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Pflügers Archiv, Bd. 265, S. 440--456 (1958) Aus dem Physio]ogischen Institut der Universität Göttingen Wirkungsmechanismen von Acetylcholin und Succinylcholin auf die Muskelspindeln des Frosches* Von H.-D. HENATSCH und F.-J. SCHULTE Mit 5 Textabbildungen (Eingegangen am 2. August 1957) Je komplizierter receptorische Organe gebaut sind, um so schwieriger sind ihre adäquaten Reiz- und Erregungsbedingungen zu übersehen und auf diesem Wege ihre funktionellen Eigenschaften voll zu verstehen. Weitere Aufsehlüsse erscheinen hier möglich, wenn man sie pharma- kologischen Einflüssen unterwirft, deren Angriffspunkte sich bestimmen lassen und über deren prinzipiellen Wirkungseharakter bereits an anderen erregbaren Strukturen vergleichbare Erfahrungen vorliegen. Die Muskelspindeln des Warm- und Kaltblüters bieten durch ihren differenzierten Bau und ihre anatomische Anordnung im Gesamtmuskcl besonders viele verschiedenartige Angriffsmöglichkeiten, durch die ihre sensorischen Entladungen beeinflußt werden können. Wenig unmittelbares Interesse -- außer als Möglichkeiten der Irreführung -- haben in unserem Zusammenhang indirekte Modifikationen ihres Entladungs- musters, die durch Änderungen im Kontraktionszustand der sie umgebenden ù extrafusalen" Skeletmuskelfasern bedingt sind. Sie sind seit den Untersuchungen von MATT~EWS (1931a, b) als Impulspausen bei Muskelverkürzung, ,rebound"- Entladungen bei Ersehlaffung, wohlbekannt und lassen sich verhältnismäßig leicht ermitteln, da die verursachenden Spannungs- oder Längenänderungen des Muskels in der Regel groß genug sind, um visuell oder mit mechanisehen Registriermethoden nachgewiesen werden zu können. Dagegen entziehen sich eontraetile Anspannungen ihrer eigenen ,intrafusalen" Muskelfasern, welche die sensiblen Endigungen der Spinde]n von innen her erregen, der ~ußeren Beobachtung. ~Tormalerweise werden die Intrafusalfasern der Spindeln durch efferente Impulse aktiviert, die ihnen über die sie versorgenden motorisehen Nervenfasern zufließen (Übersieht siehe bei GRA~¢I~1955). Chemische Wirkstoffe können aber auch, außer an dieser nervösen Spindel-Efferenz, sowohl an den neuro- muskulären Synapsen der Intrafusalfasern als auch jenseits dieser an den Binnen- muskelzellen selbst angreifen. Schließlich ist mit unmittelbaren chemischen Erregungswirkungen auf die sensiblen Endorgane der Spindeln zu rechnen. Sie müßten selbständig hervortreten, wenn das Intrafusalsystem funktionell ausgeschaltet werden kann, ohne daß ihre eigene Anspreehbarkeit gedrosselt wird. * Mit Unterstützung der Deutschen Æorschungsgemeinschaft.

Wirkungsmechanismen von Acetylcholin und Succinylcholin auf die Muskelspindeln des Frosches

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Pflügers Archiv, Bd. 265, S. 440--456 (1958)

Aus dem Physio]ogischen Institut der Universität Göttingen

Wirkungsmechanismen von Acetylcholin und Succinylcholin auf die Muskelspindeln des Frosches*

Von H.-D. HENATSCH und F.-J . SCHULTE

Mit 5 Textabbildungen

(Eingegangen am 2. August 1957)

Je kompl iz ie r te r receptor ische Organe gebau t sind, u m so schwieriger s ind ihre a d ä q u a t e n Reiz- und Er regungsbed ingungen zu übersehen und au f d iesem Wege ihre funkt ionel len Eigenschaf ten voll zu vers tehen. Wei t e re Aufsehlüsse erscheinen hier möglich, wenn m a n sie pha rma - kologischen Einflüssen unterwir f t , deren Angr i f f spunkte sich bes t immen lassen und über deren pr inzipie l len W i r k u n g s e h a r a k t e r bere i ts an anderen e r regbaren S t r u k t u r e n verg le ichbare Er fah rungen vorl iegen.

Die Muske lsp inde ln des W a r m - und K a l t b l ü t e r s b ie ten durch ihren dif ferenzier ten B a u und ihre ana tomische Anordnung im Gesamtmuskc l besonders viele verschiedenar t ige Angr i f fsmögl ichkei ten , durch die ihre sensorischen E n t l a d u n g e n beeinf lußt werden können.

Wenig unmittelbares Interesse - - außer als Möglichkeiten der Irreführung - - haben in unserem Zusammenhang indirekte Modifikationen ihres Entladungs- musters, die durch Änderungen im Kontraktionszustand der sie umgebenden ù extrafusalen" Skeletmuskelfasern bedingt sind. Sie sind seit den Untersuchungen von MATT~EWS (1931a, b) als Impulspausen bei Muskelverkürzung, ,rebound"- Entladungen bei Ersehlaffung, wohlbekannt und lassen sich verhältnismäßig leicht ermitteln, da die verursachenden Spannungs- oder Längenänderungen des Muskels in der Regel groß genug sind, um visuell oder mit mechanisehen Registriermethoden nachgewiesen werden zu können.

Dagegen entziehen sich eontraetile Anspannungen ihrer eigenen ,intrafusalen" Muskelfasern, welche die sensiblen Endigungen der Spinde]n von innen her erregen, der ~ußeren Beobachtung. ~Tormalerweise werden die Intrafusalfasern der Spindeln durch efferente Impulse aktiviert, die ihnen über die sie versorgenden motorisehen Nervenfasern zufließen (Übersieht siehe bei GRA~¢I~ 1955). Chemische Wirkstoffe können aber auch, außer an dieser nervösen Spindel-Efferenz, sowohl an den neuro- muskulären Synapsen der Intrafusalfasern als auch jenseits dieser an den Binnen- muskelzellen selbst angreifen.

Schließlich ist mit unmittelbaren chemischen Erregungswirkungen auf die sensiblen Endorgane der Spindeln zu rechnen. Sie müßten selbständig hervortreten, wenn das Intrafusalsystem funktionell ausgeschaltet werden kann, ohne daß ihre eigene Anspreehbarkeit gedrosselt wird.

* Mit Unterstützung der Deutschen Æorschungsgemeinschaft.

Acetylcholin- und Suceinylcholin-Wirkung auf Frosch-Muskelspindeln 441

Alle diese Angriffsmeehanismen kommen auch für Acetylcholin (ACh) und Suecinyleholin (SCh) in Frage - - beides Substanzen, für die am Warmblüter nachgewiesen ist, daß sie die afferenten Entladungen der Muskelspindeln vorübergehend stark vermehren. Beim ACh soll nach den Untersuchungen von HU~T (1952) eine spezielle Wirkung auf die eholin- ergischen Endplat ten der Intrafusalfasern vorliegen, jedoch keine direkte Erregung der sensorischen Endorgane selbst. Letztere steht dagegen nach G~A~IT, SKOGLU~D U. T~ESLEFF (1953) bei Suecinyleholin im Vordergrund, wobei die Möglichkeit zusätzlicher Wirkungen auf das Intrafusalsystem offen gelassen wird.

I m folgenden soll das Verhalten der Muskelspindeln des Frosches unter dem Einfluß beider Wirkstoffe analysiert werden. Die Unter- suchungen erfolgten einmal, weil die am Warmblüter gefundenen Effekte nicht ohne weiteres auf Kaltblüter-Muskelspindeln übertragen werden können, die in einigen Punkten abweichend konstruiert sind. So erfolgt ihre efferente Innervat ion überwiegend nicht wie beimWarmblüter durch dünne Gamma-Fasern, sondern durch niedrigsehwellige Alpha- Fasern (KATz 1949, SCHULTE u. HEN~tTSCH, im Druck); auch in der Struktur der sensorischen und motorisehen Endorgafie bestehen Unter- schiede (vgl. BARKE~ 1948). Zweitens sollten die Angriffspunkte der Erregungswirkungen von ACh und SCh genauer analysiert werden. Drittens war zu prüfen, ob die unterschiedlichen Effekte beider Sub- stanzen, die nach den genannten Autoren bei der Katze zu bestehen scheinen, auch an Spindeln einer anderen Tierspecies aufzufinden waren; angesichts der starken chemischen und pharmakologischen Ähnlichkeit beider Substanzen schien uns dies zweifelhaft. Schließlich glauben wir, mit unseren Befunden einen Beitrag zur grundsätzlichen Problematik der Erregungsbildung in einem Mechanoreceptor liefern zu können.

Methodik Es wurden afferent fortgeleitete Entladungen einzelner Muskelspindeln ans

dem M. gastrocnemius des Frosches von feinen isolierten Filamenten der ent- sprechenden (VIII. oder IX.) Rückenmarks-Hin~rwurzeln abgeleitet. Über einen batteriebetriebenen Wechselspannungs-Vorverstärker (Meßverstärker Elektro Spe- zial, Typ GN 4574) und einen konventionellen Oszillographen-I-Iauptverstärker erfolgte die l%egistrierung auf einem der beiden Strahlen eines Doppel-Elektronen- strahloszillographen. Bei stil]gelegter Zeitablenkung wurden die Impulse auf fort- laufendem Registrierpapier kymographisch aufgezeichnet. Ein parallelgeschaltetes Sichtrohr mit laufender Zeitablenkung gestattete die gleichzeitige visuelle Beob- achtung. Meist wurde eine Frequenzbesehneidung ab 1 kitz angewandt, welche den Rauschpegel herabdrüekte, ohne die Spindelimpulse merkbar zu verändern.

I)ie vorbereitende Operation des Frosches erfolgte in flacher Äther-Narkose, die bis zum Beginn der Registriernngen meist abgeklungen war. Teils wurden decere- brierte Präparate hergestellt (Hirnstich oberhalb der Medulla, Ausbohrung des Vorderhirns, Tamponade zur Vermeidung größerer Blutverluste), teils wurde das ZNS intakt belassen. Die tIinterextremität der Versuehsseite wurde bis auf die

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Muskelnerven zum Gastrocnemius vollständig denerviert, unter möglichster Schonung der Blutversorgung. In einigen Versuchen wurden außerdem die ent- sprechenden Vorderwurzeln durchtrennt, um ein de-efferentiertes Präparat zu erhalten.

Am undurchtrennten Ischiadicusstamm, der nur noch mit dem Gastrocnemius in Verbindung stand, konnten über ein versenkbares Elektrodenpaar einzelne Thyratron-Reize in Abst/~nden von einigen Sekunden appliziert werden, die vom Reizger&t (Spezialanfertigung Fa. Müller & Engelter, Marburg) über einen kapazi- t/~tsarmen Reiztransformator (Fa. J. F. Tönnies, Freiburg) zugeführt wurden. Die von ihnen ausgelösten Bewegungen des bis zum Ursprung am Kniegelenk mobili- sierten Muskels wurden über eine geeignete photoelektrische Anordnung elektrisch transformiert und auf dem zweiten Strahl des Oszillographen registriert. Am Ver- halten der Spindel-Entladungen ließ sich mit diesen Reizen zugleich kontrollieren, ob die efferente Erregungsübertragung auf ihre Intrafusalfasern intakt oder blockiert war.

Die Identifizierung der afferenten Impulse, als Ent]adungen von Spindeln aus dem untersuchten Muskel, erfolgte nach den üblichen von MATT~SWS (1931a, b) angegebenen Kriterien: Impulsvermehrung bei passiver Muskeldehnung, Ent- ladungspause bei Muskelkontraktion. Da die Pause beim Frosch nach KATZ (1949) sicher nur bei frei gestatteter contractiler Verkürzung, nicht aber bei isometrischer Anspannung auftritt, wurden nur isotonische Kontraktionen benutzt. Der Muskel war mit Gewichten von 5--50 g dauerbelastet. Prüfungen der Dehnungsempfind- lichkeit der Spindel erfolgten durch kurzfristige Zusatzbelastung mit 25 g.

Das ganze Tier wurde mit starken Nadeln auf geeigneter Korkunterlage fixiert. Die enthäuteten Hinterextremit~ten waren im Hüft-, Knie- und Fußgelenk gegen unkontro]lierte Bewegungen gesichert und befanden sich in einer Wanne, die mit sauerstoffdurchströmter, hgufig erneuerter Ringer-Phosphat-Lösung gefüllt war. Die Zufuhr der Wirkstoffe* erfolgte entweder durch i.v. Injektion (Kanülierung der V. cutanea magna mit dünnstem Poly~thylen-Katheter) oder (h~ufiger) durch direkte periphere Gabe in das den Muskel umspülende Ringer-Bad (Volumen etwa 80 tal). Von intra-arteriellen Injektionsversuchen in die Beinarterie wurde an- gesichts der technischen Schwierigkeiten beim Frosch abgesehen, nachdem sich gezeigt hatte, daß die gewünschten Effekte bei peripherer Gabe der Substanzen in das Bad qualitativ gleichartig eintraten.

Ergebnisse Insgesamt wurden mi t dieser Methode an mehr als 40 P räpa ra t en die

Einfiüsse teils von ACh, teils von SCh auf die Muskelspindeln unter- sucht. Nur 4ma l bl ieben die im folgenden beschriebenen Befunde ganz aus. I n den übr igen Versuchen waren die Effekte zwar quan t i t a t i v verschieden stark, grundsätzl ich aber stets gleichartig.

Acetylcholin. ACh wurde in Konzen t r a t i onen von 0,12--0,3 mg pro ml Muskelbad gegeben. Die Ausgangsfrequenzen der Spindelen t ladungen lagen bei den gewählten Muske]belastungen in der Regel zwischen 1 und 8 Impulsen/sec. Nach der ACh-Gabe setzten - - manchmal nach Ein-

* Wir danken den Asta-Werken A. G., Brackwede/Westf., für Versuchsmengen von Succinyleholin (,Succinyl-Asta") und d-Tubocurarin (,Curarin-Asta"), ebenso der Deutschen Hoffmann-La l~oche A. G., Grenzach/Baden, für Prostigmin und Acetylcholin.

Aeetylcholin- und Suecinylcholin-Wh'kung auf Frosch-Muskelspindeln 443

schaltung einer kurzdauernden initialen Hemmungsphase - - mit stets plötzlichem Beginn starke Vermehrungen der Entladungsfrequenz ein, bisweilen fast unmittelbar nach der Zufuhr, in anderen Versuchen mit Latenzen bis zu mehreren Minuten. Abb. 1 gibt - - in den Registrier- ausschnitten der linken Spalte - - ein repräsentatives Beispiel ffir dieses Verhalten.

Die verschieden lange Dauer bis zum Wirknngseintritt erklärte sieh dadurch, daß die getesteten Spindeln in verschiedener Entfernung von der Muskeloberfl/~che lagen und somit die vom Wirkstoff zurüekzulegenden Diffusionswege unterschied- lieh weit waren. Eine grobe Orientierung hieriiber war durch Betastung des Muskels mit einem feinen Glasstab leicht möglich; extrem kurze Wirkungslatenzen gingen regelmäßig mit besonders leichter mechanischer t~eizbarkeit bei leisester Berührung parallel.

Die Entladungsfrequenzen stiegen nach einmaliger ACh-Gabe auf das 5--50faehe der Ausgangsaktivität ; maximal wurde eine Frequenz von l l0spikes /see erreicht. Die vermehrte Spindeltätigkeit dauerte durchschnittlich etwa 1 min an, die Extremwerte lagen einmal bei 4 min, einmal bei nur wenigen Sekunden.

Die zunächst stets kontinuierliehen - - jedoch sprunghaft ein- setzenden - - Entladungsvermehrungen lösten sieh fast regelmäßig nach kurzer Zeit in rhythmisch wiederholte, einzelne Salven von je 3 bis 10hoehfrequenten Impulsen auf, die in Intervallen von 1/4--a/4 sec aufeinander folgten. In den meisten Fällen erschienen die Salvenaus- brüche zun/~chst eingestreut in die vermehrten Dauerentladungen, bis sie zuletzt oft das Wirknngsbild fast allein beherrschten.

Wenn sich nach AbMingen der ACh-Aktivierung wieder die ursprüng- liche Frequenz der Spindelentladnngen eingestellt hatte, war der Effekt nicht beliebig oft wiederholbar. Innerhalb einer Versnehsdauer von etwa ~ Std gelang es uns nie, den erregenden ACh-Effekt an ein und derselben Spindel häufiger als höchstens 3mal zu wiederholen, wofiir Abb. 2 ein Beispiel gibt. Auch mit zunehmend höheren Dosen wurde in solchen Fällen die Steigerung der Entladungsfrequenz mit jeder neuen Gabe von ACh geringer und blieb schließlich ganz aus. In manchen Versuchen blieb schon die zweite Zufuhr einer sonst sicher wirksamen Dosis unbeantwortet . Dabei ist hervorzuheben, daß diese zunehmende Unwirksamkeit wiederholter Gaben eintrat, ohne daß die Spontan- akt ivi tä t der Spindel oder ihre Empfindlichkeit für adäquate Reizung durch Muskeldehnung gemindert zu sein brauchte.

Entscheidend ist die Frage, ob die ACh-Wirkung lediglich an den motorisehen Endpla t ten der extra- und intrafusalen Muskelfasern angreift und somit nur indirekt den sensiblen Spindelreeeptor beeinflußt. Um diese Möglichkeit auszuschalten, haben wir den Muskel eurarisiert. In den meisten Fällen waren Konzentrat ionen von 0 ,07--0 ,15mg d-Tuboeurarin pro ml Ringer-Bad erforderlich, um innerhalb 20--30 min

: v o r Curare

i /

2 rain

Z~min

I s e c

Abb. 1. Afferente Impulse einer Gastrocnemius-~[uskelspin4el (Filament der IX. Hinterwurzel). Wi~kungen yon kCh-Zufuhr in das ~[uskel-l~inger-Ba4, A vor, B nach extra- und intrafusale~ :End- plai~en-L~'hmung (vgl, nebenstehende Seite). ~uskel belastet mit 30 g. Kontrollbilder oben: Verhalten der Spindel-Impu]se and des i~uskels (2. Strahl, isotonisehe Registrierung) bei iibermaximaler

Kor#rakh'ons- Reiz

na~ Curare

I- o.5sec

I L. Kontr.

Pros_/igmin .~ 0,0~ rr~Jc~ aBud

~sec

~Osec

7rain

7sec

~e i zung des ~iuskelnerven. Kontr. I , I I : Ausgangs~kt ivi t~i ten vo r Pha rmakong~be . Zei ten links neben den wei te ren K u r v e n : gerechnet ~rom Ende der ACh-Gaben. Zwischen 1. und 2. Dosis ( In te rvul l e twa 70 rain) Gabe yon d-Tubocura r in (0,15 m g / m l 3Bad). K u r z vo r der 2. ACh-Gabe

wurcle Pros t igmin zugeffig~, d~s die C~ra re -L~hmung nicht aufhob

446 H.-D. HENATSCn und F.-J. SCHULTE;

den Muskel völlig zu lähmen, und zwar sowohl die ext rafusa len Skelet-

muskelfascrn als auch die int rafusalen Spindelfasern. Eigene Erregungs-

wirkungen von Curare auf die Spindeln wurden nicht beobachtet .

Die Erfahrung von K~.Tz (1949), daß hierbei die neuromuskulare Übertragung ~n den extrafusalen Fasern eher als an den Binnenfasern der Spindeln erlischt, fanden wh" - - wenn auch nicht in allen Fallen - - bestg{ig~. Dieses Verhalten zeigte sich darin, daß nach maximaler Reizung des Muskelnerven zwar keine Muskel- kontraktion mehr, wohl aber noch eine kurze Entladungssalve, die von keiner

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Abb. 2. Frequenzkurve der 5Iuskelspindel-Entladungcn bei 3mal wiederholten ACh-Gaben. Pro- gressive Wirkungsabnahme. Keine Curarisierung, sonstige Bedingungen wie in Abb. 1. Ordinate: )~ittlcrc Entladungsfrequenz (Impulse/sec); A bszisse: Zeit in ~inuten, bei jeder Einzelgabe mit 0 beginnend. Die 1. Gabe bestand aus 3 fraktionierten Dosen, die innerhalb 2 min zugeführt wurden (Zeit 0 hier gerechnet vom Ende der 1. Teildosis). Dehnungsempfindliehkeit bis Versuchsende gut

erhalten

Pause unterbrochen war, beobachtet werden konnte. Wir betrachteten die Curare- Lghmung erst dann als vollständig, wenn stark übermaximale, efferente Reize auch von den Spindeln überhaupt nicht mehr beantwortet wurden. Mit Absich~ wurden verhgltnismgBig hohe Curare-Konzentrationen gewghlt, um dieses S~adinm sicher zu erreichen und über lange Versuchszeiten aufrechtzuerhalten.

Auch nach völliger Aufhebung der extra- und intrafusalen neuro-

muskulgren Über le i tung durch d-Tubocurar in ließ sich in allen da rauf

un te r such ten Fäl len mi t e twa gleichen Konzen t r a t i onen von ACh im

Muskelbad eine deut l iche Ent ladungss te igerung der Spindeln nach-

weisen, wie die K u r v e n in der rechten Spal te der Abb. 1 zeigen. Waren

während der oft s tundenlangen Versuchsdauer Spon tanak t iv i t g t und

Dehnungsempfindl ichkei t e twa gleich geblieben, so konnten wir mi t

e inem Effekt annähernd gleicher Stärke, wenn auch oft geringerer

Dauer , wie ohne Curare rechnen. Die Neigung zu rhy thmischen Salven- ausbrüchen war allerdings nach der L ä h m u n g der E ndp l a t t en wesentlich

Acetylcholin- und Succinylcholin-Wirkung auf Froseh-Muskelspindeln 447

geringer. Wenn sie überhaupt noch auftraten, dann viel flüchtiger und leichter erschöpfbar.

In einigen Fällen - - so im zweiten Teil des abgebildeten Versuchs- beispiels - - haben wir vor der ACh-Gabe dem Muskelbad eine kleine Dosis von Prostigmin zugesetzt, um den langsam eindiffundierenden Wirkstoff vor allzu schnellem Abbau durch die ACh-Esterase zu schützen (vgl. NACI~MASrSO~~ 1955).

Selbstverständlich wurde peinlich darauf geachtet, daß die benutzten Dosen von Prostigmin, das ja zugleich ein Curare-Antagonist ist, den neuromuskul&ren Block keinesfalls aufhoben. Wiederholt eingeschobene efferente Kontrollreize ließen zuverlässig erkennen, daß der volle Lähmungszustand bis zum Versuchsende unvermindert fortbestand.

Die zusätzliche Gabe von Prostigmin schien die Auslösung vermehrter Spindelaktivitäten durch ACh nach Curare zu begünstigen, war jedoch nicht notwendige Bedingung hierfür. Allerdings wurden von uns ohne diese Kombinat ion nur noch gesteigerte Dauerentladungen, jedoch keine Salvenentladungen mehr gesehen.

Succinylcholin. SCh wurde entweder in das Muskelbad (Konzentra- tionen meist 1 mg/ml Ringer-Lösung) oder i.v. (Dosen 1,5--3,0mg, bei durchschnittlichen Froschgewichten um 50 g) gegeben. Die Effekte waren bei beiden Applikationsweisen qualitativ gleichartig. Wir sind später allgemein zu Gaben in das Muskelbad übergegangen, schon aus Gründen des Vergleiches mit den Wirkungen von ACh, für das eine i.v. Zufuhr wegen der starken Cholinesterase-Aktivität des Blutes unzweckmäßig war.

I m wesentlichen entsprach die Wirkung von SCh auf die Spindeln derjenigen des ACh. Die Ausgangsaktivitäten der Receptorentladungen lagen bei diesen Versuchen zwischen 1 und 20 Impulsen/sec. Wieder sahen wir in vielen Fällen eine initiale schwache Hemmung der Spontan- aktivität , fast immer einen abrupten Beginn der zunächst gleichmäßigen Entladungsvermehrnngen und dann Salvengruppiernngen ähnlicher Art wie nach ACh (Abb. 3).

Auch die durch SCh ausgelöste Spindelaktivierung konnten wir - - trotz unvermindert guter Dehnungsempfindlichkeit - - manchmal nur 1 mal und nie häufiger als 3mal wiederholen. Wieder war in der Regel jeder folgende Effekt schwächer als der vorhergehende (Abb. 3, 5.)

Ein quanti tat iver Unterschied zur ACh-Wirkung bestand darin, daß die Frequenzsteigerungen nach SCh mit Werten auf das 2--10fache der Ausgangsaktivi tät deutlich geringer waren; dagegen war die Aktivierungs- dauer mit durchschnittlich etwa 2 min und 3 mal erreichten Zeiten von 6 min länger als nach ACh.

Nach totaler Lähmung der intra- und extrafusalen neuromuskulären Synapsen durch d-Tubocurarin konnten wir den sensiblen Receptor ebenfalls durch SCh in gleicher Stärke und fast gleicher Dauer wie ohne

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Acetylcholin- ~nd Succinylcholin-Wirkung ~uf Frosch-Muskelspindeln 449

diese Vorbehandlung aktivieren, wie in Abb. 4 gezeigt ist. Abb. 5 zeigt einen anderen Versuch, bei dem nach Curare-Vorbehandlung 2mal nacheinander positive SCh-Effekte, wieder mit abnehmender St/£rke, erzielt wurden.

PrizÆ«raf vóTl/~ cur~re- gelEhmt

O,5 sec

Kon/r«Ic/ion3- Reiz

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Abb. 4. Wirkung von SCh nach vollständiger extra- und intrafusaler Gurare-Lähmung. Versuchs- bedingungen wie in Abb. 1, Beginn etwa 60 min nach Einleitung der Curarisierung (insgesamg 0,12 mg/m1, in fraktioniergen Dosen). Oben: Kontrollreizung des )Iuskclnerven nach eingetregener

Lähmung. - - Nach BCh-Auslösung vermehrte Dauerentladungen, keine Salvenantworten

450 H.-D. HE~Arscu und F.-J. SC~VLTE:

Ein interessanter und regelmäßiger Befund nach Curare-Vorbehand- lung war, daß mit SCh nur noch vermehrte Dauerentladungen der Spindeln ausgelöst werden konnten, während die typischen Salvenaus- brüche in jedem Falle ausblieben (Abb. 4). Offenbar war dies nicht durch eine für Curare spezifische Wirkung bedingt, sondern hing mit der eingetretenen Lähmung der intrafusalcn neuromuskulären Synapsen zusammen. Denn das gleiche Verhalten wurde auch ohne Curaré nach

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Abb. 5. Wirkung von 2 aufeinanderfolgenden SCh-Gaben auf die Entladungen einer Muskelspindel nach vollständiger Curare-Läbmung. Muskellast 30 g. Impulsfrequenzkurve wie in Abb. 2. Zeit der Vorbehandlnng mit d-Tubocnrarin (1 Std) auf der Abszisse gerafft. - - Geringere Aktivierung nach der

2. Gabe. Dehnungsempfindlichkeit bis Versnchsende praktisch unverändert

Wiederholungsgaben von SCh beobachtet (z. B. Abb. 3), wenn die vorausgegangene Dosis bereits selbst eine (ganz anders als durch Curare bewirkte) Aufhebung der efferenten Übertragung hinterlassen hatte.

Diskussion Unsere Versuche haben gezeigt, daß auch die Muskelspindeln des

Kaltblüters sowohl durch ACh als auch durch SCh kurzfristig aktiviert werden. Die unterschiedliche efferentc Innervation des Intrafusalsystems beim Warm- und Kaltblüter ist also ohne Einfluß auf diese Wirkungen, so daß letztere nicht mit einer spezifischen Empfindlichkeit etwa der Gamma-Fasern für die untersuchten Substanzen in Beziehung gebracht werden können. Die Angriffspunkte sind an Strukturen zu suchen, die den Warmblüter- und Kaltblüter-Spindeln zumindest grundsätzlich ge- meinsam sind.

Die im Vergleich zum Warmblüter wesentlich höheren Wirkstoff-Konzen- trationen, welche beim Frosch für positive Effekte benötigt wurden, sind als nur quantitative Abweichungen zu werten; sie dürften teils auf die andersartigen Applikationsweisen zurückzuführen sein, teils entsprechen sie dem für viele andere Pharmaka bekannten höheren Dosisbedarf des Kaltblüters (vgl. für Muskel- Relaxantien z. B. STEI~XE U. VOGEL 1953).

Acetylcholin- und Succinylcholin-Wirknng auf Frosch-3/[uskelspindeln 451

Darüberhinaus sprechen unsere Befunde dafür, daß die Wirkungs- mechanismen von ACh einerseits und von SCh andererseits auf die Spin- deln gleiehartig oder sehr ähnlich sind. Wir konnten beim Frosch in den Aktivierungsbildern beider Pharmaka keine wesentlichen Unterschiede feststellen, wie sie für die Warmblüter-Spindeln angenommen worden sind.

Hinsichtlich SCh decken sieh unsere Erfahrungen im wesentlichen mit denen von G~a?¢IT u. Mitarb. (1953) an der Katze. Lediglich die rhythmischen Salvenausbrüche, die bei uns regelmäßig stark hervor- traten, solange keine vorbereitende Endplat ten-Lähmung bewirkt wurde, haben jene Autoren nach SCh nicht gesehen, wohl aber nach Deea- methonium, was auch wir für den Frosch bestätigen können (I-IEN~tTSC~ U. SCRV~TE, im Druck). Für ACh finden wir am Frosch andere Verhältnisse als I-I~r~T (1952) an der Katze. I m Gegensatz zu ihm wurde bei uns die Aktivierbarkeit der Spindeln durch ACh nach vollständiger Curare-Läh- mung nicht aufgehoben, sondern blieb - - mit und ohne zusätzliche Pro- stigmin- Gabe - - erhalten.

Die Ähnlichkeit der Wirkungen von ACh und SCh ist nicht über- rasehend, wenn man bedenkt, daß SCh als ,doppeltes ACh « im chemi- schen Aufbau wie auch in sonstigen biologischen Eigenschaften weit- gehend mit jener Substanz verwandt ist (BovET 1951, BOVET u. Mitarb. 1951). Beide Stoffe zählen - - zumindest in ihrer Grundwirkung - - zu den depolarisierenden ,Kate lekt ro toniea" (FLEeKENST]~IN U. Mitarb. 19õõa, b); beide beeinflussen in gleicher Weise die motorischen Endplat ten (PAToN U. ZAIMIS 1952, DEL CASTILLO U. DE BEEa 1950, TI-IESLEFF 1952, u.a.), sowohl an den extrafusalen als auch an den intrafusalen Muskel- fasern. Die Depolarisation ist im Falle des ACh kurzdanernd und schnell reversibel, solange der rapide Abbau durch die ACh-Esterase nicht ge- hemmt wird. Beim SCh dagegen, für das wesentlich langsamer spaltende Esterasen angenommen werden, hält sie über Minuten an und geht mit der Entwicklung eines Überleitungsbloeks einher.

Es steht hier nicht zur Diskussion, daß nach neueren Untersuchungen die anhaltende nenromusku]~re Lähmung durch ACh und SCh nicht mit einfacher Dauer-Depolarisation der Endplattengegend erklärt werden kann, da diese abklingt, noch ehe der Überleitungsbloek sein Maximum erreicht hat (T~ESLE~F 1955, 1956; vgl. auch PATo~ u. ZAI~IS 1952). Wesentlich ist, daß auch die über die Depolari- sation hinausgehende Wirkung, die als Empfindlichkeitsminderung der Endplatte für die Überträgersubstanz zu interpretieren ist, für beide Substanzen gleich- artig ist.

Bis zur völligen Repolarisation beim ACh oder bis zur maximalen Depolarisation beim SCh kann man unter geeigneten Bedingungen Fibril- lationen, Faseieulationen und beim Frosch sogar tonisehe Krämpfe oder Versteifungen der Muskulatur beobachten, die zumindest teilweise auf Erregungs-Depolarisationen der Endplat ten zurückzuführen sind. Diese

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Reaktionen können, wenn sie sich auch an den intrafusal•n Zellen der Spindeln abspielen, Frequenzsteigerungen der sensorischen Impulse be- dingen. Vor allem die rhythmischen Salvenausbrüchc legen ihrem Aspekt nach den Verdacht nahe, daß ihnen rasch aufeinanderfolgende, mecha- nische Anspannungen und Erschlaffungen des Intrafusalsystems zugrunde liegen.

Die Versuche an voll curarisierten Präparaten, in denen also die neuromuskulären Synapsen vor der Depolarisation wirksam geschützt waren, haben aber sicher gezeigt, daß beide Substanzen auch ohne Intakthei t der intra- und extrafusalen Endplat ten die Spindelreceptoren aktivieren können. Lediglich das Erscheinungsbild der Entladungs- steigerungen änderte sich, indem - - regelmäßig beim SCh und über- wiegend beim ACh - - die überlagerten Salvengruppen verschwanden; hierin liegt ein weiteres Argument, letztere rhythmischen Erregungen des Intrafusalsystems zuzuordnen.

Das geringe und inkonstante Restvermögen von ACh, auch nach effektiver Curarisierung noch flüchtige Salvenantworten der Spindel auszulösen (nur, wenn es durch Prostigmin vor frühzeitigem Abbau geschützt war), steht nicht im Wider- spruch zu dieser Auffassung. Diese mit dem neuromuskulären Übertr~ger höchst- wahrscheinlich identische Substanz wird - - von außen und im Überschuß zuge- führt - - am ehesten imstande sein, die Absperrung der Endplatten nochmals kurz- fristig zu überwinden oder zu umgehen und so intrafusale Kontraktionen zu bewirken.

Es wären noch pharmakologisehe Einwirkungen auf die Muskelzell- membranen jenseits der Endplat ten denkbar, die den Kontraktions- zustand der Muskelfasern verändern und somit indirekt die Receptor- entladungen beeinflussen könnten. PATO~ u. ZAIMIS (1952) sowie JARCHO U. Mitarb. (1951) haben gezeigt, dal~ Decamethonium, eine dem SCh chemisch und pharmakologisch nahe verwandte Substanz, seine muskel- lähmendc Wirkung nicht nur lokal an der Endplatte, sondern auch durch Angriff an der Muskelzellmembran in der Nachbarschaft der neuro- muskulären Synapse erreicht. Lassen sich ähnliche Wirkungen auch für SCh annehmen, so könnten auch ohne Endpla t ten-Depolar isa t ion-- und nur diese wurde durch Curare verhindert - - Fibrillationen und Kontrak- turen, speziell der intrafusalen Muskelzellen, und damit indirekte Fre- quenzsteigerungen der Spindeln, herbeigeführt werden.

Mit den uns zur Verfügung stehenden experimentellen Methoden war diese Möglichkeit nicht eindeutig auszuschließen, da die intrafusalen Kontrakt ionen nicht unmittelbar nachweisbar waren. Sie erscheint aber in hohem Grade unwahrscheinlich. I m histologischen Bau sind keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen quergestreiften intra- und extra- fusalcn Muskelfasern zu finden, und man darf annehmen, daß sie auch auf pharmakologische Einflüsse einigermaßen gleichartig ansprechen werden, wenn diese sie selbst und nicht ihre motorisehen Nervenendigun- gen (für die Strukturunterschiede beschrieben sind) betreffen. Durch

Acetylcholin- und Succinylcho]in-Wirkung auf Frosch-Muskelspindeln 453

Unsere Substanzen bewirkte Änderungen im Kontraktionszustand der Intrafusalfasern hät ten also auch auf die Masse der extrafusalen Muskel- zellen übergreifen müssen. Fibrillationen und Fasciculationen wären im Elektromyogramm, kontrakturbedingte Längenänderungen im Mechano- myogramm sichtbar geworden. Wir haben aber bei den angewandten Konzentrat ionen und Applikationsweisen von ACh und SCh keine irgend- wie mit den Spindelentladungen gekoppelten Muskelaktivitäten nach- weisen können, was durch stcreomikroskopische Beobachtung, empfind- liche elektromyographische Registrierung mit Coaxialelektrode und laufende Kontrolle des Mechanomyogramms geprüft wurde.

Wir kommen also per exclusionem zu dem Schluß, daß beide Sub- stanzen beim Frosch direkt die sensorischen Nervenendigungen d e r Spindeln zu erregen vermögen. Hierin st immen wir mit den Folgerungen von GRANIT, SKOGLIJ~D U. TIdIESLEFF für SCh an der Katze überein, nfcht aber mit denen von I-Iu~¢T für ACh am gleichen Versuchstier. Es ist ~ be- kannt, daß sie diese Fähigkeit auch an anderen receptorischen Struk± turen besitzen, die frei von Muskelelementen sind (Literatur bei GRASlT 1955). Darüberhinaus haben beide offenbar akzess0risehe, flüchtige Er- regungswirkungen auf die neuromuSkulären Endigungen, speziell des Intrafusalsystems der Kaltblüter-Spindeln, die wesentliche m0difi- zierende Einflüsse auf deren Afferenzbild ausüben. . . . .

In allen Versuchen waren die Wirkungen von ACh und SCh leicht erschöpfbar, also entweder überhaupt nur e inmal auszulösen oder mi t jeder wiederholten Zufuhr geringer. Dieses Verhalten erscheint charak- teristisch für Substanzen vom depolarisierenden Typ, bei denen durch Wirkungssummation - - oder schon durch eine zu hohe Einzeldosis - - relativ rasch das Stadium der extremen Depression erreicht wird.

Ein besonderes Problem gibt uns aber die Tatsache auf, daß die Empfindlichkeit des sensiblen Reeeptors für seinen adäquaten Reiz, die Muskeldehnung, fast unverändert erhalten blieb, wenn zu starke Dosen von ACh oder SCh keine Spindelaktivierung mehr erzielten. Dies bedeu- tet, daß wir - - trotz begründeter Annahme einer direkten Erregungs- wirkung auf die sensorischen l~eceptorenendigungen in beiden Fällen für die Chemische Aktiviernng einerseits und die adäquate mechanische Reizwirkung andererseits nochmals verschieden ansprechende Substrate oder verschiedene Wirkungsmechanismen annehmen müssen. Daß auch in der Erregungsphase von SCh eine auffallende Dissoziation von chemi- scher Ent ladungssteigcrung und mechanischer Dehnungsempfindlichkeit zu finden ist [HE~ATSC~ u. SCHULTE, (im Druck)], sei hier nur angedeutet.

Es erscheint hiernach unwahrscheinlich, daß bei den Muskelspindeln die Überführung der mechanischen Deformation in das Generatorpoten- tial des Receptors (KATz 1950a, b) unter Einschaltung von ACh bzw. einem cholinartigen chemischen ,transmitter" erfolgt -- eine Annahme,

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die als allgemeines Prinzip zwar viel für sich hat (DALE 1952), für Mechanoreceptoren aber auch aus anderen Erwägungen entbehrlich erscheint (vgl. GRANIT 1955, S. 25; dort weitere Literatur). Man könnte allenfalls annehmen, daß das mechanisch empfindliche Substrat der Receptorendigung durch eine strukturelle Barriere gegen äußerliche Zu- fuhr des Cholinkörpers geschützt ist, müßte dann aber zusätzlich unab- hängige, leicht zugängliche und schnell erschöpfbare chemosensible Eigenschaften des l%eceptors fordern. Für die Muskelspindeln fehlen hierfür in der Li teratur bisher überzeugende Hinweise)*.

Zusammenfassung 1. Die Wirkungen von peripher zugeführtem Acetylcholin und Suc-

cinylcholin auf die afferenten Entladungen von einzelnen Mnskelspindeln aus dem M. gastrocnemius des Frosches wurden vergleichend untersucht. Die Substanzen wurden meist in das Muskel-Ringer-Bad gegeben, ACh in Dosen von 0,1--0,3 mg/ml, SCh in Dosen um 1 mg/rel.

2. Beide Stoffe erzeugten qualitativ gleichartige, in der Regel minuten- lange, Steigerungen der spontanen Spindel-Entladungen. Quanti tat iv waren die Effekte von ACh durchschnittlich stärker und kürzer als von SCh.

3. Die Aktivierungen bestanden teils in plötzlich vermehrten Dauer- entladungen (Frequenzsteigerungen bis z u m 50lachen der Ausgangs- aktivität), teils in rhythmischen Salvenausbrüchen, die in Intervallen von 1/4 bis a/4 sec aufeinander folgten.

4. Nach Ausschaltung der extra- und intrafusalen neuromuskulären Übertragung durch starke Dosen von d-Tubocurarin waren mit ACh und SCh Weiterhin vermehrte Dauerentladungen zu erzielen; jedoch ver- schwanden - - stets bei SCh, überwiegend bei ACh - - die rhythmischen Salvenantworten.

5. Es wird geschlossen, daß für die Erregungswirkungen beider Sub- stanzen im wesentlichen zwei Angriffspunkte an den Spindeln bestehen: ein indirekter, indem über die intrafusalen Endplat ten vorübergehend präparalytische, krampfart ige Kontrakt ionen der Binnenmuskulatur ausgelöst werden, die sich in rhythmischen Salvenentladungen der Spin- deln äußern; darüberhinaus ein direkter, auch nach intrafusaler Lähmung

* ~\Tach!rag bei der Korrektur . W~hrend der Drueklegung erschien eine Arbeit von G•A¥ und DIAlgOI~D, in der für andere Mechanoreceptoren ganz analoge Vor- stellungen entwickelt und mit früheren experimentellen Befunden begründet werden (G•AY, J. A. B., and J. DIA~OND : Pharmacological properties of sensory receptors and their re!aticn to those of the autonomie nervous system. Brit. med. Bull. 18, 185--188, 1957).

Acetylcholin- und Suecinylcholin-Wirkung auf Frosch-Muskelspindeln 455

for tbestehender , welcher u n m i t t e l b a r die receptorischen Eudorgane der

Spindeln erregt.

6. Die erregenden Wi rkungen beider Subs tanzen waren leicht er- schöpfbar ; sie l ießen sich teils übe rhaup t nicht, teils nu r wenige Male u n d for tschrei tend abnehmend , wiederholen. Spon tanak t iv i t ä t und Dehnungsempfindl ichkei t der Spindeln wurden auch im depressiven S t a d i u m der chemischen Wi rkung nicht oder nur wenig herabgesetzt.

7. Die Diskrepanz zwischen erschöpfbarer chemischer Akt iv ie rung u n d erhal tener adäqua te r (Dehnungs-) Reizung der receptorischen End- organe spricht gegen die Auffassung, daß bei der Über führung der mechanischen Reformat ion in sensorische Receptorerregungen der Spindeln ein humoraler , cholinart iger , t r a n s m i t t e r " eingeschaltet ist.

8. Beim Ka l tb lü t e r bestehen keine Hinweise für grundsätzl ich ver- schiedene Angrif fsmechanismen von ACh u n d SCh an den Muskelspindeln, wie sie nach früheren Un te r suchungen am Warmblü t e r angenommen wurden.

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Priv.-Dozenf Dr. H.-D. HE~ATSC~, Dr. F.-J. SCEVLTE, Göttingen, Physiotogisches Insti tut , Kirchweg 7