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1 Hartmut Pohl Folkwangschule für Gestaltung, Abteilung Architektur WS 1969/70 Völkerkundliche Studie ESKIMOS - Grönland Untersuchung der typischen Behausung einer naturvölkischen Kultur heutiger Zeit Grönland-Eskimos beim Bau eines Iglu Siehe Grönland earth.google.de

WS 1969/70 Völkerkundliche Studie ESKIMOS - Grönland · 1 Hartmut Pohl Folkwangschule für Gestaltung, Abteilung Architektur WS 1969/70 Völkerkundliche Studie ESKIMOS - Grönland

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Hartmut Pohl Folkwangschule für Gestaltung, Abteilung Architektur WS 1969/70 Völkerkundliche Studie

ESKIMOS - Grönland Untersuchung der typischen Behausung einer naturvölkischen Kultur heutiger Zeit

Grönland-Eskimos beim Bau eines Iglu Siehe Grönland earth.google.de

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Inhaltsverzeichnis Vorwort Herkunft und frühere

Entwicklung

Zeittafel Zur Geschichte Grön1ands Gegebenheiten des Umsystems (Link > Umsystem)

I. A1lgemeines Lage Oberflächenform und Struktur Klima II. Volkskundliches (Link >

Volkskundliches)

Eskimo in Grönland: Das Nordpolargebiet als

Lebensraum des Menschen Rassische Zugehörigkeit und Sprache

Religion Kleidung Jagd- und Wirtschaftsweise Soziale Organisation Sitten und Gebräuche Beschreibung des Objektsystems (Link > Objektsystem)

III. Hausbau und Haustypen Bau eines Winterhauses Bau eines Iglus Schlußbemerkung Mensch und Milieu heute in

Grönland

Literaturnachweis Vorwort Unter den eingeborenen Bewohnern der neuen Welt nehmen die Eskimo einen besonderen Platz ein. Sie besiedeln den arktischen Küstenraum von Nordost-Sibirien bis Grönland und sind mithin genau genommen, Bewohner zweier Kontinente. Hier und dort sind sie in die arktische Tundra vorgedrungen, ohne jedoch die subarktische Waldgrenze überschritten zu haben. Entlang den Küsten haben einige Gruppen Teile des subarktischen Küstenreiches in Besitz genommen, vor allem in Alaska. An der Erforschung der Arktis sind Skandinavier und Russen hervorragend beteiligt gewesen. Doch trotz aller Forschungen blieben die Herkunft der arktischen Jäger, der Eskimo, bis in unsere Tage ein Rätsel. Die archäologische Erfassung der rund 10 000 km langen Küste, welche die Eskimo besiedeln, der zahllosen Inseln und Buchten mit ihren verlassenen Siedlungen, dürfte eine

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ziemlich lange Zeit in Anspruch nehmen. Bisherige Untersuchungen haben zudem gezeigt, daß das ursprüngliche Siedlungsgebiet wesentlich größer war als heute, wurden doch bis zum 81. Breitengrad Sommerlager unterhalten, wogegen menschliche Siedlungen jetzt nur bis zum 79. Breitengrad vorkommen. Mithin sind klimatische und geologische Faktoren als Erklärung für die Verschiebung der Siedlungsgrenzen anzunehmen. Die Vorstöße in hochpolare Gebiete und den Golf von St. Lorenz waren vermutlich nur vorübergehend. Über die Entstehung sowie über das A1ter der Eskimokultur herrscht recht wenig Klarheit, zumal sich die bisher erarbeiteten früheren Siedlungsspuren noch nicht mit den historischen Kulturen in Beziehung setzen lassen. Spuren einer eskimo-ähnlichen Kultur sind in Sibirien bis zur Mündung des Ob festgestellt worden. Man vermutet, daß sowohl die Eskimo als auch die Paläo-Indianer einer gemeinsamen Grundlage entstammen. Um die überraschenden Übereinstimmungen in Kulturbesitz der die arktische Zone bewohnenden Gruppen zu erklären, nimmt die Wissenschaft eine sogenannte „zirkumpolare Kultur“ als gemeinsame Ausgangsbasis an. Das Verbreitungsgebiet dürfte etwa denjenigen des Rentiers übereingestimmt haben. Nach dieser Ansicht wären die gemeinsamen Züge, welche die Eskimo und gewisse Indianergruppen verbinden, durch gemeinsame Herkunft erklärbar. Nimmt man die bestehende Eskimokultur als einen Überrest einer einst weitverbreiteten Rentierjägerkultur an, so ist zu vermuten, daß die ursprüngliche Wirtschaftsweise vorwiegend auf der Inlandjagd basiert haben muß. Die Spezialisierung stellt demnach eine spätere Entwicklung dar, und die heute im Innern des Landes lebenden Caribuo-Jäger (Barren-Grounds-Eskimo) müssen als eine Rückentwicklung gedeutet werden. Obgleich sich im arktischen Amerika die Zahl der Fundplätze und damit die Zahl der erkennbaren Frühkulturen vermehrt hat, ist eine klare Übersicht über die vorgeschichtliche Entwicklung noch nicht möglich. Relativ am besten bekannt ist Alaska, wo der sogenannte British-Mountain-Formenkreis als älteste erkennbare Stufe angegeben wird. Wegen Mangels an Vergleichsfunden und wegen ungenügender Fundunterlagen ist jedoch die zeitliche und kulturelle Zuordnung umstritten.“ (Konitzki, 1961) Zeittafel zur Geschichte Grönlands 874 Die Normannen ergreifen von Island Besitz 980 Die Isländer Snaebjörn und Hrolfr betreten grönländischen Boden 983 Erich Thorwaldsson läßt sich im Erich-Fjord nieder 996 Beginn der Christianisierung 1035 Die Färöer werden norwegisches Lehen 1044 Die christlichen Gemeinden Grönlands werden dem Erzbistum Hamburg-Bremen unterstellt 1054 Bulle Papst Victors II 1112 Der erste grönländische Bischof, Gnupson, übernimmt sein Amt 1121 Bischof Gnupson tritt seine Reise nach Vinland an 1237 Die beiden isländischen Bischofsstühle werden mit Norwegern besetzt 1247 Bischof Olaf wird nach Grönland entsandt 125-1261 Die Grönländer erklären sich zur Steuerzahlung an den norwegischen König bereit 1262-1264 Anerkennung des norwegischen Königs als isländischen Landesherrn durch das Althing und Abschluß des „alten Vertrages“ 1266-1267 Eine Wikingergruppe erreicht die Melville-Bucht 1302 Einführung des königlichen Handelsmonopols 1340 Räumung der Westsiedlung

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1341 Ivar Bardsen trifft in der Ostsiedlung ein 1369 Die „Knarre“ stellt die Grönlandfahrten ein 1380 Grönland wird zusammen mit Island und den Färöer ein Bestandteil des vereinigten Königsreichs Norwegen/Dänemark 1400 Beginn des Rückgangs der Ostsiedlung 1418 Plünderung der Ostsiedlung 1420 Das portugiesische Königshaus erkennt die Souveränität Dänemarks über Grönland an 1434 Der Bischof von Skalholt unternimmt eine Reise nach Grönland 1542 Ein Hanseschiff landet an der grönländischen Küste 1654 Möller-Expedition 1691 Christian IV verbietet fremden Schiffen den Walfang 1723 Friedrich V überträgt der „Grönlandgesellschaft“ in Bergen die Verwaltung Grönlands 1740 Schließung der grönländischen Küste 1780 Wiedereinführung der Viehzucht 1814 Kieler Frieden; Grönland wird Bestandteil Dänemarks 1821 Umstrittener norwegischer Verzicht 1862/63 Einführung der partiellen Selbstverwaltung 1905 Ausdehnung der dänischen Oberhoheit 1908 Reform der Selbstverwaltung 1916 Aufsatz Pearys in der „New York Times“; Verkauf der Jungferninseln durch Dänemark 1918 Island wird ein „selbständiges Königreich“ 1919 Ihlen-Deklaration; verstärkte Bemühungen der dänischen Regierung um Anerkennung der Souveränität über Grönland 1924 Osloer Abkommen 1930-33 Wiederaufleben des Streits um Ostgrönland 1933 Haager Schiedsspruch 1940 Dänemark und Norwegen werden von deutschen Truppen besetzt; auf den Faröer und auf Island landen britische Truppen 1945 Ratifizierung des Grönlandvertrages durch Kopenhagener Zentralparlament 1948 Beginn der verstärkte wirtschaftlichen Erschließung Grönlands 1949 Grönland wird NATO-Basis 1953 Auf Grund der dänischen Verfassungsreform wird Grönland ein gleichberechtigtes Nebenland des dänischen Reiches 1960 Ein Grönländer erstmals Mitglied der Kopenhagener Regierung.“ (2) Gegebenheiten des Umsystems

I. Allgemeines

Lage: Das Polargebiet „Die Polargebiete sind die Teile der Erdoberfläche, die um die beiden Pole der Erdachse liegen und wegen ihrer charakteristischen Naturverhältnisse als natürlich bedingte Einheiten betrachtet werden müssen. Um den Nordpol breitet sich ein zentrales inselreiches Meer, das von den Nordküsten Asiens, Nordamerikas und Europas begrenzt wird und sich nur gegen den atlantischen Ozean hin breit öffnet. Im Südpolargebiet befindet sich eine von Inlandeis bedeckte Landmasse, an die in breiter Front die drei großen Ozeane angrenzen. Mit über 13 Millionen qkm Fläche erreicht diese Landmasse kontinentale Ausmaße: Man nennt die Antarktis oft den „siebenten Kontinent“. Die Abgrenzung der Polargebiete gegen die gemäßigten Breiten kann auf verschiedene Weise erfolgen. Die mathematische Grenze bilden die Polarkreise, die auf 66° 32’ 52’’ nördlicher

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und südlicher Breite liegen und ein Areal von je 21,18 Millionen qkm umfassen. Die Polarkreise bezeichnen die Zone, in der wegen der Schiefe der Erdachse (Ekliptik) die Sonne einmal im Jahr mindestens 24 Stunden über dem Horizont bleibt (Mitternachtssonne), einmal 24 Stunden lang unter dem Horizont (Polarnacht). Gegen die Pole hin nimmt die jeweilige Zeitspanne rasch zu, sie erreicht bei 72,4° bereits 3 Monate und am Pol 6 Monate, so daß hier im Winter die Sonne ein halbes Jahr nicht auf-, im Sommer nicht untergeht. Die Bestrahlungsverhältnisse sind in Folge der Exzentrizität der Erdbahn an den beiden Polen nicht gleich. Frühling und Sommer sind im Norden, Herbst und Winter im Süden etwas länger, woraus sich zum Teil das extreme Klima des Südpolargebietes erklärt. Diese mathematische Einteilung ist jedoch nur künstlich. Verteilung von Land und Meer, die Höhenlage und Meeres- und Luftströmungen bewirken, das die klimatischen, biologischen und ozeanographischen Grenzen nicht parallel den Breitenkreisen verlaufen. Man unterscheidet hierbei die folgenden Grenzlinien: Als klimatische. Polargrenze wird die 10° Isotherme des wärmsten Monats angesehen; jedoch hat sie ihre Nachteile, da neuere Temperaturmessungen ein verändertes Bild des Verlaufs geben. Insbesondere die Stellung Islands ist umstritten, da die Insel mit ihrer ganzen Natur nach nicht als hochpolares Gebiet betrachtet werden kann. Im Südpolargebiet eignet sich diese Linie nicht als Abgrenzung, da sie die Gebiete einschließt, in denen Wälder mit Papageien und Kolibris vorkommen, die also nicht als polar anzusprechen sind. Die Baumgrenze (Nordgrenze des Waldes als biologische Polargrenze) liegt im Nordpolargebiet etwas südlicher als die klimatische Grenze. Doch verläuft sie sehr unregelmäßig, wo sie durch Gebirge und Täler zerfasert wird. Als glaziologische Grenze bietet sich die Treibeisgrenze an, die jedoch im Nordpolargebiet in Folge des Golfstromeinflusses im Bereich des Atlantiks ebenfalls gestört ist. Auch die Besiedelungsgrenze erscheint angesichts der ständigen Siedlungen auf Spitzbergen, in Nordsibirien und in Nordamerika als Grenzlinie wenig möglich. Für das Nordpolargebiet haben wir daher eine konventionelle Linie als Polargrenze angenommen, die die Festländer der Kontinente ausschließt, ebenso Island, einen Staat, der seiner Struktur nach zu den nordisch europäischen Ländern gehört, dagegen Grönland, den kanadischen Archipel und die sibirischen Inseln mit umfaßt. Im Südpolargebiet ist der Einfluß: des umgebenden Meeres besonders stark ausgeprägt. Hier dient die konventionelle Abgrenzung die „ozeanische Polarfront“ (Antarktische Konvergenz) d.h. die Linie, auf der das antarktische Oberflächenwasser unter das gemäßigte Zwischenwasser in die Tiefe absinkt. Die beiden subpolaren Inselgruppen Crozet und Prinz-Edward-Inseln liegen jedoch nördlich dieser Linie, obwohl sie zum subpolaren Inselkranz gehören. Alle übrigen Grenzlinien erweisen sich in Folge ihrer Instabilität für eine sinnvolle natürliche Abgrenzung als ungeeignet. Für beide Polargebiete sind in erster Linie die langandauernde extrem starke Kälte und die niedrigen Temperaturen der kurzen Sommer charakteristisch. Mit Temperaturen von etwa minus 90° im Südpolargebiet auf dem Hochlande des antarktischen Großschildes der absolute Kältepol der Erde. Diese abnorme Kälte bedingt die Bildung von Schnee und Eis, die Länder und Meere dauernd bedecken und die Polargebiete fast unzugänglich machen. Oberflächenform und Struktur Die Forschungen der letzten Jahre haben ergeben, daß das Nordpolarmeer aus drei tektonischen Einbruchsbecken besteht. Zwischen Grönland und der Laptewsee liegt das Nansenbecken mit Tiefen von über 5 000 Metern. Im zentralen Teil findet sich das Makarow-Becken mit einer Tiefe von 4 000 Metern. Das Beaufort-Becken nördlich von Alaska erreicht

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maximal 4 689 Meter Tiefe. Der markanteste Zug verläuft von Nord-Grönland in Richtung auf die Neusibirischen Inseln quer über das Polarbecken und steigt außerordentlich aus dem Nansenbecken auf. Seine geringste Tiefe beträgt 954 Meter, der Scheitel liegt 2 500 – 3 000 Meter über dem Beckenboden, der Anstieg erfolgt oft auf Entfernungen von 8 – 10 Kilometern. Ein zweiter Rücken, der Mendelejewrücken, reicht von der Wranwelinsel nach Ellesmereland, er steigt bis auf 1 400 Meter Tiefe an. (s. Karte)

Karte Der Kontinentalschelf ist besonders an der Nordküste Asiens breit entwickelt, während er nördlich des skandinavischen Archipels und Grönlands nur eine geringe Ausdehnung hat. Die Oberflächenformung zeigt nur lokal entwickelte Strukturen. An das freie Nordpolarmeer lagern sich auf den Kontinenten mehrere alte Kerne an, in Europa der baltische Schild, östlich des Ural die sibirische Tafel, in Nordamerika der kanadische Schild. Die arktische Inselwelt gehört weitgehend den alten Tafeln an. Nur die Teilgebiete Ellesmere, Nordgrönland, Spitzbergen und Nowaja Semlja zeigen Gebirgsketten mit alpinen Formen, Tal-Gletschern und verwickeltem Relief im einzelnen. Da die Landvergletscherung; nur gering ist, am ausgedehntesten in Grönland, in kleineren Ausmaße auf den atlantischen Inseln, spielten Frosteinflüsse auf den Felsboden eine große Rolle und bestimmten weithin das Landschaftsbild, Der nicht durch eine Vegetationsdecke geschützte Boden unterliegt der Frostsprengung und weithin bedeckt lockerer Frostschutt die Hänge. Der tiefere Boden bleibt gefroren, oberflächlich werden durch Sickerwasser die Schuttböden gesprengt, und es kommt zu Bodenbewegungen mit Fließstrukturerscheinungen, von denen die bekanntesten die Polygonböden sind, für deren Entstehung es verschiedene Theorien gibt. Sie treten als Steinnetze, Girlanden, Steinringe oder Streifen auf und beruhen auf physikalischer Sortierung der Gesteinsgrößen durch das Zusammenwirken von kurzfristigem Auftauen und Wiedergefrieren des Oberflächenbodens mit relativ starker Schmelzwasserdurchfeuchtung,

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glattem, ewig gefrorenem Unterboden mit starkem Temperaturgradienten gegen die Bodenluftschicht und bestimmten Hangneigungen, die differenzierend wirken. Wo die Bodenkrume kleinförmig und die Durchfeuchtung stärker ist, insbesondere wo der Wind nicht seinen ungünstigen Einfluß entfalten kann, tritt neben die polare Felswüste die Tundra, die besonders in Nordsibirien, aber auch an den polaren Küsten Nordamerikas und auf den kanadischen Inseln entwickelt ist. Die Tundra, ein Fils von Moosen, Flechten und niedrigen Gräsern, kann landschaftstypisch als polare Kältesteppe bezeichnet werden.“ (3) Klima Das Klima des Nordpolargebietes wird gekennzeichnet durch zwei Hochdruckzentren über Ostsibirien und dem nördlichen Amerika über zwei stationäre Tiefdruckgebiete über Island und den Aleuten. Die beiden Hochdruckzonen werden quer über das Polarbecken durch einen Hochdrucksattel verbunden, der die polare Windscheide darstellt. Im Winter bilden sich lokale Kältepole in Ostsibirien (minus 50,5°) über den kanadischen Inseln (minus 36°) in Grönland (minus 47°) und im Polarbecken selbst (minus 36°) während im Beringmeer (minus 29°) und vom europäischen Mordmeer (minus 20°) aus den Isothermen nach Norden hin ausgebuchtet erscheinen. An den extremen Kältepolen fallen die Temperaturen bis über minus 60° ab (absolutes Minimum in Ojmjakon, Ostsibirien, minus 78°). Im Sommer halten sich dagegen lokale Kältepole nur über Innergrönland (minus 11,2°) und dem inneren Polarbecken (minus 0,1°). Die kontinentalen winterlichen Kältepole erwärmen sich dagegen im Sommer sehr stark (plus 15,4°), und auch auf dem kanadischen Archipel (plus 3,1°) steigt die Mitteltemperatur über 0° C. Die Amplituden der Extremtemperaturen sind daher in den Gebieten der winterlichen Kältepole, die zonal bereits außerhalb des eigentlichen Polargebietes liegen auf außerordentlich groß und erreichen über minus 100°. Das hochpolare Gebiet wird durch kalte Winter und kühle Sommer charakterisiert. Die Julitemperaturen bleiben zwar im Polarbecken und in Grönland über 0°, steigen aber in den Küstengebieten auf plus 3° bis 5° C an. Der kühle Sommer verläuft gleichmäßig, der kalte Winter unbeständiger und wird of von wärmeren Perioden unterbrochen.

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Karte 2: Lufttemperatur Lufttemperatur über der Arktis im Meeresniveau im Januar (7)

Karte 3: Lufttemperatur Lufttemperatur über der Arktis im Meeresniveau im Juli (7)

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Ein weiteres Charakteristikum ist der schroffe Übergang von Winter zu Sommer so wie die kurze Dauer des Sommers. Dessen Länge ist von der Dauer der Sonneneinstrahlung abhängig. Das winterliche Minimum ist stark verzögert und tritt im Februar oder März ein. Doch sofort nach dem Erscheinen der Sonne über dem Horizont setzt starke Erwärmung ein, und die Temperaturen erreichen im Juli ihre höchsten Werte. Der Eisnebel ist eine unangenehme Begleiterscheinung des kurzen Sommers. Er bildet sich, wenn erwärmte Luft über das teilweise von Eis bedeckte Meer streicht. Dieser Nebel kann mehrere Tage anhalten und ist oft so dicht, dass er jede Sicht nimmt und alles mit einem nasskalten Film überzieht. Im Winter wird die Luft trocken und es können sich nur feine Eiskristalle bilden. Da eine geschlossen Wolkendecke meist fehlt, wird die Ausstrahlung intensiviert; sie bedingt die extrem tiefen Temperaturen. Die Niederschläge sind im gesamten Polargebiet außerordentlich gering und erreichen im Mittel kaum 200 mm, in den zentralen Gebieten keine 100 mm. Dieses ist auch der Grund, warum die Schneedecke dünn bleibt und es im weitaus größten Teil des Nordpolargebietes nicht zur Bildung von Gletschern kommen konnte. Nach Süden hin nimmt die Niederschlagsmenge rasch zu, besonders im Bereich des Nordatlantischen Ozeans, und ein Niederschlagsprofil von Nord nach Süd an der Westküste Grönlands zeigt dieses Faktum besonders deutlich. Dabei ist bemerkenswert, dass die Maximalniederschläge im Norden im Juli fallen, während sie sich nach Süden zu auf August oder September verschieben. Ein wichtiger Faktor für die Landschaftsgestaltung ist der Wind, der austrocknend wirkt. Im Winter sind die vorherrschenden Winde beiderseits der Windscheide äquatorwärts zum atlantischen und zum stillen Ozean hin gerichtet. Im Sommer überwiegen dagegen unbeständige Winde, da sich die Luftunterschiede abschwächen. Eine Sonderform ist der Fön, der überall dort auftritt, wo eisbedeckte Hochländer an die Küste stoßen, besonders in Grönland, Spitzbergen und Ellesmereland. Der stürmische Fallwind erwärmt sich beim Absteigen und verursacht starke Temperaturanstiege. Am Scoresbysund in Ostgrönland wurde innerhalb einer Stunde ein Anstieg von minus 20° auf plus4° beobachtet. Solche starken Erwärmungen verursachen ausgedehnte Eisschmelzen und dadurch gefährliche Überschwemmungen in den Tälern und der Küste.“ (3)

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Tabelle 1: Orte mit winterkalten subarktischem Waldklima (6, S. 36)

Tabelle 2: Orte mit schneereichem Tundraklima (6, S. 37)

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Tabelle 3: Seeklima (6, 37) Eine Folge der langen und starken Winterkälte ist die Erscheinung des „Ewigen Gefronis“, die zum Teil als Vorzeitrelikt anzusprechen ist. Unter einer dünnen Oberflächenschicht, die im Sommer auftaut, liegt eine wechselnde mächtige Bodenschicht, die ständig gefroren bleibt, zusammengehalten durch Eispartikel, oft durchsetzt mit reinen Eislinsen. Sie tritt in 3 bis 5 Meter Tiefe unter der Oberfläche auf und erreicht eine Mächtigkeit von ½ bis über 600 Meter (in Nordwik). Heute sind die Voraussetzungen zur Bildung der „Gefrornis“ auf dem Bereich von der Lena bis zur Kolyma und auf die Neusibirischen Inseln beschränkt. Die Bildung beruht auf dem tiefen Eindringen des Frostes während der Wintermonate in den Boden, dem eine schützende Schneedecke fehlt. Größere Bereiche fossilen Eises gibt es in Nordsibirien und auf den Neusibirischen Inseln, wo die Eismächtigkeit 70 bis 80 cm beträgt. Die „Gefrornis“ hat verschiedene nachteileilige Einflüsse: die Ströme frieren im Winter bis zum Boden zu, wodurch die Fischbestände vernichtet werden; Pflanzen mit tiefergehenden Wurzeln können sich nicht ansiedeln, und wo der Sommer feucht ist, wird die Versumpfung gefördert, da das Wasser nicht versickern kann. Eine interessante Erscheinung in der Arktis ist die seit etwa 1920 deutlich wahrnehmbare Erwärmung. In Spitzbergen stieg die Jahresmitteltemperatur um 1,7° C, in Jakobshavn (Grönland) um 2,5° C, auf Franz-Josef-Land um 3,5° C. Die Erwärmung ist besonders in den Wintermonaten deutlich spürbar. Der Winter 1936/37 war zum Beispiel gegenüber dem von 1916/17 auf Spitzbergen um 16° wärmer, auf Franz-Josef-Land um 17°. Auch über dem Polarbeckenselbst ist die Erwärmung der untersten Luftschichten festzustellen, nicht dagegen im zentralgrönländischen Inlandeis, wo alle gemessenen Temperaturen identisch waren. Die Ursache ist in der Intensivierung der atmosphärischen Zirkulation, verbunden mit veränderter Strahlungsintensität der Sonne, zu suchen; die Folgen sind eine Höherlegung der Schneegrenze, ein Rückgang der Gletscher und Frostgrenze und eine Belebung der phänologischen Erscheinung.“ (3) II. Volkskundliches

Eskimo in Grönland Das Nordpolgebiet als Lebensraum des Menschen. Rassische Zugehörigkeit und Sprache „In der Folge der harten Umweltbedingungen haben sich dem Leben in der polaren Zone ursprünglich nur primitive Völker anpassen können, die wohl einen gemeinsamen paläasiatischen Ursprung haben. Durch verstärkte Volksstämme im Süden an die Küsten des Nordpolarmeeres gedrängt, wichen sie zum Teil über die Beringstraße nach Nordamerika aus, wo sie als Eskimo (Inuit) bis nach Grönland vordrangen. In Nordsibirien gehören zu den

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eigentlichen Polarvölkern die Samojeden (25 000), Doldanen, Jugariren (400) und Tschuktschenen (12 000); außerdem gibt es 1 100 Eskimo. In Alaska beträgt die Zahl der Eskimo etwa 3 000, in Kanada 11 500 und auf Grönland, wo sie schon stark in der europäischen Kolonisation aufgegangen und mit Europäern vermischt sind, 30 000. Insgesamt wird die Zahl der Einwohner in der Arktis im engeren Sinne, nur einschließlich der kontinentalen Küstenregion, auf etwa 40 000 Menschen geschätzt, was eine mittlere Bevölkerungsdichte von 0,008 qkm (1 Mensch auf 125 qkm) ergeben würde. Die kulturellen Merkmale, die allen Polarvölkern eigen sind, äußern sich deutlich in der Wohnweise (Höhlen, Hütten aus Stein, Treibholz und Tierfellen, Erde und Torf; bekannt sind die Schneehütten der Eskimo, die sie auf Reisen errichten, die Iglus).“ (3) “Über die rassische Zugehörigkeit herrscht heute weitgehende Übereinstimmung: sie gehören zu den Amerinden (Indianer), einem Zweig der Mongoliden. Innerhalb der Amerinden bilden die Eskimos eine eigene Varietät, die Eskimiden. Die rassischen Merkmale, welche die Eskimiden von den übrigen Ameriden trennen, sind das Ergebnis von Ausleseprozessen und langandauernder Isolierung. Besonders in Alaska treten Gemeinsamkeiten mit indianischen Gruppen auf, die vermutlich nicht auf Vermischung, sondern auf gemeinsamen Ursprung hindeuten. Das Gesicht des Eskimo ist meist etwas disharmonisch, da die verhältnismäßig schmale Stirn mit den hohen Backenknochen in Kontrast steht. Das flache Gesicht, eine Anpassung an extrem niedrige Temperaturen, wird durch die recht hoch liegenden Augenbrauen sowie durch Fettpolster auf Backen und Augenlidern gemildert. Die Eversion (Aufwärtsdrehung) des Unterkiefers lässt diesen massiger erscheinen, als er tatsächlich ist. Die Nasen sind gewöhnlich schmal und hoch, die Nasenlöcher eng. Bartwuchs und Körperbehaarung sind sehr spärlich. obgleich die Haut eine gelbliche Tönung aufweist, erscheinen Gesicht und Hände durch die Einwirkung der Witterung, braun, oft mit einem leicht rötlichen Hauch. Die vorherrschende Augenfarbe ist braun, das Haar gewöhnlich schwarz. Trotz der unbarmherzigen Umwelt, in der die Eskimo leben, sind sie von freundlicher Gemütsart, heiter und zu Späßen aufgelegt, dabei ehrlich und hilfsbereit. Fremden gegenüber verhalten sie sich reserviert. meist klein (Durchschnitt 162 cm), besitzen sie eine überraschende Körperstärke und Ausdauer. Sie sind anspruchslos, äußerst geschickt, im Improvisieren und haben viel Geduld. In seiner Denkweise ist der Eskimo Realist; abstraktes Denken liegt ihm fern. Bei der Behandlung der rassischen Eigentümlichkeiten ist zu beachten, daß individuelle und örtliche Unterschiede bei diesen Menschen ebenso vorhanden sind wie bei anderen Völkern, wenngleich sie sich in verhältnismäßig engem Rahmen bewegen. Zu Vermischungen mit Europäern ist es in stärkerem Maße bisher nur in Grönland, teilweise auch in Alaska gekommen. In Grönland haben die Eskimo blutsmäßig und sprachlich den Grundstock für die Entwicklung des Grönländers abgegeben, obwohl die Sprache mittlerweile zahlreiche Entlehnungen aus dein Dänischen aufweist. Die resultierende Mischbevölkerung, in der das eskimide Element durchaus sichtbar ist, bezeichnet sich selbst als Grönländer. Diejenigen Kulturelemente der ursprünglichen Eskimokultur, die mit dem neuen Leben unvereinbar waren, sind weitgehend aufgegeben worden, und moderne Schulen haben wesentlich dazu beigetragen, Unterschiede zu vermischen. An der Bildung; der grönländischen Sprache sind vor allem Missionare hervorragend beteiligt gewesen. Sprachlich gesehen gehören die Eskimo der „Eskimau“ an, deren Hauptzweig sie bilden. Daneben müssen die „Aleut“ als weiterer Zweig dieser Familie erwähnt werden. Vom Yukon bis nach Grönland herrscht eine erstaunliche sprachliche Einheitlichkeit, und die bestehenden

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Unterschiede lassen sich am besten als örtliche Dialekteigentümlichkeiten deuten. Dagegen findet sich südlich des Yukon eine Fülle unterschiedlicher Dialekte, die untereinander mehr oder minder starke Abweichungen aufweisen. Die Sprache der Eskimo ist polysynthetisch, d.h., durch Hinzufügen von Silben an eine Wurzel lassen sich ganze Sätze, einschließlich aller Nebensätze ausdrücken. Im allgemeinen werden nur Verben und Substantive verwendet; alle übrigen Satzteile werden diesen angegliedert, d. h. durch Affixe (Vorsilben und Endungen) ausgedrückt. Die meisten Gruppen kennen nur Zahlwörter von eins bis fünf. Obwohl sich mit dieser Methode im Notfall bis 20 zählen lässt, fehlt ihnen der Sinn für Mathematik, wie ihnen überhaupt alles abstrakte Denken fern liegt. Für die weißen Händler bedeutet dies oft sehr langwieriges Verhandeln, da der Kunde nicht in der Lage ist, einfache Summen zu addieren. Der Name „Eskimo“ geht vermutlich auf ein Wort der Abnaki-Indianer zurück, wo „Esquimantsic“ soviel wie Rohfleischfresser bedeutet. Das Essen von rohem Fleisch ist eine typische Sitte der Eskimo. Diese decken dadurch ihren Vitaminbedarf, ohne auf pflanzliche Nahrung angewiesen zu sein. Wo Missionare den Eskimo das Kochen von Fleisch aufgedrängt haben, ohne zugleich für eine neue Vitaminquelle zu sorgen, verschwanden ganze Gruppen in wenigen Jahren, nachdem ihre Mitglieder von Mangelkrankheiten dezimiert worden waren. In Folge der verhältnismäßigen Keimfreiheit der Arktis, die durch das Klima bedingt ist, sind die Eskimo äußerst anfällig für eingeschleppte Infektionskrankheiten, gegen die sie keine Immunität besitzen. Andererseits versetzt sie ihr besonderer Stoffwechsel in die Lage, ohne Kohlehydrate auszukommen. Religion Trotz aller geographischen Trennungen weist die Religion der Eskimo eine überraschende Einheitlichkeit auf. Obwohl die Eskimo die Welt des übernatürlichen als eine Nachbildung der realen Welt begreifen, haftet ihren Vorstellungen nichts primitives an. Die Gefahren sowie die unkontrollierten Vorgänge, die in ihrem Leben allgegenwärtig sind, haben zur Formulierung zahlreicher' Tabus geführt, deren Einhaltung das menschliche Schicksal bestimmen und den Jagderfolg günstig beeinflussen soll. Für irdische Vergehen folgt die Strafe auf dem Fuße, nicht erst in einer unbekannten Welt des Jenseits. Die erzürnten Geister rächen sich, indem sie nicht nur den Übeltäter sondern die ganze Gruppe mit Hunger, Seuchen oder ähnlichen Heimsuchungen bestraf en. Die Einhaltung aller Tabus wird somit zur sozialen Pflicht gegenüber der Gemeinschaft. Die meisten Tabus betreffen die Geister der Beutetiere und ihre Schutzdämonen, da ja die Jagd die Lebensgrundlage aller Eskimo ist. Eine dieser Grundregeln verfügt, daß Beutetiere des Landes und jene der See streng zu trennen sind, soll nicht Jagdpech die ganze Gruppe verfolgen. Auch der Gebrauch von Eisen ist durch umständliche Vorschriften geregelt, wie auch die Frauen mit einem komplizierten System von Verhaltensregeln umgeben sind, die ihr Leben festlegen. Die beleidigten Überirdischen haben die Macht, Beutetiere von den Jägern fernzuhalten und Verderben über alle zu bringen. Als Gegenmittel gegen Übertretungen gilt ein öffentliches Bekenntnis und nachfolgende Beschwörungen durch den Schamanen, der die Erzürnten mit Hilfe ihm dienstbarer oder freundlich gesinnter Geister beschwichtigen kann. Im Mittelpunkt der religiösen Vorstellungen steht „Sedna“, die unter der Welt der Meere lebt. Ihr gehören die Robben, Walrosse und Wale. Zahlreiche Riten dienen dazu, Sednas Geist zu besänftigen, der leicht erzürnt wird, wenn der Mensch ihre Kinder tötet. Nicht allen ist es gegeben, mit Sedna in Verbindung zu treten; doch der Schamane hat im Trancezustand die Kraft, die Meeresgöttin zur Herausgabe der Beutetiere zu bewegen. Die religiösen Riten befassen sich vorwiegend mit der Jagd, bei dem die Beutetiere von maskierten Tänzern dargestellt werden. Auch der Schamane nimmt seine Zuflucht zu Masken,

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um über magische Helfer gebieten zu können. Die Nordlichter werden als die tanzenden Geister der Verstorbenen gedeutet. Geister und Gespenster dagegen flößen den Eskimo einen großen Respekt ein. Unter ihnen findet der Schamane seine magischen Helfer, die ihm eine Verbindung mit mächtigeren Wesen ermöglichen. Unter Umständen können Verstorbene zu solchen Gespenstern werden, doch stellen nicht alle Gespenster Abgeschiedene dar; in vielen Fällen besitzen sie Attribute von Naturgeistern. Die Gespensterfurcht ist unter den Eskimo groß. Es gibt keinen unter ihnen, der nicht von zumindest einer Begegnung mit einem solchen Wesen zu berichten wüßte. In seinen Gesprächen mit den Überirdischen bedient sich der Schamane archaischer Wortformen, die der Übergangssprache abhanden gekommen sind, eine Praktik, die sich in vielen Religionen findet.“ (1) Kleidung ,,Für uns Europäer, die wir geschneiderte Kleidung gewohnt sind, erscheint die Tatsache, dass auch die Eskimo ihre Fellkleidung den Körperformen anpassen, vielleicht nicht weiter erwähnenswert. Geschneiderte Kleidung erhöht die Isolierfähigkeit des verwendeten Materials, da verhindert wird, dass kalte Außenluft bis auf die Haut dringen kann. Zugleich die Erfindung von geschneiderter Lederkleidung als auch jene des arktischen Stiefels gehen vermutlich auf die bereits mehrfach erwähnte zirkumpolare Kultur zurück, da sich in Eurasien das ursprüngliche Verbreitungsgebiet von geschneiderter Kleidung mit dem Lebensbereich des Rentiers deckt. Aus diesen Kerngebiet breitete sich diese Bekleidungsform in andere Teile der alten Welt aus. Die Fellkleidung der Eskimo ist für das arktische Klima ideal. Wegen ihrer guten Ventilation bleibt sie selbst bei körperlicher schwerer Arbeit warm und trocken. Die aus Jacke, Hose und Schuhwerk bestehende Eskimokleidung ist im wesentlichen für beide Geschlechter gleich. Die Winterkleidung der Männer ist die wärmste Bekleidung, die je von Menschen entwickelt worden ist. Alle Winterkleidung besteht aus zwei Garnituren, einer äußeren, die nur im Winter getragen wird, und einer inneren, die, genaugenommen die Sommerkleidung darstellt. Die Jacke wird aus je einem Kariboufell für Front, Rücken und Ärmel hergestellt. Stets ist eine Kapuze angebracht. Das Fell wird mit dem Haar nach außen getragen. Die Unterkleidung hingegen besteht aus besonders weichen Fellen - bei den Polareskimo aus Vogelbälgen - deren Außenseite direkt auf der Haut getragen wird. Alle Männer tragen lange Hosen und Unterhosen, die unterhalb des Knies enden; die arktischen Stiefel bedecken die Füße und die Unterschenkel bis zum Knie. Das Winterschuhwerk ist äußerst warm. Es besteht aus langen Strümpfen aus Karibouleder, die meist bis zur Wade reichen. Darüber werden kürzere Socken aus ähnlichem Material getragen, die ihrerseits in strapazierfähigen Stiefeln aus zähem Karibouleder stecken, die mit Robbenfell besohlt sind. Über diesem trägt der Jäger niedrige Schuhe mit doppelter Sohle, welche die Stiefel schonen. Fäustlinge und Schneebrille vervollständigen die Jagdbekleidung, falls dafür Bedarf besteht. Im Sommer wird die äußere Bekleidung abgelegt; der Eskimo trägt seine „Unterwäsche“ als Sommeranzug. Überschuhe, arktische Socken und Fäustlinge werden ebenfalls ausgezogen. Die Fußbekleidung besteht aus Strümpfen und Stiefeln.

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Kleidung der Eskimos (8) Die Frauenbekleidung ist wesentlich fülliger geschneidert, folgt aber denselben Grundsätzen. Die Bekleidung des Oberkörpers ist wesentlich bauschiger und die Kapuzen sind riesig. Besonders die Rückenpartien sind außerordentlich weit, da Kleinkinder von der Mutter am Körper auf dem Rücken getragen werden, wo sie warm und sicher sind. Ein Gürtel verhindert das Herausfallen, und die weiten Schultern ermöglichen es der Mutter das Kind zu nähren, ohne es der kalten Luft auszusetzen. Die Frauenkleidung ist auch für unverheiratete Mädchen bis auf die Kapuze gültig, die erst nach der ersten Periode angefügt wird. Die Unter-bekleidung folgt im Schnitt der Oberbekleidung, doch tragen die Frauen nur ein paar Hosen, die kürzer sind als die der Männer. Zum Ausgleich sind die Frauenstiefel wesentlich länger, und die Schöße der Jacken reichen vorn und hinten bis unter die Knie, was ihnen ein schürzenartiges Aussehen verleiht. Kleinkinder, die noch von der Mutter auf dem Rücken getragen werden, sind zumeist nur mit einer Kappe bekleidet. Sobald das Kind jedoch heranwächst und mehr Interesse an seiner Umwelt nimmt erhält es eine kurze Jacke, um den Oberkörper vor Kälte zu schützen. Erst wenn es zu kriechen beginnt bekommt es einen ersten Anzug aus Fell. Bis zum 6. Lebensjahr ist die Kleidung für beide Geschlechter gleich; danach beginnen die Kinder Kleidung vom Schnitt der Erwachsenen zu tragen.

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Der an der Bekleidung angebrachte Zierrat ist je nach der Gruppe verschieden. Gemeinhin werden Lederornamente verwendet. Viele Gruppen erzielen dekorative Effekte durch Verwendung verschiedener Pelzarten. Als Schmuck wurden ursprünglich nur Tätowierungen und Lippenpflöcke verwendet; doch haben weiße Händler an vielen Stellen Glasperlen eingeführt. Die Haartracht wechselt von Gruppe zu Gruppe. In Grönland sind Haarknoten verbreitet. Die Flechtkunst ist im ganzen Eskimogebiet wenig entwickelt. Textilien sind erst durch weiße Händler eingeführt worden. Harpunenleinen wurden mit der Hand geflochten. Einige Gruppen stellten einfache Körbe aus Gras her. Netzknüpferei ist von zahlreichen Gruppen bezeugt; doch besteht keine Einstimmigkeit über das Alter dieses Handwerks. Die gesamte Lederbearbeitung liegt in den Händen der Frauen, die einen Großtei1 ihrer Zeit mit der Herstellung und Reparatur der Kleidung zubringen. Die frischen Felle werden in gespanntem Zustand geschabt und anschließend getrocknet. Dann wird die Innenseite gekaut, um die letzten Fettreste zu beseitigen. Nach erneutem Trocknen werden die Felle mit einem stumpfen Instrument gewalkt, um sie geschmeidig zu machen. Die Bekleidung wird sorgfältig nach Maß zugeschnitten und mit feinen Sehnen vernäht. Im Gegensatz zu nach europäischen Verfahren behandelten Fellen bleiben die Kleidungsstücke der Eskimo auch bei größter Kälte warm und geschmeidig.“ (1) Jagd- und Wirtschaftsweise „Die Geräte und Waffen entsprechen der besonderen Art der Nahrungssuche der Eskimo, nämlich der Jagd auf Seesäuger, von denen die Ringelrobbe und die Bartrobbe die wichtigsten sind. Da der Winter lang ist, hängt die Existenz der Eskimo von dem Ertrag der Jagd hauptsächlich während dieser Jahreszeit ab. Der wichtigste Gefährte bei seinen Pirschgängen auf Seehunde ist der Eskimohund, der den Transportschlitten zieht. Dieser besteht aus zwei geraden schweren Kufen, auf denen Querstäbe mit Riemen aus Seehundhaut festgebunden sind. Die Unterseite der Kufen ist mit einer Torfschicht bedeckt, die am Morgen mit Wasser besprengt wird, so daß sich eine dünne Eisschicht bildet, die dem Schlitten eine sehr gute Gleitfähigkeit verleiht. Im Frühjahr und herbst, wenn der Schnee durch die Sonnen-bestrahlung stumpf ist, werden die Kufen durch Walknochen ersetzt, die noch viel besser gleiten.

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Eskimoschlitten aus Holz oder Walknochen sind einfach und stabil Die wichtigste Waffe der Eskimo ist eine Harpune aus Holz, auf deren langen Schaft eine Spitze aus Knochen oder Fischbein mit mehreren Widerhaken gesetzt wird. Eine Harpune unterscheidet sich von einem Speer dadurch, dass eine lange Leine an dem Schaft oder an der Spitze befestigt ist; manchmal ist a Ende der Leine eine Schwimmblase angebracht. Die Jagd- und Fangmethoden der Eskimo sind zahlreich. Friert im Herbst das wasser ohne

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gleichzeitigen Schneefall, so zieht der Eskimo Sandalen aus Eisbär- oder Hundefell an, um geräuschlos über das Eis gehen zu können. Bei dieser Glatteisjagd lauscht er auf das Schnaufen der Robben in Atemlöchern, die sich die Tiere im Eis freigehalten haben. Während die Robbe Luft einsaugt, läuft der Jäger in Richtung des Eisloches vorwärts. Hört das Atmen auf, bleibt er sofort stehen, denn das leiseste Geräusch würde die Robbe verscheuchen. Auf diese Art pirscht sich der Jäger an das Atemloch heran, bis er mit seiner Harpune zustechen kann.

Ein Jäger hat das Atemloch einer Robbe im Eis entdeckt und wartet mit wurfbereiter Harpune. Ist es dem Jäger möglich, den Eisrand zu erreichen, so betreibt er die Wahl- und Seehundsjagd unmittelbar von dort aus, indem er sich hinter den Schneewall versteckt und die Tiere mit Pfeifen und Kratzen heranlockt. Das Walroß bleibt überhaupt gern in der Nähe der Küste und am Rande des Eises, wo es nach Muscheln suchen kann. Schiebt sich der Eisrand immer weiter ins Meer hinaus, so beginnt das anstrengende Warten an den Atemlöchern, die als „Mäupog“-Methode bekannt ist. Hat der Jäger das Atemloch einer Robbe entdeckt, so bringt er zunächst einen „Anzeiger“ an. Er steckt entweder eine dünne Knochenspitze oder ein Hölzchen, das gerade bis zur Wasseroberfläche reicht in den Schnee über dem Atemloch. Am anderen Ende des Anzeigers ist meist noch eine Flaumfeder befestigt, auf die sich auch die kleinste Bewegung des Wassers überträgt. Da eine Robbe immer mehrere Atemlöcher hat, muß der Jäger oft stundenlang warten, bis der Anzeiger die Ankunft eines Tieres verrät. Bewegt sich die Feder, so stößt der Eskimo seine Harpune mit aller Wucht in das Atemloch. Dann schlägt er das Eis um das Loch herum auf und zieht die erlegte Robbe aus dem Wasser. Die gleiche Bedeutung wie der Schlitten für die Eisjagd hat das Kajak für die Jagd in offenen Gewässern. Diese Wasserfahrzeuge gehören neben den hochentwickelten Auslegerbooten der Südsee zu den besten der Naturvölker. Der geschmeidige, schmale aber sehr starke Holzrahmen wird vollständig mit straff gespannter Tierhaus überzogen, von der die Haare entfernt sind. Nur in der Mitte wird eine Öffnung freigelassen, die durch einen Holzring verstärkt wird. Wasserdichte Lederjacken schützen den Jäger in diesem Boot auf der Robbenjagd. Er kann es sich erlauben, absichtlich zu kentern, wenn eine schwere See über ihn hinweggeht. Mit einem geschickten Paddelzug richtet er sich mit dem Boot sofort wieder auf.

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Grönländische Robbenjäger (1, S. 46) Fische fängt der Eskimo mit Angelleinen aus Sehnen, an deren Enden Haken aus Knochen und Kupferstücken befestigt sind. Im allgemeinen kennen die Eskimo nur Gegenstände aus Knochen, Holz Horn und Stein.

Eine Eskimofrau benutzt solch ein Messer hauptsächlich als Schaber bei der Bearbeitung von Häuten. Die Klinge ist aus Kupfer, der Griff aus Knochen oder Holz. Als Vorrat werden Fleisch und auch Fische getrocknet und im Schnee vergraben. Die Jagd auf den Wal, ist mit strengen Taburegeln, magischen Formeln und besonderen Ritualen verbunden. In früheren Zeiten wurde diese Jagd stets mit dem „Umijak“ ausgeführt. Dieses Boot wird auch heute noch als Transportboot gebaut. Es ist bis zu neun Meter lang und

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fasst eine beträchtliche Ladung. Die Frauen rudern, während es die Männer mit ihren Kajaks begleiten. Manchmal will es der Zufall, dass ein von einer fremden Eskimogruppe getöteter Wal im eigenen Jagdgebiet an Land getrieben wird. Diesen betrachten die Eskimo dann als ihre Beute. Die fremden Jäger haben kein Anrecht mehr auf ihn.“ (4) Soziale Organisation „Da es ein einheitliches Stammesgefüge der Eskimo nicht gibt, ist die Familie die soziale Einheit, d.h. die Ehegatten und ihre natürlichen oder adoptierten Kinder. Mehrere solcher Familien, oft durch Blutsbande verknüpft, bilden eine Wirtschafts- und Jagdgemeinschaft, die Horde. Die Zugehörigkeit der einzelnen Familie zur Horde ist freiwillig; sie gründet sich vor allem auf die Jagdkameradschaft der betreffenden Männer. Unter den Jägern einer Horde herrscht ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis, das, wo es nicht durch Verwandtschaftsbande unterbaut ist, oft durch Blutsbrüderschaft gestärkt wird. Einen gewählten oder gar einen erblichen Anführer hat die Horde nicht, obwohl es in fast jeder Gruppe einen besonders tüchtigen und erfahrenen Mann gibt, auf dessen Rat man Wert legt. Mehrere Horden bilden eine lose Gemeinschaft, die sich durch ihren Dialekt und ihre Lebensgewohnheiten, verwandtschaftliche Bindungen und nicht zuletzt durch einen gemeinsamen Namen von ähnlichen Gruppen abgrenzt, ohne jedoch eine politische Struktur aufzuweisen. Wo äußere Einflüsse zu einer Veränderung dieser Sozialstruktur geführt haben gibt es feste Dorfgemeinschaften; aber ein Häuptlingstum fehlt auch hier. Die Bedeutung der Frau innerhalb der Familie erklärt sich nicht zuletzt aus der Arbeitsteilung der Geschlechter, die erst eine volle Ausnutzung der arktischen Hilfsquellen ermöglicht. Sind Jagd, Fischfang, Hausbau, die Herstellung von Booten, Waffen und Werkzeugen sowie die Handhabung und Betreuung des Hundeschlittens Männersache, so gehört es zu den Aufgaben der Frau, für die Zubereitung der Mahlzeiten, die Herstellung aller Bekleidung, die Betreuung der Tranlampen und die Beaufsichtigung der Kinder zu sorgen. Die Einehe ist bei weitem die häufigste, obgleich sowohl die Polygamie (Vielweiberei) Polyandrie (Vielmännerei) vorkommen. Sind die zukünftigen Ehepartner noch Kinder, so wird die Ehe gewöhnlich zwischen den Familien abgesprochen. Diem damit ihre freundschaftlichen Beziehungen festigen wollen; die eigentliche Hochzeit findet statt, wenn beide Ehepartner in der Lage sind, eine Familie zu ernähren und zu führen. Nicht zueinander passende Ehepartner haben das recht, sich ohne große Umstände zu trennen und danach erneute Bindungen einzugehen. Die recht verbreitete Sitte, die Ehepartner zeitweilig zwischen eng befreundeten Familien auszutauschen, ist bei den Eskimo keine Unmoral, denn der Austausch bedingt das Einverständnis beider Ehepartner. Sitten und Gebräuche

Die Eskimo sind überaus kinderlieb. Wo Nahrung nur mit großer Mühe erbeutet werden kann, werden Neugeborene, besonders neugeborene Mädchen, in Zeiten der Not getötet, um auf diese Weise die Aufzucht der Jungen (spätere Jäger) zu ermöglichen. Da die Mutter ihr Kind bis zum 3. oder 4. Jahr nährt, bedeutet dies, dass während dieser Zeitspanne kein zweites Kind unterhalten werden kann. Kinder, die vor der Entwöhnung des ersten Kindes geboren werden, werden entweder von anderen Familien adoptiert oder ausgesetzt. Beim Tode der Mutter werden Kleinkinder gewöhnlich mit ihr bestattet, falls sich niemand findet, der sie an Kindesstatt annimmt. Kranken und gebrechlichen Personen kommt man hilfsbereit entgegen; doch bedeutet ihr Unterhalt eine zusätzliche Belastung der Horde. Besonders alte Leute, die nur mit Mühe den Wanderungen folgen können, verüben oft Selbstmord oder äußern die Bitte, bei der nächsten Verlegung des Lagers zurückgelassen zu werden. Die Bitte gebietet, dass die Kinder dem

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Wunsche ihrer Eltern nachkommen und ihnen das Scheiden erleichtern. Die meisten Männer sterben nicht an Altersschwäche, sonder fallen Jagdunfällen zum Opfer. Selbstmord und Blutrache gelten als durchaus moralische Handlungen, und die Eskimo haben Mühe, die Argumente der weißen Verwaltungsbeamten und Missionare zu begreifen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Familie und Horde im ganzen Eskimogebiet die einzigen festverankerten sozialen Einheiten sind. Beim Fehlen einer eindeutigen politischen Organisation wird der Zusammenhalt durch eine gemeinsame Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie durch die Abhängigkeit des Einzelnen von der Gruppe gewährleistet. Das Fehlen einer politischen Struktur erklärt sich nicht zuletzt aus der Wirtschaftsweise und der damit verbundenen dünnen Besiedelung der Arktis. Bei völliger Abhängigkeit von der Jagd sind größere Ansammlungen von Menschen auf längere Zeit unmöglich. Diesen und anderen Umständen ist es zuzuschreiben, dass die Eskimo nicht bis zur Stammesbildung fortgeschritten sind, sondern in ihrer Gesamtheit lediglich eine Sprach-, Bluts- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden.“ (1)

Beschreibung des Objektsystems

III. Hausbau und Haustypen

Bau eines Winterhauses

„Die verbreitete Meinung, die Eskimo verbrächten den Winter in Schneehäusern (Iglus), trifft für die meisten Gruppen nicht zu, obgleich der Iglu zum typischen Kulturgut dieser Menschen gehört. Bei den meisten Küstengruppen sind halbunterirdische aus Knochen, Soden oder Steinen errichtete Winterhäuser in Gebrauch; nur wo Treibholz in großer Menge zur Verfügung steht, wird es zum Hausbau verwendet. Der Iglu wird von den meisten Gruppen als vorübergehende Reiseunterkunft errichtet. Iglu und Winterhaus basieren beide auf dem Prinzip der Wärmekonservierung. Die Winterhäuser der Eskimo stellen kleine technische Wunderwerke dar, deren Grundkonstruktion vermutlich ein Erbe der alten zirkumpolaren Kultur ist. Besonders der Iglu ist ein Beispiel der Anpassung des arktischen Jägers an seine Umwelt. Mit einfachen Mitteln herstellbar, ermöglicht das aus Schneeblöcken errichtete Gebäude die größtmögliche Bequemlichkeit inmitten eines jedem menschlichen Leben feindlichen Polarwinters. Die spiralförmig aufeinander gelegten Schneeblöcke bilden einen kuppelartigen Bau, dessen Isolierfähigkeit erstaunlich ist. Das von den meisten Gruppen errichtete Winterhaus aus örtlich vorhandene Baustoffen hat einen runden bis ovalen Grundriß. .... Die Winterhäuser werden zumeist in Strandnähe errichtet, oft direkt in den Abhang hineingebaut. Trotz der Verschiedenheit der Baustoffe und der unterschiedliche Größe folgen die Häuser demselben Bauplan. Um ein Entweichen der im Inneren erzeugten Wärme zu verhindert, sind die Hütten in die Erde eingelassen, und der Eingang liegt tiefer als der Hüttenboden. Der vom Eingang zum Wohnraum führende Windfang oder Windtunnel ist meist 3 bis 4 m lang, und vor dem Eingang hält eine besonders errichtete Schneemauer den vom Meer wehenden Wind ab. Wohnhaus und >Tunnel sind gut verschlossen; nur im Kuppeldach des Hauses befindet sich eine kleine Entlüftungs-vorrichtung, die eine regulierbare Luftmenge nach draußen entlässt. ... Die Schlafplätze befinden sich auf einer Plattform im hinteren Teil der Hütte, wo die kalte Luft die Schläfer nicht erreichen kann, da sie zuerst über die Tranlampen streichen muß. Das Ergebnis dieser Bauweise ist eine hohe Temperatur unter dem Dach, wogegen auf dem Hüttenboden Temperaturen um Null Grad herrschen. Aus diesem Grunde entkleiden sich die Bewohner meist bis zu Gürtel und lagern sich auf den erhöhten Schlafplätzen.“ (1, S. 29-30)

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Winterhaus vom grönländischen Typ (schematisch) (1, S. 31) Bau eines Iglus „Mit einer Sonde suchen die Eskimo eine Stelle aus, an der der Schnee fest genug ist und schneiden dann mit Messern aus Knochen oder aus Walzähnen große rechteckige Blöcke heraus.

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Eskimo bauen einen Iglu aus leicht gekrümmten Schneeziegeln. Der Bau eines solchen Iglus dauert meist nicht länger als 1 oder 2 Stunden. Zunächst ziehen die Eskimo einen Kreis von ungefähr 4 Metern Durchmesser, auf den sie dann die Blöcke legen, immer einen Block neben den anderen, so dass die Mauer spiralig höher geführt wird. Nach und nach verengt sich dann die Spirale, und die Blöcke neigen sich leicht nach innen. So entsteht ein gleichmäßiger Kuppelbau, dessen Fugen mit Schnee verstopft werden. Zum Schluss werden in die dafür ausgesparten Stellen Fenster aus Eis oder Darmhäuten eingesetzt, und der Iglu ist bezugsfertig. Als Eingang graben die Eskimo oft einen Tunnel mit einer Biegung, um dass Eindringen der kalten Luft zu verhindern.

Die Eskimo kennen nicht nur den einfachen Iglu. Gelegentlich bauen sie zwei Schneehäuser aneinander und verbinden sie mit einem größeren Raum für Spiele und Tänze. Ein langer Tunnel führt in das Gemeinschaftshaus. Die Temperatur in einem Iglu beträgt nur wenige Grad über Null; der Unterschied zur Außentemperatur ist aber so groß, dass diese wenigen Wärmegrade als angenehm empfunden werden. Eine große Plattform aus Schnee und Eis, die mit Fellen belegt ist, dient am Tage als Tisch und nachts als Schlafstelle. Das wichtigste Hausgerät ist die Tranlampe, eine flache Schale, meist aus dem weichen Speckstein herausgeschnitten. Diese ist stets mit Seehunds-

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oder Walfischtran gefüllt, durch den ein langer Moosstreifen als Docht gezogen ist. Die Lampe spendet Licht und Wärme.“ (4) Schlussbemerkung

Mensch und Milieu heute in Grönland „Wir müssen uns heute die Frage stellen, warum Städte und Gebäude so hoch im Norden wie Grönland sich mehr und mehr der westeuropäischen Bauweise anzunähern scheinen, und warum die anderen menschlichen Ideale aus anderen Kulturkreisen geholt werden – anscheinend ohne weitere Rücksichtnahme auf Klima, Tradition und frühere Lebensweise. Für die Ursache dürften die unglaublichen Möglichkeiten unseres Zeitalters für eine rasche Kommunikation gehören. Jede Form der Planung, auch von Gesellschaft, Städten und Häusern, geschieht auf der Grundlage von Erfahrung, Statistik, Analyse, Forschung und Phantasie. Dabei gelangen viele Planer dazu, viele Probleme universell aufzufassen: sie scheinen ungeachtet von Klima und Lebensweise die gleiche eindeutige Lösung zu fordern, wie in den meisten Teilen der zivilisierten Welt. Der Welthandel mit Fischprodukten nimmt beispielsweise keine Rücksicht darauf, dass es in Grönland schwer ist, Fische auf der internationalen Preisbasis zu fangen. Also sind die Grönländer bestrebt, ihre Fischindustrie zu industrialisieren. Das Bauen lässt sich in Grönland mit rein zeitlichem und wissenschaftlichem Vorteil industrialisieren, denn wir wissen, dass die Gleichartigkeit der Baukomponenten eine Notwendigkeit ist. Lagerbestände, Fracht, Bauprozess, Werkzeug, Instandhaltung und noch viel anderes vereinfachen sich wesentlich, wenn die Wahlmöglichkeiten begrenzt werden. Bauwerke zu schaffen, die in Harmonie mit ihrer Umgebung stehen, in äußerster Konsequenz ein fast organisches Zusammenspiel zwischen Gebäuden, Stadt und Landschaft zu erhalten, haben heute eine andere Perspektive. Wenn man ganze Stadtteile nach einem bestimmten Bausystem plant, bekommen Beschlüsse jeglicher Art weitreichende Bedeutung für das menschliche Wohlbefinden. Vorteile und Fehler nehmen ein gigantisches Maß an. Baussysteme, Wirtschaft und Technik sind geneigt, ihre eigenen Werte und Normen zu gebären, die mit der menschlichen Umwelt mitunter nur schwer vereinbar sind. Stadt und Landschaft: Die grönländische Landschaft ist groß und dominierend. Städte und Siedlungen sind, verglichen mit ihrer gewaltigen Umgebung, unendlich klein. Die Entfernungen zwischen bewohnten Orten ist enorm. Hält man sich in der Stadt oder Siedlung auf, so kommen die Gebäude und anders Menschenwerk eine höchst eindringliche Bedeutung. Weder Bäume noch Büsche verbergen Fehler oder vermitteln Übergänge. Im Gegenteil, jeder Bauprozess, jede Straßen-, Kanalisations- oder Leitungsanlage hinterlässt für lange Zeit eine typische flachgetrampelte Nacktheit. Der spärliche Pflanzenwuchs des Landes kämpft in dem rauen Klima stets um seine Existenz und vermag daher nur sehr schwer auch noch einer Misshandlung durch Menschen zu wiederstehen. Deshalb bedeuten Ordnung und ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Gebäuden und Straßen in der Stadt sehr viel. Hier merken wir ganz besonders, dass derzeit Altes und Neues aufeinanderprallen. Vielgeschossige Bauten westeuropäischer Bauweise ragen neben ein- oder anderthalbstöckigen Holzhäusern aus dem felsigen Boden. In diese Welt hinein kommt nun die hektische, lärmende Betriebsamkeit der Gegenwart gewandert. Auf Wunsch der Grönländer selbst, in ganz legaler, unvermeidlicher Weise vollzieht der rasche Aufbau zu einer modernen Gesellschaft in westlichem Sinn. Solange der einzelnen Stadt neue Gebäude in gemäßigtem Tempo zugeführt werden, besteht die Möglichkeit einer allmählichen Anpassung an das bestehende Milieu. In der letzten Zeit hat sich die Entwicklung in jenen

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Städten jedoch sehr beschleunigt, die als geeignet für Urbanisierung und einen industriellen Ausbau befunden wurden. Es sind die sogenannten „Offenwasser-Städte“, von denen aus das ganze Jahr Fischerei betrieben werden kann. Dies hat Zuwanderung und Bauen in einem weit größerem Maßstab mit sich geführt. Ein eigentliches Zusammenspiel zwischen Altem und Neuem ist dadurch erschwert, in einigen Fällen sogar unmöglich geworden. Folglich bestrebt man sich heute mehr, eine Aufteilung der Städte in alte und neue Viertel vorzunehmen.“ (5) Trotz der naturbedingten Gegebenheiten und Schwierigkeiten liegt es in der Zukunft, dass industrialisierte Wohnbauten, Schulbauten, Institutionen und Stadtzentren geschaffen und vorteilhaft ausgenützt werden. Gehören Stadtzentren mit geheizten „inneren“ Geschäftsstraßen und Bürohäusern noch zur Utopie? Literaturnachweis (1) Konitzki, Gustav A.: Arktische Jäger Kosmos-Bibliothek Stuttgart 1961 (2) Hantschel, Anton: Grönland und der Gestaltenwandel der Arktis Würzburg 1963 (3) Kosack, Hans-Peter: Die Polargebiete Große Illustrierte Länderkunde Bertelsmann-Bibliothek Gütersloh 1963 (4) Burland, Cottie: Naturvölker - gestern und heute Otto Maier Verlag Ravensburg 1965 (5) Jensen, Henning: Grönland In: Dänische Rundschau (Zeitschrift des Dänischen Außenministeriums) Kopenhagen 1969 (6) Breitfuß, Leonid: Das Nordpolargebiet - Seine Natur, Bedeutung und Erforschung Berlin 1943, S. 36, 37, 38 (7) Sverdrup, H. U.: Handbuch der Klimatologie Band II 1935 Nachträglich hinzugefügt (8) Fordham, Derek: „Eskimos“. Ein Buch aus der Reihe „Völker kämpfen um ihr Leben“ Düsseldorf 1979