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K. M/)SEtlECK: Streptomycin-Vergiftung des Ohres 583 gesetzt wurde, erhglt man ein grundlegend verschiedenes Ergebnis. Dieses muB zwar als Artefakt betrachtet werden, zeigt jedoch deutlich, dab die intakte Reiss- nersche Membran eine wirksame Barriere bildet. Zu tterrn VOST]~EN: Wir sind uns der unterschiedlichen Diffusion bei intra- vitaler Perfusion bewuBt, wie wir das auch betont haben. Das ttauptziel unserer Untersuchungen war doch die elektronenmikroskopische Lokalisation der De- hydrogenaseaktivit~t, welche wir zufriedensteilend in den ~itochondrien der Haar- zellen darstellen konnten. 54. K. M~SEBECK-Homburg/Saar: Zum Wirkungsmechanismus der Streptomyein-Vergiftung des 0hres (Mit 1 Textabbfldung) Die morphologischen und funktionellen Untersuchungen, die zur Auf- kl~rung des Wirkungsmechanismus der Streptomycin-Vergiftung des Ohres unternommen worden sind, stellen eine neurotoxisehe Wirkung des Streptomycins heraus. Mit histochemischer Untersuchungstechnik konnten wir, Herr SCHATZLE und ich, aber zeigen, dab der erste An- griffspnnkt der feineren StrnkturstSrung gar nieht im Sinnesepithel, sondern in der Stria vascu]aris einsetzt. Die Succinatdehydrogenase- Enzymver]uste traten bereits auf, wenn noch keine grobmorphologischen und funktionellen St6rungen nachweisbar waren. Dieser Erkenntnis, die fiir die Prophylaxe und Therapie yon Strepto- myeinschgden wichtig ist, kSnnen nun weitere Beobaehtungen hinzu- geftigt werden, die uns dem Wirkungsmecha~lismus n~herbringen. Die eigenen histoehemisehen Untersuehungen erfassen die Sueeinat- dehydrogenase (SDH) und die Sulfhydryle (SIt) im h~utigen Labyrinth des Meerschweinehens naeh akuter und ehronischer Vergiftung mit Di- hydrostreptomyein (DSM) nnd Streptomycin (SM) in Sulfat- und Panto- thenat-Salzen. Von den Ergebnissen bringe ieh an dieser Stelle nut einige wesentliehe Befunde. Die normale SDH-Verteilung in der Crista ampullaris entsprieht der Mitoehondriendiehte des Cytoplasmas der Zellen. Die Formazank6rnehen sind in der Kopfkappe, perinuclear und in den Nervenkelehen dieht gelagert. Die Kerne bleiben ausgespart. Dasselbe vestibulare Sinnesepithel zeigt beim ehroniseh vergifteten Meersehweinehen (22mal 200 mg/kg SM-Pantothenat) eine Abnahme der Formazank6rnehendiehte mit und ohne Formver/inderung yon Kern und Cytoplasms. Bei akuter Vergiftnng wird das Atmungsenzym nieht beeintrgehtigt. In der Macula utrieuli der unbehandelten Meersehweinchen enthalten die Sinneszellen stellenweise mehr proteingebundene SI-I als die Stiitz- zellen. Die Sinneshaare reagieren SI-I-negativ, die getieularmembran dagegen positiv. Im subepithelialen Bindegewebe haben sieh Nerven,

Zum Wirkungsmechanismus der Streptomycin-Vergiftung des Ohres

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K. M/)SEtlECK: Streptomycin-Vergiftung des Ohres 583

gesetzt wurde, erhglt man ein grundlegend verschiedenes Ergebnis. Dieses muB zwar als Artefakt betrachtet werden, zeigt jedoch deutlich, dab die intakte Reiss- nersche Membran eine wirksame Barriere bildet.

Zu tterrn VOST]~EN: Wir sind uns der unterschiedlichen Diffusion bei intra- vitaler Perfusion bewuBt, wie wir das auch betont haben. Das ttauptziel unserer Untersuchungen war doch die elektronenmikroskopische Lokalisation der De- hydrogenaseaktivit~t, welche wir zufriedensteilend in den ~itochondrien der Haar- zellen darstellen konnten.

54. K. M~SEBECK-Homburg/Saar: Zum Wirkungsmechanismus der Streptomyein-Vergiftung des 0hres (Mit 1 Textabbfldung)

Die morphologischen und funktionellen Untersuchungen, die zur Auf- kl~rung des Wirkungsmechanismus der Streptomycin-Vergiftung des Ohres unternommen worden sind, stellen eine neurotoxisehe Wirkung des Streptomycins heraus. Mit histochemischer Untersuchungstechnik konnten wir, Herr SCHATZLE und ich, aber zeigen, dab der erste An- griffspnnkt der feineren StrnkturstSrung gar nieht im Sinnesepithel, sondern in der Stria vascu]aris einsetzt. Die Succinatdehydrogenase- Enzymver]uste t ra ten bereits auf, wenn noch keine grobmorphologischen und funktionellen St6rungen nachweisbar waren.

Dieser Erkenntnis, die fiir die Prophylaxe und Therapie yon Strepto- myeinschgden wichtig ist, kSnnen nun weitere Beobaehtungen hinzu- geftigt werden, die uns dem Wirkungsmecha~lismus n~herbringen.

Die eigenen histoehemisehen Untersuehungen erfassen die Sueeinat- dehydrogenase (SDH) und die Sulfhydryle (SIt) im h~utigen Labyrinth des Meerschweinehens naeh akuter und ehronischer Vergiftung mit Di- hydrostreptomyein (DSM) nnd Streptomycin (SM) in Sulfat- und Panto- thenat-Salzen. Von den Ergebnissen bringe ieh an dieser Stelle nut einige wesentliehe Befunde.

Die normale SDH-Verteilung in der Crista ampullaris entsprieht der Mitoehondriendiehte des Cytoplasmas der Zellen. Die Formazank6rnehen sind in der Kopfkappe, perinuclear und in den Nervenkelehen dieht gelagert. Die Kerne bleiben ausgespart.

Dasselbe vestibulare Sinnesepithel zeigt beim ehroniseh vergifteten Meersehweinehen (22mal 200 mg/kg SM-Pantothenat) eine Abnahme der Formazank6rnehendiehte mit und ohne Formver/inderung yon Kern und Cytoplasms. Bei akuter Vergiftnng wird das Atmungsenzym nieht beeintrgehtigt.

In der Macula utrieuli der unbehandelten Meersehweinchen enthalten die Sinneszellen stellenweise mehr proteingebundene SI-I als die Stiitz- zellen. Die Sinneshaare reagieren SI-I-negativ, die ge t ieularmembran dagegen positiv. I m subepithelialen Bindegewebe haben sieh Nerven,

584 K.~S~B~e~:

b

A b b . l a uad b. Sulfhydryl-igeak~ion (~Iethode nach BARR~C~TT U. SE~IG~XN) in tier Macula utriculi (Vergr. 680fach). a beim Kontrolltier; b naeh akuter Vergiftung rait Streptomycin-Sulfat

(1 • 800mg/kg), siehe Text

Gefagw/~nde und auch einige Faserstrukturen naeh der Barrnett- Seligman-Methode (1952, 1954) angefS~rbt (Abb. l a).

Naeh akuter Vergiftung mit letaler Dosis yon 800 mg/kg SM-Sulfat f/illt zun~ehst das starke subepitheliale, perivascul/ire 0dem auf, welches

Streptomyein-Vergiftung des Ohres 585

den bindegewebigen Abschnitt der Macula utriculi fiber das Doppelte verbreitert hat. Die StI-Reaktion ist dort in den vorgenannten Struk- turen schw/~eher als normal oder negativ ausgefallen. In den Sinnes- haaren, die sich normalerweise nut fin Disulfidnachweis anf/~rben, ist dagcgen eine Zunahme der SI-I-Gruppen zu verzeichnen. In den Sinnes~ und Stfitzzcllen hat sich die Reaktion unregelm~gig intensiviert (Abb. lb).

Das perivasculKre Odem ist auf Xnderungen der Gef~13wandpermea- bilit/~t zurfickzufiihren, die in Zusammenhang mit Bindung des SM an ionisiertes Calcium bekannt sind (MffCKTER 1961). Diese Beobachtung spricht ffir eine Anreicherung des SM im subepithelialen Bindegewebe, obwohl im Inncnohr noch kein einwandfreier SM-Nachweis geffihrt worden ist.

Die Strukturst6rungen beginnen in den Mitochondi4en, aber nicht in den Sinneszellen, die selektiv yon WE~SXLL u. ttAWKr~S (1962) unter- sucht worden sind, sondern nach unseren SDI-I-Befunden in den Mito- chondrien der Stria vascularis und der Plana semilunata. Da die Stria vascularis in der Sauerstoffmangelsituation eher als die Sinneszellen gesch~digt wird (BECK U. BEICKJ~RT 1958) und das DSM die Atmung des Xnnenobres hemmt (NAKAMURA 1957) ist es vcrst/~ndlich, dab die toxische Wirkung zuerst in der Stria vascularis einsetzt.

S?r reagiert in vitro mit sauren Substanzen yore Typ der Mucopolysaccharide, Nucleins~uren, sauren Proteine und t)antothensgure unter anderem (Lit. bei MiieI~TE~ 1961).

A~DR~S Versuehe (1956) mit tritiummarkiertem SSI deuten daraufhin, daft das basische Makromo]ekfil SM sich im mesenchymMen Gewebe an den Orten an- reichert, in denen saure Substanzen fiberwiegen. Diese Untersuchungen fiber die Verteilungsrate sind ]eider rdcht auf das Innenohr ausgedehnt worden.

Der Gedanke liegt nahe, dab in den Strukturen, die viel saure lV[ucopoly- saccharide enthalten, SM gebunden und dadureh angereichert wird. $1~ verliert dadurch anseheinend nicht seine Toxlcit~t. Die toxische und auch die bakterio- statische Wirkung geht nach unserem bisherigen Wissen yon den Guanidingruppen des Streptidins und yon der Aldehydgruppe der Streptose im SM-Molekfil aus (ST~SDER 1952).

Die eigenen Beobachtungen lassen vermuten, dab SM und DSM mit SI-I-Gruppen des Gewebes reagieren. Allerdings entziehen sich die somit gebundenen Stt-Gruppen dem naehfolgenden Naehweis nur, wenn Anti- biotieum und geagens gleiche StI-Gruppen erfassen. Das scheint fiir das Bennet-Reagens (1948) nicht zuzutreffen, denn diese Reaktion fiel nach DSM normal aus (M~SEBECK U. SCHiTZL~. 1962). Die ffir die Aktivit/it des Atmungsenzyms SDI{ erforderlichen StI-Gruppen wurden durch SM auch nicht blockiert.

In der l~eaktion nach BARRNETT U. SELIGMAN (1952) dagegen zeigte sich ein herabgesetzter SI-I-Gehalt gerade im mesenchymaIen Gewebe, welches als Speicherungsort des SM in Betracht kommt. Der in den Epithelien des Innenohres bemerkte SH-Anstieg kann darauf beruhen,

586 K. Mt)SEBECK: Streptomycin-Vergiftung des Ohres

dag durch das basische SM die Zahl reakt ionsf~higer S H - G r u p p e n zu- genommen hat . 0 d e r es s ind sogenannte ,,maskierte" S H - G r u p p e n frei- geworden, die nach P ro t e indena tu r i e rung in die R e a k t i o n eingehen.

Noch ungelSst b le ib t das Prob lem, ob du tch eine g e a k t i o n m i t S I t eine Ste igerung oder eine Minderung der Tox ic i t i~ resul t ier t . Nach KOI~ZY]3SKI u. KUlCYLOWlCZ (1961) wird SM, n ieht aber DSM, durch das n iedermolekula re S H Cystein in v i t ro inak t iv ie r t . Andererse i t s k a n n zwischen der A l d e h y d g r u p p e der S t rep tose des SM-Molekfils und dem Cystein ein S t r e p t o m y c y l a m i n genanntes K o n d e n s a t i o n s p r o d u k t ent- s tehen, welches tox ischer als das S t r e p t o m y c i n A sein soll.

Die Frage , ob im Gewebe des Innenohres diese oder andere Reak- t ionen des SM mi t S H erfolgen, k a n n noch n ich t b e a n t w o r t e t werden. Es lohn t sich aber, die Un te r suchungen for tzusetzen, die ich bier zur Diskuss ion gestel l t h~be. A u g e r de r h is toehemischen Unte rsuchungs- t echn ik sind chemische und au to rad iograph i sche Methoden empfehlens- wert , die uns in der Aufkl i i rung des Wi rkungsmechan i smus der Oto- tox ic i t~ t wei te rbr ingen als es die morphologischen und funkt ionel len Un te r suchungen bisher vermochten .

Meine Arbe i t shypo these zum Wi rkungsmechan i smus der SM-Ver- g i f tung des Ohres l au t e t :

] )as basische S ~ wird im subepi thel i~len Bindegewebe des Innen- ohres, welches viel saure Subs tanzen enth~lt , angereicher t . Es sch~digt p r ims die Mi toehondr ien der , , sekretor ischen" Epi the l ien und ers t sekundi i r die der Sinneszellen.

Literatur A~I)R]~, T.: Studies on the distribution of tritium labelled dihydrostreptomycin and

tetracyclin in the body. Acta radiol. (Stockh.) suppl. 142, 1--89 (1956). BAR~]~TT, 1%. J., and A. M. SELIGMAN: Histochemical demonstration of protein

bound sulfhydryl groups. Science 116, 323 (1952). - - Histochemical demonstration of sulfhydryl and disulfide groups of protein. J.

nat. Cancer Inst. 14, 769 (1954). BECK, C]tL., u. P. BEIOKEgT: Morphologische Ver~nderungen an der Schnecke des

Meerschweinehens bei Sauerstoffmangel und L&rmbel~stung. Arch. 0hr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 172, 238 (1958).

BENNETT, ]~. S. : Cytochemical evidence for sulfhydryl in nerve axoplasm, retinal rods and capillary endothelium. Anat. l%ec. 100, 640 (1948).

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Sulfhydryle in der hIeerschweinchenschnecke. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.- Heilk. 180, 579 (1962).

- - -- Experimentelle Studien zur Ototoxicitat des Dihydrostreptomycins. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 181, 41 (1962).

- - -- Die VerteiIung der Sulfhydryle und der Disulfide in der Meerschweinchen- schnecke. Arch. Ohr.-, :Nas.-, u. ICeblk.-tteilk. 181, 75 (1962).

SCHREINER" Untersuehungen zur Durchg~ngigkelt des Aquaeductus cochleae 587

NA~AMV~A, F.: Electrophysiologieal and eytochemical study on ototoxieity of dihydrostreptomycine. Ann. Otol. (St. Louis) 66, 1080 (1957).

ST~SDE~, J. : ~ber die pharmakologisehe Wirkung des Streptomyeins und deren Bedeutung ffir therapeutische Fragen der P~diatrie. Sehweiz. med. Wsehr. 3, 58 (1952).

WERS;iLL, J., and J. E. HAwEn~s jr. : The vestibular sensory epithelia in the eat labyrinth and their reations in chronic streptomycin intoxication. Aeta oto- laryng. (Stoekh.) 54, I (1962).

Diskussion zu dem Vortrag 54

D. PLESTER-Diisseldorf: Unsere autoradiographischen Untersuchungen in Zusammenarbeit mit Herrn KOBURG unterstreichen die Befunde von Herrn I~SE- BECK. Bei der Darstellung des EiweiBstoffwechsels mi~ tritiummarkierten Eiweil~- kSrpern fanden wir nach chronischer Vergiftung mit Dihydrostreptomyein eine deutliehe Herabsetzung des EiweiBstoffweehsels im Cortisehen Organ, in der Reissnersehen Membran und in der Stria vasoularis.

55. L. SCNREINER-)/[finchen: Untersuehungen m i t markierten Stoffen z u r Durehg~ingigkeit des Aquaeduetus cochleae (Mit 2 Textabbildungen)

Untersuchungen fiber die I)urchg~ngigkeit des Aqu~eduetus cochleae haben sehon wiederholt das Interesse vie]er Autoren erweekt. WITT- ~AACK und seine Schule hat sich vet ahem mit diesen Forschungen befaBt und in neuester Zeit GIESSELSSON, KL~y, GRAF U. POEETTI, ALTMAN~ U. WALTZER, HOMME~ICE U. a. Diese Versuche warden grSIBten- tefls mit gefi~rbten Eisensalz- oder Tusehel6sungen sowie Fluoresein durchgefiihrt. Die Ergebnisse der einzelnen Autoren weiehen s tark von- einander ab und sind zum Tefl widersprechend. Der Grund ffir diese, yon Autor zu Autor, untersehiedlichen Befunde liegt in der Verwendung yon unnatiirlich hohen Konzentrat ionen dieser Substanzen, so dab es zum Teil zu unphysiologisehen Versuchsbedingungen kam.

Fiir unsere Versuehe hielten wir die Verwendung yon radioaktiven Isotopen am geeignetsten, da dureh sic die physiologisehe Zusammen~ setzung der K6rperflfissigkeiten und andere biologische F~ktoren, welehe mit berfieksieht werden mfissen, nieht gest6rt werden.

Wit ffihrten die Versuche in Abh~ngigkeit yon der MolekfilgrSBe dutch und verwendeten als Ion Phosphor-32 in w~Briger L6sung, dann Jod-markiertes Hlnnanalbumin mi t einer ~V[olekfilgrSBe yon ca. 60000, sowie Phosphor-markierte Zellgranula. Als Versuehstiere nahmen wir Kaninchen. In Urethannarkose wurde zuni~chst his zu 1/2 em a Liquor suboeeipital entnommen und anschlieBend erfolgte die Applikation der