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ÜBERBLICK 2 Wirtschaftsinformatik 2.1 Zugänge zum Profil der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . 57 2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.5 Informationsquellen zur Wirtschaftsinformatik. . . . . . . . . 82 Zuammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Diskussionsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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Wirtschaftsinformatik

2.1 Zugänge zum Profil der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . 57

2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

2.5 Informationsquellen zur Wirtschaftsinformatik. . . . . . . . . 82Zuammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Diskussionsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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Wirtschaftsinformatik2

Lernziele

Nach der Lektüre dieses Kapitels werden Sie folgende Fragen beantworten können:

1. Was versteht man unter Wirtschaftsinformatik? Welche Disziplinen stehen in enger Beziehungzur Wirtschaftsinformatik?

2. Was sind die wesentlichen Bereiche, mit welchen sich die Wirtschaftsinformatik beschäftigt?

3. Wie hat sich die Wirtschaftsinformatik historisch entwickelt?

4. Wie lauten die Forschungsziele der Wirtschaftsinformatik?

5. Welche Forschungsparadigmen lassen sich identifizieren?

6. Welcher Forschungsmethoden bedient sich die Wirtschaftsinformatik?

7. Wie sieht das berufliche Aufgabenspektrum eines Wirtschaftsinformatikers/einer Wirtschafts-informatikerin aus? Welche Berufsbilder existieren?

8. Welche Perspektiven auf Unternehmen kann man einnehmen?

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2.1 Zugänge zum Profil der Wirtschaftsinformatik

Zugänge zum Profil der Wirtschaftsinformatik 2.1Informationssysteme umfassen menschliche undmaschinelle Komponenten, die Information erzeugenoder benutzen und die durch Kommunikationsbezie-hungen miteinander verbunden sind. Die Komponen-ten fungieren als Aufgabenträger, sind voneinanderabhängig und wirken zusammen. Entsprechend wer-den Informationssysteme als soziotechnische Sys-teme aufgefasst. Ihr korrektes Funktionieren erfordertbeträchtliche soziale, organisatorische, personelle undintellektuelle Investitionen. Beispielsweise schlägtsich die Tatsache, dass Technik zunehmend kosten-günstiger und zugleich leistungsfähiger wird, nichtautomatisch in einer gesteigerten Produktivität oder inhöheren Gewinnen nieder. Da sich Fragen, wie diestrategische Einbindung von Informationssystemen indas Unternehmen, das Design, die Umsetzung, dieNutzung und die Verwaltung von Informationssyste-men sowie ihre Auswirkungen auf Individuen, Grup-pen, Unternehmen, Branchen oder Wirtschaftsräumenicht allein mit technisch geprägten Wissenschafts-zugängen geeignet untersuchen lassen, beschäftigtsich die Wirtschaftsinformatik auch mit verhaltens-theoretischen Fragen (Kling und Dutton, 1982).

Die Wirtschaftsinformatik (WI) ist demzufolge eininterdisziplinäres Feld, das nicht von einer einzel-nen Theorie, Methode oder Perspektive dominiertwird. Vielmehr tragen so unterschiedliche Diszipli-nen wie die Informatik, die Betriebswirtschaftslehre,das Operations Research, die Soziologie, die Volks-wirtschaftslehre und die Psychologie mit ihren spe-zifischen Werkzeugen, Theorien und Methoden zumErkenntnisprozess der Wirtschaftsinformatik bei.

Einige Beispiele: Im Mittelpunkt einer wirtschafts-wissenschaftlich geprägten Sichtweise der Wirt-schaftsinformatik stehen die Erkenntnisobjekte Infor-mation und Kommunikation als wirtschaftliches Gut.Dabei werden zum Beispiel Fragen der Wirtschaft-lichkeit des Informationssystemeinsatzes diskutiertund Auswirkungen von Informationssystemen aufdie Kontroll-, Kosten- und Wertschöpfungsstrukturendes Unternehmens und ganzer Branchen untersucht.Mittels soziologischer Erkenntnisse untersucht dieWirtschaftsinformatik Informationssysteme im Hin-blick darauf, wie Abteilungen und Unternehmen dieSystementwicklung beeinflussen und wie Informa-tionssysteme sich auf den Einzelnen oder auf (Nutzer-)

Gruppen auswirken. Mittels Beiträgen aus der Psy-chologie ergründet die Wirtschaftsinformatik bei-spielsweise, wie Entscheidungsträger formale Datenwahrnehmen und verwenden.

Die Wirtschaftsinformatik vereint die theoretischeArbeit und die unterschiedlichen Zugänge vieler Dis-ziplinen mit der praktischen Ausrichtung auf System-lösungen für betriebliche Probleme. Im Wechselspielmit diesen Disziplinen beginnt die Wirtschaftsinfor-matik – etwa durch Konzepte wie die Datenverarbei-tungssicht – andere Disziplinen zu beeinflussen (Bas-kerville und Myers, 2002).

2.1.1 Profil der Wirtschaftsinformatik

Die Wirtschaftsinformatik lässt sich als Realwissen-schaft klassifizieren, da Phänomene der Wirklich-keit untersucht werden. Speziell befasst sie sich mitder Beschreibung, Erklärung, Gestaltung und Vor-hersage rechnergestützter Informationssysteme undderen Einsatz in Wirtschaft, Verwaltung und demunmittelbaren privaten Lebensumfeld.

Die Wirtschaftsinformatik ist ebenso eine Formal-wissenschaft, da die Beschreibung, Erklärung, Gestal-tung und Vorhersage von Informationssystemen derEntwicklung und Anwendung formaler Beschrei-bungsverfahren und Theorien bedürfen.

Darüber hinaus ist die Wirtschaftsinformatik eineIngenieurwissenschaft, da insbesondere die Gestal-tung von Informationssystemen eine Konstruktions-systematik verlangt.

Die Wirtschaftsinformatik strebt damit nach der(Weiter-)Entwicklung von Theorien zur Gewinnungintersubjektiv nachprüfbarer Erkenntnisse über Infor-mationssysteme und der Ergänzung des „Methoden-und Werkzeugkastens“ der Wissenschaften, die densoziotechnischen Erkenntnis- und Gestaltungsgegen-stand einer wissenschaftlichen Untersuchung zugäng-lich machen (WKWI und GI FB WI, 2011).

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Wirtschaftsinformatik | Wissenschaft, die sich mitder Beschreibung, Erklärung, Prognose und Gestaltungrechnergestützter Informationssysteme und deren Einsatzin Wirtschaft, Verwaltung und zunehmend dem unmittel-baren privaten Lebensumfeld befasst. Sie versteht sich alseigenständiges interdisziplinäres Fach im Wesentlichenzwischen Betriebswirtschaftslehre und Informatik.

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Wirtschaftsinformatik2

Die Wirtschaftsinformatik positioniert sich alsinterdisziplinäres Fach im Wesentlichen zwischender Betriebswirtschaftslehre und der Informatik(Mertens, 2002). Zu beobachten ist ein zunehmen-der Erkenntnisaustausch mit Technik-, Verhaltens-,Informations- und Kommunikationswissenschaften.

2.1.2 Bereiche der Wirtschafts-informatik in Theorie und (Ausbildungs-)Praxis

Bereiche, mit denen sich die Wirtschaftsinformatikin Theorie und (Ausbildungs-)Praxis beschäftigt,umfassen (u.a. WKWI, 1994)

betriebliche Anwendungs- und Informationssys-teme in verschiedenen Branchen (z.B. Industrie,Handel, Dienstleistung) mit innerbetrieblichem(z.B. Enterprise-Ressource-Planning-Systeme) undüberbetrieblichem Fokus (z.B. elektronische Markt-plätze), funktionsorientiert (z.B. Finanz- und Rech-nungswesen) oder prozessorientiert (z.B. Auftrags-abwicklung), auf allen hierarchischen Ebenen einesUnternehmens (z.B. Führungsinformationssystemefür das Topmanagement) einschließlich neuererFormen (z.B. Mobile Commerce sowie Konvergenzvon TV, Medien, Computer- und Kommunikations-technik). Von besonderer Bedeutung ist dabei diezunehmende Funktions- und Prozessintegration,wie sie beispielsweise in den Konzepten CustomerRelationship Management, Supply Chain Manage-ment, Life Cycle Management, Computer IntegratedManufacturing, Electronic Commerce und Electro-nic Business zum Ausdruck kommt

die Entwicklung (Konzeption, Planung, Imple-mentierung, Einführung) sowie die Wartung undden Betrieb vorbenannter Informationssystemeunter Nutzung der Prinzipien, Methoden, Verfah-ren und Werkzeuge des Software Engineeringund Projektmanagement unter Berücksichtigungökonomischer Rahmenbedingungen

die Modellierung, Automatisierung und Rationa-lisierung der Verarbeitung von Daten, Informa-tion und Wissen sowie deren Transformation

die zum Teil grundsätzlichen Fragen der Planung,Steuerung und Kontrolle der Selbst- oder Fremder-stellung von IT-Dienstleistungen sowie verbunde-ner Fragen der Auswahl, Anpassung und Einfüh-rung von Hardware, Software und IT-Services

die Konzeption und Einführung von Kommuni-kationssystemen vor dem Hintergrund inner- wieüberbetrieblich vernetzter Arbeitsplätze undUnternehmen

Verfahren zur Analyse des Nutzen und der Wirt-schaftlichkeit des IT-Einsatzes

theoretische und technische Grundlagen vonAnwendungssystemen/Informationssystemen

Aufgaben des Informationsmanagements als Füh-rungsaufgabe für die Informationsverarbeitungs-funktion des Unternehmens als Ganzes, einschließ-lich der Auseinandersetzung mit Aspekten derStrategie, der Aufbau- und Ablauforganisation, derSicherstellung des Funktionierens der Systemesowie des Controlling der Informationsverarbei-tung(sabteilungen)

die zunehmende informationstechnische Vernet-zung und die damit entstehende Daten-, Kommu-nikations- und Anwendungsinfrastruktur eigenerQualität (vgl. dazu die Diskussion zu den BegriffenUbiquitous Computing und Internet der Dinge inAbschnitt 5.4) einschließlich der Auseinanderset-zung mit Phänomenen der informationstechni-schen Vernetzung des privaten Lebensraumes (z.B.„das intelligente Haus“, soziale Software, Peer-to-Peer-Gemeinschaften). Eine Ausweitung des Fokusder Wirtschaftsinformatik, neben Informationssys-temen in Wirtschaft und Verwaltung, in Richtung„privatem Lebensumfeld“, wurde in der Aktualisie-rung des „Profils der Wirtschaftsinformatik“ (sieheoben) 2011 festgehalten. Einen Überblick überdenkbare Strömungen in Theorie und Praxis unterdem Stichwort „Digital Life“ liefert Hess et al.(2014).

2.1.3 Aufgabenspektrum und Berufsfelder

Aufgabenspektrum

Das Aufgabenspektrum eines Wirtschaftsinforma-tikers umfasst laut Bundesagentur für Arbeit (Bun-desagentur, 2007):

Entwurf und Einführung betrieblicher Anwen-dungs- und Kommunikationssysteme

Fortentwicklung und Einführung von Organisa-tionskonzepten

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2.1 Zugänge zum Profil der Wirtschaftsinformatik

Entwicklung, Anpassung und Einführung vonAnwendungs- und Kommunikationssystemen (be-sonders für betriebswirtschaftliche Problemstel-lungen)

Durchführung theoretischer und angewandter For-schung zur Anwendung der Informationstechnolo-gie (IT)

Ausarbeitung neuer Methoden und Verfahren zurEntwicklung von Informationssystemen (IS)

Vertrieb von Hard- und Softwareprodukten undAnwenderunterstützung bei der Produktplanung

Produktimplementierung sowie Produkteinsatz Gestaltung und Durchführung von Schulungen

für die Benutzung betrieblicher Informationssys-teme. Dies beinhaltet auch Aus- und Weiterbil-dungsmaßnahmen für Hersteller, Anwender undprivate oder öffentliche Bildungseinrichtungen

Wahrnehmen von Führungsaufgaben für IT-Abteilungen, Fachabteilungen, Projekte oder fürIT-Unternehmen und Beratungsfirmen

Die Berufsbezeichnungen für die oben genanntenAufgaben werden von Unternehmen unterschiedlichgehandhabt. Eine Analyse von Stellenanzeigen zeigt,dass die Aufgaben eines Wirtschaftsinformatikersunter Bezeichnungen wie IT-Consultant, IT-Projekt-manager, Software Engineer, Security Engineer, Sys-tem Analyst oder Software Architect zusammenge-fasst werden (Chamoni, 2009).

Berufsfelder

Die Berufsfelder in der Wirtschaftsinformatik las-sen sich in drei Gruppen aufteilen: IT-Kernberufe,IT-Mischberufe und IT-Randberufe (Dostal, 1999).

Klassifikation von IT-Berufen

In die Klasse der IT-Kernberufe fallen Tätigkeiten,die primär von IT-Spezialisten und Systemanaly-tikern durchgeführt werden. Diese haben die Auf-gabe, Hard- und Softwaresysteme zu planen, zu ent-wickeln, zu dokumentieren und einzuführen sowiedie Auswirkung auf die Aufbau- und Ablauforgani-sation zu erfassen. Dies beinhaltet die Unterstüt-zung bei Problemen sowie gegebenenfalls Modifika-tionen oder Neuentwicklungen von Planungen.Beispiele für Berufsbezeichnungen aus dem Bereich

der IT-Kernberufe sind: Network Operator, Applica-tion/Web Developer, System Analyst, Softwareent-wickler, Software Architect oder Systems Engineer.

In der Klasse der IT-Randberufe steht die Benut-zung fertiger Anwendungsprogramme im Vorder-grund, die den Mitarbeitern etwa in Schulungenvermittelt wurde (Abts, 2002).

Zwischen den beiden zuvor genannten Klassensind die IT-Mischberufe einzuordnen. Arbeitneh-mer dieser Klasse werden häufig als Hybrid-Fach-leute bezeichnet, da sie aufgrund ihrer Ausbildungin der Lage sein müssen, Aspekte der Kern- sowieder Randberufe zu berücksichtigen. Dabei kommtdem Beschäftigten in der Regel eine koordinierendeFunktion zwischen der Seite der IT-Spezialistenund der Anwendungsseite zu. Häufig stehen Bera-tungs- und Organisationsleistungen im Vordergrundder IT-Mischberufe (Abts, 2002). Beispiele fürBerufsbezeichnungen im Bereich der IT-Misch-berufe sind: IT-Berater, Inhouse Consultant, IT-Pro-jektmanager oder IT-Controller.

Die Bedarfsentwicklung der IT-Kern-, IT-Rand- undIT-Mischberufe im Feld aller Stellenangebote zeigt,dass diese langjährig einen Zuwachs verzeichnen,während Tätigkeiten ohne computerbezogene Quali-fikation deutlich abnehmen.

Einsatzgebiete

Wirtschaftsinformatiker können vielseitig in allenUnternehmensbereichen und Branchen eingesetztwerden, in denen ein hoher IT-Bezug gegeben ist. All-gemein können zwei Einsatzgebiete unterschiedenwerden. Zum einen ist ein Einsatz innerhalb der IT-Abteilung eines Unternehmens möglich. Dies bein-haltet Tätigkeiten der Systementwicklung oderSystemanalyse, Benutzerberatung, IT-Controlling undIT-Organisation. Zum anderen ist ein Einsatz außer-halb der IT-Abteilung an verschiedenen Schnitt-stellen möglich. Hierbei handelt es sich primär umbetriebswirtschaftlich orientierte Fachabteilungenmit ausgeprägtem IT-Bezug, wie beispielsweise Con-trolling, Logistik, Beschaffung, Vertrieb und Marke-ting (Mertens und Knolmayer, 1998; Padtberg, 2005).Branchenbeschränkungen gibt es praktisch keine.Ohnehin ist zu erwarten, dass im Zuge der fachlichenund persönlichen Karriere in einem Unternehmenbranchenspezifische Kenntnisse aufgebaut und einge-bracht werden (müssen). Neben den vorgenannten

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Wirtschaftsinformatik2

Einsatzgebieten sind Wirtschaftsinformatiker häufigals Gründer tätig bzw. unmittelbar an der Gründungjunger Unternehmen (Start-ups) beteiligt (Entre-preneurship). Grund dafür ist, dass der Einsatz vonInformationssystemen häufig Produkt- oder Prozess-innovationen eröffnet, die in manchen Fällen zuGeschäftsmodellinnovationen führen. Beispielsweisehat der Bereich „Electronic Commerce“ in den letztenJahren viele Unternehmer und neue Unternehmenhervorgebracht.

Qualifikation

Bei der Analyse von Stellenanzeigen sowie aus Dar-stellungen der Unternehmenspraxis fällt auf, dassneben verschiedenen fachlichen Qualifikationenvorrangig personengebundene Qualifikationen (soge-nannte Soft Skills) gefordert werden, so etwa Eigen-schaften wie Kommunikationsfähigkeit, Eigeninitia-tive, Verantwortungsbewusstsein, Leistungsfähigkeit,Flexibilität, Kreativität, soziale Kompetenz, Team-fähigkeit und hohe Belastbarkeit. Sehr häufig werdenzusätzlich Sprachkenntnisse in Englisch und ande-ren europäischen, unter Umständen auch osteuro-päischen Sprachen gefordert (Bundesagentur, 2007;Hohn, 2007).

Zusätzlich existieren tätigkeitsbezogene Anforde-rungen. Diese beinhalten unternehmerisches Den-ken und Handeln, Kundenorientierung sowie dieFähigkeit, Probleme zu lösen und Entscheidungenzu treffen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dassdie Anforderungen in der Regel unternehmens-spezifisch formuliert werden und sich an der jewei-ligen Unternehmenskultur orientieren. Aufgrundvon Innovationen im informations- und kommuni-kationstechnischen Bereich sowie veränderlichenberuflichen Umfeldern, in dem sich permanentneue Aufgaben und Tätigkeitsfelder entwickeln, istlebenslanges Lernen die Voraussetzung für einerfolgreiches Berufsleben.

Wirtschaftsinformatiker verfügen über die amArbeitsmarkt häufig gesuchte Misch- oder Doppel-qualifikation aus den Bereichen Betriebswirtschaftund Informatik. Wirtschaftsinformatiker könnensomit breit in verschiedenen Unternehmensberei-chen und Branchen eingesetzt werden. Sie überneh-men häufig eine „Übersetzungsfunktion“ zwischen

betriebswirtschaftlicher Sprach- und Gedankenweltauf der einen sowie einer technisch verankertenSystem- oder Artefaktwelt auf der anderen Seite. DieAbdeckung des breiten fachlichen Aufgabenspek-trums und die interdisziplinäre Ausrichtung sichernden qualifizierten Absolventen der Wirtschaftsinfor-matik langfristig attraktive Stellen auf dem (IT-)Arbeitsmarkt.

Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik 2.2Dieser Abschnitt gibt Auskunft über die wesent-lichen Aspekte wissenschaftlicher Erkenntnis in derWirtschaftsinformatik. Neben dem schon dargeleg-ten Profil der Wirtschaftsinformatik wird darüberhinaus ein Einblick in die Forschungsziele und For-schungsmethoden gegeben (siehe insbesondereBraun, Hafner und Wortmann, 2004).

Viele der hier anzusprechenden Punkte werdenSie sich vermutlich erst in einer späteren Studien-phase in Erinnerung rufen oder wenn Sie die einoder andere zitierte Originalquelle zur Vertiefungzu Rate ziehen. Den Verfassern ist es ein Anliegen,trotz oder ob des einführenden Charakters des vor-liegenden Buchs zur Wirtschaftsinformatik dieseInhalte bereits sehr früh zu vermitteln.

Das Gestaltungsziel der Wirtschaftsinformatikdrückt sich darin aus, dass die Forschung auf die Ent-wicklung und Evaluation innovativer Systeme sowiedie Gestaltung korrespondierender organisatorischerKontexte gerichtet ist. Beispiele für entsprechendeForschungsresultate sind Software-Prototypen, kon-zeptuelle (Referenz-)Modelle und Bezugsrahmen,Modellierungssprachen, Methoden sowie ergänzendkorrespondierende Entwürfe des jeweils relevantenHandlungskontextes, so etwa neue Formen interorga-nisationaler Kooperation, neue Geschäftsmodelle oderinnovative Formen der Gestaltung von Geschäftspro-zessen (vgl. Frank, 2012).

Typischerweise spricht man hierbei von einemkonstruktionsorientierten bzw. gestaltungsorientier-ten Forschungsansatz (Österle et al., 2010; Becker etal., 2008). Ein ähnlich ausgerichteter Ansatz wirdvon Vertretern der Information-Systems-Disziplin

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2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik

unter dem Etikett „Design Science“ propagiert (Hev-ner et al., 2004; zu Fortentwicklungen siehe Gregorund Jones, 2007; Peffers et al., 2008; für eine aus-führliche Darstellung und Kritik siehe Zelewski,2007). In der gestaltungsorientierten Wirtschafts-informatik hat sich die Dimension Nützlichkeit dererarbeiteten Lösungen/Artefakte relevanter Prob-leme als allgemein akzeptiertes Relevanzmaß etab-liert (Winter und Baskerville, 2010).

Die konstruktionsorientierten bzw. gestaltungs-orientierten Forschungsansätze unterscheiden sichdamit grundsätzlich von verhaltensorientiertenAnsätzen (der Wirtschaftsinformatik), deren Zieledie Ermittlung und Validierung kausaler, erklären-der und/oder vorhersagender Beziehungen zwi-schen existierenden IS-Phänomenen sind (Winterund Baskerville, 2010). Die Wirtschaftsinformatikist hinsichtlich der benannten Ansätze pluralistischaufgestellt.

2.2.1 Forschungsziele der Wirtschaftsinformatik

Aus dem dargestellten Profil der Wirtschaftsinfor-matik lassen sich in Bezug auf die Objekte der Wirt-schaftsinformatik (Informationssysteme und derenUmfeld) zwei Forschungsziele ableiten (vgl. Beckeret al., 2001, 2003):

Erkenntnisziel: das Verstehen gegebener Sach-verhalte

Gestaltungsziel: Gestaltung bzw. Veränderungbestehender Sachverhalte

Die inhaltlichen Schwerpunkte lassen sich anhandeines methodischen und eines inhaltlich-funktiona-len Auftrages jeweilig differenzieren.

Methodischer Auftrag: Der methodische Auftragumfasst das Verstehen und Entwickeln vonMethoden und Techniken zur Beschreibung, Ent-wicklung, Einführung und Nutzung von Informa-tionssystemen

Inhaltlich-funktionaler Auftrag: Der inhaltlich-funktionale Auftrag beschäftigt sich mit dem Ver-ständnis und der Gestaltung von Informations-systemen

Dabei sind die Gestaltung und der Betrieb von Infor-mationssystemen in Organisationen kein Selbstzweck.Für erwerbswirtschaftlich orientierte Unternehmengibt es zahlreiche, ökonomisch legitimierte Ziele,wie die Erhöhung der Produktivität, Verbesserung derQualität von Leistungen des Unternehmens, Verringe-rung von Durchlaufzeiten von Vorgängen, Ausschöp-fung von Kostensenkungspotenzialen, Entwicklungund Markteinführung neuer Produkte und Dienstleis-tungen. Die sich dabei aufspannenden Zielsystemewerden durch die Wirtschaftsinformatik nicht verän-dert. Die Rolle der Forschung in der Wirtschaftsinfor-matik ist es dazu beizutragen, dass diese Ziele (bes-ser) erreicht werden können.

Ziele der Wissenschaftsdisziplin Wirtschaftsinfor-matik sind nach (WKWI und GI FB WI, 2011)

A die (Weiter-)Entwicklung von Theorien, Metho-den und Werkzeugen zur Gewinnung intersub-jektiv überprüfbarer Erkenntnisse über IS,

B die gestaltungsorientierte Konstruktion von ISsowie die dafür notwendige (Weiter-)Entwick-lung von Konzepten, Vorgehensweisen, Model-len, Methoden, Werkzeugen und (Modellie-rungs-)Sprachen,

C die Erzielung eines realwissenschaftlichen Ver-ständnisses von Einsatz, Akzeptanz, Manage-ment und Beherrschbarkeit von IS sowie vonihren jeweiligen Systemelementen, etwa imHinblick auf das Verhalten von Menschen inund mit diesen Systemen als Aufgabenträgeroder Anwender,

D die primär wirtschaftswissenschaftlich fun-dierte Bewertung von Risiko-, Nutzen-, undWirtschaftlichkeitsdimensionen bei Gestaltungund Einsatz von IS, der durch sie verändertenWertschöpfungsprozesse sowie der damit ver-bundenen strategischen und organisatorischenAuswirkungen auf Individuen, Gruppen, Unter-nehmen, Branchen und Wirtschaftsräume, und

E die Prognose technischer und nichttechnischerEntwicklungen und Auswirkungen des Einsat-zes von IS.

Es lassen sich folgende übergeordnete Forschungs-paradigmen identifizieren, an welchen sich kon-krete Ausgestaltungen der in Tabelle 2.1 benann-ten Forschungsziele ausrichten können.

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Wirtschaftsinformatik2

Automation

Ziel der Automation ist, bei Leistungserstellungs-prozessen weitestgehend auf menschliche Interven-tion zu verzichten. Da Automation unter realen undökonomischen Nebenbedingungen zu sehen ist, istes nicht immer sinnvoll, alles zu automatisieren,sondern dem Primat einer „sinnhaften Vollautoma-tion“ (Mertens, 1995) zu folgen. Eine weitere Pers-pektive ist hierbei zu überlegen, wie die zweckmä-ßigste Arbeitsteilung („optimaler Automationsgrad“)zwischen Mensch und Computer erreicht werdenkann (Mertens & Barbian 2013).

Unterstützung

Dort, wo Automation nicht möglich oder sinnvoll ist,lässt sich als normatives Ziel die Unterstützungsetzen. Unstrukturierte Aufgaben, Aufgaben unterunvollständiger Information oder nicht hinreichenderBeschreibung oder Beschreibbarkeit lassen sich nureingeschränkt, wenn überhaupt digital repräsentieren(z.B. kognitive Vorgänge im Kontext von Entschei-dungsfindung bei Experten, menschliche Faktoren beiTeamarbeit, Bewertungsfragen in komplexen, neuarti-gen Situationen). Informationssysteme unterstützenden Menschen in seiner (Problemlösungs-)Tätigkeitund den damit einhergehenden Kommunikations-prozessen. Wesentlich dabei ist die Verringerung desVerrichtungsaufwandes, also des zeitlichen Aufwan-des, einen Prozessschritt zu vollziehen oder zu koor-dinieren.

Integration

Bei der Integration geht es im Wesentlichen um dieVerringerung von Kommunikationsaufwand. Charak-teristisch für Integration ist allgemein formuliert dieSchaffung eines (neuen) Ganzen aus (ehemals) iso-lierten Elementen. Die Wirtschaftsinformatik kenntzahlreiche Integrationsdimensionen, beispielsweiseFunktionsintegration, Datenintegration, Systeminteg-ration, Methodenintegration. Teil III des vorliegen-den Buches befasst sich eingehend mit integrierterInformationsverarbeitung.

Befähigung

Ein weiteres Ziel der Wirtschaftsinformatik ist dieBefähigung (enabling) von Menschen oder Syste-men, Dinge zu realisieren, die „ohne IT-Einsatz“nicht möglich sind, etwa weil die Kosten für eineUmsetzung bislang prohibitiv oder eine kritischeMenge an Systemelementen oder (vernetzten) Men-schen nicht vorhanden ist. Populäre Beispiele sindetwa große, elektronisch vermittelte soziale Netz-werke, wie Twitter oder Facebook.

Vollvirtualisierung

In der jüngeren Diskussion wird auch die „Voll-virtualisierung“ (insbesondere von Unternehmens-prozessen) thematisiert. Vollvirtualisierung strebtdie vollständige Abbildung realweltlicher Struktu-ren auf Informations- und Kommunikationssystemean, wodurch sukzessive deren materiell erfahrbarerAnteil durch die Virtualisierung substituiert undergänzt wird.

Tabelle 2.1

Ziele der Wirtschaftsinformatik (in Anlehnung an Becker et al., 2001, Seite 11)

Erkenntnisziel Gestaltungsziel

Methodischer Auftrag Verständnis von Methoden und Techniken der Informationssystemgestaltung

Entwicklung von Methoden und Techniken der Informationssystemgestaltung

Inhaltlich-funktionaler Auftrag Verständnis von Informationssystemen und ihren Anwendungsbereichen

Entwicklung innovativer Systeme einschließ-lich Bereitsstellung von (Referenz-)Modellen sowie Gestaltung korrespondierender organi-satorischer Kontexte

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2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik

2.2.2 Forschungsmethoden der Wirtschaftsinformatik

Wirtschaftsinformatiker verwenden, wie oben ausge-führt, Methoden und Werkzeuge aus den Real-, For-mal- und Ingenieurwissenschaften und entwickelndiese zum Teil weiter. Bei der Auswahl und derKombination der Methoden und Werkzeuge stehennicht nur Fragen der technischen Wirksamkeit, son-

dern insbesondere auch ökonomische und sozialeAspekte im Vordergrund.

Die folgende Tabelle 2.2 vermittelt einen Eindruckvon der Breite der eingesetzten Forschungsmetho-den in der Wirtschaftsinformatik (vgl. ausführlicherdie aktuellen Überblicksdarstellungen auf ISWORLDzu quantitativen (Straub, Gefen und Boudreau, 2008)und qualitativen (Myers, 1997) Forschungsmetho-den).

Tabelle 2.2

Methodenspektrum dier Wirtschaftsinformatik

Methode Beschreibung

Formal-konzeptio-nelle und argumen-tativ-deduktive Analyse

Logisch-deduktives Schließen kann als Forschungsmethode auf verschiedenen Formalisierungs-stufen stattfinden: entweder im Rahmen mathematisch-formaler Modelle, in semi-formalen Modellen (konzeptionell, z.B. Petri-Netze) oder rein sprachlich (argumentativ, z.B. die nicht formale Prinzipal-Agenten-Theorie). Diese drei Varianten werden im Folgenden als drei separate Methoden behandelt.

Simulation Die Simulation bildet das Verhalten des zu untersuchenden Systems formal in einem Modell ab und stellt Umweltzustände durch bestimmte Belegungen der Modellparameter nach. Sowohl durch die Modellkonstruktion als auch durch die Beobachtung der endogenen Modellgrößen lassen sich Erkenntnisse gewinnen.

Referenz-modellierung

Die Referenzmodellierung erstellt induktiv (ausgehend von Beobachtungen) oder deduktiv (bei-spielsweise aus Theorien oder Modellen) meist vereinfachte und optimierte Abbildungen (Idealkon-zepte) von Systemen, um so bestehende Erkenntnisse zu vertiefen und daraus Gestaltungsvorlagen zu generieren (Thomas, 2006).

Aktionsforschung Im Gegensatz zu anderen Methoden fungiert der Forscher in der Aktionsforschung nicht nur als Beobachter, sondern führt aktiv Veränderungsprozesse herbei und untersucht diese. Der Forschungs-prozess ist dabei ein gemeinschaftliches Unterfangen, das die Kooperation von Forschern und Mit-arbeitern der untersuchten Organisation erfordert, um erfolgreich zu sein. Im Kern liegt dem Ansatz ein iterativer Zyklus zugrunde, der Änderungsprozesse zur Behebung von Problemen in Gang setzt und Schlüsse aus Verlauf und Erfolg zieht.

Prototyping Es wird eine Vorabversion eines Anwendungssystems entwickelt und evaluiert. Beide Schritte kön-nen neue Erkenntnisse generieren.

Ethnografie Die Ethnografie generiert Erkenntnisse durch partizipierende Beobachtung. Der Unterschied zur Fallstudie liegt in dem sehr hohen Umfang, in dem sich der Forscher in das untersuchte soziale Umfeld integriert.

Fallstudie Die Fallstudie untersucht in der Regel komplexe, schwer abgrenzbare Phänomene in ihrem natür-lichen Kontext. Sie stellt eine spezielle Form der qualitativ-empirischen Methodik dar, die wenige Merkmalsträger intensiv untersucht. Es steht entweder die möglichst objektive Untersuchung von Thesen (verhaltenswissenschaftlicher Zugang) oder die Interpretation von Verhaltensmustern als Phänotypen der von den Probanden konstruierten Realitäten (konstruktionsorientierter Zugang) im Mittelpunkt.

Grounded Theory Die Grounded Theory („gegenstandsverankerte Theoriebildung“) zielt auf die induktive Gewinnung neuer Theorien durch intensive Beobachtung des Untersuchungsgegenstandes im Feld. Die ver-schiedenen Vorgehensweisen zu Codierung und Auswertung der vorwiegend qualitativen Daten sind exakt spezifiziert.

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Wirtschaftsinformatik2

Die Wirtschaftsinformatik hat im internationalen wis-senschaftlichen Umfeld in der nordamerikanischenDisziplin Information Systems (IS) ihr Gegenstück.Gemeinsam ist beiden Disziplinen der zentrale Unter-suchungsgegenstand, nämlich die Betrachtung vonInformationssystemen im betrieblichen oder organisa-tionalen Kontext (WKWI, 1994; WKWI und GI FB WI,2011; King und Lyytinen, 2004). Beide Disziplinenunterscheiden sich in den akzeptierten und angewen-deten Forschungsmethoden. Beispielsweise lässt sichim Vergleich mit den nordamerikanischen Forscher-kollegen ein relativ engerer Austausch von WI-For-schern mit der betrieblichen Praxis im deutschspra-chigen Raum konstatieren (Buhl et al., 2012).

Obgleich in vielen amerikanisch verankerten wis-senschaftlichen Journalen eine gewisse Öffnung inRichtung sogenannter Design-Science-Ansätze zuvermerken ist, lässt sich eine Präferenz empirischer,behavioristischer Forschung in der nordamerikani-schen IS konstatieren. Dort herrscht ein quantitati-ver empirischer Forschungsansatz vor (Frank et al.,2012). In der Wirtschaftsinformatik im deutschspra-chigen Bereich findet sich eine deutlichere Beto-nung der konstruktiven Forschung (Schauer undFrank, 2007). Jüngere, selbstkritische Diskussionender amerikanischen IS-Community erkennen die fak-

tische Verengung auf behavioristischer Forschungdurchaus als Defizit (Palvia, Mao und Midha, 2004;Galletta, 2007; Al-Natour, Benbasat und Saunders,2007). Einige führende wissenschaftliche Journaleangloamerikanischen Ursprungs, so etwa das Manage-ment Information Systems Quarterly, streben künftigdie Berücksichtigung eines größeren Methodenspek-trums an.

Geschichte der Wirtschaftsinformatik 2.3Die nachfolgende an Institutionen ausgerichtete Dar-stellung unternimmt einen kurzen Streifzug durchdie Historie der jungen Geschichte des Fachs Wirt-schaftsinformatik im deutschsprachigen Raum seitden 1950er-Jahren.

Das Fach Wirtschaftsinformatik (WI) blickt aufeine über 60-jährige Geschichte zurück. Die Entwick-lung von den Anfängen bis heute lässt sich grob invier Phasen unterteilen (nachfolgende Passagen sindin enger Anlehnung an Schauer, 2007, siehe auchStahlknecht und Hasenkamp, 2005; einen umfassen-den Überblick gibt Heinrich 2012):

Qualitative/Quantita-tive Querschnitts-analyse

Diese beiden Methoden fassen Erhebungstechniken wie Fragebögen, Interviews, Delphi-Methode, Inhaltsanalysen zu zwei Aggregaten zusammen. Sie umfassen eine einmalige Erhebung über mehrere Individuen hinweg, die anschließend quantitativ oder qualitativ codiert und ausgewertet wird. Ergebnis ist ein Querschnittsbild über die Stichprobenteilnehmer hinweg, welches üblicher-weise Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zulässt.

Labor-/Feldexperi-ment

Das Experiment untersucht Kausalzusammenhänge in kontrollierter Umgebung, indem eine Experimentalvariable auf wiederholbare Weise manipuliert und die Wirkung der Manipulation gemessen wird. Der Untersuchungsgegenstand wird entweder in seiner natürlichen Umgebung (im „Feld“) oder in künstlicher Umgebung (im „Labor“) untersucht, wodurch die Möglichkeiten der Umgebungskontrolle wesentlich beeinflusst werden.

Analyse sozialer Netzwerke (Social Network Analysis)

Die Analyse sozialer Netzwerke umfasst Methoden und Techniken, um soziale Strukturen zwischen menschlichen Akteuren oder deren Artefakte aufzudecken und Rückschlüsse über die Funktion und Qualität der entsprechenden Netzwerke zu erlangen. Neben den Akteuren selbst (Individuen, Grup-pen, Organisationen) stehen ihre Interaktionen im Mittelpunkt.

Quelle: In enger Anlehnung an Schreiner, Hess und Benlian, 2015.

Methodenspektrum dier Wirtschaftsinformatik (Forts.)

Methode Beschreibung

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2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik

1950–1970: Technologische Entwicklung als Grundlage

Die Entwicklung von Großrechnern erlaubt diemaschinelle Datenverarbeitung. Anfänglich werdenRechner nur in der Forschung und in Verwaltungs-projekten eingesetzt. Der Begriff Elektronische Daten-verarbeitung (EDV) wird geprägt. In Deutschland undin der Schweiz wird je eine Forschungsinstitutiongegründet, die sich dem Thema der Anwendung derEDV im Unternehmen widmet.

1970–1980: Erste Ansätze zur Institutionalisierung des Fachs

Die ersten Lehrstühle für Betriebsinformatik werdeneingerichtet und eine wissenschaftliche Kommissionfür das Fach gegründet. In Teilen besteht noch Unei-nigkeit bezüglich des Fachbezeichners; gängig sinddie Begriffe „Betriebsinformatik“, „EDV“, und „Wirt-schaftsinformatik“.

1980–1990: Zunehmende Etablierung des Fachs

Es werden mehrere Lehrstühle „Wirtschaftsinforma-tik“ neu gegründet bzw. umgewidmet. Wirtschafts-informatik wird als Studienfach angeboten. ErsteStudienplanempfehlungen werden erarbeitet undveröffentlicht.

1990–heute: Wirtschaftsinformatik als eigenständige Disziplin

Es werden verschiedene Zeitschriften unter vor-wiegend deutschsprachiger Herausgeberschaft zurVeröffentlichung von Forschungsergebnissen ausder Wirtschaftsinformatik herausgegeben. Regelmä-ßig finden wissenschaftliche Konferenzen für diegesamte Disziplin statt. Zudem werden weitere Stu-dienplanempfehlungen für Wirtschaftsinformatik-Studiengänge erarbeitet und veröffentlicht. Wirt-schaftsinformatik-Vertreter engagieren sich zuneh-mend im internationalen Forschungsumfeld.

Entsprechend dieser vier Phasen wird die histori-sche Entwicklung des Fachs bzw. der DisziplinWirtschaftsinformatik im Weiteren dargestellt (aus-führlicher: Schauer, 2007; Heinrich, 2012).

1950–1970: Technologische Entwicklung als Grundlage

Die technologischen Entwicklungen seit den 1950er-und 1960er-Jahren schaffen die notwendigen Grund-lagen für die Anwendung (integrierter) Informations-systeme in Unternehmen: Während bereits in den1940er-Jahren Rechenanlagen für Forschungszweckeentwickelt wurden, sind erst seit 1950 Großrechnerim Markt erhältlich, die für die Verarbeitung betrieb-licher Daten geeignet sind. Ab Mitte der 1950er-Jahrewird damit begonnen, die elektronische Datenver-arbeitung (EDV) in Unternehmen einzusetzen. Pri-mär vermitteln die Unternehmen selbst die erforder-lichen EDV-Kenntnisse. Inhaber betriebswirtschaft-licher Lehrstühle greifen vereinzelt EDV in ihremLehrprogramm auf – K.F. Bussmann in Darmstadtbzw. München, E. Grochla in Mannheim bzw. Köln,B. Hartmann und K. Mellerowicz an der TechnischenUniversität Berlin, E. Kosiol an der Freien Univer-sität Berlin, E. Billeter an der Universität Fribourg(Heinrich, Heinzl und Roithmayr, 2007). 1958 wirddas Institut für Automation und Operations Researchan der Universität Fribourg, Schweiz, gegründet,welches als erste Hochschulinstitution die „Integ-ration von Informatik-Lehrveranstaltungen in dasStudium der Betriebswirtschaftslehre“ anstrebt. Dieerste Ausgabe der Zeitschrift elektronische datenver-arbeitung erscheint 1959 mit dem Untertitel „Fach-berichte über programmgesteuerte Maschinen undihre Anwendung“. Der erste Beitrag, geschriebenvom Initiator H.-K. Schuff, der 1957 mit der mbp inDortmund das „erste Softwarehaus Deutschlands“(Görke, 2000, S. 32) gründet, gibt einen Überblicküber den aktuellen Stand der Entwicklung elektroni-scher Rechenanlagen in Europa und den USA; dabeiwird der Frage der Wirtschaftlichkeit der Rechen-maschinen zur Erledigung kaufmännischer Aufgabenbesondere Beachtung geschenkt (Schuff, 1959). Eben-falls aus einer bewussten Management-Perspektive istein weiterer Artikel dieser Ausgabe geschrieben: Der

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Wirtschaftsinformatik2

Autor, J. Diebold, berichtet von ernüchternden Erfah-rungen in den USA bezüglich des wirtschaftlichenEinsatzes von Rechenanlagen in Unternehmen. Erbetont vor allem die Notwendigkeit, dass dasManagement geeignete organisatorische Anpassun-gen und Planungen vornehmen müsse, damitRechenanlagen zur sinnvollen Automation und Effi-zienzsteigerung beitragen können (Diebold, 1959).Wenige Jahre später (1963) wird in Köln auf Initiativevon E. Grochla, damals Lehrstuhl für AllgemeineBetriebswirtschaftslehre und Organisationslehre, dasBetriebswirtschaftliche Institut für Organisation undAutomation (BIFOA) ins Leben gerufen. Es zielt dar-auf, die „Forschung und Entwicklung im Bereich derComputeranwendung in Wirtschaft und Verwaltungzu fördern“ (Grochla, 1969, und Grochla, 1974, S. 1).Forschungstätigkeiten umfassen anfangs Studien-kreise, später Forschungsprogramme (Fachtagungen,Symposien, Workshops), wobei auf eine engeZusammenarbeit mit der Praxis Wert gelegt wird(BIFOA, 2009). Finanziert wird das Institut durchden Förderverein BIFOA und öffentliche Projektför-dermittel (Grochla, 1974). Zum Institut gehören einbetriebswirtschaftlich ausgerichteter Lehrstuhl undein informatiknaher Lehrstuhl. Die Zeitschrift „HMD– Handbuch der maschinellen Datenverarbeitung“wird als Loseblattsammlung erstmals 1964 herausge-geben und beschäftigt sich mit der Organisation derelektronischen Datenverarbeitung im Unternehmen(Heilmann, 2004).

Während auf der Ebene der technologischen Ent-wicklung 1964 der erste IBM-Computer mit aus-tauschbarer Software und Peripheriegeräten (IBM,2009) produziert wird und erste Ansätze für die Ver-netzung von Rechnern erforscht werden (ARPANET,Leiner et al., 2003), hat die EDV noch keinen syste-matischen Eingang in die Hochschullehre (und For-schung) gefunden. Gleichzeitig werden EDV-Kennt-nisse in Stellenanzeigen explizit gefordert (Mertensund Wedekind, 1982). Mangels geeigneter Bewerbervermitteln in den 1960er-Jahren die Unternehmenselbst den Hochschulabsolventen EDV-Kenntnisse(Mertens und Wedekind, 1982). Ab der zweitenHälfte der 1960er-Jahre findet das Thema EDV imHochschulkontext eine breitere Resonanz: 1966wird die erste dediziert EDV-orientierte Habilita-tionsschrift von Mertens veröffentlicht; in den Jah-ren 1968 und 1970 werden erste Lehrstühle mit

EDV-Ausrichtung eingerichtet (Mertens und Wede-kind, 1982). In der Zeitschrift elektronische daten-verarbeitung, Ausgabe 11 aus dem Jahre 1969 plä-diert E. Grochla ausführlich für eine Betriebs- undWirtschaftsinformatik als notwendige Ergänzungeiner allgemeinen Informatik und unterbreitet damitVorschläge zur Verbesserung der akademischen Aus-bildung auf dem Gebiet der automatisierten Daten-verarbeitung (Grochla, 1969; Szyperski, 1968).

1970–1980: Erste Ansätze zur Institutionalisierung des Fachs

Die Firma SAP („Systemanalyse und Programment-wicklung“) wird 1972 durch fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter gegründet. Sie verfolgen die „Vision derEntwicklung von Standardanwendungssoftware fürdie Echtzeitverarbeitung (‚Real Time‘)“ (SAP, 2009).Zur gleichen Zeit entstehen neben ARPANET wei-tere isolierte Computernetzwerke, z.B. Usenet (Lei-ner et al., 2003). Vor diesem Hintergrund entwickelnsich Anfang der 1970er-Jahre erste Ansätze, um dasFach „Betriebsinformatik“ an Universitäten zu etab-lieren: Im Kontext des überregionalen Forschungs-programms Informatik der Bundesregierung werdenzwei Lehrstühle für „Betriebsinformatik“ geschaf-fen, was jedoch im Verhältnis zu 50 neu geschaffe-nen Informatik-Lehrstühlen eher gering erscheint(Mertens und Wedekind, 1982). Mit der Gründungder Wissenschaftlichen Kommission Betriebsinfor-matik (WKBI) im Verband der Hochschullehrer fürBetriebswirtschaft e.V. (1975) und des Fachaus-schusses Betriebliche Anwendungen der Datenver-arbeitung in der Gesellschaft für Informatik (1978)wird das neue Fach sowohl innerhalb der Betriebs-wirtschaftslehre als auch der Informatik auf Ver-bandsebene institutionalisiert (z.B. Mertens et al.,2002). Unter Mitwirkung der Gesellschaft für Infor-matik (GI) und der WKBI werden erste Fachtagun-gen veranstaltet. Während das Fach „Betriebsinfor-matik“ oder „EDV“ in verschiedener Form bereits indie Lehre betriebswirtschaftlicher Fächer Einganggefunden hat, werden erst 1975 Studienversuchemit dedizierten Studiengängen in Wien, Linz undDarmstadt durchgeführt (Mertens et al., 2002). Endeder 1960er- bzw. Anfang der 1970er-Jahre sind erstewissenschaftliche Beiträge zu betrieblichen Informa-

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2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik

tionssystemen, den Herausforderungen integrierterDatenverarbeitung (Heinrich, 1969) und zur Rollecomputergestützter, betrieblicher Informationsverar-beitung als Gegenstand der betriebswirtschaftlichenForschung (Heinrich, 1975) erschienen. Ein Tagungs-band des BIFOA von 1971 bietet einen Überblicküber die Forschung des Instituts zum Thema Manage-ment-Informationssysteme (MIS). Dieser umfasst u.a.den Ergebnisbericht einer Forschungsreise in dieUSA, der aktuelle Forschungstätigkeiten zu MIS the-matisiert. Darüber hinaus werden Forschungsbedarfezu computergestützten MIS aus betriebswirtschaftli-cher und organisationstheoretischer Sicht diskutiert.Abschließend formulieren die Autoren Vorschlägezu angemessenen Methoden, die zur Untersuchungentsprechender Fragestellungen angewendet wer-den sollten. Die Literaturreferenzen im Tagungsbanddeuten darauf hin, dass frühe Beiträge zu MIS bisdahin vorwiegend aus der Praxis kamen (Grochlaund Szyperski, 1971). 1979 wird P. Mertens (Erlan-gen-Nürnberg) als erster Vertreter der Wirtschafts-informatik in das Präsidium der Gesellschaft fürInformatik (GI) gewählt. Innerhalb der GI wird derFachausschuss Betriebliche Anwendungen der Daten-verarbeitung gegründet, der in Zusammenarbeit mitder Wissenschaftlichen Kommission Betriebsinforma-tik unter der Leitung von H.R. Hansen (Wien) mehrerewissenschaftliche Kongresse veranstaltet: Computeram Arbeitsplatz unter Leitung von L.J. Heinrich(Linz); Produktionsplanung und -steuerung im Dia-log unter Leitung von A.-W. Scheer, Saarbrücken;Onlinesysteme im Finanz- und Rechnungswesenunter Leitung von P. Stahlknecht, Berlin; EDV-Anwendungen im Marketing unter Leitung von R.Thome (Heidelberg). H. Wedekind (Erlangen-Nürn-berg) stellt seinen Objekttypen-Ansatz vor und liefertdamit eine für die Betriebsinformatik typische undspezifische Methodik (Heinrich, Heinzl und Roith-mayr, 2007).

1980–1990: Zunehmende Etablierung des Fachs

Die zunehmende Anwendung von Informationssys-temen im betrieblichen Kontext zeigt sich in den1980er-Jahren u.a. in der wachsenden Verbreitungbetrieblicher Standardsoftware. In diesem Jahrzehntfinden diverse Bestrebungen zur Etablierung desFachs Wirtschaftsinformatik in Lehre und Forschung

statt. Daneben werden in der ersten Hälfte der1980er-Jahre erstmals explizite Diskussionen zurAusrichtung einer eigenständigen Disziplin Betriebs-informatik bzw. Wirtschaftsinformatik von Fachver-tretern geführt. Unter dem Titel „Anforderungsprofilfür die Hochschulausbildung im Bereich der Betrieb-lichen Datenverarbeitung“ wird 1984 die erste Studi-enplanempfehlung verabschiedet (Mertens, 1984);eine Überarbeitung folgt fünf Jahre später. BereitsMitte der 1980er-Jahre existieren im deutschsprachi-gen Raum mehrere Dutzend Lehrstühle, die das FachBetriebs- bzw. Wirtschaftsinformatik in irgendeinerForm im Rahmen wirtschaftswissenschaftlicher Stu-diengänge oder im Kontext von Informatikstudien-gängen anbieten. Einige Universitäten verfügen überdedizierte Studiengänge „Wirtschaftsinformatik“.Das erste DFG-Förderprogramm Betriebsinformatikwird im Jahre 1984 gestartet (Mertens et al., 2002).Durch das sogenannte Überlastprogramm Nordrhein-Westfalen Ende der 1980er-Jahre werden zusätzlicheLehrstühle an den Universitäten in Essen, Köln,Münster und Paderborn geschaffen (Mertens et al.,2002). Viele Vertreter der Disziplin betreiben For-schung in enger Kooperation mit Unternehmen ver-schiedener Branchen. Einige Ausgründungen ausdem Universitätskontext etablieren sich über dieJahre zu großen Software- und Beratungshäusern(z.B. IDS Scheer, Saarbrücken).

Die Umbenennung der WKBI in „Wissenschaft-liche Kommission Wirtschaftsinformatik“ im Jahr1987 kann interpretiert werden als eine Einigungauf den neuen Disziplinbezeichner „Wirtschafts-informatik“. Der entsprechende Fachausschuss inder GI wird bereits 1983 umbenannt und in einenFachbereich „Informatik in der Wirtschaft“ über-führt. Die Umbenennung des Fachbereichs in „Wirt-schaftsinformatik“ erfolgt erst 1992.

1990–heute: Wirtschaftsinformatik als eigenständige Disziplin und Internationalisierung

Mit den 1990er-Jahren finden Weitverkehrsnetze,insbesondere das Internet, eine immer stärkere Ver-breitung. Die breite Verfügbarkeit des Internets unddes World Wide Web (WWW) prägen ab Mitte der1990er-Jahre die Architekturen und Einsatzszena-rien für Informationstechnologien und Anwendungs-systeme im betrieblichen Umfeld. Der überproportio-

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Wirtschaftsinformatik2

nale Anstieg an Internetnutzern bzw. Webseiten undüberschwängliche Prognosen bezüglich des Erfolgsneuartiger Geschäftsmodelle im Internet (E-Com-merce) kennzeichnen den sogenannten „InternetHype“ Ende der 1990er-Jahre. Das Platzen der „Dot-com-Blase“ im Jahr 2001 zeigt sich primär in rapidefallenden Aktienwerten von Technologie- undInternetunternehmen am Neuen Markt. Die negati-ven Auswirkungen sind u.a. am Markt für Dienst-leistungen und Beratungen im IT-Umfeld zu spüren.In einer mittelfristigen Betrachtung hat dies demlangjährigen Wachstumstrend der „IT-Branche“ undverwandter Branchen jedoch keinen Abbruch getan.Insbesondere bilden weitere technische Innovati-onsschübe neue Freiheitsgrade der Vernetzung vonMenschen und Dingen und fungieren als starkeTriebfedern für die Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Technik sowie des Faches Wirtschafts-informatik.

Mit der Zielsetzung, „der Disziplin Wirtschafts-informatik in Wissenschaft und Praxis eine publizis-tische Heimat [zu] geben“ (Schmitz et al., 1990, S. 3),erscheint 1990 die erste Ausgabe der ZeitschriftWIRTSCHAFTSINFORMATIK als Weiterführung derZeitschrift „Angewandte Informatik“ (seit 1971) bzw.elektronische datenverarbeitung (seit 1959).

Die WKWI beschließt Ausstattungsempfehlungenfür Wirtschaftsinformatikinstitute und erarbeitet einegrundlegende Stellungnahme, in der der Gegen-standsbereich der Wirtschaftsinformatik sowie ihreForschungsziele und Forschungsmethoden definiertwerden (Profil der Wirtschaftsinformatik, veröffent-licht in WIRTSCHAFTSINFORMATIK 1/1994, S. 80f.).Die Wirtschaftsinformatik bekennt sich zur Vielfaltihrer Wurzeln (insbesondere Betriebswirtschaftslehre,Sozialwissenschaften, Informatik, Mathematik); sieerkennt ingenieurwissenschaftliche und formalwis-senschaftliche Ansätze – neben betriebswirtschaft-lichen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen – alsgleichberechtigt an.

An der Universität Münster wird die erste inter-nationale Fachtagung der Wirtschaftsinformatik, dieWI’93 „Innovative Anwendungen, Technologie,Integration“, mit rund 560 Teilnehmern durchge-führt (Koordinator: K. Kurbel). Die Tagungsleitungbeschreibt die Zielsetzung der Konferenz wie folgt:„Die Leitidee der WI’93 ist es, zentrale Problemeder Informationsverarbeitung und zukunftsorien-tierte Lösungsansätze der Wirtschaftsinformatik

erstmals gebündelt auf einer Konferenz zu präsen-tieren. [In den Beiträgen] werden wegweisende Ent-wicklungen und Trends kritisch durchleuchtet, aberauch konkrete Problemlösungen in wichtigen Fel-dern der Informationsverarbeitung exemplarischvorgestellt“ (Kurbel, 1993, Vorwort).

Die WKWI beschließt, in Zukunft eine Tagungdieser Art im zweijährigen Rhythmus an wechseln-den Universitäten zu veranstalten. An der AnzahlBeiträge und den Seitenzahlen der Tagungsbändeist das starke Wachstum dieser Konferenz zu erken-nen. Seit 2002 wird, ebenfalls zweijährlich, dieMultikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI) ver-anstaltet; sie hatte ihr Debüt in Nürnberg unter Lei-tung von P. Mertens. Sie umfasst Teilkonferenzenund Workshops zu verschiedenen Themen derWirtschaftsinformatik.

Anlässlich der Fachtagung der WKWI im Oktober1994 an der Universität Bern (Koordinator: J. Griese)wird erstmals ein internationales Doktorandensemi-nar Wirtschaftsinformatik durchgeführt, dessen Zieldie Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchsesist. Dem Trend folgend, Anwendungen der Informa-tions- und Kommunikationstechnologien stärker zufördern, sieht das Forschungsförderungsprogrammdes deutschen Bundesministers für Bildung undForschung Schwerpunkte vor, die der Wirtschafts-informatik zuzurechnen sind (z.B. Branchensoftware).

Mit K. Bauknecht (Universität Zürich) wird erst-mals ein Wirtschaftsinformatiker Präsident der Welt-organisation International Federation for InformationProcessing (IFIP). Mit W. Stucky (Karlsruhe) wirderstmals ein Wirtschaftsinformatiker zum Präsiden-ten der deutschen Gesellschaft für Informatik (GI)gewählt.

An der Universität Frankfurt/M. wird der ersteSonderforschungsbereich der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG), in dem die Wirtschaftsinforma-tik eine zentrale Rolle spielt, eingerichtet (Vernetzungals Wettbewerbsfaktor, Sprecher: W. König).

Mittlerweile gibt es etwa 200 WI-Lehrstühle bzw.-Professuren an etwa 80 Universitäten im deutsch-sprachigen Raum. Von diesen Lehrstühlen bzw.Professuren sind weit mehr als die Hälfte einemWirtschaftsinformatikinstitut zugeordnet. Zahlrei-che Universitäten bieten einen Studiengang Wirt-schaftsinformatik an – teilweise mit abweichendenBezeichnungen und verschiedenen Abschlüssen(Diplom, Bachelor, Master). Sehr viele Universitä-

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2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik

ten bieten Wirtschaftsinformatik als Wahlmöglich-keit in betriebswirtschaftlichen oder Informatik-Studiengängen an.

Zunehmend ist eine Internationalisierung der „Wirt-schaftsinformatik“ respektive ihrer Forschungsaktivi-täten zu verzeichnen. Indikator dafür ist die steigendePublikationstätigkeit deutschsprachiger Autoren aufinternationalen Konferenzen und in englischsprachi-gen wissenschaftlichen Journalen. Für eine Übersichtvon mehr als 700 aktiven Journalen, die Themen derWirtschaftsinformatik publizieren, siehe etwa Lamp(2015). Für Informationen zur Wertigkeit und zumPrestige von Konferenzen und Journalen sei auf dasoffizielle Dokument der Wissenschaftlichen Kommis-sion Wirtschaftsinformatik verwiesen (WKWI, 2008).2002 wird die englischsprachige und internationalausgerichtete Zeitschrift Information Systems andeBusiness Management (ISeB) gegründet (Mitheraus-geber: J. Becker, Münster).

In den 1990er-Jahren werden weitere Rahmenemp-fehlungen für die Lehre an Universitäten veröffent-licht. Die 1992 verabschiedete „Rahmenempfehlung“bezieht sich erstmals auf Diplom-Studiengänge Wirt-schaftsinformatik und versteht sich als Orientierungs-hilfe für die Gestaltung von Studien- und Prüfungs-ordnungen (Kurbel, 1992). Die 1997er Empfehlungentspricht einer Aktualisierung der Empfehlung von1989 für die Wirtschaftsinformatikausbildung imRahmen eines wirtschaftswissenschaftlichen Studi-ums. Die Autoren verweisen auf den „wissenschaft-lichen und technischen Fortschritt und [die] weitereKonsolidierung des Fachs Wirtschaftsinformatik“(Kurbel, 1997, S. 514), dem man durch eine Überar-beitung des Anforderungsprofils Rechnung tragenmöchte. Zusätzlich zu den genannten Empfehlungenverabschiedete die Kultusministerkonferenz 1999eine Rahmenordnung für Diplomprüfungen im Stu-diengang Wirtschaftsinformatik. Die rasche Weiter-entwicklung im technologischen Umfeld der WI, ver-bunden mit einer fortschreitenden Konsolidierungdes Fachs, machte 2003 eine weitere Überarbeitungerforderlich (Kurbel, 2003).

Mit der Überführung des Ausbildungssystems vonDiplom-Studiengängen in Bachelor- und Master-Pro-gramme und einer weiteren Verbreitung von Wirt-schaftsinformatik-Komponenten in Studiengängenanderer Disziplinen entstand der Bedarf nach einerEmpfehlung, die diese neuen Strukturen reflektiert.Darüber hinaus mussten wiederum Ausbildungs-inhalte aktualisiert werden.

Die Rahmenempfehlung aus dem Jahr 2007 stellt einedetailreiche Überarbeitung und folglich eine Aktuali-sierung des WI-Curriculums dar. Bemerkenswert sinddas nicht unerhebliche Anwachsen der thematischenBreite und die hohe spezifische Aspektfülle. EinigeThemen treten hinzu, so etwa im Kontext des The-mengebietes „Informations- und Kommunikations-technologie“ die „Vernetzung von Dingen, Dienstenund Menschen“, „Technik, Anwendungen und Impli-kationen von Ubiquitous Computing“. Besonders anBedeutung und Umfang gewonnen hat der Bereich„Informationsmanagement“. Hier werden Themenergänzt, wie „Risikomanagement, IT-Governance und-Compliance“, umfangreiche Referenzkonzepte fürdas Informationsmanagement – z.B. ITIL (Informa-tion Technology Infrastructure Library), CoBIT (Cont-rol Objectives for Information and Related Technolo-gy), GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zurPrüfbarkeit digitaler Unterlagen). Des Weiteren wer-den dem WI-Curriculum angefügt: Vernetzung im pri-vaten Lebensumfeld (soziale Netzwerke, Communi-tys), kontextbezogene Informationsverarbeitung undKommunikation, Fragen der Gestaltung und des Ma-nagements von insbesondere unternehmensweiten In-formationsarchitekturen, (Geschäfts-)Prozessmanage-ment, Re-Organisation und Qualitätsmanagement.Das Themengebiet „Inner- und überbetriebliche Infor-mationssysteme“ wird erweitert um die Themen Pro-duct Lifecycle Management (PLM und Product DataManagement (PDM)). Angesichts der zunehmendenNetz- bzw. Internetbasierung der betrieblichen Infor-mationssysteme wird in dieser Curriculum-Empfeh-lung darauf verzichtet, eine Abgrenzung zwischenden „traditionellen“ Informationssystemen und denfür Electronic Commerce, Electronic Business etc. ge-eigneten Informationssystemen zu treffen. Netzorien-tierte Aspekte, einschließlich des Mobile Commerce/Mobile Business, werden deshalb nicht gesondertausgewiesen. Einige Anwendungssystemklassen wer-den nunmehr expliziert. Der Themenbereich „Ent-wicklung und Management von Informationssyste-men“ wird mit den Themen „Projektmanagement fürIS-Projekte“, „problemorientierte Analyse und Model-lierungswerkzeuge und -methoden“ ergänzt, Aspekteder Qualitätssicherung in der Systementwicklung tre-ten hinzu. Im Themenbereich „Daten und Wissen“wurde ergänzt: Metadaten-Management, Repository-Systeme, Ontologien, Semantic Web; diverse Anwen-dungssystemklassen wurden expliziert, z.B. Content-Management-Systeme (CMS).

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Wirtschaftsinformatik2

Tabelle 2.3

Übersicht ausgewählter historischer Ereignisse zur Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsinformatik

Jahr-zehnt

Forschung (Lehrstühle, Verbände, Konferenzen, Zeitschriften) Lehre (Studiengänge, Curricula, Arbeitsmarkt)

1950 1958: Institut für Automation und Operations Research, Universität Fribourg (später umbenannt in Institute for Informatics) 1959: Erstausgabe der Zeitschrift Elektronische Datenverarbeitung

1960 1963: Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation, BIFOA 1964: Erstausgabe der Zeitschrift „HMD – Handbuch der maschinellen Daten-verarbeitung“ als Loseblattsammlung 1966: Erste EDV-orientierte Habilitationsschrift P. Mertens1968/70: Erste Lehrstühle mit EDV-Ausrichtung

1960er: Unternehmen vermitteln Hochschulabsolventen EDV-Kennt-nisse, in Stellenanzeigen Forderun-gen nach EDV-Kenntnissen

1970 1971: Überregionales Forschungsprogramm Informatik der Bundesregierung: 50 Informatik-Lehrstühle, zwei Lehrstühle Betriebsinformatik 1975: Gründung der Wissenschaftlichen Kommission Betriebsinformatik im VHB 1978: GI-Fachausschuss „Betriebliche Anwendungen der Datenverarbeitung“, unter Leitung von H.R. Hansen werden erste Fachtagungen veranstaltet (GI, WKBI)

1975: Erste Studienversuche mit dedizierten Studiengängen in Wien, Linz und Darmstadt

1980 1980–85: Diskussionen zur Ausrichtung einer eigenen Disziplin 1981: Erste Ausgabe des Studien- und Forschungsführers 1983: WI-Lehrstühle an 14 Universitäten 1984: Erstes DFG-Förderprogramm Betriebsinformatik1986: Erstausgabe Zeitschrift „IM Information Management“1987: Umbenennung in Wissenschaftliche Kommission Wirtschaftsinformatik (WKWI) 1989: Zunehmende Anzahl Lehrstühle (Überlastprogramm NRW)

1979/80: Betriebsinformatik wird an 49 Hochschulen angeboten1984: Erste Studienplanempfeh-lung: „Anforderungsprofil für die Hochschulausbildung im Bereich der Betrieblichen Datenverarbei-tung“ (Berichterstatter: P. Mertens)1989: Überarbeitung der Studienplanempfehlungen (Sprecher: K. Kurbel)

1990 1990: Zeitschrift „Wirtschaftsinformatik“ (vormals „Angewandte Informatik“ bzw. Elektronische Datenverarbeitung) 1993: WKWI – Fachtagung in Münster (ab dann alle zwei Jahre)

1992: Rahmenempfehlungen für Diplomstudiengänge (Sprecher: K. Kurbel)1997: Zweite Überarbeitung der Studienplanempfehlungen (Sprecher: K. Kurbel)1999: Rahmenordnung für Diplomstudiengang Wirtschafts-informatik, Beschluss durch die Kultusministerkonferenz

2000 Die Zeitschrift „Information Systems and eBusiness Management“ (ISeB) wird unter maßgeblicher Beteiligung von Wirtschaftsinformatikern begründet (Mitherausgeber: J. Becker, Münster).Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) schreibt die Förde-rung für den Aufbau von Forschungsschwerpunkten (FSP) „Internetökonomie“ aus; mehrere Wirtschaftsinformatikinstitute sind Träger der sieben bis Mitte 2003 beantragten FSP. 2000: Erstes Internationales Doktorandenseminar am Rande der ECIS in Wien unter Leitung von Joachim Griese, Bern.2001: An der Universität Bamberg wird erstmals eine Fakultät gegründet, in deren Bezeichnung Wirtschaftsinformatik verwendet wird (Fakultät Wirtschafts-informatik und Angewandte Informatik).

2000: Eine Innovationswelle, die mit Begriffen wie Digital Business, Eletronic Commerce, Dot.com und Start-up charakterisiert wird, erreicht die Wirtschaftsinformatik; in vielen Lehrstuhlausschreibungen wird Erfahrung in Electronic Busi-ness / Electronic Commerce bzw. die Abdeckung entsprechender Lehr- und Forschungsaufgaben erwartet.In der Wirtschaftsinformatik-Ausbildung kommt zunehmend E-Learning / Tele-Learning zum Einsatz.

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2.3 Geschichte der Wirtschaftsinformatik

Übersicht ausgewählter historischer Ereignisse zur Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsinformatik (Forts.)

Jahr-zehnt

Forschung (Lehrstühle, Verbände, Konferenzen, Zeitschriften) Lehre (Studiengänge, Curricula, Arbeitsmarkt)

2002: Bayerischer Forschungsverband Wirtschaftsinformatik (FORWIN, Leitung Peter Mertens, Erlangen-Nürnberg) veranstaltet die Multikonferenz Wirtschafts-informatik ’02; sie soll in Zukunft in allen geraden Jahren stattfinden. 2003: Mit M. Jarke (RWTH Aachen) wird zum zweiten Mal ein Wirtschafts-informatiker zum Präsidenten der GI gewählt (nach W. Stucky, Karlsruhe, 1995).Unter maßgeblicher Beteiligung von Wirtschaftsinformatikern wird das DFG-geförderte Schwerpunktprogramm „Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik“ unter Initiative und Leitung von G. Müller (Freiburg) 2003 ins Leben gerufen.2004: In Deutschland und Österreich werden Bachelor-/Master-Studiengänge eingeführt2005: Die European Conference on Information Systems (Leitung: D. Bartmann, Regensburg) und die IEEE International Conference on E-Commerce Technology (Leitung: M. Bichler, TU München) finden erstmals in Deutschland statt. Die Association for Information Systems (AIS) wählt C. Löbbecke (Köln) zur Präsi-dentin. M. Jarke (RWTH Aachen) wird als Präsident der Gesellschaft für Infor-matik wiedergewählt; mit A. Oberweis (Karlsruhe) und St. Kirn (Hohenheim) werden zwei Wirtschaftsinformatiker in das Präsidium gewählt. Die Fachgruppe „Modellierung betrieblicher Informationssysteme“ der GI beschließt die Herausgabe der Zeitschrift „Enterprise Modelling and Informa-tion Systems Architectures“ (Hauptherausgeber: Ulrich Frank, Duisburg-Essen).2006: Das seit 2000 laufende DFG-Schwerpunktprogramm „Intelligente Agenten und betriebswirtschaftliche Anwendungsszenarien“ (Sprecher: St. Kirn, Hohen-heim) wird abgeschlossen; es wurden Prototypen von Multiagentensystemen ent-wickelt.2007: Mit August-Wilhelm Scheer (1975–2002, Saarbrücken) wird zum ersten Mal ein Wirtschaftsinformatiker zum Präsidenten des Bundesverbands Informa-tionswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) bestellt.2008: Mit Ch. Weinhardt (Karlsruhe (TH)/KIT) wird erstmals 2008 ein Wirt-schaftsinformatiker für gutachterliche Aufgaben bei der DFG als sogenannter DFG-Kollegiat gewählt.Veröffentlichung der „WI-Orientierungslisten – WI-Journalliste 2008 sowie WI-Liste der Konferenzen, Proceedings und Lecture Notes 2008“ mit einer Auflistung besonders relevanter und prestigeträchtiger WI/IS-Journale, in: WIRTSCHAFTSINFORMATIK (2008), 2, S. 155–163Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Zeitschrift WIRTSCHAFSINFORMATIK (nebst ihrer Vorläuferzeitschriften) stellt der Hauptherausgeber U. Buhl (Augs-burg) auf der WI 2009 in Wien die Jubiläumsausgabe der Zeitschrift sowie eine „Triple“-Strategie vor. Es erscheinen nun künftig neben der WIRTSCHAFTS-INFORMATIK die englischsprachige Schwesterzeitschrift „Business and Infor-mation Systems Engineering (BISE)“ und das Praktikermagazin „Wirtschaftsinformatik und Management (WUM)“.Über 100 Studiengänge der Wirtschaftsinformatik sind nach dem Bologna-Modell akkreditiert.2009: In Gmunden (Oberösterreich) findet ein Symposium statt, bei dem Infor-mation-Systems-Forscher und Wirtschaftsinformatik-Forscher mit Neurowissen-schaftlern über Stand und Entwicklung der wissenschaftlichen Teildisziplin „NeuroIS“ diskutieren (Leitungsteam: Fred D. Davis, University of Arkansas, Angelika Dimoka, Temple University Philadelphia, René Riedl, JKU Linz).

2002: Neuauflage des Studien-führers

2003: Überarbeitung der „Allg. Rahmenempfehlung für die Uni-versitätsausbildung in Wirtschafts-informatik“

2007: Überarbeitung der „Rahmen-empfehlung für die Universitätsaus-bildung in Wirtschaftsinformatik“

2008: Veröffentlichung von Empfehlungen zur kumulativen Habilitation im Bereich der Wirt-schaftsinformatik, in: WIRT-SCHAFTSINFORMATIK (2008), 4, S. 335–337.

2008/09: Neuauflage des Studien-führers Wirtschaftsinformatik 2009/20102009: Eine im Studienführer Wirt-schaftsinformatik 2009/2010 zitierte empirische Untersuchung nennt 69 befragte Universitäten, die angeben, Wirtschaftsinforma-tik-Studiengänge anzubieten. Die WKWI hat 203 Mitglieder, die an 71 Universitätsorten tätig sind; mehr als 90% sind in wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Ein-richtungen angesiedelt.

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Wirtschaftsinformatik2

Die Fachgruppe Modellierung betrieblicher Informa-tionssysteme der Gesellschaft für Informatik (GI)gründet 2005 die Zeitschrift Enterprise Modellingand Information Systems Architectures (Haupther-ausgeber: U. Frank, Duisburg-Essen). Die EuropeanConference on Information Systems 2005 (ECIS)unter Leitung von D. Bartmann, Regensburg, und dieIEEE International Conference on E-Commerce Tech-nology 2005 (Leitung: M. Bichler, TU München) fin-den erstmals in Deutschland statt. Der weltweit agie-rende Verband Association for Information Systems(AIS) wählt 2005 C. Löbbecke (Köln) zur Präsidentin.M. Jarke (RWTH Aachen) wird 2005 als Präsident derGesellschaft für Informatik (GI) wiedergewählt; mitA. Oberweis (Karlsruhe) und St. Kirn (Hohenheim)werden zwei Wirtschaftsinformatiker in das Präsi-dium gewählt. Die Forschungsgruppe Wirtschafts-informatik und Unternehmensmodellierung der Uni-versität Duisburg-Essen (Leitung: U. Frank) schließt2006 ein DFG-Projekt ab, das die Forschungspro-gramme der Wirtschaftsinformatik (Ziele, Metho-

den, Ergebnisse) mit denen der Information SystemsDiscipline (USA) vergleicht sowie die Wirkung derDisziplinen auf die Praxis untersucht. Das seit 2000laufende DFG-Schwerpunktprogramm IntelligenteAgenten und betriebswirtschaftliche Anwendungs-szenarien (Sprecher: St. Kirn, Hohenheim) wirdebenfalls 2006 abgeschlossen; es wurden Prototypenvon Multiagentensystemen entwickelt. Mit Ch. Wein-hardt (Karlsruhe (TH)/KIT) wird erstmals 2008 einWirtschaftsinformatiker für gutachterliche Aufgabenbei der DFG als sogenannter DFG-Kollegiat gewählt.

Das Fach Wirtschaftsinformatik erlangte in seinerrelativ jungen Geschichte eine bemerkenswerte Reife.Die immer wieder aktualisierten Rahmenempfehlun-gen für WI-Curricula fassen hierzu kompakt in Formvon „Empfehlungen“ wichtige konstitutive Elementezusammen: So wird etwa das abstrakte Ziel der Schu-lung des Denkens in „integrierten Systemen“ betont;es wird – seit ihren Anfängen – die intensive Wech-selwirkung der Disziplin mit der Praxis hervorge-hoben. Für viele Wirtschaftsinformatiker sind die

Übersicht ausgewählter historischer Ereignisse zur Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsinformatik (Forts.)

Jahr-zehnt

Forschung (Lehrstühle, Verbände, Konferenzen, Zeitschriften) Lehre (Studiengänge, Curricula, Arbeitsmarkt)

2010 2010: Unter Leitung von Hubert Österle (Universität St. Gallen) wird das mit neun Kollegen formulierte „Memorandum zur gestaltungsorientierten Wirt-schaftsinformatik“ veröffentlicht, in welchem davor gewarnt wird, dass sich die Wirtschaftsinformatik von einer innovativ gestaltenden zu einer beschreiben-den Disziplin entwickelt. Das Memorandum versteht sich als Plädoyer für eine methodenpluralistische Wirtschaftsinformatik und bestärkt die Notwendigkeit eines bislang vor allem in angloamerikanischen Outlets vernachlässigten konst-ruktions-/gestaltungsorientierten Ansatzes.Die Zeitschrift BISE wird im Rahmen der ICIS 2010 zum „AISAffiliated Journal“ ernannt und darf damit als erste Zeitschrift dieser Art diese Bezeichnung führen.2013: Mit Helmut Krcmar wird ein deutscher Wirtschaftsinformatiker Präsident der Association for Information Systems (AIS).2014: Die BISE, ehemals WIRTSCHAFTSINFORMATIK wird nun als ausschließlich englischsprachige Zeitschrift geführt. Unter der Chefherausgeberschaft von Martin Bichler, TU München, wird eine neue Departmentstruktur nebst Inter-nationalisierung ins Leben gerufen.2015: Der VHB unterstützt „JOURQUAL3“, eine großzahlige Erhebung zur Wahrnehmung der Qualität von wissenschaftlichen Journalen, darunter neben einer größeren Anzahl von Wirtschaftsinformatik-Journalen finden sich auch vereinzelt Proceedings von wirtschaftsinformatorischen Konferenzen, um der Wichtigkeit dieser Outlets für die Disziplin Rechnung zu tragen. Die Zeitschrift BISE wird dabei in das Top-Quantile der „B“-Zeitschriften eingereiht. 8,3% der Antworten sehen die BISE als „A+“-Journal, 35,1% als „A“-Journal.Die ECIS 2015 findet in Münster statt. Die ICIS 2015 findet unter deutscher Orga-nisationsbeteiligung (Armin Heinzl, Mannheim) in Ft. Worth, Texas, USA, statt.

Für den deutschsprachigen Raum spricht man mittlerweile von einem Fachkräftemangel bei IT-Nachwuchs.Die Studierendenzahlen für Wirt-schaftsinformatik nehmen stetig in den letzten Jahren zu.

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73

2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen

Anwendungsorientierung und der Praxisbezugwesentliche Elemente des Selbstverständnisses derDisziplin. Der Aufbau von Lehrveranstaltungen undStudiengängen wurde und wird von starker Nach-frage aus der Praxis getrieben.

Mit dem Ziel, der zunehmenden internationalenVerflechtung der Wirtschaftsinformatik-CommunityRechnung zu tragen und der gestaltungsorientiertenWirtschaftsinformatik-Forschung eine einzigartigeglobale Plattform zu bieten, erscheint die ZeitschriftWIRTSCHAFTSINFORMATIK seit Heft 1/2009 paral-lel und inhaltlich identisch – im Sinne einer Eins-zu-eins-Übersetzung – in deutscher und englischer Spra-che. Die deutschsprachige Ausgabe erscheint bis2014 weiterhin unter dem Namen WIRTSCHAFTSIN-FORMATIK, die englischsprachige Ausgabe erscheintunter dem Namen Business & Information SystemsEngineering (BISE). Die Zeitschrift WIRTSCHAFTS-INFORMATIK versteht sich in ihrer 50-jährigen Tra-dition als zentrales Organ der stark wachsenden undsich zunehmend enger verwebenden internationalenWirtschaftsinformatik-Community. In diesem Sinnebietet sie allen technoökonomisch orientierten Auto-ren und Lesern eine Plattform für qualitativ hochwer-tige Ergebnisse gestaltungsorientierter Forschung. Imzwischenzeitlich stark vergrößerten internationalenHerausgebergremium finden sich vorwiegend Vertre-ter von Hochschulen, aber auch bewusst Vertreter ausder Praxis, womit verdeutlicht werden soll, dass „dieAnwendung ein deutliches Gewicht bei der Gestal-tung der Zeitschrift behält“ (Schmitz et al., 1990,S. 3). 2009 erscheint die „50-jährige Jubiläumsaus-gabe“. Zu den Hauptherausgebern zählen: H.K.Schuff von 1959–1968, P. Schmitz 1969–1991,N. Szyperski 1971–1991, P. Mertens 1990–2000,U. Hasenkamp 1992–2000, W. König 1998–2008,H.U. Buhl 2006–2014, M. Bichler seit 2012.

Unter „Digitaler Transformation“ wird ein inWirtschaft, Gesellschaft und Praxis beobachtbarer,zuweilen disruptiver, IT-induzierter Wandel dis-kutiert (Fitzgerald et al., 2013; Westerman, 2014).Mit „Industrie 4.0“ wird ein neues Zeitalter einermodernen, vernetzten Wertschöpfungswelt etiket-tiert (Lasi et al., 2014 siehe auch Kapitel 15). Für dieWirtschaftsinformatik bietet sich ein lukratives Betä-tigungsfeld. Das immens wachsende Volumen andigital repräsentierten Daten („Big Data“) und daten-basierter Wertschöpfung sowie insbesondere diewachsende Bedeutung, wie und was man aus Daten

an Einsicht gewinnen kann, führt in Wissenschaftund Praxis zu einem Bedeutungsschub von BusinessIntelligence und Analytics, einem curricularen Pfei-ler der Wirtschaftsinformatik.

Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen 2.4Definitorisch befasst sich die Wirtschaftsinformatikmit der Beschreibung, Erklärung, Prognose undGestaltung rechnergestützter Informationssystemeund deren Einsatz in Wirtschaft, Verwaltung undzunehmend dem unmittelbaren privaten Lebens-umfeld. Von besonderem Interesse sind die Gestal-tung und der Einsatz von Informationssystemen inUnternehmen. Dieses Kapitel wird die unterschied-lichen, sich im Wesentlichen ergänzenden Perspek-tiven auf „Unternehmen“ darlegen. Zumindest dreiPerspektiven auf Unternehmen lassen sich einneh-men: Die (1) eher mikroökonomisch geprägte, struk-turorientierte, (2) die verhaltenstheoretische sowie(3) die systemtheoretische Perspektive.

2.4.1 Strukturorientierte Perspektive

Ein Unternehmen ist eine stabile, formale, sozialeStruktur, die Ressourcen aus der Unternehmens-umwelt zu Produkten verarbeitet. Diese mikroöko-nomisch geprägte Definition hat wenigstens die Ele-mente Kapital, Arbeitskraft sowie Transformationund Output in Form von Produkten und Dienstleis-tungen im Fokus. Kapital und Arbeitskraft sindprimäre Produktionsfaktoren, die von der Umweltbereitgestellt werden. Das Unternehmen transfor-miert diese Faktoren mithilfe einer Produktions-funktion in Produkte und Dienstleistungen. Die Pro-dukte und Dienstleistungen werden von der Umweltkonsumiert, die im Gegenzug Produktionsfaktoren

p

Unternehmen (strukturorientierte Definition) |Eine stabile, formale, soziale Struktur, die Ressourcen ausder Unternehmensumwelt und zur Erzeugung von Pro-dukten verwendet.

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Wirtschaftsinformatik2

liefert. Ein Unternehmen ist, was die Langlebigkeitund Regelmäßigkeit der Abläufe betrifft, stabil.Unternehmen sind formale, juristische Körperschaf-ten mit internen Regeln und Verfahren, die gesetz-lichen Regelungen Folge leisten müssen.

Diese Definition eines Unternehmens ist kurz undprägnant. Allerdings ist sie wenig beschreibend undenthält keine Aussagen über die Entwicklung realerUnternehmen. Hierzu nimmt der verhaltenstheore-tisch begründete Ansatz Stellung.

2.4.2 Verhaltenstheoretische Perspektive

Eine gegenüber dem strukturorientierten Ansatz rea-listischere, verhaltenstheoretische Definition einesUnternehmens, die stärker organisatorische Aspektebetont, lautet, dass ein Unternehmen eine Samm-lung von Rechten, Privilegien, Verpflichtungen undVerantwortlichkeiten repräsentiert, die im Laufe derZeit durch Konflikt und Konfliktbewältigung ausge-wogen verteilt wurden (Abbildung 2.1). Nach dieserverhaltenstheoretischen Sicht entwickeln Menschen,die in Unternehmen arbeiten, eigene Arbeitsweisen.Sie gewöhnen sich an vorhandene Beziehungen und

sie treffen mit Untergebenen und Vorgesetzten Ver-einbarungen darüber, wie und unter welchen Bedin-gungen die Arbeit erledigt wird. Die meisten dieserVereinbarungen und Vorstellungen werden dabeinicht in formalen Regelwerken kodifiziert.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen einemUnternehmen und den in ihm wirkenden Informa-tionssystemen? Wenn wir Unternehmen eher auseiner formalen und technischen Sicht betrachten,dann konzentrieren wir uns darauf, wie die Produk-tionsfaktoren zur Erzeugung einer Leistung kombi-niert werden (müssen), wenn Technikänderungenim Unternehmen vorgenommen werden. Das Unter-nehmen wird dabei idealtypisch als unendlichformbar angesehen, wobei Kapital und Arbeitskraftrelativ einfach gegeneinander ausgetauscht werdenkönnen. Die etwas realistischere verhaltenstheoreti-sche Definition eines Unternehmens legt dagegennahe, dass zum Aufbau neuer Informationssystemebzw. zum Umbau vorhandener mehr gehört als ledig-lich eine technische Neuanordnung von Maschinenund Arbeitern und dass manche Informationssys-teme das Verhältnis zwischen Rechten, Privilegien,Verpflichtungen, Verantwortlichkeiten und Vorstel-lungen innerhalb eines Unternehmens verändern,das sich über einen bestimmten Zeitraum hinwegausgebildet hat.

Technischer Fortschritt erfordert Änderungen da-hingehend, wer Informationen besitzt und kontrol-liert, wer berechtigt ist, auf diese Informationenzuzugreifen und sie zu aktualisieren, und wer Ent-scheidungen über das Wer, Wann und Wie fällt. DerDienstleister Wells Fargo C.E.O. stellt Benutzern bei-

p

Unternehmen (verhaltenstheoretische Defini-tion) | Eine Sammlung von Rechten, Privilegien, Ver-pflichtungen und Verantwortlichkeiten, die im Laufe derZeit durch Konflikt und Konfliktbewältigung ausgewogenverteilt wurden.

Abbildung 2.1: Definition eines Unternehmens (hier mit Betonung auf organisatorischen Aspekten) aus verhaltenstheoretischer SichtDie verhaltenstheoretische Sicht konzentriert sich auf Beziehungen zwischen Gruppen, Werten und Strukturen.

UNTERNEHMEN

Organisationsstruktur

Hierarchie

Arbeitsteilung

Regeln, Verfahren

Geschäftsprozesse

Prozess

Rechte/Verpflichtungen

Privilegien/

Verantwortlichkeiten

Werte

Normen

Menschen

Ressourcen der

Umwelt (externe

Produktionsfaktoren)

Leistungen an

die Umwelt

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2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen

spielsweise Informationen über internationale Über-weisungen, Devisengeschäfte und andere Online-Finanzdienstleistungen zur Verfügung, damit dieGeschäftskunden selbst Transaktionen durchführenund Managemententscheidungen fällen können, fürdie früher ein Vermittler erforderlich war. Diese etwaskomplexere Sicht zwingt uns, auch die Arbeitsgestal-tung und die Verfahren zu betrachten, die zur Erzeu-gung von Ergebnissen verwendet werden.

Die eher mikroökonomisch geprägte sowie die ver-haltenstheoretische Definition von Unternehmenwidersprechen sich nicht. Ganz im Gegenteil, sieergänzen einander: Die strukturorientierte Perspek-tive (Abbildung 2.2) gibt Aufschluss darüber, wieTausende von Unternehmen in konkurrierendenMärkten Kapital, Arbeitskraft und IT miteinanderkombinieren, während die verhaltenstheoretischeDefinition unseren Blick auf die Interna einzelnerUnternehmen und die Frage richtet, wie diese Technikdie internen Abläufe eines Unternehmens beeinflusst.

Eine weitere Perspektive, die die Charakteristikader beiden vorbenannten Definitionsansätze verbin-det und eine zentrale Auffassung darstellt wieUnternehmen beschrieben werden können, liefertder systemtheoretische Ansatz der Unternehmung.

2.4.3 Systemtheoretische Perspektive

Wie eingangs beschrieben, ist der Gegenstand derWirtschaftsinformatik von Menschen geschaffeneInformations- und Kommunikationssysteme, dieInformationen beschaffen, verarbeiten, speichern,erzeugen, übertragen und bereitstellen. Dabei beste-hen zwischen ihren Elementen Mensch, Aufgabeund Technik vielschichtige (Wechsel-)Wirkungen.Die Planung und Analyse dieser Systeme folgt vor

diesem Hintergrund häufig dem Erkenntnismodellder Systemtheorie. Die Systemtheorie hat sich ent-lang unterschiedlicher Strömungen entwickelt undfindet in zahlreichen wissenschaftlichen Diszi-plinen Anwendung. Sie ist ein weitverzweigter undheterogener Rahmen für einen interdisziplinärenDiskurs, der den Begriff System als Grundkonzeptführt. Die systemtheoretische Perspektive dient imvorliegenden Kontext zum einen als Denkschab-lone, die zu einem Verständnis von Unternehmenund deren Informationssystemen beiträgt. Zumanderen liefert sie die dem zweiten Teil des BegriffsInformationssystem zugrunde liegenden theoreti-schen Grundlagen. (Eine Behandlung des BegriffsInformation und Abgrenzungen zu Daten und Wis-sen erfolgt in den Kapiteln 1 und 11.)

Der Begriff System geht auf das griechische Wortsystema zurück und bedeutet „Zusammenstellung“oder „Zusammenordnung“. Unter einem System ver-steht man eine Menge von Elementen, zwischendenen zweck- und zielgerichtete Beziehungen undWechselwirkungen bestehen. Der Systembegriff hateine doppelte Bedeutung, da man einerseits Gegen-stände oder die physisch-materielle Welt, anderer-seits aber auch Aussagen oder die Erkenntnis derphysisch-materiellen Welt zusammenordnen kann.Ein System kann daher einerseits etwas in der WeltVorfindliches sein, andererseits aber auch die Zusam-menordnung von Begriffen, von Sätzen, von mensch-lichem Wissen über die Gegenstände. Zur Unter-scheidung der beiden Systemarten bezeichnet mandie Systeme der ersten Art als gegenständliche Sys-teme und die Systeme der zweiten Art als gedank-liche Systeme. Innerhalb der gegenständlichen Sys-teme differenziert man natürliche Gebilde und vomMenschen geschaffenes Gebilde. Man spricht ent-sprechend von natürlichen und von vom Menschen

Abbildung 2.2: Strukturorientierte Perspektive auf UnternehmenKapital und Arbeitskraft (die primären Produktionsfaktoren, die von der Umwelt bereitgestellt werden) werden vom Unternehmen durch den Pro-duktionsprozess in Produkte und Dienstleistungen (Leistungen an die Umwelt) umgewandelt. Die Produkte und Dienstleistungen werden von derUmwelt verbraucht, die zusätzliches Kapital und Arbeitskraft als Produktionsfaktoren in die Feedback-Schleife einfügt.

Ressourcen derUmwelt (externe

Produktions-faktoren)

Unternehmen

Leistungen andie Umwelt

Produktionsprozess

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Wirtschaftsinformatik2

geschaffenen Systemen. Die modernen unterschied-lichen Ausprägungen orientieren sich vorwiegend ander Allgemeinen Systemtheorie, deren Grundzüge inden 1920er-Jahren von dem Biologen L.v. Bertalanffyentworfen wurden. Auf dieser Grundlage kam es1954 zur Gründung der interdisziplinären „Societyfor General Systems Research“, deren Ziel es war,über die Grenzen der Disziplinen mit ihren spezifi-schen Gegenstandsstrukturen hinweg, zur Gemein-samkeit im analytischen Vorgehen zu gelangen.Gemeinsam ist dabei, dass aus der Realität ein als„System“ bezeichneter Teil als Untersuchungsgegen-stand ausgegrenzt wird, dessen Elemente samt ihrenEigenschaften und Beziehungen untereinander, aberauch zwischen diesem System und seiner Umweltfestgestellt werden sollen. Es liegt in der Natur einesSystems, dass es nicht durch die Summe der Einzel-eigenschaften beschrieben werden kann.

Jedoch lassen sich wichtige Unterscheidungentreffen, indem besondere Aspekte – Ansichten desGesamtsystems aus verschiedenen Blickwinkeln –betrachtet werden. Zu den wesentlichen Beschrei-bungsebenen gehören die im Folgenden besproche-nen:Umweltbeziehungen. Die Systemtheoretiker unter-scheiden zwischen offenen und geschlossenen Syste-men. Ein System wird dann als offen bezeichnet,wenn es in irgendeiner Art des Austauschs mit derUmwelt steht und Neuem gegenüber offen ist. Jedesandere System nennt man geschlossen. Die Umwelt-beziehungen umfassen neben dem Austausch vonEnergie und Materie vor allem auch den Austauschvon Informationen. Unternehmen lassen sich grund-sätzlich als offene Systeme auffassen. Im Rahmenkonkreter systemanalytischer Betrachtungen wirdder reale Erkenntnisgegenstand „Unternehmung“ imZuge eines abstrahierenden Denkprozesses von „sei-ner Umwelt“ abgegrenzt. Gleichzeitig kann eine Zer-legung des Systems in Teilsysteme erfolgen. Zerlegtman das System „Unternehmung“ in Teilsysteme, solassen sich diese beispielsweise durch Forschungund Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatzund Finanzwesen repräsentieren. Diese Teilsystemelassen sich wiederum als eigenständige Systeme auf-fassen, die mit ihrer Umwelt in Beziehung stehen.Organisation. Die Verknüpfungsmuster der in einemSystem ablaufenden Prozesse bezeichnet man alsdessen Organisation. Diese kann durch ein Fließ-schema dargestellt werden. Von besonderer Bedeu-tung ist die zyklische (kreisförmig geschlossene)

Organisation. Sollen die Prozesse im Zyklus in Gangbleiben und der Zyklus sich irreversibel immer inder gleichen Richtung drehen, so ist ein Austauschmit der Umwelt erforderlich.

Ein weiterer Aspekt der Systemorganisation betrifftdie Anordnung in einer oder mehreren Funktionsebe-nen. Hierarchische Systeme, in denen jede Ebene alleniedrigeren Ebenen einschließt, bezeichnet man alsvielschichtig. In diesen Systemen existieren Systemeinnerhalb von umfassenderen Systemen, die wiede-rum in ein Gesamtsystem eingebettet sind. In Kon-trollhierarchien, wie man sie in technischen Syste-men häufig vorfindet, fließen Befehle nach unten undInformationen nach oben. In autonomen Schichten-systemen kann jede Ebene Initiative entfalten oderZiele setzen, die dann aber von der jeweils höherenEbene koordiniert werden. Funktion. Die Gesamtcharakteristik aller ablaufen-den Prozesse bezeichnet man als Funktion einesSystems. Die Funktion schließt die Umweltbezie-hungen, die Organisation und die Wechselbezie-hungen der einzelnen Prozesse des Systems ein.Von hervorgehobener Bedeutung ist die Funktionder Autopoiese. Ein System ist dann autopoietisch,wenn seine Funktion darauf ausgerichtet ist, sichselbst zu erneuern. Ein autopoietisches System istin erster Linie selbstreferenziell, das heißt, auf sichselbst bezogen. Im Gegensatz dazu bezieht sich einallopoietisches System auf eine Fremdfunktion.Nach dieser Unterscheidung sind technische Sys-teme allopoietisch, während gesellschaftliche undökonomische Systeme autopoietisch sind.Struktur. Unter der Struktur eines Systems verstehtman zum einen seine räumliche Anordnung und zumanderen seine Veränderung im Zeitablauf. Manspricht daher auch von der Raum-Zeit-Struktur einesSystems. Diese schließt die Funktion und damit auchdie Organisation und Umweltbeziehungen ein. Dynamik und Komplexität des Gesamtsystems. DieDynamik eines Systems kann fremdorganisiert oderselbstorganisiert sein. Natürliche Systeme sind in derRegel selbst- und von außen betriebene Maschinenfremdorganisiert. Der Begriff der Selbstorganisationhat eine lange Historie und findet in unterschied-lichen Disziplinen und Kontexten Verwendung. Manversteht darunter in erster Näherung das spontaneAuftreten von teils neuen räumlichen und zeitlichenStrukturen, deren Entstehung auf das kooperativeWirken von Teilsystemen zurückgeht.

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2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen

Die selbstorganisierte Dynamik von Systemen istursächlich für ihre Komplexität. Diese äußert sich inder Zahl unterschiedlicher Zustände, die ein Systemim Zeitablauf annehmen kann. Komplexität kanneinerseits in den Interaktionen der Systemelementeund andererseits in der sich schnell ändernden Sys-temumwelt begründet sein. Als Folge der Komplexi-tät geht der Zusammenhang zwischen Ursache undWirkung verloren. Dadurch wird die Wirkung vonGestaltungs- und Steuerungsmaßnahmen in Bezugauf das System schwer berechenbar bzw. vorherseh-bar. Komplexität ist damit von Kompliziertheit zuunterscheiden, unter der eine statisch betrachtetgroße Anzahl von Elementen des Systems mit großerUnterschiedlichkeit verstanden werden kann (Beier,2002). Eine Armbanduhr, die aus 1.000 Einzelteilenbesteht, kann demzufolge als kompliziert, jedochnicht als komplex bezeichnet werden.

Die Beherrschung von Systemkomplexität kannals zentrale Aufgabe einer systemorientierten Wirt-schaftsinformatik betrachtet werden.

Lenkbarkeit von Systemen („Regelkreise“)

In Ergänzung – und in Teilen auch enger Verwandt-schaft – zur Allgemeinen Systemtheorie befasst sichdie Kybernetik mit der Einflussnahme auf Systeme

zur Erreichung der Systemziele. Der Begriff leitetsich aus dem griechischen Wort kybernetike ab, dasmit „Steuermannskunst“ übersetzt werden kann.Die näheren Bestimmungen dessen, was Kybernetiksei, gehen weit auseinander. Wir beschränken unsim Folgenden auf den Kernbereich der Kybernetik,die formale Theorie der geregelten dynamischenSysteme. Diese Systeme leisten in kreisrelationalenFunktionsabläufen die Angleichung von Ist- anSollwerte. Von grundlegender Bedeutung für dieformale Regelungstheorie ist dabei der Begriff derRückkopplung (Feedback), das heißt, der kreisför-migen Zusammenschaltung zweier oder mehrererÜbertragungsglieder eines Systems (zum Beispieleines Unternehmens) derart, dass die Ausgangsgrö-ßen eines jeden Systembestandteils die Eingangs-größen des unmittelbar folgenden Bestandteils sind.Unter Regelung wird dann ein Rückkopplungsvor-gang verstanden, bei dem die zu regelnde Größefortwährend mit einer anderen Größe, der Füh-rungsgröße, verglichen und dieser angenähert wird.Die formale Regelungstheorie betrachtet die Sys-temstrukturen als aus gewissen Elementarstruk-turen aufgebaut. Deren Grundtyp zeigt der inAbbildung 2.3 dargestellte Regelkreis.

Im Sinne der skizzierten systemtheoretischen Pers-pektive lassen sich Unternehmen (oder auf einerniedrigeren Abstraktionsebene: Teile von Unterneh-

w

y1

y2

x1

x2

Regelstrecke

Regler

Messort

Störquelle

Stellort

Sollwertgeber

zz: Störgröße

w: Führungsgröße (Sollwert)

y1: Input-Stellgröße

y2: Output-Stellgröße

x1: Input-Messgröße

x2: Output-Messgröße (Istwert)

Abbildung 2.3: Regelkreis

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Baetge (1974) und DIN 19226.

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Wirtschaftsinformatik2

men; oder auf einer höheren Abstraktionsebene:Unternehmen in Kooperation und Wettbewerb) alsoffene, komplexe, soziotechnische und zielgerichteteSysteme auffassen. Die Zielgerichtetheit bezieht sichauf das Verhalten des betrachteten (Teil-)Systems.Typische Zielsysteme sind der Betriebswirtschafs-lehre entnommen. Dazu zählen Sach- und Formal-ziele. Beispiele für Sachziele sind etwa die Art undder Zweck der Leistungserstellung. Beispiele für For-malziele umfassen Vorgaben nach Art und Umfangder Sachzielerreichung (etwa Gewinnmaximierung).

Aus der systemtheoretischen Perspektive handelt essich bei Informationssystemen eines Unternehmensum Systeme, durch die die Leistungsprozesse inner-halb eines Betriebes sowie zwischen dem Betrieb undseiner Umwelt, wie z.B. Beschaffungs-, Absatz- undFinanzmarkt, unterstützt werden. Ein Informations-system ist vor diesem Hintergrund ein soziotechni-sches System, das menschliche und maschinelleKomponenten als Aufgabenträger umfasst, die vonein-ander abhängig sind, ineinander greifen und zusam-menwirken.

Während die systemtheoretische Perspektive dieAnalyse, den Entwurf und die Planung von Infor-mations- und Kommunikationssystemen leitet, wirdin der wissenschaftlichen Diskussion derzeit auchgeprüft, ob die allgemeine Systemtheorie darüber hin-aus als konstituierendes, theoretisches Grundelementder Wirtschaftsinformatik dienen kann (Patig, 2001).

2.4.4 Merkmale von Unternehmen

Organisationen weisen aus vielerlei Gründen unter-schiedliche Formen oder Strukturen auf. Sie unter-scheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele und der Mittel,die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden.Einige Einrichtungen haben Zwangsmaßnahmenzum Ziel (z.B. Gefängnisse), andere verfolgenGewinnabsichten (z.B. Privatunternehmen). Wiede-rum andere haben normative Ziele (Universitäten,religiöse Gruppen). Diese Einrichtungen dienen auchverschiedenen Gruppen bzw. haben verschiedeneZielgruppen. Einige Einrichtungen sind hauptsäch-lich für ihre Mitglieder von Nutzen, andere für Kun-den, Aktionäre oder die Öffentlichkeit. Die Art derFührung kann in verschiedenen Einrichtungen bzw.Unternehmen höchst unterschiedlich sein. EinigeUnternehmen sind eher demokratischer oder autori-

tärer geprägt als andere. Ein weiterer Unterschiedzwischen Unternehmen besteht in den Aufgaben,welche die Unternehmen erfüllen, und den vonihnen eingesetzten Technologien. Einige Unterneh-men führen primär Routineaufgaben aus, die sich aufformale Regeln reduzieren ließen, für die kaumeigenes Urteilsvermögen erforderlich ist (z.B. beiMassenfertigung von standardisierten Teilen), wäh-rend andere Unternehmen (etwa Beratungsfirmen)primär eher individuelle und vergleichsweise starkwechselnde Aufgaben ausführen.

Informationssysteme können sich auf verschie-dene Unternehmen unter verschiedenen Bedingun-gen unterschiedlich auswirken. Nur nach eingehen-der Analyse eines bestimmten Unternehmens undBerücksichtigung spezifischer Kontingenzen kannein Manager Informationssysteme effizient entwer-fen und verwalten.

Informationssysteme und Unternehmen beeinflus-sen sich gegenseitig. Informationssysteme müssen anden Bedürfnissen des Unternehmens ausgerichtetwerden, damit sie die Informationen bereitstellen,die von den wichtigen Gruppen innerhalb des Unter-nehmens benötigt werden. Gleichzeitig muss sichdas Unternehmen bewusst sein, welchen Einflussdie Informationssysteme auf sie haben, und diesenEinflüssen gegenüber offen sein, um von neuenTechniken profitieren zu können.

Die Interaktion zwischen IT und einem Unterneh-men ist sehr komplex und wird durch eine Vielzahlvon Faktoren moderiert, katalysiert und vermittelt,zu denen Organisationsstruktur, Verfahrensricht-linien, Politik, Kultur, Umfeld des Unternehmensund Entscheidungen seines Managements gehören(Abbildung 2.4). Die Führungskräfte müssen sichbewusst sein, dass Informationssysteme das Unter-nehmensinnere entscheidend verändern können. Siekönnen nur dann erfolgreich neue Systeme entwer-fen oder vorhandene Systeme durchblicken, wennsie das Unternehmen verstehen. Das Managemententscheidet, welche Systeme aufgebaut werden, wasdiese Systeme ausführen, wie sie implementiert wer-den sollen und so weiter. Manchmal sind diese Ent-scheidungen nicht sonderlich fundiert. Zeit- oderRessourcenrestriktionen sowie Informationsmangelverhindern eine sachlich gerechtfertigte Entschei-dung. Nichtsdestotrotz stehen Entscheidungsträgerunter Handlungsdruck.

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2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen

Abbildung 2.4: Die wechselseitige Beziehung zwischen Unternehmen und ITDiese komplexe wechselseitige Beziehung wird durch viele Faktoren beeinflusst, zu denen vor allem auch die Entscheidungen gehören, die vonFührungskräften gefällt (oder nicht gefällt) werden. Andere Faktoren sind beispielsweise die Unternehmensphilosophie, Verwaltung, Politik,Geschäftsmodalitäten und Zufälle.

Zum besseren Verständnis des „Unternehmensbegrif-fes“ und der potenziell unterschiedlichen Effektivitätvon Informationssystemen in unterschiedlichen Un-ternehmen sollen einige Merkmale, gruppiert nach„gemeinsamen“ und nach „differenzierenden“, vor-gestellt werden.

Gemeinsame Merkmale

Obwohl es vielleicht nicht den Anschein hat, dassApple, United Airlines und das Police Departmentvon Aspen, Colorado, viel gemeinsam haben, ist diesdennoch der Fall. In mancherlei Hinsicht sind allemodernen Organisationen gleich, weil sie die Cha-rakteristika aufweisen, die in Tabelle 2.4 aufgeführtsind. Der deutsche Soziologe Max Weber hat Anfangdes zwanzigsten Jahrhunderts als Erster diese „ideal-typischen“ Merkmale eines Unternehmens beschrie-ben (Weber, 1950). Er nannte Unternehmen Büro-kratien, die bestimmte „strukturelle“ Merkmale auf-weisen.

p

Nach Weber weisen alle modernen Bürokratien eineklare Arbeitsteilung und Spezialisierung auf. Unter-nehmen ordnen Spezialisten in eine Autoritätshier-archie ein, in der jeder jemand anderem gegenüberrechenschaftspflichtig ist und die Autorität aufbestimmte Aktionen beschränkt ist. Autorität undAktionen werden zudem durch abstrakte Regeln oderVerfahren (Verfahrensrichtlinien) eingeschränkt, dieinterpretiert und auf einzelne Fälle angewendet wer-den. Diese Regeln führen zu einem unparteiischenund allgemeinen Entscheidungsfindungssystem, indem alle gleich behandelt werden. Bei der Ein-stellung und Beförderung von Mitarbeitern sind fürUnternehmen die technische Qualifikation und Pro-fessionalität (und nicht persönliche Beziehungen)

Unternehmen Informations-

technik

EinflussfaktorenUnternehmensumweltKulturOrganisationsstrukturVerfahrensrichtlinienGeschäftsprozessePolitikManagemententscheidungenZufälle

Bürokratie | Formales Unternehmen mit einer klarenArbeitsteilung, mit abstrakten Regeln und Verfahren undunparteiischer Entscheidungsfindung, in der ausschließ-lich Qualifikation und Professionalität für die Beförde-rung von Mitarbeitern ausschlaggebend sind.

Tabelle 2.4

Strukturelle Merkmale von Unternehmen

Klare Arbeitsteilung

Hierarchie

Explizite Regeln und Verfahren

Unparteiische Urteile

Erfordernis technischer Qualifikationen für bestimmte Positionen

Maximale organisatorische Effizienz

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Wirtschaftsinformatik2

ausschlaggebend. Das Unternehmen hat sich demPrinzip der Effizienz verschrieben: mit beschränktenEingaben maximale Ausgaben zu erzielen.

Nach Weber sind Bürokratien vorherrschend, weilsie die effiziente Unternehmensform darstellen.Andere Wissenschaftler haben Weber ergänzt undzusätzliche Merkmale beschrieben. Alle Unterneh-men entwickeln Verfahrensrichtlinien, eine Politikund eine Kultur.

Verfahrensrichtlinien Unternehmen, die lange Zeitbestehen, werden in der Regel effizient darin, einebegrenzte Zahl von Produkten und Dienstleistungennach Standardverfahren zu produzieren. Diese Stan-dardverfahren werden in präzisen Regeln, Verfahrenund Praktiken codiert, die Verfahrensrichtliniengenannt werden und dazu entwickelt wurden, prak-tisch jede zu erwartende Situation beherrschen zukönnen. Einige dieser Regeln und Verfahren sindschriftliche, formale Verfahrensrichtlinien. Bei denmeisten handelt es sich jedoch um „Faustregeln“, diein ausgewählten Situationen zu befolgen sind.Geschäftsprozesse basieren auf Verfahrensrichtlinien.

Beispielsweise entwickeln das Management unddie Arbeiter für den Zusammenbau eines Autoszahlreiche Verfahrensrichtlinien, damit Tausendevon Arbeitsgängen präzise und effektiv ausgeführtwerden, sodass am Ende ein fertiges Produkt vomBand rollen kann. Jede Änderung der Verfahrens-richtlinien bedeutet einen großen organisatorischenAufwand. Das Unternehmen muss unter Umstän-den sogar den gesamten Produktionsprozess unter-brechen, damit eine alte Verfahrensrichtlinie außerKraft gesetzt werden kann.

Unternehmenspolitik Die zu einem Unternehmengehörenden Menschen besetzen verschiedene Posi-tionen mit verschiedenen Spezialkenntnissen, Schwer-punkten und Perspektiven. Infolgedessen haben sieunterschiedliche Meinungen dazu, wie Ressourcen,Prämien und Erfolgsprämien verteilt werden sollten.Diese Unterschiede sind sowohl für die Führungs-kräfte als auch für die Arbeiter wichtig und führen inUnternehmen häufig zu politischen Auseinanderset-zungen, Konkurrenz und Konflikten. PolitischeWiderstände sind eine der großen Schwierigkeiten,die Veränderungen des Unternehmens erschweren,insbesondere bei der Entwicklung neuer Informa-tionssysteme. Jedes Informationssystem, das bedeu-tende Veränderungen hinsichtlich der Ziele, der Ver-

fahren, der Produktivität und des Personalbestandsbewirkt, kann Anlass eines politischen Streits wer-den und eine ernst zu nehmende politische Opposi-tion hervorrufen.

Unternehmensphilosophie In allen Unternehmengibt es grundlegende und (von den Mitgliedern) unan-gefochtene Annahmen, die die Ziele und Produkte desUnternehmens definieren. Unter einer Unterneh-mensphilosophie verstehen wir diese Menge grund-legender Annahmen darüber, welche Produkte dasUnternehmen herstellen sollte und wie, wo und fürwen es diese produzieren sollte. Im Allgemeinenkonstituieren diese Meinungen eine spezifische Unter-nehmenskultur, deren tief wurzelnde Annahmen alsgegeben betrachtet und kaum öffentlich bekannt gege-ben oder besprochen werden (Schein, 1985).

Die Unternehmensphilosophie ist eine starke,vereinende Kraft, die politische Konflikte begrenztund ein gemeinsames Verständnis und die Akzep-tanz von Verfahren und allgemeinen Vorgehenswei-sen fördert. Wenn wir alle dieselben kulturellenAnnahmen zugrunde legen, dann lässt sich wahr-scheinlich auch in anderen Angelegenheiten eherEinigkeit erzielen.

Gleichzeitig ist die Unternehmensphilosophie einFaktor, der Wandel entgegenwirkt, insbesonderetechnischem Wandel. Die meisten Unternehmentendieren dazu, Änderungen der Grundannahmenzu vermeiden. Jede technologische Veränderung,die gemeinsame kulturelle Annahmen bedroht,trifft daher häufig auf großen Widerstand. Es gibtallerdings Situationen, in denen sich eine Firmanur weiterentwickeln kann, wenn sie eine neueTechnik einsetzt, die der vorhandenen Unterneh-mensphilosophie direkt entgegensteht. In diesenFällen wird die Einführung der neuen Technik häu-fig aufgehalten, während die Unternehmensphilo-sophie langsam angepasst wird.

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Verfahrensrichtlinien | Formale Regeln, Vorschriftenund Verfahren zur Aufgabenerledigung, die vom Unterneh-men für den Umgang mit allen Situationen, die erfahrungs-gemäß eintreten können, entwickelt wurden.

Unternehmensphilosophie | Die Menge grundle-gender Annahmen darüber, welche Produkte das Unter-nehmen herstellen sollte und wie, wo und für wen es dieseproduzieren sollte.

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2.4 Perspektiven der Wirtschaftsinformatik auf Unternehmen

Differenzierende Merkmale

Obwohl alle Unternehmen gemeinsame Merkmaleaufweisen, ist jedes Unternehmen einzigartig. Spe-zifische Unternehmen haben verschiedene Orga-nisationsstrukturen, Ziele, Kunden, Führungsstile,Aufgaben und Umfelder.

Unternehmenstypen Die Struktur oder Form istein wichtiges Merkmal, in dem sich Unternehmenunterscheiden. Die Unterschiede zwischen Unter-nehmensstrukturen lassen sich auf vielerlei Weisecharakterisieren. Die Klassifizierung nach Mintzberg,die in Tabelle 2.5 beschrieben wird, unterscheidetfünf Grundtypen von Unternehmen (Mintzberg,1979).

Umwelt des Unternehmens Unternehmen existie-ren stets in einer Umwelt, aus der sie Ressourcenbeziehen und die sie mit Waren und Dienstleistun-gen versorgen. Zwischen Unternehmen und Umweltbesteht eine Wechselbeziehung.

Einerseits sind Unternehmen der sozialen und physi-schen Umwelt, die sie umgibt, gegenüber offen undvon ihr abhängig. Ohne finanzielle und personelleRessourcen (Menschen, die bereit sind, für einenfestgelegten Lohn oder Einnahmen von Kundenzuverlässig und beständig zu arbeiten) würde eskeine Unternehmen geben. Unternehmen müssen aufgesetzliche und andere Anforderungen, die von staat-licher Seite gestellt werden, und auf die Handlungenvon Kunden und Konkurrenten reagieren. Anderer-seits können Unternehmen ihre Umwelt verändern.Unternehmen schließen sich in Bündnissen zusam-men, um auf Politik und Gesetzgebung Einfluss zunehmen. Sie betreiben Werbung, um die Akzeptanzihrer Produkte bei den Kunden zu beeinflussen.Abbildung 2.5 zeigt, dass Informationssysteme

eine wichtige Rolle dabei spielen, Unternehmen zuhelfen, Änderungen der Umwelt wahrzunehmenund auf ihre Umwelt zu reagieren. Informationssys-teme sind wichtige Hilfsmittel zum Beobachten derUmwelt, die dem Management dabei helfen, externeÄnderungen zu erkennen, die unter Umständeneine Reaktion des Unternehmens erfordern.

Tabelle 2.5

Beispielhafte Einteilung verschiedener Unternehmenstypen

Unternehmenstyp Beschreibung Beispiel

Einfach-Struktur Junge, kleine Firma in einem sich schnell ändernden Umfeld. Das Unternehmen hat eine einfache Organisationsstruktur und wird von einem Unternehmer als alleinigem Geschäftsführer geleitet.

Kleines Start-up-Unternehmen

Maschinen-Bürokratie Große Verwaltung in einem sich langsam ändernden Umfeld, die maschinell Standardprodukte erzeugt. Dieses Unternehmen zeichnet sich durch ein zentrales Managementteam und eine zentralisierte Ent-scheidungsfindung aus.

Fertigungsbetrieb mittlerer Größe

Divisional-Struktur Kombination mehrerer Maschinen-Bürokratien, die jeweils andere Produkte oder Dienstleistungen erzeugen und gemeinsam von einer zentralen Hauptstelle geleitet werden.

Großunternehmen wie z.B. General Motors

Profi-Bürokratie Wissensbasiertes Unternehmen, dessen Waren und Dienstleistungen von der Expertise und dem Wissen von Experten abhängen. Für die Leistung dieses Unternehmens sind starke Abteilungsleiter kennzeich-nend, während zentrale Befugnisse schwach ausgeprägt sind.

Anwaltskanzleien, Schulsysteme

Adhokratie „Task-force“-Organisation, die auf ein sich rasch änderndes Umfeld reagieren muss. Diese Organisation besteht aus großen Gruppen von Spezialisten, die kurzzeitig interdisziplinäre Teams bilden und ein schwaches zentrales Management aufweisen.

Beratungsfirmen wie z.B. Rand Corporation

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Abbildung 2.5: Zwischen Unternehmen und Umwelt besteht eine WechselbeziehungDie Umwelt bestimmt den Handlungsspielraum eines Unternehmens, aber Unternehmen können ihre Umwelt beeinflussen und sie von Grund aufändern. Informationssysteme spielen eine entscheidende Rolle darin, Unternehmen zu helfen, Änderungen der Umwelt wahrzunehmen und aufihre Umwelt zu reagieren.

Die Umwelt ändert sich in der Regel schneller alsdas Unternehmen. Hauptgründe für das Scheiternvon Unternehmen sind ihre Unfähigkeit, sich aneine schnell verändernde Umwelt anzupassen undein Mangel an Ressourcen (insbesondere bei jungenUnternehmen), um schwierige Zeiten überdauern zukönnen (Freeman et al., 1983). Technische Änderun-gen, neue Produkte und Änderungen im Geschmackund in den Werten der Gesellschaft (die sich häufigin neuen gesetzlichen Regelungen niederschlagen)belasten Kultur, Politik und Unternehmensangehö-rige. Die meisten Unternehmen werden mit umfang-reichen Veränderungen der Umwelt nicht gut fertig.Die Trägheit der Verfahrensrichtlinien eines Unter-nehmens, die politischen Konflikte, die durch Ver-änderungen an der bestehenden Ordnung ausgelöstwerden, und die Bedrohung etablierter kulturellerWerte hindern Unternehmen in der Regel daran,Änderungen größeren Umfangs vorzunehmen. Esmag nicht überraschen, dass nur 10% der 500 füh-renden Unternehmen in den USA (Fortune 500) ausdem Jahr 1919 heute noch bestehen.

Informationsquellen zur Wirtschaftsinformatik 2.5Mit der Entwicklung der Wirtschaftsinformatik zueiner weithin sichtbaren und in weiten Teilen rei-

fen wissenschaftlichen Disziplin hat sich ein rei-cher Fundus an Literatur herausgebildet. Davonzeugen die zwar streng selektierten, aber dennochzahlreichen bibliografischen Hinweise am Endedieses Buches.

Viele neuere Entwicklungen auf dem Gebiet derWirtschaftsinformatik und ihrer benachbarten Dis-ziplinen finden oft zuerst Eingang in Fachzeitschrif-ten, Forschungsberichten und Konferenzbänden.

An dieser Stelle werden ergänzend und in Über-sichtsform diese weiteren Kategorien vorgestellt sowieeinige Einstiegsseiten respektive Suchmaschinen fürdie gezielte Suche nach insbesondere freien Doku-menten angegeben (Brenner, 2009).

Zeitschriften mit primärem Praktiker-/Entscheidungsträger-/Anwenderfokus (deutschsprachig)

CIO-Magazin (seit 2001) Computerworld (wöchentlich, seit 1967) c’t (wöchentlich, seit 1983) Computerwoche (wöchentlich, seit 1974) Datenschutz und Datensicherheit (DuD, seit 1977) iX (monatlich, seit 1988) PPS Management (Zeitschrift für Produktion und

Logistik, seit 1996)

Das Unternehmen und seine Umwelt

Durch die Umwelt gegebeneRessourcen und Beschränkungen

Regierung und Behörden

Konkurrenten

Kunden

Kreditinstitute

Kultur und Werte

Wissen

Technik

Das Unternehmen

Informationssysteme

Literatur

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2.5 Informationsquellen zur Wirtschaftsinformatik

ERP Management (Zeitschrift für unternehmens-weite Anwendungssysteme, seit 2005)

INDUSTRIE Management (Zeitschrift für indus-trielle Geschäftsprozesse, seit 1999)

Scheer Magazin (2x jährlich, deutsch und eng-lisch, seit 1991)

IM+io Magazin für Innovation, Organisation undManagement (4x jährlich, seit 1986)

IT-Governance (seit 2007) Wirtschaftsinformatik und Management (seit 2009) Zeitschrift Risk, Fraud & Compliance (ZRFG, seit

2006)

Zeitschriften mit primärem Praktiker-/Entscheidungsträger-/Anwenderfokus (englischsprachig)

CIO Magazine (23x jährlich, seit 1987) Harvard Business Review (monatlich) IT-Grundschutz – Informationsdienst (8x jährlich) MIS Quarterly Executive (quartalsweise) MIT Sloan Management Review (quartalsweise)

Zeitschriften mit primärem wissenschaft-lichem Fokus (deutschsprachig)

Angaben jeweils einschließlich relevanter Zeitschrif-ten angrenzender Disziplinen:

HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik (zwei-monatlich)

Informatik-Spektrum (Vereinsorgan der Gesell-schaft für Informatik; zweimonatlich)

Medienwirtschaft

Zeitschriften mit primärem wissenschaft-lichem Fokus (englischsprachig)

Die nachfolgende Auflistung orientiert sich eng anden sogenannten „WI-Listen” der WissenschaftlichenKommission Wirtschaftsinformatik (WKWI). Angabenjeweils einschließlich relevanter Zeitschriften angren-zender Disziplinen:

ACM Computing Surveys ACM Transactions Journals (ACMT)

ACMSIG (ACM Special Interest Group Publica-tions) [sofern referierte Beiträge]

AI & Society Applied Artificial Intelligence Artificial Intelligence Australian Journal of Information Systems Behaviour and Information Technology BISE (englischsprachige Nachfolger der WIRT-

SCHAFTSINFORMATIK) Business Process Management Journal (BPMJ) Communications of the Association for Compu-

ter Machinery (CACM) Communications of the Association of Informa-

tion Systems (CAIS) Computer Journal (Oxford) Computer Supported Cooperative Work (CSCW)

ISSN 0925-9724 (Print) 1573-7551 (Online) [TheJ. of Coll. Computing]

Computers and Operations Research (COR) Computers and Security Data and Knowledge Engineering Data Management Database Programming and Design Decision Sciences (DSI) Decision Support Systems (DSS) Electronic Commerce Research and Applications

(ECRA) Electronic Commerce Research Journal Electronic Markets (EM) Enterprise Modelling and Information Systems

Architectures e-Service Journal European Journal of Information Systems (EJIS) European Journal of Operational Research (EJOR) Expert Systems with Applications Human-Computer Interaction (HCI) I&O (Information and Organization) [ehemals

Accounting, Management & IT 1995–2000] IBM Systems Journal IEEE Computer (IEEEC) IEEE Intelligent Systems IEEE Internet Computing IEEE Pervasive Computing IEEE Software IEEE- Transactions- Journale (IEEET) Information & Management (I&M) Information Processing and Management Information Resources Management Journal Information Systems (ISYS [Elsevier])

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Information Systems and e-Business Management(ISeB)

Information Systems Frontiers (ISF) Information Systems Journal (ISJ) Information Systems Management Information Systems Research (ISR) Information Technology and People Informing Science Journal (INFSJ) [The Interna-

tional Journal of an Emerging Transdiscipline] Intelligent Systems in Accounting, Finance &

Management Interface: The Computer Education Quarterly Interfaces (Informs) International Journal of Cooperative Information

Systems (IJCIS) International Journal of Electronic Business (IJEB) International Journal of Electronic Commerce (IJEC) International Journal of Human Computer Inter-

action (IJHCI) International Journal of Human Computer Studies

(IJHCS) [ehemals International Journal of Man-Machine Studies]

International Journal of Information Management(IJIM) [Elsevier]

International Journal of Information Security International Journal of Internet and Enterprise

Management International Journal of Mobile Communications International Journal of Technology Management

(IJTM) International Journal of the Economics of Busi-

ness International Journal on Media Management Journal of Computer Information Systems [Inter-

national Association of Computer InformationSystems] (JCIS)

Journal of Computer-Mediated Communication(JCMC)

Journal of Database Management Journal of Decision Systems (JDS) Journal of Digital Information Management Journal of Education for Management Informa-

tion Systems Journal of Electronic Commerce in Organizations

(JECO) Journal of Electronic Commerce Research (JECR) Journal of End User Computing Journal of Information Management Journal of Information Science Journal of Information Systems (Accounting)

Journal of Information Systems Education Journal of Information Systems Management Journal of Information Technology (JIT) Journal of Information Technology Management Journal of Interactive Marketing Journal of International Technology and Informa-

tion Management Journal of Internet Research Journal of Management Information Systems

(JMIS) Journal of Management Systems Journal of Media Business Studies Journal of Organizational and End User Compu-

ting Journal of Organizational Change Management

(JOCM) Journal of Organizational Computing and Elec-

tronic Commerce Journal of Strategic Information Systems (JSIS) Journal of Systems and Software Journal of Systems Management Journal of the Association of Information Sys-

tems (JAIS) Journal of Web Engineering (JWE) Journal on Computing Knowledge and Information Systems Knowledge Based Systems Logistic Information Management (LIM) Management Information Systems Quarterly

(MISQ) Management Information Systems Quarterly Exe-

cutive (MISQE) Management Science (MS) Mobile Computing and Communications Review

(eine ACM- SIGMOBILE- Publikation) Mobile Networks and Applications (MONET) Omega Organization Science (OS) Organizational Behavior and Human Decision

Processes Quarterly Journal of Electronic Commerce Scandinavian Journal of Information Systems

(SJIS) Technology and Management (T&M) The DATA BASE for Advances in IS (DATA

BASE) The Information Society (TIS) The International Journal of IT Standards & Stan-

dardization Research (JITSR)

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2.5 Informationsquellen zur Wirtschaftsinformatik

Forschungsberichte und Konferenzbände

Eine wichtige Quelle aktueller Forschungsergeb-nisse bilden Arbeits- oder Forschungsberichte vonUniversitätsinstituten und Forschungseinrichtun-gen, jedoch ohne das Qualitätssiegel eines im Regel-fall zeitlich aufwendigen Review-Prozesses einesVerlages. In den USA sind die Working Papers derSloan School of Management am MIT und desManagement Information Systems Research Centeran der University of Minnesota bekannt, die jeweilsim WWW veröffentlicht werden (Brenner, 2009).Auch Konferenzbände enthalten meist aktuellereForschungsergebnisse als Journale und Fachbücher.Für die Wirtschaftsinformatik sind insbesonderedie jährlichen, eher größeren und breit aufgestelltenKonferenzen wie etwa die Americas Conference onInformation Systems (AMCIS), European Confe-rence on Information Systems (ECIS), Hawaii Inter-national Conference on System Sciences (HICSS),die Pacific Asia Conference on Information Systems(PACIS) und die International Conference on Infor-mation Systems (ICIS) von Bedeutung. Im deutsch-sprachigen Raum sind die Multikonferenz Wirt-schaftsinformatik (MKWI) und die Konferenz Wirt-schaftsinformatik (WI) hervorzuheben, die jeweilsalle zwei Jahre stattfinden.

Onlinequellen

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass zahl-reiche Informationen im Kontext der Wirtschafts-informatik „online“ veröffentlicht werden, teilweiseals Arbeitsberichte oder als Kopien professionell ver-legter Publikationen. Ebenso ist eine Tendenz zubeobachten, wissenschaftliche Literatur und Quellenunter dem Schlagwort „Open Access“ der Allgemein-heit teilweise unter Ausschluss traditioneller Verlags-und Verlegerstrukturen frei zugänglich zu machen.Für die Suche nach derartigen Publikationen gibt esunter anderen die folgenden Suchmaschinen:

Bielefeld Academic Search Engine (BASE):http://www.base-search.net/

DOAJ (Directory of Open Access Journals):www.doaj.org

OpenDOAR (Directory of Open Access Reposito-ries):www.opendoar.org

OAlster (Suchmaschine für Dokumente nachdem OAI-Standard):www.oaister.org

Als weitere Online-Informationsquellen können die-nen:

Social Science Research Network (SSRN): http://www.ssrn.com/en/

Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik (Olden-bourg Wissenschaftsverlag, Herausgeber Kurbel,K; Becker, J.; Gronau, N.; Sinz, E.; Suhl, L.)http://www.oldenbourg.de:8080/wi-enzyklopaedie

Die „Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik“ ist einGemeinschaftsprojekt. Die achte Auflage verzeichnetüber 600 Einträge von über 230 Autoren, zumeistWirtschaftsinformatik-Professoren von deutschen,österreichischen und schweizerischen Universitätensowie Habilitanden und Nachwuchswissenschaftlerneben externen Fachexperten. Die Inhalte der Bei-träge werden von den jeweiligen Autoren verant-wortet. Die Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatikist ein Nachschlagewerk, das wesentliche Begriffeaus der Wirtschaftsinformatik erläutert und für jeder-mann online frei zugänglich ist. Die Stichwörter wer-den je nach Thema in kurzen, mittleren oder längerenBeiträgen erläutert. Zielgruppe bilden Wissenschaft-ler, Praktiker und Studierende. Die Einträge sollenkontinuierlich bei Bedarf überarbeitet werden.

ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschafthttp://www.econbiz.de/

Als Zentrale Fachbibliothek für die Wirtschaftswis-senschaften in Deutschland, die von Bund und Län-dern gemeinsam gefördert wird, ist die ZBW mit ihrerSuchmaschine www.econbiz.de die Bibliothek mitdem größten Bestand an wirtschaftswissenschaft-licher Literatur weltweit; sie bietet einen kostenfreienund überegionalen Zugang zu Millionen wirtschafts-wissenschaftlichen Online-Dokumenten (Siegfried,2015).

Wikipediahttp://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite

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Wirtschaftsinformatik2

Wikipedia ist ein Projekt zum Aufbau einer Enzy-klopädie aus freien Inhalten in allen Sprachen derWelt zu nahezu allen Themen. Unter den zahl-reichen Artikeln finden sich auch Einträge zu The-men, die für die Wirtschaftsinformatik relevantsind. Hierbei befinden sich auch sehr spezifischeund aktuelle Informationen. Da allerdings nichtgewährleistet ist, dass jeder Artikel ein professio-nelles Fachlektorat durchläuft, ist Wikipedia als

eine unter weiteren Anlaufstellen für Informationenzu sehen.

Als Informationsquelle sind zunehmend Social-Networking-Plattformen interessant, z.B.:

researchgatehttp://www.researchgate.net/ und

Mendeleyhttps://www.mendeley.com/

ZUAMMENFASSUNG

1. Was versteht man unter Wirtschaftsinforma-tik?

Wirtschaftsinformatik ist eine Wissenschaft,die sich mit der Beschreibung, Erklärung, Ge-staltung und Vorhersage rechnergestützter In-formationssysteme und deren Einsatz in Wirt-schaftsunternehmen, Verwaltung und privatemLebensumfeld befasst. Sie versteht sich als in-terdisziplinäres Fach zwischen Betriebswirt-schaftslehre und Informatik.

Wirtschaftsinformatik vereint die theoretischeArbeit der Disziplinen Informatik und Betriebs-wirtschaftslehre mit der praktischen Ausrich-tung auf die Entwicklung von Systemlösungenfür Probleme aus dem Unternehmens- und Ver-waltungsalltag und das Management der IT-Res-sourcen.

2. Was müssen Führungskräfte über Unternehmenwissen, um Informationssysteme erfolgreichaufbauen und einsetzen zu können?

Führungskräfte müssen bestimmte wichtigeMerkmale von Unternehmen kennen, um Infor-mationssysteme erfolgreich entwickeln und ein-setzen zu können. Jedes Unternehmen verfügtüber eine spezifische Organisationsstruktur. Zu-meist arbeiten sie nach expliziten Verfahrens-richtlinien, um ihre Effizienz zu optimieren. AlleUnternehmen besitzen ihre eigene Politik undUnternehmensphilosophie, die Ergebnis unter-schiedlicher Interessengruppen sind. Unterneh-men unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele,Zielgruppen, sozialen Rollen, Führungsstile, Mo-tivationsanreize, ausgeführten Aufgabentypenund ihres Umfelds. Diese Unterschiede resultie-ren in unterschiedlichen Organisationsstruktu-ren. Die Kenntnis all dieser Eigenheiten von Un-ternehmen trägt zu einem adäquaten Aufbau undEinsatz von Informationssystemen bei. Im Übri-gen lassen sich anhand dieser Besonderheitenauch die Unterschiede im Einsatz von Informa-tionssystemen zwischen Unternehmen erklären.

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Schlüsselbegriffe

SCHLÜSSELBEGRIFFE

Aktionsforschung, S. 63Analyse sozialer Netzwerke

(Social Network Analysis), S. 64Aufgabenspektrum eines Wirtschafts-

informatikers, S. 58Automation, S. 62Befähigung (enabling), S. 62Berufsfelder in der Wirtschaftsinformatik, S. 59Bürokratie, S. 79Design Science, S. 61Digitale Transformation, S. 73Ethnografie, S. 63Fallstudie, S. 63Formal-konzeptionelle und argumentativ-

deduktive Analyse, S. 63Forschungsmethoden in der Wirtschafts-

informatik, S. 63Forschungsparadigmen, S. 61Forschungsziele der Wirtschaftsinformatik, S. 61Geschichte der Wirtschaftsinformatik, S. 64Gestaltungsziel der Wirtschaftsinformatik, S. 60Grounded Theory, S. 63Industrie 4.0, S. 73Informationsquellen zur Wirtschafts-

informatik, S. 82

Integration, S. 62Kybernetik, S. 77Labor-/Feldexperiment, S. 64Perspektiven auf Unternehmen– mikroökonomisch, S. 73– systemtheoretisch, S. 73– verhaltenstheoretisch, S. 73Prototyping, S. 63Qualitative/Quantitative Querschnittsanalyse, S. 64Referenzmodellierung, S. 63Regelkreis, S. 77Rückkopplung (Feedback), S. 77Simulation, S. 63soziotechnische Systeme, S. 57Unternehmen

(strukturorientierte Definition), S. 73Unternehmen

(verhaltenstheoretische Definition), S. 74Unternehmensphilosophie, S. 80Unterstützung, S. 62Verfahrensrichtlinien, S. 80Vollvirtualisierung, S. 62Wirtschaftsinformatik, S. 57

WIEDERHOLUNGSFRAGEN

1. Was versteht man unter Wirtschaftsinformatik?Welche Beziehungen hat die Wirtschaftsinfor-matik zu den Disziplinen Informatik und Be-triebswirtschaftslehre?

2. Mit welchen Teilbereichen befasst sich dieWirtschaftsinformatik?

3. Mit welchen Bereichen beschäftigt sich dieWirtschaftsinformatik in Theorie und Praxis?

4. Welches sind die Forschungsparadigmen derWirtschaftsinformatik?

5. Welche Phasen durchlief die Wirtschaftsinfor-matik in ihrer Entstehungsgeschichte? WelcheEreignisse sind für die jeweilige Phase aus-schlaggebend?

6. Was sind die Berufsfelder für Wirtschaftsinfor-matiker? Wie lassen sich diese kategorisieren?

7. Was ist ein Unternehmen? Vergleichen Sie diestrukturorientierte Perspektive von Unterneh-men mit der verhaltenstheoretischen Defini-tion.

8. Inwiefern verbindet die systemtheoretischePerspektive die technische und verhaltensorien-tierte Perspektive? Welche Eigenschaften liegendieser Perspektive zugrunde?

9. Welche Merkmale sind allen Unternehmen ge-meinsam? In welcher Weise können sich Un-ternehmen voneinander unterscheiden?

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10. Was sind die fünf Grundtypen von Unterneh-mensstrukturen nach Mintzberg? Welche Cha-rakteristiken liegen dem jeweiligen Typen zu-grunde?

11. Anhand welcher Merkmale können Unterneh-men charakterisiert werden? Warum hat die Um-welt einen entscheidenden Einfluss auf den Un-ternehmenserfolg?

DISKUSSIONSFRAGEN

1. Warum sind die Gestaltung und der Betriebvon Informationssystemen in Organisationenkein Selbstzweck? Nehmen Sie Stellung zudieser Aussage und erläutern Sie Ihre Antwort.

2. Worauf ist zu achten, wenn Informationssys-teme in Unternehmen integriert werden? Neh-men Sie Stellung zu der Aussage, dass Informa-tionssysteme individuell auf das Unternehmenangepasst werden müssen.