung vonFestkörperlasern

a) Nd:YAG-Laser: Stab, lampengepumpt

b) Strahlführung mit Bearbeitungskopf und Roboter

Page 27: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

27

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

5.3.3.3 Hochleistungs-Diodenlaser

Bei den Hochleistungs-Dioden-lasern wird das Licht aus einemHalbleiterbündel emittiert. Es sindSysteme mit Leistungen von meh-reren Kilowatt möglich. Die Bau-form kann sehr kompakt gestaltetwerden. Dadurch ist es möglich,den ganzen Lasergenerator in denBearbeitungskopf einzubauen. DerLaserstrahl wird hierbei direkt alsFreistrahl an den Bearbeitungsortgeführt. Es ist aber auch möglich,den Strahl mittels Lichtleitkabelnzu führen, womit allerdings Leis-tungsverluste verbunden sind.

Bild 52 a zeigt einen handels-üblichen Diodenlaser mit zugehö-riger Stromversorgung, Bild 52 beinen Laserkopf mit Lichtleitkabelund Bearbeitungsoptik.

Die Vorteile der Hochleistungs-Diodenlaser für das Laserstrahl-härten gegenüber den Festkörper-lasern und insbesondere den CO2-Lasern sind:• ein hoher Wirkungsgrad• eine hohe Anfangsabsorption• ein hoher Prozesswirkungsgrad• eine kompakte Bauform• eine für das Randschichthärten

besonders geeignete Strahlform(Rechteckstrahl).

5.3.4 Führungsmaschinen

In Bild 53 ist ein komplettesSystem für das Laserstrahlhärtendargestellt. Der Ausschnitt zeigtden auf einer Linearachse befind-lichen Roboter mit dem Härte-modul. Das Härtemodul bestehtaus einem 3,5-kW-Hochleistungs-Diodenlaser mit Scanner- undTemperaturkontrolleinheit. ImHintergrund ist die zwingend not-wendige Laserschutzumhausungzu erkennen.

5.3.5 Anwendungsbeispiele

Das Laserstrahlhärten wirdbei Großserienbauteilen nur ver-einzelt zum Randschichthärtenangewendet. Beispiele hierfürsind Türfedern oder Ventilsitzevon Hochdruckpumpen. Eine grö-ßere Verbreitung hat das Laser-strahlhärten dagegen im Bereichdes Großwerkzeug- und Formen-baus. Es löst in diesen Bereichenin zunehmendem Maße das meistmanuell durchgeführte Flamm-härten ab. Dadurch ist es möglich,das Randschichthärten als integra-len Fertigungsschritt beim Her-stellen von Großwerkzeugen ein-zusetzen. Da bei Großwerkzeugenmeist nur die hochbeanspruchtenBereiche wie Schneid- oder Biege-kanten zu härten sind, reichen fürdie Anforderungen die mit demLaserstrahl erreichbaren Werte derEinhärtungstiefe und der maxi-malen Einzelspurbreite aus.

Bild 54 gibt die Segmenteeines Schneidwerkzeugs wieder,bei denen die hochbeanspruchtenSchneidkanten gehärtet wurden.Bild 55 verdeutlicht das Laser-strahlhärten der Schneidkanteneines großen Schneidaufsatzes.

Bild 53: Industrielle Anlage zum Laserstrahlhärten

Bild 54: Laserstrahlgehärtete Segmente eines Schneidwerkzeugs

a) Hochleistungs-Diodenlasermit Stromversorgung

b) Hochleistungs-Diodenlaser mit Faserkopplung

Bild 52: Beispiele für Hochleistungs-Diodenlaser

Page 28: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

5.4 Elektronenstrahlhärten

5.4.1 Prinzip

Der Elektronenstrahl wird ineiner so bezeichneten Kanone,siehe Bild 56, bei einem Druckvon weniger als 1 · 10-2 Pa durchEmission von Elektronen aus einerglühenden Kathode erzeugt unddurch elektromagnetische Feldergebündelt, geformt und zur Anodehin beschleunigt. Anschließendwird der Strahl in einen Rezipien-ten, in dem ein Druck von 1 Paherrscht, gelenkt, fokussiert undtrifft auf das zu erwärmende Werk-stück auf. Bedingt durch dieäußerst geringe Masse der Elektro-nen ist es möglich, diese praktischträgheitslos und extrem schnell,mit einer Frequenz von über100 kHz, abzulenken.

Beim Auftreffen des Elektro-nenstrahls auf die Werkstoffober-fläche geben die Elektronen ihrekinetische Energie durch Umwand-lung der Stoß- in Wärmeenergie andas Werkstück ab. Dies geschiehtin einer Absorptionsschicht, derenDicke von der Beschleunigungs-spannung abhängt und bei übli-chen Anlagen im Bereich zwischen10 und 100 µm liegt. Der Trans-port der eingebrachten Energie indas Werkstückinnere erfolgt durchWärmeleitung.

In Bild 57 sind die durch dieauftreffenden Primärelektronenausgelösten Vorgänge schematischdargestellt. Neben reflektierten

Rückstreu- und Sekundärelektro-nen werden auch Röntgenstrahlenund Wärme emittiert. Die Sekun-därelektronen können für bild-gebende Verfahren zur Prozess-

beobachtung und -kontrolle ver-wendet werden. Gegen die ent-stehende Röntgenstrahlung müs-sen entsprechende Schutzmaß-nahmen vorgesehen werden.

Ein Vorteil des Elektronen-strahls gegenüber anderen Wärme-quellen ist die nahezu trägheits-lose Ablenkbarkeit des Elektronen-strahls. Dadurch lassen sich auf derWerkstückoberfläche nahezu be-liebige Spurmuster mit frei wähl-barer Intensitätsverteilung gene-rieren. Das Abkühlen erfolgt aus-schließlich durch Selbstabschre-cken, da ein Fremdabschreckenverfahrensbedingt wegen des Va-kuums nicht möglich ist. Durch dasBearbeiten im Vakuum ist ein Oxi-dieren der Werkstückoberflächebeim Erwärmen ausgeschlossen.

28

Merkblatt 236

Bild 56 (oben): Aufbau einerElektronenstrahl-kanone

Bild 57 (links): Durch den Elektro-nenstrahl amWerkstück aus-gelöste Vorgänge

Bild 55: Laserstrahlhärtendes Schneid-aufsatzes einesGroßwerkzeugs

10-2 ... 10-4 Pa

Evakuierung1 ... 10-1 Pa

fx > 100 kHz

Wärmestrahlung Rückstreu-elektronen

Röntgen-strahlung

Sekundär-elektronen

Werk-stück

Absorptions-bereich≈ 10–100 (200) µm

Kathodenträger

Kathode

Wehneltelektrode

Anode

Zentrierspule

Stigmatoren

ElektromagnetischeLinsen

Page 29: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

29

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

5.4.2 Anlagentechnik

Elektronenstrahlanlagen sindin der Regel Sonderanlagen, dieals Einzelsysteme oder als Kom-plettsysteme ausgeführt sind. Denprinzipiellen Aufbau einer Anlagezum Randschichthärten mit Er-wärmen durch den Elektronen-strahl zeigt Bild 58.

Unabhängig vom Ausführungs-prinzip besteht eine Elektronen-strahlanlage aus folgenden Kom-ponenten:• der Elektronenstrahlkanone• dem Rezipienten mit der be-

weglichen Werkstückaufnahme• den Peripheriegeräten: Hoch-

spannungsgenerator, Vakuum-pumpen, Kühlung

• den Steuerungen für denElektronenstrahl und die Werk-stückaufnahme.

Die für das Härten üblicher-weise verwendeten Elektronen-strahlkanonen arbeiten mit einerBeschleunigungsspannung von60 kV und liefern je nach Aus-führung Strahlleistungen von 5, 10und 20 kW.

Wegen der mit dem Einführenund Ausfahren der zu härtendenWerkstücke erforderlichen Dauerfür das Evakuieren der Arbeits-kammer ist es zweckmäßig, dieunproduktiven Nebenzeiten mög-lichst kurz zu halten. Hierzu eig-nen sich speziell bei kleinen Werk-stücken und/oder großen Seriendas Zuführen in Magazinen, An-

lagen mit mehreren Kammern, einmöglichst kleines Volumen derArbeitskammer sowie eine ausrei-chend hohe Pumpleistung.

Bild 59 zeigt als Beispiel eineMehrzweck-Kammeranlage bei ge-öffnetem Rezipienten, die Elektro-nenstrahlkanone sowie den Leit-stand.

Elektronenstrahl– Erzeugung Hochspannung– Kontrolleinheit

Temperaturregelung

Kontrolleinheiten– Führungsmaschine– Vakuum

RezipientVakuum≤ 1 Pa

Vakuum≤ 10-2 Pa

Elektronenstrahl-kanoneStrahlleistung1–30 (100) kW

X-Y-Tisch

Monitoring(Bildgebende Verfahren)

fx > 100 kHz

UA

Bild 58: Prinzip Elektronenstrahlhärten

Bild 59: Industrielle Anlagezum Elektronen-strahlhärten

Page 30: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

5.4.3 Anwendungsbeispiele

Ebenso wie das Laserstrahl-härten wird auch das Elektronen-strahlhärten nur vereinzelt in derSerienproduktion von Bauteileneingesetzt. Technische Messerwie Papier-, Mäh- und Holzmessersind charakteristische Beispiele fürdie Anwendung mit dem Elektro-nenstrahl gehärteter Bauteile, sieheBild 60. Bei diesen stehen geringeForm- und Maßänderung beson-ders im Vordergrund. Für die fei-nen Klingen ist der exakt dosier-bare und lokal eng begrenzteEnergieeintrag besonders vorteil-haft. Zum Minimieren der Maß-und Formänderungen tragen dierelativ milde Selbstabschreckungund das Härten der Schneidkanten-unterseite vor dem Fertigschleifender Klingen bei.

Das Beispiel in Bild 61 zeigtelektronenstrahlgehärtete Extruder-schneckenabschnitte aus pulver-metallurgisch hergestellten Stählen.

5.5 Weitere Verfahren

Außer den vier in 5.1 bis 5.4beschriebenen Verfahren kamenin der Vergangenheit weitere Ver-fahren für das Randschichthärtenzum Einsatz, die sich aber im brei-ten industriellen Einsatz nicht be-währt haben. Als Beispiele sind zunennen:• Tauchhärten• Reib- oder Schleifhärten• Plasmastrahlhärten• Härten nach Erwärmen mit

Hochleistungslampen.

Beim Tauchhärten handelt essich um ein Übertragen der Wärmevon außen durch das Eintauchen inSalzschmelzen. Nach ausreichendlangem Halten zum Austenitisiereneiner Randschicht mit bestimmterDicke werden die Werkstückedurch Tauchen in flüssige Ab-schreckmittel gehärtet. Hierzu istes zweckmäßig, für das Tauch-härten speziell geeignete Stählezu verwenden, die eine relativniedrige Härtbarkeit aufweisen.Das Verfahren hat sich wegen zugeringer Wärmeübertragungsleis-tung in der Praxis nicht bewährt.

Beim Plasmastrahlhärten wirdmit einem Plasmabrenner ein hei-ßer Plasmastrahl erzeugt. Dazukann ein Lichtbogen- oder Hoch-frequenz-Plasmabrenner benutztwerden, mit dem ein strömendesionisierbares Gas von einem Licht-bogen oder durch Anlegen vonHochfrequenz ionisiert und aufTemperaturen von 1 · 104 K bis2 · 104 K erwärmt wird. Der Plas-mastrahl wird dann mit einer Pis-tole bzw. Düse auf die Werkstück-oberfläche gerichtet. Die Energie-dichte liegt in der Größenordnungvon ca. 104 W/cm2. Die Bedeu-tung für das Randschichthärtenin der Industrie ist gering.

Beim Reib- oder Schleifhärtenwird die zum Austenitisieren erfor-derliche Wärme durch mechani-sche Reibung mit an das zu här-tende Werkstück speziell angepass-ten Reibkörpern oder aber im Zu-sammenhang mit dem Fertigschlei-fen erzeugt. Das Abschrecken zumHärten kann bei dieser Methodedurch Fremd- oder Selbstabschre-

ckung erfolgen. Für das Selbst-abschrecken ist es erforderlich,legierte Stähle mit ausreichendhoher Härtbarkeit zu verwenden.Beim Schleifhärten kann stattdes-sen auch das Kühlschmiermittelzum Abschrecken benutzt werden.

In Bild 62 ist ein Beispiel fürdas Schleifhärten zu sehen. Eineallgemeine industrielle Anwend-barkeit wird zurzeit erforscht.

6 Praxis des Randschichthärtens

6.1 Werkstoffauswahl

Die Werkstoffauswahl richtetsich in erster Linie nach der erfor-derlichen Oberflächenhärte undder erforderlichen Einhärtungs-tiefe. Hierbei sind die Aufhärtbar-keit und die Einhärtbarkeit zu be-rücksichtigen. Der Kohlenstoff-gehalt bestimmt aufgrund der Auf-härtbarkeit maßgeblich die er-reichbare Härte, unter der Voraus-setzung, dass eine für eine Härtungausreichende Abkühlgeschwindig-keit erreicht wird, siehe Kapitel2.3. Dafür stehen üblicherweisedie in DIN EN 10083 genormtenunlegierten und legierten Vergü-tungsstähle zur Verfügung. Diefrüher gültige DIN 17212 „Stählefür das Induktions- und Flammhär-ten“ ist zurückgezogen. Darüberhinaus ist es jedoch durchaus üb-lich, z.B. auch Wälzlagerstähleoder Werkzeugstähle randschicht-zuhärten.

30

Merkblatt 236

Bild 60: Elektronenstrahlgehärtete Mähmaschinenklingen

Bild 61: Elektronenstrahlgehärtete Extruderschneckenabschnitte

Bild 62: Beispiel für das Erwärmen zumSchleifhärten

Page 31: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

31

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Die Einhärtbarkeit der Stähle,d.h. deren Legierungsgrad, mussfür das Randschichthärten dannbeachtet werden, wenn größereEinhärtungstiefen erforderlich sind,größere Werkstückquerschnittevorliegen oder Verfahren angewen-det werden, bei denen ein Eigen-abschrecken erforderlich ist.

6.2 Vorbehandeln und Vorbereiten der Werkstücke

Als Vorbehandlung für dasRandschichthärten kommt einVergüten infrage, wenn Bauteilezusätzlich zu einer hohen Härteund Festigkeit am Rand eine aus-reichend hohe Grund- oder Kern-festigkeit besitzen müssen. In die-sem Fall ist es zweckmäßig, vordem Randschichthärten ein Ver-güten durchzuführen, d.h. einHärten mit Anlassen im Tempe-raturbereich zwischen 550 und650 °C. In diesem Zusammenhangist zu berücksichtigen, dass durchdas anschließende Austenitisierenbeim Randschichthärten infolgevon Anlasseffekten im Übergangzum vergüteten Bereich ein so be-zeichneter „Härtegraben“ entste-hen kann, was prinzipiell nichtvermeidbar ist.

Ein Vergüten vor dem Rand-schichthärten kann auch vorteil-haft sein, um einen homogenenAusgangszustand hinsichtlich derKohlenstoffverteilung einzustellenund damit im Hinblick auf die prin-zipiell kurze Austenitisierdauereinen homogenen Austenit zu ge-währleisten.

Beim Randschichthärtenschlanker Achsen und Wellen wer-den beim Erwärmen häufig imWerkstück vorhandene Eigenspan-nungen ausgelöst, die zu Maß- undFormänderungen führen. Hinzukommen weitere Maß- und Form-änderungen durch das Härten.Wird dadurch der Verzug zu groß,kann es zweckmäßig sein, vordem Randschichthärten ein Span-nungsarmglühen, also ein Erwär-men und einstündiges Halten auf

einer Temperatur von 600 °C, ge-folgt von langsamem Abkühlen,durchzuführen.

6.3 Hinweise zum Abschrecken

Nach der Art des Abkühlensder austenitisierten Randschichtzum Erzielen einer martensitischgehärteten Randschicht wird zwi-schen Selbst- und Fremdabschre-ckung unterschieden. Beim so be-zeichneten Selbst- oder Volumen-abschrecken erfolgt das Abkühlendurch Wärmeleitung in das Werk-stückinnere. Die dabei erzielbarenAbschreckraten sind ausreichendhoch, wenn das Werkstückvolu-men im Verhältnis zur austeniti-sierten Randschicht ausreichendgroß ist. Beim Fremd- oder Außen-abschrecken findet das Abkühlendurch den Wärmeübergang vonder erwärmten Randschicht zueinem die Werkstückoberflächeumgebenden Abkühlmittel statt.

Bedingt durch das erforderli-che Erwärmen im Vakuum ist einFremdabschrecken beim Elektro-nenstrahlhärten nicht möglich,sondern es findet nur ein Selbstab-schrecken statt. Beim Laserstrahl-härten kann mittels Druckluft oder

Schutzgas zusätzlich zum Selbstab-schrecken ein Fremdabschreckenvorgenommen werden.

Beim Flamm- und Induktions-härten werden hingegen ver-schiedene flüssige Abschreckmit-tel zum Fremdabschrecken ver-wendet. Eine Übersicht über dieindustriell gebräuchlichsten Ab-schreckmedien enthält Tabelle 2.

Beim Flammhärten wird häufigWasser ohne Zusätze verwendet;beim Induktionshärten dagegenüberwiegend eine Emulsion ausWasser und Poly-Alkylen-Glykole-nen (PAG) als Additiv. Damit istes möglich, über die Art und Kon-zentration des Additivs die Ab-kühlcharakteristik des Abschreck-mittels gezielt einzustellen und anden jeweiligen Werkstoff und/oder das jeweilige Werkstück an-zupassen. Der eingesetzte Kon-zentrationsbereich liegt zwischen4 und ca. 20 %.

Der entscheidende Vorteilder Polymer-Lösungen liegt nichtunbedingt nur in einer geänder-ten Abschreckwirkung gegenüberWasser, sondern in ihrer Eigen-schaft, das Rissrisiko zu vermin-dern. Dies erfolgt dadurch, dassbeim Auftreffen des Polymers aufdie heiße Werkstückoberfläche

Tabelle 2: Übersicht über die industriell gebräuchlichen Abschreckmittel

Mittel Methode Bemerkungen

Wasser/ – nicht immer zuverlässig (Dampfblasen)Salzwasser Spritzbrausen, – Rissgefahr bei legierten Stählen

turbulentes – kein Korrosionsschutz

Polymer-Lösungen Tauchbad – Abschreckgeschwindigkeit einstellbar– geringer Korrosionsschutz

Hochleistungsöle turbulentes – Rissrisiko bei hochlegiertem StahlTauchbad, – guter KorrosionsschutzSonderfall:

Spritzbrause

Druckluft Luftdüsen – dünne Bauteile (geringe SHD)– für hochlegierte Stähle

mit besonderem Rissrisiko– Problem: Lautstärke

Pressluft mit Spezialdüsen – bisher wenige ErfahrungenWasseranteil

Page 32: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

sofort ein dünner Kunststofffilmentsteht, der das Bilden von klei-nen und kleinsten Dampfnesternverhindert. Der Übergang vomFilmsieden zum Blasensieden mitseiner hohen Wärmeabfuhr-Ge-schwindigkeit stellt sich auf dergesamten Werkstückoberflächenahezu gleichzeitig ein. Die Folgeist eine gleichmäßige Wärmeab-fuhr ohne lokale Verzögerungenwährend des gesamten Abschreck-vorganges. Der von den PAG-Poly-meren gebildete Film ist hitzebe-ständig und bei hohen Tempera-turen wasserunlöslich. Bei Raum-temperatur löst er sich jedochund verschwindet im Abschreck-mittel.

6.4 Angaben und Darstellung in Zeichnungen

Die Vorgehensweise für dasDarstellen und Kennzeichnenrandschichtgehärteter Teile ist inDIN ISO 15787 festgelegt. Neben

Angaben über die Härte und dieEinhärtungstiefe ist es beim Rand-schichthärten besonders wichtig,die Bereiche genau zu kennzeich-nen, die randschichtgehärtet seinmüssen. Das Gleiche gilt für dieStellen, an denen Härte oder Härtetiefe geprüft werden muss.Die Vorgabe ausreichend großerToleranzbereiche wird als selbst-verständlich vorausgesetzt. In

Tabelle 3 sind die nach DIN ISO15787 empfohlenen Werte für dieEinhärtungstiefe und die für ver-schiedene Verfahren vorzusehen-den oberen Grenzabweichungenangegeben.

Zum Kennzeichnen des rand-schichtgehärteten Bereichs ist einebreite Strichpunktlinie zu verwen-den, die außerhalb der Körper-kante eines Werkstücks einzutra-gen ist. Sie wird bei der Wortan-gabe für die Verfahrensbezeich-nung wiederholt. Lage und Längeder Strichpunktlinie müssen be-maßt werden. Es ist zu beachten,dass nach der Festlegung in derNorm der Übergang zwischendem randschichtgehärteten Be-reich und dem nicht gehärtetenBereich außerhalb des durch dieStrichpunktlinie gekennzeichnetenBereichs liegen muss.

Die Prüfstelle wird mit demSymbol eines Dreiecks mit Schaftgekennzeichnet. Der Schaft dientgegebenenfalls dazu, die Positionder Prüfstelle genau zu bemaßen.Sind mehrere Prüfstellen mitunterschiedlichen Sollwerten vor-gesehen, sind die Prüfstellensym-bole mit Nummern zu versehen.

Bild 63 zeigt ein typischesBeispiel für die Darstellung einesrandschichtgehärteten Teils in derZeichnung. Im Beispiel soll an derPrüfstelle 1 an der Oberfläche eineVickershärte von 480 bis 580 HV30 vorliegen. Die EinhärtungstiefeSHD wird bei einer Grenzhärte von

32

Merkblatt 236

Tabelle 3: Werte für Einhärtungstiefe und obere Grenzabweichung nach DIN ISO 15787

Bild 63: Beispiel für Darstellung und Kennzeichnung eines randschichtgehärteten Teilsin der Zeichnung

Einhärtungstiefe Obere Grenzabweichung [mm][mm]

Induktionshärten Flammhärten Laser- und Elektronenstrahl-

härten

0,1 0,1 – 0,1

0,2 0,2 – 0,1

0,4 0,4 – 0,2

0,6 0,6 – 0,3

0,8 0,8 – 0,4

1,0 1,0 – 0,5

1,3 1,1 – 0,6

1,6 1,3 2,0 0,8

2,0 1,6 2,0 1,0

2,5 1,8 2,0 1,0

3,0 2,0 2,0 1,0

4,0 2,5 2,5 –

5,0 3,0 3,0 –

5 ± 2+3

10 0+3

12 0 15 ± 5

1 2

1 480 + 100 HV 30 SHD 375 HV = 1 + 1,22 700 + 100 HV 30 SHD 550 HV = 1 + 1

randschicht-gehärtet

Page 33: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

33

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

375 HV, vgl. Tabelle 5, aus demHärteverlauf entnommen und soll1,0 bis 2,2 mm betragen. Außer-dem wird an der Prüfstelle 2 eineOberflächenhärte von 700 bis 800HV 30 und eine Einhärtungstiefevon 1 bis 2 mm bei einer Grenz-härte von 550 HV vorgeschrieben.Weitere Beispiele finden sich inder DIN ISO 15787.

6.5 Hinweise zum Prüfen randschichtgehärteter Werkstücke

6.5.1 Messen der Oberflächen-und Kernhärte

Das Messen der Oberflächen-härte kann nach dem Rockwell-(DIN EN ISO 6508) oder nachdem Vickersverfahren (DIN ENISO 6507) erfolgen. Die Prüfkräftesollten jedoch nach den in Tabelle4 empfohlenen Werten ausgewähltwerden.

Zum Messen der Kernhärtekönnen das Rockwell- (DIN ENISO 6508), das Vickers- (DIN ENISO 6508) oder das Brinellverfah-ren (DIN EN ISO 6506) angewen-det werden.

6.5.2 Ermitteln der Einhärtungstiefe SHD

Zum Ermitteln der Einhär-tungstiefe ist ein Zerstören des zuprüfenden Teils nicht zu umgehen.

Die Vorgehensweise ist in DIN EN10328 festgelegt. Die Prüfkraftentspricht im Regelfall HV 1. NachDIN ISO 15787 ist SHD (= „sur-face hardening hardness depth“)das Kurzzeichen für die Einhär-

Tabelle 4: Empfohlene Prüfkräfte für das Messen der Oberflächenhärte an randschichtgehärteten Teilen

Tabelle 5: Grenzhärtewerte nach DIN ISO 15787

Geforderte Einhärtungstiefe Anzuwendendes Oberflächen-Mindesthärte SHD Prüfverfahren

HV HRC HRA[mm]

HRC HRA HV 30 HV 10

1,20 ja ja ja ja400 –500 40–49 70–75 0,60 – ja ja ja

0,30 – – – ja

1,00 ja ja ja ja> 500–600 > 49–55 > 75–78 0,50 – ja ja ja

0,30 – – – ja

0,90 ja ja ja ja> 600–700 > 55–60 > 78–81 0,45 – ja ja ja

0,25 – – – ja

0,80 ja ja ja ja> 700 > 60 > 81 0,45 – ja ja ja

0,20 – – – ja

Oberflächen- Grenzhärte Oberflächen-Mindesthärte Mindesthärte

HV HV HRC

300–330 250 30–33

335–355 275 34–36

360–385 300 37–39

390–420 325 40–42

425–455 350 43–45

460–480 375 46, 47

485–515 400 48–50

520–545 425 51, 52

550–575 450 53

580–605 475 54, 55

610–635 500 56, 57

640–665 525 58

670–705 550 59, 60

710–730 575 61

735–765 600 62

770–795 625 63

800–835 650 64, 65

840–865 675 66

Page 34: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

tungstiefe (früher nach DIN 6773und 50190-2 Rht und nach EN ISO10328 DS).

Die Einhärtungstiefe SHD ent-spricht dem senkrechten Ab-stand von der Oberfläche bis zudem Punkt, an dem noch eine be-stimmte Härte, die Grenzhärte, vor-handen ist. Diese beträgt im Regel-fall 80 % der Oberflächen-Mindest-härte in HV. In Tabelle 5 sind fürdie Oberflächen-Mindesthärte inVickers (linke Spalte) oder Rock-well-C (rechte Spalte) die anzu-wendenden Grenzhärtewerte inVickers (mittlere Spalte) festge-legt. Sie sind in Stufen von jeweils25 HV den Oberflächenhärtewer-ten zugeordnet.

6.6 Nachbehandlung

Nach dem Randschichthärtenmit Fremdabschreckung kann esje nach dem verwendeten Ab-schreckmittel erforderlich sein, dieReste des Abschreckmittels durchWaschen zu beseitigen.

Häufig erfolgt auch ein Anlas-sen, entweder in einem Ofen beiTemperaturen bis maximal 200 °Coder durch Erwärmen mit dergleichen Wärmequelle wie beimAustenitisieren. Damit lässt sichdas Risiko von Rissen beim an-schließenden Hartbearbeiten ver-mindern.

Schlanke Werkstücke, z.B.Achsen oder Wellen, die sichdurch das Härten unzulässig starkverzogen haben, müssen gegebe-nenfalls durch Biegen – plastischesVerformen – gerichtet werden.Hierbei ist zu beachten, dass dieharte Randschicht nur begrenztplastisch verformbar ist. Es kanndaher zweckmäßig sein, den Ver-zug durch mehrmaliges Durch-biegen der Teile an verschiedenenStellen mit nicht zu breiter Auflagezu reduzieren. Gegebenenfalls wirdstattdessen noch spanabhebendbearbeitet.

Um die Werkstücke gegenKorrosion zu schützen, kann eszweckdienlich sein, sie in geeig-nete Korrosionsschutzmittel zutauchen oder sie mit diesen zubesprühen.

34

Merkblatt 236

Bild 64: Vergleich der Gestaltung und Lage der Härtezone an unterschiedlichen Werkstückgeometrien

gut schlecht

a) Nut, Kerbe

b) Bohrung

c) Laufbahn

d) Zapfen, Flansch

e) Welle, Lager

Page 35: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

35

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

7 Hinweise zum Vermeiden fehlerhafterrandschichtgehärteterWerkstücke

7.1 WärmebehandlungsgerechteFormgestaltung

Da es sich bei allen Rand-schichthärteverfahren um ein ört-lich begrenztes Härten handelt,ist auf die Lage und Gestaltungder Härtezone besonderer Wertzu legen. Die Härtezone solltebeispielsweise nicht in rissgefähr-deten Bereichen wie Kerben, Nu-ten oder Querschnittsübergängenunterbrochen werden oder enden.Bild 64 gibt anhand einiger aus-gewählter Werkstückgeometrienrichtig und falsch ausgelegte Härte-zonen wieder. Zu beachten isthierbei allerdings, dass jedes derbeschriebenen Randschichthärte-verfahren prozessspezifische Be-sonderheiten besitzt, die ebenfallsbei der Lage und Gestaltung derHärtezone zu berücksichtigen sind.So ist beim Laserstrahlhärten bei-spielsweise der prozesstechnischmögliche Einstrahlwinkel desLaserstrahls zu beachten, beimInduktionshärten der Stromverlaufim Werkstück.

7.2 Wärmebehandlungs-gerechter Werkstoff und Ausgangszustand

Grundsätzlich erweist es sichals problematisch, allgemeingül-tige Aussagen hinsichtlich derAuswahl der für das Randschicht-härten geeigneten Werkstoffe zutreffen.

Im Folgenden werden tenden-zielle Hinweise zur Auswahl ge-eigneter Werkstoffe hinsichtlichihrer chemischen Zusammenset-zung und der Wärmebehandlungdes Ausgangsgefüges gegeben.Dennoch kann es zweckmäßigsein, in bestimmten Anwendungs-fällen von diesen Angaben abzu-weichen.

Bild 65: Für das Randschichthärten geeignete Ausgangsgefüge und resultierende Härtegefüge

a) vergütet

Ausgangsgefüge

b) normalisiert

Resultierendes Härtegefüge

50 µm

Hinsichtlich ihrer Zusammen-setzung eignen sich unlegierteStahlqualitäten mit einem Mindest-Kohlenstoffgehalt von ca. 0,35Masse-%. Durch Legierungsele-mente kann dieser Wert zu gerin-geren Kohlenstoffgehalten hinverschoben werden. Allerdingssinkt damit auch die maximal er-reichbare Härte.

Hinsichtlich der Ausbildungdes Ausgangsgefüges eignen sichalle homogenen und feinkörnigenGefügestrukturen, wie beispiels-weise vergütete oder normalisierteGefüge. Bild 65 zeigt beispielhafteinige für das Randschichthärtengeeignete Ausgangsgefüge mit dendaraus resultierenden Härtege-fügen.

Als „bedingt geeignet“ sindsolche Ausgangsgefüge zu bezeich-nen, die entweder kein homoge-nes Ausgangsgefüge oder einenstark eingeformten Zementit be-sitzen. Dies sind z.B. schmiede-

perlitisch hergestellte Bauteile miteinem so bezeichneten Best-Yield-(BY)-Gefüge oder wegen besse-rer Zerspanbarkeit auf kugeligenZementit (GKZ) geglühte Werk-stücke, siehe Bild 66. Aus einemnicht den Besonderheiten dieserGefügezustände angepassten Rand-schichthärten können im ungüns-tigen Fall inhomogene Härtegefügeresultieren. Um bei diesen Aus-gangsgefügen ein homogenesHärtegefüge zu erzielen, sind inder Regel eine längere Haltedauerund/oder höhere Austenitisier-temperaturen notwendig.

Ungeeignet für das Rand-schichthärten sind grobkörnigeAusgangsgefüge, da bei diesen füreine homogene Kohlenstoffver-teilung im Austenit lange Diffu-sionswege und damit eine langeAustenitisierdauer notwendig sind.Da beim Randschichthärten aus-schließlich der im Werkstoff vor-handene Kohlenstoff für das

Page 36: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

Härten zur Verfügung steht, sindrandentkohlte oder rein ferriti-sche Ausgangsgefüge ebenfallsungeeignet, vgl. Bild 67.

Einen Überblick über die wich-tigsten Merkmale der beschriebe-nen Gefügezustände hinsichtlichderen Eignung für das Randschicht-härten gibt Tabelle 6 wieder.

7.3 Fehler beim Wärmebehandeln

Der Erfolg des Randschicht-härtens hängt neben der Werk-stückgeometrie und der Gestal-tung der Härtezone, dem verwen-deten Werkstoff und seinem Zu-stand auch von seiner Durchfüh-rung ab. Hier sind es insbesondere – die Temperatur, auf die erwärmt

wird– die Erwärmgeschwindigkeit– die Haltedauer– das Abschreckmittel und die Art

und Weise des Abschreckens– das Anlassen der randschicht-

gehärteten Teile.Fehler, die hierbei gemacht

werden, führen in der Regel zuBeanstandungen einer zu hohenoder zu niedrigen Härte, zu gerin-ger oder zu hoher Einhärtungs-tiefe, zu Rissen, zu Aufschmelzun-gen u.a.m.

Die Zielgrößen des Rand-schichthärtens sind in erster Liniedie Oberflächenhärte und die Ein-härtungstiefe. Treten hier Mängelzwischen geforderten und erreich-ten Werten auf, dann ist es zumErmitteln der Fehlerursache zweck-mäßig, nach den Empfehlungender nachstehenden Tabelle 7 vor-zugehen. In der Tabelle sind je-doch Mängel, die auf Materialfeh-ler zurückzuführen sind, wie z.B.zu geringe Härtbarkeit, Entkohlungoder zu hohe bzw. ungleichmäßigverteilte Eigenspannungen, nichtberücksichtigt.

36

Merkblatt 236

Bild 66: Für das Randschichthärten bedingt geeignete Ausgangsgefüge und resultierende Härtegefüge

a) schmiedeperlitisch (BY-Wärmebehandlungszustand)

Ausgangsgefüge

b) GKZ-geglüht (GKZ-H, GKZ-N)

Resultierendes Härtegefüge

50 µm

Bild 67: Für das Randschichthärten ungeeignete Ausgangsgefüge und resultierende Härtegefüge

a) weichgeglüht, grobkorngeglüht

Ausgangsgefüge

b) randentkohlt

Resultierendes Härtegefüge

50 µm

Page 37: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

37

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Tabelle 6: Wichtige Merkmalefür zum Rand-schichthärten geeignete Gefüge-zustände

Werkstoff- Bewertungsmerkmale für das Randschichthärtengruppe

geeignet bedingt geeignet ungeeignet

Stähle – Kohlenstoffanteil > 0,35 Masse-% – inhomogenes Ausgangsgefüge – randentkohlt– Korngröße ASTM > (6) 7 – Korngröße 3 > ASTM KG < 6 – grobkorngeglüht– vergütet – zeilig – ferritisch– normalisiert – weichgeglüht (GKZ-N) – austenitisch

Sinterstähle – überwiegend perlitisch – ferritisch-perlitisches – ferritischesAusgangsgefüge Ausgangsgefüge

Maßnahmen – höhere Härtetemperatur– längere Haltedauer– Vorwärmen

Mängel Werkstofftechnisch bedingter Grund Maßgeblicher Fehler beim Randschichthärten

Härte Nicht umgewandelter Ferrit oder – Austenitisierdauer zu niedrigzu niedrig zu wenig Carbide aufgelöst – Austenitisiertemperatur zu niedrig

Martensitanteil zu gering – Austenitisierdauer zu niedrig– durch Bildung von Bainit – Austenitisiertemperatur zu niedrig

und/oder Perlit und/oder Ferrit – Abschreckwirkung zu gering

– durch Restaustenit – Austenitisiertemperatur zu hoch– Austenitisierdauer zu lang– nicht rechtzeitig oder unzureichend tiefgekühlt– vor dem Tiefkühlen angelassen

Martensit zu weich – Ausgangsmaterial entkohlt– Anlasstemperatur zu hoch– Anlassdauer zu lang

Härte Martensit zu hart – nicht oder zu niedrig angelassenzu hoch – Anlassdauer zu kurz

Einhärtungs- Martensitanteil zu gering – Austenitisiertemperatur zu niedrigtiefe – Austenitisierdauer zu kurzzu klein – Einwärmtiefe zu gering

– Abschreckwirkung zu niedrig– Anlasstemperatur zu hoch– Anlassdauer zu lang

Einhärtungstiefe Martensitanteil zu hoch – Einwärmtiefe zu großzu groß in zu großer Tiefe – Anlasstemperatur zu niedrig

– Anlassdauer zu kurz

Maß- und Wärme- und/oder Umwandlungs- – ungleichmäßig erwärmtForm- spannungen zu groß oder ungleich- – ungleichmäßig austenitisiertänderungen mäßig verteilt – ungleichmäßig abgeschrecktzu groß – ungleichmäßig angelassen

Risse Örtlich zu hohe – zu rasch oder ungleichmäßig erwärmtZugeigenspannungen – ungleichmäßig austenitisiert

– ungleichmäßig oder zu schroff abgeschreckt– nicht, zu spät oder unzureichend angelassen

An- Örtlich begrenzt Schmelz- – örtlich begrenzt zu hohe Temperaturschmelzungen temperatur überschritten – Leistungsdichte zu groß

– Einwirkdauer zu lang

Tabelle 7: Übersicht über Erscheinungsbildund mögliche Ursachen für Beanstandungen an randschicht-gehärteten Werk-stücken

Page 38: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

38

8 Quellennachweis

8.1 Schrifttum

Becker, N./Hadick, J.:Induktive Erwärmung – Physikali-sche Grundlagen und technischeAnwendungen,RWE Energie AG, Abt. Anwen-dungstechnik, Essen, 1991, 14

Benkowski, G.: Induktionserwärmung – Härten,Glühen, Schmelzen, Löten, Schweißen,Verlag Technik, Berlin, 1990, 5. Auflage

Brinksmeier, E./Brockhoff, T.:Integrierte Wärmebehandlung durch spanende Bearbeitung,Härterei-Techn. Mitt. 51 (1996) 3,S. 176–182

Brinksmeier, E./Brockhoff, T.:Prozessintegrierte Wärmebehand-lung – Technologische. Grundlagen und Kostenanalyse, ZWF 95 (2000), S. 1–2.

Brinksmeier, E./Wilke, T.:Festigkeitsverhalten von schleif-gehärteten Bauteilen unter tribo-logischer und zyklischer Bean-spruchung,DVM-Bericht 128, Berichtsbandder 28. Tagung des DVM-Arbeits-kreises Betriebsfestigkeit. Hrsg.: Deutscher Verband fürMaterialforschung und -prüfunge.V. Berlin, 2001, S. 209–222.

Eckstein, H.-J.:Wärmebehandlung von Stahl – Metallkundliche Grundlagen,Deutscher Verlag für Grundstoff-industrie, Leipzig, 1969

Horstmann, D.:Das Zustandsschaubild Eisen-Koh-lenstoff und die Grundlagen derWärmebehandlung der Eisen-Koh-lenstoff-Legierungen,Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1985, 5. Auflage

Hügel, H.:Strahlwerkzeug Laser, B. G. Teubner, Stuttgart, 1992

Jönsson, R.:„Randschichthärten“ in Wärme-behandlung – Grundlagen undAnwendungen für Eisenwerkstoffe,expert-verlag, Renningen, 2004,S. 86–116

Keßler, O./Brockhoff, T./Brinksmeier, E./Mayer, P.:Maß- und Formänderungen bei derRandschichtwärmebehandlungdurch Schleifen,Härterei-Techn. Mitt. 53 (1998) 1,S. 9–13

Liedtke, D.:Wärmebehandlung von Stahl –Härten, Anlassen, Vergüten, Baini-tisieren, Merkblatt 450, Stahl-Informations-Zentrum,Düsseldorf, Ausgabe 2005

Liedtke, D. und 5 Mitautoren:Grundlagen der Wärmebehand-lungstechnik I,expert-verlag, Renningen, 2007

N. N.:Es gibt kein besseres Brenngas fürdie Autogentechnik,Firmenschrift Linde AG, 2008

N. N.:Firmenschrift EFD Induction GmbH,Freiburg, 1998

N. N.:Firmenschrift ERALS Erlanger Laser-technik GmbH, 2004

N. N.: Firmenschrift Härterei Gerster AG, Egerkingen, 2000

N. N.:Firmenschrift Laserline GmbH, Mülheim-Kärlich, 2008

N. N.:Firmenschrift Rofin Sinar GmbH,Hamburg, 2003

N. N.:Firmenschrift Steigerwald Strahl-technik GmbH, Maisach, 2006

N. N.:Firmenschrift Trumpf Laser- undSystemtechnik GmbH, Ditzingen, 2006

Ohrlich, J./Rose, P./Wiest, P.:Atlas zur Wärmebehandlung derStähle, Band 3, Verlag Stahleisen,Düsseldorf, 1973

Schmidt, P. W.:Zeit-Temperatur-Auflösungs- und-Umwandlungs-Schaubilder,das industrieblatt 63 (1963) 6, S. 383–390

Spur, G.:Plasmabrenner – ein neuzeitlichesWerkzeug der Fertigungstechnik, ZWF, (1969) 6, S. 227 ff.

Stähli, G.:Induktions-, Impuls-Kurzzeit-härtung,Werkstoffe und ihre Veredlung 3,(1981) 11/12, S. 441–446

Zenker, R.:Elektronenstrahltechnologien,Zenker Consult, Mittweida, 2004

Zenker, R./Wagner, E./Furchheim, B.:Sonderdruck Elektronenstrahl-Technologie GmbH,Chemnitz, 1997

Merkblatt 236

Page 39: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

39

8.2 Normenübersicht

DIN ISO 15787 ist auszugsweisewiedergegeben mit Erlaubnis desDIN Deutsches Institut für Nor-mung e.V. Maßgebend für dasAnwenden der DIN-Normen istderen Fassung mit dem neuestenAusgabedatum, die bei der BeuthVerlag GmbH, Burggrafenstr. 6,10787 Berlin, erhältlich ist.

DIN EN 10052Begriffe der Wärmebehandlungvon Eisenwerkstoffen

DIN EN ISO 6506-1Metallische Werkstoffe – Härte-prüfung nach Brinell – Teil 1: Prüfverfahren

DIN EN ISO 6507-1Metallische Werkstoffe – Härte-prüfung nach Vickers – Teil 1: Prüfverfahren

DIN EN ISO 6508-1Metallische Werkstoffe – Härte-prüfung nach Rockwell – Teil 1: Prüfverfahren

DIN ISO 15787Technische Produktdokumenta-tion – Wärmebehandelte Teile ausEisenwerkstoffen – Darstellungund Angaben

DIN EN 10083-1Vergütungsstähle – Teil 1: All-gemeine technische Lieferbedin-gungen

DIN 17021-1Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen – Werkstoffauswahl – Stahlauswahl aufgrund der Härtbar-keit

Stahleisenprüfblatt (SEP) 1664, 2. Ausgabe:Ermittlung von Formeln durchmultiple Regression zur Berech-nung der Härtbarkeit im Stirnab-schreckversuch aus der chemi-schen Zusammensetzung vonStählen

ISO 10328Eisen und Stahl – Bestimmung derEinhärtungstiefe nach dem Rand-schichthärten

ISO 3754Steel – Determination of effectivedepth of hardening after flame orinduction hardening

8.3 Bildnachweis

Titelbild: HTU Härtetechnik Uhl-dingen-Mühlhofen GmbHBilder 6 und 7: Atlas zur Wärme-behandlung der Stähle, Bd. 3Bilder 8 und 10: Handbuch derBau- und Werkzeugstähle, Saar-stahl AGBild 9: EcksteinBild 11: Gerber und WyssBild 15: DIN 3990Bild 16: Linde AGBilder 21 und 22: Gerster AGBild 25: Becker/HadickBild 34: BenkowskiBilder 35 bis 46, 53: EFD Induction GmbHBild 48: HügelBilder 50 und 51 a:Trumpf GmbHBild 51 b: Laserline GmbHBild 52: Rofin Sinar GmbHBild 54, 55: Erlanger Lasertechnik GmbHBild 56: ZenkerBilder 59, 60, 61: Steigerwald Strahltechnik GmbHBild 62: BrinksmeierBild 63: DIN 6773

Bilder 1 bis 5, 12 bis 14: LiedtkeBilder 17 bis 20, 23, 24, 26 bis 33, 47, 49, 57, 58, 64 bis 67: Stiele

Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten

Page 40: Wärmebehandlung von Stahl – Randschichthärten€¦ · 4 1 Randschichthärten und Anlassen zum Verbessern der Gebrauchseigenschaften von Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl 1.1

Wirtschaftsvereinigung StahlPostfach 10 54 64 · 40045 DüsseldorfSohnstraße 65 · 40237 DüsseldorfE-Mail: [email protected] · www.stahl-online.de