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"Wir müssen über Fehler reden!" Auch Ärzte irren - nur spricht kaum einer von ihnen darüber. Einige Doktoren und Krankenschwestern haben nun dieses Tabu gebrochen und erzählen in einer Broschüre von ihren Fehlgriffen - und was man aus ihnen lernen kann. Einer der Mutigen ist der Chirurg Matihias Rothmund err Rothmund, Sie haben vor zwölf Jahren bei einer Darmoperation eine Klemme im Bauch eines Krebspatienten vergessen. Wie kam es dazu? Es ist mir bis heute nicht ganz klar, wie das geschehen konnte. Ich operierte gemeinsam mit einem Assistenten, mit dem ich noch nicht so oft zusammengearbeitet hatte. Ein paarmal schon hatte ich ihn korrigieren I müssen. Als er dann eine Klemme an einer I Stelle anbrachte, an der ich es üblicherweise vermied, schwieg ich, um ihn nicht noch- mals zu kritisieren. Es war wohl dieses Ins- trument, das drinblieb. Sicher ist, dass mich als leitender Chirurg die Schuld traf. Sie haben sich jetzt entschlossen, in der Broschüre des Aktionsbündnisses Patienten- sicherheit öffentlich über Ihren Fehler zu berichten. Ist Ihnen das schwergefallen? Ich musste mich schon überwinden. Aber ich glaube, dass gerade Leute wie ich über ihre eigenen Fehler sprechen sollten - Menschen, die lange im Beruf stehen, die eine gewisse Position erreicht haben. Nur dann werden sich auch jüngere Kollegen trauen, darüber zu sprechen, was bei innen falsch gelaufen ist. Wie haben Sie damals reagiert? Ich war unterwegs, als die Klemme ein paar Tage nach der OP zufällig im Bauch des Patienten entdeckt wurde. Sie fiel den Kollegen auf, als ein Röntgenbild der Lunge gemacht wurde. Mein Stell- vertreter rief mich an und erzäWte mir davon. Zunächst habe ich mich wahn- sinnig geärgert und gedacht: ,Yerdammt, wie kann mir so etwas passieren!" Dann sagte ich meinem Kollegen: "Ihr müsst es sofort dem Patienten sagen, und ihr müsst die Klemme wieder heraus- holen." Noch am selben Tag wurde die Wunde wieder eröffnet und das Gerät entfernt. Haben auch andere Kollegen in der Klinik davon erfahren? 148 STERN 10/2008

Wir müssen über Fehler reden! - uni-frankfurt.de€¦ · Auch Ärzte irren -nur spricht kaum einer von ihnen darüber. Einige Doktoren und Krankenschwestern haben nun dieses Tabu

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Page 1: Wir müssen über Fehler reden! - uni-frankfurt.de€¦ · Auch Ärzte irren -nur spricht kaum einer von ihnen darüber. Einige Doktoren und Krankenschwestern haben nun dieses Tabu

"Wir müssen über Fehler reden!"

Auch Ärzte irren - nur spricht kaum einer von ihnen darüber. Einige Doktoren und Krankenschwestern haben nun dieses Tabu gebrochen und erzählen in einer Broschüre von ihren Fehlgriffen - und was man aus ihnen lernen kann. Einer der Mutigen ist der Chirurg Matihias Rothmund

err Rothmund, Sie haben vor zwölf

Jahren bei einer Darmoperation

eine Klemme im Bauch eines

Krebspatienten vergessen. Wie kam es dazu?

Es ist mir bis heute nicht ganz klar, wie das geschehen konnte. Ich operierte gemeinsam mit einem Assistenten, mit dem ich noch nicht so oft zusammengearbeitet hatte. Ein paarmal schon hatte ich ihn korrigieren

I

müssen. Als er dann eine Klemme an einer I Stelle anbrachte, an der ich es üblicherweise vermied, schwieg ich, um ihn nicht noch­mals zu kritisieren. Es war wohl dieses Ins­trument, das drinblieb. Sicher ist, dass mich als leitender Chirurg die Schuld traf.

Sie haben sich jetzt entschlossen, in der

Broschüre des Aktionsbündnisses Patienten­

sicherheit öffentlich über Ihren Fehler

zu berichten. Ist Ihnen das schwergefallen?

Ich musste mich schon überwinden. Aber ich glaube, dass gerade Leute wie ich über ihre eigenen Fehler sprechen sollten ­Menschen, die lange im Beruf stehen, die eine gewisse Position erreicht haben. Nur dann werden sich auch jüngere Kollegen trauen, darüber zu sprechen, was bei innen falsch gelaufen ist. Wie haben Sie damals reagiert?

Ich war unterwegs, als die Klemme ein paar Tage nach der OP zufällig im Bauch

des Patienten entdeckt wurde. Sie fiel den Kollegen auf, als ein Röntgenbild der Lunge gemacht wurde. Mein Stell­vertreter rief mich an und erzäWte mir davon. Zunächst habe ich mich wahn­sinnig geärgert und gedacht: ,Yerdammt, wie kann mir so etwas passieren!" Dann sagte ich meinem Kollegen: "Ihr müsst es sofort dem Patienten sagen, und ihr müsst die Klemme wieder heraus­holen." Noch am selben Tag wurde die Wunde wieder eröffnet und das Gerät entfernt. Haben auch andere Kollegen in der Klinik

davon erfahren?

148 STERN 10/2008

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MEDIZIN ~

Wir haben nichts unter den Teppich ge­kehrt. Seit 21 Jahren gibt es an meiner Kli­nik regelmäßige Treffen, in denen jeder Patient besprochen wird, der in unserer Klinik eine größere Komplikation hatte oder gestorben ist. Wir besprechen ge­meinsam, wie es dazu gekommen ist, und prüfen, ob möglicherweise etwas schief­gelaufen ist. Es steckt ja nicht hinter jedem Todesfall ein Fehler. Bei diesem Treffen wurde auch mein Erlebnis vorgestellt. Alle meine Kollegen wussten also davon. So etwas funktioniert aber nur, wenn in der Klinik ein gutes Klima herrscht. Es darf keine Schuldzuweisungen geben, auch keine Rachefeldzüge gegen Kollegen. Es muss offen über Fehler geredet werden und auch ganz klar gesagt werden, wenn etwas nicht in Ordnung war. Aber es darf niemand unmöglich gemacht werden. Der Kollege soll ja auch am nächsten Tag wieder gern in die Klinik kommen. "Ein Arzt macht keine Fehler", heißt es aber oft, gerade unter Medizinern. Das mag es gegeben haben, als wir noch als Halbgötter in Weiß galten. Vielleicht dach­ten manche Kollegen damals tatsächlich, dass sie unfehlbar seien und sein müssten. Wer sich heute so aufführt, macht sich lächerlich. Dennoch fürchten viele Mediziner um ihre Karriere, wenn sie einen Fehler zugeben. Ich denke, meist zu Unrecht. Wenn sie den richtigen Chef haben, nützt ihnen der ehr­liche Umgang mit Fehlern sogar. Denn sie gewinnen das Vertrauen ihres Vorgesetz­ten. Er kann sicher sein, dass sie nichts vor ihm vertuschen. Als ich noch Assistenzarzt war, hat zum Beispiel ein Kollege bei einer Operation der Gallenblase versehentlich den Gallengang durchtrennt. Er unter­brach die Operation, ging zu unserem Chef und erzählte ihm, was passiert war. Ge­meinsam brachten sie die Sache wieder in Ordnung - und mein Kollege wurde für seine Ehrlichkeit gelobt. Darauf können sich Mediziner aber nicht verlassen. Erst einmal schwächt ein Arzt damit seine eigene Position. Natürlich gibt es noch Chefärzte, die los­poltern, wenn jemand über einen Fehler berichtet: ,Wir müssen uns mehr anstren­gen !'~ heißt es dann. Tatsächlich stehen wir erst am Anfang einer neuen Bewegung, die zu weniger Fehlleistungen in der Medizin führen soll. Als Sie mit dem Thema vor drei Jahren erstmals an die Öffentlichkeit gingen, haben Sie viel Prügel einstecken müssen. Ich war damals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und musste den

alljährlichen Kongress ausrichten. leh be­schloss, das Thema Patientensicherheit zum Kongressthema zu machen und stellte Hochrechnungen aus den USA vor. Die be­sagen, dass dort jedes Jahr zwischen 44000 und 98000 Patienten an den Folgen von Therapiefehlern in Krankenhäusern ster­ben. Das sind weit mehr Tote als durch Aids oder Autounfälle ! Bei Aids gibt es eine Rie­senkampagne, bei diesem Thema nicht. Wie haben die Kollegen reagiert? Die Zahlen sind wie eine Bombe hochge­gangen. Ich bin heftig kritisiert worden ­von der Presse wie von meinen Kollegen. Die Chirurgen haben nicht verstanden, warum ich mich zu diesem Schritt ent­schlossen hatte. Und die Zeitungen berich­teten vom "Ärztepfusch". Die Angst ist nun einmal groß, dass manche Änte schlampig arbeiten. Natürlich hätten wir alle gern einen un­fehlbaren Superarzt. Ein Arzt ist jedoch immer ein Mensch. Leider gilt aber ein Arzt, der einen Fehler macht, noch immer als schlechter Arzt. Es wird nicht akzep­tiert, dass auch einem guten Arzt mal ein Fehler unterlaufen kann. Chirurgen sind bei der Fehlerbekämpfung besonders aktiv. Warum? Weil es bei jedem schlechten OP-Ergebnis immer eineTatzeit, einen Tatort und einen Täter gibt. Bei Internisten dagegen ist das nicht so offensichtlich und noch weniger in der Psychiatrie: Wenn nun Beispiel ein Kollege depressive Patienten nicht optimal behandelt, wird man das nur schwer her­ausfinden. Bei uns Chirurgen dagegen fin­det man den Schuldigen s'chnell. Zumal wir heute in der Medizin auch viel mehr wagen als früher: Wir operieren alte Men­schen, Patienten mit komplexen Erkran­kungen, nutzen Geräte der Hightech­Medizin. Menschen verschiedener Diszi­plinen müssen miteinander arbeiten, da ist die Anfälligkeit für Fehler schon da. Da­rum müssen wir uns bemühen, die Fehler­rate auf ein Minimum zu reduzieren. Wie soll das funktionieren? Wir müssen über Fehler reden. Jedes Be­kenntnis zu einem Fehler ist eigentlich ein Schatz, der gehoben werden muss. Weil wir aus jedem Fehler lernen können, weil wir Strategien entwickeln können, ihn künftig zu verhindern. Denn Fehler entste­hen häufig durch viele kleine Mängel im System. So war es bis zu meinem Vorfall mit der Klemme bei uns in der Klinik nicht üblich, nach einer Operation die Zahl der Instrumente zu prüfen. Tupfer und Bauch­tücher wurden kontrolliert. Doch niemand wusste, ob alle Instrumente da waren. -+

_ DAS PROJEKT _

Neue Offenheit Warum Mediziner von ihren eigenen Fehlleistungen erzählen

In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 17000 Menschen an den Folgen von Thera­piefehlern. So lautet eine Schätzung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS). ,Aus Fehlern lernen" heißt eine neue Broschüre. in der elf Ärzte. fünf Krankenschwestern und ein Physiotherapeut nun offen über eigene Versäumnisse in der Vergangenheit berichten. In den Schilderungen geht es unter anderem um eine ältere Dame. bei der eine Lungenembolie übersehen wurde. um eine Schwerkranke. die durch einen Fehler auf der Aufwachstation er­stickte. um eine Patientin. die trotz einer Aller­gie das Antibiotikum Penicillin erhielt. Die öffentliche Beichte soll dazu führen, dass auch andere von ihren Fehlern erzählen ­und derartige Situationen künftig besser yer­mieden werden können. Herausgeber der Broschüre ist das APS. der AOK-Bundesverband . finanzierte das Projekt. Das Heft kann unter www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de bestellt oder als PDF heruntergeladen werden. Mit dabei sind unter anderen:

Bertil Bouillon. Leiter der Klinik für Unfallchirurgie. Orthopädie und Sporttraumatologie am Klini­kum Köln-Merheim: Als Assis­tenzarzt operierte er eine Weit­

Ir'---......~....... springerin am falschen Knie. Auf dem Aufklärungsbogen war die verkehrte Seite eingetragen worden. Seitdem malt Bouillon vor jedem Eingriff ein Kreuz auf die Stelle. die operiert werden soll- am wachen Patienten

Vittoria Braun, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizn der Charite in Berlin: Als uner­fahrene, junge Ärztin übersah sie bei einem Baby einen Leis­

h--I.oi=L.--..I tenbruch. weil sie ihm die Win­dei nicht auszog. Heute weiß sie. dass sie auf die Eltern hätte hören sollen. Die hatten nicht an einen normalen Infekt geglaubt.

Franz Sitzmann. Krankenpfleger am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke: Er brach einer Zwölf­jährigen. die im Koma lag. bei dem Versuch. ihren verkrampften Mund zu öffnen, versehentlich

einen Backenzahn heraus. Das war in den 60er Jahren. Heute bringt er jungen Kollegen bei. wie man komatöse Patienten pflegt und versorgt.

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C MEDIZIN

Das haben wir dann sofort geändert. Wür­de ich heute also wieder ein Instrument vergessen, würde die OP-Schwester sagen: "Uns feWt noch eine Klemme." Ein Kollege von Ihnen schildert in der Broschare, dass er eine junge Weitspringerin versehentlich am falschen Knie operierte. Wie kann so etwas passieren? Das kann vorkommen, wenn im Aufklä­rungsbogen des Patienten die falsche Seite genannt wurde. Oder wenn Kranke ver­wechselt werden, weil zum Beispiel zwei Menschen, die beide Heinrich Müller hei­ßen, am gleichen Tag im gleichen Kran­kenhaus operiert werden. Was kann man dagegen tun? Der Operateur muss am Tag der Opera­tion oder am Abend zuvor die richti­ge Stelle mit einem wasserfesten Stift markieren - mithilfe des Patienten. Ganz wichtig ist es, vor Beginn der Ope­ration nochmals kurz innezuhalten und gemeinsam mit den Kollegen festzu­halten: Ja, das ist Heinrich Müller. Ja, er wird an der linken Lunge operiert. Ja, die Röntgenbilder tragen den Namen des Kranken.

Fehler abtrainieren: Ein Assistenz­

arzt übt unter der Aufsicht von

Rothmundam Simulator die Ope­

ration einer Gallenblase. Erst wenn er das be­

herrscht, darf er an Menschen heran

Es muss aber erst ein Fehler geschehen, bis sich in Kliniken etwas ändert? An meiner Klinik haben wir im Juli 2006 ein Meldesystem eingeführt, bei dem Ärzte und Ptlegepersonal- auch anonym - über Situationen berichten können, in denen fast ein Patient zu Schaden gekommen wäre. Erst gestern haben wir über die Vor­fälle des letzten Vierteljahres diskutiert. Ein Kollege berichtete zum Beispiel, wie ihm bei einer Handoperation die Stütze für den Arm wegbrach. Die Schraube des Metallgestells war verrostet, stellte der Operateur später fest. Als wir dann alle

OP-Stützen kontrollierten, fanden wir ins­gesamt fünf verrostete Schrauben. Die zu ersetzen hat uns pro Schraube vielleicht fünf Euro gekostet. Die Patienten hätten jedoch erheblichen Schaden nehmen kön­nen. Das konnten wir so verhindern. Wie ist es mit Fehlern, die den Chirurgen bei der Operation passieren? Wir haben in unserem Trainingslabor ei­nen Simulator, an dem Assistenzärzte un­sere Standardoperationen üben - bevor wir sie an einen Menschen heranlassen. Erst wenn die Assistenten den Eingriff zehnmal am Simulator geübt haben und

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bei einem bestimmten Schweregrad eine gute Note be­kommen haben, dürfen sie die Patienten behandeln. Manchmal nützt auch die Obung wenig - wenn Ärzte beispielsweise bei der Arbeit übermüdet sind. Es heißt immer, dass durch einen müden Arzt das Risiko für Fehler zunimmt. Wir werden dann mit Piloten und Busfahrern verglichen. Ich habe mal alle Studien zum. Thema für einen Kongress aufgearbeitet und festgestellt, dass es keine eindeutigen Belege für diese Behauptung gibt. Eine Untersuchung zeigte sogar, dass mehr Fehler passieren, wenn Ärzte im Schichtdienst arbeiten, als wenn sie überlange Arbeitszeiten auf sich nehmen. Weil bei je­dem Schichtwechsel wichtige Informationen über die Patienten verloren gehen. Dennoch müssen immer weniger Ärzte und auch Kranken­schwestern die Arbeit bewältigen. Eine Krankenschwester berichtet, dass eine ihrer Patientinnen erstickte, weil sie in der Hektik ein Pflaster am Infusionsständer vergaft Die verwirrte Patientin nahm das Pflaster und verstopfte damit den Schlauch, über den sie atmen musste. Tatsächlich könnte die Streichung von Arbeitsstellen zu mehr Zwischenfällen führen. Wenn etwa eine kleinere Zahl von Krankenschwestern für die gleiche Anzahl von Patienten zuständig ist, dann kann natürlich manches nicht so gut gemacht werden. Ablenkung ist dabei ein großes Problem. Ich wundere mich immer wieder, wie toll das in der Fernsehserie "Emergency Room" läuft. Da haben die Ärzte gerade drei Sätze mit einem Patienten ge­sprochen, da kommt schon der nächste Notfall herein. Dennoch haben sie alles im Kopf. Das kann in Wirklich­keit anders aussehen. Können sich Patienten vor Therapiefehlern schützen? Sie sollten mitdenken, aufpassen, nachhaken. Verordnet der Arzt ihnen ein Antibiotikum für morgens und abends, sollten sie nachfragen, wenn sie es stattdessen dreimal arn Tag bekommen. Wird ihnen ein neues Arzneimittel ver­schrieben, sollten sie aufpassen, ob nicht doch die alten Tabletten auf dem Nachttisch liegen. Die Patienten sind heute aufgeklärter, haben sich im Internet über ihre Krankheit informiert, bevor sie eine Therapie beginnen. Das kann sie schützen. Wenn nun doch ein Fehler geschieht: Wie sollten Ärzte es ihren Patienten sagen? Sie sollten ihnen erstens erklären, was passiert ist, und zweitens sollten sie sich entschuldigen: ,;Wir haben bei ih­nen das falsche Knie operiert, das tut uns leid. Wir ent­schuldigen uns dafür." Ich kenne viele Patienten, die we­gen Komplikationen aus einer anderen Klinik zu uns kommen. Sie erzählen oft, dass es für sie gar nicht das Schlimmste sei, dass sie noch einmal operiert werden müssen. Das Schlimmste sei vielmehr, dass der behan­delnde Arzt nach dem Zwischenfall oder der Komplikati­on nicht offen mit ihnen darüber geredet hat. Was wurde aus Ihrem Patienten mit der Klemme im Bauch? Zu meiner überraschung stand er fünf Jahre nach dem Vorfall wieder in meiner Sprechstunde, wegen eines Leis­tenbruchs - und wollte von mir operiert werden! Er habe Vertrauen zu mir und meiner Klinik, sagte er, weil wir unseren Fehler damals sofort eingestanden und behoben hätten. ~

Interview: Astrid Viciano

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