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29. APRIL I933 wieder gezeigt, dab die dort fortgespfilten kolloidat6n Sub- stanzen ebenfalls in dem Schleifengebiet der Marksubstanz steckenbleiben. Alle diese Grfinde sprechen I fir die Abgabe einer eiweil3artigen Substanz in den Ham w~hrend seiner Bildung innerhalb der eigentlichen Niere. Endlich m6chte ich folgende lJberlegung anstellen: Wenn wirklich yon den Glomeruli, woffir vieles spricht, ein reines Filtrat in den Kapselraum abgeschieden wird, so runs dieses Filtrat einmal durch Resorptionsprozesse konzentriert, an- dererseits aber auch dutch Abgabe yon Kolloiden zn dem kolloidartigen System umgebaut werden, welches der ffertige Harn darstellt. Wo finden nun diese eigenartigen Prozesse statt? An den Epithelien des Kapselraums des Glomerulus haben sich bisher weder Resorptions- noch Sekretionsph~tno- mene nachweisen lassen. Die yon ~V[oELLENDORFF nachgewie- sene lockere Lagerung der endothelartigen Epithelien ant den Glomerulusschlingen spricht ganz im Sinne der Filtrations- m6glichkeit. Demgegenfiber zeigt sich mit dem Auftreten der bfirstensaumtragenden Epithelien in den Hanptstficken sofort auch das Bild der Resorption, wie man es besonders bei den intravital gef~rbten Tieren beobachten kann. Diese Resorptionsph~nomene sind zweifellos an den der Glomerulus- kapsel benachbarten Abschnitten der Hauptstficke (Abschn. I und 2 nach SuzuI(i) am st~rksten, ilehmen abet mehr distal (Abschn. 3 nnd i3bergangsabschn, nach Suzuxt) mehr und mehr ab. Gerade in diesen Absehnitten findet man aber haupts~tchlich die Ph~nomene der Kolloidausscheidung. Man muB also annehmen, dab die kolloidale Struktur des Harnes schon hier dnrch Beimischung bestimmter Substanzen aus den Zellen herbeigeffihrt wird. Ob es sich dabei nm primate Resorption und Kondensation nnd sp~tter einsetzende Quel- lungsprozesse mit Durchbrechnng des Btirstensaums handelt, oder welche Art yon Sekretion kolloidaler Substanzen sonst bier vorliegen mag, bleibt unentschieden. Ich verweise auI KOSUGI, m6chte aber nicht unerw~thnt lassen, dab auch BRODERSEN, ohne KOSUGIs Arbeit zu kennen, die Frage der Kolloidsekretion er6rtert. Auf die kolloidalen Strukturen des Inhalts in diesem Abschnitt der Harnkan/~lchen hat ja auch P. ERNST hingewiesen. Eigenartig ist nun, dab in den dfinnen Schleifen der Schenkel weder Farbstoffresorption noch irgendwelche Sekretion zu beobachten ist. Anscheinend bedingt die endothelartige Gestaltung der Epithelien einen solchen Zustand. Alle Beobachtungen dr~ngen zu der yon PETERS vertretenen Anschauung, dab bier eine Wasser- resorption statthat. Auch in den aufsteigenden Schenkeln der Schleifen finder nach fibereinstimmender Ansehanung aller Experimentatoren keine Resorption, wenigstens der Farbstoffe, mehr staff. Hier fehlt ja auch der daffir wohl besonders geeignete Bfirstensaum. Umgekehrt sieht man in diesem Abschnitf wieder das regelmXBige Auftreten kolloidaler Bl~schen, was ffir die Ausscheidung irgendeiner kolloidalen Substanz in den Ham spricht. Erst welter abw~trts, in den Zwischen- nnd Schaltstficken, treten diese Ph/inomene wieder zurfick. Warum die Abscheidung der Harnkolloide, soweit wir das bis heute beurteilen k6nnen, an die Hauptstficke einerseits und an die aufsteigenden Schleifenschenkel anderer- seits gebunden ist, l~gt sieh nicht sagen. Auch wird erst die weitere Erforschung der physikalischen Chemie des normalen Hams Sicheres fiber die Beziehungen der Mengenverh~ltnisse kolloidaler Substanzen zu den fibrigen SekretionsverhXltnissen aufdecken k6nnen. Literatur: J. BRODERSEN, Z. mikrosk.-anat. Forsch. 25, 362 (1931). -- J. DlSSE, Anat. H. 2, 141 (1893). -- EPSTEIN, NATnA~IEL, Z. exper. Med. 80, 684 (1932). -- P. ERNST, Virchows Arch. 254, 751 (1925). -- VAN GEI~UCHTEN, Anat. Ariz. 6, 12 (1891). -- E. Kosu~I, Beitr. path. Anat. 77, I (1927). -- J. M. LASCA~o-Go~zXLEZ, Z. mikrosk.-anat. Forsch. 28, 249 (1932). -- v. MOELLENDORFF, Erg. Physiol. I8, 141 (192o) -- Handbuch der mikroskopischen Ana- tomie 7, I. Berlin: ,].Springer 193 o. -- MonlTZ, Verb. d. 14. Kongr. inn. Med. 1896. -- E. PFEIFFER, Verh. d. 5. Kongr. inn. Med. ~886. -- A. SAUER, Arch. mikrosk. Anat. 46, lO9 (1895). -- D. VAN D~ STRICH~, C. r. Acad. Sci. Paris ~I2, 961 (1891). -- T. SuzuKI, Zur Morphologie der Nierensekretion. Jella: G. Fischer 1912. KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 12. JAHRGANG. Nr. 17 663 ZUM PROBLEM DES INSENSIBLEN GEWlCHTS- GEWlNNS. yon H. HELLER. Aus der II. Inueren Abteilung des Krankenhauses im Friedrichshain (DJrigierender Arzt: Prof. P. F. RICHTER). Unter insensib~em Gewiehtsgewinn verstehen wir einen Vorgang, bei dem das EndkSrpergewicht zuzi~glieh /eater und /l~ssiger Aus/uhr das AnfangskSrpergewicht zuz~tglich /ester und fli~ssiger Zu/uhr i~bertri]/t. Der insensible Gewichtsgewinn ist also das genaue Gegenteil des insensiblen, nnmerMichen Gewi ch tsverlusts. Gibt es insensiblen Gewichtsgewinn? Aktueller klingt die Frage: Kann man ,,aus der Lnft" schwerer werden? Oder auch, wenn man nut eine bestimmte M6glichkeit ins Auge faBt: Kann man aus der Lutt Wasser aufnehmen? Diese Frage wird bekanntlich yon manchen Forscherll positiv beantwortet. So hat SILvA-MELLO in mehreren Arbeiten Beobach- tungen fiber eille ,,autochthone Wasserbildung" berichtet, ullter welcher ]gezeichnung sich bei ihm nichts anderes als der yon uns so genallllte insensible Gewichtsgewinn verbirgt. Desgleichen hat ZAK u. a. auch in dieser Wschr. Beobachtungen fiber ,,negative Perspiratio ilisellsibilis" mitgeteilt, bei def. es sich gleichfalls um illsensiblell Gewiehtsgewilln handelt. Auch yon BAUER U. a. liegen i~hnliche Angaben vor. Es ist nur natfirlich, dab diese Mifteilungen mit groBem Interesse anfgenommen worden sind. Sie haben naeh den Feststellungen der Autoren eine unmiftelbare Bedeutung ffir so h~ufige pathologische Zust~nde wie die St6rungen des Wasserhaushalts und die Fettsucht. DaB auch Tageszeitungen in groBer Aufmachung darfiber berichten und ein ~rztlicher Mitarbeiter sogar die Konnersreuther Wunder mit den Beob- achtungen fiber negative Perspiratio insensibilis in Verbin- dung bringt, zeigt nur, welches Aufsehen die Sache auch auBerhalb rein medizinischer Kreise gemacht hat. Es dfirfte daher nicht fiberflfissig sein, einem gr6Beren Leserkreis kurz das Ergebnis darzulegen, zu dem eine kritische Untersuchung der Beobachtungen fiber ,,negative Perspiratio insensibilis" und ,,autochthone Wasserbildung" kommen muB. Eine ein- gehendere t3ehandlung des Gegenstandes finder man in Ar- beiten, die ich an anderer Stelle ver6ffentlicht babe. Von vornherein ist klar, dab ein insensibler Gewichts- gewinn allgemein nur gas/Srmigen Stoffen, genauer gesagt, dem ~berwiegen der gasf6rmigen Anfnahme fiber die gas- f6rmige Ausscheidung entstammen kann. Dies bedeutet, dab ein insensibler Gewichtsgewinn praktisch nur unter zwei be- stimmten Bedingungen auftreten kann, und zwar muB ent- weder die Sauersto/Jau/nahme die Kohlensgureausseheidung um einen entsprechenden Betrag i~bertre]/en oder Wasserdamp/ aus der Lu/t resorbiert werden. Andere Gase, die aus der Atmo- sphere aufgenommen und zu K6rpersubstanz verdichtet werden k6nnen, kommen aus allgemein biologischen oder quantitativen Grfinden f fir die Entstehnng insensibler Gewichtsgewinne nicht in Betraeht. Daraus ergibt sich, dab ffir das Ausgangs- material insensibler Gewichtsgewinne ausschliel31ich zwischen dem Sauerstoff und dem Wasserdampf der Atmosphere die Wahl zu treffen ist. Eine dritte MSglichlceit besteht nicht. Diese Tatsache, die, soweit mir bekannt ist, von niemandem in Zweifel gezogen wird, ist yon entscheidender Bedeutung ffir das Folgende. Denn sie bestimmt den Rahmen, in dem Er- kl~rungsversuche f/ir beobachtete insensible Gewichtsgewinne sich halten m~ssen. Soweit w~re alles klar, undes seheint, als h~tten wir nunmehr nur noch zu entscheidell, welehe der beiden a priori gegebenen M6glichkeiten ffir die beobachteten insensiblen Gewichtsgewinne ill Betracht kommt. Bei den Autoren selbst finden wir wenig Anhalt ffir diese Entscheidung, da sie yon ihnen zwar mehr oder weniger bestimmt getroffen, nirgends jedoch begrfindet wird. W~h- rend ZA~: die Wasserdampfresorption, besonders in seinen letzten Arbeiten, ganz in den u rfickt, legt SILVA-MEnLO nur auf die andere Erkl~rungsm6glichkeit Gewicht. Wir selbst wollen uns folgender Uberlegungen bedienen, um Klarheif fiber die Sache zu bekommen. Wit wollen keine der beiden M6glichkeiten yon vornherein zurfickweisen. Wir

Zum Problem des Insensiblen Gewichtsgewinns

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Page 1: Zum Problem des Insensiblen Gewichtsgewinns

29. APRIL I933

wieder gezeigt, dab die dor t for tgespfi l ten kolloidat6n Sub- s tanzen ebenfalls in d e m Schleifengebiet der Marksubs tanz s teckenbleiben. Alle diese Grfinde sprechen I fir die Abgabe einer eiweil3artigen Subs tanz in den H a m w~hrend seiner Bi ldung innerhalb der e igent l ichen Niere.

Endl ich m6chte ich folgende l Jber legung anste l len: W e n n wirkl ich yon den Glomeruli , woffir vieles spricht , ein reines F i l t r a t in den Kapse l r aum abgeschieden wird, so runs dieses F i l t r a t e inmal durch Resorpt ionsprozesse konzentr ier t , an- derersei ts aber auch du t ch Abgabe yon Kol loiden zn d e m kol loidar t igen Sys tem u m g e b a u t werden, welches der ffertige H a r n darstel l t . Wo f inden nun diese e igenar t igen Prozesse s t a t t ? An den Epi the l ien des Kapse l raums des Glomerulus h a b e n sich bisher weder Resorpt ions- noch Sekretionsph~tno- mene nachweisen lassen. Die y o n ~V[oELLENDORFF nachgewie- sene lockere Lagerung der endothe la r t igen Epi the l ien ant den Glomerulusschl ingen spr icht ganz im Sinne der Fi l t ra t ions- m6glichkei t . Demgegenf iber zeigt sich mi t dem Auf t r e t en der b f i r s tensaumtragenden Epi the l ien in den Hanp t s t f i cken sofort auch das Bild der Resorpt ion, wie man es besonders bei den in t rav i t a l gef~rbten Tieren beobach ten kann. Diese Resorp t ionsph~nomene sind zweifellos an den der Glomerulus- kapsel benachba r t en Abschn i t t en der Haupts t f icke (Abschn. I und 2 nach SuzuI(i) a m st~rksten, i lehmen abe t mehr distal (Abschn. 3 nnd i3bergangsabschn, nach Suzuxt ) m e h r und m e h r ab. Gerade in diesen Absehn i t t en f indet m a n aber haupts~tchlich die Ph~nomene der Kolloidausscheidung. Man muB also annehmen, dab die kolloidale S t ruk tu r des Harnes schon hier dnrch Beimischung be s t immte r Subs tanzen aus den Zellen herbeigeff ihr t wird. Ob es sich dabei n m pr ima te Resorp t ion und Kondensa t ion nnd sp~tter e insetzende Quel- lungsprozesse mi t Durchbrechnng des Bt i rs tensaums handel t , oder welche Ar t yon Sekret ion kolloidaler Subs tanzen sonst b ier vor l iegen mag, b le ib t unentschieden. Ich verweise auI KOSUGI, m6chte aber n icht unerw~thnt lassen, dab auch BRODERSEN, ohne KOSUGIs Arbe i t zu kennen, die Frage der Kol lo idsekret ion er6r ter t . Auf die kolloidalen S t ruk tu ren des Inha l t s in d iesem Abschn i t t de r Harnkan/~lchen h a t ja auch P. ERNST hingewiesen. E igenar t ig ist nun, dab in den df innen Schleifen der Schenkel weder Farbs tof f resorp t ion noch i rgendwelche Sekre t ion zu beobach ten ist. Anscheinend bed ing t die endo the l a r t i ge Ges ta l tung der Epi the l ien einen solchen Zustand. Alle Beobach tungen dr~ngen zu der yon PETERS ve r t r e t enen Anschauung, dab bier eine Wasser - resorpt ion s t a t tha t . Auch in den aufs te igenden Schenkeln der Schleifen f inder nach f ibere ins t immender Ansehanung al ler E x p e r i m e n t a t o r e n keine Resorpt ion, wenigstens der Farbstoffe , m e h r staff . H i e r fehl t ja auch der daffir wohl besonders geeignete Bfirs tensaum. U m g e k e h r t s ieht m a n in d iesem Abschni t f wieder das regelmXBige Auf t r e t en kol loidaler Bl~schen, was ffir die Ausscheidung i rgendeiner kol loidalen Subs tanz in den H a m spricht. Ers t wel te r abw~trts, in den Zwischen- nnd Schaltstf icken, t r e t en diese Ph/ inomene wieder zurfick. W a r u m die Abscheidung der Harnkol loide, soweit wir das bis heu te beur te i len k6nnen, an die Haupts t f i cke einersei ts und an die aufs te igenden Schleifenschenkel anderer- seits gebunden ist, l~gt sieh n ich t sagen. Auch wird erst die wei tere Er forschung der physikal ischen Chemie des normalen H a m s Sicheres fiber die Beziehungen der Mengenverh~l tnisse kol loidaler Subs tanzen zu den fibrigen Sekret ionsverhXltnissen aufdecken k6nnen.

L i t e r a t u r : J. BRODERSEN, Z. mikrosk.-anat. Forsch. 25, 362 (1931). - - J. DlSSE, Anat. H. 2, 141 (1893). -- EPSTEIN, NATnA~IEL, Z. exper. Med. 80, 684 (1932). - - P. ERNST, Virchows Arch. 254, 751 (1925). -- VAN GEI~UCHTEN, Anat. Ariz. 6, 12 (1891). -- E. Kosu~I, Beitr. path. Anat. 77, I (1927). - - J. M. LASCA~o-Go~zXLEZ, Z. mikrosk.-anat. Forsch. 28, 249 (1932). -- v. MOELLENDORFF, Erg. Physiol. I8, 141 (192o) -- Handbuch der mikroskopischen Ana- tomie 7, I. Berlin: ,].Springer 193 o. -- MonlTZ, Verb. d. 14. Kongr. inn. Med. 1896. - - E. PFEIFFER, Verh. d. 5. Kongr. inn. Med. ~886. -- A. SAUER, Arch. mikrosk. Anat. 46, lO9 (1895). -- D. VAN D ~ STRICH~, C. r. Acad. Sci. Paris ~I2, 961 (1891). -- T. SuzuKI, Zur Morphologie der Nierensekretion. Jella: G. Fischer 1912.

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 12. J A H R G A N G . N r . 17 663

Z U M P R O B L E M D E S I N S E N S I B L E N G E W l C H T S -

G E W l N N S .

y o n

H . HELLER. Aus der II. Inueren Abteilung des Krankenhauses im Friedrichshain

(DJrigierender Arzt: Prof. P. F. RICHTER).

U n t e r insensib~em Gewiehtsgewinn vers tehen wir e inen Vorgang, bei dem das EndkSrpergewicht zuzi~glieh /eater und /l~ssiger Aus/uhr das AnfangskSrpergewicht zuz~tglich /ester und fli~ssiger Zu/uhr i~bertri]/t. Der insensible Gewichtsgewinn is t also das genaue Gegentei l des insensiblen, nnmerMichen Ge wi ch tsverlusts.

Gibt es insensiblen Gewichtsgewinn? Aktue l le r k l ing t die F rage : K a n n m a n ,,aus der L n f t " schwerer werden? Oder auch, wenn m a n nu t eine b e s t i m m t e M6glichkei t ins Auge faBt: K a n n m a n aus der L u t t Wasser au fnehmen?

Diese Frage wird bekanntlich yon manchen Forscherll positiv beantwortet. So hat SILvA-MELLO in mehreren Arbeiten Beobach- tungen fiber eille ,,autochthone Wasserbildung" berichtet, ullter welcher ]gezeichnung sich bei ihm nichts anderes als der yon uns so genallllte insensible Gewichtsgewinn verbirgt. Desgleichen hat ZAK u. a. auch in dieser Wschr. Beobachtungen fiber ,,negative Perspiratio ilisellsibilis" mitgeteilt, bei def. es sich gleichfalls um illsensiblell Gewiehtsgewilln handelt. Auch yon BAUER U. a. liegen i~hnliche Angaben vor.

Es ist nur natfirlich, dab diese Mif te i lungen mi t groBem Interesse an fgenommen worden sind. Sie haben naeh den Fes t s te l lungen der Autoren eine unmi f t e lba re B e d e u t u n g ffir so h~ufige pathologische Zust~nde wie die S t6rungen des Wasserhaushal t s und die Fe t t such t . DaB auch Tagesze i tungen in groBer Aufmachung darfiber be r ich ten und ein ~rzt l icher Mi ta rbe i te r sogar die Konner s reu the r W u n d e r mi t den Beob- ach tungen fiber nega t ive Perspira t io insensibilis in Verbin- dung bringt , zeigt nur, welches Aufsehen die Sache auch auBerhalb rein medizinischer Kreise gemach t hat . Es dfirf te daher n icht fiberflfissig sein, e inem gr6Beren Leserkreis kurz das Ergebnis darzulegen, zu d e m eine kri t ische Un te r suchung der Beobach tungen fiber , ,negat ive Perspira t io insensibil is" und , , au tochthone Wasse rb i ldung" k o m m e n muB. E ine ein- gehendere t3ehandlung des Gegenstandes f inder m a n in Ar- beiten, die ich an anderer Stelle ver6f fen t l i ch t babe.

Von vornhere in is t klar, dab ein insensibler Gewichts- gewinn al lgemein nur gas/Srmigen Stoffen, genauer gesagt, dem ~be rwiegen der gasf6rmigen Anfnahme fiber die gas- f6rmige Ausscheidung e n t s t a m m e n kann. Dies bedeutet , dab ein insensibler Gewichtsgewinn prakt i sch nur unter zwei be- stimmten Bedingungen auf t re ten kann, und zwar muB ent- weder die Sauersto/Jau/nahme die Kohlensgureausseheidung um einen entsprechenden Betrag i~bertre]/en oder Wasserdamp/ aus der Lu/t resorbiert werden. Andere Gase, die aus der A t m o - sphere au fgenommen und zu K6rpersubs tanz ve rd ich te t werden k6nnen, k o m m e n aus a l lgemein biologischen oder q u a n t i t a t i v e n Grfinden f fir die E n t s t e h n n g insensibler Gewichtsgewinne n ich t in Bet raeht . Daraus ergibt sich, dab ffir das Ausgangs- mate r ia l insensibler Gewichtsgewinne ausschliel31ich zwischen d e m Sauerstoff und d e m Wasse rdampf der Atmosphere die W a h l zu t reffen ist. Eine dritte MSglichlceit besteht nicht. Diese Tatsache, die, soweit mir bekann t ist, von n i e m a n d e m in Zweifel gezogen wird, ist yon entscheidender Bedeu tung ffir das Folgende. Denn sie b e s t i m m t den Rahmen , in d e m Er - k l~rungsversuche f/ir beobach te te insensible Gewichtsgewinne sich ha l t en m~ssen.

Soweit w~re alles klar, undes seheint, als h~tten wir nunmehr nur noch zu entscheidell, welehe der beiden a priori gegebenen M6glichkeiten ffir die beobachteten insensiblen Gewichtsgewinne ill Betracht kommt. Bei den Autoren selbst finden wir wenig Anhalt ffir diese Entscheidung, da sie yon ihnen zwar mehr oder weniger bestimmt getroffen, nirgends jedoch begrfindet wird. W~h- rend ZA~: die Wasserdampfresorption, besonders in seinen letzten Arbeiten, ganz in den u rfickt, legt SILVA-MEnLO nur auf die andere Erkl~rungsm6glichkeit Gewicht.

Wi r selbst wollen uns folgender Uber legungen bedienen, u m Klarhe i f fiber die Sache zu bekommen. W i t wollen keine der beiden M6gl ichkei ten yon vornhere in zurfickweisen. Wi r

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664 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

h a l t e n es ffir unm6gl ich , die A n n a h m e , d a b W a s s e r d a m p i aus de r L u f t r e so rb ie r t 0de r Sauers to f f in e inem insens ib l en Gewich t sgewinn e r zeugenden i ]be r sch i lg a u f g e n o m m e n werden kann , theoretiseh zu wider legen. W i r h a l t e n aus d e m gle ichen G r u n d e die Frage , ob es f i b e r h a u p t i n sens ib l en Gewichts - gewinn geben k a n n , Ifir theoretisch n i c h t en t s che idba r . Die B e a n t w o r t u n g dieser Frage k a n n n u r die tatsiiehliehe Beob- a c h t u n g a n die H a n d geben. W o h l a b e r l~Bt s ich m i t HiKe theoretischer u n d d e n n o c h absolut s t i c h h a l t i g e r Erwi igunge i l f fir die Gr6fienordnung insens ib le r Gewich t sgewinne e ine Grenze ziehen, d ie keii l i n sens ib le r Gewich t sgewinn f ibe rschre i t en darf , w e n n er n i c h t m i t zweifelsfrei gfi l t igen V o r a u s s e t z u n g e n in Konf l i k t g e r a t e n u n d so die B e o b a c h t u n g , die i hn zu t age f6rder te , als k o r r e k t u r b e d f i r f t i g e rweisen soil.

Aus den Arbeiten SILVA-MnLLO S greifen wir eine l~ingere Periode heraus, ill der 17 Tage lalig ununterbrochen hintereinander, Tag ffir Tag insensible Gewichtsgewinne yon insgesamt (mindestens) 8325 g verzeichnet siud*. SILVA-M~LLO erw~hn~ ausdr~cklich, daB er eine , ,autochthone Wasserbildung" yon mehreren hundert , ja zuweilen mehr als IOOO g pro Tug Wochen un'd Monate h indurch beobachte t hat .

Aus der Zakschen Arbeit soll uns nur der h6chste yon ibm mit- geteilte 24st~tndige insensible Gewichtsgewinn naher bescMiftigen. Er betr~igt 935 g.

Dabei sind 2 Punkte zu beobachten. ])a w i r e s bei der Anwen- dung der beiden Erkl~irungsm6glichkeiten auf die quantitativen Verhaltnisse abgesehen haben, weft wit uns nichts yon der Unter - suchung versprechen, ob die in ]3etracht kommenden Quellen

R I F T . 12. J A H R G A N G . N r . 17 29. APRIL I933

siger K 6 r p e r s u b s t a n z b le ibei ld v e r b n n d e n wird, ohne d a b zugleich eine e n t s p r e c h e n d e Meilge gasf6rmiger , n i c h t re t in ie r - b a r e r P r o d u k t e geb i lde t n n d ausgesch ieden wird. U n t e r den K 6 r p e r b e s t a n d t e i t e n i s t F e t t de r r e l a t i v saners tof f i i rmste , K o h l e h y d r a t de r r e l a t i v sauers tof f re ichs te . W e n n aus F e t t ode r EiweiB K o h l e h y d r a t e n t s t e h t , wird Sauers to f f g e b u n d e n und in g le ichem G e w i c h t s b e t r a g insens ib le r Gewich t sgewinn erzeugt . Das i s t de r gesuch te ProzeB, de r den e r fo rder l i chen in sens ib l en Gewich tsgewi i ln zu l ie fern v e r m a g u n d n a c h de r Vors t e l lung SILvA-MELLOS die Ur sache de r yon i h m beob- a c h t e t e n i n sens ib l en Gewich t sgewinne gewesen ist. W i t wollen, u n d zwar m i t Hilfe eines setlr e in fachen Ver fahrens , u n t e r s u c h e n , ob sich diese Vors te l lung h a l t e n l~iBt.

])as Veriahren besteht darin, auf Grund der dutch die Be- obachtungen gegebenen insensiblen Gewichtsgewinne die absoluten Gewichtsverh~ltnisse zu berechnen, in denen sich die betreffenden zur Erki~irung angebotenen VorgMlge abgespielt haben mtissen. Nun sind zwar fiir die Umwandlung yon Fe t t oder EiweiB in Kohle- hydra t an sich verschiedene chemische Brut toformeln denkbar. Ffir nns sind diese Unterschiede jedoch bedeutungslos und nichts spricht dagegen, far die beabsichtigte Rechnung die u SILVA-MgLLOS ZU flbernehmen. Ich fibergehe alle Einzelheiten und bringe in der folgenden Tabelle nur die Resultate fiir den oben als Beispiel gew~ihlten Gewichtsgewinn yon 8325 g.

Ich begnflge Inich, auf einige bemerkenswerte, aber nicht ent- scheidende Teile der Tabelle kurz hinzuweisen. Man beachte vor allem die W~irmet6nung der Reaktionen, die niedrigen respiratori- schen Quotienten und die enormen Wasserverluste, die zu der Be-

Insensibler Gewichtsgewinn: 8325 g in 17 Tagen.

Formel Fett- abnahme

in g

2 C57Hn006 + 67 O2 = 16 C6HI~O 6 @ 18 CO 2 + 14 H~O

6 C55H10r 6 -t- 138 O 2 -t- 18 H20 = 55 C6H12OG

63 C55H10aO 6 + 23 Cvo, H112NlsSO22 @ 887 H20 = 819 C6H1206 -~- 207 CON2H ~ - / 2 3 FI~SO~

10960

9 727 1

7959 1 i

i i [

Folgen tflr die K6rperbestandteile

EiweiB- abnahme

in g

5446

Glykose- zunahme

in g

17 733

18 663

21 656

Wasser

bei der Umsetzung

vet- gebildet braucht in g

in g

-- 1552

611 --

2o81

Gesamt- abnahme

in g

7573

9736

11206

r

Sauerstoff- aufnahme pro Tag

ill g

777

490

490

Kohlen- sfmreaus- scheidung pro Tag

in g

287

Wfirme- t6nung der Umsetzung

Ipro Tag in R.Q. Calorien

0,27 2208

o 1314

o 978

wirklich fliel3en, viel, ja alles dagegen yon der Untersuchung, ob die Quellen, ihr Vorhandensein vorausgesetzt, fflr die behaupteten insensiblen Gewichtsgewinne ausreichen, k6nnen wit uns darauf beschr~nken, "die grOBten, in den einzelnen Arbeiten mitgeteil ten insensiblen Gewichtsgewinne ft~r unsere l)berlegungen heranzuziehen. Ferner betone ich, dab die angeffihrten Zahlen Mindestzahlen sind und nur dann der ~Virklichkeit entsprechen, wenn die Wasserdampf- abgabe abnorm gering war bzw. v611ig au~geh6rt hat te .

W i r e r 6 r t e r n z u n ~ c h s t die Vorg~nge, die d i l rch LTber- wiegen de r Saue r s to f f a i l f nahme fiber die Kohlens~tureails- s che idung zn e i n e m i n s e n s i b l e n Gewich t sgewinn voi l de r beob - a c h t e t e n Gr6Be ff ihren k 6 n n e l i , u n d b e g i n n e n m i t de r Fes t - s te l lung, d a b die Verbrennung voil K 6 r p e r b e s t a n d t e i l e n oder N a h r u n g s s t o f f e n nicht zu i h n e n geh6r t . Das k o m m t daher , d a b die bei de r V e r b r e i l n u n g p roduz i e r t e Koh lens~ure als solche n i c h t i m K 6 r p e r zurf ickgehMtei l werdei l kann , sonde rn ausgesch ieden werden mul3. ]3ei de r V e r b r e n n u n g yon Kohle- h y d r a t ui ld EiweiB wieg t die p rodnz i e r t e u n d ausgesch iedene Koh lens~ure m e h r als de r a i l f genommene u n d v e r b r a u c h t e Sauerstoff , so daB ein insens ib le r Gewichtsverlust resu l t ie r t , bei de r V e r b r e n n u n g y o n F e t t wieg t zwar die p roduz ie r t e Kohlens~hlre e twas weniger als de r v e r b r a u c h t e Sauers toff , a b e t die Dif ferenz i s t sehr ger ing u n d abs o l u t ungenf igend , u m gr6gere insens ib le Gewich t sgewinne z u s t a n d e zu b r ingen .

Mail muB also a n d e r e Vorg~inge he ranz iehen , n i c h t Ver- b renn i lngen , s o n d e r n Umwandlungen yon K6rpers to f fen , u n d zwar solche, bei d e n e n aus sauerstoffd~rmerem sauers to f i - reicheres Mater iM h e r v o r g e h t . D e n n dabe i k a n n I lnd muff ein in sens ib l e r G ew i ch t s gew i nn da l ln e n t s t e h e n , w e n n gas- f6 rmiger Sauer s to i f a u f g e n o m m e n u n d m i t fes te r ode r Ilfis-

* Dabei wird eine Atmungswasserausscheidung yon t~gl. 30o g angenommen.

zeichnung , ,autochthone Wasserbildung" in schariem Widerspruch stehen. Eingehender dagegen mfissen wir uns mit den Wer~nde- rungen des Kohlehydratbestandes befassen.

W i r k 6 n n e n de r Tabel le e n t n e h m e n , daB die Glykose- z u n a h m e bzw. de r Glykosemindestbestand eine, m a n k a n n wohl sagen, Verb l f i f fung e r regende Gr6Be e r re ichen wfirde. Um nicht weniger als 17,7--21,6 kg m~fite der Kohlehydrat- bestand anwachsen, wenn ein insensibler Gewichtsgewinn yon 8325 g dutch den Vorgang der Kohlehydratneubildung entstehen sollte. U n d diese K o h l e h y d r a t m e n g e mfiBte n i c h t Ilur neu- geb i lde t werden , s o n d e r n als B e s t a n d a m E n d e de r Pe r iode vorhanden sein. Nich t s k a n n v o n i h r v e r b r a n n t werden oder au f a i ldere Weise ve r schwinden , ohne daB ein e n t s p r e c h e n d e r B e t r a g i n sens ib l en Gewich t sgewinns zu Ver lus t geht . D e n n die Sache l iegt so, d a b de r insens ib le Gewich t sgewinn a m neil- geb i lde t en K o h l e h y d r a t ha l t e r , ja, w6r t l i ch g e n o m m e n , in i h m s teck t , insofe rn n~imlich de r bei u n d z u m Zweck de r Neu- b i l d u n g aus d e r Atmosph~ire angezogene u n d i m neugebi l - d e t e n K o h l e h y d r a t v e r a n k e r t e Sauers toI I die e igent l iche Quelle des in sens ib l en Gewich t sgewinns dars te l l t .

D ie sem T a t b e s t a n d k a n n m a n n i c h t e n t r i n n e n . N a c h e i n e m insens ib l en Gewich t sgewinn voi l 8325 g mfiBte die Frau , die a m E n d e de r Per iode 52, 7 kg wog, 33 ,6 - -41 ,1% ihres K6rpe rgewich t s a n K o h l e h y d r a t in i h r e m I n n e r n be- herloergt habei l . Diese Zah len redei l eine dent l iche , un - miBver s tgnd l i che Spractle. W i r k 6 n n e n n i c h t d a r a n zweifeln, d a b ill d e r w i s senscha f t l i ehen W e l t f iber die guBers te U n - wahrsche in l i chke i t , j a biologische U n m 6 g l i c h k e i t eines so lchen Ere ignisses keii l S t r e i t a u f k o m m e n wird. U n d se lbs t die gr6Bte Vors ich t u n d Zur f i ckha l t i lng bei de r K o n s t a t i e r u n g eines , , U n m 6 g l i c h " m u g ein E n d e h a b e n , weni l ma i l b e d e n k t ,

Page 3: Zum Problem des Insensiblen Gewichtsgewinns

=9. APRIL 1933 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 12. J A I - I R G A N G . Nr. 17 665

dab von SILVA-13dELLO nicht nur d e r insensible Gewichts- gewinn yon 8325 g, sondern, wie oben schon erw/~hnt, Wochen und Monate hindurch eine ,,Wasserbildnng" yon Hunderten -con Gramm nnd zuweilen mehr als lOOO g pro Tag beobach%et nnd mit Kohlehydratbildung aus Fet t oder EiweiB erkl~rt worden ist. Das ist eine absolute Unm6gllchkeit. Denn wenn der ganze K6rper nur noch aus Kohlehydrat besteht, hat jedenfalls doch die Ents tehung yon insensiblem Gewichts- gewinn auf die vorgeschlagene Weise ein Ende, nnd das mul3 offenbar schneller eintreten, Ms mit einer ,,Wochen nnd 1V[onate h i n d u r c h " stattfindenden ,,Wasserbildung" ver- einbar ist.

Wir ziehen aus diesen ~lberlegungen folgenden SchluB: Die yon SILVA-MELLO beobachteten insensiblen Gewichts- gewinne k6nnen dutch Kohlehydratneubildung aus Fet t oder EiweiB nicht erkl~rt werden. �9

Wir gehen noch weiter und behaupten, dab nicht nur die speziellen, yon SILVA-MELLO vorgeschlagenen Formeln fiir die Erkl~rung ausscheideI1, sondern dab allgemein mit Sauer- stoffanlagerung einhergehende, d. h. aus Fe t t oder Eiweil3 t (ohlehydrat schaffende Prozesse nicht die Entstehungs- ursache der beobachteten insensiblen Gewichtsgewinne ge- wesen sein k6nnen. Wir sagten oben, dab an sich verschiedene Formeln denkbar seien und erg/inzen dies bier dahin, dab die Verschiedenheit der Formeln nur darauf beruht, dab Um- wandlung (n~mlich in Kohlehydrat) und Verbrennung (yon Fe t t oder Eiweil3) in versehiedenen qnant i ta t iven Propor- tionen xniteinander gemischt werden k6nnen. Ffir uns ist dies aber, wie ich an anderer Stelle bewiesen habe, unerheb- lich. Was den hier entscheidenden Punkt der Kohlehydrat- bildnng und -speicherung anlangt; so hgngt die Menge des neugebildeten und bleibenden Kohlehydrats im Rahmen der zulgssigen Kombinationen yon U m w a n d h n g und Verbrennung im wesentlichen nur yon der Gr6fie des zur Erkld~rung stehenden 4nsensiblen Gewichtsgewinnes ab, yon welcher chemischen Brutto- ]ormel max auch ausgehen mag. 1V[it den in der Tabelle mit- geteilten Zahlen ist daher die Gr6fienordnung der auf die ge- gebenen insensiblen Gewichtsgewinne enttallenden Kohle- hydratanh~ufung ein ffir allemal fiir s~mtliche in Betracht kommenden Formeln Iestgelegt und der daranf gestfitzten I~ritik eine allgemeingiiltige Grundlage gegeben.

Ftir die insensiblen Gewichtsgewinne SILVA-NIELLOS und damit zugleich auch ftir die Beobachtungen ZAI~S* haben wit also nachgewiesen, dab sie einer Kohlehydratbildung aus Fe t t oder EiweiB ihre Ents tehung nicht verdanken k6nnen. Ob der Wasserdampf der Atmosphere daffir in Betracht kommt, wird nunmehr zu untersuchen sein.

Vorweg sei betont, dab uns auch dabei keine apriorische Stellungnahme leiten soll. Freilich halten wit eine Resorption yon Wasserdampf durch die Haut bislang ffir nicht bewiesen. Es ist bekannt, dab es selbst nach st/~rksten Wasserverlusten nicht zur Aufnahme ]l~ssigen Wassers dnrch die I-Iaut kommt. Das hat erst kfirzlich wieder EIMi~AR in instruktiven Ex- perimenten gezeigt. W a s die Aufnahme damp]]6rmigen Wassers anbetrifft, so hat ZAK vor einigen Monaten vor den Lesern dieser Zeitschrift fiber positive Versuchsergebnisse berichtet, und wir haben im Anfang dieses Aufsatzes erwahnt, welches Echo seine Mitteilung gefunden hat. Wir werden auf diese Versuche, die zu anderer Zeit und Getegenheit wohl nock behandelt werden sollen, hier nicht eingehen. Wir setzen ohnehin im folgenden voraus, dab d i e menschliche Haut Wasserdampf zu resorbieren vermag und wollen ffir uns das game Problem auf die Frage reduzieren, ob bei vorhandener F~higkeit der Wasserdampfresorption eine Anfnahme yon 935 g in 24 Stunden m6glich erscheint.

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht besonders schwie- rig. Es bedarf dazu einer sehr einfachen Rechnung. Wenn Wasserdampf resorbiert werden soil, mug dr doch offenbar an die resorbierende FlXche hingelangen, er muB mit ihr in Berfihrung treten. Daraus folgt, dab das Luftvolumen, welches im Verlauf yon 24 Stunden eingeatmet wird, znztiglich

* Denn aus einer Tabelle Z A K s erhglt man z. B. einen insensiblen Gewichtsgewinrl yon 13160 g, also noch anst613igere Zahlen Iflr die Kohlehydratanh~iufung, wollte man ihn aus Kohlehydratneubildung ableiten.

des Luftvolumens, welches in der gleichen Zeit an der Haut- oberfl~che v0rbeistreicht, das Reservoir ist, aus dem einzig und allein de'r erforderliche Wasserdampf herstammen kann.

Warum ZAI~ diese Qberlegung als eine ,,allerdings belanglose Unrichtigkeit" hinstellt, verstehe ich niche, Eine Begriindung f~r dieses Urteil gibt er nicht an.

:Nun k6nnen wir unsere ~Iberlegung schnell zu Ende fiihren. Denn ftir die Atmungsgr6Be und Ventilation der Hautober- fl~che besitzen wir aus Untersuchungen, die ich hier nicht anzufiihren brauche, genfigend exakte Anhaltspunkte. Wenn wir ftir beide hohe Zahlen und ffir die relative Lnftfeuchtig- keit einen unwahrscheinlich hohen Wer t ansetzen, so erhalten wir Ms Gesamtwassergehalt der in 24 Stunden mit Haut- und Respirationsoberfl~che in Berfihrung tretenden Luftmenge den Wert von 319 g.

Man halte gegen diese Zahl die ben6tigten 935 g und wird erkennen, dab die Spanne zwischen beiden zu groB ist, um durch Korrekturen ausgefiillt zu werden, die, sollten sie selbst unter diesen Umst~nden noch versuch% werden, die Zfige des Bildes, das wir gezeichnet haben, nicht findem k6nnten.

Wir schlieBen daraus, dab die beobaohteten insensiblen Gewiehtsgewinne nnd fiberhaupt solche yon der angegebens~ GrSfle dureh Wasserdampfresorptlon nicht zustande gekommen sein ]c6nnen.

Ich fasse das bisherige Ergebnis unserer Ausffihrungen in folgellden S~Ltzen zusammen. Insensible Gewlchtsgewinne kSnnen nur au] zwei Wegen entstehen, entweder durch Kohle- hydratbildung aus l~ett oder Eiweiff oder dutch Wasserdamp]- resorption aus der Lu/t. Die yon Zale und Silva-Mello mit- geteilten insensiblen Gewichtsgewinne abet sind zu grofl, als daft sie au] eine der beiden Weisen entstanden sein kSnnten. _Fi~r insensible Gewichtsgewinne yon soleher GrSfie wird der Ansprueh an] Anert~ennung mit nicht mehr Reeht geltend gemaeht, wie ]i~r die Behauptung, daft aus einem Ge]gff, welches 319 g Wasser enth~ilt, 935 g geschSpft worden seien, oder daft ein Mensch ein Drittel seines Gewichts, ]a mehr als sein ganzes Gewicht, an Kohlehydrat au]speichern k6nne. So unhaltbar diese Behaup- tung, so zweifelha]t sind ]ene insensiblen Gewichtsgewinne.

Ich ziehe daraus die Folgerung, und nach meiner Meinnng ist diese Folgerung unabweisbar, dab die mitgeteilten Beob- achtungen nicht richtig sein tc6nnen.

Damit w/ire die Aufgabe, d ie wir uns am Anfang gestellt haben, im Grunde gel6st. Von vornherein haben w i r e s ffir ausgeschlossen erkl/~rt, theoretisch das Problem, ob insen- sibler Gewichtsgewinn m6glich ist, zu 16sen. Ganz bewuBt haben wit nns damit begniigt, die Tatsachen, durch die er bewiesen werden sollte, unter die Lupe zu nehmen. Abet mit diesem Vorgehen haben wir alles erreicht, was zu erreichen ist. Denn dabei hat sich gezeigt, dab diese Tatsachen, die an- geblichen insensiblen Gewichtsgewinne, au] gar keine Art und Weise zustande gekommen sein kSnnen. Damit haben diese Tatsachen ihre Bedeutung eingebi~fft, sie lcSnnen weiterhin nicht mehr als Tatsachen angesehen werden. Es ist evident, daft bei ihrem Zustandelcommen irgendeine nicht erkannte ~ehlerquelle ursgchlich beteiligt gewesen sein muff.

Es ergibt sich der SchluB, dab die Ex i s t enz insensibler Gewichtsgewinne yon der behaupteten Gr6Be nach wie vor unbewiesen ist. Vielleieht kann man ,,aus der Luft schwerer werden", vielleicht kann man aus der Luft Wasser aufnehmen. Diese MSglichlceit besteht selbstverst~ndlich wie bisher anch jetzt. Aber wie bisher fehlt es an positiven Tatsachen, an Beobachtungen, die anerkannt werden k6nnen. Insofern also vermag die Wissenschaft nach wie vor nichts zur Erkl/~rung der wunderbaren Erscheinungen, die die 0ffentl ichkeit inter- essieren, beizutragen.

Litera%ur: J. BAUER, Verh. Ges. Verdgskrkh. 9. Tagung. Leipzig : G. Thieme 193 o. -- I~. ]~IMER, Z. physik. Ther. 41, 23 (1931).

- - H. HELLER, Z. klin. Med. 114, 315 (193o); (1933) im Druck. -- A. DA SILVA-MELLO, Arch. Verdgskrkh. 36, 372 (1926) -- Wien. Arch. inn. Med. 15, 182 (1928) - - Z . klin. Med. I19, 279 (1931). -- E. ZAK, Klin. Wschr. 8, 215 (1929) -- Z. klin. Med. 11o, 44 (1929) -- Klin. Wschr. 11, 893 (1932) - - Z. exper. Med. 81, 114 (1932) .

Klinische Wochenschrift, i2 , Jahrg. 5o