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VII. Aus der kgl. Universit~ts-0hrenklinik zu Halle a. S. (Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Sehwartze.) Wcitere klinisehe Brfahrungen fiber die Behandlung yon akuten Mittclohreitcrungcn mit Stauungshyperkmie nach Bier. Vo~ Stabsarzt Dr. F. Isemer~ Privatdozent und 1. Assistenzarzt der Klinik. Bereits vor Jahresfi'ist hattea wir~) an einer grSfieren Zahl yon F~llen yon Mittelohreiterungen Versuehe mit der Stau- nngsbehandlung angestellt. Voa den 12 behandelten fast durch- wag akuten Mittelohreiterungen waren 9 F~lle mit mehr oder weniger sehweren Erkraakungea des Warzenfortsatzes kompli- ziert und kamen hiervou 4 F~lle trotz bis zum ~ugersten fort- gesetzter Stauung zur Operation. In allen diesen operierten F~llen wurden dutch die Aufmeil~elung die ausgedehntesten Zer- stSrungen dureh die Eiterung im Warzenfortsatz naehgewiesen~ und zwar Zerst5rungen, die his zur Dura und dem Sinus reiehten und wiederholt zu grol~en und unter sehr hohem Druek stehenden extraduralen und perisinuSsen Abszessen gefiihrt hatten. Auf- fallend war~ dag bei allan F~llen oft sehon wenige Stunden naeh Anlegen der Stauungsbinde die vorher heftigsten Sehmerzen sehwanden und eine wesentliehe Besserung im Allgemeinbefinden wie aueh im Ohrbefund eintrat, die aueh bei den zur Operation gelangten F~llen oft Woehen lang" anhielt. Diese Besserung des Zustandes war aber bei den letzt erw~hnten F~llen nur eine trtigeriseh% das Bild war durch die Stauungsbehandlung nur versehleiert worden, aus der manifesten Form des Krankheits- 1) Is emer, Klinische Erfahrungen mit der Stauungshyper~,mie nach Bier bei tier Behandlung der Otitis media. Archiv fiir Ohrenheilkunde, Bd. 69, Seite 13l ft.

Weitere klinische Erfahrungen über die Behandlung von akuten Mittelohreiterungen mit Stauungshyperämie nach Bier

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Page 1: Weitere klinische Erfahrungen über die Behandlung von akuten Mittelohreiterungen mit Stauungshyperämie nach Bier

VII.

Aus der kgl. Universit~ts-0hrenklinik zu Halle a. S. (Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. S e h w a r t z e . )

Wcitere klinisehe Brfahrungen fiber die Behandlung yon akuten Mittclohreitcrungcn

mit Stauungshyperkmie nach Bier. Vo~

Stabsarzt Dr. F. Isemer~ Privatdozent und 1. Assistenzarzt der Klinik.

Bereits vor Jahresfi'ist hattea wir~) an einer grSfieren Zahl yon F~llen yon Mittelohreiterungen Versuehe mit der Stau- nngsbehandlung angestellt. Voa den 12 behandelten fast durch- wag akuten Mittelohreiterungen waren 9 F~lle mit mehr oder weniger sehweren Erkraakungea des Warzenfortsatzes kompli- ziert und kamen hiervou 4 F~lle trotz bis zum ~ugersten fort- gesetzter Stauung zur Operation. In allen diesen operierten F~llen wurden dutch die Aufmeil~elung die ausgedehntesten Zer- stSrungen dureh die Eiterung im Warzenfortsatz naehgewiesen~ und zwar Zerst5rungen, die his zur Dura und dem Sinus reiehten und wiederholt zu grol~en und unter sehr hohem Druek stehenden extraduralen und perisinuSsen Abszessen gefiihrt hatten. Auf- fallend war~ dag bei allan F~llen oft sehon wenige Stunden naeh Anlegen der Stauungsbinde die vorher heftigsten Sehmerzen sehwanden und eine wesentliehe Besserung im Allgemeinbefinden wie aueh im Ohrbefund eintrat, die aueh bei den zur Operation gelangten F~llen oft Woehen lang" anhielt. Diese Besserung des Zustandes war aber bei den letzt erw~hnten F~llen nur eine trtigeriseh% das Bild war durch die Stauungsbehandlung nur versehleiert worden, aus der manifesten Form des Krankheits-

1) Is e m e r , Klinische Erfahrungen mit der Stauungshyper~,mie nach Bier bei tier Behandlung der Otitis media. Archiv fiir Ohrenheilkunde, Bd. 69, Seite 13l ft.

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brides war nur eine latente geworden. Denn plStzlieh~ ohne be- sondere Veranlassung, waren naeh bestem Wohlbefinden die sttirmischen Krankheitserscheinungen (hohes Fieber bis fiber 40 o, starke Sehwellung hinter dem kranken Ohr mit den heftigsten Schmerzen, zeitweise FrSsCeln usw.) eingetreten. - - In kurzer Folge sind seither noeh weitere Mitteilungen anderer Beobachter (Esehwei le r J )~ FrSse2), Hass tauer~) , Bi i rkn er and Uf fen - o r d e4), S p i r a ~) fiber die Stauungsbehandlung der Mittelohr- eiterungen gefolgt, die in ihren Erfblgen sehr versehieden lauten.

Yon diesen Beobaehtern tritt besonders wieder E s e h w e i l e r aufs wiirmste ftir die Anwendung der Stauungsbehandlung bei Ohreiterungen ein. Er berichtet fiber weitere 11 Fiille yon akuter Mastoiditis~ die er in der Bonner chirurgischen Klinik mit Bier- seher Stauung behandelt halte. Von diesen Fitllen heitfen 8, unter diesen 4 mit eitriger Periostitis iiber dem Warzenfortsatze. In allen diesen Fiillen kam man nach der Inzision des Abszesses auf rauhen Knoehen resp. in cinch kraterf6rmigen Durehbrueh der Cortikalis. Von dan 3 night geheilten Fiillen starben 2 Patienten, wahrend einer in andere Behandlung tiberging. Diese beiden Todesfiille legt E s c h w e i l e r jedoeh nieht der Stauungs- )ehandlung zur Last, ob mit ReehL lassen wir dahingestellt. Im ersten Falle handelte kS sich um eine seheinbar abgesehlos- sene Kuppelraumeiterun~, yon der aus allm~thlich dutch eine in die mittlere Schfidelgrube lokatisierte eitrige Meningitis der Tod erfolgt war; tier andere Fall betraf einen deerepiden, hiiufig an Lungenentztindung erkrankten Patienten, bei dam dureh die Ohruntersuehung zur Zeit der Aufnahme keine Anhaltspunkte fiir eine Komplikation seitens des Warzenfortsatzes gefunden wurden. Die spatere Sekretion ergab jedoeh: Meningitis und Sinusphlebitis.

l) E s c h w e i l e r , Die Behandlung der Mastoiditis mit Stanungshype- r~mie nach Bier. Archiv filr Ohrenheilkunde~ Band 71, Seite 85ff.

2) F r ii s e, Ein weiferer Beitrag zu den Erfahrungen bei der klinischen Behandlung yon Mittelohreiterungen mit Stauungshyper~mie nach Bier. Ar- ehiv ffir Ohrenheilkunde, Band 7 t, Seite lff.

3) H a s s 1 a u e r, Die 8tauungsbehandlung bei der Behandlung yon Ohr- eiterungen. Miinchener medizinisehe Wochenschrift 1906, Nr. 34.

4) B i i r k n e r und U f f e n o r d e , Bericht fiber die in den beiden Etats- jahren 1905 und i9o5 in der UniversitAtspoliklinik fiir Ohren- and Nasen- krankheiten zu G6ttingen beobachteten Krankheitsfalle. Archly fiir Ohren- heilkunde Band 72, Seite 50ft.

5) S p i r a : Bericht fiber die T~tigkelt des rhino-otiatrisehen Ambu- latoriums des israelitischen Hospitals in Krakau i906. lbidem, Seite 123ff.

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Klin. Erfahrungen fib. d. Behandlung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 97

Im Ansehluf$ an unsere fri iheren Mit te i lungen tiber die

S t a u u n g s b e h a n d l u n g yon 0 h r e i t e r u n g e n sei hier tiber wei tere Be-

obaeb tungen 1) beriehtet : die ohne A u s w a h l der F~l le a n a k u t e n

Mit te lohre i terungen mit und ohne Kompl ika t ionen yon sei ten

des Warzenfor t sa tzes gemacht wurden .

Fall l. Otto John, 12 Jahre alt, Bergmannssohn aus Wanzleben. Aufgenommen am 17. Mai 19o7; entlassen am 6. Juli 1907.

A n a m n e s e : Patient leidet seit vielen Jahren ohne bekannte Ursache an eitrigem Ausflul~ aus dem rechten Ohr, w~hrend das linke Ohr angeblich bisher stets gesund war Am 4. Mai erkrankte im-Ansehlu• an eine heftige Erkhltung mit stark~m Schnupfen auch das linke Ohr, und zwar unter heftigen Schmerzen. Die Schmerzen hielten angeblich mehrere Tage lang in weeh- selnder St~rke an, bis etwa am 12. Mai Eiter mit etwas Btut aus dem linken Ohr kam und hiermit eine wesentliche Yerringerung der Schmerzen eintrat. Am 17. Mai - - also etwa 2 Wochen nach l~eginn der Erkrankung - - kam Patient in die Klinik.

S t a t u s p r a e s e n s : Krhftig gebauter Knabe in sehr gutem Ern~hrungszuo staxtde. Es besteht noch geringe akute Rhinitis; keine Vergriii~erung der Rachen- oder Gaumenmandeln. Abendtemperatur 38,5 o.

Umgobung b e i d e r Ohren: ohne Besenderheiten. GehOrgang und T r o m m e l f e l l b e f u n d ; L inkes Ohr: GehSrgang

welt, in der Tiefe etwas pulsierender :Eiter. ~ach hustupfen desselben sieht man das Trommelfell stark gerOtet und vorgewiilbt, im hinteren unteren Teile desselben eine kleine pulsierende Perforation. Reeh tes Ohr: Bei weitem ~ut~eren GehSrgaag sieht man vor dem Trommelfell etwas rahmigen Eiter. Das Trommelfell ist triibe~ verdickt~ im vorderen unteren Teile desselben ist eine grol~e, ovale, nicht randst~ndige Perforation, dureh die man die blasse Schleimhaut der Pauke sieht. Fltistersprache wird links in 1 ms rechts in 2 m Entfernung gehSrt~

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : Paracentese des linken Trom- melfells~ Verband. Stauung nach Bier, 20 Stunden pro die. Bettruhe.

10. Mai. Die Schmerzen im linken Ohr bestehen nieht mehr, reichliche Eiterung aus der klaffenden ParacentesenSffnung. Patient ist autier Bett, kein Fieber.

23. Mai. Das linke Trommelfell ist abgeblal3t, Eiterung sehr goring. (Ira Eiter aus dem linken 0hr wurden sowohl im Abstrichpraparat~ wie aueh in den Kulturen Staphylokokken and vereinzelte Streptokokken gefunden (Hygienisches Institut). Im rechten Ohr besteht geringe Eiterung unver- ~ndert fort.

27, Mai. Linkes Trommelfell zeigt keine Entziindung, kleine trockne Perforation im hinteren Toil des Trommelfells. Bindenstauung taglieh nur 12 Stnnden.

1. Juli. Die Perforation des linken Trommelfells ist geschlossen. 6. Juli. Das linke 0hr ist trocken geblieben; das Trommelfell zeigt

noch leiehte Triibung, dentliche Narbe im hinteren Teite. Fliisterspraehe links 5 m. Im rechten 0bre keine wesentliche Anderung. Auf Dr~ngen der Eltern wird Patient entlassen.

Fall 2. L i n a M i c h a e l i s , 7 Jahre alt, Arbeiterkind aus Diemitz. Aufgenommen am 10. Juni~ entlassen am 30. Juni 1907.

A n a m n e s e : Vor mehreren Monaten erkrankte das Kind angeblich im Ansehlu~ an Schnupfen an rechtsseitiger Ohreiterung, die nur kurze Zeit angehalten haben soil. Vor 6 Wochen trat wiederum eine rechtsseitige 0hr-

1) Eiae zusammenfassende Mitteilung der vorliegenden Beobachtungen wie auch der friiheren klinischen Erfahrungen des ¥erfassers ist bereits als Habiliationsschrift pro venia legendi des Verfassers ersehienen: Hofbuch- druckerei K~mmerer & Co., Halle a. S., 1907.

Archly f. Ohrenheilkunde. Bd. 75.

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eiterung sin und konnte das Kind der sehlechten hauslichen VerhMtnTsse wegen nur wenige Male zur Behandhmg nach der Poliklinik gebracht werden. Da ~chmerzen im rechten Ohr hiuzutraten, wurde das Kind am [0. Juni in die stationare Klinik aufgenommen.

S t a t u s p r h s en s: Bis aaf das Ohrenleiden v6111g gesundes Kind in gutem Ernahrungszustande. E~ klagt fiber Schmerzen im rechten Ohr und hat in den letzten Ni~chten infolge dieser Schmerzen sehr unruhig geschlafen. Abendtemperatur :~.q,2 o

U m g e b u n g d e s r e c h t e n O h r e s : Geringe Infiltration des vordereu Teiles der reehten Spitze, ziemlich starker I)ruckschmerz daselbst.

G e h 6 r g a n g u n d T r o m m e l f e l l b e f u n d : R e c h t e s Ohr : Welter Gehfrgang, in der Tiefe desselben etwas dicker, nicht fftider Eiter. Nach Entfernen desselben sieht man dos ger6tete und stark vor~ew6lbte Trommel- fell, in dessen vorderem Teile eine kleine pulsierende Perforation ist Im l i n k e n 0 h r e besteht geringer akuter PaukenbOhienkatarrh. Fiiistersprache rechts in 1 m Entfernung, links in 4 m Entfernung. Die Stimmgabelunter- suchung ergibt rechts mir Schalileitungshindernis

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : P.Lracentese des rechten Trom- melfelis. Bindestauung nach Bier, 22 Stuodeu pro die, Bettruhe

11. Juni. Sehr ruhi_~er Schlaf w~hrend der Nacht, auch am Tage keine Schmerzeni st~rkeres 0dem fiber der ganz~n Spitze des rechten Warzen° fortsatzes. Druckschmerz unverg~ndert. Klaffende Parac,mtese, aus der reichlich diinnfltissiger Eiter quiitt. Abendtemperatur 3~,~ °

12. Juni. Bestes Wohtbcfinden, kein Fieber Druckschmerz wesentlich geringer, lm Eiter des rechten 0hres Staphylokokken (A.i~strichpr~paratt und vereinzelt 5treptokokken (Kulturen) Starke Scbwellung des rechten huBeren GehSrganges~ sodal~ derselbe fast stenosiert Patient ist aul]ec Bert.

16 Juni. Patient filhlt sich gml~erst wohl, keine Schwelhm~, kein Druckschmerz hinter der Ohrmuschet 3chweliung des ~ul~eren GehSrganges wesentiich gerin~er - - die Eiterabsonderun~ hat sehr abgenommen.

19 Juni. Das rechte Ohr ist heut trocken, der Gehorgang wieder normal welt, dos Trommelfelt noch leicht abgeflacht, keine Perforation. Blade tag- lich our 16. Stunden.

25. Juni. Das reehte~Ohr trocken geblieben; Regeneration des Trommel- fells~ Lichtreflex bereits znm Tell vorhanden.

Fall :~. C a r l P 6 t s c h , 3S Jahre alt, Bergmaun aus Gerbstedt. Auf- genommen am 12. Jail, geheilt entiassen am 18. Augost t.~07.

A n a m n e s e : ~eit einigen Wochen klagt der bisher hie ohrenkrank gewesene Patient tiber Rauschen, Sehwerh6rigkeit rechts und zeitweise auf- tretende Schmcrzen fiber der rechten Ohrmuscbel. Da in den letzten Tagen auch hefti~e Schmerzen im rechten Ohr hinzutraten, kam Patient am 12. Juli in die poliklinische Sprechsmnde und wurde am selben Ta-~e in die statio- nkre Klinik aufgenommen

S t a t u s p r a e s e us: Mittelkr~ftig gebauter, bla[~ aussehender Mann. Er klagt besomiers fibdr heftige klopfende Schmerzen im rechten Ohr. Innere Organe gesund, keine Vergr6fierung der Gaumeu- und Rachenmaudelu~ kein Fieber.

U m g e b u n g des r e c h t en O h r e s ohne Besonderheiten. G e h S r g a n g und T r o m m e l f e l l h e f u n d des erkranateu rechten 0hres :

Der ~ul~ere GehSrgang ist welt, in der Tietb obturierender barter Epider- miBpropf. Entfernen desselben mit dem Hebel nach Z a u fa t ; hinter der Epi- dermismasse etwas Eiter. Das Trommelfell ist nun vollst~ndig zu tibersehen~ ist stark gerStet, vorgew61t)t, kleine pulsierende Perforation in seinem hin- teren Teile.

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : Paracentese des rechten Trom- melfelles, wonach viel Eiter hervorquiilt. Gazestreifen, Verband, Bettruhe. Stauung nach Bier 20--22 Stunden pro die.

14. Juli. Keine Schmerzen, sehr profuse Eiterung. Im Eiter meist nor Staphylokokken. Patient a,,t~er Bett.

1~. J a i l Wieder leichte klopfende Schmerzen im rechten Ohr, Trommel- fellsehnitt z. T. verklebt. Parazentese.

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Klin. Erfahrungen fib. d. Behandlung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 99

21. Juli. Sehr gerinTe Eiterung. Trommelfell blaB, kleine Perforation im hinteren Teile. Staunng t~g[ich 18 Stunden.

24. Jull. Rechtes Oilr trocken, Perforation geschlossea. 2S. Jail. Ohr troeken gebliet)eu. Sta~mugsbehandltmg f~ltt fort. 18. August. Das rec.hte Trommeifeli hat his a(lf leichte diffuse Tr•baug

normales Aussehen. Fliister~praehe auf dem rechteu Ohr in 3t/2 m Eat- fernung gehSrt. Geheilt entlassen.

Fall 4. Gus tav R inge l , 1S Jahre all, Knecht aus @oebel. Aufge- nommeu am 5. August, geheilt entlasseu am 2i. September i9o7.

A n a m n e s e : Vet z--3 Wochen traten im hn~chlu~ an eine heftige Erk~ltung SchwerhSrigkeit auf dem rechten Obr und Emgem)mmenseiu des Kopfes auf, einige Ta~o sp~tec Schmerzen im rechteu Oar, die n~ch Eintritt yon Eiterung gerin~er wurden Vor 5 Tagen Schmerzeu hinter dem Ohr~ die seit gesteru sehr heftig sein uollert

S ta tus p r ae sens : l)er sehr kcaftig gebaute Patient klagt (iber bohreade Schmerzen im rechten Ohr un4 hinter der Ohvmu~chel. Die Uu~ecsuct~ung der Nase, des Rachens und Nasenrachenraumes ergibt norm~len Befund. Abendtemperatur 37,8o

Umgebung des r e e h t e n Ohres : Keine Schwellung, geringer Draek- schmerz in der Gegend des pianum mastoi(leum.

G e h S r g a n g und T r o m m e l t e t l b e f u n d Weiter ~ui~erer GehSr- gang rechts; in der Tiefe putsierender Eiter. Nach Entfernung desselben sieht man das Trommeffell geri~tet, abgeflacht, klein~ Perf'o.'atiou ira vorderen Tell des Trommelfelles, keine Senkm~g der hinteren oberen Gehiirgangs- wand.

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : Paraeeutese~ kleiner Verband. Stauung mit Binde 20--22 Std. pro die.

5 August. Patient ist vollstandig ~chmerzfrei, der Druckschmerz hinter dem Ohr besteht fort. Gerin~e Schwellung fiber der ganzen Gegend der Warzenfortsatzspitze. lm E~ter Stapuy|okokkeu und Streptokokken, kein Fieber.

1~t. August Bestes Allgemeinbefinden; keine Schwellung, kein Druck- schmerz hinter der Ohrmuschel; gerin~e Eiterung.

15. August Ger~nge Eiterung besteht fort, steeknadelkopfgroBe Per- foration im vorderen Tell des Trommelfells. Geringe Infiltration des hautigen GehSrganges.

17. August. Infiltration des GehSrganges sehr stark~ sodal~ Trommel- fell fast verdeckt.

21. August. Geh(irgang wieder fast normal welt 4. September. lCechtes Ohr trocken, Trommelfell trabe, angedeateter

Lichtreflex. 2 i. September. Patient wird geheilt entlassen. Flfistersprache rcchts 3 m. Fall 5. Max R i c h t e r , 10 Jahre all, Arbeiterkind aus Beiersdorf.

Aufgenommen am i Oktober, geheiit entlassen am lo. November 19o7. Anamnese : Seit ~ Tagen obne bekannte Ursache Eiterung aus dem

linken Ohr, nachdem schon einige Tage vorher heftige Schmerzen dort be- standen batten. Seit 2 Tagen Schmerzen und geringe Schweliung hinter der linken Ohrmuschel.

t a tu s p ri~s en s: Mittelkri~ftig gebautes Kind in gutem Ernfi~hrungs- zustande Geringe Rhinitis und Pharyngitis Keine adenoiden Vegetationen oder Vergr6Berung der Tonsillen. Abendtemperatur 37,i o.

Umgebung des l i n k e n Ohres: Geringe Schwelluag der Weichteile fiber dem planum mastoideum, geringe Infiltration der Spitze: m~Big starker Druckschmerz.

Geh6r~ang und T r o m m e l f e l l b e f u n d des linken Ohres: Welter fi, uBerer Geh6rgang, Trommelfell ger6tet, im hinteren und oberen Teile stark vorgew6ibt mit kleiner pulsierender Perforation Rinne negativ. Fltistersprache links in t m Eutfernun~ geh6rt.

T h e r a p i e and K r a n k h e i t s v e r l a u f : Paracentese deslinken Trom- melfells, ¥erband, Bettruhe. Bindenstauung 22 Std. pro die.

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3. Oktober. Patient ist schmerzfrei. Sebr profuse Eiterung. Im Eiter (Ausstrich and Kulturverfahren) Staphylokokken laureus) and geringe Menge Streptokokken.

5. Oktober. Bestes Wohlbefinden, keine Sehmerzen, Parazentesensehnitt klafft weir, reichliche Eiterabsonderung. ~tarkes 0dem hinter der linken Obrmusebel, soda~] die Falte am Ansatz der ~uschel fast verstrichen; Druck- schmerz fiber dem Planum. Leichte Temperatursteigerungen.

6. Oktober. Zunehmendes Odem hinter and fiber der ObrmuscheL Bestes Allgemeinbetinden. Abendtemperatur 38,4o.

7. Oktoper. ()dem unveri~ndert, unsicheres Fluktuationsgefiihl dicht am Ansatz der Ohrmuschel; kleiner Einsebnitt bis auf den Knochen, kein Eiter, nur Stauungs6dem der Weichteile. GehSrgsng welt, TrommelfeU nur teicht abgeflacht, d er E~ter aus der Paukenh~hle bat guten Abflul$.

10. Oktober. Odem geringer geworden, J~iinsehnitt hinter der Ohrmuschel verklebt. Oh~'betund unverftndert.

15. Oktober. Allm~thlieher Biiekgang des (~dems. Gerlnger Druck- scbmerz im vor~'eren Teile der bpitze. Geringe lnfiltratlon daselbst. Zeit- weise leiehte Abendtemperaturen.

25 Oktober. Patient ist frei yon Schmerzen, kein (3dem hinter dem Ohr; auch der Druckschmerz ist geschwunden. PaukenhShls trocken, kleine trockene Perforation im hinteren Teile des Trommelfelles. Stauung t~l ich 10 Stunden.

29. Oktober. Zustand unverAndert gut. Stauung wird fortgelassen. 10. November. Keine Beschwerden, auch auf Druek hinter der Ohr-

muschel keine 8ehmerzen. I~eine Schwellung Ohr troeken geblieben. Patient wird geheilt entlassen. Fltistersprache links 2--3 In.

Fall 6. F r i e d r i cb P6 s ch e l , 16 Jabre alt, Sehreiber aus Delitzsch. Aufgenommen am ;~. Oktober, geheilt entlassen am 10. November ]907. A n a m n e s e : In tier Naeht veto 28. zum 29. IX. erkrankte Patient

ohne bekannte Ursache mit Stechen und Klopfen im reehten Obr; diese Beschwerden wurden in den nhchsten Tagen hefliger, so da~ er am 3. X. in die Rlinik sich aufnehmen lieI~.

t a t u s p r a e s e n s : Patient ist kraftig gebaut and gut gen~hrt, bat aut~er seinem rechtsseitigen Ohrenleiden keine 13eschwerdeu. Kein Fieber.

U m g e b u n g des r e c h t e n Ohres ohne Besonderheit. G e h 6 r g a n g und T r o m m e l f e l l b e f u n d : Welter Geh6rgang rechts,

troeken. Trommelfell stark gel6tet, sieht wie mit feinem Mehlstaub bestreut aus Hammer infolge der difl'usen l~6te kaum zu e~kennem Flfistersprache rechts in 2 m Entfernung geh0rt.

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : Paracentese des Trommelfells, ]eichter Verband; Bindenstaunng 22 ~tunden t~glich.

7, Oktober. Schon am Tage nach tier Aufnahme keine Beschwerden. Kleiner Schlelmhautprolaps im Trommelfellschnitt. ]m Paukenh6hleneiter meist nur Staphylokokken.

13. Oktober. StArkere Vorwflbung des Trommelfells, Eiterretention durch Schleimbautprolaps, Erweiterung der Paracentesen6fi'nung.

21 Oktober. Rechtes Ohr trocken, kleine troekne Perforation im hinteren Trommelfellteile. Stauung thglieh nur 6 Stunden.

1, November. Eiterung nicht wieder aufgetreten, Perioration geschlossen. Fliistersprache reehts in 4 m Entfernung geh6rt, Stauung seit einigen Tagen fortgelassen.

it*. November. Patient geheilt entlassen.

l~all.7. Emma Hopfe , 18 Jahre alt, DienstmAdchen aus Gimmritz. Aufgexiommen am 3. Juni 1907, geheilt entlassen am 18. August 19o7.

Anamnese: Vet etwa 3 Wochen erkrankte Patientin an starkem Sehnupfen und B~sten: 8 Tage sp[tter trat starke Sehwerh6rigkeit beiderseits auf, zeit- weise ~ i t 8techen in beiden Ohren. Da die SchwerhOrigkeit und die Schmerzen allmAhlich zunabmen, kam Patientin am 3 Juni in die hiesige P'oliklinik und wurde am seiben Tage in die stationAre Klinik aufgenommen.

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Klin. Erfahrungen (lb. d, Behandlung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 101

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Weiterer Tomperatur- verlauf normal

~ m m ~ i N N I N l m U N n ~lmmmmmmmmlmnu ~ I|NINNINNNNUIIHNINmNNIIt~I ~ ININIINNNIINIINNIINNINN/NNI ~mnmmm~mm~dmnm+ ~ mmunmmmmunnmmnnnm ~ p u m p . m . . . m p m ~ ~

i ~ IO i lWIWl i l i l l l l JNNRi lN lU l iNgBRb, ' l ln

Operation

W'elterer Tempe- raturverlauf his

zum 10. Juli normal

P~ntese ~,

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102 VII. ISEMER

S t a t u s p raesens . Patientin ist k~aftig gebaut, in gutem Ernabrungs- zustande und sieht bliihend aus. An den l~rust nnd Bauchorganen normaler Befund. Es besteht starl~er 'Nasen und Racbenkatarrh; keine Vergr6J~erung der Gunmen und Racbenmandel. Keine Temperatursteigerung.

Um~ebung der Ohren : ohne Besonderheiten. G e h f r g a n g und T r o m m e l f o l l b e f u n d : Der ~tu~ere Geh6rgangist

beiderseits welt. ohne Sekret Die Trommeltelle sind gut zu tiberseben~ an beiden Tremmelfellen Zeicben eines akuten Katarrhs, das rechte Trommel- fell ist leicht abgeflacht, das linke zeigt geringe VorwSlbung.

F u n k t io n s p r fi fun g: Leise Flfistersprache wird beiderseits in knapp 1 m Entfernung geh6rt C~ ~ird vom Scheitel nach links lateralisiert, hohe Tfne (Fis ~4) werden beiderseits auf leisen Anstrich der Stimmgabel wabr- genommen. R~nne beiderseits negativ.

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u i : I~ettrube. Jodpinselungum die Ohrmusche}, Gnrgelwasser. Jeden 2. Tag je eine 5tunde schwitzen.

5. Jnni Das Allgemeinbcfinden hat sich wesentlicb gebessert; auBer SchwerhSriukeit hat d~e f'ati~ntin keine Klagen. Ohrbefund unverhndert~ ~asen- und Rachenkatarrh fast geheilt.

7. Juni Wahrend der letzten ~acht traten wieder Scbmerzen im linken Ohr auf; zunebmende l~Stung und ¥mwSlbung des linkcn Trommeltells. Leichte Temperaturen.

9 Jnni. Die Schmerzen sind im ]inken Ohr sthrker geworden, so dab die ~Nacht dadurch sehr gestSrt war. Hinter der Ohrmuschel geringer Druck- schmerz und leichte Schwellung Der hintere obere Tell des Trommelfetla ist starker vorgewSii,t ats bisher. Parazentese des linken Trommelfells, wobei unter Druck stehender Eiter sich entleerte. Zunehmende Tempe- raturen Bin(lenstauung 22 Stunden pro die.

t l. Jnni. Patientin ist frei yon Schmerzen; reichliche Eiterabsonderung aus der klaffenden Parace~,teseniifthung. Hinter dem hnken 0bre zunehmende Schwellung. Im Eiter (Abstrich wie kulturell) wurden Diplokokken und vereinzelt Streptokokken gefunden. Kein Fieber.

13. Juni. Patientm hat keine Klagen. Gr(JSer kalter Abszel~ in der Gegend des Planum. lnzision desselben, wobei sehr viet Eiter sieh ent- leerte. Ein Durchbruch im Knoehen nicht nachzaweisen; loser Gazestreifen in die Inzision, Verband.

15. Juni. Schwetlung hinter dem linken ()hr geschwunden, ausder Inzision nur geringe Eiterabsonderung. Heftpflasterverband. Starke In- filtration des linken Gehfirganges.

19. Juni. Die Patientin befindet sich bei der 8tauun~sbehandlung sehr wohl und hat den Wunsch, ¢ntlassen zn werden. Die Wunde hinter der linken Ohrmnschel ist geheilt, keine Schweilung oder Drnckempfindlichkeit in der Um~ebung derseli)en I)a jedoch n(~ch m~l]ig starke Eiterung ausde r Paukenhiihle besteht, bteibt Patientin noeh in der ktinischen Behandlnng. Die Behandlung besteht nach wie ~or nur in Bindenstauung, 22 Stunden pro die und Austupft.n des (iehSrganges und Vorlegt.n eines Gazestrei[en.

25. Juni Die Eiterabsonderung aus der Paukenhfhle ist wesentlich geringer gewordcn, l)er Iinke Geh6rgang ist wiedtr normal welt, das Trommelfell ist trtibe, wenig ~erfitet, kleine Perforation im hinteren Tell desselben. Bestes Allgemeinbefinden der Patientin.

9. Juli. Geringe Paukenhfhleneiterung h~lt an; das bisherige Be- finden der Patientin war iiberaus zuiriedenstellend; nie wurden irgen4 welche Klagen geanl]ert. Erst seit heute klagt die Patientin fiber Ein- genommensein des Kopfes~ allgemeine ]Mattigkeit und hppet~tlosigkeit. Die ganze Warzenfortsatzgegend Ieicht; druckempfindhch; keine 5chwellung in der Gegend des linken Ohres. Der otoskoplsche Befund ist unverhndert. I~ein Frfsteln. Puls 96, nieht ganz regelmai3ig, auflatlend gespannt. hbendtemperatur 37,4%

tu. Juli. Gegen Abend des ~estrigen Tages setzten p l f i t z l i c h heftige linkssei~ige hopfschmerzen ein, die w~brend der ~acht so heftig wurden, dal~ Patientin zu ibrem Tisehmesser griff~ um sich das Leben nehmen zu wollen. Dureh die ~achtwache wurde sie darau verhindert.

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Kiln..Erfahrangen tlb. d. Behandlung v. akat. Mittelohreiterungen etc. 103

Anhaltenc]es St6hnen; auch durch Morphium keine Linderung der Kopf- schmerzen. Bei d~r blorgenvisite ~ar Patientin sear aufge~egt, stShnte fortw~brend und raufte sich wiederholt vor Sehmerzen die I-]aare. Auf Fra~en gab sie zur Antwort, daI~ sie es infolge hefti~er linksseitiger Kopf- scbmerzen nicht mehr ausbalten k6nnte. Es bestand eiue leichte Schwel- lung and miii~ig starke Druckempfindlichkeit hinter der linken Ohrmuschel; der Ohrbeiund war sonst unverand(~rt. Der Augenbefund war normal. Pals 12~--13o Schlage, sehr gespannt, nicht aussetzend. Mor~entempera- tar 3%50 und stieg gegen lo Uhr vormittags auf 4(J °. T y p i s c h o Auf- meil :Jelung l i n k s : W e i c h t e i l e speek ig i n f i l t r i e r t , n a m e n t l i c h in der Gegend der Sp i t ze and u n t e r h a l b d e r s e l b e n ; K n o c h e n s e a r b l u t r e i c h , u n t e r h a l b des p l a n u m m a s t o i d e u m in L i n s e n - gr61]e s e h w i i r z l i c h - g r f i n ve r fh rb t . Bei den e r s t en Meii~el- schlf tgen z u r E r i i f f n u n g des A n t r u m q u i l l t u n t e r sehr hohem D r u c k s t e h e n d e r d f inne r E i t e r aus der Tiefe . l~aeh For t - nahme des P l a n u m s ieh t man eine grofie mi t E i t e r e r f i i l l t e 1-16hle, die das A n t r u m and das ganze l n n e r e der W a r z e n f o r t - s a t z sp i t ze e i n n i m m t and die zum Tel l g r au - schwarze Granu - l a l i o n e n en tha l t . Der Sinus s igmoideus l iegt in tiber Bohnen- gr6I~e frei und is t mi t grau schwarzem G r a n u l a t i o n s p o l s t e r bedeckt ; das tegmen a n t r i i s t zum gr6J~ten Tel l z e r s t6 r t and is t da se lb s t die i r e i l i e g e n d e Dura e b e n f a l l s mit schwhrz l i ch ge° f a rb tem G r a n u l a t i o n s p o l s t e r bedeckt . Bei Druck auf die Hals - gegend u u t e r h a l b der 8pi tze qui l l t viel E i t e r aus der Knochen - wunde. F o r t n a h m e des g r6 l~ t enTe i l e s der Spi tze und zeigt s ich h i e rbe i in der Gegend d e r I n c i s u r a ein k l e i ne r K n o c h e n d u r c h - bruch. Dra in in das Antrum~ Yerband.

12. Jali. Am Ahead nach der Operation fiihtte sich die Patientin fast frei yon Schmerzen. Die Nacht war rubig, auch don ganzen Tag fiber gates Allgemeinbefinden. Abendtemperatur 38,7 °.

13. Jail. Patientin ist frei yon Schmerzen and nimmt bereits regen Anteil an den ¥org~ngen in ihrem Krankenzimmer; kein Fiober.

15. Juli. Bestes Allgemeinbefinden. Verbandwecbsel: Die Oranu- lationen haben sich zum Tell gereinigt; noch geringe Paukenh6hleiterung. Normale Temperatur.

22. Juli Paukenh6hle trocken, Wunde hinter der Ohrmuschel frisch rot~ wesentlich (lurch fr~seh rote Granulationsbildung verkieinert. Patientin ist seit eini~-en Tagen aui~er Bett.

Der weitere Wandverlauf war ein normaler. Am 18. August konnte die Patientin als geheilt entlassen werdeu.

O b r b e f u n d : links, Geh6rgang welt, trocken. Trommelfell leicht getrfibt, Liehtkegelreflex zum Tell vort,anden. ~arbe im hinteren Tell des Trommeltells. PaukenhShle frei yon Flilssigkeit. Ftfistersprache links in 3 m Entfernung gehSrt. Gate Yernarbung der Wunde hinter der Ol~r- muschei.

F a l l 8. A n n a S i e b e c k , 23 Jabre alt, Bergmannsfrau aus Tent- sehental. Aufgenommen am 25. Juni~ geheilt entlassen am 7. Juli 1907.

A n a m n e s e : Anfang Juni klagte die Fatientin ohne bekannte Ur- sache fiber stechende ~cbmerzen im liuken Oar; einige Tage spater trat aus dem lmken Oar eitri~er AusfluB mit etwas Blut ein, worauf die Schmerzen nac'hliel~en. Etwa 8 Tage vor ihrer Aufnahme in die Klinik bemerkte die Patientin eine Anschwellung hinter der linken Ohrmusehel~ die aUmahlich starker wurdei gleichzeitig setzten auch wieder heftige Ohr- schmerzen ein.

~eit zwei Tagen soil die Ohreiterung sehr gering sein. S t a t u s p r a e s e n s : Kraftig gebaute, gut genahrte Patientin. Die

inneren Organe sind gesund. Gegenwartig klagt die Patieutin fiber heftige 8chmerzen im hnken Ohr and der ganzen linken Kopiseite.

U m g e b u n g des l i n k e n Ohres : Starke Schwellung hinter der

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104 VII. ISEMER

linken Ohrmuschel, so dab dieselbe sehr absteht; die Baut fiber der Sehwellung ist geriitet, schwappender Abszel~ unter der Haut.

GehSrgang and T r o m m e l f e l l b e f u n d des l i n k e n Ohres: Wetter iul~erer GehSrgang, fast trocken. Tromraelfell ger5tet, im hintern Tell zitzenfSrraig vorgewSlbt. Haramergriff kaura zu erkenaen. Flfister- sprache in 1/2 ra Entfernung.

T h e r a p i e und K r a n k h e l t s v e r l a u f : Sofortige Paracentese des linken Tromraelfells, wobei sich reichlich Eiter entleerte. (Ira Eiter warden sowohl durch Abstrichpriparat win auch kulturell nur Staphylokokken gefunden; hygienisches Institut.) Incision des Abszeses hinter der Ohr- rauschel, sehr reiehliche Eiterentleerung. Im Ptanum ein fast linsengrol~er Knochendurchbrach, durch den man rait~der Sonde anscheinend ins An- tram gelangt; nach der Sondierung quillt Eiter aus dera Durchbruch naeh. Gazestreifen in die Inzision, Verband. Bindeastauung nach Bier 22 Stunden pro die. Bettruhe.

27. Juni. Patientin ist fret yon Schmerzen; die Schwellung hinter der Ohrrauschel ist kaum noch wahrzunehmen, aus tier Inzision noch sehr reiehliche Eiterabsonderung. Ira GehSrgang nut wenig Eiter. tim Eiter aus dem Abszel~ hinter der Ohrrauschel warden nnr Staphylokckken ge- funden --hygienisches lnstitut). Patientln ist aufier Bett. Kein Fmber.

30. Juni. Die PaukenhShle ist trocken, kIeine Perforation ira hinteren unteren Teile des Tromraelfells. Es besteht noch geringe Eiterabsonderung aus der Inzision hinter dem 0hr, die sich durch Granulationsbildung wesentlich verkleinert hat. Heftpflasterverband.

2. Juli. PaukenhShle trocken, noch immer geringe Absonderung aus der kleinen Iuzisions0ffnung hinter dera Ohr. Stauung tAglich nur 12 Stunden.

5. Juli. Tromraelfell leicht getrlibt rait angedeutetem Lichtreflex. Perforation gesehlossen. Beim Catheterismus der linken PaukenhShle hSrt man reines Blasegerausch. Auch die Wunde hinter der Ohrmuschel ist vernarbt~ keine Schwellung oder Druckempfindliehkeit der Warzenfortsatz- gegend. Bindenstauung wird fortgelassen.

7. Juli. Die Patientin ist ohne Beschwerden. Der Ohrbefund links ist bis auf eine leichte Trtibung des Tromraelfells und der kleinen iNarbe im hinteren Tell desselben normal. Fltistersprache wird links in 3 ra Entfernung gehiirt Patientin wird geheilt entlassen.

12. August. Patientin stellte sich heute vor. Der Heilungszustand war yon Dauer. Nach Catheterismus hCirt Patientin mit dera linken Ohr Fltistersprache in 5 m Entfernung.

Fall 9. E r i c h Berger , 17 Jahre alt, Motkereigehiilfe aus Glessin. Aufgenommen am 14. September t907; entlassen am 28. Oktober 1907.

A n a m n e s e : Anfang September erkrankte Patient im Anschlat~ an nine heftige Erkiltung mit SchwerhSrigkeit und geringen Schraerzen ira linken Ohr. Wenige Tage spiter (am 8. September) stetlte er sich in der hiesigen Ohren-Poliklinik vor und wurde daraals ein geringer akuter Mittel- ohrkatarrh links festgestellt; aus iul~eren Grfinden konnte der Patient erst am 14. September in die Klinik aufgenomraen werden. Bet der Aufnahrae gab Patient an~ dab in den letzten Tagen mit Zunahrae der Schmerzen ira linken Ohr nine hnschweltung hinter der linken Ohrmuschel aufgetreten wire. Infolge der heftigen Schraerzen hitte der Patient die letzten ~Tichte nicht schlafen kSnnen.

S ta tus p r a e s e n s : Patient ist kriftig gebaut, in gutera Ernihrungs- zustande; an Brust- und Bauchorganen norraaler Befund. Er klagt fiber heftige bohrende Schmerzen ira linken Ohr und der ganzen linken Kopf- seite. Temperatur 38,2%

U m g e b u n g des l i n k e n 0 h r e s : Hinter der Ohrmusehel geringes 0dem, starker Druckschraerz in der Planumgegend. Reehtes Ohr ohne Besonderheiten.

G e h S r g a n g and T r o r a r a e l f e l l b e f u n d : L i n k e s Ohr: GehSr- gang welt, trocken. Das Tromraelfell ist ger(itet, im hinteren Teile stark

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Klin. Erfahrungen fib. d. Behandlung v. akut. Mittelohrciterungen etc. 105

vorgew61bt; Hammergriff undeutlich zu erkenneu. Flfi~tersprache 1 m. Fisa auf Kuppenanstrich, C ~ nach links lateralisiert, Rinne negativ.

T h e r a p i e und K r a n k h e i t s v e r l a u f : Es warde sofort nach der Aufnahme des Patienten die Paracentese des linken Trommelfelles ge- maeht, wobei sich unter hohem Druck stehender ~Eiter entleerte tim Eiter wurden sowohl im Abstricbpr~tparat wie auch kulturell Streptokokken und vereinzelte Staphylokok- ken nachgewiesen): Ver- band, Bettruhe, Binden- stauung nach Bier~ 22 Stunden pro die.

15. September. Patient butte eine sehr ruhige :Nacht, klagt nur fiber ge- tinges Eingenommensein des Kopfes. Sehr profu- se diinnflfissige Eiterung links~ weites Klaffen der Paracentesen6ffnung. Um- gebung des linken Ohrs ~mver~ndert.

17. September. Allge- meines Wohlbefiuden, ma- i~ige Schwellung hinter der linken Ohrmuschel, Falte ~ur leicht abgeflacht. Kein Druekschmerz hinter dem Ohr. Sehr profuse Eiterang, so dab der in den Gehfrgang eingeffihrte Gazestreifen meist nile 3 Stunden gewechsel~ wet- den mu/]. Kein Fieber. Patient ist teiiweise augor Bert.

19. September. Patient ftihlt sich aasgezeichnet wohl~ hat keinerlei Be- schwerden. Die Eiterung aus dem linken Ohr noch reichlich, abet geringer als bisher. Geh6rgang weir, Trommelfell wenig gerOtet, Trommelfellschnitt klafft welt, so dab man die maflig geschweilte Pau- kenschleimhaut durch den TrommelfeUspalt sehen kann; geringe Schwellung fiber dem Plauum. Die Stauung wird gut vertragen

20. September. Das gt~te Atlgemeinbefinden halt an. Die Schwellung hinter der iinken Ohr-

"~Veitorer Tomperatur- vorlauf normal

/ o iHIlNN~NINNIPlNIWINNi ~ I|I|IIINIIlNNINNIlNMIINNilIN mmummmmm u, mmut oaumnmmn lmunm ° Imlliii~!INIIINlllNNlmNl °[:Im / mamiaul

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muschel ist wesentlich starker geworden, so dab die Faite am Ansatz der Ohrmuschel verstrichen ist. Geringe Infiltration unterhalb der Warzen- fortsatzspitze; kein Fieber.

21. September. Weitere Zunahme der Schwellung und Infiltration hinter der linken Ohrmuschel; keine R6tung der Haut, kein Druckschmerz. In der Tiefe der Schwellung fiber dem Planam Fluktaationsgeffibl.

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106 VII. ISEMER

22. September. Bet bestem Allgemeinbefinden hat sich fiber dem Planum des linken Warzenfortsatzes ein grel~er kalter AbszefJ gebildet; kleine Inzisien auf der H6he des Abszesses, wobei si('h etwa 1 Efil0ffel yell rabmigen, nicht fStiden Eiters entleert. Der Knochen der Planum- ge~end tfiblt sich ]eicht rauh an, man glaubt mit der 5fade in ei~em Darchbrach im Knochen zu sein; loekerer Gazestreiten in die lnzision~ Verban4.

24. September. Patient ist stets fret yon Beschwerden und ist seit t~ngerer Zeit nailer Bett. Die Eiterung aus der Paukenh6ble ist mM~ig stark, otoskopischer Befund unver~ndert. Die Sehwellung hinter der linken- Obrmus('hel ist sehr gering, aus der Inzision no('h geringe Eiterabsonde- rung, dtineer Verband.

27. September. Die ]nzision hinter der linken 0hrmuschel ist ver- klebt, kaum merkliche Schwellung in der Umgebung derselben, bestes Allgemeinbefinden

2,9. September. Heute Ahead bet b i s h e r i g e m b e s t e n Woh l - b e f i n d e n p lOtz l i ch l e i c h t e s F r 6 s t e l n . M a t t i g k e i t , A p p e t i t - l o s i g k e i t und Unruhe . Abendtemreratur 39,5 °. Infiltration der bpitze. Ohrbefund unverhndert.

3(~. September. W~hrend der Nacht sehr heftige, bobrende Schmerze~ in der linken Kopfseite, gegen Mi[ternacht ein etwa 5 Minuten anhaltender Sehfittel[rost, danach starker SchweiBausbrmh. Kein Appetit, grol~e Uebel- keit. Der sofist l~r~ftige Patient sieht sehr elend aus. Puls am Morge~ 92 Scbl~ge in der Minute, zeitweise sehr nnre~elmM~ig. Patient stiibnt wiederholt und gibt auf Be~ragen kaum Antwort. T y p i s c h e Auf- me i~e lung l inks. "VYeichteile i n t i l t r i e r t , sehr b tu t re ich . Die P i a n u m g e g e n d des Knoehens zeigt ve rmehr t e B l u t p u n k t e , ke in D u r c h b r u c h dase lbs t . S t a r k e s V o r s p r i n g e n d e r l i n e a t e m p o r a l i s , s t a rke L e i s t e n b i l d u n g und e n t s p r e c h e n d e V e r t i e f u n g e n auf dem P l a n u m Der vo rde re Tel l der Sp i tze l e i c h t g r i i n l i c h - g e l b ver- fg.rbt und is t der A n s a t z t e i l des Y~usculus s t ~ r n e c l e i d o - m a s t o i - deus d a s e l b s t sehr i n f i l t r i e r t . F o r t n a h m e des P l a n u m mi t dem Mei~el , wobei u n t e r h o h e m D r u c k s t e h e n d e r E i t e r s i chen t l ee r t~ Man g e l a n g t so fo r t in e ine grol~e mit g r a u s c h w a r z e n G r a n n - l a t i o n e n ansgef iHl te E i t e r h 6 h l e , die sich aueh each ul, ten wel t in die Spitze h i n e i n e r s t r eck t . ~ a c h E n t f e r n u n g e ines Te i les der b ] u t r e i c h e n G r a n u l a t i o n s ieh t man, dab die ~ u l c u s w a n d und d a s T e g m e n A n t r i ~ 0 1 1 ~ g ze r s t i i r t s ind und d i e D u r a d e r m i t t l e r e ~ Scbhde l~ rube und d e r S i n u s s i g m e i d e u s bis fas t z u m K n i e h i n a u f mit z r a u - s c h w a r z e n G r a n u l a t i o n e n b e d e c k t s i n d F o r t n a h m e d e s g r6~ten Te i les der Spi tze , die ganz mit schmie r igen G r a n u - l a t i o n e n erfi~llt ist. Die C o r t i c a l i s im vo rde ren Tel l der Sp i tze n a h e dem Durchb rucb . D r a i n , Verband.

1. Oktober Patient bat die :Nacht rnhig zugebracht, k]agte am Morgen nur iiber geringe Benommenheit und anhaltende Uebeikeit, den ganzen Tag fiber mehrfach Erbrechen; kein FrostgefiihL Puls 98, rege!- mid}ig, Abendtemperatur 3!~,~t°

?. Oktober. Auch heute noch zweimal Erbrechen. Patient liegt ruhiz da, nimmt keinen Anteil an den ¥org~ngen in seiner Umgebung. Auf Fragen gibt er nur kurze aber sinngem~l~e Antworten; er klagt zeit- weise iiber hettige tinksseiti~e Kopfschmerzen. Abendtemperatur 39,4 (~ VerbandswechseL Wunde schmierig belegt. Eeginnendes Erysipel

;L Oktober. Zustand unverandert, einmaliges Erbrechen; kein Frost- ~effih]. Yerbandwechsel. Die Granulationen zeigen zum Tell schmierigen Belag. Gerin~e Eiterung aus der Paukenhohle. Erysipel each der Wange zu weitergeschritten

~4. Oktober. Das apa|hiscbe Wesen des Patienten halt an. Erbrechea ist nicht wieder aufgetreten; sehr geringe :Nahrung.sautnahme. Augenbefun4 normal, keine ~ackensteifigkeit oder Druckempfindliehkeit des ~aekens. Puls 120, regelmhl~ig. Abendtemperatur 4o, I% Erysipel unverii~ndert

5. Oktober. Patient sieht heute friseher aus und nimmt auch mehr

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Klin. :Erfahrungen rib. d. Behandlung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 107

btabrung zu sich. Erysipel ist nicht welter geschritten. Langsamer Tern. peraturabfall.

7. Oktober. Patient erholt sich al]m~.hlicb, ist fieberfrei. Die Wunde hat sich wesentlich gereinigt.

12. Oktober. Die Paukenh6hJe ist fast trocken. Das Erysipel ist geheilt, l~ppige Granulationsbildung in der Wunde.

17. Oktober Paukenh6hle ~rocken, keine trockene Perforation im hinteren Teil des blassen Trommetielles. Die retroaurtkulare Wunde hat sich wesentlich verkleinert. Patient ist auger Bett.

25. Oktober Die Wnnde hinter der Ohrmuschel ist geheilt. Das Trommelietl ist trtibe, die Perf, ration hat sieh geschlossen. Flfistersprache links in 3 m Entfernung. Patient wird in den nf~chsten Tagen als geheilt entlassen werden.

Wie aus den vorliegenden Krankengesebiebten ersiehtlieb, waren es nur akute Falle yon Mittelohreiterungen, bei denen die Stauungsbebandlung naeh Bier angewendet wurde. Die his- her mitgeteilten Erfolge der Stauungsbehandlung bei ehronisehen Fallen sind fast durchweg so ungiinstig, daI~ wir davon absahen, sie auch bei solehen zu versuehen.

Als atiologisehes Moment kamen fur einen Teil der Fiille in Betraeht: Erkifitung und Sehnupfen; in 5 Fallen konnte eine besondere Ursaehe ftir die Entstehung des Ohrenleidens nieht ermittelt werden. Voraufgegangene Infektionskrankheiten, namentlieh Seharlaeh und Maser~ wurden in allen Fallen in Abrede gestellt. Soweit die Anamnese und der otoskopisehe Befund ein Urteil zulassen, batten fast file Patienten eine wesent- liehe Obrerkrankung bisher noeh nieht dm'ehgemaeht.

Das Alter der Pafienten war versebieden und sehwankte zwisehen 7--38 Jahren. Im allgemeinen waren alle Patienten yon kraffiger Konstitution und abgesehen yon ihrem Ohrenleiden vSllig gesund. In keinem der Falle konnten vergrSl~erte Raehen- mandeln oder adenoide Wueherungen im Nasenraehenraum naeh- gewiesen werden.

Von den 9 Fiillen waren bei tier Aufnahme 3 ohne Warzen- fortsatzkomplikationen und 6 mit mehr oder minder sehweren Erkrankungen des Warzenfortsatzes. Bei einem Fall (7) trat erst am 6. Tage der Krankenhausbehandlung im Ansehlul~ an einen sehr hefiigen Sehnupfen Sehwellung und Sehmerzen hinter tier Ohrmusehel auf. Nur einmal (Fall 8) war sehon bei der Aufnahme ein subperiostaler Abszef~ tiber dem planum mastoideum naehWeisbar.

Die mikroskopisehe Untersuehung des Eiters erfolgte in den meisten Fallen im hiesigen hygienisehen Institut. Sowohl aus dem GehSrgang resp. dem Trommelfellsehnitt wie aueh aus den

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108 VII. ISEMER

erSffnetea subperiostalen Abszessen und OperationshShlen wurde Eiter hierftir eutnommen. Die Stauungsbehandlung besehritnkte sieh bei allen Fallen nur auf die Bindenstauung, und zwar waudten wit, ebenso wie bei unseren fl'iiheren Versuehen zur Stauung elastisehe Gummibiuden (Baumwolleugummiband) an t die zum Sehutz far" die Haut mit eiuer einfaehen Lage einer gut dehnbaren Mullbinde gefilttert waren. Die Breite dieser Binden betrug in allen nnsern Fiillen 3 em. Dnreh Haken und Osen wurde eiu leiehtes Sehliel~cn derselbea ermSglieht und man war dureh diese Yersehlu~eiuriehtung ferner jederzeit in der Lage, die Sffh-ke der Stauung dureh Weiterhaken entspreehend regulieren zu kSnnen. Die Dauer der Stauung sehwankte zwisehen 20--22 Std. titglieh und wurde der fortschreitendeu Heilung eutspreehend allmahlieh auf weniger StaMen reduziert, um schliel~lieh, meist erst mehrere Tag'e naeh AnfhSren der Entziindungserseheinungen~ ganz fortgelasseu zu werden. Die Stauungspausen erfolgten stets am ¥ormittage und wurde naeh Abnahme der Binde der Hals mit Kampferspiritus ubgerieben, um ein Wundwerden der Haut zu verhiiten. Abszesse fiber dem Warzenfortsatze wurden sofort dureh kleinere Hauteinsehnitte gespalten~ und ebenso erfolgte bei VorwSlbung des Trommel- fells mit Eiterretention die Paraeentese des Trommelfells. Da~ aueh namentlieh w•hrend der Naeht die Lage der Stauungsbinde sorgfiiltig kontrolliert wurde, sei hier nebenbei erwithut. Nur hierdureh wird man eine willktirliehe Veranderung der Lage der Binde dutch die Patienteu verhindern nnd vor Entt~usehuugen bewahrt bleiben.

Von den 9 oben mitgeteilten F~tllea kamen 7 Falle zur Heilung, uud zwar wareu hierunter 3 F~lle mit teilweiser, nur geringer Miterkranknng" des Warzenfortsatzes und 1 Fall (8) mit ausgesproehener Mastoiditis und bereits vorhandenem sub- periostalen Absze[~ hinter der 0hrmnsehel. 2 Falle (7 und 9) mul~ten, t ro t zdem wi t b i e r die S t a u u n g bis zum Au~ier- s ten f o r t g e s e t z t b a t t e n , operiert werden.

In allen F~llen trat, wie wir dies bereits bei unsereu frliheren Beobaehtungen hervorgehoben hatten, die s ehmerz - s t i l l e n d e Wi rkung der Stauungsbehandlung hervor. Sehon oft wenige Stunden naeh Aulegen der Biude sehwauden die heftigsten Sehmerzen und zum ersten Male seit vielen Tagen fanden die Patienten rahigen Sehlaf. Auf diese schmerzstillende

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Klin. Erfahrungen iib. d. Behand]ung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 109

Wirkung dor Stauungsbehandlung kommen wit spitter noeh zuriiek.

Von den g'eheilten 7 Fallen waren, wie sehoa erw~thnt, 4 Fi~lle mit Komplikationen yon seiten des Warzeufortsatzes und 3, bei denen nur eine Paukenh~ibleneiterung bestand. Diese letzten 3 F~lle heflten unter der Stauungsbehandlun~ in kurzer Zeit, im Durchschnitt in etwa 2 Woehen. Aueh die tibrigen 4 FStlle mit mehr odor minder ausgesproehener Mastoiditis kamen ohne ErSffnung des Antrum zur Ausheilung.

Bedingt war die Eiterung in allen diesen unter der Stau- ungsbehandlung geheilten Fallen vorwiegend dureh Staphy- lokokken, nur ganz vereinzelt wurden in den Kulturen aueh Streptokokken und versehiedene andere Bakterien gefunden. Auch hier zeigte sieh also die verhaltnismal~ig geringe Yirulenz der Staphylokokken im Vergleieh zu anderen Bakterien, nament- lieh den Streptokokken. Es sei hier nur hingewiesen auf die aus- ftihrliehe Arbeit L e u t e r t s 9, in der er dureh seine eingehenden bakteriologischen Untersuehungen auf die geringere Virulenz der Staphylokokken im Ohreiter hiuwies.

Von besonderem Interesse ist der Fall 8, weleher mit aus- gesprochener Mastoiditis und bereits bestehendem subperiostaleu Abszel~ in der Gegend des Planum mastoideum zur Aufnahmo kam. Den bisher bei der Stauungsbehandlun~ gewahrten Grund- s~tzen entspreehend, wurde der subperiostale Abszel5 dureh eine kleine Inzision entleert; hierbei zeigte sieh, da~t bereits ein Knoehendurehbrueh in der Cortiealis des Planum vorhanden war~ aus dem naeh der Entleerung des Abszesses und Abtupfen der Planumgegend Eiter naehquoll; in diesem Eiter konnten nur Staphylokokken naehgewiesen warden. Die Inzisiou dieses Abszesses wurde l~nger als sonst iiblieh durch einea Tampon often gehalten~ und noeh mehrere Tage lung entleerte sieh aus der Knochenfistel der Eiter. Aueh dieser Fall kam dann aI1- m~ihlich unter weiterer Stauungsbehandlung zur Ausheilung.

Bereits mehrfaeh ist yon anderer Seite (Keppler2), Heine3h

I) L e u t e r t , Bakt.-klinlsche Sfudien fiber Koml)likat. akuter und cbronischer Mittelohreiterungen. Dieses Archiv, Band 46.

2) K e p p 1 e r, Die Behandlung eitriger Obrerkrankungen mit Stauungs- hyperamie. Zeitschrift flir Ohrenheilkunde, Bd. 50, Heft 3, S. 223ff. und Miinchener reed. Wochenschrift 1905, No. 45, 46 u. 47.

8) H e in0, Verhandlungen der deutschen otologischen Gesellsch. 1905.

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FrSse 1) die Warnehmung gemaeht worden, dais Mittelohreite- rtingen mit Komplikationen des Warzenfortsatzes dana Neigung haben, unter der Biadenstauung auszuheilen, wenn bereits ein Knoehendurehbrueh in der Cortiealis vorhanden ist. Aueh Stenger2) seheint dies bei seinen Fallen beobaehtet zu haben, und darauf bin ist wohl aueh sein Vorsehlag zuraekzufahren, bei akuten Otitiden mit Komplikationen des Warzeafortsatzes neben der Stauungsbehaudluug dureh einen kleinen Kanal alas Antrum zu erSffnen und so dem Eiter im Antrum einen Abflufi naeh augen zu versehaffen.

Auffallend mug es jedoeh erseheinen, da[~, wie im vor liegemen Fall 8 aueh versehiedene iihnliehe F~tlle anderer Beobachter zur Ausheilung kamen, wahrend wiederum andere derartige Falle sieh trotz saehgemafler Stauung versehlimmer- ten, und erst die breite AntrumerSffnung zur Heilung ftihrte. Es mUssen hierbei noeh besondere Faktoren eine wiehtige Rolle spielen. Vor allem mui~ zunaehst in allen diesen Fallen der Naehweis getiefert sein, daft in der Tat eine Cortiealis- fistel vorhandeu war, und dies ist nieht immer leieht. Wir haben in dieser Hinsieht frtiher mehrfaeh Irrtiimer erlebt; in mehreren Fallen glaubten wir bei der Sondierung yon Inzisionen stark infiltrierter Weiehteile hinter dem Ohr Cortiealisfisteln zu konstatieren, die bei ansehliel~ender Mastoidoperation dann nieht vorhanden waren. Wenn z. B. Fr~iseZ) an einer Stelle schreibt: ,,Die Sonde trifft hinter den die Wunde erfiiIlenden Granulationen auf rauhea Knoehea und d,'in~t .hintea obea am Ptanum in ein Loeh der Cortiealis", so ist aueh hier, zumal das umgebende Gewebe in- filtriert war, nieht mit Sieherheit der Naehweis einer Cortiealis- fistel erbracht. Und ahnlieh liegen die Verhaltnisse bei Fallen anderer Beohaehter. Wir erlebteu es bisweilen~ daft sieh bei subperiostalen Abszessen tiber dem Planum kleine oberflaehliehe Cortiealissequester gebildet haben, unter denen noeh eine feste kompakte Kuoehensehieht aufzuweisen war. Ebenso gibt es Falle, in denen bei starker VerkrUmmung tier Warzenfortsatz-

It F r6se , Ein weiterer Beitrag zu den Erfahrungen bei der klinischen Behandlung yon Mittelohreiterungen mit Stauungshyper~mie nach Bier. Archly fttr Ohrenheilkunde, Bd. 7t, S. tff.

2~ S t e n g e r , Die Bier',-che Stauung bei akut. Ohreiterungen. Deutsche reed Wochenschrift ~9~6, No 6.

3) Fr f i se , Ein weiterer Beitrag zu den Erfahrungen bei der klinisehen Behandlnng yon Mittelohreiterungen mit Stauungshyper~mie nach Bier. Archiv flit Ohrenheilkunde, Bd. 71, S. lff.

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Klin. Erfahrungen rib. d. Behandlung v. akut. Mittelohreiterungen etc. 111

spitze naeh vorn and meist gleiohzeitig stark entwiekelter linen temporalis starke Leisten nnd Impressionen der Cortiealis der Planumgegend vorhanden waren ; erwfihnt set bier nur Fall 9~ we auch derartige Leisten and entspreehende Dellen der Corti- oalis vorhanden waren und we man beim Sondieren durch die kteine Inzision des stark infiltrierten Gewebes die feste Uber- zeugung hatte, mit der Sonde in einer Knoehenfistel zu seth, w~hrend spiiter bet der Operation es sich zeigte~ dab keine Fistel vorhanden war, soudern dab die Sonde in eine kleine mit Teilen der Abszei~membraa ausgeftillte Impression der Corti- ealis eingedrungen war und dadurch cine Corticalisfistel vor- get~tuseht wurde. In allen diesen Fiillen werden wit also vet Eat- titnsehungen nieht bewahrt bleiben. Nur dana wird man hier mit Sieherheit einen Knoehendurchbrueh annehmen kSnnen, wean man naeh Auseinanderhalten der meist stark infiltrierten Wund- r~tnder das Eindringen der Sonde in die Knoehenfistel verfolgen kann.

Als weitere Momente far den Heilungsverlauf dieser Fiille kommea in Betraeht: die Virulenz der Eitererrege5 und vielleieht aueh die anatomisehe Strnktur des Warzenfortsatzes, in dem die Eiterung sieh abspielt. Wie sehon, oben erwahnt, waren in dem vorliegenden Falle 8 Staphylokokken die Ursaebe der Eiterung, deren geringere Virulenz ja bekannt ist.

Welehe Rolle tier aaatomisehe Bau des Warzenfortsatzes bet den Heilungsvorgiingen spielt, dariiber wissen wir nur wenig. Y~s seheint, als wean bet der Staphylokokkeneiterung eta an pneumatisehen ttohlr~tumen reieher Warzenfortsatz, in welchem infolgedessen aueh ein reieherer BlutzufluB stattfinden kann, ftir die Heilung durch die Stauung gtiastigere Bedingungen gibt, als eta zellenarmer Knoohen mit festen kompakten Knoehen- massen. Dieser letzte Punkt jedoeh wird far die Entseheidung tier Frage: Sollen wir in dem vorliegenden Falle yon Ohr- eiterung stauen oder nioht, belanglos seth, da wir vet der Ope- ration doch hie in der Lage sein werden, uns ein Urteil tiber die anatomisehe Struktur tier Warzenfortsatzes zu bilden.

Zur Operation kamen, wie-aus den Krankengesehiehten ersiehttieh~ 2 F~tlle (7 und 9). In dem ersten dieser FKlle war naeh ether heftigen Erk~tltung mit Hasten und Sehnupfen eta akuter Mittelohrkatarrh beiderseits eingetreten, and in diesem Zustande war die Patientin in die Klinik aufgenommen worden. Trotz entspreehender Therapie trat naeh wenigen Tagen infolge

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des noeh bestehenden Nasen-Rachen-Katarrhs eine Versehlimme- rung des Leidens im linken Ohr auf, so dab die Paraeentese des linken Trommelfells gemaeht werden mufite. Gleiehzeitig wurde aueh die Stauungsbehandlung angewandt. Sehon am 2. Tage naeh Einleitung der Behandlung war die Patientin frei yon Besehwerden; dieses beste Wohlbefinden hielt welter an, trotzdem sieh in den niiehsten Tagen ein grolSer kalter AbszeB hinter der linken Ohrmusehel gebildet hatte. Der Abszef~ wurde dutch einen kleinen Einsehnitt entleert, die Heilung desselben ging ohne StSrung vonstatten. Die Patientin war, abgesehen yon der noch anhaltenden geringen PaukenhShleneiterung v511ig gesund und drangte, entlassen zu werden. In der Naeht vom 9. zum 10. Juli, also genau e inen Mortar naeh E i n l e i t u n g tier S t a u u n g s b e h a n d l u n g traten p lStz l ieh bei woehen- lang anhaltendem besten Wohlbefinden so heftige linksseitige Kopfsehmerzen auf, daft die sonst ruhige und verstandige Patientia infblge dieser heftigen Sehmerzen in der erwahnten Naeht einen Selbstmordversueh maehen wollte. Die bisher normale Tempera- tur war plStzlieh auf 40,4 0 gestiegen. Auf Fragen reagierte die Patientin nut wenig~ man hSrte nur St(ibnen und Jammern. Die am )~orgen des 10. Juli ausgefilhrte A n t r u m e r S f f n u n g ze ig te die a u s g e d e h n t e s t e n Z e r s t S r u n g e u im Warzen- fortsatz. Fas t das g a n z e I n n e r e d e s W a r z e n f o r t s a t z e s war eine grolie E i t e r h S h l e , d e r e n I n h a l t u n t e r sehr hohem Druek s tand. Die seht i tzende K n o e h e n d e e k e tiber dem Sinus s igmoideus und das Daeh des An t rum w a r e n zum grSf i t en Te l l ze rs t ( i r t und Sinus wie D u r a mit G r a n u l a t i o n e n bedeekt . An der Warzen fo r t s a t z - sp i t ze war b e re i t s e in Senkungsabszel~ in E n t w i e k - lung beg r i f f en , der ohne Zwei fe l in den n a e h s t e n T a g e n zur vollen E n t f a l t u n g g e k o m m e n ware - - d ies Al les bei bes tem W o h l b e f i n d e n un t e r der s e h e i n b a r h e i l b r i n g e n d e n Wirkung der S t auung .

Xhnlieh liegen die Verhaltnisse bei dem 2. operierten Fall (9). Aueh dieser Patient war kraftig gebaut und in bestem Ernabrungszustand. Sehon bei seiner Aufnahme bestanden hinter der Ohrmnsehel des seit knapp 14 Tage kranken linken Ohres geringe Sehwellung und starker Drueksehmerz. Es wurde sofort zur Entleerung des PaukenhShleneiters die Paraeentese des Trommelfells gemaeht und die Stauungsbehandlung angewendet. Wie im vorigen Falle waren aueh h ier d ie S e h m e r z e a

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sehon am n a e h s t e u T a g e g e s e h w u n d e n . Dies Wohlbe- finden bei normaler Temperatur hielt welter an. Am S. Ta~e nach Beginn der Stauung wurde ein allmahlieh ohne Schmerzen zur Entwieklung" gekommener subperiostaler Abszefi hinter der Ohrmusehel gespalten, der ohne Besonderheiten heilte. Patient fiihlte sieh vSllig gesund und fragte wiederholt~ warum er eigent- tieh nieht entlassen wtirde; seine noeh bestehende gering'e Ohr- eitemng stSrte ihn nieht. Bei diesem b e s t e n Wohlbe f inden setzten p l S t z l i e h am I7. Behandlungstage die sehwersten Krankheitsersoheinungen ein. Patient klagte am Abend plStz- lieh tiber leiehtes FrSstel~ grebe Mattigkeit und Appetitlosig'keit. Wahrend der Naeht tt'aten sehr hefti~e bohrende Sehmerzen in der linken Kopfseite auf und ein etwa 5 Minuten anhaltender Sehlittelfrost (Temperatur 40o). Die am naehsten Tage sofort ausgef[ihrte typisehe Aufmeii]elung des Warzenfortsatzes zeigte wieder wie im ersten Fall die ausgedehntesten ZerstSrungen; aueh h ie r w i e d e r e i n e f a s t den g a n z e n W a r z e n f o r t - sa tz e i n n e h m e n d e E i t e r h S h l e , d e r en I n h a l t u n t e r sehr h o h e m l ) r u c k stand. Der S i n u s s i g m o i d e u s l ag in w e i t e r A u s d e h n u n g bis f a s t zum K n i e h i n a u f f r e i a n d war mi t g r a u s o h w a r z e n G r a n u l a t i o n e n b e d e e k t ; eiu a h n l i e h e s Bi ld b e t die f r e i l i e g e n d e D u r a de r m i t t l e r e n S e h a d e l g r u b e . Aueh die C o r t i e a l i s i m v o r - d e r e n T e i l e der S p i t z e war be re i t s dem D u r e h b r u e h nahe~ und ein S e n k u n g s a b s z e i ~ in der En twiek lung- begr i f f en . Da am 2. Tage naeh der Operation die Temperatur wieder tiber 39 o stieg and aueh leiehtes Fr5steln sieh einstellte, lag der Gedanke nahe, dab bereits eine otogene Pyamie sieh entwiekett hatte. Der Verbandweehsel gab jedoeh Aufklarung fiber den Zustand. Ein Erysipel war yon der Operationswunde ausgegang'en nnd butte die neuen Krankheitssymptome hervor- gerufen. Der weitere Krankheitsverlauf bietet niehts Besonderes. Das Erysipel heilte naeh kurzer Zeit, und aueh die Operations- wunde war in wenig'en Woehen gesehlossen.

Diese beiden operierten Fiille zeigen wieder einmal in eklatanter Weise, welehen Verlauf Mastoiditiden unter der Stauungsbehandlung nehmen kSnnen. Sie reihen sieh wilrdig den 4 Fallen an, die wir vor etw~ Jahresfrist bereits beobaeh- tet hatten. In a l l e n F a l l e n das g l e i e h e Bi ld : VSl l i~es S e h w i n d e n tier v o r h e r h e f t i g e n Sehmerzen~ oft sehon w e n i g e S t u n d e n naeh B e g i n n der S tauung~ w o e h e n -

2~chiv f. Obxenhenkunde. 75. Bd.. .q

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lang a n h a l t e n d e s bes tes Wohlbe f inden , p l S t z l i e h e Yer seh l immerung , und bei der Opera t ion das stets w i e d e r k e h r e n d e Bild der a u s g e d e h n t e s t e n Ze r s tS - rungen .

Als Eitererreger wurden im 1. Fall Diplokokken mit ver- einzelten Streptokokken, im 2. Fall meist nut Streptokokken ge- funden. Die Operation Iiel~ im 1. Falle nieht mehr den typisehen Befund der Diploeoeeeneiterung: zahlreiehe disseminierte Eiter- herde im Warzenfortsatze erkennen, sondern es war bereits (lurch die Misehinfektion mit Streptokokken eine vSllige Ein- sehmelzung der Zellsepten eingetreten. - - Sehon bei unseren ersten Stauungsversuehen hatten wit auf die Gefahr der Diplo- kokkeneiterung im Warzenfortsatz hingewiesen, und wir finden dies in dem vorliegenden Falle roll und ganz bestatigt. Wenn einzelne Beobaehter liber Heilung einiger Falle von Diplokokken- eiterung beriehten, so miissen wir annehmen~ dab in diesen F~llen entweder die Aussaat und Virulenz der Keime in den Wal~enfortsatzzellen nur geringe waren~ oder dal~ die Struktur- verh~ltnisse im Warzenfortsatz ffir die Einwirkung der Stauung ~ul~erst giinstig lagen. Sehon lange nimmt die Diplokokken- eiterung in der Ohrenheilkunde eine Sonderstellung ein~ wir filrehten sie als unbereehenbar in ihren Wirkungen. Und diese Gefahren der Diplokokkeneiterung werden dureh die Stauungs- behandlung noeh ganz wesentlieh erhSht.

Ebenso ungtinstig far die Stauungsbehandlung ist die Strepto- kokkeneiterung; ihre verheerenden Wirkungen in dem Warzen- fortsatz sind zur Geniige bekannt. Sie unterseheidet sieh yon der Diplokokkeninfektion im wesentliehen dadureh~ daft sie sehneller vorw~rts sehreitet und in oft kurzer Zeit die ausge- dehntesten KnoehenstSrungen hervorruft, meist naeh der Darn und dem Sinus zu, und dieselben oft in weitester Ausdehnung dersehUtzendenKnoehendeeke beraubt. Diese Tendenz der Strepto- kokken~ haufiger naeh der Sehadelgrube zu als naeh aufien dureh die kompakte Cortikalis weiter zusehreiten, erhSht ihre Gefahren.

Als auffallendste Wirkung der Stauungsbehandlung hubert wir in allen unsern Fallen das sehnelle Sehwinden der vorher heftigsten Sehmerzen konstatieren kSnnen. Diese sehmerzstillende Wirkung der Stauungsbehandlung wird aueh yon allen anderen Beobaehtern hervorgehoben. Welehe Gefahren sie aber bedingt, geht aus den vorliegenden Fallen wie aueh den fraheren Mit- teilungen hervor. Sie ist ein D a n a e rg e s e h e n k far die Patienten

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und wird in vielen F/~llea zu einem sehwereu Verh/~ngnis ftir das Leben derselben. Es sei bier nur auf eine Gruppe yon Kom- plikationea der Mittelohreiterungen, die otogenen Hirnabszesse hingewiesen. Jeder erfahrene Arzt weif~, wie/~ul~erst versehieden die Symptome des Hirnabszesses sind; wit miissen oft froh sein, wean wenigstens e inz e I n e Symptome desselben deutlieh her- vortreten. So g'ibt es FitIle yon otogenen Hirnabszessen~ in denefi naeh erfolgter Totalaufmeii~elung des Warzenfortsatzes als e i n z i g s t e s S y m p t o m far das Vorhandensein eines Hirnab- szesses der a a h a l t e n d e ~ b o b r e n d e H i n t e r k o p f s e h m e r z welter fortbesteht. U n d d i e s e s e i n z i g e w e r t v o l l e S y m - p t o m w i r d , w ie d ie E r f a h r u n g l e h r t , d u r e b die S t a u - u n g s b e h a n d l u n g v e r d e e k t . BierS) selbst hat diese traurige Erfahrung der Yersebleierungen des Bildes dureh die Stauungs- behandlung bei einem yon ihm selbst mitgeteilten Fall yon Sehl/ifenlappenabszel~ der unter sehweren hirnabszefiverd~tehtigen Symptomen aufgenommen worden war, gemaeht. Dureh die Stauungsbehandlung dieses Patientea wurden in kurzer Zeit alle Besehwerden beseitigt~ sodafi der Kranke sieh vSllig wohl fiih!te und auger Bert war. Da trat plStzlieh bei bestem Wohlbefinden sine auffallende Versehlimmertmg des Zustandes ein. ,Der Kranke sah verfallen aus, war sehwer besinnlieb und klagte tiber heftigen nieht ffenau zu lokalisierenden Kopfsehmerz." Die sofort ausgefiihrte Aufmeil~elung ergab stark sklerosierten Knoehen und ftihrte zur ErSffnung eines gro[$en Sehl~fenlappen- abszesses. 2 Tage sptiter starb der Patient. MSglieherweise h/itte der Patient dureh sofortige Aufmeil~elunff, dis Indikation hierFtir war zur Gentiffe vorhanden~ gerettet werdea kSnnen.

Aus diesen vorliegenden Beobaehtungen mtissen wit den Sehlul5 ziehen~ da~ die sehweren ZerstSrungen im Warzenfort- satz~ die zum grSBten Tell erst w/~brend der Stauungsbehand- lung zur vollen Entwieklung gekommen waren~ dutch die Stau- ungsbehandlung verdeekt worden waren. Sehon in unserer frtiheren Arbeit batten wir auf Grund unserer Beobaebtung hierauf hingewiesen und miissen aueh heut~ gesttitzt auf neue Erfabrungen, dies roll und ganz aufreeht erhalten. Gegen diesen Vorwurf der Versehleierung protestiert E s e h w e i 1 er ~) in seiner letzten Arbeit fiber die Stauungsbehandlung der Ohrleiden. Unter

I) Bier, Hyper~mie als Heilmittel, 3. Anti. 1906. F. C.W.Vogel, Leipzig. 2) Eschweiler, Die Behandlung tier Mastoiditis mit Stauungshype-

r~mie nach Bier. Archly far Ohrenheilkunde~ Band 71, Seite S5ff. 8*

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anderem ftihrt er dagegen an, dali ein Teil der friiher yon uns mitgeteilten Fttlle zu kurze Zeit konservativ (d. h. mit Stauungs- behandlung) behandelt worden w~re, um aus diesen Fallen ein Urteil tiber die Brauehbarkeit der Stauung'sbehandlung folgern zu k5nnen. Es is~ bier nieht der Oft, um tiber diese Frage zu diskutieren. Den Lesern der in Frag'e stehenden Krankenge- sehiehten mag es tiberlassen bleiben, zu entseheiden, ob eine weitere konservative Behandlung" tier frtiher erw~thnten Falle zul~tssig war. Naeh unserer Ansieht wttre es ein Yerbreehen gewesen, die 4 operierten Fttlle der frUheren Beobaehtung'en, wie aueh die oben erw~thnten beiden neuen F~tlle (7 u. 9) noeh ltinger der Stauungsbehandlung" zu unterziehen. Wit batten frtiher wie aueh jetzt bei allen Patienten die konservative Stau- ungsbehandlung bis zum ttuSersten fortgesetzt, und erst als die bedrohliehen Erseheinungen eintraten, die Aufmeifielungausgefiihrt. Der Operationsbefund best~ttigte ja aueh in vollstem Mage unsere Bedenken.

Weiter geht aus unseren Erfahrungen mit der Stauungsbe- handlung bei Mittelohreiterungen zur Gentige hervor, wie g'e- ftthrlieh und verantwortungslos es ist, diese Behandlungsmethgde der Mittelohreiterungen ftlr die allgemeine Praxis zu empfehlen. Der allgemeine Praxis austibende Arzt ist meist nicht in der Lage, sorgsam alle therapeutisehen Mal3nahmen bei der Behand- lung, der Mittelohreiterungen beobaehten zu kSnnen und infolge- dessert kann es leieht dazu kommen, dab der riehtige Moment zur Operation verpal3t wird, und tier Patient dem anfangs harm- losen Obrenleiden erliegt, lqur dann, wenn der Patient stttndig unter spezial~irzllieher Kontrolle steht - - dies kann abet nur in einem Krankenbause dnrehgefi~hrt werden - - kann und dalf in gewissen weiter unien kmz plfizisierten Fallen die Stannngs- behandlun~ bei l~Iittelohreiterungen in Anwendung kommen.

Das Resultat unserer Beobaehtungen k~nnen wir nun in teil- weiser Ubereinstimmung mit unseren frtiheren Erfahrungen in folgendem zusammenfassen:

1. D ie B e h a n d l u n g tier O t i t i s m e d i a d u r e h S t a u - ung ' shype r~ tmie is t n i e h t o h n e G e f a h r e n , da u n t e r d e r v e r t r a u e n s v o l l e n B e s e h r a n k u n g a u f d i e s e T h e r a p i e die r e e h t z e i t i f f e A n w e n d u n g n o t w e n d i g e r e h i r u r - g i s e h e r E i n g r i f f e v e r s t t u m t u n d d a d u r e h de r Ausgang , tier E r k r a n k u n g ' f a r den P a t i e n t e n ve rh t tng ,n i svo t l w e r d e n k a n n .

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Klin. Erfahraagen fib. d. Beh~adluag v. akut. Nittelohreiterangea etc. 117

2. B e s o n d e r e G e f a h r e a bringer die p r o t r a h i e r t e A n w e n d a n g d e r S t a u u a g s b e h a a d l u n g b e i I n f e k t i o a e n des 0 h r e s dur¢h D i p l o k o k k e a a n d S t r e p t o k o k k e n . Gttast ig wi rk t d ie S t a a u a g be t S t a p h y l o k o k k e n - e i t e r u n g e n , n a m e a t l i o h in s o l c h e a F a l l e n m i t M a s t o i - di t is , w o b e r e i t s e i a e C o r t i o a l i s C i s t e l b e s t e h t u a d d u r c h e i ae k l e i n e W e i ¢ h t e i l i n z i s i o a Eite~'abflul~ aus d e r K n o c h e n f i s t e l e r m S g l i ~ h t ist.

3. Ein a u f f a l l e a d e s R e s u l t a t der S t a u u n g s b e h a n d - l u n g i s t d i e s c h m e r z s t i l l e a d e Wi rkung ' , d i e i n f a s t a l l e n F a l l e n sehon a a c h k u r z e r Z e i t e i n t r a t . Die schmerz- s t i l l e n d e W i r k u a g k a a a a b e t in g e w i s s e n F a l l e n f t i r den P a t i e n t e n e ta D a n a e r g e s c h e a k se th , w e n n man bedenkt~ da[~ in e i n z e l n e n F a l l e n (z. B. bet H i r n a b s z e g ) der a n h a l t e n d e K o p f s e h m e r z oft das e i n z i g s t e d i a - g n o s t i s e h e Mitt el ist.

4. A b s o l u t v e r w e r f l i e h i s t j e d e r V e r s u e h de r S t au - u n g s b o h a n d l u n g b e i i n t r a k r a n i e l l e n K o m p l i k a t i o n e n dor 0 t i t i s (S inus th rombose , E x t r a d u r a l a b s z e B , Hi rn- abszel~).

5. Die S t a u u n g s b e h a n d l u n g " da r f nur i n K r a n k e n - h a u s e r n u n t e r s a c h k u n d i g e r K o n t r o l l e v o r g e n o m m e n werden~ da nu r h ier e ine s te re B e a u f s i c h t i g u n g des P a t i e n t e n g e w a h r l e i s t e t w e r d e n kann .