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.- - . ---- I Die Nahrung I 13 1 3 1969 191-198 I Aus dem Institut fur Ernahrung in Potsdam-Rehbrficke der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Bereich Klinische Physiologie ; Leiter: Dr. med. habil. K. VETTER) Zum Verlauf der alimentaren Hyperglykimie nach Brotverzehr W. LUDER, L. Ausr und K. VETTER DK 664.621:613.2 Brotverzehr 661.153.455-01 alimentare Hyperglykamie Im Rahmen ernahrungsphysiologischer Vntersuchungen von Backwaren wurde bei ge- sunden Versuchspersonen der Verlauf der alimentiiren Hy-perglykiimie nach Verzehr von Weizenbrot, Roggenmischbrot (85115) und Roggenvollkornbrot verfolgt. Diese Brotsorten - mit und ohne Belag verabreicht - zeigten gleiche Verlaufe der aliment&- ren Hyperglykiimie. Roggenmischbrot (85115) ergab bei 35 min Backzeit ein eindeutig geringeres Glucoseangebot im Blut gegeniiber Backzeiten von 45, 55 und 65min. Frisches, ofenwarmes Roggenmischbrot (851x5) fthhrte zu einem sehr hohen Glucose- angebot rnit zeitlicher Verz6gerung des Maximums gegeniiber I -5 Tage gelagerten Roggenmischbroten. Die ernahrungsphysiologische Bewertung der Lebensmittel ist noch immer eine der schwie- rigsten Aufgaben der Erniihrungswvissenschaft, da die zur Auswahl stehenden Moglichkeiten bei Versuchen in vivo mit zahlreichen, oft nicht erfafibaren Fehlern behaftet sind. Im Rahmen unserer Untersuchungen befafiten wir uns besonders rnit der Frage, inwieweit sich Methoden in vivo und in vitro erarbeiten lassen, urn ein Lebensmittel ernahrungsphysiologkch aus- reichend bewerten zu konnen. Neben der Bestimmung der Ausnutzung, der Verdaulichkeit und der Vertraglichkeit versuchten wir, rnit Hilfe alimentarer N%hrstoffkurven vergleichende Aussagen iiber Verdauungs- und Resorptionsgeschwindigkeit zu erhalten. Dafiir wahlten wir zunachst das Grundlebensmittel Brot. Die Problematik einer solchen Fragestellung wurde von uns diskutiert [I]. Die Untersuchungen zur ern&hrungsphysiologischen Bewertung des Lebens- mittels Brot beinhalten folgende Aufgaben : Markierung der ernahrungsphysiologischcn Unterschiede zwischen Brot unterschiedlicher Getreideart und Kennzeichnung von Diffe- renzen, die durch die technologische Rehandlung auftreten kiinnen. Material wad Methodik Die Untersuchungen wurden an gesunden Versuchspersonen mannlichen Ge- schlechts (18-22 Jahre) durchgefuhrt. Sie erhielten das Brot morgens niichtern mit 240 ml ungesiifjtem Tee. Verabreicht wurde jeweils die Menge, die 65 g Kohlenhydraten entsprach. Sie wurde maximal in 7 min verzehrt. Mogliche beeinflussende Faktoren, wie Tageszeit oder psychische Belastung, die erfaDbar waren, wurden weitgehend konstant gehalten. Das Brot lieBen wir in unserer Versuchsbackerei unter jeweils gleichen Bedingungen aus folgenden Mehlen

Zum Verlauf der alimentären Hyperglykämie nach Brotverzehr

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Page 1: Zum Verlauf der alimentären Hyperglykämie nach Brotverzehr

.- - . ---- I Die Nahrung I 13 1 3 1969 191-198 I

Aus dem Institut fur Ernahrung in Potsdam-Rehbrficke der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

(Bereich Klinische Physiologie ; Leiter: Dr. med. habil. K. VETTER)

Zum Verlauf der alimentaren Hyperglykimie nach Brotverzehr

W. LUDER, L. Ausr und K. VETTER

DK 664.621:613.2 Brotverzehr 661.153.455-01 alimentare Hyperglykamie

Im Rahmen ernahrungsphysiologischer Vntersuchungen von Backwaren wurde bei ge- sunden Versuchspersonen der Verlauf der alimentiiren Hy-perglykiimie nach Verzehr von Weizenbrot, Roggenmischbrot (85115) und Roggenvollkornbrot verfolgt. Diese Brotsorten - mit und ohne Belag verabreicht - zeigten gleiche Verlaufe der aliment&- ren Hyperglykiimie. Roggenmischbrot (85115) ergab bei 35 min Backzeit ein eindeutig geringeres Glucoseangebot im Blut gegeniiber Backzeiten von 45, 55 und 65min. Frisches, ofenwarmes Roggenmischbrot (851x5) fthhrte zu einem sehr hohen Glucose- angebot rnit zeitlicher Verz6gerung des Maximums gegeniiber I -5 Tage gelagerten Roggenmischbroten.

Die ernahrungsphysiologische Bewertung der Lebensmittel ist noch immer eine der schwie- rigsten Aufgaben der Erniihrungswvissenschaft, da die zur Auswahl stehenden Moglichkeiten bei Versuchen in vivo mit zahlreichen, oft nicht erfafibaren Fehlern behaftet sind. Im Rahmen unserer Untersuchungen befafiten wir uns besonders rnit der Frage, inwieweit sich Methoden in vivo und in vitro erarbeiten lassen, urn ein Lebensmittel ernahrungsphysiologkch aus- reichend bewerten zu konnen. Neben der Bestimmung der Ausnutzung, der Verdaulichkeit und der Vertraglichkeit versuchten wir, rnit Hilfe alimentarer N%hrstoffkurven vergleichende Aussagen iiber Verdauungs- und Resorptionsgeschwindigkeit zu erhalten. Dafiir wahlten wir zunachst das Grundlebensmittel Brot. Die Problematik einer solchen Fragestellung wurde von uns diskutiert [I]. Die Untersuchungen zur ern&hrungsphysiologischen Bewertung des Lebens- mittels Brot beinhalten folgende Aufgaben : Markierung der ernahrungsphysiologischcn Unterschiede zwischen Brot unterschiedlicher Getreideart und Kennzeichnung von Diffe- renzen, die durch die technologische Rehandlung auftreten kiinnen.

Material wad Methodik

Die Untersuchungen wurden an gesunden Versuchspersonen mannlichen Ge- schlechts (18-22 Jahre) durchgefuhrt. Sie erhielten das Brot morgens niichtern mit 240 ml ungesiifjtem Tee. Verabreicht wurde jeweils die Menge, die 65 g Kohlenhydraten entsprach. Sie wurde maximal in 7 min verzehrt. Mogliche beeinflussende Faktoren, wie Tageszeit oder psychische Belastung, die erfaDbar waren, wurden weitgehend konstant gehalten. Das Brot lieBen wir in unserer Versuchsbackerei unter jeweils gleichen Bedingungen aus folgenden Mehlen

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192 LUDER/AWT 1 VETTER

hacken : Weizenbrot der Mehltype 630; Roggenmischbrot 85/15 (85% R 1150, 15:h W 812) ; Roggenvollkornbrot (Mehl auf einer Scheibenmuhle selbst ge- mahlen) .

Der Blutglucosegehalt wurde im kapillaren H u t b ~ s zu go inin nach dcm Nahrungsverzehr im Abstand von 10 min ermittelt. Die Bestinmiung erfolgte enzymatisch rnit der Gluco.;e- Peroxydase-Reaktion (photometrische Messung drr Farbintensitat bei 546 nm). Bei der hus- wertung wurde der Niichternwert gleich 10o0/,, gcsetzt und die Zunahme clcs Blutglucosc- gehalts in Prozent angegeben; die statistische -4uswertunq erfolgte nach der t-I’erteilung.

Ergebiazsse

10 Versuchspersonen erhielten jeweils iveizenbrot, Roggenmischbrot (85115) und Roggenvollkornbrot rnit und ohne Belag. Xls Belag fur jeweils 65 g Kohlen- hydrate verwendeten wir 30 g Butter. .5bb. I zeigt den Verlauf der alimentaren

770 %

750 740 730

720 770

Abb. I. Veriauf der alimentaren Hyperglykamie nach Verzehr unbelegter Brote (obere Kurvenschar) und belegter Brote

(untere Kurvenschar), ausgedriickt in yo des Niichternwertcs

Roggenmischbrot (S5jr.j) --__- X----X

zinbelegt belegt

Weizenbrot (--.-o *-.-a ’* J’’ 50 7u Roggenvollkornbrot o---o o - - - o f fminpcl

Hyperglykamie im kapillaren Blut. Xach Verzelir unbelegter Brote steigt die Hyperglykamie bei allen 3 Brotsorten gleichsinnig an und erreicht etwa zur gleichen Zeit gleich hohe Maxima. Der abfallende Teil der Hyperglykamie ist zwar unterschiedlich, laBt aber signifikante Differenzen nicht erkennen. Ein anderes Bild ergibt sich bei denselben Vcrsuchspersonen und den gleichen Bro- ten mit Butter als Belag. Das generell niedrigere Maximum ist sicher auf die veranderte Magenverweildauer und auf das damit verbundene veranderte An- gebot im Darm zuruckzufiihren. Bei einein Vergleich der Brote mit Fettbelag untereinander konnte der Eindruck entstehen, daW Roggenmischbrot (85/15) rnit Belag eine hohere Glucosekonzentration im Blut induziert. D i e Einzelwerte unterliegen jedoch einer erheblichen Streuung, so daB diese Differenzen nicht zu sichern waren (Tab. I).

Um den EinfluB der Insulingegenregulation zu umgehen, verabreichten wir die gleichen Brote mit eingebackener Xylose (20 g/Iooo g Mehl). Diese Menge ist gerade noch vertretbar und ergibt keine iibermaBige Braunung der Brote. Da die Xylose ein nur zum Teil verstoffwechselbarer Zucker ist, aber resorbiert wird, muBte der Xylosespiegel des Blutes Anhaltspunkte iiber den Ablauf der Resorption ergeben, vorausgesetzt, daD sie sich ahnlich wie die Starke bzw. deren Spaltprodukte im Magen verhalt. Die Bestimmung der Xylose erfolgte im Ka- pillarblut des Ohrlappchens nach der Methode von MINK [z ] . Tab. z zeigt den

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Hypcrglykamie nach Brotrerzchr 193

Verlauf der Xylosekonzentration im Blut nach Verzehr von \Veizenbrot, Rog- genmischbrot (S5/15) und Roggenvollkornbrot. Die geringen Differenzeii liegen innerhalb der normalen Abweichungen fur Versuche an biologischem Material. Es kann abgeleitet werden, daB bei den gepruften Brotsorten die Xylose e t w zu gleicher Zeit und in gleicher Menge in das Blut ubertritt. Daraus ergibt sich, daB die gleich hohe Glucosekonzentration im Blut nach Verzehr der verschiede- nen Brotsorten nicht durch unterschiedliche Insulineinwirkung vorgetausdit wird.

Tabelle I

Standardabweichung der in der Abb. I dargestellten Glucosekonzentrationen

min

Roggenmischbrot Roggenvollkornbrot Weizenbrot lioggenmischbrot und Fett Hoggenvollkornbrot und Fett Weizenbrot und Fett

70

19,o 21,o

3 6 1

1 8 4

21,o

10,o

Tabelle 2 Durchschnittswerte und Standardabweichungen'der Xylosekonzentration im Rlut

nach Verzehr unterschiedlicher Brotsorten mit eingebackener Xylose (n = 13) I__- ~ -____

min 1 I j 30 1 45 1 60 90 1 2 0

Weizenbrot

Roggenmischbrot

Hoggenvollkornbrot

I I,6 1 2,5 0.03 ' 0,52

1.7 I 2.7 0,5 ! 0.81 1,7 I 2,6 o,r5 ' o,6r

Nach diesen Untersuchungen an optimal gebackenen Broten pruften wir den EinfluB technologischer Prozesse auf die Glucosekonzentration im Blut. Die Moglichkeiten der unterschiedlichen und fehlerhaften Bearbeitung sind auRerst mannigfaltig und werden vom Verbraucher meist kaum erkannt [31. Eine Lr- sache fur fehlerhafte Brote ist die Verminderung der Backzeit. Wir begrenzten unsere Arbeiten zunachst auf Versuche mit Roggenmischbrot (85/15), das 48 11 lagerte, und verminderten die Backzeiten van 65 min auf 55, 45, und 35 niiii.

Dies diirfte den Moglichkeiten der Praxis entsprechen. Die Brote verabreichten wir unseren Versuchspersonen ohne Belag. Interessant ist dabei, daW alle Brtitt. von den Probanden als gut bis sehr gut gebacken bezeichnet wurden. L4bh. 3

zeigt den Verlauf der alimentaren Hyperglykamie nach Verzehr von Gj niin und 35 min gebackenem Brot, Der Anstieg des Blutzuckerspiegels nach Verzelir des optimal gebackenen Brotes ist signifikant hoher und der Abfall langsanier

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194 LUDER / AUST { VETTER

als nach Verzehr des fehlerhaften Brotes (Tab. 3). Die gleiche Tendenz lief3 sich auch bei belegten Broten nachweisen (Tab. 4), wobei wiederum die generell niedrigeren Maxima auf Grund der veranderten Magenverweildauer zu erkennen sind. Da die letztgenannten Untersuchungen nur mit 6 Versuchspersonen durch- gefuhrt worden sind, wurde auf eine statistische Berechnung verzichtet (Tab. 4).

An jeweils 10 Versuchspersonen wurden auch Brote von 55 min und 45 min Backzeit verabreicht. Der Verlauf der alimentaren Hyperglykamie unterschied sich nicht von dem des 65 min gebackenen Brotes.

730 720 770

I0 30 50 70 90 f r m h l

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76U 750 740 730 720 710

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f fminl Abb. 2 . Verlauf der alimentaren Hyperglyk- Abb. 3. Verlauf der Blutglucosekonzentration amie nach Verzehr von Roggenmisehbrot nach Verzehr gelagerter Brote

(n = 12) X- x I h Lagerungszeit, x x 65 rnin gebacken; 0--0 24 h Lagerungszeit, xu--- x 35 min gebacken 0- 0 96 h Lagerungszeit

Der EinfluS des Altbackenwerdens auf den Verlauf der Glucosekonzentration im Blut wurde an 10 Versuchspersonen untersucht. Unter haushaltsmabigen Redingungen haben wir Roggenmischbrot (85/15) mit einer Backzeit von 65 min bis zu 5 Tagen gelagert. Die Versuchspersonen erhielten das Brot I, 24, 48, 72, 96 und 120 h nach dem Backen ohne Belag. Abb. 3 gibt den Verlauf der Blut- glucosekonzentration nach Verzehr unterschiedlich gealterten Brotes wieder. Der Anstieg der Zuckerkonzentration ist bei ofenwarmem Brot signifikant hoher als nach 24 h gelagertem Brot, und das Maximum wird spater erreicht (Tab. 5) . Ein noch geringerer Glucoseanstieg findet sich nach 96 h Lagerungszeit.

Tabelle 4 Verlauf der Glucosekonzentration nach Verzehr von Roggenmischbrot (85/15),

65 und 35 min gebacken, mit Belag (9% = 11)

min i o 20 1 30

65 xnin Backzeit x I 0 0 124 I33

35 niin Backzeit x I00 I21 124

~- . _ _ _ - - ~ _ _ _ _ _ _ __ ____ -

S - 8,o I Z , ~

9,7 8,6

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40

131 I2,I

5,5 121

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196 LUDER / AUST / VETTER

Diskussion

u m eine genauere Charakterisierung der Begriffe Bekommlichkeit, Verdau- lichkeit und Verwertbarkeit eines Lebensmittels bemuht sich die Ernahrungs- forschung seit langerer Zeit ; exakte experimentelle Parameter zur Definition dieser Begriffe fehlen jedoch noch weitgehend. Bei der ernahrungsphysiolo- gischen Beurteilung von Broten richtete sich die Aufmerksamkeit bisher vor- wiegend auf die eingesetzten unterschiedlichen Mehle und auf die fehlerhafte Bearbeitung. Altere Arbeiten, die sich mit dem Verhalten des Brotes im Ver- dauungstrakt befassen, liegen von LEMMEL [4, 51 sowie von HABS u. a. [6, 71 vor. Umfangreich sind die Bemuhungen, durch rontgenologische Kontrollen Aussagen uber die Verweildauer von Backwaren im Magen zu erhalten [8, 91. Die letzten systematischen Untersuchungen wurden von GLATZEL u. a. [IO-131 durchgefiihrt. In diesen Arbeiten wurde die Aufmerksamkeit neben rontgeno- logischen Untersuchungen besonders auf die Hohe und den zeitlichen Verlauf der alimentaren Hyperglykamie gelegt. Es fanden sich dabei keine sicheren Unterschiede nach Verzehr von Weizenbrot und Roggenmischbrot. In Fort- fuhrung dieser Arbeiten ergaben sich auch keine Unterschiede beim Vergleich der kapillar-venosen Blutzuckerdifferenzen. Diese Ergebnisse bestatigen auch unsere Untersuchungen nach Verzehr von Weizenbrot und Roggenvollkornbrot mit und ohne Belag, d. h. verschiedene, optimal gebackene Brote fuhren zu gleichen Glucosekonzentrationen im Blut . Dieses gleichsinnige Verhalten der Blutzuckerkurven beruht offensichtlich auf einer gleich guten Verdaulichkeit der Brotstarke verschiedener, optimal gebackener Brote. Ein EinfluU des Insu- lins auf den jeweils gleich hohen Glucoseanstieg ist auf Grund des Verhaltens der Xylosekonzentration im Blut unwahrscheinlich. Der von uns beobachtete geringere Glucoseanstieg nach Verzehr verschiedener Brotsorten mit Butter- belag diirfte auf eine verlangerte Verweildauer im Magen zuriickzufiihren sein.

Fehlerbrote infolge verkurzter Backzeiten (unter 45 min) bedingen ein ver- mindertes Gliicoseangebot im Blut. Daraus ist zu schlieQen, daB die Brotstarke hierbei in einem Zustand vorliegt, der nur eine verminderte Angreifbarkeit durch die Verdauungsenzyme zulaBt.

Optimal gebackenes, ofenwarmes Roggenmischbrot (85/15) fuhrt gegenuber 1-5 Tage gelagerten Broten zu einer im Mittel um 25% hoheren Glucosekon- zentration, wobei das Maximum der Hyperglykamie gegenuber abgelagerten Broten ca. 25 min spater erreicht wird. Daraus ist zu folgern, daB die Starke- spaltung bei frischem Roggenmischbrot wesentlich intensiver als bei abgelager- tem erfolgt. Die zeitliche Verlagerung des Glucosemaximums konnte, abgesehen von einem verzogerten Angebot im Dunndarm, infolge einer verlangerten Ma- genverweildauer auch auf die Insulinbereitstellung zuruckgefuhrt werden. Moglicherweise liegt 35 min nach Verzehr des ofenwarmen Roggenmischbrotes nicht soviel Insulin vor, um die bis dahin angebotene Glucose zu verwerten. Erst 60 min nach Verzehr wird hier das Maximum uberschritten.

Die von verschiedenen Autoren angenommene schlechtere Durchdringung frischen Brotes mit Verdauungsenzymen fiihrt nach unseren Untersuchungen

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Hyperglykamie nach Rrotverzchr 197

zu keinem verminderten Angebot resorbierbarer Kohlenhydrate [14]. Offenbar lafit der Quellungszustand der Starke frischen Brotes trotz rontgenologisch nach- weisbarer Ballung im Magen eine ausreichende enzymatische Verdauung zu.

Wenn auch anhand eines Kriteriums, hier der Verfolgung der Glucosekonzerl- tration im Blut, keine allgemein verbindliche Aussage uber den ernahrungsphy- siologischen Wert eines Brotes getroffen werden kann, so ergeben sich dennoch objektive und reproduzierbare Hinweise auf den EinfluI.3 technologischer Pro- zesse und der Lagerung. Um ein Brot in seinem ernahrungsphysiologischen Wert umfassend beurteilen zu konnen, bedarf es weiterer Parameter zur Charak- terisierung der Begriffe Bekommlichkeit, Verdaulichkeit und Verwertbarkeit ; diese Prufung sol1 folgenden Untersuchungen vorbehalten bleiben.

S u m m a r y

w. LODER, L. AUST and K. VETTER: on the course of nutritional hyperglycaemia after hredd consumption In the framework of nutritional-physiological studies on bakers' ware, the authors

followed in healthy subjects the course of nutritional hyperglycaemia after consumption of wheat bread, bread from rye and wheat flours (85:15) and wholemeal (rye) bread. The kinds of bread - with an without spread - produced identical courses of nutritional hyperglycaemia. Bread from rye and wheat flours (85:15) with a baking time of 35 minutcs led to significant lower blood glucose levels than bread with a baking tim of 4j, 55 and 65 minutes, respectively. Fresh, oven-warm bread from rye and wheat flours (85: 15) caused very high blood glucose levels, the maximum of which lagged for I -5 days behind that ob- served with stored bread from rye and wheat flours.

P e a m ~ e

L i t e r a t u r

[I] AVST, L., W. WDER u. I<. VETTER, Brot und Geback 22, 168 (1968). [zj NINK, C. J . K . , u. L. HABET, Clin. chem. Acta [Amsterdam] 14, 704 (1966). [31 THOMAS, B., Brot u. Geback 12, 8 (1958). [4] LEMMEL, G. , 2. klin. &led. 132, 375 (1937). [5! LEMMEL, C., 2. klin. Med. 132, 365 (1937).

I4*

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LWDER I AUST VETTER 198

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Cro] ( ~ L A T Z E L , H., u. C. RETTEKMEIER, Nutrit. et Dieta pasel] 4, 283 (1g6?). (111 GLATZEL, H., u. C. RETTENMEIER, Nutrit. et Dieta [Basel] 5 , 45 (1963). L I Z ! GLATZEL, H., u. C. KETTENMEIER, Nutrit. et Dieta [Basel] 7, 51 (1965) [131 GLATZEL, H., u. C. RETTENMEIER, Nutrit. et Dieta [Basel] 8, 2 (1966). [ i l l THONAS, B., Qualitas Plantarum Mater vegetabiles [Den Haag] 15. 350 (1968).

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Eingcgangen 18. 11. 1968