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W.H. Jäckel E. Farin Wirksamkeit der Rehabilitation bei muskuloskelettalen Krankheiten Z Rheumatol 61:Suppl 2, II/26–II/28 (2002) DOI 10.1007/s00393-002-1206-8 VERSORGUNGSFORSCHUNG UND VERSORGUNG Prof. Dr. Wilfried H. Jäckel ( ) ) Dr. Erik Farin Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin Universitätsklinikum Freiburg Breisacher Str. 62, Haus 4 79106 Freiburg, Germany Effectiveness of rehabilitation with musculoskeletal diseases n Zusammenfassung Multidiszi- plinäre Programme, orientiert an den Krankheitsfolgen, sind in den letzten Jahren international zu ei- nem zentralen Baustein der The- rapiekonzepte bei chronischen muskuloskelettalen Krankheiten geworden. In Deutschland wird diese Therapieform meist (in über 95% der Fälle) als stationäre Re- habilitationsleistung durchgeführt. Bei der rheumatoiden Arthritis führt eine stationäre Rehabilitati- on nach einer niederländischen Untersuchung zu einer lang anhaltenden Verminderung der Krankheitsaktivität und einer Verbesserung des psychischen Befindens. Eine weitere randomi- sierte Studie belegt die höhere Wirksamkeit einer Rehabilita- tionsmaßnahme bei ankylosieren- der Spondylitis im Vergleich zu der „normalen“ Versorgung. Bei der Fibromyalgie führt die statio- näre Rehabilitation nach Untersu- chungen mit einem Prä-post-De- sign zu einer über ein Jahr anhal- tenden Verminderung der Be- schwerden. Auch die Ergebnisse aus dem Qualitätssicherungspro- gramm der Gesetzlichen Kran- kenversicherung in der Rehabili- tation bei muskuloskelettalen Krankheiten, in das mehrere Tau- send Patienten eingeschlossen wurden, dokumentieren Verbesse- rungen in der körperlichen und psychosozialen Dimension des Gesundheitszustandes, die auch sechs Monate nach der Entlassung noch nachweisbar sind. Die Ergebnisse der bisherigen Studien zum Vergleich stationärer und ambulanter Rehabilitations- leistungen belegen, dass bei Pa- tienten, die für die ambulanten Angebote geeignet sind, ver- gleichbare Effekte wie in der sta- tionären Rehabilitation erzielt werden. Auch in Anbetracht der Häu- figkeit der durchgeführten Reha- bilitationsmaßnahmen (über 500000 pro Jahr) ist eine Intensi- vierung der Outcome-Forschung in der Rehabilitation dringend er- forderlich. n Summary Multidisciplinary treatment focusing on impair- ments, activities and participation are an important component within the therapeutic regimen in musculoskeletal conditions. In Germany, for more than 95% of the patients multidisciplinary treatment is provided as inpatient rehabilitation. According to the results of a study from the Netherlands, inpa- tient rehabilitation is superior to usual care in terms of decreasing disease activity and improving emotional well-being in rheuma- toid arthritis. Another random- ized, controlled study gives evi- dence that rehabilitation is more effective as compared to usual care in ankylosing spondylitis. In pa- tients suffering from fibromyalgia, after inpatient rehabilitation, symptoms improve significantly and this is true even one year after discharge. The results of a quality management project financed by the German health insurance and including several thousand pa- tients with musculoskeletal dis- eases show an improvement in physical and emotional dimen- sions of health status at discharge and after a six month follow-up.

Wirksamkeit der Rehabilitation bei muskuloskelettalen Krankheiten

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W.H. JäckelE. Farin

Wirksamkeit der Rehabilitationbei muskuloskelettalen Krankheiten

Z Rheumatol 61:Suppl 2, II/26–II/28 (2002)DOI 10.1007/s00393-002-1206-8 VERSORGUNGSFORSCHUNG UND VERSORGUNG

Prof. Dr. Wilfried H. Jäckel ())Dr. Erik FarinAbteilung Qualitätsmanagementund SozialmedizinUniversitätsklinikum FreiburgBreisacher Str. 62, Haus 479106 Freiburg, Germany

Effectiveness of rehabilitation withmusculoskeletal diseases

n Zusammenfassung Multidiszi-plinäre Programme, orientiert anden Krankheitsfolgen, sind in denletzten Jahren international zu ei-nem zentralen Baustein der The-rapiekonzepte bei chronischenmuskuloskelettalen Krankheitengeworden. In Deutschland wirddiese Therapieform meist (in über95% der Fälle) als stationäre Re-habilitationsleistung durchgeführt.

Bei der rheumatoiden Arthritisführt eine stationäre Rehabilitati-on nach einer niederländischenUntersuchung zu einer lang

anhaltenden Verminderung derKrankheitsaktivität und einerVerbesserung des psychischenBefindens. Eine weitere randomi-sierte Studie belegt die höhereWirksamkeit einer Rehabilita-tionsmaßnahme bei ankylosieren-der Spondylitis im Vergleich zuder „normalen“ Versorgung. Beider Fibromyalgie führt die statio-näre Rehabilitation nach Untersu-chungen mit einem Prä-post-De-sign zu einer über ein Jahr anhal-tenden Verminderung der Be-schwerden. Auch die Ergebnisseaus dem Qualitätssicherungspro-gramm der Gesetzlichen Kran-kenversicherung in der Rehabili-tation bei muskuloskelettalenKrankheiten, in das mehrere Tau-send Patienten eingeschlossenwurden, dokumentieren Verbesse-rungen in der körperlichen undpsychosozialen Dimension desGesundheitszustandes, die auchsechs Monate nach der Entlassungnoch nachweisbar sind.

Die Ergebnisse der bisherigenStudien zum Vergleich stationärerund ambulanter Rehabilitations-leistungen belegen, dass bei Pa-tienten, die für die ambulantenAngebote geeignet sind, ver-gleichbare Effekte wie in der sta-tionären Rehabilitation erzieltwerden.

Auch in Anbetracht der Häu-figkeit der durchgeführten Reha-bilitationsmaßnahmen (über

500000 pro Jahr) ist eine Intensi-vierung der Outcome-Forschungin der Rehabilitation dringend er-forderlich.

n Summary Multidisciplinarytreatment focusing on impair-ments, activities and participationare an important componentwithin the therapeutic regimen inmusculoskeletal conditions. InGermany, for more than 95% ofthe patients multidisciplinarytreatment is provided as inpatientrehabilitation.

According to the results of astudy from the Netherlands, inpa-tient rehabilitation is superior tousual care in terms of decreasingdisease activity and improvingemotional well-being in rheuma-toid arthritis. Another random-ized, controlled study gives evi-dence that rehabilitation is moreeffective as compared to usual carein ankylosing spondylitis. In pa-tients suffering from fibromyalgia,after inpatient rehabilitation,symptoms improve significantlyand this is true even one year afterdischarge. The results of a qualitymanagement project financed bythe German health insurance andincluding several thousand pa-tients with musculoskeletal dis-eases show an improvement inphysical and emotional dimen-sions of health status at dischargeand after a six month follow-up.

II/27W.H. Jäckel und E. FarinWirksamkeit der Rehabilitation bei muskuloskelettalen Krankheiten

Recent studies comparing in-patient with outpatient rehabilita-tion in patients with musculoskel-etal diseases provide informationthat both forms are equally effec-tive.

Taking into account the highnumber of inpatient rehabilitationprocedures in Germany, moreoutcomes research is required ur-gently.

n SchlüsselwörterRehabilitation –Outcome-Messung – Wirksamkeit

n Key words Rehabilitation –outcomes – effectiveness

Einleitung

Chronische muskuloskelettale Krankheiten führenbei den Betroffenen oftmals zu gravierenden somati-schen, funktionalen und psychosozialen Einschrän-kungen des Gesundheitszustandes. In der Behand-lung der Patienten sind daher medizinische Maßnah-men allein nicht ausreichend. Sie müssen ergänztwerden durch multidisziplinäre Therapiekonzepteunter Einschluss anderer Berufsgruppen wie z.B.Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Psycho-logen. In Deutschland werden diese komprehensivenAnsätze meist in Form von stationären Rehabilitati-onsleistungen durch die Rentenversicherung oder dieKrankenkassen durchgeführt.

In der vorliegenden Arbeit soll über die Ergebnis-se der bisherigen Studien zu den Outcomes von in-terdisziplinären Therapieprogrammen und insbeson-dere von Rehabilitationsmaßnahmen bei muskulo-skelettalen Krankheiten berichtet werden.

Rheumatoide Arthritis

In den Niederlanden wurden 80 Patienten mit einerRheumatoiden Arthritis randomisiert entweder einerBehandlungsgruppe mit elftägiger stationärer Reha-bilitation oder einer Kontrollgruppe („usual care“)zugewiesen. Während eines follow-up-Zeitraumesvon 52 Wochen waren in der Behandlungsgruppesignifikant größere Verbesserungen in der Krank-heitsaktivität und in den psychischen Beeinträchti-gungen nachweisbar als in der Kontrollgruppe (8).

Kontrollierte Untersuchungen zu der Wirksamkeitder stationären Rehabilitationsleistungen aus Deutsch-land sind den Autoren nicht bekannt.

Ankylosierende Spondylitis

Eine rezente Untersuchung verglich die Wirksamkeitvon verschiedenen Therapiekonzepten bei 120 Pa-tienten mit einer ankylosierenden Spondylitis. DieZuweisung der niederländischen Patienten erfolgterandomisiert zu entweder 1. einer dreiwöchigen Be-

handlung in Bad Hofgastein mit mindestens dreiStunden Therapie pro Tag (Physiotherapie, Hydro-therapie, Haltungskorrektur, „Heilstollen“, Sport)oder 2. einer dreiwöchigen ambulanten Behandlungin den Niederlanden mit vergleichbarer Treatment-stärke (jedoch ohne „Heilstollen“) oder 3. einer am-bulanten Behandlung mit Physiotherapie, Hydrothe-rapie und Sport mit einer Treatmentstärke von ins-gesamt drei Stunden pro Woche. Der Katamnesezeit-raum erstreckte sich über 40 Wochen. Als primäresZielkriterium wurde ein „pooled index of change“,errechnet aus verschiedenen Outcome-Parametern,verwendet. Die Patienten der ersten Gruppe pro-fitierten signifikant stärker von der Therapie als diePatienten der beiden anderen Gruppen (7).

Kontrollierte Untersuchungen aus Deutschlandzur Rehabilitation bei Patienten mit einer ankylosie-renden Spondylitis fehlen bislang. Nach Daten derBundesversicherungsanstalt für Angestellte von 2316Männern und 1139 Frauen mit dieser Krankheitbleiben 71% der Männer und 72% der Frauen in ei-nem Zeitraum von zwei Jahren nach einer stationä-ren Rehabilitationsleistung lückenlos erwerbstätig.10% der Männer und 12% der Frauen mit dieser Di-agnose werden in dem genannten Zeitraum frühbe-rentet (3).

Fibromyalgie

Auch für die Fibromyalgie liegen bisher keine kon-trollierten Untersuchungen zur Wirksamkeit statio-närer Rehabilitationsleistungen vor. In einer prospek-tiven Studie mit einem Prä-post-Design mit 317 Pa-tienten (durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitsdauerim Jahr vor der Aufnahme: 114 Tage) war auch einJahr nach einer stationären Rehabilitation noch einesignifikante Verbesserung der Beschwerden nach-weisbar. Das Therapiekonzept bestand neben einerintensiven Schulung und einer medizinischen Be-treuung auch aus physiotherapeutischen, balneophy-sikalischen und ergotherapeutischen Maßnahmensowie aus einer psychologischen Betreuung und –bei einem Teil der Patienten – aus einer Behandlungin der Kältekammer (6).

Muskuloskelettale Krankheiten

Im Rahmen des Qualitätssicherungsprogramms derSpitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen (4)wurde der Gesundheitszustand bei 3100 Patientenmit muskuloskelettalen Krankheiten zu Beginn derstationären Rehabilitationsmaßnahme, bei deren En-de sowie sechs Monate nach der Entlassung mit demIRES-Fragebogen (5) erfasst. Die Auswertung dieserDaten ergab eine signifikante Besserung des Gesund-heitszustandes, im Vergleich zu den Werten bei derAufnahme, sowohl bei der Entlassung als auch imRahmen einer 6-Monats-Katamnese. Die Verbes-serungen waren sowohl im somatischen als auch imfunktionalen und psychosozialen Status nachweisbar.Bezüglich des kurzfristigen Behandlungserfolgesergaben sich Effektstärken zwischen 0,33 und 0,71.Das Ausmaß der Verbesserung war u.a. abhängigvon der Eingangsbelastung, der Diagnose, der Multi-morbidität, dem Alter und der Reha-Motivation derPatienten. Bei Klinikvergleichen zur Ergebnisqualitätmüssen diese Faktoren daher im Sinne einer Risiko-adjustierung (z.B. auf der Basis des regressionsana-lytischen Verfahrens) berücksichtigt werden.

Vergleich stationärer und ambulanterRehabilitationsleistungen

Zur Zeit werden in Deutschland mehr als 95% allerRehabilitationsmaßnahmen stationär durchgeführt.Dabei bestehen erhebliche regionale Unterschiede inder Zuweisungspraxis zu den beiden Rehabilitations-formen. In den letzten Jahren wurden mehrere Un-tersuchungen zum Vergleich der ambulanten undder stationären Rehabilitation abgeschlossen (1, 2).Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse der Stu-dien dafür, dass es Patienten gibt, die für eine ambu-lante Rehabilitation geeignet und mit einer Zuwei-sung in diese einverstanden sind. Diese Patientenprofitieren von der ambulanten Rehabilitation inähnlicher Weise und sind mit der durchgeführtenTherapie vergleichbar zufrieden wie die Patienten inder stationären Rehabilitation. Die Kosten für dieambulante Rehabilitation liegen signifikant niedrigerals diejenigen für die stationären Angebote.

II/28 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 61, Suppl. 2 (2002)© Steinkopff Verlag 2002

Literatur

1. Bührlen B, Jäckel WH (2002) Teilsta-tionäre orthopädische Rehabilitation:Therapeutische Leistungen, Behand-lungsergebnis und Kosten im Ver-gleich zur stationären Rehabilitation.Die Rehabilitation 41:148–159

2. Bürger W, Dietsche S, Morfeld M,Koch U (2002) Ambulante und statio-näre orthopädische Rehabilitation –Ergebnisse einer Studie zum Ver-gleich der Behandlungsergebnisseund Kosten. Die Rehabilitation 41:92–102

3. Bundesversicherungsanstalt für Ange-stellte (2001) Unveröffentlichte Aus-wertung

4. Farin E, Jäckel WH (2001) Qualitäts-sicherung in der medizinischen Re-habilitation. Die Betriebskranken-kasse: 376–381

5. Gerdes N, Jäckel WH (1995) DerIRES-Fragebogen für Klinik und For-schung. Die Rehabilitation: 34:XIII–XXIV

6. Jäckel WH, Traber U, Gerdes N(2001) Ergebnisse stationärer Rehabi-litation bei Fibromyalgie-Patienten.DRV-Schriften, 26:273–274

7. van Tubergen A, Landewe R, van derHeijde D, Hidding A, Wolter N,Asscher M, Falkenbach A, Genth E,The HG, van der Linden S (2001) Com-bined spa-exercise therapy is effectivein patients with ankylosing spondyli-tis: a randomized controlled trial. Ar-thritis and Rheumatism 45:430–438

8. Vliet Vlieland TP, Zwinderman AH,Vandenbroucke JP, Breedveld FC,Hazes JM (1996) A randomized clini-cal trial of in-patient multidisciplin-ary treatment versus routine out-pa-tient care in active rheumatoid ar-thritis. British Journal of Rheumatol-ogy 35:475–482