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Methoden der empirischen Sozialforschung I Willkommen zur Vorlesung Empirische Methoden I 3. Sitzung: Hypothesen – Forschungslogik Prof. Dr. Wolfgang Ludwig-Mayerhofer Universität Siegen – Philosophische Fakultät, Seminar für Sozialwissenschaften

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Willkommen zur Vorlesung Empirische Methoden I

3. Sitzung: Hypothesen – Forschungslogik

Prof. Dr. Wolfgang Ludwig-Mayerhofer

Universität Siegen – Philosophische Fakultät, Seminar für Sozialwissenschaften

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen

In den Sozialwissenschaften untersuchen wir häufigZusammenhänge zwischen Merkmalen.

Einen gut bewährten/bestätigten Zusammenhang nennt manGesetz.Wollen wir erst herausfinden bzw. prüfen, ob derZusammenhang besteht, so sprechen wir von Hypothese.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen in der qualitativen Forschung

Hypothesen in der ,qualitativen‘ Forschung

Der Begriff Hypothese wird in der qualitativen Forschungoffener gebraucht; aber auch hier geht es um nurmöglicherweise korrekte oder ungesicherte Aussagen.Qualitative Forschung beginnt häufig mit der Analyse einzelnerFälle. Bei diesem Vorgehen werden ,Fallhypothesen‘ gebildet(Bsp.: „Die Gestaltung des Beziehungsalltags bei diesem Paarwird durch die [unterschiedlichen] Beziehungskonzepte derbeiden Partner bestimmt“).Weitergehende Hypothesen sind möglich (z. B.: ,DerBeziehungsalltag von Paaren wird wesentlich durch diejeweiligen Beziehungskonzepte der Partner bestimmt‘).

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen in der standardisierten Forschung

Hypothesen in der standardisierten Forschung

Es gibt viele Arten von Hypothesen; man kann auch Aussagenüber einzelne Sachverhalte als Hypothese bezeichnen (z. B:„Der Stimmenanteil von Partei XY beträgt so und so vielProzent“; deskriptive Hypothese).Uns interessieren aber vor allem Zusammenhangshypothesen –im weitesten Sinn, also Hypothesen, die behaupten, dass zweiMerkmale etwas miteinander zu tun haben. (SolcheHypothesen werden auch in der ,qualitativen‘ Forschungformuliert, haben aber geringere Bedeutung.)

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen in der standardisierten Forschung

Gute und schlechte Hypothesen

Schlecht: Bildung und Einkommen hängen zusammen.Besser: Höhere Bildung geht mit höherem Einkommen einher.Noch besser: Höhere Bildung verursacht ein höheresEinkommen.Am allerbesten: Jedes Jahr erworbener Bildung steigert dasEinkommen um X Prozent (in der BRD: ca. 5 bis 8 Prozent).

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen in der standardisierten Forschung

Die beliebtesten Hypothesen

1 Wenn-Dann-Hypothesen (kategoriale Merkmale), z. B.:Wenn eine Person regelmäßig (mehr als 10 Zigaretten pro Tag)raucht, dann steigt die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts(um soundsoviel Prozent).oder: Wenn eine Person männlichen Geschlechts ist, dann istsie ein Schwein.

2 Je-desto-Hypothesen (metrische Merkmale), z.B.:Je höher das Bildungsniveau einer Person, desto höher daserzielte Erwerbseinkommen.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Hypothesen in der standardisierten Forschung

Nicht-lineare Zusammenhänge (D, S. 113 [1. Auflage]

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Individual- und Kollektivhypothesen

Individualhypothese: Männer sind Schweine (d. h.: Wenn eineUntersuchungsperson männlichen Geschlechts ist, dannhandelt es sich um ein Schwein).Kollektivhypothese: Je größer der Anteil der Männer in einemLand, desto größer der Anteil der Schweine.Aus der Kollektivhypothese folgt natürlich nicht dieIndividualhypothese. Die (ungeprüfte) Gleichsetzung vonKollektiv- und Individualhypothese heißt ökologischerFehlschluss.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Individual- und Kollektivhypothesen

Beispiel: Medienverwahrlosung (Pfeiffer, Apotheken-Umschau)

1 In Dortmund haben 2/3 der 10-jährigen Jungen einen eigenenFernseher, in München 1/4.

2 In Dortmund erhalten 30 Prozent der 10-jährigen Jungen eineEmpfehlung für das Gymnasium, in München 50 Prozent.

3 Hypothese (!): Je höher der Fernsehkonsum, desto schlechterdie Schulleistungen (muss auf Individualebene noch geprüftwerden!).

Weitere Beispiele: Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität;Sozialleistungsquote und Arbeitslosigkeit.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Individual- und Kollektivhypothesen

Achtung: Individual- und Kollektiveffekte können invers zueinanderverlaufen:

1 Individuell gilt: Je besser die Qualifikation einer Person, destohöher das Einkommen.

2 Kollektiv gilt: Je höher die durchschnittliche Qualifikation ineinem Wirtschaftszweig, desto niedriger das Durchschnitts-einkommen (Beispiele: Schulen, Universitäten . . . ).

(Quelle: Kreft et al. 1995)

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Kontexthypothesen

Bei einer Kontexthypothese wird von Kollektivmerkmalen aufIndividualzusammenhänge geschlossen. Die Aussagen aufIndividualebene müssen sich nicht zwingend auf dasKollektivmerkmal beziehen:Kontexthypothese: Je mehr Männer es in einem Land gibt,desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort . . .

. . . (nur) die Männer Schweine sind;

. . . alle Menschen Schweine sind;

. . . (nur) die Frauen Schweine sind;

. . . die Kinder Schweine sind;

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Kontexthypothesen

Ernsthaftes Beispiel:

Je heterogener eine Schulklasse hinsichtlich derLeistungsfähigkeit ist, desto besser sind die Leistungen:

aller SchülerInnen?der schlechten SchülerInnen?der guten SchülerInnen?

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Hypothesen

Speziell: Individual-, Kollektiv-, Kontexthypothesen

Unterschied zwischen Kollektiv- und Kontexthypothesen

Bei Kollektivhypothesen sind die ,Kollektive‘ (Länder,Gemeinden, Bezirke, Schulklassen . . . ) dieUntersuchungseinheiten; somit liegen die Merkmale nur inForm von ,Kollektivdaten‘ (oder Aggregatdaten) vor (Anteilder Arbeiter, der CDU-Wähler, der Männer, der Schweine. . . in den Untersuchungsgruppen).Bei Kontexthypothesen: sind Individuen-in-Kollektiven dieUntersuchungseinheiten; es liegen also Individual- undAggregatdaten vor, analysiert werden Einflüsse aufIndividualebene mit Kontext als weiterem Einfluss.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Wissenschaftstheorie: Deduktion, Induktion, Abduktion

Das Thema ist etwas formal und trocken (könnte beiausführlicher Beschäftigung übrigens durchaus Spaß machen,sofern man an Denken Spaß hat).Ein paar solcher formaler Dinge gehören aber dazu . . .

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Deduktiv-nomologische Erklärung

Deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell (auch:Hempel-Oppenheim-Schema [HO-Schema])

Explanans Gesetz (Alle) Männer sind Schweine

Randbedingung Peter ist ein Mann

Explanandum Phänomen Peter ist ein Schwein

Schluss von Gesetz und Randbedingung (beide zusammen:Explanans) auf Explanandum

NB! Für „Randbedingung“ findet man auch die Begriffe „Antecedens“ (dasVorangehende), „Ursache“ oder „Fall“, für Explanandum auch „Resultat“.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Deduktiv-nomologische Erklärung

Deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell in derSchreibweise der formalen Logik

∀x (M (x) → S (x)) Für alle x gilt: Wenn x die Eigenschaft M hat,so hat x auch die Eigenschaft S.

M(a) a hat die Eigenschaft M

S(a) Also hat a hat auch die Eigenschaft S

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Induktion

Induktion

Paul ist ein Mann, und Paul ist ein Schwein.

Peter ist ein Mann, und Peter ist ein Schwein.

Philipp ist ein Mann, und Philipp ist ein Schwein

usw.

Ergo: Männer sind Schweine.

Formal:

M(x1) ∧ S(x1)

M(x2) ∧ S(x2)

M(x3) ∧ S(x3)

usw.

∀x (M (x) → S (x))

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Induktion

Induktion

Der Induktionsschluss – der Schluss von wiederholtemgemeinsamem Auftreten zweier Merkmale auf ein Gesetz –beschreibt möglicherweise in einigen Fällen den Prozess desFindens von oder der Erhärtung des Glaubens anGesetz(mäßigkeit)e(n).Er stellt aber keinen ,Beweis‘ des Gesetzes dar – denn wirwissen nicht, ob wir nicht evtl. irgendwann einen Mann finden,der kein Schwein ist.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Induktion

Induktion

Bis zum 24. April 2013 gilt: (Alle) Männer sind Schweine,Enter Patrick . . . Patrick ist kein Schwein!Aus dieser Möglichkeit wird abgeleitet (Karl R. Popper):Theorien können nicht verifiziert (definitiv bestätigt), siekönnen nur falsifiziert (widerlegt) werden.Die Falsifikation wird gesucht, indem man (siehe HO-Schema)Vorhersagen ableitet und sie überprüft. So lange sie nichtwiderlegt werden, gilt die Theorie als bewährt (nicht als wahr!).

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Probabilistisches Erklärungsmodell

Deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell

Das deduktiv-nomologische Modell gilt heute als dasGrundmodell der Erklärung.Es hat nur einen kleinen Nachteil: Es funktioniert strenggenommen in den Sozialwissenschaften nicht, da esdeterministische Gesetze (alle Männer sind Schweine)voraussetzt.

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Probabilistisches Erklärungsmodell

Probabilistisches (oder induktiv-statistisches)Erklärungsmodell

Explanans Gesetz 70 Prozent der Männer sind Schweine.

Randbedingung Peter ist ein Mann

Explanandum Phänomen Peter ist ein Schwein (???)

Das Explanandum folgt nicht mehr logisch (d. h. zwingend) ausdem Explanans (es könnte sein, dass Peter kein Schwein ist – wasdem Gesetz nicht widerspräche!).

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Probabilistisches Erklärungsmodell

In den Sozialwissenschaften sind probabilistischeErklärungen typisch

Fragen wir nicht die Wissenschaftstheorie, sondern dieForschungspraxis, so ist das probabilistische Erklärungsmodelleines der charakteristischen Erklärungsmodelle derSozialwissenschaften:Arbeiter wählen mit 46-prozentiger Wahrscheinlichkeit dieSPD (fiktive Zahl).Raucher bekommen mit 20-mal höherer WahrscheinlichkeitLungenkrebs als Nichtraucher (keine fiktive Zahl, sieheKüchenhoff et al 2006, S. 37).

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Probabilistisches Erklärungsmodell

Allgemein: In den Sozialwissenschaften sind fehlerbehafteteErklärungen typisch

Wahl-einer-bestimmten-Partei = f(Klassenzugehörigkeit, Alter,Religion usw. ) + nicht erklärter RestEinkommen = f(Bildung, Geschlecht, Betriebsgröße,Berufserfahrung usw.) + nicht erklärter RestDauer der Arbeitslosigkeit = f(Bildung, Alter,Gesundheitszustand usw.) + nicht erklärter Rest

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Wissenschaftstheorie

Abduktion

Abduktion (qualitative Forschung)

Paul ist ein Schwein. (Hmm . . . woran könnte das nur liegen?*Grübel*)(Heureka!) Vielleicht liegt es daran, dass Paul ein Mann ist. . . zumindest wäre dies eine Erklärung, wenn alle MännerSchweine sind.Ergo: Vielleicht ist Paul ein Mann (und deshalb ein Schwein!).

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Wissenschaftstheorie

Abduktion

Abduktion (qualitative Forschung)

Ein weiteres Beispiel:

Cäsar ist sterblich (bzw. konkret: gestorben).Dieser Sachverhalt ist überraschend – unter der Annahme,dass Cäsar ein Gott war.Aber . . . vielleicht stimmt auch das Gesetz nicht, wonachGötter unsterblich sind; vielleicht sind Götter doch sterblich?Oder . . . vielleicht stimmt die Antecedens-Bedingung(Cäsar=Gott) nicht; Cäsar war doch ein Mensch (diebekanntlich sterblich sind)?Oder . . . Cäsar war vielleicht ein Halbgott (neue Kategorie!),und Halbgötter sind evtl. sterblich?

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Wissenschaftstheorie

Abduktion

Abduktion (qualitative Forschung)

Explanandum Phänomen Peter ist ein Schwein.

Explanans Mögliches Gesetz (Alle) Männer sind Schweine

Randbedingung Peter ist ein Mann

Hypothetischer Schluss von Phänomen auf mögliches Gesetz undRandbedingung oder von Phänomen und möglichem Gesetz aufRandbedingung. Benutzt ein (oder mehrere) Gesetz(e), ist aber aufden Einzelfall bezogen.

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Wissenschaftstheorie

Abduktion

Abduktion

Ulrich Oevermann:

Im Prozess der qualitativen Forschung werden auf abduktivemWeg Hypothesen aufgestellt.Diese werden im Laufe des Forschungsprozesses geprüft, dienicht haltbaren werden ausgeschieden.Am Schluss bleiben die ,richtigen‘ Hypothesen übrig.

Daher gewährleistet (so Oevermann!!) Abduktion ein sicheresPrüfungsverfahren.

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Wissenschaftstheorie

Abduktion

Abduktion

Aber: Die Sicherheit von Abduktion steht auf wackeligen Beinen.

1 Der Prozess des Suchens nach Hypothesen enthält ein offenes,innovatives Moment (vor allem, wenn völlig neue Hypotheseneingeführt werden). (J. Reichertz)

2 Wenn sich unter den aufgestellten Hypothesen nicht dierichtige Hypothese befindet, führt auch das Ausscheiden vonfalschen Hypothesen nicht zur richtigen Hypothese.(Ludwig-Mayerhofer)

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Methoden der empirischen Sozialforschung I

Wissenschaftstheorie

Abduktion

Literatur

Kreft, I. G. G./de Leeuw, Jan/Aiken, L. (1995): The effect ofdifferent forms of centering in hierarchical linear models. In:Multivariate Behavioral Research 30, S. 1-22.

Küchenhoff, Helmut et al., Statistik fürKommunikationswissenschaftler, Konstanz 2006.

Reichertz, Jo (1991): Aufklärungsarbeit. Kriminalpolizisten undFeldforscher bei der Arbeit. Stuttgart: Enke.