23
1 Institut für Deutsch als Fremdsprache / Transnationale Germanistik 0 Gabriele Graefen 1 Wissenschaftliches Schreiben: Von der Hausarbeit zur Magisterarbeit 1. Zur Einführung Nicht nur Studenten finden es schwierig, einen wissenschaftlichen Text, z.B. eine Hausarbeit oder Abschlussarbeit, zu verfassen. Auch der "Profi" auf diesem Gebiet, also der wissen- schaftliche Autor 2 , der schon viel publiziert hat, hat immer wieder eine ganze Reihe von Prob- lemen bei dieser Verfassertätigkeit: "Im allgemeinen unterschätzen Studierende den handwerklichen Aspekt des Schreibens. In einem Lernalltag, der hauptsächlich darin besteht, sich Fachwissen lesend anzueig- nen, ist die Wahrscheinlichkeit für solche Fehleinschätzungen sehr hoch. Wissenschaft- lichen Texten sieht man nicht an, wie viele wiederholte Arbeitsschritte in ihnen stecken. Die glatte Präsentation eines Endprodukts signalisiert eher Einfallsreichtum und souve- räne, umfassende Informiertheit als einen vielschrittigen handwerklichen und gedankli- chen Prozess, in dem viel probiert, beurteilt, verworfen und erneut probiert wird. Die rhetorische Oberfläche wissenschaftlicher Texte schüchtert eher ein, als dass sie zum Schreiben anregt." (Ruhmann 1977: 131) Studentische Arbeiten werden bewertet. Welche Rolle spielt dabei der Inhalt und welche die sogenannte "Form"? Die Antwort hat mehrere Teile: a) Formale Fragen sind grundsätzlich weniger wichtig als inhaltliche. Immer dann, wenn ein Autor selbst Klarheit hat und auch vermitteln kann, was er zu seinem Thema genau sagen will, auf welche Quellen er sich stützt etc. - wenn er sich also in seinem Wissensgebiet gut auskennt, werden formale Schwächen nicht zur Ablehnung seiner Arbeit führen. Der Text muss also primär korrekt sein und eine wissenschaftliche Substanz haben; zumindest muss er eine zusammenhängende und richtige Wiedergabe wissenschaftlicher Auffassungen bieten; b) das zweitwichtigste Kriterium ist für viele Bewerter eine sachgerechte und klare inhaltliche Konzeption, die sich im Inhaltsverzeichnis (bzw. in der Gliederung) erkennen lässt; c) die sogenannten formalen Merkmale wissenschaftlicher Texte sind im Vergleich mit a) und b) nachgeordnet, haben aber ihr eigenes Gewicht, d.h. sie haben jeweils eine Berechtigung und einen Sinn. Sie sollten daher ernst genommen werden. Im Folgenden sollen eine Reihe von Fragen, die häufig beim wissenschaftlichen Schreiben auftreten, behandelt werden. Neben den Problemen der Themeneingrenzung, der Planung und 1 Ich danke Dr. Melanie Moll für Verbesserungsvorschläge. 2 Im Folgenden wird die maskuline Form als allgemeine (generische) Form verwendet, ohne weitere Ge- schlechtsunterscheidungen.

Wissenschaftliches Schreiben: Von der Hausarbeit zur ... · rhetorische Oberfläche wissenschaftlicher Texte schüchtert eher ein, als dass sie zum Schreiben anregt." (Ruhmann 1977:

Embed Size (px)

Citation preview

1

Institut für Deutsch als Fremdsprache / Transnationale Germanistik

Gabriele Graefen1

Wissenschaftliches Schreiben: Von der Hausarbeit zur Magisterarbeit

1. Zur Einführung

Nicht nur Studenten finden es schwierig, einen wissenschaftlichen Text, z.B. eine Hausarbeit oder Abschlussarbeit, zu verfassen. Auch der "Profi" auf diesem Gebiet, also der wissen-schaftliche Autor2, der schon viel publiziert hat, hat immer wieder eine ganze Reihe von Prob-lemen bei dieser Verfassertätigkeit:

"Im allgemeinen unterschätzen Studierende den handwerklichen Aspekt des Schreibens. In einem Lernalltag, der hauptsächlich darin besteht, sich Fachwissen lesend anzueig-nen, ist die Wahrscheinlichkeit für solche Fehleinschätzungen sehr hoch. Wissenschaft-lichen Texten sieht man nicht an, wie viele wiederholte Arbeitsschritte in ihnen stecken. Die glatte Präsentation eines Endprodukts signalisiert eher Einfallsreichtum und souve-räne, umfassende Informiertheit als einen vielschrittigen handwerklichen und gedankli-chen Prozess, in dem viel probiert, beurteilt, verworfen und erneut probiert wird. Die rhetorische Oberfläche wissenschaftlicher Texte schüchtert eher ein, als dass sie zum Schreiben anregt." (Ruhmann 1977: 131)

Studentische Arbeiten werden bewertet. Welche Rolle spielt dabei der Inhalt und welche die sogenannte "Form"? Die Antwort hat mehrere Teile:

a) Formale Fragen sind grundsätzlich weniger wichtig als inhaltliche. Immer dann, wenn ein Autor selbst Klarheit hat und auch vermitteln kann, was er zu seinem Thema genau sagen will, auf welche Quellen er sich stützt etc. - wenn er sich also in seinem Wissensgebiet gut auskennt, werden formale Schwächen nicht zur Ablehnung seiner Arbeit führen. Der Text muss also primär korrekt sein und eine wissenschaftliche Substanz haben; zumindest muss er eine zusammenhängende und richtige Wiedergabe wissenschaftlicher Auffassungen bieten;

b) das zweitwichtigste Kriterium ist für viele Bewerter eine sachgerechte und klare inhaltliche Konzeption, die sich im Inhaltsverzeichnis (bzw. in der Gliederung) erkennen lässt;

c) die sogenannten formalen Merkmale wissenschaftlicher Texte sind im Vergleich mit a) und b) nachgeordnet, haben aber ihr eigenes Gewicht, d.h. sie haben jeweils eine Berechtigung und einen Sinn. Sie sollten daher ernst genommen werden.

Im Folgenden sollen eine Reihe von Fragen, die häufig beim wissenschaftlichen Schreiben auftreten, behandelt werden. Neben den Problemen der Themeneingrenzung, der Planung und

1 Ich danke Dr. Melanie Moll für Verbesserungsvorschläge. 2 Im Folgenden wird die maskuline Form als allgemeine (generische) Form verwendet, ohne weitere Ge-

schlechtsunterscheidungen.

©GGraefen 2007

2

der Gliederung einer Arbeit werden exemplarisch auch Unsicherheiten bei der Formulierung schwieriger Textpassagen angesprochen.

2. Die Vorbereitung einer Hausarbeit oder einer Abschlussarbeit

2.1. Die Themenfindung

Ein sehr wichtiger Schritt ist die Themenfindung. Meist ergibt sich die Neigung zu einem Thema oder Themenbereich aus der individuellen Studiengestaltung oder aus Anregungen, die man im Laufe eines Seminars bekommt. Die Formulierung des Themas muss genau über-legt werden. Ein zu weit oder zu allgemein gefasstes Thema bringt den Schreiber in Proble-me. Themen wie:

- Der Aufbau deutscher Sätze - Das System des Artikels im Deutschen - Der Begriff der Interkulturalität

über die bereits viele Aufsätze und sogar Bücher geschrieben wurden, eignen sich nicht für eine studentische Arbeit. Die vollständige Behandlung eines solchen Themas überschreitet den Zeitrahmen und die Möglichkeiten des studentischen Autors. Allzu leicht kommt er in Versuchung, die Gliederung und viele Gedanken und Ergebnisse von einer vorliegenden Pub-likation3 dazu einfach zu übernehmen. Seine Arbeit gleicht dann eher einer Zusammenfas-sung; die eigene Leistung ist kaum erkennbar, denn die Behandlung des Themas liegt schon fertig vor, es gibt nichts mehr zu recherchieren. Zudem hat der studentische Autor Schwierig-keiten, das Gelesene auszuwerten und zu reduzieren, weil fast alles wichtig erscheint. Der Schriftsteller und Semiotiker Umberto Eco (2000: 22) bekräftigt aus langjähriger Erfahrung:

"Je begrenzter das Gebiet, um so besser kann man arbeiten und auf um so sicherem Grund steht man."

Speziellere Themen haben den Vorteil, dass die Arbeit mehr eigene wissenschaftstypische Leistungen des Autors enthält und sichtbar macht. Solche Themen können leicht in eine Frage umformuliert werden, die den Leitfaden der Hausarbeit bildet. Am günstigsten ist es, wenn der Autor an dem gewählten Gegenstand eine Erklärungsbedürftigkeit festgestellt hat, die irgendeinen Teilaspekt des Gegenstandes, z.B. eine bestimmte Verwendung eines sprachli-chen Mittels, betreffen kann. Klärungsbedürftig sind auch widersprüchliche Aussagen in der Forschung, d.h. eine solche Beobachtung kann ebenfalls den Ausgangspunkt der Hausarbeit bilden. Ein anderes Beispiel dafür, wie Erklärungsbedürftigkeit auftreten kann:

"Z.B. will man die Bedeutung von deutsch aber bestimmen. Leicht findet man die Bedeutungskomponen-te 'Gegensatz'. Nun enthält deutsch sondern dieselbe Bedeutungskomponente 'Gegensatz', ist aber offen-sichtlich nicht synonym mit aber. Außerdem findet man Verwendungen wie: Das ist aber eine schöne Blume!, die vielleicht gar keinen Gegensatz enthalten. Gibt es etwas Gemeinsames der verschiedenen Verwendungen von aber, und gibt es einen grundlegenden Unterschied zu sondern? Mit dieser Frage ist eine Erklärungsbedürftigkeit von aber festgestellt." (Mumm 2004)

Gut geeignet sind auch Themen, die eine eigene Untersuchung von selbst gefundenem oder zusammengestelltem Datenmaterial anhand bestimmter Forschungsergebnisse und Kategorien beinhalten, was in der Sprachwissenschaft, besonders in der Angewandten Sprachwissen-schaft, leicht möglich ist. Weitere generelle Überlegungen bei der Themenfindung sind die

3 Die Monographie wird als schriftliche Behandlung eines einzigen Gegenstandes, meist in Buchform, abge-

hoben z.B. vom Sammelband oder Handbuch; zu einer Monographie können aber durchaus mehrere Autoren beitragen.

©GGraefen 2007

3

folgenden: - Ein spontan gewonnenes Thema muss in der Auseinandersetzung mit der Lite-ratur geklärt und präzisiert werden, das kann zur Korrektur der Formulierung führen;

- jede Arbeit bietet eine nach eigenen Kriterien geordnete Übersicht über das bereits zum Thema existierende Wissen; die Fragen der Menge und der Zugänglichkeit der relevanten Literatur sind also bei der Themenwahl zu berücksichtigen:

- Die Studienabschluss-Arbeit – erst recht die Promotion – sollte über ihren Gegenstand entweder "Dinge sagen (und belegen), die noch nicht gesagt worden sind, oder sie muss Dinge, die schon gesagt worden sind, aus einem neuen Blickwinkel sehen". (ebd. 41)

- Die Behandlung des Themas soll idealerweise für das Fach (oder für andere Zusammen-hänge) praktisch und/oder theoretisch von Nutzen sein können; das gilt natürlich mehr für wissenschaftlich fortgeschrittene Arbeiten als für die allererste Hausarbeit eines Studen-ten.

2.2. Absprachen mit dem Dozenten

Das gewählte Thema wird vor Beginn der Schreibarbeit mit dem Dozenten abgesprochen. Dabei erfolgt oft erst die Themenformulierung. Falls es sich um ein „Arbeitsthema“ handelt, hat der Student noch die Aufgabe einer weiteren Präzisierung und Einschränkung. Darüber hinaus sollte auch klar sein, welche Art von Betreuung für die Arbeit nötig ist und welche Hilfen der Dozent anbieten kann und will. Bei Abschlussarbeiten wird erwartet, dass der Kandidat selbständig genug ist, um alle nötigen Schritte zu unternehmen. Bei Hausarbeiten kann man das nicht voraussetzen. So manche Unklarheit lässt sich auch mit der Hilfe von Kommilitonen beseitigen. Was dann noch übrig bleibt, sollte dem Dozenten als Problem vor-getragen werden, besonders wenn beim Schreiben das gewählte Thema und die geplante Art der Behandlung zweifelhaft werden.

2.3. Arbeitsphasen

Spätestens nach der Absprache des Themas, idealer Weise schon früher, beginnt die Literatur-sondierung. Eine erste bibliographische Liste von Titeln, mit denen man einen Überblick über das Thema gewinnen kann, lässt sich schnell zusammenstellen. Eine oder zwei Monographien werden evtl. dazugehören, hauptsächlich aber Artikel aus Handbüchern, Zeitschriften, Sam-melbänden. Lexika und Handbücher erfüllen primär den Zweck, einen Überblick über die Forschungssituation bzw. über bisher gewonnene Einsichten zu geben.

Die Lektüre dieser Titel kann schon dabei helfen, die Fragestellung weiterzuentwickeln und evtl. das Thema noch zu präzisieren. Wenn das der Fall ist, dann ist es oft sinnvoll, dass der studentische Autor eine Kurzbeschreibung der geplanten Arbeit verfasst, ein sog. Exposé. Das kann dem Dozenten vorgelegt werden, um eine möglicherweise vorher noch sehr vage Vorbesprechung des Themas zu konkretisieren.

Wenn also nun Klarheit über das Vorhaben besteht, kann man sich sehr konkreten Planungs-schritten widmen. Wichtig ist z.B., vor allem bei Abschlussarbeiten, sich möglichst früh eine recht genaue, schriftlich fixierte Zeiteinteilung zu überlegen, mit Arbeitsphasen und Ab-schlussterminen, z.B. für Kapitel. Auch wenn es diesem Plan dann so geht wie vielen anderen Plänen – er wird nicht eingehalten -, ist es immer noch besser, den Plan mehrfach anzupassen und andere Phasen zu verkürzen, als ohne Zeitplan "drauflos zu schreiben"!

Manche Studierenden werden von der Sorge geplagt, sie müssten erst alles gelesen haben, ehe sie mit dem Schreiben beginnen könnten. Das wäre vielleicht grundsätzlich empfehlenswert, aber der Zeitrahmen lässt das so gut wie nie zu, und es ist auch nicht unbedingt notwendig. So

©GGraefen 2007

4

entsteht die erste Fassung (das Manuskript) im allgemeinen nicht sukzessiv, sondern man be-ginnt mit bestimmten Kapiteln oder Paragraphen, zu denen man am schnellsten vordringt, weil man am meisten Material und Ideen hat. Vom Zeitpunkt des Schreibbeginns an werden sich Lese- und Schreibphasen abwechseln.

Wenn das sog. Rohmanuskript "steht", ist eine sehr wichtige Phase abgeschlossen, hoffentlich früh genug für die notwendige Überarbeitung. Absolute Zeitangaben lassen sich dazu nicht machen, die Dauer hängt stark von der bereits erreichten Schreib-Routine des Autors ab. Bei studentischen Autoren ist im Normalfall mit eher wenig Routine zu rechnen. Ihnen fällt es z.B. meist schwer, beim Korrekturlesen auf mehrere Kriterien gleichzeitig zu achten. Zudem sollte man vorher wissen, dass in dieser Phase oft eine charakteristische Ermüdung eintritt: Der Autor meint, er könne seinen Text 'nicht mehr sehen', alles kommt ihm bekannt und schon durchdacht vor, es gelingt ihm kaum, das Geschriebene mit kritisch-distanziertem Blick zu betrachten.... Günstig, wenn man noch nicht so unter Zeitdruck steht, dass man die Arbeit auf Biegen und Brechen fertig stellen muss, denn dies würde bedeuten, auf Verbesserungs-möglichkeiten, die man noch hätte, zu verzichten.

Hinzu kommt, dass bei der Überarbeitung neben kleineren 'Defekten', die man relativ schnell korrigieren kann, oft auch inhaltliche Lücken oder Wiederholungen deutlich werden.

2.4. Recherche und Materialbeschaffung

Wenn die Arbeit sich aus dem aktuellen Studium ergibt, liegen häufig schon Literaturlisten vor, die der Schreiber nun ausschöpfen kann. Auswahl und Beschaffung der möglicherweise geeigneten Titel kosten Zeit, und gelegentlich täuscht man sich: Der Titel des Buchs oder Aufsatzes hat mehr versprochen, als der Text einhält. Umgekehrt kann es sein, dass man auf besonders einschlägige und wichtige Titel erst dann stößt, wenn man wiederum die Literatur-verzeichnisse der Werke auswertet, die man als erste in die Hände bekommt. Es ist also sehr wesentlich, diese Beschaffungsphase zügig voranzutreiben.

Die wichtigsten Recherchemöglichkeiten bieten:

- Literaturlisten von Seminaren

- Literaturlisten in der einschlägigen Literatur, besonders in Handbüchern und thematischen Bibliographien; wenige wichtige Titel auch in einem Fachlexikon

- Bibliothekskataloge der eigenen Universität

- Internet-Datenbanken, incl. Bibliothekskataloge anderer Orte und Universitäten

Generell soll auch darauf geachtet werden, dass man bei mehrfach aufgelegten Büchern nicht die vorletzte oder eine noch ältere Ausgabe verwendet, zumindest dann nicht, wenn korrigier-te oder gar erweiterte und neu bearbeitete Ausgaben vorliegen.

2.5. Lesen und Auswerten

Das Lesen und Auswerten liefert den größten Teil des inhaltlichen Materials der Arbeit. Das Auswerten erfolgt in mehreren, unterschiedlich intensiven Formen. Zunächst gilt es, die Rele-vanz der Quelle durch eine erste Sichtung (häufig orientierendes Lesen genannt) zu prüfen. Im positiven Fall wird man das Gelesene bestimmten Kapiteln oder Teilen der eigenen Arbeit zuordnen. Dann geht es ans detaillierte Lesen, Unterstreichen und "Verzetteln" der gelesenen Literatur. Die intensivste Form der Auswertung ist das Exzerpieren.

©GGraefen 2007

5

Exzerpieren ist das schriftliche Wiedergeben und Zusammenfassen eines Textes oder von bestimmten Textteilen. Dabei können Paraphrasen und Zitate verwendet werden. Exzerpte sind damit sog. Sekundärtexte, die durchaus mehrere maschinengeschriebene Seiten lang sein können. Dieser sorgfältige Umgang mit Publikationen oder Quellen hat mehrere Vorteile:

a) Er befördert die Aneignung der Gedanken und Ergebnisse, die in der Literatur zu finden sind;

b) Er zwingt den Schreiber/Leser dazu, die Fülle der lesend aufgenommenen Informationen auf Wichtiges und für die eigene Darstellung Verwertbares zu reduzieren,

b) das Gelesene wird besser verarbeitet und leichter erinnert,

c) beim Exzerpieren nimmt man einen Teilprozess des Schreibens voraus und erleichtert sich das Schreiben der Rohfassung.

Wie exzerpiert man Texte? Es gibt zwei bekannte 'Methoden':

1. Beim objektiven Exzerpt versucht man, dem Text und dem Autor so gut wie möglich gerecht zu werden, seine Aussagen und den Gang seiner Argumentation neutral wie-derzugeben, das Wichtigste zu konservieren. Man geht abschnittsweise, bei Büchern kapitelweise vor. Am Ende kann man die exzerpierten Absätze noch einmal kurz zu-sammenfassen.

2. Das subjektive Exzerpt entspricht dem "selegierenden Lesen": Man liest den Text mit einem bestimmten Interesse oder unter einer spezifischen Fragestellung und hält dar-aus nur die Informationen und evtl. Zitate fest, die für das eigene Schreiben wichtig sein könnten.

Je nach Bedeutung des Autors und des Werks werden zusätzliche Informationen darüber fest-gehalten. In jedem Fall aber sind alle bibliographischen Daten genau festzuhalten. Unter Umständen ist es empfehlenswert, auch eigene Gedanken beim Lesen, Fragen und Einschät-zungen, bestätigende oder dem Autor widersprechende Kommentare festzuhalten und zu-sammen mit dem Exzerpt aufzubewahren.

Umberto Eco macht auf eine Gefahr aufmerksam: Beim Exzerpieren oder Erstellen einer Literaturkartei werden wörtliche Übernahmen nicht immer gekennzeichnet. Falls eine solche Exzerptpassage dann später in die Arbeit übernommen wird und der Dozent die Formulierung wiedererkennt, kann er das als heimliche Kopie verstehen. Es handelt sich dann – ohne Wis-sen und Absicht des Schreibers – um ein Plagiat (Eco 2000: 206). Die verbesserten Recher-chemöglichkeiten im Internet führen Studierende aber offenbar auch verstärkt in die Versu-chung, fremdes geistiges Eigentum zu übernehmen und bewusst als das ihre auszugeben. In solchen Fällen handelt es sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Unredlichkeit, die im Widerspruch zur Wissenschaftsethik steht und die disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen kann.

2.6. Strukturierung der Arbeit: Gliederung und Inhaltsverzeichnis

Die Strukturierung ist etwas, worüber man am besten schon während der ersten Leseaktivitä-ten nachdenkt. Als grobes Schema sollte die altbekannte (aus der Rhetorik stammende) Drei-teilung dienen:4

4 Diese Dreiteilung sollte allerdings nicht in Form von Überschriften in das endgültige Inhaltsverzeichnis über-

nommen werden, sondern nur zur groben Orientierung in der Aufbauphase dienen.

©GGraefen 2007

6

Einleitung / Einführung Hauptteil Schlussteil

Das Exposé oder die erste schriftliche Gliederung ist auch die erste Fixierung der Struktur. Normalerweise ist es damit aber nicht getan. Die schriftliche Gliederung wird oft später aus-gebaut, verfeinert, korrigiert, Paragraphen und Abschnitte werden umgestellt. Manche studentischen Autoren lassen sich von allem, was sie lesen, stark beeindrucken und entdecken dann im Vergleich damit immer neue und andere Lücken in ihrer eigenen Gliede-rung. Für solche Schreiber ist es eher empfehlenswert, ihre Flexibilität zu blockieren. Die Änderungen können nämlich leicht vorschnell sein, d.h. später stellt sich heraus, dass das ur-sprüngliche Konzept doch besser war als gedacht, und man kehrt zu ihm zurück.

Der Vorteil einer guten Strukturierung der Arbeit liegt auf der Hand: Sie bietet eine Orientie-rung beim Lesen, erleichtert die Quellenauswertung und bietet ganz praktisch die Möglich-keit, die kopierten Texte und die selbst angelegten Exzerpte gemäß dieser Gliederung abzu-heften oder Karteikarten darauf zu beziehen.

Die Gliederung wird später in das Inhaltsverzeichnis mit Seitenangaben überführt und der Arbeit vorangestellt. Die Überschrift heißt einfach "Inhalt".

3. Besonderheiten wissenschaftlicher Darstellung

Vor dem "Einstieg" in das wissenschaftliche Schreiben sollte man sich klarmachen, welche Funktionen es hat, "wozu es gut ist".5 Auch eine Hausarbeit, die auf den ersten Blick nur die Funktion zu haben scheint, dem Schreiber einen der notwendigen Leistungsnachweise einzu-bringen, gehört schon zum Typus wissenschaftliche Texte, d.h. sie ist im weiteren Sinne ein Beitrag zu wissenschaftlicher Erkenntnis: Sie zeigt nicht nur, ob ihr Autor die wissenschaftli-che Literatur richtig rezipiert hat, sondern auch, wie korrekt und systematisch er mit dem wis-senschaftlichen Gedankengut umgeht und eigene Gedanken dazu entwickeln kann.

Ergebnisse, Begriffe und Termini, die noch weitgehend neu, d.h. im Fachgebiet noch gar nicht oder nicht sehr verbreitet sind, brauchen eine Begründung. Auch die Aussagen, die im Fach oder Fachgebiet nicht allgemein anerkannt sind, sind begründungsbedürftig. Die Be-gründung kann z.B. durch den Verweis auf Objektives, auf neue Daten oder Experimente, erfolgen; dann handelt es sich um einen Beleg. Sie kann aber auch durch (neue) Überlegungen zur Sache, neue Schlussfolgerungen aus alten Einsichten oder Daten erfolgen. Dann handelt es sich um eine Argumentation. Für den studentischen Schreiber bedeutet das zweierlei:

a) Bei begründungsbedürftigen Aussagen sollte er die Begründung des Wissenschaftlers, den er zitiert oder wiedergibt, mit angeben bzw. wiedergeben;

b) wenn er eigene Gedanken äußert, die von dem Gelesenen abweichen (eigene Erklärungs-versuche, kritische Gedanken), sollte er überlegen, wie er diese Gedanken begründen kann.

Wissenschaftliche Ergebnisse entstehen immer vor dem Hintergrund der früheren und ge-genwärtigen Forschungen und Recherchen anderer. Davon werden sie einerseits abgeho-ben in dem, was sie Neues bieten; andererseits bietet die vorhandene Forschung ein mehr oder weniger gutes Fundament für die jeweils neuen Aussagen. Nur vor diesem ständig erweiterten Hintergrund bekommen wissenschaftliche Arbeiten die umfassende Begründung und Absi-

5 Vielen Schreibern fällt erst bei der zweiten oder dritten Hausarbeit oder sogar erst bei der Abschlussarbeit

auf, dass sie eigentlich gar nicht genau wissen, was Wissenschaftlichkeit beinhaltet.

©GGraefen 2007

7

cherung, die sie brauchen. Vergleich und Austausch sind nötig, schon damit nichts doppelt passiert (was allerdings immer wieder der Fall ist). Fast noch wichtiger ist, dass neue Ergeb-nisse auch bei anderen Wissenschaftlern wiederum neue Ideen und Schlussfolgerungen auslö-sen können. Es findet also sowohl Abgrenzung als auch wechselseitige Anregung und Bestä-tigung statt, und beides wird auch in den Publikationen besprochen. Otto Kruse (1997: 145) formuliert das so:

"Jeder Text ist Bindeglied zwischen bereits existierendem und zukünftigem Wissen. Er-kenntnis besteht in der ständigen Integration vorhandener Teilerkenntnisse zu neuen Strukturen."

Von daher lässt sich besser verstehen, warum so häufig auf den jeweils relevanten Hinter-grund verwiesen wird und warum dies immer in der Form des Literatur-Belegs, also der vollständigen bibliographischen Angabe mit Seitenzahlen, passiert. Das ermöglicht z.B. dem misstrauischen Leser, eine Aussage zu kontrollieren, sich also selbst davon zu überzeugen, ob der beanspruchte Hintergrund tatsächlich so existiert, wie der Autor es behauptet. Dem zu-stimmenden, weitergehend interessierten Leser wird durch Quellenangaben und Literaturver-weise (vgl. ...) oder (s. ......) eine Wissenserweiterung durch gezieltes, vertiefendes Nachlesen ermöglicht.

Die direkteste Bezugnahme auf andere wissenschaftliche Publikationen ist das Zitat, die wört-liche Wiedergabe. Es ist durch Anführungszeichen, zusätzlich oft durch das Layout, vom eigenen Text abgehoben (vgl. dazu unten).

4. Welche Konsequenzen hat das für Qualifikationsarbeiten?

Eine wichtige Frage, die viele beim Schreiben beunruhigt, ist die folgende: 'Werden an meine Arbeit dieselben Anforderungen wie an eine Forschungsarbeit gestellt, d.h. muss ich etwas wirklich Neues (das noch keiner vorher gewusst und aufgeschrieben hat) vortragen?' Eine solche Forderung wird im Rahmen der Ausbildung und der Ausbildungsabschlüsse noch nicht gestellt; erst die Doktorarbeit wird daran gemessen, weil sie den Einstieg in eine Universitäts-Tätigkeit ermöglicht, die in Deutschland immer auch mit Forschung verbunden ist. Wie sieht es aber bei Diplom- oder Magisterarbeiten aus? Auch sie werden sicher nicht für eine Arbeit vergeben, die eine bloße Ansammlung von Gelesenem, also eine "Kompilation" von Arbeiten anderer, ist. Besonders manche Arbeit zu einem theoretischen Thema droht in den Händen eines unerfahrenen Autors zu einer Kompilation zu werden: Man referiert fremde Auffassun-gen und Ergebnisse und kann sich selbst dazu nicht in ein klares Verhältnis setzen, d.h. man ist zu keiner Beurteilung fähig.

Meist wird dabei allerdings unterschätzt, welche eigene Leistung auch in einer – guten – For-schungsübersicht steckt, vor allem wenn diese mit einer klugen Kommentierung verbunden wird, die dem Gegenstand angemessen ist, indem sie wesentliche Gesichtspunkte hervorhebt, gelöste und ungelöste Probleme unterscheidet, unterschiedliche Ergebnisse erklärt und bewer-tet. Die Art der Darstellung zeigt, wie gut der Überblick ist, den der Autor gewonnen hat, wie kompetent er sich zum Gegenstand äußern kann. Eine ganze Reihe von Fehlern können in dieser Phase der Textproduktion auftreten:

- Man kann wichtige und interessante Publikationen übersehen, - man kann bei der Lektüre bzw. beim Exzerpieren unsauber arbeiten und zu halbrichtigen oder falschen Darstellungen kommen; - es kann sein, dass Missverständnisse auftreten, die dem Schreiber nicht klar werden; - er kann die Unterthemen in einer chaotischen oder ungünstigen Anordnung darstellen,

©GGraefen 2007

8

- er kann sich sachlich bzw. sprachlich undeutlich ausdrücken, so dass der Leser der Hausar-beit teilweise im Unklaren über das Gemeinte ist.

All dies zeigt vielleicht schon, dass eine sachverständige Vorstellung von Ergebnissen und Argumenten von Wissenschaftlern nicht ohne eine erhebliche Eigenleistung des studentischen Autors zustande kommen kann.

Weniger Zweifel haben diejenigen, die für ihre Arbeit eine kleine selbstständige Untersu-chung durchführen. Dabei treten die Eigenanteile deutlicher hervor. Das Risiko, dass man sich zeitlich und inhaltlich übernimmt, ist allerdings dabei größer. Auch die Bandbreite der Fehler, die man machen kann, ist größer, denn es gibt eine Reihe von methodischen Entschei-dungen zu treffen, deren Konsequenzen man nicht immer richtig voraussieht.

3.4. Logik

Eine elementare und selbstverständliche Anforderung an jede wissenschaftliche Darstellung ist die der Klarheit und inneren Logik. Nicht nur der Widerspruch zu Fakten, sondern auch innere Widersprüche entwerten einen Vortrag oder Text, lassen ihn als tendenziell unwissen-schaftlich erscheinen. Alle wissenschaftlichen Texte sind mehr oder weniger ausgeprägt ar-gumentative Texte. Nicht nur Wissenschaftler, die neues Wissen verteidigen und unter ihren Fachkollegen durchsetzen wollen, sind auf Argumente angewiesen; auch von Studenten, die normalerweise nur relativ wenig an eigenen Gedanken einbringen können, wird erwartet, dass sie diese Gedanken argumentativ vortragen. Um logische Präzision zu erreichen, ist es oft erforderlich, sich deutlich von der Alltagssprache zu entfernen.

3.5. Systematik

Die Notwendigkeit eines systematischen Vorgehens betrifft sowohl die Daten- und Quellen-beschaffung oder -auswertung als auch die Gliederung und Strukturierung der Darstellung. Für viele Typen von Untersuchungen stehen bewährte, oft auch ausführlich beschriebene Me-thoden zur Verfügung. Zwar können Studenten nur kleinere Untersuchungen selbst durchfüh-ren, aber wenn sie sich dazu entschließen, kommt es darauf an, methodisch wenigstens ähn-lich wie in vergleichbaren wissenschaftlichen Untersuchungen vorzugehen. Eine systematisch geordnete wissenschaftliche Darstellung erhält zusätzlich das Lob der Konsistenz. Konsistenz schließt einerseits Systematik in der Abfolge der gegenstandsbezoge-nen Aussagen ein. Sie zeigt sich aber auch an Bezügen innerhalb des Textes (Überblick, Vor- und Rückverweise), mit denen der Leser vorbereitet und orientiert wird.

3.6. Definieren

Da ein großer Teil der in einem Fach häufig verwendeten Begriffe Termini sind oder termino-logischen Charakter haben, ist es oft erforderlich, die in der eigenen Arbeit benutzten Begriffe definitorisch zu behandeln. In den Sozialwissenschaften stößt dieses Vorhaben oft auf ein Problem: Ausdrücke, die terminologischen Wert zu haben scheinen, werden von verschiede-nen Theorien und Autoren nicht einheitlich definiert. Wenn also keine allgemein anerkannte Definition existiert, kann der entsprechende Absatz in der studentischen Arbeit auch nicht so tun, als wenn alles klar und einfach wäre. Wenn einzelne Wissenschaftler oder 'Schulen' einen eigenen Umgang mit einem für die Arbeit relevanten Begriff pflegen, so gilt es, darauf hin-zuweisen. Vor einer Übernahme des betreffenden Ausdrucks steht also die kritische Ausei-nandersetzung mit dieser Lage – was natürlich einen guten Überblick voraussetzt. Dabei zeigt sich meist, dass es in Wirklichkeit nicht nur um die (sprach)technische Frage geht". Wie defi-

©GGraefen 2007

9

niert man X?", sondern in der Form der Begriffsdefinition werden meist schon die inhaltlich relevanten Unterschiede zwischen Schulen und Autoren thematisiert.

3.7. Gründlichkeit und Differenziertheit

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen der alltäglichen oder hobbyistischen Beschäfti-gung mit einem Thema und einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung damit besteht darin, dass der wissenschaftliche Schreiber sich nicht mit pauschalen und oberflächlichen, mit zu schnellen Aussagen zufrieden geben kann. Die Tatsache verschiedener "Begriffssysteme"6 und Vorgehensweisen bei verschiedenen Autoren darf z.B. nicht einfach ignoriert werden zugunsten eines Autors, dem man sich anschließen will. Sehr häufig stellt sich z.B. heraus, dass unterschiedliche Aussagen in der Literatur zum Thema nicht einfach mit den Kriterien richtig und falsch beurteilt werden können; statt dessen resultieren die Differenzen manchmal aus verschiedenen Perspektiven oder Akzentuierungen dessen, was an dem Gegenstand prak-tisch wichtig oder theoretisch interessant ist. Studenten, die Unterschiede nicht einfach nur feststellen, sondern auch noch versuchen, deren Gründe herauszufinden, praktizieren damit eine der 'Tugenden' wissenschaftlicher Tätigkeit. Damit soll aber nicht ausgeschlossen wer-den, dass es manchmal nötig ist, klar gegen die eine und für eine andere Darstellung oder Po-sition einzutreten.

3.8. Wissenschaftliche "Ethik"

Es gehört sozusagen immer schon zu den Grundprinzipien wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens, dass Wissenschaftler mit anderen kooperieren, deren Ergebnisse, Erfindungen und Gedanken zur Kenntnis nehmen, sie – wenn nötig – bestätigen oder kritisieren und eben-so ihre eigenen Ergebnisse und Gedanken veröffentlichen, also wiederum anderen zur Verfü-gung stellen. Bei all dem achten die Beteiligten darauf, dass Forschungsleistungen ihren Ur-hebern zugerechnet werden. Wer Leistungen anderer unter seinem Namen veröffentlicht – es gibt immerhin eine Reihe von Motiven dafür -, verletzt damit die wissenschaftliche Ethik, beschafft sich Ruhm oder Geld auf Kosten anderer. Bei studentischen Hausarbeiten geht es zwar nur um eine Benotung, aber auch hier wird das Prinzip bereits angewendet: Man darf alles, was öffentlich ist, frei nutzen, um vielleicht einen Schritt weiterzukommen. Dieser Schritt ist dann die eigene Leistung, was andere geschrieben haben, wird ihnen durch die Nennung der Publikation zugerechnet.

3.9. Ein wissenschaftlicher Autor erzählt nicht7

Bei vielen Themen kommt es ohnehin kaum in Frage, etwas zu erzählen. Immer dann aber, wenn Autoren ein Thema gewählt haben, mit dem sie entweder persönlich und praktisch zu tun haben oder hatten, oder auch, wenn sie sich in ihrer Argumentation auf eigene Erfahrun-gen stützen wollen, kann das Bedürfnis auftreten, in den Erzählstil zu verfallen. Wissen-schaftliche Texte sollen aber Produkte eines Forschens und Nachdenkens sein, das über die-persönliche Erfahrung hinausgeht, hin zum Allgemeinen, zu einer objektiven Darstellung.

In einer auf Objektivität angelegten Darstellung werden also Erfahrungen, die grundsätzlich etwas Zufälliges und Vereinzeltes an sich haben, nach Möglichkeit aufgehoben, um sie erklä-

6 Oft handelt es sich dabei, wie schon gesagt, nicht wirklich um andere Begriffe, sondern um verschiedene

Einteilungen des Gegenstandsgebietes, verschiedene Ausdrücke für dasselbe oder Ähnliches. 7 Diese Formulierung stammt von Harald Weinrich (1989).

©GGraefen 2007

10

ren zu können. Was tut man nun, wenn eine persönliche Erfahrung nicht mit der wissenschaft-lichen Aussage korrespondiert? Dann denken studentische Autoren oft vorschnell, damit sei die allgemeine Beurteilung z.B. in einer Monographie widerlegt. Hier gilt es, vorsichtig zu sein und zunächst herauszufinden, wie die Diskrepanz zustande kommen könnte. Es kann ein Fehler in der Urteilsbildung vorliegen, aber ebenso können besondere Bedingungen für die abweichende Erfahrung verantwortlich sein. Erlebnisse des Autors haben also selten einen Platz in einer wissenschaftlichen Arbeit. Allenfalls können sie die Wahl des Themas erklären, als persönlichen "Zugang" des Autors zum Thema. 8

3.10. Die sprachliche "Präsenz" des Autors im Text9

Früher war es geradezu eine Art Dogma, dass in einer wissenschaftlichen Arbeit keine Ich-Form auftauchen darf. Die gesamte Darstellung soll entpersonalisiert sein, der Autor steht sozusagen hinter dem Text als wissenschaftliche Autorität, erscheint aber sprachlich nicht darin. Diese Praxis ist einer der Gründe dafür, warum das Passiv in wissenschaftlichen Schrif-ten besonders häufig auftaucht.

Inzwischen hat sich einiges geändert. Zwar ist immer noch der Hauptteil der Darstellung sachlich allgemein, der Autor spricht z.B. nicht über "meine These" oder "mein Ergebnis". In den Passagen der Arbeit aber, die sich mit dem Aufbau, mit der Abfolge der Teile, also mit der Textorganisation, befassen, ist es keineswegs ungewöhnlich, wenn z.B. eine Ankündi-gung in der Ich-Form erfolgt. Zwar kann man feststellen, dass sich an diesem Thema die Geister verschiedener Generationen unter Wissenschaftlern scheiden, d.h. Ältere finden so etwas zum Teil noch ungehörig. Untersuchungen von Wissenschaftlichen Artikeln der letzten 20 Jahre zeigen aber, dass die frühere Norm schon sehr weit 'aufgeweicht' ist (Graefen 1997).

Viele Studenten versuchen, das ungehörige Ich durch ein Wir zu umgehen. Diese Form hat aber nur dann einen Sinn, wenn der Autor tatsächlich für eine Gruppe spricht bzw. schreibt (z.B. eine Arbeitsgruppe von Forschern, eine "Schule", die Gesamtheit der Forscher in einem Fach).

3.11. Adressatenbezug

Beim Verfassen von Texten ist es sinnvoll und notwendig, sich einen Typ von Adressaten mit einem bestimmten Wissenshintergrund und bestimmten Interessen vorzustellen. Wie sieht der Adressat eines wissenschaftlichen Textes aus? Denen, die eine Arbeit im Studium verfassen, ist zu empfehlen, nicht direkt für den besonderen Dozenten zu schreiben, der die Arbeit liest und bewertet, sondern besser für einen verallgemeinerten Adressaten, bei dem man sich Do-zenten wie auch fortgeschrittene Studenten der eigenen Fachrichtung vorstellen kann. Dieser Typ des Lesers ist also – im Unterschied zu Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften außerhalb der Wissenschaft – jemand, der selbst zum Fach gehört und über dieselben fachlichen Wis-sensgrundlagen verfügt wie der Autor selbst. Weiter kann man unterstellen, dass er sich für Neues, für Weiterentwicklungen, interessiert. Dieses Neue, das noch nicht in anderen Publi-

8 Lutz von Werder vertritt in seinem "Lehrbuch des wissenschaftlichen Schreibens" bezüglich des Erzählens

eine andere Auffassung. Er erklärt Erzählen zur "wichtigen Schreibtechnik an der Universität, wenn eine Entwicklung dargestellt werden soll oder wenn Beispiele den Text illustrieren." (von Werder 1993, 78). Man sollte aber auch dabei auf einen sachorientiert-berichtenden Stil achten. Das Erzählen lebt grundsätzlich vom subjektiven Erleben, bezieht den Leser und seine Vorstellungen auch emotional ein und widerspricht damit der Darstellungsweise wissenschaftlicher Texte.

9 Vgl. dazu Graefen/Thielmann (2007)

©GGraefen 2007

11

kationen stand, sollte also entsprechend ausführlich und begründet dargestellt werden. Zugleich ist es notwendig, einem solchen Leser auch die Anbindung des Neuen und Heraus-gehobenen an das traditionelle und das schon kanonisierte Fachwissen deutlich zu machen. Aus der Vorstellung eines fachlich gebildeten Adressaten lässt sich also durchaus eine Art Relevanzprofil für den eigenen Text gewinnen.

4. Die Ökonomisierung des Lesens

Das Lesen ist, wie Lutz von Werder sagt, "ein wichtiger Motor wissenschaftlichen Schrei-bens" (1993: 310). Vor Beginn der Arbeit und besonders in der Anfangsphase ist das Lesen Ideenlieferant, es hilft ganz generell, die Thematik zu umreißen. Dann ist aber alsbald der Übergang zum systematischen Lesen notwendig.

Wer liest, um selbst eine Arbeit zu schreiben, sollte möglichst viele "Früchte" der Lesearbeit für eventuelle spätere Verwendung sichern. Das gilt besonders für Bücher, die man ausgelie-hen hat und die deshalb später zum Nachschlagen nicht mehr zur Verfügung stehen. Je nach Nützlichkeit des Aufsatzes oder Buches wird man sich sehr unterschiedlich lange damit be-fassen. Enorm zeitsparend ist die Fähigkeit, schnell entscheiden zu können, ob und wie nütz-lich ein Titel ist. Diese Fähigkeit ist natürlich nicht angeboren, sondern beruht a) darauf, wie gut die Planung der Arbeit ist und wie weit man sie im Kopf hat, b) auf der Routine im Lesen wissenschaftlicher Texte, die man im vorherigen Studium erworben hat.

Nicht wenige studentische Autoren tendieren dazu, das Leseziel aus den Augen zu verlieren und dieses oder jenes interessant zu finden. Oder sie fühlen sich geradezu 'erdrückt' von der Aussicht, ein ganzes Buch in möglichst kurzer Zeit lesen zu müssen. Wer versucht, ökono-misch zu lesen, überlegt sich schon bei der Besorgung oder zu Beginn der Lesetätigkeit, was er von diesem Titel für seine Arbeit erwarten kann. Dazu ist es gut, die Publikation so weit "anzulesen", dass man sie einschätzen kann. Wichtige Informationen liefern natürlich der Ti-tel und manchmal bereits der Name des Autors. Weitere Anhaltspunkte bieten:

- das Inhaltsverzeichnis (gründliche Lektüre ist oft nötig!) - ein Abstract, meist am Anfang eines Aufsatzes zu finden - der Einleitungsteil, Übersicht oder Ankündigungen des Autors - der Schlussteil, besonders wenn er eine Zusammenfassung enthält - das Sachregister eines Buches (Tauchen bestimmte wichtige Begriffe auf?) - das Durchblättern des Buches, wobei man achtet auf: Grafiken, Tabellen, Stil, - Zusammenfassungen am Kapitelende bei Büchern oder am Paragraphenende bei Aufsätzen

Der Auswertende stellt einige einfache Fragen an die Publikation, z.B.:

- Was weiß ich bereits über dieses Thema? – Gibt es etwas, was ich darüber noch herausfinden will/muss? - Welche spezifischen Lücken habe ich noch im Kopf oder in meinem Manuskript?

So kommt er zu einer Einschätzung der Publikation, die ihm einen effektiveren Umgang mit dem Lesen ermöglicht, auch wenn sie während des Lesens vielleicht korrigiert werden muss.

Der zweite Bestandteil dieses ökonomischen Vorgehens ist das selektive oder selegierende Lesen. Dabei kann man zwei Möglichkeiten unterscheiden: Zu Beginn der Orientierungspha-se wird man noch relativ offen und suchend all diejenigen Teile der Quelle lesen, die über-haupt einen Bezug zum eigenen Thema haben. In einer späteren Phase kann sich auf Basis der eigenen Fragen eine eingeschränkte Leseerwartung ergeben, die nur einen Teil der Schrift betrifft. Man konzentriert man sich dann auf die entsprechenden Text- oder Buchstellen. (Es

©GGraefen 2007

12

empfiehlt sich aber manchmal, in einer Kopie des Inhaltsverzeichnisses zu notieren, was man ausgewertet hat und was nicht.)

6. Zitieren, Paraphrasieren, Referieren

6.1. Die Funktion des Zitierens

Zitieren kann sich auf einzelne Ausdrücke, halbe oder ganze Sätze und auf größere Einheiten unterhalb der Ebene des gesamten Textes beziehen. Es bietet sich an, wenn es um sehr prägnante Aussagen oder sog. Schlüsselaussagen eines anderen Autors geht. Durch die wörtliche Wiedergabe setzt der Zitierende die Bedeutung die-ser Textstelle relativ hoch an. Zitate müssen also etwas inhaltlich oder sprachlich Besonderes bieten, z.B. eine treffende oder besonders kurze Qualifizierung, eine Problembeschreibung aus der Sicht eines Autors, eine verdeutlichende Metapher - nicht weitgehend Selbstverständ-liches, das der studentische Autor ebenso gut selbst hätte wissen und formulieren können. Umberto Eco (2000: 197) bringt ein Beispiel für ein überflüssiges Zitat:

"Die Massenkommunikationsmittel sind, wie McLuhan sagt, "eine der zentralen Erscheinun-gen unserer Zeit". Man darf nicht vergessen, dass nach Savoy allein in unserem Land zwei von drei Personen ein Drittel des Tages vor den Fernsehschirmen verbringen."

Um etwas so Bekanntes und Triviales zu sagen, muss man nicht die Autorität von McLuhan bemühen. Eco illustriert an diesem Zitat noch einen weiteren häufigen Fehler: Die Zahlenan-gabe im letzten Satz müsste korrekt mit dem Verweis auf eine bestimmte Untersuchung be-legt werden. Es reicht nicht, nur einen Namen zu nennen.

Der Sinn des Zitierens müsste sich eigentlich aus der Lektüre wissenschaftlicher Texte schlüssig ergeben. Es liegt aber nicht an Unaufmerksamkeit von Studierenden, wenn sie auch nach ausgedehnter Lektüre diesen Sinn nicht genau angeben können. Eva-Maria Jakobs hat darauf aufmerksam gemacht (1994), dass es bei wissenschaftlichen Autoren häufig noch an-dere Motive für Zitate gibt, die die allgemeinen Prinzipien überlagern. Zitiert wird nämlich z.B. auch dann, wenn ein Autor deutlich machen will, in welcher Beziehung er zu einer be-stimmten "Schule" oder einem "Ansatz" steht, wenn er weitläufige Belesenheit demonstrieren will, wenn er durch das Zitieren bestimmte Kollegen fördern und bekannt machen will. Hinzu kommt nicht selten auch das Bedürfnis, auf die eigenen früheren Publikationen hinzuwei-sen.10

Für die Menge von Zitaten gibt es keine allgemeine Regel. Wenn man sich in seiner Arbeit mit einem bestimmten Autor oder Werk auseinandersetzt (Analyse oder Interpretation), wird man daraus häufig zitieren. Wenn man eine eigene empirische Untersuchung vorstellt, wird in großen Teilen der Arbeit wenig oder gar nicht zitieren.

Zitate sollen nicht bzw. nur in Ausnahmefällen so lang sein, dass sie mehr als einige Sätze umfassen. Lange Zitate haben dann eine Berechtigung, wenn man sich mit deren Inhalt und Formulierungen ausführlich beschäftigen will. Ist das nicht der Fall, wirkt das Zitat entweder wie ein Exkurs, eine Unterbrechung des eigenen "roten Fadens", der eigenen Argumentation,

10 Das Motiv dafür ist allerdings nicht pure "Selbstdarstellung", wie Jakobs schreibt und viele andere denken. In

Zeit verstärkter Konkurrenz um Stellen ist die Literaturliste, also die Menge und Art der Publikationen, es-sentiell für jeden, der im Bereich von Forschung und Wissenschaft arbeiten will. Daraus entstehen Zwänge oder vermeintliche Zwänge zu manchmal überflüssigen Publikationen und zu "Werbe"-Maßnahmen, die frü-her den Wissenschaftlern kaum in den Sinn gekommen wären.

©GGraefen 2007

13

oder aber der studentische Autor setzt sich dem Verdacht aus, dass er die willkommene und erlaubte Entlastung durch das Zitieren (s.u.) übermäßig ausnutzt, indem er aus Bequemlich-keit andere Autoren für sich sprechen lässt.

Das Zitat sollte nicht aus anderen Quellen übernommen werden (sog. "Sekundärzitate"), nach Möglichkeit sollte aus dem Original zitiert werden. Zwar stößt man auf manche interessante, zitatwürdige Stellen oft über die Sekundärliteratur, aber erst wenn man sich das betreffende Werk besorgt und das Zitat in seinem Umfeld zur Kenntnis genommen hat, sollte man überle-gen, ob und was man daraus zitiert. Nicht selten verliert dabei das Ausgangszitat seinen Reiz, oder es erweist sich als weniger passend, als man vorher dachte.

Die häufigste Funktion eines Zitats ist die, im Rahmen der Darstellung des Forschungsstandes Ergebnisse oder relevante Überlegungen von wissenschaftlichen Autoren möglichst authen-tisch und originalgetreu in die Arbeit einzubringen.

Eva-Maria Jacobs fasst das Zitieren auf als "Bezugnahme", die objektiv und aus der Perspek-tive des zitierenden Autors mehrere Funktionen hat (1994: 47):

- Anzeigen des Wissenshintergrundes, vor dem ein Autor operiert

- Vernetzung von Forschungsergebnissen in der 'scientific community'

- Hilfe beim Aufbau einer Argumentation durch "Import" einer Stellungnahme oder Bewer-tung eines anderen Autors.

Diese Funktionen treffen auch auf die andere, nicht-wörtliche Art der Bezugnahme zu, das Paraphrasieren oder Wiedergeben.

Spezifisch für das Zitieren kommen noch zwei weitere Funktionen hinzu:

- Entlastung des Autors durch zitierende Übernahme der formulativen Leistung anderer

- Erfüllen von Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten (s.o.)

Eine Autor zu zitieren bedeutet im allgemeinen, dass man ihm zustimmt und sich auf seine Autorität berufen möchte. Darüber sollte aber nicht vergessen werden, dass es durchaus auch die Möglichkeit des kritisch gemeinten Zitierens gibt: Das Zitat kann dann Beleg oder Illust-ration im Rahmen einer Kritik an dem zitierten Autor sein.

Eine häufige Unsicherheit beim Zitieren entsteht aus der Verpflichtung zu genauer Übernah-me. Falls man in der zitierten Textstelle einen Fehler im Original entdeckt hat, möchte man verhindern, dass dies als eigener Fehler bewertet wird. Manche Schreiber verbessern den Feh-ler stillschweigend. Das korrekte Verfahren ist aber tatsächlich die originalgetreue Übernah-me. Allerdings kennzeichnet man den entdeckten Fehler durch Hinzufügung von: [sic!] (= siehe, Achtung). Dasselbe gilt, wenn man den Leser auf etwas Bestimmtes im Zitat aufmerk-sam machen will, z.B. die Wahl eines bestimmten Ausdrucks.

6.2. Internet-Zitate

Wissenschaftliche Zitate aus Internet-Seiten sind bei nachvollziehbaren Adressenangaben möglich: Bedingung ist, dass die Seite langfristig existiert. Sie soll auch von einem Institut oder von einzelnen Wissenschaftlern autorisiert und betreut sein. Zitate daraus sollen nach Möglichkeit nicht anonym sein. Im Literaturverzeichnis wird die benutzte Homepage, wenn nötig mit Angabe der Verantwortlichkeit aufgeführt.

©GGraefen 2007

14

6.3. Paraphrasieren und Referieren

Eine Paraphrase ist eine sinnentsprechende Wiedergabe. Wie das Zitat dient die Paraphrase dem Bezug auf andere Quellen, meist zum Zweck der Wiedergabe von sog. "Lehrmeinun-gen", wobei Autoren, die im Fach als wichtig gelten, also relativ bekannt sind, der Vorzug vor Einzelpublikationen gegeben wird. Beim Paraphrasieren wie beim Referieren geht es um die Inhalte, nicht um die genaue Formulierung im Primärtext.

Das Paraphrasieren bietet sich vor allem dann an, wenn ein "Spektrum" von Lehrmeinungen dargestellt und evtl. auch gegenübergestellt werden soll. Die Wiedergabe lässt sich dann gut mit den eigenen Darstellungsabsichten (Unterscheiden, Konfrontieren, Bestätigen o.a.) ver-binden.

Bei längeren Paraphrasen ist es sinnvoll, die Wiedergabe durch ein eingebautes Zitat des Au-tors glaubwürdiger und authentischer zu machen. Beispiel:

(...) Schulz vermutet, dass solche Störungen oft auf eine "unfunktionale Planung" zu-rückzuführen sind. (...)

Je nachdem, ob die paraphrasierte Textstelle schon genannt wurde oder nicht, ist natürlich ein bibliographischer Hinweis nötig:

Schulz (1980, 10) vermutet, dass solche Störungen (...).

6.4. Exkurs: Anführungszeichen

Für die Kennzeichnung von wörtlichen Zitaten benutzt man Anführungszeichen. Aber nicht alle Anführungszeichen kennzeichnen Zitate. Was sind ihre anderen Funktionen?

- Die sog. metasprachliche Funktion besteht darin zu zeigen, dass die eingeschlossenen Textteile als sprachliche Formen betrachtet oder beschrieben werden sollen, als Beispiele für Ausdrucksweisen oder grammatische Phänomene z.B.

- Das Angeführte kann eine Redewendung oder Redeweise sein, die mehr oder weniger allgemein bekannt ist, die aber vom Autor eher distanziert betrachtet wird. Im politischen Bereich kommt so etwas besonders oft vor. Ein CDU-Anhänger würde z.B. nie Anfüh-rungszeichen setzen bei dem Ausdruck "freier Unternehmer", Sozialdemokraten haben das zumindest früher getan. Die Haltung des Schreibers ist nicht eindeutig zu entnehmen. Er kann die Redeweise kritisch, ironisch oder mit einem Vorbehalt aufnehmen. Sie kann z.B. seinem persönlichen Schreibstil widersprechen (ähnlich wie die Einleitungen "sogenannt" und "sozusagen").

7. Argumentieren

Wer argumentiert, appelliert an Verstand und Einsichtsfähigkeit des Lesers. Strittige Auffas-sungen betreffen häufig die Frage der Richtigkeit eines Handelns. In einem wissenschaftli-chen Text geht es aber so gut wie immer um die Wahrheit einer Aussage, um die Gültigkeit und damit auch Akzeptabilität z.B. eines Ergebnisses oder einer Schlussfolgerung. Argumen-tieren ist mit dem Versuch verbunden, andere zu überzeugen, zu beeinflussen und für eine bestimmte Position einzunehmen.

Typisch für argumentative Sprechhandlungen ist der Bezug auf stützende Daten und auf ge-teiltes Wissen von Sprecher und Hörer. Eine Behauptung ist z.B. typischerweise durch Argu-mentationsbedarf gekennzeichnet: Eine Aussage gilt dann als Behauptung, wenn der vom Sprecher erhobene Wahrheitsanspruch nicht oder nicht sofort eingelöst werden kann; es be-

©GGraefen 2007

15

steht sozusagen ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Wissenschaftliche publizierte Auffassungen sind also keine Behauptungen; wenn Unsicherheit besteht, wird man nicht behaupten, sondern eine Vermutung formulieren.

Beim Schreiben eines argumentativen Textes hat der Autor ein bekanntes Problem:

Es gibt für ihn – anders als beim mündlichen Argumentieren – keinen persönlich bekannten Adressaten; selbst wenn der prüfende Dozent der einzige Leser ist, darf man sich nicht an ihn persönlich richten, sondern muss eine allgemeinverständliche und nachvollziehbare Form der Darstellung wählen. Obwohl man sich also nicht auf das Wissen oder den Wissensbedarf ei-ner konkreten Person einstellen kann, soll man trotzdem entscheiden, welche Teile der eige-nen Arbeit argumentations-, also begründungs- und erklärungsbedürftig sind. Das ist nicht leicht, es geht aber umso besser, je mehr man eine Vorstellung vom Wissens- und Diskussi-onsstand im jeweiligen Fachgebiet gewonnen hat. Dann gelingt es, sich eine Art Durch-schnittsleser vorzustellen, den man interessieren und überzeugen will.

Der Verlust der Möglichkeit, Argumente individuell und situativ anzupassen, wird ausgegli-chen durch den Vorteil einer zusammenhängenden Planung.

8. Die Formulierung eines Titels

Thema und Titel sind nicht dasselbe. Das Thema hat man im Kopf, der Leser eines Textes erkennt es auch ohne Überschrift, wenn alles gut geht. Der Titel ist dagegen die konkrete Formulierung (Buchtitel, Überschrift eines Aufsatzes), mit der das Thema dem Leser als ers-tes verdeutlicht wird. Titel können also ganz schlicht Benennungen des Gegenstands der Ar-beit sein:

Aristoteles. Sein Bild in Forschung und Deutung der Gegenwart

Ein solcher Titel ist sachbezogen und klar. Die Zweiteiligkeit wird häufig gewählt und ist sehr sinnvoll: Der erste Teil gibt Thema oder Gegenstand allgemein an und kann dabei an die Be-kanntheit von Aristoteles anknüpfen. Der zweite Teil enthält die notwendige Präzisierung, um die zu große Thematik einzugrenzen.

Eine Variante davon ist ein ebenfalls zweiteiliger Titel, bei dem nach der Nennung des Ge-genstandes eine Charakterisierung des Typs der Arbeit erfolgt, also etwa ihrer Methodik. Ein Beispiel aus dem juristischen Bereich:

Die Interessengemeinschaft. Eine gesellschafts- und kartellrechtliche Untersuchung

Eine weitere Variante davon ist, im Untertitel den Anspruch und das Niveau der Arbeit zu kennzeichnen oder anzudeuten. Das Beispiel ist ein Titel vom (populären) Buchmarkt:

Demokratie. Eine Einführung

In manchen Fächern der Sozialwissenschaften gilt es als originell und Interesse erweckend, wenn der Titel ein rätselhaftes Element enthält, meist gleich zu Anfang. Vorbild ist dabei möglicherweise die Literaturwissenschaft. Der Untertitel muss dann aber unbedingt informa-tiv sein:

Fluchtlinien. Philosophische Essays

Titel können auch, um mehr Wirkung zu erzielen, rhetorischen Prinzipien folgen:

Lehrerurteil – Lehrervorurteil?

Die Kontrastierung, die so mit äußerst sparsamen Mitteln erzielt wird, hat einige Nähe zu journalistischer Schreibweise. Auf manche Leser wirkt ein solcher Titel weniger seriös oder

©GGraefen 2007

16

sogar unwissenschaftlich. Das ist allerdings nicht gerechtfertigt, auch wenn Journalisten ähn-lich vorgehen. Der Versuch, einen mit besonderen Stilmitteln gestalteten Titel zu formulieren, kann noch kein Argument gegen eine Arbeit sein.

9.6. Anmerkungen und Fußnoten

Anmerkungen stehen in einem zusammenhängenden Anmerkungsteil, der dem eigentlichen Text folgt (vor dem Literaturverzeichnis). Fußnoten dagegen stehen auf derselben Seite, bie-ten dem Leser also die Bequemlichkeit, die Ergänzung gleich mit einem Augenschwenk er-fassen zu können.

Den Charakter der Ergänzung, des Zusatzes, haben beide. Fußnoten werden bei einem ande-ren Zitierverfahren dazu genutzt, die Herkunft der Zitate anzugeben, um den Text besser les-bar zu machen. Bei dem von mir vorgeschlagenen Verfahren stehen solche Nachweise aber im Text, direkt vor oder hinter dem Zitat; in der Fußnote erscheinen nur zusätzliche biblio-graphische Hinweise. Und das ist nicht der einzige Zweck von Fußnoten. Sie können

- ein unterstützendes Zitat enthalten, das der Behandlung dieses Punktes im Text ein zu großes Gewicht geben würde, wenn es dort noch integriert würde,

- Verweise auf andere Textstellen der eigenen Arbeit geben,

- kleinere Exkurse enthalten, im Text getroffene Feststellungen sachlich erweitern,

- eine Rechtfertigung der eigenen Darstellung enthalten, die nicht unbedingt für jeden Leser notwendig ist,

- eine Übersetzung von fremdsprachigen Zitaten anbieten.

Umberto Eco (2000: 212) referiert - in einer Fußnote – eine doppelte Warnung. Die Verwen-dung von Fußnoten habe mit Fingerspitzengefühl zu erfolgen: keinesfalls dürfen wichtige und besonders hervorzuhebende Aussagen in Fußnoten verbannt werden. Auf der anderen Seite kann es passieren, dass Fußnoten oder Anmerkungen nur dazu dienen, Eindruck zu machen, ohne zu den Ausführungen Wesentliches beizutragen.

10. Der "rote Faden"

Nicht wenige studentische Arbeiten fallen dadurch auf, dass sie beim Lesen Probleme hervor-rufen: Sie behandeln viele einzelne Unterthemen, die jedes für sich durchaus in einem Zu-sammenhang mit dem Gesamtthema stehen, aber z.T. ist unklar, wie genau dieser Zusam-menhang aussieht und wie sich ein Punkt aus dem anderen ergibt. Es fehlen ausformulierte Übergänge und Zusammenfassungen, dem Leser wird die Arbeit kaum erleichtert, er muss sich vieles hinzudenken und versteht dennoch nicht alles. Es fehlt das, was der Volksmund den "roten Faden" nennt.

Solche Arbeiten kommen oft deshalb zustande, weil ihr Autor sich der Pflichtübung unter-zieht, zu 'irgendeinem‘ Thema etwas zu schreiben, ohne dieses Thema für sich aufgeschlüsselt und zugänglich gemacht zu haben. Ihm fehlt vor allem eine oder ein paar Fragen, die es zu beantworten gilt. Der Vorteil einer Fragestellung als 'heimliches' Thema liegt darin, dass sie hilft, die gelesene Literatur besser zu sortieren und auszuwerten. Fehlt dieses Sortierkriterium, erscheint leicht alles, was man zum Thema liest, als wichtig, und der Autor sieht sich entspre-chend eine allzu großen Fülle von Informationen gegenüber.

Ein anderer, typischer Ablauf ist der folgende: Der Autor hat eine Reihe von Publikationen exzerpiert, sitzt nun vor seinen Materialien und möchte möglichst viel von der Vorarbeit auch

©GGraefen 2007

17

anbringen. Dabei vergisst er, dass er in der Phase des Exzerpierens noch kein klares Bild von der Struktur der Arbeit hatte. Was er dann zusammenflickt, wirkt dann womöglich inkonsis-tent und sprunghaft. Vor der Fertigstellung der Rohfassung sollte er – nicht allzu spät – sich die Frage vorlegen, was genau sein roter Faden sein soll.

In Kapitel 2 war von den Arbeitsphasen die Rede. Für den roten Faden ist genau die Schnitt-stelle zwischen dem Lesen und Auswerten einerseits und der Strukturierung der Arbeit ande-rerseits ausschlaggebend. Wer sich dafür Zeit nimmt, also in Ruhe über sein erstes hypotheti-sches Inhaltsverzeichnis auf der Basis des gesammelten Materials nachdenkt, kann gedanklich einen Durchgang durch die Argumentation insgesamt machen. Wenn man das zufrieden stel-lend geklärt hat, ist es auch relativ leicht, an einigen Stellen der Arbeit kurze Ankündigungen und Kommentierungen, Hinführungen zu einem neuen Paragraphen oder Schlusssätze zu Pa-ragraphen zu formulieren. So etwas hilft dem Leser nicht nur beim Verstehen, es gibt ihm auch noch eine gewisse Kontrolle, ob er zuvor richtig verstanden hat. Er kann dann sozusagen "im Einklang mit dem Autor" weiter lesen.

12. Hinweise für die Überarbeitung des Manuskripts

Bei der Überarbeitung ist es hilfreich, inhaltliche und formale Gesichtspunkte gleichzeitig zu beachten, um mit einem Lesedurchgang möglichst viele Defizite und Fehler zu entdecken. Die folgenden Fragen können dabei helfen, die Aufmerksamkeit auf mögliche Schwächen zu lenken.

Bei der Einleitung ist vor allem zu prüfen, ob das Thema (der Gegenstand) oder die Fragestel-lung der Arbeit hinreichend präzisiert wurde. Nachdem man die Arbeit fertig hat, stellt sie sich dem Schreiber selbst oft anders dar als während des Schreibprozesses. Man sollte dann auch noch ein letztes Mal überlegen, ob die gewählte Gliederung sich bewährt hat.

Bezüglich der verwendeten Termini oder Begriffe ist sicherzustellen, dass sie bei ihrem ersten Auftreten und nicht erst später erklärt werden.

Was die Zitate und Paraphrasen angeht, ist zu prüfen, ob jeweils erkennbar ist, von wem wel-che Aussage stammt und aus welcher Quelle sie zitiert wurde. Danach sollte man sofort über-prüfen, ob der betreffende Titel auch im Literaturverzeichnis aufgenommen wurde.

Am schwierigsten ist es wohl für Autoren, zumindest für ungeübte, zu beurteilen, ob ihr Text für andere verständlich ist. Sie wissen ja schließlich genau, was sie sich beim Schreiben ge-dacht haben, was sie mitteilen wollten. Mehr oder weniger mühsam haben sie sich Formulie-rungen dafür abgerungen. Diese jetzt mit Distanz, aus der Perspektive eines anderen, zu be-trachten, ist viel verlangt. Empfehlenswert ist hier die Assistenz eines befreundeten und in der Sache nicht gänzlich unbeschlagenen Lesers, der keine Verbesserungsvorschläge machen muss, nur sagen, wo er beim Lesen 'stolpert' oder unsicher ist, ob er richtig versteht. Auf die Dauer, d.h. nach mehrfachem Schreiben einer Arbeit, wird man aber selbständig – sofern man den Korrekturprozess bewusst durchführt hat und sich jeweils den Sinn der Verbesserung überlegt hat.

Eine weitere Frage ist die, ob der Stil schriftsprachlich und wissenschaftlich ist. Das ist näm-lich keineswegs selbstverständlich, wie viele Arbeiten zeigen.

Elemente der gesprochenen Sprache werden z.B. gern einmal untergemischt. Meist haben diese sprachlichen Elemente die Eigenschaft, ungenau oder emotional gefärbt zu sein, oder es handelt sich um Verkürzungen, wie bei mal.

©GGraefen 2007

18

mündlicher Stil schriftsprachlich noch mal noch einmal endlich (sachlicher!) nun mal ------- die Wissenschaftler sind der Meinung ... der Auffassung auf alle Fälle in jedem Fall gleich nachher sofort danach eine Zeitlang (präzisieren) ziemlich groß (präzisieren)

Auch der umgekehrte Fall ist zu beobachten: Studentische Schreiber sind manchmal von dem, was als akademischer Stil erscheint, so beeindruckt, dass sie diesen nachahmen wollen. Ihr Stil ist dann nicht nur sehr weit entfernt von ihrer sonstigen Art zu sprechen und zu schreiben, sie "dekorieren" ihren Text auch z.T. mit Ausdrücken und Ausdrucksweisen, die sie selbst nicht ganz verstanden haben bzw. deren Funktion sie nur ungenau kennen. Auch hierfür gibt es natürlich schlechte Beispiele in der wissenschaftlichen Literatur: Sätze oder Passagen, die man zwei- oder mehrmals liest, um sich danach einzugestehen, dass man immer noch nicht genau weiß, was damit gesagt werden sollte. Klare Formulierungen setzen klare Gedanken voraus, darüber hinaus aber auch einen adäquaten Umgang mit den eingeführten Formen der Wissenschaftssprache. Daher folgen unten noch einige wenige Hinweise auf sprachlich-stilistische Merkmale.

Auch Anmerkungen oder Fußnoten sollten nicht nur auf Rechtschreibfehler hin geprüft wer-den. Zwar wäre es falsch, sie dem Maßstab zu unterwerfen, ob sie notwendig sind. Sollte das der Fall sein, d.h. sollte eine Fußnote notwendig sein, um den Text zu verstehen, dann verla-gern Sie besser den Fußnoteninhalt in den Haupttext hinein. Fußnoten und Anmerkungen sind also per Definition nicht unbedingt notwendig. Sie können Zusatzinformationen, Erläuterun-gen und kleine Exkurse enthalten. Letzteres wird nicht in allen Fächern gern gesehen. Eine weitere Frage ist: Ist die Fußnote (und das Fußnotenzeichen) an der richtigen Textstelle plat-ziert?

Entsprechen Rechtschreibung und Interpunktion dem gewählten Rechtschreibstandard? Der allgemeine Rat dazu lautet: Die neue Rechtschreibung nach den Amtlichen Richtlinien ist in den Schulen und wird im Öffentlichen Dienst verbindlich eingeführt, für den privaten Ge-brauch kann niemand dazu verpflichtet werden. Man sollte nur keine Rechtschreibmischun-gen machen. Die vorhandenen Rechtschreibwörterbücher lassen im allgemeinen gut erken-nen, welche Schreibung die neue und welche die alte ist.

Zum Layout, zur äußeren Gestalt einer Arbeit, kann man sehr viel sagen. Das meiste davon lässt sich studieren an den Publikationen, die man liest. Jeder Student lernt hier Möglichkeiten kennen, wie man Überschriften gestalten kann, Graphiken in den Text einbindet, Hervorhe-bungen visuell deutlich macht etc. Die in der Literaturliste genannten Ratgeber geben dazu meist auch noch genauere Angaben in Zentimeterzahlen.

Unerfahrene Autoren machen manchmal den Fehler, sich nicht für ein bestimmtes Verfahren zu entscheiden, sondern zwischen mehreren Möglichkeiten hin und her zu springen. Auch in solchen Äußerlichkeiten zeigt sich, ob jemand systematisch oder unsystematisch arbeitet. Sie sollten also nicht gering geschätzt werden. Eine übersichtliche Gestaltung lässt die Textorga-nisation erkennen und der Leser findet sich leichter in dem Text zurecht.

©GGraefen 2007

19

12.1. Gegen den Nominalstil

In der deutschen Gegenwartssprache gibt es eine generelle Tendenz, viele Substantive als Bedeutungsträger zu verwenden, zunehmend auch als Bestandteile des Prädikats. Gemeint sind solche Fügungen wie: zur Besinnung kommen, in Funktion sein, zur Kenntnis brin-gen. Das ist grundsätzlich nicht negativ zu beurteilen, da hierdurch neue Ausdrucksmöglich-keiten gegenüber einfachen Verben wie sich besinnen, funktionieren, kennen entstanden sind. Zudem ist es oft nötig, Substantive zu verwenden, etwa in Überschriften, Aufzählungen mit Spiegelstrichen oder a) – b) – c) eingeleitet, oder wenn man stichwortartig formuliert.

Es gibt allerdings in der Amts- und Verwaltungssprache, besonders auch der juristischen, ei-nen besonders exzessiven Gebrauch von Substantiven, der inzwischen einen schlechten Ruf hat, da die Verständlichkeit darunter leidet. Dennoch sind solche Texte für viele ein Vorbild, und der betreffende Stil hat sozusagen "abgefärbt". Er gilt für manche als Ausweis von Sach-lichkeit und Kompetenz. Wenn Termini vorkommen, lässt er sich auch als Ausweis von Wis-senschaftlichkeit interpretieren.

Dagegen möchte ich eine andere stilistische Empfehlung setzen: Es wird dem Eindruck, den Ihr Text macht, keinen Abbruch tun, wenn Sie bei Ihren Formulierungen mehr auf Klarheit und Verständlichkeit achten als auf imposante Substantive.

Um besser erkennen zu können, wann eine verbale Formulierung einfacher und klarer als eine substantivische, stelle ich im Folgenden einige schlechte Beispiele vor. Bitte überlegen Sie jeweils, ob und wie man die Äußerungen/Textstellen umformulieren könnte und welche Um-formulierung ein Gewinn ist, welche nicht.

Beispiel 1: ein Gesetzesparagraph

"Ziel der Schule ist die Heranbildung von Persönlichkeiten, die zu einer Gestaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens auf der Grundlage der Demokratie, der Frei-heit und der menschlichen Würde fähig sind. Diese Persönlichkeiten müssen sich der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewusst sein, und ihre Haltung muss be-stimmt werden von der Anerkennung einer fortschrittlichen Gestaltung der wirtschaftli-chen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker." (aus dem Berliner Schulgesetz von 1978)

Beispiel 2: Einzelne Sätze aus studentischen Arbeiten

Die meisten jungen Menschen sehen keine Einflussmöglichkeit auf die Politik.

Im ersten Schuljahr ist die allmähliche Umformung der Mundart in die Schriftsprache, auch die Gewöhnung an freies Sprechen, Gegenstand des Unterrichts.

Eine gemeinsame sinnvolle Gestaltung der Freizeit wird nicht mehr praktiziert.

Der Bevölkerungszuwachs ist zum Stillstand gekommen.

Der Grund für die Proteste liegt in der Belastung der Angestellten durch die große Menge der Überstunden.

12.2. Sprachliche Verbesserungsmöglichkeiten

Auch die folgenden Beispiele stammen aus Haus- und Examensarbeiten. Ich gebe jeweils eine kurze Kommentierung, was bei der Überarbeitung zu ändern wäre.

a) Das Festhalten an traditionellen Normen beruft sich oft auf kulturelle Vorbilder.

©GGraefen 2007

20

Zu dem Verb sich berufen auf ist ein persönliches Subjekt angebracht. Eine Verbesserungs-möglichkeit wäre:

Das Festhalten an traditionellen Normen wird oft mit kulturellen Vorbildern gerechtfertigt.

b) Die genannten Tendenzen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Hier ist es eigentlich der Autor, der einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte. Da die Ich-Form aber vermieden wird, entsteht ein sprachlicher Fehler. Der Passivsatz würde das Problem beseitigen:

Für die hier genannten Tendenzen kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.

c) Der Grundstein für das Desinteresse der Jugendlichen wurde von ihren Eltern gelegt. Ein Grundstein hat normalerweise positive Bedeutung als Basis eines Bauwerks, auch in der metaphorischen Verwendung. Das Desinteresse ist hier jedoch als Problem oder Fehlentwick-lung thematisiert worden, daher passt "Grundstein" nicht. Vorschlag:

Für die Entstehung des Desinteresses der Jugendlichen sind deren Eltern mit verantwortlich.

d) Ein wichtiges Verdienst der Lehrgänge ist es, seine Chancen auf eine Einstellung zu ver-bessern.

Auch hier wird wieder ein Ausdruck gewählt, der auf Personen anzuwenden ist, nämlich "Verdienst". Das könnte vielleicht noch als metaphorische Übertragung gewertet werden. Schlimmer ist, dass das Pronomen sein in dem Satz keinen Bezug hat. Vorschlag:

In den Augen der Teilnehmer ist es ein wichtiger Vorteil der Lehrgänge, dass sie ihre Chan-cen auf eine Einstellung verbessern können.

e) Schließlich ist bei der Bewertung von Fehlern die Einschätzung des Schülers von wichtiger Bedeutung.

Das Problem liegt hier in der Kombination "wichtige Bedeutung". Man kann das Substantiv Bedeutung graduell abstufen, aber mit diesem Adjektiv wirkt es wie eine Verdopplung, denn Bedeutung und Wichtigkeit sind sich ähnlich. Vorschlag:

Schließlich ist die Einschätzung des Schülers selbst bei der Bewertung von Fehlern von gro-ßer Bedeutung.

Literatur: Ratgeber und Trainingsprogramme

Becker, Howard S. (1994) Die Kunst des professionellen Schreibens. Ein Leitfaden für die Geistes-und Sozialwissenschaften. Frankfurt a.M.: Campus

Büker, Stella (1998) Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben in der Fremdsprache Deutsch. Eine empirische Studie zu Problem-Lösungsstrategien ausländischer Studie-render. Baltmannsweiler: Schneider

Bünting, Karl-Dieter / Bitterlich, Axel / Pospiech, Ulrike (1996) Schreiben im Studium. Ein Trainingsprogramm. Berlin: Cornelsen Skriptor

Ebster, Claus / Stalzer, Lieselotte (2003) Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Paderborn: Schöningh (UTB 2471)

Eco, Umberto (82000) Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. Heidelberg: Müller

©GGraefen 2007

21

Esselborn-Krumbiegel, Helga (2004) Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissen-schaftlichen Schreiben. (2. Aufl.). Paderborn: Schöningh (UTB 2334)

Franck, Norbert / Stary, Joachim (2003) Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung. (11. Aufl.) Paderborn u.a.: Schöningh (UTB 724)

Franck, Norbert (2004) Handbuch Wissenschaftliches Arbeiten. Fischer Information & Wis-sen. Frankfurt a. M. : Fischer

Franck, Norbert (2005) Schreiben wie ein Profi. Leitfaden für Texte mit Pfiff und Struktur. 4. Aufl. Frankfurt a. M.: Bund-Verlag

Graefen, Gabriele (2006) Schriftsprache Deutsch. Lehrgang (nicht nur) für ausländische Stu-dierende an deutschen Hochschulen. http://www.daf.uni-muenchen.de/DAF/PERSONEN/GRAEFEN.HTM

Göttert, Karl-Heinz (2003) Kleine Schreibschule für Studierende. (2. Auflage) W. Fink (UTB 2068)

Hoffmann, Monika (2005) Deutsch fürs Studium. Grammatik und Rechtschreibung. Pader-born u.a.: Schöningh

Hyams, Helga-Ulrike (2004) Das Prüfungsbuch. Für Sozial- und Geisteswissenschaftler. Pa-derborn: Schöningh (UTB 2555)

Mehlhorn, Grit (2005) Studienbegleitung für ausländische Studierende an deutschen Hoch-schulen. München: iudicium

Niederhauser, Jürg (2000) Duden. Die schriftliche Arbeit. Ein Leitfaden zum Schreiben von Fach-, Seminar- und Abschlussarbeiten in der Schule und beim Studium. (3. Aufl.). Mannheim u.a.: Dudenverlag

Klemm, Michael (1997) Empfehlungen zur Produktion wissenschaftlicher Texte. Chemnitz: TU Chemnitz

Kruse, Otto (92002) Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studi-um. Frankfurt a. M.: Campus

Kruse, Otto / Jakobs, Eva-Maria / Ruhmann, Gabriele (Hgg.) (1999) Schlüsselkompetenz Schreiben. Konzepte, Methoden, Projekte für Schreibberatung und Schreibdidaktik an der Hochschule. Neuwied / Kriftel / Berlin: Luchterhand

Mumm, Peter-Arnold (2004) Hinweise zu Zweck, Konzeption und Form einer wissenschaftli-chen Arbeit. LMU München. http://www.indogermanistik.lmu.de/hausarbeit.pdf, 12.04.2007

Poenicke, Klaus (1988) Wie verfasst man wissenschaftliche Arbeiten? Ein Leitfaden vom ersten Studiensemester bis zur Promotion. Mannheim: Duden-Verlag (Duden-Taschenbuch, DT 21)

Pospiech, Ulrike (2005) Schreibend schreiben lernen. Über die Schreibhandlung zum Text als Sprachwerk. Frankfurt a.M.: Peter Lang (Theorie und Vermittlung der Sprache 39)

©GGraefen 2007

22

Redder, Angelika (Hg.) (2004) „Effektiv studieren“. Texte und Diskurse in der Universität. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) Beiheft 12. Duisburg: Gilles & Fran-cke.

Rost, Friedrich (2004) Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. (4. Aufl.) Paderborn: Schöningh (UTB 1994)

Rückriem, Georg / Stary, Joachim / Franck, Norbert (1995) Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung. Paderborn u.a.: Schöningh

Starke, Günter / Zuchewicz, Tadeusz (2003) Wissenschaftliches Schreiben im Studium von Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt a.M.: Peter Lang (Sprache, System und Tätigkeit Bd. 46)

Stary, Joachim / Kretschmer, Horst (1994) Umgang mit wissenschaftlicher Literatur. Eine Arbeitshilfe für das sozial- und geisteswissenschaftliche Studium. Frankfurt a.M.: Cornelsen Skriptor

Werder, Lutz von (1993) Lehrbuch des wissenschaftlichen Schreibens. Ein Übungsbuch für die Praxis. Berlin: Schibri-Verlag

Weitere, evtl. hilfreiche Literatur:

Bayer, Klaus (1999) Argument und Argumentation. Logische Grundlagen der Argumentati-onsanalyse. Opladen: Westdeutscher Verlag

Berger, Dieter / Drosdowski, Günther (1985) DUDEN. Richtiges und gutes Deutsch. Wörter-buch der sprachlichen Zweifelsfälle. Mannheim etc.: Dudenverlag (Duden Band 9, 3. neu bearb. und erw. Aufl.)

Ehlich, Konrad (1981) Zur Analyse der Textart "Exzerpt". In: Frier, Wolfgang (Hg.) Pragma-tik, Theorie und Praxis. Amsterdam: Rodopi, 379-401

Dietz, Gunter: Titel wissenschaftlicher Texte

Graefen, Gabriele (1997) Der Wissenschaftliche Artikel. Textart und Textorganisation. Frank-furt a.M.: Peter Lang

Graefen, Gabriele (1999) Wie formuliert man wissenschaftlich? In: Barkowski, Hans / Wolff, Armin (Hrg.) Materialien Deutsch als Fremdsprache Bd. 52. Alternative Vermittlungsformen auf dem Prüfstand / Wissenschaftssprache – Fachsprache etc. Regensburg, 222-239

Graefen, Gabriele / Thielmann, Winfried (2007) Der wissenschaftliche Artikel. Frankfurt a.M.: Campus, S. 73-97

Jakobs, Eva-Maria (1994) Conceptsymbols. Zitation und Verweisung im wissenschaftlichen Diskurs. In: Halwachs, Dieter W./ Stütz, Irmgard (Hrg.) Sprache – Sprechen – Handeln (Vabd 2). Tübingen: Niemeyer, 45-52

Jakobs, Eva-Maria (1998) Die hohe Kunst des Zitierens. In: Kruse, Otto (Hg.) Handbuch Stu-dieren. Von der Einschreibung bis zum Examen. Frankfurt a.M. etc.: Campus

Jakobs, Eva-Maria / Knorr, Dagmar (Hrg.) (1997) Schreiben in den Wissenschaften. Frank-furt a.M.: Peter Lang

©GGraefen 2007

23

Kruse, Otto (1997) Wissenschaftliche Textproduktion und Schreibdidaktik. In: Jakobs, Eva-Maria / Knorr, Dagmar (Hrg.) Schreiben in den Wissenschaften. Frankfurt a.M. etc.: Lang, 141-158

Moll, Melanie (2002) „Exzerpieren statt fotokopieren“ – Das Exzerpt als zusammenfassende Verschriftlichung eines wissenschaftlichen Textes. In: Redder, Angelika (Hrsg.) „Effektiv studieren“. Texte und Diskurse in der Universität. (OBST-Beiheft Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie). Duisburg: Gilles & Francke, 104-126

Ruhmann, Gabriela (1997) Ein paar Gedanken darüber, wie man wissenschaftliches Schrei-ben lernen kann. In: Jakobs, Eva-Maria / Knorr, Dagmar (Hrg.) Schreiben in den Wissen-schaften. Frankfurt a.M. etc.: Lang, 125-140

Weinrich, Harald (1989) Formen der Wissenschaftssprache. In: Jahrbuch 1988 der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 119-158

Zimmermann, Marina (1995) Fremddatenübernahme, Datenkonvertierung. Potsdam: Zentrale Einrichtung für Informationsverarbeitung und Kommunikation der Universität Potsdam