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522 Tagungen und Vortriige Wissenschaftliche Ausstellung des 2. Internalionalen 0rthodon- tischen Kongresses in London vom 20. his 24. Juli 1931 + Exposition seieniifique du 2e Congr(~s International d'0rthodonlie de Londres, 20--24 juillet 1931 O Scientific ExhibHion of lhe 2nd InternationM Orthodontic Congress in London, July 20th to 24th, 1931 ~Venn die Vortr~ge und Demonstrationen trotz der Schwierigkeitcn der Spraehe, mit der mancher Redner k~impfen muBte, bereits groBem Interesse begegneten, so war die wissen- schaftliche Ausstellung vielleicht das Herz des ganzen Kongresses, we man sich immer wieder in den Pausen traf, um in aller Ruhe die ausgestellten Objckte zu studieren. Es war eine seltene Gelegenheit, diese aus allen Teilen der "Welt zusammengebrachten, gr6gtenteils sehr wert- vollen Ausstellungsobjekte an einem Orte zusammen zu sehen, und dem Prfisident des Aus- stellungskomitees, Herrn Dr. Highton, und seinen Mitarbeitern gebiihrt besonderer Dank ftir den Eifer und die Tatkraft, mit tier trotz des etwas besehrfinkten Raumes alle Sehwierig- keiten beseitigt wurden. Unter den Ausstellern waren 27 Orthodontisten aus Nordamerika, aus Europa 20, davon aus Deutschland und 0sterreich 5 und aus England 13 Orthodontisten. Nur in kurzen "Worten kann an dieser Stelle fiber die wesentlichsten Objekte der Aus- stellung berichtet werden; dabei soil eine Gliederung nach den Teilgebieten der orthedonti- schen Diagnose, Therapie und ~'4_tiologie die (~bersicht erleiehtern. Von den verschiedensten Seiten wurden diagnostische Hilfsmitte] angegeben. Die gnatho- statische Schule war durch die Namen Simon, Berlin, Dreyfus, Lausanne, Rudolf Schwarz, Basel~ vertreten. Eine Assistentin Simons, Fraulein Franzmeyer, demon- strierte die Vorztige eines neuen Gnathostaten Simons, dcr die M6glichkeit gibt, das Modell ohne weitere Beschneidung auszugieBen und gleichzeitig mit einem Zusatzapparat die n6tigen Bezugslinien und Kurven ohne weiteres zu fibertragen. Dreyfus bracbte ebenfalls einen neuen verbesserten Gnathostaten mit automatischer AusgieBm6glichkeit der Modelle, w~ihrend Rudolf Schwarz die Verwendung des von ihm angegebenen Stercographen demonstrierte und die vorziiglichen Dienste dieser graphischen ~rbertragungen ftir die orthodontiscbe Diagnostik darstellte. Campion, Manchester, demonstrierte den Wert kephalometrischer Messungen an Hand eines Fihns und zeigte als Grundlage der Diagnose Durehschnittswerte, die er mit K. C. Smyth, London, durch eine grebe Zahl yon Messungen fcststellen'konnte. Friels, Dublin, Delineator vermittelt eine h6chst einfache gnathostatisehe Methode, welcbe den Winkel der Kauebene zur Ohr-Augen-Ebene festlegt. Besondcre Aufmerksamkeit fanden auch die Modelle und Tafeln der Normuntersuchungen yon Linder und Harth, Bonn, die fiber die Variabilit~it der Kieferdimensionen und besonders fiber die dento-fazialen Beziehungen iiberraschende Aufschliisse geben. Merkwiirdigerweise waren wohl die verschiedenen Methoden der Herstellung yon Gnatho- statmodellen angegeben, die Anfertigung des naeh Gebigebenen orientierten Modelles war aber nur yon der Bonner Sehule berfieksiehtigt. Die Referentin demonstrierte eine Methode yon Korkhaus, Bonn, zur Orientierung des Modells nach drei bestimmten Gebif~t-benen, die mit einem einfachen Zusatzapparat zu dem bekannten Symmetrographen vorgenommen wird. Auf die grol~e Bedeutung einer Einsieht in die Besonderheiten der Okklusion wiesen instruktive Tafeln yon Friel, Dublin, A. M. Sehwarz, Wien, besonders aber die etwa 10fach vergr6fterten Okklusionsbilder normaler Kiefermodelle yon Spahn, Newark, hin. VVeitere klinisehe Hilfsmittel wurden yon versehiedenster Seite angegeben: kephalometrisehe Meginstrumente (Campion, Manchester, und K. C. Smyth, London), Epidiaskop zum Naehzeiehnen der Zahnbogenform (Waugh, New York), orthodontiseher Sehliissel (A. M. Sehwarz, Wien), Orthometer, beiderseits verwendbares Goniometer, orthodontisehes Be- handlungsheftehen mit Vordruek aller diagnostischen M6glichkeiten (Korkhaus, Bonn). Wenige Ans~itze zeigten sieh bemerkenswerterweise in Riehtung einer genetisehen Diagnose. Die yon Korkhaus, Bonn, geleitete Ausstellung der Bonnet Sehule demonstrierte an Hand instruktiver Modelle eine genetisehe Einteilung. A. M. Sehwarz, Wien, zeigte an seh6nen Tafeln die Willk/irliehkeit einer rein morphologischen Klassifikation, wie der Anglesehen, die Gruppen biologiseh einheitlieher Anomalien auseinanderreiBt. K. C. Smvth. London, demonstrierte Distalbigf/ille versehiedenen Charakters. Mehr war aber leider nieht yon einer

Wissenschaftliche Ausstellung des 2. Internationalen Orthodontischen Kongresses in London vom 20. bis 24. Juli 1931

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Page 1: Wissenschaftliche Ausstellung des 2. Internationalen Orthodontischen Kongresses in London vom 20. bis 24. Juli 1931

522 Tagungen und Vortriige

Wissenschaftl iche Ausstel lung des 2. Internalionalen 0rthodon- tischen Kongresses in London vom 20. his 24. Juli 1931 + Exposition seieniifique du 2e Congr(~s International d'0rthodonlie de Londres, 20--24 juillet 1931 O Scientific ExhibHion of lhe 2nd InternationM Orthodontic Congress in London, Ju ly 20th to 24th, 1931

~Venn die Vortr~ge und Demonst ra t ionen t rotz der Schwierigkeitcn der Spraehe, mit der mancher Redner k~impfen muBte, bereits groBem Interesse begegneten, so war die wissen- schaftliche Ausstellung vielleicht das Herz des ganzen Kongresses, we man sich immer wieder in den Pausen traf, um in aller Ruhe die ausgestell ten Objckte zu studieren. Es war eine seltene Gelegenheit, diese aus allen Teilen der "Welt zusammengebrachten, gr6gtenteils sehr wert- vollen Ausstellungsobjekte an einem Orte zusammen zu sehen, und dem Prfisident des Aus- stellungskomitees, Her rn Dr. H i g h t o n , und seinen Mitarbei tern gebiihrt besonderer Dank ftir den Eifer und die Tatkraf t , mi t tier t rotz des etwas besehrfinkten Raumes alle Sehwierig- keiten beseitigt wurden. Unte r den Ausstellern waren 27 Orthodontis ten aus Nordamerika, aus Europa 20, davon aus Deutschland und 0sterreich 5 und aus England 13 Orthodontisten.

Nur in kurzen "Worten kann an dieser Stelle fiber die wesentlichsten Objekte der Aus- stellung berichtet werden; dabei soil eine Gliederung nach den Teilgebieten der orthedonti- schen Diagnose, Therapie und ~'4_tiologie die (~bersicht erleiehtern.

Von den verschiedensten Seiten wurden diagnostische Hilfsmitte] angegeben. Die gnatho- statische Schule war durch die Namen S i m o n , Berlin, D r e y f u s , Lausanne, R u d o l f S c h w a r z , Basel~ vertreten. Eine Assistentin S i m o n s , Fraulein F r a n z m e y e r , demon- str ierte die Vorztige eines neuen Gna thos ta ten S i m o n s , dcr die M6glichkeit gibt, das Modell ohne weitere Beschneidung auszugieBen und gleichzeitig mit einem Zusa tzappara t die n6tigen Bezugslinien und Kurven ohne weiteres zu fibertragen. D r e y f u s bracbte ebenfalls einen neuen verbesserten Gna thos ta t en mit automat ischer AusgieBm6glichkeit der Modelle, w~ihrend R u d o l f S c h w a r z die Verwendung des von ihm angegebenen Stercographen demonstrierte und die vorziiglichen Dienste dieser graphischen ~rbertragungen ftir die orthodontiscbe Diagnostik darstellte. C a m p i o n , Manchester, demonstr ier te den Wert kephalometrischer Messungen an Hand eines Fihns und zeigte als Grundlage der Diagnose Durehschnit tswerte, die er mit K. C. S m y t h , London, durch eine grebe Zahl yon Messungen fcststel len 'konnte. F r i e l s , Dublin, Delineator vermit te l t eine h6chst einfache gnathostat isehe Methode, welcbe den Winkel der Kauebene zur Ohr-Augen-Ebene festlegt. Besondcre Aufmerksamkeit fanden auch die Modelle und Tafeln der Normuntersuchungen yon L i n d e r und H a r t h , Bonn, die fiber die Variabilit~it der Kieferdimensionen und besonders fiber die dento-fazialen Beziehungen i iberraschende Aufschliisse geben.

Merkwiirdigerweise waren wohl die verschiedenen Methoden der Herstellung yon Gnatho- s tatmodellen angegeben, die Anfert igung des naeh Gebigebenen orientierten Modelles war aber nur yon der Bonner Sehule berfieksiehtigt. Die Referent in demonstr ierte eine Methode yon K o r k h a u s , Bonn, zur Orientierung des Modells nach drei bes t immten Gebif~t-benen, die mit einem einfachen Zusa tzappara t zu dem bekannten Symmetrographen vorgenommen wird. Auf die grol~e Bedeutung einer Einsieht in die Besonderheiten der Okklusion wiesen ins t rukt ive Tafeln yon F r i e l , Dublin, A. M. S e h w a r z , Wien, besonders aber die etwa 10fach vergr6fterten Okklusionsbilder normaler Kiefermodelle yon S p a h n , Newark, hin. VVeitere klinisehe Hilfsmittel wurden yon versehiedenster Seite angegeben: kephalometrisehe Meginst rumente ( C a m p i o n , Manchester, und K. C. S m y t h , London), Epidiaskop zum Naehzeiehnen der Zahnbogenform ( W a u g h , New York), orthodontiseher Sehliissel (A. M. S e h w a r z , Wien), Orthometer, beiderseits verwendbares Goniometer, orthodontisehes Be- handlungshef tehen mit Vordruek aller diagnostischen M6glichkeiten ( K o r k h a u s , Bonn).

Wenige Ans~itze zeigten sieh bemerkenswerterweise in Riehtung einer genetisehen Diagnose. Die yon K o r k h a u s , Bonn, geleitete Ausstellung der Bonnet Sehule demonstrierte an Hand ins t rukt iver Modelle eine genetisehe Einteilung. A. M. S e h w a r z , Wien, zeigte an seh6nen Tafeln die Willk/irliehkeit einer rein morphologischen Klassifikation, wie der Ang le sehen , die Gruppen biologiseh einheitlieher Anomalien auseinanderreiBt. K. C. S m v t h . London, demonstr ier te Distalbigf/ille versehiedenen Charakters. Mehr war aber leider nieht yon einer

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genetisehen Klassifikation zu sehen. [?berhaupt war die ]4tiolo~ie der Zahnstellungs- und Kieferanomalien verhiiltnism/i!3ig k/irglieh ver t re ten ; es waren best immte Sehulen, deren Forschert/i t igkeit auf ~itiologisehem Gebiete hervor t ra t . D r e y f u s , Lausanne: EinfluB des Lutsehens und des Schnullersaugens: H e r b s t , Bremen: Teratologisehe MiBbildungen (Odontopagen, Zwerg- und Riesenz~hne); K a n t o r o w i e z , Bonn: Selbstausheilung ortho- dontiseher Anomalien ; K o r k h a u s, Bonn, Zwillings- und Familienforschung, innersekretorisehe StOrungen (Akromegalie) : A. M. S e h w a r z, ~Vien: Kieferformen beim S/iugling, Zahnkeim- tagerung. Einstellung des ersten Motaren. Gewebeverfinderungen naeh or thodont ischen MaB- nahmen; W a e h s m a n n , Prag. Einseitige WaehstumsvergrSBerung des Unterkiefers, und sehlieBlieh Wa u g h , New York. Gebigverhattnisse bei Eskimos. EinfluB der Domestikation.

Besonderes Interesse fanden die schOnen Prfiparate des englisehen Anatomen B r a s h , Birmingham. der alle Einzelheiten der Kiefer- und Schfidelentwieklung an krappgef/ i t ter ten Sehweinen demonstrieren konnte. Aueh die Pr/~parate yon W e s t , S.-~Vales, welehe die Zahnkeimlagen bei F0ten zeigten, und die RSntgenbi lder von W a 1 m s l e y , Belfast, mi t Ent- wieklungsstadien der Kiefer und Zfihne vom FOt bis zum Erwaehsenen. gaben wertvolle Einblicke.

Hinsiehtl ieh der Behandhmgsmethoden bet sieh eine Unmenge yon Hilfsmit te ln bei ebenso vielen verschiedenart igen Appara te typen. Vorherrschend war der Lingualbogen yon M e r s h o n und der L o u r i e s e h e Hoehlabialbogen. S q u i r e s . White Plains, und W o o d , Knoxville. zeigten die verschiedensten Anwendungsformen dieser beiden Appara tu ren in/~hn- lieher Weise, wie sic O l i v e r 1924 in Amsterdam demonstr ier t hat te . Eine wese~tliehe Weiter- ent~4eklung haben diese Methoden anseheinend in Amerika nicht ertebt.

Zur Rationalisierung der Appara teanfer t igung waren Halbfert igfabrikate, die P u l l e n , Buffalo, ausstellte, hemerkenswert. Es handel te sieh um nahtlose, im Depot k~iufliehe Front - zahn- und Molarenbiinder und halbfert ige LingualbSgen versehiedener Liinge, die dureh ein- gesehaltete V-Sehlingen den entspreehenden Verhal tnissen angepaBt werden k6nnen. Die ~Viplaapparatur S i m o n s . Berlin. mit ihrer sinnreiehen Biegeteehnik, die Modifikationen von A. M. S c h w a r z , Wien, nnd die Methoden yon K o r k h a u s , Bonn, fanden ebensoviel Interesse wie die modernen Appara te der J a e ks o n- Sehule, ( ' r o z a t , und die feindimensionier- ten Lingualb6gen aus niehtros tendem Stahl. welehe De C o s t e r . BriisseL auf einem kleinen und leieht bedienbaren SchweiBapparat anfertigt.

Von bodi ly-Mrkenden Appara ten zeigte F i s k , Toronto, einen St i f t r6hrehenappara t mit Ha lbrunda t taehments und ferner G r i f f i n , New York, seinen zierlichen Federbogen (..resilient arch assemblage").

Reeht zahlreieh ver t re ten war die Kasuistik. Von allen Seiten wurden reeht gut behandel te F~lle vorgefiihrt. Lu n d s t r 5 m, Stockholm, zeigte als einziger mit bemerkenswerter Ehrl ieh- keit Rezidive naeh 5- und 7jiihriger Kontrolle, die er auf den Mangel der , ,apikalen Basis" zurtiekffihrt. Die Frage der Retent ion ist anseheinend etwas in den Hin te rg rund getreten. Kautsehukpla t ten zur Retent ion ( W a u g h , New York), der bekannte Hawley re ta iner ( H u t c h i n s o n , Bronxville) und ein gegossener Retent ionsappara t , der l ingual und labial sieh sehienenartig den Zi~hnen anlegt ( S o r e l l , Oklahoma), das waren die wesentl iehsten Re- tent ionsapparate , die dem Besueher auffielen.

Der In ternat ionate Orthodontisehe KongreB in London, vor allem aber die wissensehaftliehe Ausstellung mit ihrer seltenen Fiille f i ihr ten in imposanter V(eise ve t Augen, welehe bedeut- same Entwiekhmg unser junges Sonderfaeh in den Ietzten Jah rzehn ten genommen hat .

Bonn. G. H a r t h .

VIII. Internationaler Zahn~irzte-KongreB in Paris vom 2. his 8. August 1931 -4-VIIIe Con~r6s Oentaire International, Paris, 2 S aofit 1931 O VIIIth International Dental Congress, Paris, Auuust 2na to 5lh, 1931

616, 314 (063) (00) ~1931,~ Der VIIL Internat ionale Zahn/irzte-KongreB fand unter dem Protektora te des Pr/~sidenten

und der Regierung der franz6sischen Republik veto 2. bis 8. August 1931 im Grand Palais auf den Champs-Elysdes in Paris s tat t . Trotz der ungiinst igen wirtschaft l iehen Verh/iltnisse wurden ungef/~hr dreieinhalb Tausend Teilnehmer verzeichnet, yon denen der grOBte Tell aus