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Das Magazin der Deutschen Welle 02 April 2010 zeit welt 200 Jahre Unabhängigkeit Von Feuerland nach Tijuana

weltzeit 02_2010: 200 Jahre Unabhängigkeit - Von Feuerland nach Tijuana

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Themen: Lateinamerika: Multimediaprojekt zum Bicentenario // Interview: Marc Koch // Partner: Appetit auf mehr // Meinung: Selbstbewusst auftreten // Washington: Neues Museum // Porträt: Heinz-Kühn-Stiftung // Deutschlandbild: Peter Craven // Afrika: Die mobile Revolution // Akademie: VJs für WM 2010 // Buchtipp: Südafrika // Hintergrund: Grautöne im Regenbogen // Belarus: Zuckerbäcker und Zensoren // Vorgestellt: Monika Jones

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Das Magazin der Deutschen Welle 02—April 2010

zeitwelt

200 Jahre Unabhängigkeit

Von Feuerlandnach Tijuana

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INTERNATIONALE KONFERENZBONN, 21.-23. JUNI 2010www.dw-gmf.de

THE HEAT IS ONDER KLIMAWANDEL

UND DIE MEDIEN

MITVERANSTALTER UNTERSTÜTZT DURCH

THE HEAT IS ONDER KLIMAWANDEL

UND DIE MEDIEN

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vorspann —3weltzeit 02_2010

04–05 nachrichten

06–15 titel» Lateinamerika: Multimediaprojekt

zum Bicentenario» Interview: Marc Koch » Partner: Appetit auf mehr» Meinung: Selbstbewusst auftreten

16 spot

17-19 partner» Washington: Neues Museum» Porträt: Heinz-Kühn-Stiftung

20-21 profil» Deutschlandbild: Peter Craven

22 neue medien» Afrika: Die mobile Revolution

23 schlaglichter

24-27 countdown» Akademie: VJs für WM 2010 » Buchtipp: Südafrika» Hintergrund: Grautöne

im Regenbogen

28-29 vor ort » Belarus: Zuckerbäcker

und Zensoren

30-31 zoom » Vorgestellt: Monika Jones

Liebe Leserinnen und Leser,die Aufgabenplanung der Deutschen Welle für die Jahre 2010 bis 2013 ist auf den Weg gebracht. Wir haben sie dem Deutschen Bundestag vor-gelegt, wie es das DW-Gesetz vorsieht. Unser Kernpunkt: die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt stärken durch Unterstützung aller, die hieran ein originäres Interesse haben. Nicht nur die Politik, auch die Öffentlichkeit soll Einblick nehmen. Deshalb können auch Sie im Internet nachlesen, welche Strategie wir in den kommen-den Jahren verfolgen wollen. Dies tun wir stets im Lichte der dynamischen Entwicklungen auf den internationalen Medi-enmärkten: Die Empfangstechnik wandelt sich rasant, unsere Zielgruppen weltweit passen ihre Mediennutzung an. Unsere Richtschnur: die fi-nanziellen Ressourcen optimal einsetzen, damit unser Land medial nachhaltig präsent ist. Wir setzen daher klare Schwerpunkte – und schnei-den unsere medialen Angebote auf unsere Nutzer und Partner in den jeweiligen Weltregionen zu. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist Lateiname-rika. Viele Länder des Kontinents blicken auf

200 Jahre Unabhängigkeit zurück. Die Deutsche Welle hat ein umfassendes, multimediales Projekt aufgelegt, in dem die Menschen zwischen Feuer-land und Tijuana zu Wort kommen. Mehr dazu in dieser Ausgabe. Im Blickpunkt steht auch Südafrika. Die Fuß-ball-WM soll am Kap nicht nur dem Sport, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft einen „Kick“ verleihen. Die Deutsche Welle schult Medienschaffende aus aller Welt, damit sie als Video-Journalisten für ihre Heimatsender vom Geschehen rund um den World Cup berichten. Zu den Themen, die ganz oben auf der Agen-da stehen, zählt der Klimawandel. Die DW hat unter anderem die Programminitiative „Global Ideas“ aufgelegt – Reportagen über herausra-gende Projekte. Welche Rolle Medien bei diesem Zukunftsthema spielen, darum wird es auf dem Deutsche Welle Global Media Forum im Juni in Bonn gehen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.

Ihr Erik Bettermann

Impressum

Deutsche WelleUnternehmenskommunikation53110 BonnT. 0228.429.2041F. [email protected]/presse

Verantwortlich: Dr. Johannes HoffmannRedaktion: Berthold Stevens Gestaltung: Alexandra Schottka, Lisa Flanakin, Marco Siebertz Druck: Brandt GmbH · Bonn

Fotos und Illustrationen: DW-Reporter/H. Kehrwald, M. Gehrke, O. Pieper, M. Kopp, P. Rodriguez, T. Blut, Peter Stegemann, DW/Promotion & Design (Titelbild und Seiten 6 bis 15), DW-Archiv (3, 4, 5, 15), DW/M. Müller (12, 16), DW/V. Mosch (16), DW/A. Schottka (16), DW.C. Berg-mann (17), Heinz-Kühn-Stiftung (18, 19), DW/M. Altmann (20, 30), Jahreszeiten Verlag (20), istock-photos (22), M. Frank (22), DW/P. Schobess (24), picture alliance (26, 27), DW/M. Winkler (28)

Anzeigen T. 0228.429.2043F. [email protected]

Werbung im ProgrammT. 0228.429.3507F. [email protected]

In dieser Ausgabe

Editorial

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4— nachrichten

Treibhausgase verringern, Artenvielfalt erhal-ten, natürliche Energie nutzen – von Laos über Senegal bis nach Brasilien: Ein internationales Team von Journalisten porträtiert für Global 3000 auf DW-TV vorbildliche Klimaschutz-projekte weltweit. Der Schwerpunkt liegt auf Schwellen- und Entwicklungsländern.

In Mexico City zum Beispiel beginnt der Klimaschutz auf dem Dach: Bewohner der Arbeiter-Siedlung Heroes de Tecamac haben auf 1000 Häusern Sonnenkollektoren montiert. Damit wärmen sie ihr Wasser auf, sparen so Gas und schützen das Klima. In den nächsten Jahren sollen solche solaren Heizungen auf Zehntausen-den weiteren Dächern stehen.

Die Einwohner der philippinischen Insel Negro wollen gewappnet sein, wenn der Mee-

resspiegel steigt. Deshalb forsten sie ihre Man-grovenwälder auf – mit 390.000 neu gepflanzten Bäumen pro Jahr. Deren Wurzel-Dickicht schützt als lebender Damm vor Stürmen, Fluten und Erosion.

Auch Wasserkraft in Honduras oder Solar-kocher in Indien gehören zu den vorgestellten Projekten. Gefördert werden sie im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative vom Bundesumweltministerium. Noch bis Früh-jahr 2011 zeigt DW-TV die mehr als 50 Kurz-Reportagen. Zu sehen gibt es die auch online, ergänzt um viele Informationen vom Reporter-Tagebuch bis zum Hintergrundbeitrag. —— www.ideasforacoolerworld.org

www.dw-gmf.de

twitter.com/global_ideas

Kreativer Klimakampf Berlin – 50 Reportagen, fünf Kontinente, ein Thema: Mit einem multimedialen Repor-tageprojekt begleitet die Deutsche Welle den Kampf gegen den Klimawandel. „Global Ideas“ stellt herausragende Projekte vor und Menschen, die mit klugen Ideen für ein besseres Klima sorgen.

01

01 Warum nicht mal anders

herum denken? Die DW stellt 50

Projekte zum Klimaschutz vor

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weltzeit 02_2010 nachrichten —5

Das Rezept: starke Bilder, authentische Geschichten und die Hilfe von erfahrenen Filmschaffenden. „FilmAfrica!“ kombiniert Medientraining und Produktion eines 90-minütigen Spielfilms. Im Spätsommer starten mehrere Workshops in Nairobi. Rund 60 Filmschaffende aus Kenia und angrenzenden Ländern lernen alles über Regie, Kamera, Produktion, Szenenbild, Ton oder Kostüm und Maske. Der Kurs für Drehbuch-Autoren läuft bereits. Wer in den Workshops am besten ist, arbeitet ab Oktober 2010 am nächsten „FilmAfrica!“-Projekt mit. „Es geht darum, einen afri-kanischen Film aus Afrika zu machen und nicht einen Film über Afrika“, sagt Andrea Rübenacker von der DW-AKADEMIE. Fi-nanziert wird das Projekt unter anderem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Talente entdecken, nachhaltig fördern und andere für die afrikanische Kultur begeistern, das seien die Ziele. „Mit Filmen kann man viele Menschen erreichen“, sagt Tykwer. Beim Pilot-film „Soul Boy“ von Hawa Essuman, gedreht in Kibera, Nairobis größtem Slum, hat das bereits geklappt. Der Film begeisterte unter anderem das Publikum der Berlinale. Tykwer: „Wenn wir uns auf diesem Niveau halten, dann können wir den neuen Film auf der ganzen Welt zeigen.“ ——www.dw-akademie.de

Film ab für Afrika Nairobi – Filme aus Afrika sind international wenig be-kannt. Die Initiative „FilmAfrica!“ will das ändern. Das gemeinsame Projekt von Regisseur Tom Tykwer und der Deutschen Welle fördert afrikanische Filmemacher.

Prima Klima-Fotos Bonn – Im Vorfeld des Deutsche Welle Global Media Forum vom 21. bis 23. Juni in Bonn sind alle Interessierten weltweit zu einem Fotowettbewerb aufgerufen.

Deutsch lernen mit Jojo-EffektBonn – Sie kommt aus Brasilien, jetzt lebt sie in Köln. Jojo will hier studieren – und ist auf der Suche nach einer geheimnisvollen Internetbekanntschaft. Die junge Frau ist die Protagonistin einer neuen Videosoap für junge Deutsch-Lerner: „Jojo sucht das Glück“.

Ab Mai wird jede Woche eine der 33 Folgen der neuen Telenovela im Netz zu sehen sein, auch als Video-Podcast im Abonnement. Zu den einzelnen Folgen gibt es Arbeitsblätter mit Grammatik und Übungsaufgaben. So können Deutsch-Lerner ihre Sprachkenntnisse ver-tiefen und Lehrer ihren Unterricht multimedial und ab-wechslungsreich gestalten. Hierfür stellt die DW online Tipps zur Verfügung.

„Jojo sucht das Glück“ ist Teil der Kampagne „Deutsch – Sprache der Ideen“ des Auswärtigen Amts. Ziel ist es, die Verbreitung der deutschen Sprache im Ausland zu för-dern. Der deutsche Auslandsrundfunk tut dies seit Jahr-zehnten – mit journalistischen Angeboten auf Deutsch, in Radio, Fernsehen und Internet, und durch multimediale Sprachkurse. Seit 2005 gehört die Förderung der deut-schen Sprache ausdrücklich zum gesetzlichen Auftrag der Deutschen Welles. ——

www.dw-world.de/jojo

www.dw-world.de/deutschkurse

02 Jojo auf Erkundungstour: Das Sprecherteam vor dem Kölner Dom

Unter dem Titel „Hot Shots – Your view on climate change“ werden Motive gesucht, die Folgen des Klimawandels oder Projekte zum Klimaschutz darstellen. Die Deutsche Welle ver-öffentlicht die Fotos im Internet. Ob schmelzende Gletscher oder Baumpflanzaktionen, der Klimawandel ist für viele Men-schen weltweit ein Thema. Um dies zu dokumentieren, können (Hobby-)Fotografen in aller Welt ihre persönlichen Eindrücke per E-Mail an [email protected] schicken – spätestens bis 23. Juni.

Unter den Einsendern verlost die Deutsche Welle einen iPod Nano (8 GB) sowie zwei iPod-Shuffle (2 GB). Weitere Infor-mationen und Teilnahmebedingungen, auch Banner für die Verlinkung des Wettbewerbs, gibt es im Netz. ——www.dw-gmf.de

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6— titel

Der Weg ist das Ziel: die Reiseroute für das

Multimediaprojekt „Von Feuerland nach Tijuana“

MEXIKO

KUBA

GUATEMALA

EL SALVADOR

COSTA RICAPANAMA

KOLUMBIEN

VENEZUELA

ECUADOR

PERU

CHILE

BOLIVIEN

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN

NICARAGUA

Tijuana

Mexico-Stadt PueblaCancun

FloresGuatemala-Stadt

San Salvador Intipuca

Managua SolentinameLos Chiles

La Fortuna San José

Panama-Stadt

Cartagena

CaracasOrinokodelta

Galapagos Mitad del Mundo

Hacienda Limón

Mompos

MedellinBogota

Iquitos

Lima

La Paz

El Alto

Salar de Uyuni

Sucre

PotosiFiladelfia Loma Plata

Asuncion

Brasilia

Rio de JaneiroSão Paulo

Gramado

Canelones

MontevideoBuenos Aires

Santiago de Chile

Temuco

Perito Moreno

Ushuaia Puerto Williams

Finca San Rafael

Havanna

Tepoztlan

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Vier Reporterteams waren unterwegs in Lateinamerika, von der Südspitze bis zur mexikanisch-kalifornischen Grenze. „Von Feuerland nach Tijuana“, ein multimedial aufberei-tetes Programmprojekt, ist das Ergebnis. Eine Hommage an einen Kontinent, auf dem 2010 zahlreiche Länder auf 200 Jahre Unabhängigkeit zurückblicken. Zwei Reisende erzäh-len: Matthias Kopp von der Südroute und Hanne Kehrwald von der Nordroute.

titel —7weltzeit 02_2010

Nach 15.000 Kilometern und endlosen Flug-stunden kommen wir in Ushuaia auf Feuerland am Südzipfel Südamerikas an. Vier Wochen Zeit haben wir, um uns bis Rio de Janeiro hochzu-arbeiten. Zum Team zählen Regisseurin Paula Rodríguez, unser chilenischer Tonmann und Kommunikations-Allrounder Nico Hammer-schlag und der Autor dieser Zeilen, Matthias Kopp, Videojournalist – kurz VJ.

Ushuaia ist ein kleines Städtchen inmitten eines gigantischen Naturspektakels: 3000-Meter-Schneegipfel strecken ihre Gletschereiszungen in die mit Hunderten Inseln gesprenkelten Fluten des Beagle-Kanals, angestrahlt von der glei-ßenden antarktischen Sonne. Wie leben die Men-schen hier? Im Grunde wie bei uns, stellen wir fest. Sie surfen im Internet, kaufen Markenkla-motten und strampeln sich ab, damit ihre Kinder eine vernünftige Schulbildung bekommen.

Als die Argentinier vor 200 Jahren ihre Unab-hängigkeit von der spanischen Krone erkämpften, gab es Ushuaia noch gar nicht. Erst 50 Jahre spä-ter ließen sich englische Missionare nieder, um den Yamana-Indianern die christlich-europäische

Zivilisation einzutrichtern. Die Folge war der Untergang einer Jahrtausende alten Kultur.

Wir chartern ein Motorboot, um über den Beagle-Kanal auf die benachbarte Isla Navarino zu fahren. Dort lebt die letzte Yamana-Indiane-rin, Cristina Calderón. Vor ein paar Jahren ist ihre Schwester Rosa gestorben, die Letzte, mit der sie sich in der Yamana-Sprache unterhalten konnte. Cristina empfängt uns freundlich in ihrem bescheidenen Holzhaus. Immer mal wieder bekommt sie Besuch von Fernsehteams, Touristen oder Ethnologen, die wissen wollen, wie man sich so fühlt als letzte Überlebende eines ausge-storbenen Volkes. Heute, mit 80 Jahren, denkt sie nicht gern an ihre Kindheit zurück. „Es war hart“, sagt sie, „immer im Boot, immer nass und hungrig.“ Draußen schneit es seit Tagen, Eiszap-fen hängen von der Dachrinne und Cristina fragt sich, woher sie Brennholz bekommt, ohne bei der Stadtverwaltung betteln zu müssen.

3000 Kilometer nördlich von Feuerland: Buenos Aires. Wir wollen uns auf die Tango-Kultur konzentrieren, auch wenn einige Kol-legen vor unserer Abreise meinten: „Warum

»Noch heute

kämpfen Indianer

für ihre Unabhän-

gigkeit.«

Fincas und Favelas Milongas und Mapuches

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immer dieselben Klischees: Argentinien gleich Fußball und Tango?“ Aber der Tango ist eine Lebenshaltung und in Buenos Aires hochaktuell. Da gibt es die traditionellen Milongas, Tanz-salons, die von allen Altersgruppen und sozialen Schichten frequentiert werden. Aber auch mo-derne Ableger wie den Elektrotango, der mit Sampling, Videoprojektion und anderen Stilmit-teln arbeitet.

Rothschilds und Mapuche-IndianerVon Buenos Aires über die Anden nach Santiago de Chile und weiter durch das Colchagua-Tal, das berühmte Weinanbau-Gebiet, dessen Dörfer jetzt nach dem großen Erdbeben in Trümmern liegen. Während unseres Drehs Ende 2009 ist noch alles in Ordnung. Auf dem Weingut der Familie Rothschild essen wir zu Mittag. Vor uns Hunderte Hektar grüner Reben, dahinter das Bergpanorama.

Wir machen noch einen Abstecher nach Temuco, weiter im Süden Chiles. Dort kämpfen die Mapuche-Indianer noch heute für ihre Un-

8— titel

Das Projekt Anlässlich der 200-jährigen Unabhängigkeit latein-

amerikanischer Länder von der einstigen Kolonial-

macht Spanien hat der deutsche Auslandsrundfunk in

Fernsehen, Hörfunk und Internet ein umfangreiches

Angebot aufgelegt – in Deutsch, Englisch, Spanisch,

Portugiesisch, Arabisch und weiteren Sprachen. Das

Special Von Feuerland nach Tijuana lädt Zuschauer,

Hörer und Nutzer weltweit zu einer multimedialen

Reise von Feuerland, an der Südspitze des Kontinents,

bis nach Tijuana an der mexikanisch-kalifornischen

Grenze ein.

Vier Fernsehteams und mehrere Online- und Radio-

reporter waren Ende 2009 für das Projekt in Latein-

amerika unterwegs. Das Ergebnis in Zahlen: mehr als

20 Wochen Reisezeit, über 33.000 Kilometer, 100

Stunden Drehmaterial und Dutzende Stunden Inter-

views für Radio und Online.

Im Vordergrund der Produktion stehen die Menschen

des Kontinents: In Filmen, Audios und Onlinebeiträgen

erzählen die Autoren deren Geschichten, berichten

von deren Problemen und Wünschen. Dazu zählen auch

Menschen aus Deutschland, die in Lateinamerika ihre

Heimat gefunden haben oder dort forschen und

arbeiten. Darüber hinaus wird der deutsch-latein-

amerikanische Transfer in Wirtschaft und Wissenschaft

thematisiert, ebenso gemeinsame Kulturprojekte.

Begleitartikel und Interviews diesseits und jenseits

des Atlantiks geben Einblicke in Geschichte und Ge-

sellschaft.

DW-TV strahlt die achtteilige Reportage-Reihe „Von

Feuerland nach Tijuana“ wöchentlich auf Deutsch, Eng-

lisch, Spanisch und Arabisch aus – am 20. März lief der

erste Teil. Die TV-Reihe wird auch auf 3sat und Phoe-

nix zu sehen sein. 3sat zeigt sie vom 20. bis 23. Sep-

tember, täglich ab 17.45 Uhr – vier mal 45 Minuten.

Sendezeiten bei Phoenix unter www.phoenix.de.

DW-RADIO berichtet im Rahmen der Sendung Welt im

Fokus bis 16. April von Montag bis Freitag (17.30 UTC).

Die Beiträge sind über Fokus Amerika auch als Pod-

cast abrufbar.

Auf DW-WORLD.DE ist ein multimediales Lateiname-

rika-Special auf Deutsch, Spanisch und Portugiesisch

abrufbar – mit Hintergrundinformation zur Geschichte,

Politik und Gesellschaft der lateinamerikanischen Län-

der. Ergänzt mit 42 kurzen Videos aus der Serie, mit

Hörfunkbeiträgen und vielen Bildern. Alle Audios und

Videos können auch als Podcast abonniert werden. Bei

Facebook gibt es zudem eine Fanseite.

www.dw-world.de/von-feuerland-nach-tijuana

01-02 Gigantisches Natur-

spektakel: die Anden im Fokus

01

02

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abhängigkeit. Sie wollen das von europäischen Siedlern, auch vielen Deutschen, besetzte Land zurück. Der chilenische Staat greift hart gegen die Ruhestörer durch.

Die nächste Etappe ist Uruguay, die „Schweiz Südamerikas“. Wer auf diesen Namen gekom-men ist, muss eine sehr flache Vorstellung von der Schweiz haben, denn die Anden machen um Uruguay einen großen Bogen. Wir sind begeistert von der Gelassenheit der Hauptstadt-bewohner. Jeder zweite hat eine Thermoskanne unterm Arm und in der Hand den Mate mit Saugrohr. Der bittere Tee wirkt belebend und fördert den sozialen Zusammenhalt. Wo immer zwei oder mehr Menschen zusammenstehen, wird der Mate herumgereicht. Gerade haben die Uruguayer einen ehemaligen Tupamaro-Guerillero zum Präsidenten gewählt. Für viele, die unter der Militärdiktatur der Siebziger- und Achtzigerjahre leiden mussten, ein Hoffnungs-zeichen, auch wenn Pepe Mujica mit 75 Jahren die Blüte seiner Jugend längst überschritten hat.

Bei 35 Grad in Lederhosen Im Süden Brasiliens graben wir nach un-seren deutschen Wurzeln. In Gramado stehen Schwarzwaldhäuser zwischen Araukarien und es ist das ganze Jahr über Weihnachten. Wir treffen Menschen, die Hunsrücker-Deutsch aus dem 19. Jahrhundert sprechen, ihre eigene Wurst fabri-zieren, brasilianische IT-Fachleute, die bei 35 Grad im Schatten deutsche Volkstänze auffüh-ren, und Touristen aus São Paulo, die künstliche Schneemänner bestaunen.

Schließlich Rio, die letzte Etappe unserer Reiseroute. Wir besuchen den Rap-Star MV Bill. Er lebt in der Favela Cidade de Deus, be-kannt durch den Kinofilm „City of God“. Hier ist er aufgewachsen. Obwohl er inzwischen viel Geld verdient, bleibt er hier und betreibt ein Sozialprojekt für Jugendliche. Bill nimmt uns mit zum Complexo do Alemão, es ist eine der Favelas mit der höchsten Gewaltrate. Wir müs-sen vorbei an bis zu den Zähnen bewaffneten Drogenmilizionären, klettern bei 40 Grad im Schatten die steilen Treppen hoch.

Am nächsten Tag besuchen wir die Vorzeige-Favela Dona Maria. Hier ist es der Polizei ge-lungen, die Drogenhändler zu vertreiben. Es gibt Sozialprojekte, eine Musikschule und sogar eine Zahnradbahn. So kann das Leben in der Favela auch seine Vorteile haben: ein grandioser Ausblick auf die Bucht von Rio, nette Nachbarn und guter sozialer Zusammenhalt.

Weitsprung nach Kolumbien Szenenwechsel, neues Team. Wir sind in Medellín gelandet: Victor Buttari Morante und Jochen Bartelt, das deutsch-kubanische Kamera-team, Radioreporter Oliver Pieper und Hanne Kehrwald für das Fernsehen - Verfasserin des folgenden Teils.

In wenigen Stunden erfahren wir über un-sere Interviewpartner oft mehr, als wir jemals über gute Bekannte oder Freunde wissen. Be-eindruckendes Beispiel: die Begegnung mit der Ex-FARC-Guerillera Cristina. Dabei fing es mit gegenseitigem Misstrauen an. Sie will am

titel —9weltzeit 02_2010

03-04 Zunkunft und Vergan-

genheit: Kinder in Peru und Kolonial-

architektur in Kolumbien

03 04

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10— titel

01 Die Menschen stehen im Mit-

telpunkt: Leo Pröstler erzählt vom

Wiederaufforsten in Costa Rica

Telefon ihre Adresse nicht nennen und lotst uns etappenweise per Mobilfunk durch Medellín bis zu ihrem Wohnviertel hoch oben auf einem Berg. Ohne weitere Rückversicherung breitet sie in ihrer zwölf Quadratmeter großen Küche ihr Leben vor uns aus. Es war der Traum von einem anderen, besseren Leben in einer knackigen Uniform. Keine Angst mehr vor Militärs haben müssen, kämpferisch für die Ideale des Kommu-nismus einstehen. Das Erwachen war grausam, aber Cristina und ihr Mann haben eine zweite Chance. Ich habe mein Wort gegeben, dass nur die Deutsche Welle das Drehmaterial verwenden wird. Mein Problem: Wie erzählt man ein sol-ches Leben in drei Minuten?

Personenkult und GegenbewegungKönnen Chavistas sympathisch sein? Ja, sie kön-nen. Man muss Hugo Chávez, den Präsidenten von Venezuela, nicht mögen, aber viele seiner Anhänger strotzen vor Idealismus und Überzeu-gung. Wir treffen einen Studenten und einen älteren Funktionär in 23 de Enero, einem besser zu meidenden Viertel von Caracas. Nun stehen wir mittendrin und unterhalten uns. Da ist die-ser für geschichtsbewusste Deutsche irritierende Personenkult. Auf der anderen Seite gibt es eine sehr starke demokratische Gegenbewegung.

Caracas ist ein Moloch. Wir quälen uns mit zwei Autos durch den Verkehr. Mein Radio-kollege hat den Oberbürgermeister für ein Interview gewinnen können. Bedingung: Nur, wenn das TV-Team auch mitkommt! Die Ausführungen des 2009 gewählten Sozialde-mokraten sind erschütternd. Chavez’ Partei hat das Rathaus in Caracas an ihn verloren und dann einfach den Haushalt gesperrt. Durch sei-nen Hungerstreik zur Einforderung der Gelder wurde Antonio Ledezma international bekannt. Paramilitärs stürmten sein Rathaus, daher emp-

fängt er uns in seinem Parteibüro. Die Zerris-senheit eines Landes, wie sie in Venezuela zu beobachten ist, verstört. Die Vehemenz der Aus-einandersetzung lässt Übles ahnen. Aber: Es gab keinerlei Behinderungen bei den Dreharbeiten. Und das wiederum hat mich erstaunt.

Panama ist die nächste Station. Auf diese Drehgenehmigung haben wir monatelang ge-wartet: die Erweiterungsarbeiten des Panama-kanals. Wir dürfen auf die Riesenbaustelle, auf der nichts weiter zu sehen ist als Schutt, Geröll, schweres Räumgerät und etliche Lastwagen. Doch die Wunden, die in die Erde gerissen wer-

01

Und noch mehr Zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Lateinamerikas

bietet die Deutsche Welle über die gewohnte Berichter-

stattung hinaus eine Reihe weiterer Initiativen und Pro-

jekte. Zum Beispiel:

» Eine gemeinsame Talk-Reihe mit Sendern in Mexiko,

Chile und Argentinien plant DW-TV. In der achtteiligen

Sendereihe debattieren Journalisten und andere Ex-

perten aus Lateinamerika und Deutschland über Visi-

onen und Lösungsansätze für dringende Fragen und

Probleme des Kontinents. Anlässlich der Messe „Made

in Germany“ Mitte Juni in Mexiko ist eine weitere

Talksendung vorgesehen – gemeinsam mit dem mexi-

kanischen Sender DGTVE.

» Kultur.21, das Kulturmagazin von DW-TV, wird sich

zur Frankfurter Buchmesse (Ehrengast: Argentinien)

exklusiv dem lateinamerikanischen Literaturbetrieb

widmen.

» KINO, das Filmmagazin von DW-TV, bereitet zum

10. Festival des Deutschen Films in Buenos Aires im

September eine Sondersendung aus der argenti-

nischen Hauptstadt vor.

» Tierra del Fuego ist ein umfassendes Dossier der Spa-

nisch-Redaktion mit vielen Reportagen und Flash-

Galerien. Da Lateinamerika ein Fußball-Kontinent ist,

kommen im WM-Jahr 2010 auf den Seiten auch aktu-

elle und ehemalige Bundesliga-Profis zu Wort – etwa

Dédé (Borussia Dortmund), Roque Santa Cruz (Bayern

München) oder Rafinha (Schalke 04).

» Re-visto heißt ein spanischsprachiger Blog der

DW-AKADEMIE, der sich in diesem Jahr dem investiga-

tiven Journalismus widmet – eine Plattform des

Dialogs über ethischen Qualitätsjournalismus. Die

DW-AKADEMIE hat 2010 neun Langzeitprojekte in

Lateinamerika auf der Agenda. Rund 300 Medien-

schaffende werden beraten und trainiert.

» Das Deutsch-Brasilianische Wissenschaftsjahr ist

ein Schwerpunkt der Brasilianischen Redaktion,

ebenso die 50-Jahr-Feier der Hauptstadt Brasília am

21. April.

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weltzeit 02_2010

den, sind groß. Wie wird das Ökosystem das verkraften?, fragen sich viele.

Nah 48 Stunden Panama ein Termin in Costa Rica: Wir sind auf der Finca San Rafael, die gerade aufgeforstet wird ohne Pestizide, ohne Luftverschmutzung, weit weg von der Groß-stadt. Der ökologisch bewusste Unternehmer Leo Pröstler ist stolz auf seine Idee: Geldverdie-nen mit Wiederaufforstung. Sein Sohn ist für diese Idee als Geschäftsführer von BaumInvest nach Costa Rica gezogen. Mit schweißdurch-tränkten Hemden und Blusen stehen wir unter acht Meter hohen Mahagonibäumen und lassen uns erläutern, wie das funktionieren soll.

Zum 17. Mal in Havanna Und dann war da noch Kuba. Noch wenige Flugmeilen bis Havanna und keine Drehgeneh-migung. Die Hinhaltetaktik aller Einrichtungen ließ nichts Gutes vermuten. Auch Plan B – Dreh ohne Genehmigung – muss entfallen.

Mein Protagonist, der renommierte kuba-nische Spielfilm-Regisseur Fernando Perez, ist enttäuscht von seinem Land. Er hatte sich per-sönlich für uns eingesetzt. Uns bleibt ein gutes Gespräch, eine bewegende Begegnung, keine bewegten Bilder, aber eine kleine Anekdote am Rande:

„Sozialismus ist zwar gut, aber funktioniert nicht“, meint ein Thüringer neben mir am Souvenirstand im Hotel Nacional in Havanna. Schon das 17. Mal sei er in Kuba, erzählt er ungefragt. Die Menschen, die Sonne, die kari-bischen Rhythmen. Gern hätte ich ein Foto von meinem Landsmann gemacht. Aber der 58-jäh-rige Wahl-Berliner wollte nicht. Er sei arbeitslos und auch wenn das Arbeitsamt Bescheid wisse, könnte sein Urlaub ja falsch interpretiert wer-den. Zitieren dürfe ich ihn ruhig. Er sieht sich durchaus als Opfer der deutschen Wiederverei-nigung. Aber er habe gegenüber den Kubanern einige Vorteile: die harte Währung und die soziale Abfederung…

Das alles war noch 2009. Inzwischen hat sich viel ereignet in Lateinamerika: Erdbeben in Haiti, Erdbeben in Chile, Bündnisse latein-amerikanischer Staaten trotz Bruderzwist. Uns bleiben Erinnerungen an Begegnungen mit be-eindruckenden Menschen, kurze Blicke hinter die Kulissen – und das Multimediaprojekt „Von Feuerland nach Tijuana“. ——

www.dw-world.de/von-feuerland-nach-tijuana

titel —11

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12— titel

? Herr Koch, viele Länder Lateinamerikas feiern 200 Jahre Unabhängigkeit. Befin-

den sich beispielsweise Argentinien oder Kolumbien gleichwohl noch immer im Umbruch? Ja, auf jeden Fall, weil die Folgen der Entkoloni-alisierung und der zum Teil sehr blutigen Unab-hängigkeitskämpfe immer noch zu spüren sind. Zum Beispiel gibt es bis heute in Lateinamerika keine gesellschaftliche Mittelschicht, wie wir sie in Europa kennen. Wir wissen, dass eine wirt-schaftlich gesunde Mittelschicht etwa für die De-mokratisierung eines Staates sehr wichtig ist. In Lateinamerika gibt es enorme Spannungen zwi-schen unfasslichem Reichtum und unglaublicher Armut. Sie leben zum Teil unmittelbar nebenei-nander – in manchen brasilianischen Stadtvier-teln etwa nur durch eine Gartenmauer getrennt. Das zeigt, in welchen Veränderungsprozessen sich diese Staaten noch immer befinden.

? Kann Europa die Entwicklung unter-stützen?

Ja, vor allem Deutschland, denn das Land hat einen guten Ruf in Lateinamerika. Die Bezie-hungen waren schon immer sehr intensiv und die Deutschen haben eine besondere Rolle, weil sie frei sind von jeder kolonialen Vergan-genheit. Deutschland gilt in Lateinamerika als eine seriöse, wertegestützte Gesellschaft, an der man sich orientieren kann. Ein Beispiel: Im vergangenen Sommer gab es in Kolumbien ein Treffen von Verfassungsrechtlern. Dazu wurden ganz bewusst zwei deutsche Experten eingeladen, um sich eng an der deutschen Ver-fassung zu orientieren. Simón Bolívar, der große Freiheitskämpfer, hat gesagt: Der eigentliche

Entdecker Amerikas, also Südamerikas, sei Ale-xander von Humboldt gewesen, weil dieser mit seiner wissenschaftlichen Bestandsaufnahme und Beschreibung des Kontinents sehr viel mehr für diese Länder getan habe als alle Besatzer und Kolonialherren.

? Welche Rolle spielt die DW in Latein-amerika, welche Bedeutung hat sie für

die Menschen dort? Sie hat eine sehr große Bedeutung in fast allen Ländern – wir sprechen von mehr als 20 spa-nischsprachigen Ländern und dem portugie-sischsprachigen Brasilien. Wir haben einen sehr guten Ruf als verlässlicher, seriöser Anbieter von Informationen, vor allem Hintergrund-informationen, Analysen und Kommentaren über das, was in Europa passiert, was in diesen Zielgebieten passiert und wie dies hierzulande gesehen wird. Wir haben sicherlich auch deshalb einen sehr guten Ruf, weil Deutschland in La-teinamerika für bestimmte Dinge steht, die dort sehr wichtig sind: Umweltschutz und innovative Forschung etwa, da schaut Lateinamerika auf Deutschland. Unsere Partner sind sehr interes-siert an solchen Projekten. Vor ein paar Jahren

„Wir haben eine Vermittlerrolle“

Marc Koch, Chefredakteur für Hörfunk und Internet und Leiter des Bereichs La-teinamerika im Interview: zu den Perspek-tiven Lateinamerikas, zu den Beziehungen zu Deutschland und Europa und zur Rolle des deutschen Auslandssenders. Fragen von Monika Griebeler.

Marc Kochist seit August 2009 Chefredakteur für die Hörfunk- und

Online-Angebote der Deutschen Welle in 30 Sprachen.

Zuvor war er Hörfunkkorrespondent im ARD-Studio Madrid.

Koch studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und

Romanistik in Mainz und München. Während dieser Zeit vo-

lontierte er zusätzlich in der Forschungsstelle „Geschichte

der Germanistik“ in Marbach. Nach Abschluss des Studiums

absolvierte er ein Volontariat beim Hessischen Rundfunk

(HR). Anschließend war er für den HR-Hörfunk als freier

Redakteur, Moderator, Reporter und Korrespondent in Frank-

furt/Main, Wiesbaden, Bonn und Paris tätig. Seit August 2006

berichtete Koch für den ARD-Hörfunk aus Madrid über Spanien,

Portugal und Andorra.

01

01 Graffiti in Caracas: „Die Fol-

gen der Unabhängigkeitskämpfe sind

immer noch zu spüren“

01

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titel —13weltzeit 02_2010

hat in Lateinamerika niemand von Umwelt-schutz gesprochen. Auch dort wird dieses Be-wusstsein immer stärker. Man erkennt, dass man mit dem Regenwald nicht so umgehen kann wie bisher. Hier haben wir eine Vermittlerrolle.

? Welche Medienleistungen bietet die Deutsche Welle in Lateinamerika?

Wir haben umfassende Internetangebote – auf Spanisch und Portugiesisch. Auf diesen Seiten bieten wir auch Video- und Audiomaterial. Hinzu kommt unser spanischsprachiges Fern-sehprogramm. Das ist leider bei weitem kein Vollprogramm, aber doch so umfangreich, dass man es als ein Paket präsentieren kann. Auch das deutschsprachige Angebot hat in Lateiname-rika seine Relevanz. Und die Akademie schult in zahlreichen Trainingsmaßnahmen Medien-schaffende, derzeit vor allem in Brasilien und Kolumbien. Das Projekt „Von Feuerland nach Tijuana“ ist die multimediale Krönung dessen, was wir bisher in Lateinamerika gemacht haben. Ziel der Projekt-Teams war es, den Kontinent abzubilden mit bestimmten Fragestellungen – ganz bewusst durch unsere Brille: Wie sehen wir das heute? Welche Beziehungen haben diese Staaten zu Europa entwickelt? Und welche Rolle spielen die vielen Deutschen, die nach Südame-rika ausgewandert sind, heute? Es ist ein riesiges Programmprojekt mit fast einem Jahr Vorlauf, mit vielen Erfahrungen und einer beispielhaften multimedialen Umsetzung. Unterm Strich sehr gelungen, wie ich finde, und Ansporn für wei-tere Projekte dieser Art.

? Dennoch: Reicht das bisherige Ange-bot der DW aus, um sich auf einem

so wichtigen Kontinent medial Gehör zu verschaffen – mit Blick auf internationale Mitbewerber?Sicherlich würden wir gern mehr machen und die Leute hätten auch gern mehr von uns. Das sagt man uns immer wieder: Macht mehr, und zwar von allem, Radio, Internet und Fernsehen. Das ist auch eine Frage der Mittel und der Aus-stattung. Da stoßen wir in allen Bereichen der Deutschen Welle an Grenzen.

? Alexander von Humboldt schrieb 1800 an seinen Bruder: „Es gibt vielleicht

kein Land, wo man angenehmer und ru-higer leben könnte als in den spanischen Kolonien.“ Wohin zieht es Sie in Latein-amerika besonders?Eindeutige Präferenzen kann ich da nicht geben, weil der riesige Kontinent unglaublich vielfäl-tig ist. Tausende von Kilometern von Tierra del Fuego bis Tijuana mit spektakulären Land-schaften, sehr unterschiedlichen Kulturen und Menschen – obwohl viele eine gemeinsame Sprache sprechen. Das Schöne an Südamerika ist, glaube ich, dass es einen gerade nicht an einen bestimmten Punkt zieht, sondern dass es eine Einladung ist, ständig unterwegs zu sein. sEs gibt tolle Ecken in Mexiko, fantastische Plätze in Chile und auch in Brasilien Dinge, die man gesehen und erlebt haben muss. Wer nach Süd-amerika fährt und sich dort drei Wochen an den Strand legt, verpasst unglaublich viel. ——

02 Großes Gefälle zwischen Arm

und Reich: von der Favela Cidade de

Deus in die Vorzeige-Favela Dona

Maria, mit gradiosem Ausblick auf

das „andere“ Rio de Janeiro

02

»Lateinamerika

ist eine Einladung,

ständig unterwegs

zu sein.«

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14— titel

Die breite Präsenz der DW könnte durchaus überraschen. Denn der deutsche Auslandssender bietet auf dem Kontinent bisher täglich nur we-nige Stunden TV-Programm auf Spanisch, sendet hauptsächlich in Deutsch und Englisch. Doch die Deutsche Welle genießt in Lateinamerika den Ruf unbestechlicher Objektivität und wird nicht – wie etwa der spanische Sender TVE oder auch CNN – mit kolonialer Vergangenheit bezie-hungsweise „neuem Kolonialismus“ assoziiert.

In weiten Teilen des Kontinents sind Mei-nungs- und Pressefreiheit gewährleistet. In einzelnen Ländern gibt es gleichwohl massive Probleme für Journalisten. Ein markantes Bei-spiel ist Kolumbien, wo bewaffnete Gruppen Druck auf die Presse ausüben. Auch in Mexiko leben Journalisten gefährlich, hier können Be-richte über die Drogenmafia zum Verhängnis werden. In Kuba ist nicht nur ein äußerst be-grenzter Zugang zum Internet zu beklagen. Und in Venezuela greift die Regierung durch immer stärkere rechtliche Auflagen in die Medienfrei-heit ein. Gerade in diesen Staaten ist die Deut-sche Welle als alternative Quelle für verlässliche Berichterstattung gefragt.

Die Partner in den 21 Ländern des Kontinents arbeiten auf ganz unterschiedliche Weise mit

Appetit auf mehr DW-TV ist in allen großen Kabel- und Satellitennetzen Mittel- und Südamerikas vertre-ten. Der Kontinent ist ein Heimspiel für die Deutsche Welle, wie Vertriebsleiterin Petra Schneider meint. Hier ein Überblick über Partner und Nachfrage vor Ort.

Über 900 Partner strahlen aktuelle Programme von DW-TV in Lateinamerika

aus – die Nachrichtensendung Journal, Dokumentationen

und Reportagen aus der Reihe Prisma sowie das Talkfor-

mat Cuadriga. Hinzu kommen jährlich rund 1.000 Sende-

stunden in spanischer Sprache, die von der Deutschen

Welle unter dem Label DW-TRANSTEL vertrieben werden.

Darüber hinaus bietet die DW für Lateinamerika umfang-

reiche Internetangebote auf Spanisch und Portugiesisch

an. Nutzer aus Brasilien stehen auf Platz fünf der Besucher

der Seiten von DW-WORLD.DE. Jüngsten Zahlen zufolge wird

monatlich rund 700.000 Mal auf das spanischsprachige

Angebot zugegriffen.

der DW zusammen: Sie übernehmen das Voll-programm von DW-TV, also das dreisprachige 24-Stunden-Angebot in Deutsch, Englisch und Spanisch. Oder sie strahlen lediglich die spa-nischsprachigen Sendungen aus. Sie verbreiten DW-Programme per Kabel oder Satellit, laden Radiosendungen aus dem für sie bereitgestellten Audiodepot herunter, verlinken auf die Website der DW oder kaufen Programme mit dem Label DW-TRANSTEL.

01 Das mediale Angebot aus

Deutschland könnte größer sein: eine

Einschätzung, die in Mittel- und Süd-

amerika immer wieder zu hören ist

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weltzeit 02_2010 titel —15

Der kolumbianische Partner Señal Colombia beispielsweise bietet die Deutsche Welle trimedial an: via TV, online und durch den Einkauf von DW-TRANSTEL-Sendungen; Radio soll bald hinzukommen. Señal Colombia ist ein staatlicher Sender, der sich vor allem auf Bildungs- und Kulturprogramme konzentriert. Ungeachtet der schwierigen politischen Situation im Land, ist er darauf bedacht, die kulturelle und politische Diversität Kolumbiens in seinem Programm wi-derzuspiegeln. „Die Sendungen der Deutschen Welle, die wir übernehmen, bieten eine andere Ästhetik und eine andere Erzählweise als das ko-lumbianische Fernsehen“, sagt der Direktor des Senders, Douglas Martínez Jácome, „dies wird vom heimischen Publikum als Neuheit begeistert aufgenommen.“

Wichtigster DW-Partner in Brasilien ist Net, mit 3,7 Millionen zahlenden Abonnenten das größte Kabelunternehmen Lateinamerikas. Net übernimmt das Vollprogramm von DW-TV und bietet es in seinem internationalen Paket an. „Wir haben festgestellt, dass es ein großes Publikum für die Angebote internationaler Sender gibt“, erklärt Programmdirektor Fernando Magalhães. Mangelnde Pressefreiheit sei in Brasilien kein Problem, das mediale Angebot sehr vielfältig.

Manche DW-Partner sind in mehreren Staaten des Kontinents präsent, zum Beispiel die spa-nische Firma Telefónica, das drittgrößte Telekom-munikationsunternehmen der Welt. Telefónica bietet in fünf Ländern Lateinamerikas DW-TV über Kabel und Satellit an. Allein in Peru be-ziehen mehr als 200.000 Abonnenten DW-TV über die Tochtergesellschaft Cable Mágico. Zu Telefónica gehört auch das Internet-Portal Terra, das in Lateinamerika 52 Millionen Nutzer hat; mit der Deutschen Welle steht es derzeit in Ver-handlungen für die Übernahme spanischspra-chiger Angebote. Peter Kothe, Programmdirektor Lateinamerika von Telefónica, sagt, er schätze die Deutsche Welle sehr. Gleichwohl merkt er an, dass „bei DW-TV mehr spanischsprachige Sendungen notwendig wären, zumindest mehr Sendungen mit spanischen Untertiteln. Damit könnten wir unsere guten Zuschauerzahlen in Lateinamerika noch erhöhen.“ Eine Einschät-zung, die in Mittel- und Südamerika immer wie-der zu hören ist, auch mit Blick auf Portugiesisch für Brasilien.

Eine gute Nachricht hat die Deutsche Welle gleichwohl für ihre Partner und Nutzer in La-teinamerika: In Kürze wird sie wieder tägliche Audio-Angebote in Spanisch bereitstellen. ——

Wirtschaftsinteressen selbstbewusst wahrnehmen

Die Bundesregierung will die Beziehungen zu Lateinamerika vertiefen – so steht es ausdrücklich im Koalitionsvertrag. In den nächsten Monaten will sie dazu ein umfas-sendes Konzept vorstellen. Das klingt vielversprechend, aber in der Vergangenheit hat es vergleichbare Anläufe gegeben. So präsentierte etwa die Regierung Kohl Mitte der Neunzigerjahre ein Lateinamerika-Konzept. Nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün 1998 verschwand es in den Schubladen des Auswärtigen Amtes: Für Außenmi-nister Fischer hatte Lateinamerika keine Priorität. In der Großen Koalition wurde dies nach 2005 besser: Sowohl der damalige Bundes-außenminister Steinmeier als auch Bundeskanzlerin Merkel reisten in die Region und knüpften engere Kontakte. Dennoch gab Staatsminister Hoyer in der WELT Anfang März unumwunden zu: „Wir haben uns um unsere Partner in Lateinamerika, die uns wirtschaftlich und kulturell ja sehr nahe stehen, einfach zu wenig gekümmert – und das ist dort auch so wahrgenommen worden. Dabei darf man auf gar keinen Fall diejeni-gen, auf die man sich eigentlich verlassen kann, vernachlässigen.“ Das verbietet sich vor allem längst aus wirtschaftlichen Gründen: Die meisten Staaten Lateinamerikas und der Karibik haben 2008 und 2009 bewiesen, dass sie deutlich besser als früher in der Lage waren, die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise abzuwehren. Viele hatten die davor liegende Zeit genutzt, um höhere Devisenreserven anzulegen und Staats- und Auslandsschulden zu verringern. Zur besseren Positionie-rung der Region auf der Bühne der Weltpolitik dient immer mehr ihr Reichtum an Bo-denschätzen, Energieressourcen und landwirtschaftlichem Potenzial. Nicht zuletzt des-halb hat China zu einer veritablen „Conquista“ des Subkontinents angesetzt! Noch nimmt Deutschland dort als Herkunftsland ausländischer Direktinvestitionen mit einem Bestand von 70 Milliarden Dollar den dritten Platz ein – hinter den USA und Spanien. Allerdings flankierte Madrid – wie auch Paris – seine Wirtschaftsinteressen viel aktiver als Berlin. Das muss sich ändern, will Deutschland dort nicht Terrain ver-lieren. So manche Kritik an der Lateinamerikareise von Außenminister Westerwelle scheint vor diesem Hintergrund heuchlerisch: In der Region selbst ist die Reise je-denfalls positiv registriert worden. Berlin darf sich auch nicht zu sehr ins Brüsseler Schlepptau nehmen lassen: Das gebietet die lange Tradition der deutsch-lateinamerika-nischen Beziehungen ebenso wie wohlverstandenes Eigeninteresse.

Hildegard Stausberg(Lateinamerika-Expertin, früher FAZ, Chefredakteurin der Deutschen Welle, jetzt bei der „Welt“)

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Aufgabenplanung: Strategiepapier im BundestagBerlin – Intendant Erik Bettermann hat den Entwurf der DW-Aufgabenplanung 2010 bis 2013 am 24. März an Bundestagspräsident Norbert Lammert (r.) übergeben. Rundfunkrat und Verwaltungsrat der DW hatten die Aufgabenplanung zuvor in einer gemeinsamen Sitzung in Berlin zustimmend zur Kenntnis genommen. Sie wurde auch Bundesregierung und Bundesrechnungshof zugeleitet. Gemäß DW-Gesetz nimmt die Bundesregierung zu den inhaltlichen Aspekten innerhalb von sechs Wochen Stellung, das Parlament soll sich unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten damit befassen. Interessierte finden das Strategiepapier im Internet. www.dw-world.de/unternehmen

Demokratiepreis: Ehrung für Shirin Ebadi Bonn – Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi erhält in diesem Jahr den Internatio-nalen Demokratiepreis Bonn (IDB). DW-Intendant Erik Bettermann, Vorsitzender des Vereins IDB, würdigte die Anwältin als „engagierte, hoch angesehene Menschenrechtsaktivistin und Kämpferin für Demokratie und Frauenrechte“. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 20. Mai in der Bonner Redoute übergeben, die Laudatio hält Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Der Vor-stand des Vereins hatte sich einstimmig für die Iranerin ausgesprochen. Erster Preisträger war 2009 der frühere tschechische Staatspräsident Vaclav Havel. www.demokratiepreis-bonn.de

The BOBs: Online abstimmen bis zur re:publica Bonn/Berlin – Die Preisträger des internationalen Weblog-Awards „The BOBs“ gibt die Deutsche Welle am 15. April auf der re:publica in Berlin, der größten deutschen Blogger- und Internetkonferenz, bekannt. Die Jury hat 187 Weblogs, Podcasts und Videoblogs nominiert. Bis 14. April können Interes-sierte noch online über ihre Favoriten in elf Sprach- und sechs Fachkategorien abstimmen. Parallel dazu wird es ein Votum der Jury geben. Die Preise werden – wie schon 2009 (Foto) – auf dem Deutsche Welle Global Media Forum im Juni in Bonn verliehen. Thema der dreitägigen Konferenz wird „Der Klimawandel und die Rolle der Medien“ sein. www.thebobs.com

Umweltminister: Mongolei von Wüstenbildung bedroht Bonn – Der mongolische Umwelt- und Tourismusminister Gansukh Luimed sieht sein Land besonders vom Klimawandel betroffen. 70 Prozent der Fläche der Mongolei seien von Wüstenbildung bedroht. „Die Temperaturen sind in den vergangenen 70 Jahren um 2,1 Grad gestiegen, das Dreifache des Welt-Durchschnitts“, sagte der Minister Ende März bei einem Besuch der DW in Bonn. Gansukh, der auch zum Deutsche Welle Global Media Forum Ende Juni in Bonn erwartet wird, erläuterte im DW-Inter-view Maßnahmen seiner Regierung in den Bereichen Bergbau und Weidewirtschaft und zur Eindäm-mung der in der Hauptstadt Ulan Bator stark gestiegenen Luft- und Wasserverschmutzung.

Socialbar: Im Netz effizient networken Bonn – Wie kann man über das Internet zivilgesellschaftliche Initiativen koordinieren? Darüber tau-schen sich Web-Aktivisten, Ehrenamtliche und Politiker aus der Entwicklungszusammenarbeit, Ver-treter von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen auf regionalen „Socialbars“ aus. Bei der ersten Veranstaltung dieser Art in Bonn Mitte März auf Initiative der Bildungsagentur InWEnt und der DW stellten unter anderem Daniel Kraft (Foto) von der Bundeszentrale für politische Bildung und Gerald Neu vom Ernährungsportal das-ist-drin.de Beispiele für eine zielgerichtete Online-Kommuni-kation vor. In Deutschland gibt es Socialbars derzeit in 15 Städten. www.socialbar.de

16— spot

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weltzeit 02_2010 partner —17

Rüdiger Lentz ist in seinem Element. Er er-zählt, was die Besucher im German-American Heritage Museum alles lernen können über die Deutschen in Amerika: „Um 1900 gab es in New York ein Little Germany mit etwa 400.000 bis 500.000 Menschen“, erklärt er. „Das war die drittgrößte deutschsprachige Stadt nach Berlin und Wien.“

Untergebracht ist das Museum in der Ho-ckemeyer Hall, einem viktorianischen Haus im Herzen der US-Hauptstadt. Es wurde 1888 von dem wohlhabenden Kaufmann John Hocke-meyer gebaut, damals mitten im deutschen Vier-tel. Auch heute noch herrscht hier reges Treiben, Chinatown ist gleich nebenan. Museumsdirektor Rüdiger Lentz möchte nicht nur Touristen, sondern vor allem „ganz normale Amerikaner“ ansprechen, wie er sagt.

Es sind vor allem die persönlichen Ge-schichten der deutschen Einwanderer, die der studierte Historiker und ehemalige Studioleiter der Deutschen Welle in Washington erzählen will. Angefangen mit der Überfahrt: „Bis zu 20 Prozent der Leute kamen nie in Amerika an, sie sind unterwegs an Diphtherie, fauligem Wasser, schlechter Ernähung gestorben“, führt Lentz aus. Die Besucher erfahren, welche berühmten Amerikaner deutsche Vorfahren hatten: Elvis Presley etwa, Doris Day, auch Präsident Dwight D. Eisenhower und Jeans-Erfinder Levi Strauss. Ausstellungsstücke gibt es nur wenige, nicht nur

aus Platzgründen. Man wolle nicht Heimatmu-seum oder volkstümelndes Museum sein, erklärt Lentz. „Wir wollen informieren, junge Leute ansprechen und sie anregen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.“

Eine Zeitleiste bildet 400 Jahre deutsche Emi-gration nach Amerika ab, große Tafeln schildern Porträts von deutschen Clubs, die es überall in den USA gibt. Die meisten Informationen sind in englischer Sprache, einiges auf Deutsch. Das Programm von DW-TV läuft, auch der Inter-netauftritt des deutschen Auslandssenders ist zu entdecken. Denn das erste und einzige Muse-um für deutsche Einwanderungsgeschichte in der US-Hauptstadt soll zweierlei: „Es hat den Auftrag, den Amerikanern und den Deutsch-Amerikanern die Geschichte ihres Landes über das Thema deutsche Einwanderung und die Leistungen der Deutschen näher zu bringen“, so Lentz. Außerdem solle das heutige Deutschland dargestellt werden: „Wir wollen den Deutsch-Amerikanern auch den Blick öffnen in Richtung ihrer alten Heimat.“ ——

www.gahfusa.org

Fenster nach Deutschland Washington – 46 Millionen Amerikaner haben nach eigenen Angaben deutsche Vor-fahren. Seit 21. März haben sie in Washing-ton DC ihr eigenes Museum. Es zeigt die 400-jährige Geschichte der deutschen Ein-wanderer. Die Deutsche Welle ist Partner. Christina Bergmann war zur Eröffnung vor Ort.

01 Museumsleiter Rüdiger Lentz

in der Musik-Ecke: Hier wird an deut-

sche Klassiker und an die bis heute

erhaltene Tradition von Gesangskul-

tur deutschen Ursprungs erinnert

02 1888 erbaut: die Hockemeyer

Hall, in der das German-American

Heritage Museum untergebracht ist

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18— partner

Bonn – Junge Journalisten aus „Ländern des Südens“ kommen zur Weiterbildung nach Nordrhein-Westfalen, Nachwuchs aus NRW geht in eben diese Länder: Beides fördert die Heinz-Kühn-Stiftung und arbeitet dabei auch mit der Deutschen Welle zusammen. Johannes Hoffmann stellt die Einrichtung vor.

Aurelien Akouegninou aus Cotonou, Benin, verbringt vier Monate in Deutschland. Priya Esselborn aus Bonn fährt für sechs Wochen nach Uganda. Zwei junge Journalisten, die zweierlei verbindet: ein Stipendium der Heinz-Kühn-Stiftung und die Deutsche Welle.

Esselborn, Redakteurin im Hindi-Programm des deutschen Auslandsrundfunks, gibt das Stipendium die Zeit, sich jenseits des Redak-tionsalltags ausschließlich einem Thema zu widmen: der indischen Minderheit in Uganda. Als Ergebnis der Recherchereise bringt sie mehr als 30 Stunden Material mit. Ihr Kollege aus

Benin absolviert zunächst einen Sprachkurs beim Goethe-Institut in Bonn, dann ein Praktikum im Französischen Programm der DW. Hier lernt er die Abläufe einer multimedial arbeitenden Redaktion kennen.

Heinz-Kühn-Stipendiatin Sonja Funke resü-miert: „Mein Blick auf die Welt und auf mich selbst hat sich nach sechs Wochen Burkina Faso verändert.“ Eindrücke und Erfahrungen, die so oder ähnlich viele Stipendiaten teilen, die seit Gründung der Stiftung 1982 ausgewählt wurden. Die Heinz-Kühn-Stiftung ist eine ge-meinnützige und überparteiliche Stiftung des

„Das schafft Bindung zu unserem Land“

Fragen an Ute Maria Kilian,

Geschäftsführerin der Heinz-Kühn-

Stiftung.

erweitern Den

? Ist das Stipendium mehr als journalistische Nachwuchsförderung?

Auf jeden Fall. Für die fünf bis acht ausländischen Stipendi-

aten, die wir jedes Jahr haben, ist es oft der erste Kontakt

zu Deutschland und Europa. Manch einer hat auch Vorbehalte

oder Ängste – das Deutschlandbild ist nicht überall in der Welt

nur positiv. Wir sehen es als eine wichtige Aufgabe, den Sti-

pendiaten über die journalistische Fortbildung hinaus ein Bild

unseres Landes zu vermitteln. Nicht weichgespült, sondern

realistisch. Dazu bieten wir ein Kulturprogramm, mit Studi-

enreisen, Veranstaltungen und gemeinsamen Aktivitäten am

Wochenende. Die meisten kehren mit einem differenzierteren

Deutschlandbild nach Hause zurück. In der Regel übrigens auch

mit recht guten Deutschkenntnissen. Auch das schafft Bindung

zu unserem Land. Viele kommen wieder nach Deutschland,

studieren hier, machen einen Masterabschluss oder arbeiten

hier journalistisch.

? Und was heißt es für die deutschen Stipendiaten?

Die „Auszeit“ macht die jungen Menschen aufgeschlossener

gegenüber Neuem, bisher Fremdem. Sie werden auch selbst-

ständiger, trauen sich anschließend mehr zu. Für die meisten

hat die mehrwöchige Reise in ein Land ihrer Wahl eine große

Bedeutung für die persönliche und berufliche Entwicklung.

? Pflegen die Stipendiaten auch untereinander Kontakte?

Sie bilden ein Netzwerk, das inzwischen mehrere 100 Mitglieder

umfasst. Nicht wenige sind befreundet und unterstützen sich

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Landes Nordrhein-Westfalen. Sie geht zurück auf eine Initiative des früheren Ministerpräsi-denten Johannes Rau. Anlass war der 70. Ge-burtstag seines Amtsvorgängers – eines gelernten Journalisten, dem die „Länder des Südens“ zeit seines Berufslebens besonders am Herzen lagen. Heinz Kühn begleitete die Arbeit der Stiftung als Kuratoriumsmitglied bis zu seinem Tod. Die Einrichtung fördert junge Journalisten aus Ent-wicklungs- und Schwellenländern – und junge Journalisten aus NRW. Stipendien ermöglichen den einen die Mitarbeit in einem Medienunter-nehmen in Nordrhein-Westfalen, den anderen eine Recherchereise in ein Land ihrer Wahl.

Jedes Jahr erhält die Stiftung weit über 100 Anfragen, die meisten aus dem Ausland, Tendenz steigend. Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Studium und journalistische Erfahrungen. Interessenten und Stipendiaten aus Deutschland sind meist Freie Journalisten mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik, Absolventen von Journalistenschulen oder Volontariaten, da-runter Mitarbeiter der Deutschen Welle.

Die Chancen, eines der rund 15 Stipen-dien für Deutsche zu bekommen, stehen nicht schlecht. Das bedeutet: sechs bis zwölf Wochen

Zeit, um ein selbst gewähltes Thema in einem Land der Wahl frei zu recherchieren. Bedin-gung: Es muss eine Geschichte zu einem ent-wicklungspolitischen Thema herauskommen, die nicht die üblichen Klischees bedient und in der alltäglichen Berichterstattung eher selten Platz findet. Sie erscheint im Jahrbuch der Heinz-Kühn-Stiftung.

Kaum ein Land der Welt, in das es den jour-nalistischen Nachwuchs nicht zieht – Sierra Leone, Liberia, Kolumbien und China etwa waren Ziele in jüngerer Zeit. In Krisengebiete wie Somalia allerdings lässt die Stiftung nie-manden ziehen.

In Deutschland arbeitet sie mit einem Netz-werk von Partnern zusammen. Darunter finden sich Medienunternehmen wie WDR, ZDF, WAZ-Konzern und Deutsche Welle, auch Orga-nisationen wie der Deutsche Entwicklungsdienst und politische Stiftungen.

„Wir sind eine kleine Stiftung mit unglaub-licher Breitenwirkung“, sagt Geschäftsführerin Ute Maria Kilian. Den Stipendiaten bietet sie die Möglichkeit, den Horizont zu erweitern. ——

www.heinz-kuehn-stiftung.de

gegenseitig, wo immer es nötig ist. Als beispielsweise DW-Mit-

arbeiter Alexander Göbel, der 2008 über die Stiftung in Sierra

Leone war, als ARD-Korrespondent nach Togo musste, half ihm

ein togolesischer Stipendiat. Oder nehmen Sie Brasilien, von

wo uns viele Bewerbungen erreichen. Dort machen Stipendi-

aten bei ihren Journalistenkollegen Mund-zu-Mund-Propaganda

für unser Programm. Die meisten Interessenten sprechen schon

sehr gut Deutsch. In der brasilianischen Redaktion der DW und

bei anderen deutschen Medien wie WAZ-Gruppe oder WDR fin-

den sie dann leicht den Einstieg. Die Ex-Stipendiaten sind ein

Multiplikatorenschatz für Deutschland.

? Welche Rolle spielt die DW für die Stiftung?Die Deutsche Welle ist für die Heinz-Kühn-Stiftung ein

wichtiger Partner. Und das nicht nur, weil Intendant Erik Better-

mann Mitglied des Kuratoriums ist. Weil viele ausländische Sti-

pendiaten Hörfunkjournalisten sind, können sie für zwei Monate

in einer der DW-Redaktionen mitarbeiten. Sie knüpfen dort Ver-

bindungen, die oft sehr langfristig wirken. Manche werden von

der DW später als Korrespondent beschäftigt, andere kehren

mit Fristverträgen zum Sender zurück. Umgekehrt haben sich

immer wieder jüngere deutsche DW-Redakteure erfolgreich um

Stipendien bemüht. So sind über die Jahre sehr enge Bezie-

hungen zwischen Stiftung und DW entstanden. Besonders freue

ich mich, dass jetzt ein erster Stipendiat in den neuen Master-

studiengang „International Media Studies“ von DW, Hochschu-

le Bonn-Rhein-Sieg und Universität Bonn aufgenommen wurde,

den ja das Land NRW mitfinanziert.

01-03 Stipendiaten vor Ort:

Barbara Gruber in Kambodscha,

Christiane Wolters in Costa Rica und

Alexander Göbel in Sierra Leone

Ute Maria Kilian ist seit zehn Jahren Geschäftsführerin

der Heinz-Kühn-Stiftung. Die studier-

te Verwaltungswissenschaftlerin ar-

beitete nach einem dreimonatigen Auf-

enthalt in Madagaskar mehrere Jahre

im Persönlichen Büro des früheren

Ministerpräsidenten Johannes Rau.

Nach dessen Wahl zum Bundespräsi-

denten war sie für den Deutschen Ent-

wicklungsdienst zweieinhalb Jahre im

Tschad und in Benin tätig.

erweitern

02 03

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Peter Craven ist seit 1992 als Redakteur und Mo-

derator für das Fernsehen der Deut-

schen Welle in Berlin tätig. Der ge-

bürtige Brite ist Diplom-Politologe,

Dolmetscher und Übersetzer und

verfügt über einschlägige Erfah-

rungen als Reporter und Nachrich-

tenmann bei weiteren internatio-

nalen Sendern. In den vergangenen

zwei Jahrzehnten hat er über The-

men der jüngeren deutschen Ge-

schichte ebenso wie über das Wirt-

schaftsleben hierzulande und den

deutschen Fußball berichtet. Bei

DW-TV moderiert er das Journal,

das Flaggschiff im Programm des

deutschen Auslandsfernsehens. Als

Gastgeber der Sendung Talking Ger-

many, der englischen Ausgabe von

typisch deutsch, spricht Peter Cra-

ven mit prominenten und weniger

bekannten Gästen – stets mit dem

Ziel, ein facettenreiches, modernes

Deutschlandbild zu zeichnen.

DEUTSCHLANDBILD

Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, dann sage ich meistens, ich sei zur Hälfte Engländer, zur Hälfte Schotte und zur Hälfte Deutscher. England, da bin ich geboren – in Yorkshire, um genau zu sein. Schottland – das Land meine Mutter. Und vor ein paar Jahren habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit an-genommen. Es war ein Schritt, der vermutlich auf viele Engländer rätselhaft, vielleicht sogar provozierend wirkt.

Die Engländer tun sehr viel, um Erinne-rungen an den Zweiten Weltkrieg und den Sieg über Nazi-Deutschland wach zu halten. Dieses Bestreben spiegelt sich zum Beispiel in der Spra-che der Medien wider, wenn eine etwas forsche Initiative der deutschen Regierung ohne Um-schweife zum Blitzkrieg erklärt wird. Oder wenn im Fußball der unwiderstehliche Drang eines deutschen Spielers nach vorne zum alles nieder-walzenden Vorstoß eines Panzers mutiert.

Die jüngere deutsche Geschichte ist dunkel, mörderisch und unverzeihlich. Aber es ist ge-

nauso wahr, dass sich die Deutschen intensiv mit ihrer Geschichte konfrontieren, um daraus zu lernen. Das hat auch dazu geführt, dass Deutschland viel entspannter und viel warm herziger geworden ist – was viele Menschen 2006 vom Gastgeberland der Fußball-WM überrascht hat.

Und doch: Viele in England hat selbst das nicht überzeugt. Vielleicht weil es einfach nicht ins Bild passt. Das Misstrauen den Deutschen gegenüber sitzt noch tief. „Die Deutschen sind arrogant und haben keinen Sinn für Humor.“ Vorurteile, die in vielen Pubs gepflegt werden. Mein Bruder, der in London lebt, hat neulich eine solche „Schimpf-auf-die-Deutschen-Run-de“ unterbrochen mit der Bemerkung „Mein Bruder ist Deutscher!“ – Jähes Schweigen. Kein Zweifel: Es war ein überraschendes und irgend-wie auch peinliches Bekenntnis.

Wieso bin ich Deutscher geworden? Nach mehr als zwei Jahrzehnten in diesem Land kam ich an einen Punkt, an dem ich feststellte, dass

Berlin – „Du kannst nicht einfach Deutscher werden!“ Das sagte so mancher seiner Weg-begleiter. Doch er wurde Deutscher. Der Engländer Peter Craven, Moderator bei DW-TV, über seinen Schritt und die für ihn überzeugenden Beweggründe.

Die Erweiterung der Definition

20— profil

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profil —21 weltzeit 02_2010

ich nicht nur eine innige Beziehung zur Literatur, zur Geschich-te, zu den Landschaften und den Menschen aufgebaut hatte: Nein, es war meine Literatur, meine Geschichte, es waren meine Landschaften und meine Menschen geworden.

Ich sehnte mich natürlich auch danach, volle politische Rechte wahrzunehmen. Entsprechend groß war meine Begeisterung, als ich bei einer Bundestagswahl meine Stimme abgeben durfte. Und wie wohltuend war es, nun vollständiges Mitglied der Gesell-schaft und anerkannter Debattenteilnehmer zu sein. Nie wieder könnte man mich mit den Worten abtun: „Also bei uns …“

Es gibt noch einen weiteren Grund. Als ich nach Deutschland kam, tat man sich hier noch sehr schwer damit, zu akzeptieren, dass die Welt sich veränderte und sich deshalb auch die Definition des „Deutsch-Seins“ ändern müsste. Es gab keine Alternative: Integration, nicht Ausgrenzung. Mit diesem Gedanken freundete sich Deutschland inzwischen an. Indem ich die deutsche Staats-angehörigkeit angenommen habe, habe ich mich zu Deutschland bekannt und Deutschland sich zu mir. Und indem ich diesen Weg gegangen bin, habe auch ich (natürlich nur ganz bescheiden) dazu beigetragen, die Definition des „Deutsch-Seins“ zu erweitern.

Aber: Ausgerechnet an dem Tag, an dem ich meine Einbürge-rungsurkunde überreicht bekommen hatte, traf ich einen guten Freund. Er ist Jude und er war schockiert – sehr schockiert: „Du kannst nicht freiwillig Deutscher werden!“ Doch, kann ich. Und du solltest das auch tun. Du könntest auch die Definition erwei-tern, auch dazu beitragen, dass ein neues Verständnis entsteht. Ich habe ihn immer noch nicht überzeugen können.

Neulich auf einer Fete traf ich einen Griechen. Er ist mit Deutsch als zweiter Sprache aufgewachsen, er liebt Berlin, führt ein Unternehmen hier, hat eine Familie und ein Haus. Wieso bewirbt er sich nicht um die doppelte Staatsangehörigkeit? Er schluckt, er seufzt, er zögert. Und dann erzählt er, wie die Deut-schen im Zweiten Weltkrieg seinen Großvater ermordeten. „Ich kann nicht einfach so Deutscher werden!“ Was ich verstehe. Aber dennoch sage ich: Er soll es tun! Auch er würde die Definition erweitern, voranbringen.

Doch ich bin nicht blauäugig. Deutschland hat Probleme wie viele andere Länder auch – und noch ein paar eigene dazu. Ich bin aber davon überzeugt, dass die deutsche Gesellschaft sich in die richtige Richtung bewegt, dass sie sich sehr darum bemüht, sich neu zu definieren. Und ich bin froh, dass ich meinen Beitrag leisten kann bei der Erweiterung der Definition. ——

Was haben eine Pflegemutter, die aidskranke Kinder betreut, ein Postbote, der

bei Wind und Wetter übers Wattenmeer schippert, und ein Feuerwehrmann, der

täglich Leben rettet, gemeinsam? Sie alle sind Helden des Alltags. Und damit

sind sie die Protagonisten in der 100. Ausgabe des Magazins deutschland heute,

ausgestrahlt Mitte März auf DW-TV.

Jede Woche stehen wir Redakteure vor der gleichen Qual der Wahl: Welche der

vielen Beiträge aus dem schier unerschöpflichen ARD- und ZDF-Programm wäh-

len wir aus? Welche vermitteln einen realistischen Einblick in den deutschen All-

tag? Das Magazin deutschland heute wird ausschließlich mit Sendungen der öf-

fentlich-rechtlichen Partner bestückt – dank des Übernahme-Vertrags zwischen

ARD, ZDF und DW aus dem Jahr 2008. Ergebnis dieser Kooperation sind weitere

Sendungen auf DW-TV, darunter das Reisemagazin hin und weg und das Gesund-

heitsmagazin fit und gesund.

deutschland heute und das englische Pendant germany today sind nah dran

an den Menschen in Deutschland. Wir zeigen die Deutschen im Betrieb, in der

Schule, in der Familie, in der Freizeit, im Urlaub. Worüber wir meckern, worüber

wir uns freuen. Die Herausforderung für uns Redakteure besteht darin, in den

Regionalprogrammen des Inlandsfernsehens Filme zu finden, die für ein

internationales Publikum interessant und verständlich sind.

Besonders beliebt bei den Zuschauern ist die Rubrik „deutschland damals“. In

unserer Jubiläumsausgabe erzählen wir zum Beispiel die Geschichte des Spei-

sewagens, der seit 1880 über die Schienen rollt.

26 Minuten Sendezeit sind wenig: So müssen der Drachenflug-Sportler, der das

Schloss Schwanstein umrundet, die Berliner Ärztin, die sich um Obdachlose

kümmert, und die Reportage über den Frühjahrsputz in deutschen Kleingärten

auf eine der nächsten Sendungen warten.

www.dw-world.de/deutschlandheute

Deutschland heute

Berlin – Nah dran an den Menschen oder Recycling macht Spaß: Redak-

teurin Kerstin Schmidt mit Gedanken zur 100. Ausgabe der Sendung

„deutschland heute“ auf DW-TV.

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1998 2000 2002 2004 2006 2008

Mobiltelefonverträge246 Milionen

Festnetzanschlüsse10,6 Milionen

22— neue medien

01

Traditionelle Trommelklänge treffen hippe Klingeltöne: Der Mobilfunkmarkt in Afrika wächst so rasant wie auf keinem anderen Kontinent. Für Unternehmen und Journalisten erschließen sich neue Zugänge. Monika Griebeler hat sie sich angeschaut.

Die mobile Revolution

02 Die Entwicklung der mobilen

Kommunikation in Afrika seit 1998

(Quelle: ITU World Telecomunication/

ICT Indicators detabase)

01 Die Zukunft in Händen: Jeder

Zweite in Afrika telefoniert schon

heute mobil

Klar, Funklöcher gibt es immer wieder, ge-rade in dünn besiedelten Gebieten. Wer hier mit seinem Handy telefonieren oder eine SMS senden will, muss mitunter auf einen Hügel oder Baum steigen. Davon abgesehen hält den mobilen Vor-marsch in Afrika wenig auf. Seit 2006 hat sich die Zahl der Handy-Anschlüsse mehr als verdop-pelt. Rund jeder Zweite telefoniert mobil, sagen die Statistiker der Internationalen Fernmeldeuni-

on ITU. Andrea Schmidt, Leiterin der Kisuaheli-Redaktion der Deutschen Welle, ergänzt: „In Kenia oder Tansania sieht man die Massai, wie sie mit ihrer Herde durch die Steppe ziehen – in der einen Hand den Stock, in der anderen ihr Handy.“ Der Grund für den Erfolg: Internetver-bindungen sind in vielen afrikanischen Ländern nicht vorhanden oder unerschwinglich, fünf Mo-nate Arbeit für einen Monat schnelles Surfen.

Und das Handy ist im Alltag vielfältig ein-setzbar. Afrikanische Mobilfunkanbieter sind bisweilen innovativer als europäische oder US-amerikanische Unternehmen. Bauern empfangen Infos zu Wetter oder aktuellen Marktpreisen und lassen sich per SMS Fragen zu Pflanzenkrank-heiten beantworten. Südafrikaner spielen mit dem Handy Lotto. Bei einigen Anbietern gibt es sogar 50-Cent-Kredite für Kurzgespräche. Besonders beliebt ist das Telefon als mobiler Geldbeutel: Stromrechnungen, Schulgebühren, Taxifahrten oder der Bar-Besuch lassen sich damit bezahlen. Das Geschäft boomt in einem Land wie Kenia, wo nur 20 Prozent der Leute ein Bankkonto besitzen – aber 80 Prozent ein Handy.

Manche Experten sprechen deshalb von einer mobilen Revolution. Gerade für Journalisten ist das interessant. Denn das Handy ist inzwischen

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schlaglichter —23 weltzeit 02_2010

Digitale Mobilität

Die Tage der klassischen PC-Nutzung

am Schreibtisch könnten eher

früher als später zu Ende gehen.

Das behaupten zumindest Experten

des Internetgiganten Google. Erste

Untersuchungen in Japan hätten

ergeben, dass dort bereits heute die

meisten Suchanfragen über mobile

Endgeräte getätigt werden. Zwei

Drittel der Weltbevölkerung haben

bereits ein Mobiltelefon. Mit sieben

Stunden wöchentlich verbringen die

deutschen Handynutzer übrigens

deutlich mehr Zeit in mobilen Netzen

als mit dem Lesen von Zeitungen

oder Magazinen. Zu diesem Ergebnis

kommt die European Interactive

Advertising Association (EIAA) in

einer Studie. Noch länger im mobilen

Internet unterwegs sind demnach

Polen, Italiener, Portugiesen, Belgier

und Russen.

Explosive Daten Durch die Verbreitung der mo-

bilen Internetnutzung, etwa auf

Smartphones, steht weltweit eine

Explosion des Datenaufkommens

bevor. Einer Prognose von Nokia

Siemens Networks zufolge soll

der Datenverkehr bis 2015 um das

Hundertfache steigen – und damit auf

23 Exabytes pro Jahr anschwellen.

Der neue Mobilfunkstandard LTE

(Long Term Evolution) soll die

Verbreitung des mobilen Internets

weiter voranbringen und verspricht

doppelt so hohe Übertragungsraten

wie moderne Glasfasernetze.

Reale Wirklichkeit Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor

dem Eiffelturm und erfassen ihn mit

ihrer Handykamera. Die Software

auf Ihrem Telefon errechnet, wo Sie

sich befinden, in welche Richtung Sie

blicken und was Sie gerade sehen. Das

Handy blendet automatisch Informa-

tionen über Geschichte und Funktion

des Bauwerks ein. Solche Augmented-

Reality-Anwendungen drängen

derzeit auf den Markt. Der neueste

Coup: Eine schwedische Software-

Firma kombiniert Gesichtserkennung,

Augmented Reality und soziale Netze

zu einem neuen Dienst. Ein Blick durch

die Handykamera und „Recognizr“

sagt, wer im Café neben einem sitzt.

Allerdings nur, wenn diese Person ihr

Profil freigegeben hat.

Gebasteltes W-LAN Aus Öldosen, Draht und Schrott

basteln Aktivisten des Fab Labs,

eines Projekts am Massachusetts

Institute of Technology (MIT), in der

afghanischen Stadt Dschalalabad ein

W-LAN-Netz. Die Idee: Über ein landes-

weites drahtloses Netz könnten sich

technisch wenig entwickelte Regionen

dank einfacher Bastelanleitungen

mit geringem Aufwand erhebliche

Vorteile verschaffen. Das Internet als

umfassende Hilfe zur Selbsthilfe.

Gerügte Zensurhilfe Die technische Ausstattung, mit der

das Regime im Iran Kritiker und De-

monstranten überwacht und verfolgt,

stammt unter anderem von Nokia

Siemens. Das Europäische Parlament

verurteilte das Unternehmen in einer

öffentlichen Resolution. Der Verkauf

von Zensur- und Überwachungs-

technologie sei zwar legal, aber

moralisch verwerflich. Schließlich

habe die Technik geholfen, iranische

Dissidenten zu inhaftieren.

Aktive DokumentationBestens für den baldigen Einsatz auf

einem iPad eignen sich sogenannte

Web Documentaries – eine multi-

mediale Mischung aus Reportage,

Dokumentation und Interaktion. Statt

passiv vor einem Fernseher zu sitzen,

können Nutzer einer Web Documen-

tary beispielsweise in der Rolle eines

investigativen Journalisten wie in

einem Computerspiel interagieren.

Anschauliche Beispiele der recht

neuen Mediengattung gibt es beim

französischen Anbieter Honkytonk.

– gleichauf mit dem Radio – Informationsquelle Nummer eins. Die Kisuaheli-Redaktion der Deutschen Welle startete deshalb vor rund einem Jahr einen Nachrichten-Service fürs Handy. Ohne spezielle Apps, einfach per Kurznach-richt, kostenlos. Jeden Tag gehen so die Schlagzeilen auf Kisuaheli an mehr als 2000 Empfänger in 26 Ländern von Tansania bis China. Im Dezember folgte Voice of America mit einem ähnlichen Newsletter. Die BBC bietet einen solchen Service bisher nicht an.

„Wenn das Handy bimmelt, zeigen die Leute das stolz herum: Hier, ich hab eine SMS mit Nachrichten bekom-men“, erzählt Andrea Schmidt. Sie setzt auf Interaktion, denn die Hörer können ihrerseits SMS an die Redaktion schi-cken, live ins Studio zu den Themen der Sendung. Pro Tag erreichen die Redakteure rund 120 SMS, in Krisenzeiten bis zu 300. Schmidt: „Die Leute merken: Obwohl die Deutsche Welle Tausende Kilometer entfernt sitzt, ist sie doch nur eine SMS weit weg.“ ——

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24— countdown

B u c h t i p p

Im Gänsemarsch ziehen sie hinter den Fuß-ballfans durch den Slum, vorbei an Wellblech-hütten und Lattenzäunen: Carlos Ballinas, die Videokamera fest in der Hand, Dalia Haidar mit Mikrofon und Kabelsalat und Jane Nganda mit dem Überblick. Aus Mexiko, Syrien und Kenia sind die drei nach Johannesburg gekommen und wandeln jetzt auf den Spuren der „Makarapa“ – Helme, bunt bemalt und künstlerisch geformt, das Accessoire der südafrikanischen Fußballfans.

Carlos, Dalia, Jane und ihre Kollegen berich-ten als Videojournalisten für ihre Heimatsender von der WM 2010. Aber nicht im Stadion, son-dern drum herum: über die Stimmung bei den

Fans, die internationalen Begegnungen, Straßen-fußball und das Leben in den Townships. Soziale Geschichten – das Turnier ist der Aufhänger. „Die Zuschauer in den Heimatländern können so in ihrer Sprache erfahren, was das Leben der Menschen in Südafrika und was die WM-Atmo-sphäre ausmacht“, erklärt Andrea Rübenacker, Bereichsleiterin Afrika der DW-AKADEMIE. „Es ist auch ein interkulturelles Training: Die Teilnehmer lernen voneinander, von ihren Erfah-rungen als Fernsehjournalisten in den verschie-denen Ländern.“

Medientrainer bringen den jungen Journalisten bei, selbst zu drehen, zu schneiden und zu texten.

Drum herum – und doch mittendrin Johannesburg – 64 Spiele, drei Millionen Tickets, mehr als 70.000 Stunden Fernseh-übertragung weltweit – die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ist ein Medienereignis. Mittendrin 37 Journalisten aus aller Welt, geschult von der DW-AKADEMIE in Zusam-menarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Monika Griebeler über das Projekt „Reporting the World Cup“.

Reizvolle Ästhetikohne Schönfärberei Die erste WM auf afrikanischem Boden bereichert auch

den Buchmarkt – unter anderem mit dem jüngst er-

schienenen, aufwändig gestalteten Titel „Südafrika –

Vielfalt und Gegensätze“. Ein gelungener Band, wie

Daniel Scheschkewitz meint.

Von den üppigen Pflanzenwelten der westlichen Kap-Provinz bis zu den roten Sandböden der Kalahari-Wüste bietet Südafrika dem Touristen eine

01-03 Die WM kann kommen:

Carlos, Dalia, Jane und andere frisch

geschulte Videojournalisten aus aller

Welt

01

01

Vielfalt landschaftlicher Schönheiten wie kaum ein anderes Land. Aber Südafrika ist genauso reich an sozialen Gegen-sätzen. Arm und Reich, Schwarz und Weiß leben Seite an Seite in einer regenbogenfarbenen Nation. Die politische Apartheid hat Südafrika inzwischen überwunden. Doch prägen auch heute noch soziale und kulturelle Unterschiede das Land am Kap stärker als ein einzelnes Buch es beschreiben könnte.„Südafrika – Vielfalt und Gegensätze“ ist den-noch ein gelungenes Bildsachbuch. Es erzählt mit beeindruckenden Fotos und kenntnisreichen Texten vom schwierigen Zusammenleben der Menschen in den schillernden Metropolen, vom scheinheiligen

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countdown —25 weltzeit 02_2010

02

Für Carlos ist die Arbeit als Videojournalist eine Herausforderung. „Ich bin sonst nie der Kame-ramann, habe gar keine Kamera. Normalerweise moderiere ich oder mache Reportagen.“ Auch Dalia war vor dem Dreh beim Makarapa-Maler im Slum etwas mulmig: „Wir waren mit einer sehr teuren Ausrüstung an einem Brennpunkt von Johannesburg unterwegs. Aber wenn die Leute erst einmal mit dir sprechen, wird dir klar: Das sind ganz freundliche Menschen.“

Der Workshop ist zweigeteilt: Im Herbst 2009 lernten 14 Journalisten aus acht Ländern die Technik kennen und produzierten erste eigene Beiträge. In diesem Sommer bekommen sie Ver-

stärkung von Nachwuchsjournalisten der Konrad-Adenauer-Stiftung aus Deutschland und einigen afrikanischen Ländern. Ein Online-Team richtet ein Internetportal ein. Die Fernsehbeiträge laufen dann nicht nur auf den Heimatsendern der Teil-nehmer, sondern sind auch im Internet zu sehen. Ergänzt wird die Website mit Fotos, Texten und Audiobeiträgen. „Im Sommer wird es noch spannender“, sagt Dalia. Und Jane fügt hinzu: „Südafrika ist ein wunderschönes Land, von dem es viel zu berichten gibt. Ich freue mich schon auf das Miteinander der verschiedenen Nationen bei der WM.“ —— www.dw-akademie.de

Umgang der politischen Eliten mit der AIDS-Pande-mie, aber auch von einem Schmelztiegel der Kreativi-tät, zu dem sich die Kulturszene Südafrikas mittler-weile entwickelt hat. Lohnendes Hintergrundwissen trägt der Band in einem gut recherchierten Essay zur Kolonialgeschichte Südafrikas zusammen. Sportliebhaber kommen bei der Lektüre ebenso auf ihre Kosten wie die Freunde schöner Tierfotografien. Schließlich ist die Kaprepublik nicht nur Gastgeber der Fußball-WM 2010, sondern auch eine überaus lohnende Safari-Destination. Doch dem Hang zur Schönfärberei haben die Herausgeber widerstanden. Der wachsenden Kriminalität im Land wird ebenso ein eigenes Kapitel gewidmet wie dem Kampf um das

tägliche Überleben in den trostlosen Wellblechhütten der schwarzen Townships. Gut aufbereitete Statis-tiken und Kartenmaterial liefern dabei willkommene Zusatzinformationen. Trotz aller Dynamik bleibt die Kaprepublik auch 20 Jahre nach der Abschaffung der Apartheid ein Land im Aufbruch. Und die Symbolik seiner Flagge, die Einheit in Vielfalt symbolisieren soll, verspricht mehr als die Wirklichkeit im Land einzulösen vermag. Wer das Land als Journalist bereist, wird Zeuge dieser Dynamik. Wer zu Hause etwas über die Entwicklung Südafrikas erfahren will, dem bietet dieser Band ein Höchstmaß an anschaulicher und ästhetisch reizvoll dargebotener Information.

Südafrika – Vielfalt und Gegensätze.

wissenmedia 2009 – ISBN 978-3-577-

14651-7 – 192 Seiten gebunden, 200

farbige Abbildungen – 34,95 Euro

03

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26— countdown

Grautöne im Regenbogen Pretoria – Südafrika 20 Jahre nach der Freilassung Mandelas und wenige Wochen vor der Fußball-WM im Sommer: eine Bestandsaufnahme von Ludger Schadomsky. Der Afrika-Experte wird in Kürze erneut das Land am Kap bereisen und unter anderem in einem Blog berichten.

20 Jahre nach seiner Freilassung und 16 Jahre nach seiner Wahl zum ersten schwarzen Präsi-denten des Landes präsidiert Nelson Mandela nach wie vor über Südafrika. Als höchste mo-ralische Autorität begleitet er den mühsamen Interessensausgleich innerhalb des Vielvölker-staats.

Danach hatte es zunächst gar nicht ausgese-hen: Als Mandela am Abend seiner Freilassung am 11. Februar 1990 in Kapstadt zu 50.000 Menschen spricht, zeigt sich der spätere Ver-söhner zunächst unversöhnlich. Zwar würdigt er die Leistung von Präsident de Klerk um den politischen Wandel, doch gleichzeitig fordert er, „den Widerstand an allen Fronten zu inten-sivieren“. Und fügt hinzu: „Jetzt nachzulassen würde einen Fehler bedeuteten, den uns künf-tige Generationen nicht verzeihen würden.“

Heute erntet die erste Post-Apartheid-Gene-ration die Früchte des Befreiungskampfes:

Südafrikas Verfassung ist eine der liberalsten weltweit, Me-

dien und

Zivilgesellschaft sind frei und pluralistisch wie nirgendwo sonst auf dem Kontinent. Der Ader-lass der Neunzigerjahre, als weiße Südafrikaner in Scharen auswanderten, ist fürs Erste gestoppt. In Kapstadt, Durban und Johannesburg zieht heute eine selbstbewusste und einkommens-starke schwarze Mittelklasse die Fäden.

Aus Sicht der ehemals Privilegierten stellt sich das Experiment Regenbogennation zwangsläufig anders dar: Wo heute weiße Ob-dachlose an Ampelkreuzungen betteln, bekla-gen Südafrikas Weiße gesunkene Standards im Bildungs- und Gesundheitswesen, Quotenre-gelungen für Schwarze als „umgekehrte Apart-heid“, ausufernde Kriminalität und Korruption.

Groteskes Ausmaß an Korruption Und dennoch sei Südafrika heute „ein demo-kratisches Land, in dem Millionen Menschen zumindest die Aussicht auf ein besseres Leben hätten“, sagt der Journalist Wolfgang Drechsler, der seit 20 Jahren von dort berichtet. „Hätten“, denn Wohlstand für alle sei noch auf absehbare Zeit ein Konjunktiv. Drechslers Analyse: „Wir

erleben eine enorme Machtarroganz des regierenden ANC, ein groteskes

01-04 Die WM, die Versöhnung, die

Armut und der Straßenfußball: Blick auf das

Dach des „Cape Town Stadium“, Mandela bei

der Rugby-WM 1995, die überwundene Apart-

heid und die bleibenden Schatten

02 03

Südafrika-Blog Im Vorfeld der WM im Sommer wird

Ludger Schadomsky, ehemaliger

Südafrika-Korrespondent und heute Lei-

ter des Amharischen Programms der DW,

zwei Wochen lang das Land von Kapstadt

bis zur Grenze Simbabwes atmosphä-

risch mit Mikro und Kamera vermessen.

Ziel der multimedialen Berichterstat-

tung, die einen Blog und eine Reihe von

Hörfunk-Reportagen vorsieht, ist es,

wenige Wochen vor der ersten WM auf

afrikanischem Boden ein Stimmungs-

bild jenseits des grünen Rasens zu ver-

mitteln. Dabei geht es auch um Logistik,

Sicherheit und Nachhaltigkeit der WM.

Doch vor allem soll es um die Fragen

gehen: Kann das runde Leder 2010 die

Regenbogennation einen wie 1995 das

Rugby-Ei? Und haben sich die Verspre-

chen von Arbeitsplätzen und wirtschaft-

lichem Aufschwung durch Infrastruktur-

maßnahmen zur WM bewahrheitet?

Page 27: weltzeit 02_2010: 200 Jahre Unabhängigkeit - Von Feuerland nach Tijuana

weltzeit 02_2010 countdown —27

Ausmaß an Korruption, einen Staat, der nur noch als Trog der Selbstbedienung be-trachtet wird.“ Die Unterstützung des Ter-rorregimes im Nachbarland Simbabwe und das fehlende Vorgehen gegen die in Süd-afrika grassierende AIDS-Epidemie seien Fehler der Präsidentschaft Nelson Mande-las gewesen, die sich heute, zumal unter dem führungsschwachen Nach-Nachfolger Jacob Zuma bitter rächten. „Das Land ist dabei, einen afrikanischen Weg einzuschla-gen und zum Einparteienstaat zu werden“, warnt Drechsler. In der Tat glänzt Zuma mehr mit Korruptions- und Liebesaffären als mit tatkräftiger Führung in einer Zeit, in der Südafrika mehr als alle anderen Län-der des Kontinents von der globalen Wirt-schafts- und Finanzkrise gebeutelt ist.

Dies ist freilich eine Botschaft, die weder in Pretoria noch in Stuttgart gut ankommt. Dort hat SAFRI, die „Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirt-schaft“, ihren Sitz. Gilt doch Südafrika vor allem in Deutschland als wirtschaftlicher und politischer Motor eines Kontinents,

dessen Bilanz guter Regierungsführung und der Integration in den Welthandel nach wie vor mangelhaft ist. Die Leis-tungsfähigkeit des Kaplandes habe sich vor allem in der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, sagt Michael Kleinert, „die Analysen, die vorhergesagt haben, das werde eine ganz große Kata-strophe, sind am Ende nicht eingetroffen“.

Fehlende Integration bis heute Fikile Moya, auf das Thema „Regen-bogen“ angesprochen, lacht erst einmal heftig. Moya ist Executive Editor des „Sowetan“, dem 1981 im Township Sowe-to gegründeten Sprachrohr der schwarzen Antiapartheid-Bewegung. „Die traurige Wahrheit ist, dass wir heute nicht viel weiter als vor 20 Jahren sind“, sagt er dann – schon ernster. „Auch wenn die schwar-ze Mittelklasse leicht gewachsen ist, die Mehrheit der Südafrikaner, die unter der Apartheid getrennt war, ist dies heute noch immer.“ Die Integration, die NelsonMandela gewollt habe, gebe es bis heute

nicht. Wie schon 1995 beim Gewinn der Rugby-Weltmeisterschaft hofft das sport-verrückte Land nun, dass einmal mehr der Sport der Politik den Weg zeigt: Damals übergab ein freudestrahlender schwarzer Präsident Mandela dem weißen Rugby-kapitän die Trophäe, das Land jubelte gemeinsam. 2010 soll es der Fußball sein, der die Nation eint, hofft Fikile Moya. „Im südafrikanischen Fußball wurde die Rassentrennung schon 1978 abgeschafft. Deshalb hat dieser Sport, und hat die Fuß-ballweltmeisterschaft auch das Potenzial, die Gesellschaft zu einen.“

Zu Mandelas Jubiläumsfest im Februar produzierte Südafrika allerdings zunächst Negativschlagzeilen. Von dem anhaltenden Häusermangel frustrierte Township-Be-wohner machten einmal mehr Jagd auf aus-ländische Händler. Die Meldungen werden den Ticketabsatz für das Regenbogenfest im Sommer nicht gerade ankurbeln. ——

www.dw-world.de/afrika

0304

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28— vor ort

Ein Schrank von Grenzbeamtin füllt die Tür zum Zugabteil. „Was? Keine belarussische Krankenversicherung?“, schnauzt sie und macht nicht den Eindruck, als ob sie dem nachlässigen Reisenden Einlass in „Europas letzte Dikta-tur“ gewähren will. Geht ja schon gut los mit den Schikanen. Doch die gute Frau drückt ein Auge zu. „Die Versicherung kaufen Sie sich aber schleunigst am Bahnhof in Minsk!“

Ich bin auf dem Weg ins Land von Alexander Lukaschenko, um einen Onlinejournalismus-Workshop für die DW-AKADEMIE vorzuberei-ten. Es ist unser erstes Seminar nach langjähriger Abwesenheit. Die zaghafte Öffnung der Mins-ker Machthaber nach Westen macht’s möglich. Ich erwarte – ja was eigentlich? Graue Häuser. Graue Menschen. Gedrückte, bedrückende Stimmung. Diktatur eben. Und den großen Führer im Bild an jeder Straßenecke.

Wie geleckt und brutalStattdessen stoße ich auf der Minsker Haupt-schlagader, dem Prospekt Nesavisimosti, auf stalinistischen Zuckerbäckerstil. Die sandfarbene Zentrale des berüchtigten KGB, der nur hier noch so heißt, ist imposant, aber nicht unbedingt furchteinflößend. Vom Türmchen auf dem Dach kann man gut die Gegend überwachen. Oder die Fußballspiele im nahegelegenen Dynamo-Stadion verfolgen.

Selbst der Palast der Republik ist in seiner Brutalität schon fast wieder schön. Eine gute Oper gibt’s hier auch – das Ballett soll sogar bes-ser sein als in Moskau. Die Straßen sind wie ge-leckt, es gibt keine Graffiti an den Häusern, alles geht seinen geregelten Gang. Als Bayer muss ich an München denken.

Die Deutschen wurden von den Sowjets für die komplette Zerstörung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich gemacht. Das stimmt sicherlich zum Teil. „Aber Stalin hat Minsk den Rest gegeben, um hier seine Idealvorstellung einer sozialistischen Stadt zu verwirklichen“, erzählt mir eine befreundete Journalistin beim Stadtrundgang. Mittlerweile sind ein paar historische Viertel wieder aufge-baut. Auch das alte Rathaus steht wieder, wirkt aber unecht, weil es einfach zu neu aussieht.

Doch zurück zum Thema. Der Workshop. Das Internet erlaubt Journalisten in Belarus noch ein bisschen Freiheit und deshalb wollen wir uns im Seminar eben auch um Onlinejournalismus kümmern. Doch wen einladen? Nur sogenannte oppositionelle Journalisten? Oder auch Redak-teure, die bei staatlichen Sendern arbeiten?

Resignation oder Arbeitswille?Wir entscheiden uns für den Dialog und wollen den Kurs für beide Seiten öffnen. Als Veranstal-tungsort bietet sich die Internationale Bildungs-

01-03 Ein bisschen Freiheit:

Journalisten in Belarus wollen ins

Internet

Zuckerbäcker und Zensoren Minsk – Trotz zaghafter Öffnung des Lukaschenko-Regimes nach Westen gibt es für Journalisten in Belarus kaum Freiheiten. Einziger Lichtblick ist das Internet, das von der Regierung noch nicht vollständig kontrolliert wird. Doch die Schere in den Köpfen der Journalisten ist scharf, wie Mathis Winkler feststellen musste.

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Für Belarus stellt die Deutsche Welle ein spezielles Online-Angebot zusammen: www.dw-

world.de/belarus. Täglich erscheinen hier Nachrichten und Hintergrund-Beiträ-

ge mit Informationen zu Belarus und zu den weißrussisch-europäischen Bezie-

hungen. Zudem produziert die Russische Redaktion täglich die Radiosendung

„Europa und Belarus“, die im Internet als Download und Podcast verfügbar und

auch über Kurzwelle zu hören ist. Interessierte in Weißrussland können darüber

hinaus das gesamte russischsprachige Angebot der DW nutzen – besonderes Au-

genmerk legt die Redaktion auf Kulturthemen, Informationen zu Campus und Kar-

riere in Deutschland und Deutschkurse.

Die Deutsche Welle hat in Weißrussland derzeit

neun Online-Partner, unter anderem die Informations-

portale www.belgazeta.by, www.n-europe.eu, Belorusskiy Reporter (www.repor-

ter.by) und die Webseiten des Belarussischen Journalistenverbandes (baj.by) und

der Repräsentanz der Deutschen Wirtschaft in Belarus (belarus.ahk.de). Acht Ka-

belnetzbetreiber übernehmen DW-TV als Vollprogramm. Der Satellitensender Bel-

sat TV adaptiert einige DW-Programme ins Belarussische. Der Sender mit Sitz in

Polen wendet sich nach eigenen Angaben mit einer unabhängigen politischen Be-

richterstattung an Zuschauer in Weißrussland.

MINSK

Homye}

Brest

Hrodna

Vitsyebsk

Mahilyow

VITSYEBSK

MINSK

HOMYEL'

HRODNA

BREST

MAHILYOW

Russland

Lettland

Litauen

Polen

Ukraine

und Begegnungsstätte (IBB) „Johannes Rau“ Minsk an – ein belarussisch-deutsches Gemein-schaftsprojekt, das Grenzen überwinden will, auch die internen, die zwischen Opposition und Vertretern des Staates.

Alles läuft bestens: Wir bekommen – dank Unterstützung der Partner vom IBB Minsk – die Einreiseerlaubnis für den Workshop und es be-werben sich interessante Leute für den Kurs. Am ersten Seminartag bin ich dann trotzdem etwas nervös. Wie werden die Teilnehmer aufeinander reagieren und wird es zu dem gewünschten Aus-tausch kommen?

Die Sorgen verflüchtigen sich schnell, da an-fängliche Berührungsängste in der Gruppe bald abgelegt werden. Letztlich ist es die Teilneh-merin einer belarussischen Menschenrechtsorga-nisation, die eine Diskussion über Pressefreiheit im Land beendet: „Konzentrieren wir uns auf die journalistischen Inhalte!“ Es klingt ein biss-chen wie Resignation. Nach dem Motto: Ändert ja eh nichts.

Amor und AbrissOkay. Dann mal los mit Twitter, Facebook, Flickr und Soundcloud. Einige kennen sich im Internet schon gut aus – so sind zum Beispiel Chat-Programme wie Skype oder ICQ hier sehr beliebt, weil der Geheimdienst sie schlechter ab-hören kann. Für manche in der Gruppe betreten wir jedoch Neuland.

Die Heterogenität der Gruppe veranlasst mich und meinen Kollegen Guy Degen zu einem radikalen Schritt: Wir schmeißen das Kurspro-gramm über den Haufen. Für den zweiten Teil des Workshops wird das Seminar zur Redaktion:

Die Teilnehmer arbeiten selbstständig an einem audiovisuellen Web-Spezial. So können wir bes-ser auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen.

Die Themenvorschläge der Teilnehmer sind eher seicht: Frauen am Steuer. Eine Amor-Statue in der Provinz. Belarus beim Junior Eurovision Song Contest. Der mutigste Beitrag ist ein Spe-zial über den schamlosen Abriss von historischen Häusern. Wer will es den Teilnehmern verübeln in einem Land, in dem eine Zeitung schon eine Verwarnung von der Regierung erhält, weil sie die „falsche“ Schriftgröße benutzt?

Nach zwei Wochen intensiver Arbeit sind die Projekte fertig, Videos, vertonte Bildergalerien und interaktive Stadtpläne stehen im Netz. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe“, sagt eine Teilnehmerin, die zuvor mit Computern nicht allzu viel am Hut hatte, und betrachtet ihr fertiges Spezial zum Totengedenken in Belarus. „Ich kann eine Web-seite bauen!“

In einem sind sich alle einig: „Ihr müsst wieder-kommen. Und wir wol-len wieder dabei sein!“ Sicher, wir kommen wieder. Aber dann gleich mit Kranken-versicherung. Die gibt’s auch am Flughafen – für vier Euro pro Woche.

——

weltzeit 02_2010

Das Projekt der DW-AKADEMIE zum Online-

Journalismus in Weißrussland

wurde Ende 2009 durchgeführt

und vom Bundesministerium für

wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung und dem Aus-

landsbüro der Konrad-Adenauer-

Stiftung für Belarus gefördert.

training.dw-world.de/minsk2009

vor ort —29

Page 30: weltzeit 02_2010: 200 Jahre Unabhängigkeit - Von Feuerland nach Tijuana

30— zoom

„Oh Gott, was wird das bloß für ein Porträt? Die Frau, die alles abgebrochen hat!“, kommentiert Monika Jones mit

einem unbeschwerten Lächeln ihre eigene Laufbahn. Dabei ist es nur eine Frage der Perspektive. Sicher,

es f ällt auf, dass sie sowohl ihr Gesangsstudium am Mozarteum in Salzburg als auch ihre Tanz- und

Schauspielausbildung an der Drama School in London abgebrochen hat. Aber es gibt ihn doch, den Roten Faden der Monika Jones, trotz einiger Brüche mit gesellschaftlichen Konventionen.

Ob als Katze auf der Bühne, als Mädchen bei selbstorganisierten Theaterauftritten im Altenheim

oder als Veranstaltungsmoderatorin bei Großunter-nehmen – sobald es um Kommunikation zwischen ihr

und dem Publikum geht, ist Monika Jones in ihrem Ele-ment: „That’s what drives me – das ist es, was mich antreibt“,

erklärt sie diesen Motivations-Motor. Spontan fällt sie während des Interviews in die Zweisprachigkeit, die sie ausmacht.

Die englische Sprache begeistert sie schon als Kind. Ihr Englischlehrer glaubt sogar, dass sie bereits längere Zeit in Großbritannien gelebt habe, da ihre Aussprache so britisch sei.

Die neun Leben der Monika Jones

Berlin – Ihre Karriere beginnt sie als Katze. Bevor Monika Jones Moderatorin bei DW-TV

wird, tanzt und singt sie in dem Musical „Cats“. Dazwischen gibt es noch einige andere Stationen,

bis sie sich der Wirtschaft verschreibt. Nadine Wojcik stellt die Anachorwoman vor.

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weltzeit 02_2010

„Meine Kollegen bei der Deutschen Welle wer-den darüber eher lachen. Natürlich wird man bei mir immer einen deutschen Akzent raushören.“ Stimmt, aber den hören wohl nur sehr hellhörige Muttersprachler.

Vom Schauspiel zum MusicalEnglisch lernt Monika Jones nicht nur in der Schule. Als Kind sieht sie sich sonntags oft Auf-zeichnungen der „Royal Shakespeare Company“ im Fernsehen an. Ganz freiwillig und derart exzessiv, dass sie ihren Eltern manchmal sogar Monologe von „Richard III.“ vorträgt. Und für Laurence Olivier schwärmt, sicherlich ein unge-wöhnliches Idol für ein junges Mädchen.

Diese Liebe zum Schauspiel und vor allem zu England bringt sie dazu, an der Drama School in London anzuheuern – und dafür ihr Gesangstu-dium in Salzburg abzubrechen. In London lernt sie ihren späteren Ehemann kennen – natürlich im Theater. Er fällt ihr auf, da er während einer Vorstellung einfach einschläft. „Wie kann der nur!“, schießt es ihr als erstes durch den Kopf. Dann aber: „Den will ich kennenlernen.“ Beim Vorbeizwängen durch die Sitzreihen treffen sich ihre Blicke zum ersten Mal, der Heiratsantrag folgt drei Monate später.

Gemeinsam geht das junge Ehepaar dann nach Hamburg. Monika Jones will auf die Bühne, bricht daher ihr Studium erneut ab und nimmt dankbar ein Engagement als Katze beim Musical „Cats“ an. Mit den ersten ernsthaften Tänzer-Wehwehchen nach zwei Jahren Musical in Hamburg muss ein neuer Beruf her. „Das war die erste große Zäsur für mich. Ich weiß noch, dass ich gemeinsam mit meinem Mann überlegt habe: Was kommt jetzt? Dann ist mir klar ge-worden: Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich mich auf ein Publikum einlasse und es direkt ansprechen kann.“

Monika Jones bewirbt sich zunächst beim Radio und macht ihre ersten Moderationen bei „Radio Ostallgäu“ in der Nähe ihrer Geburts-stadt Augsburg. Es folgen Fernsehmoderationen bei einem privaten Sender in Oberfranken. Schließlich entdeckt sie der damals neu gegrün-dete Unternehmens-Kanal „Bahn TV“ in Ber-

lin. Hier spricht sie ab 2000 Nachrichten, macht Live-Schalten und moderiert zahlreiche Podi-umsdiskussionen. Mit ihrer Aufgabe bei „Bahn TV“ wird ihre kindliche Neugier für Wirtschaft neu entfacht und die wirtschaftlichen Themen packen sie schnell.

Kein Wunder also, dass bald eine neue Sym-biose folgt, die alle ihre Leidenschaften vereint – die englische Sprache, die Freude am Mode-rieren und das Interesse an Wirtschaft. Seit 2006 moderiert Monika Jones für DW-TV – die eng-lischen Ausgaben des Wirtschaftsmagazins Made in Germany und die Wirtschaft im Journal.

Von der Bühne ins Studio„Meine Eltern hatten einen Kurierdienst, ein mittelständisches Unternehmen, einen typischen Familienbetrieb. Ich bin dort groß geworden, habe mitgeholfen.“ Rund um die Uhr für den Betrieb da zu sein, zu arbeiten, bis ein Projekt beendet ist – „das hat mich geprägt, das lebe ich bis heute“, sagt sie. „Ich bin von Kindheit an mit allen Hochs und Tiefs der Geschäftswelt in Berührung gekommen. Deshalb ärgere ich mich über pauschale negative Berichterstattung in vie-len Teilen der Medien, in denen seriöse Unter-nehmer mit ‚windigen Managern’ in einen Topf geworfen werden.“

Wenn sie heute in Made in Germany über Familienbetriebe berichtet, dann hat sie einen engen Bezug zu den Geschichten. „Und einen Mordsrespekt vor den Töchtern, die den Betrieb übernehmen und weiterführen.“ Sie selbst hatte sich seinerzeit anders entschieden, war ihrem Fernweh gefolgt.

Muss der deutsche Auslandssender nun be-fürchten, dass es ihr auch hier bald zu eng wird und sie irgendwann das Weite sucht? „Meine Abbruchphase ist definitiv lange vorbei“, sagt Monika Jones. „Die Deutsche Welle passt sehr gut zu mir. Wenn ich manchmal das Gefühl habe, ich müsste wieder hinaus in die Welt, dann mache ich mir bewusst, dass die ganze Welt ja schon hier versammelt ist.“ ——

www.dw-world.de/madeingermany

»Meine Abbruch-

phase ist vorbei.

Die DW passt

sehr gut zu mir.«

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WAS UNS LIEB UND TEUER IST.ÜBER NEUE LEITMEDIEN, BEZAHLBARE QUALITÄT UND FREIE INHALTE.

www.medienforum.nrw.de

22. medienforum.nrw Köln, Staatenhaus am Rheinpark 28.–30. Juni 2010

Das medienforum.nrw ist eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), gefördert mit Mitteln des Ministers für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen. Verantwortlich für Konzeption und Durchführung ist die LfM Nova GmbH.

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