4
2232 KLINISCHE WOCI- 8. JAHRGANG. Nr. 48 26. NOVEMBER I929 8o--12o E. intraven6s. Die vasomotorischen Ausfallserschei- nungen sind nicht strellg an die Hormonschwankungen gebunden. Als Autor ist man subjektiv eingestellt und leicht ge- neigt, bel Anwendung der selbstgefulldenell Mittel Erfolge zn sehen, die vielleieht gar llicht aui die Mittel zurfickzufiihren sind. Ich glaube aber sagen zu k6nnen, daB ich auch bel meinen klinischen Untersllchungen sehr kritisch vorgegangen bin, so daB meine Erfahrullgen nicht ohne Wert sein dtirften. Ich mSchte nochmals vor kritikloser Anwendung des Folli- culins warnell. Bei jedem Fall ist genaue Anamnese, exakter gyn~kologischer Genitalbefund und m6glichst umfassende Allgemeinuntersuchung erforderlich. Ferner ist Hormon- analyse des I.iarns noLwelldig, um zu einer mSglichst exakten Diagnose zu kommen. Wenn ich, es mir wiederholt ge- lungen ist, durch einfache vaginale Punktion eines cystischen Ovarialfoltikels eine monatelang anhaltende polyhormonale t~lutung mit einem Schlage heilell konnte, so wird die Be- dentung der exakten Diagnostik klar. Ich habe in dieser Arbeit Anhaltspunkte fiir die hormonale Dosierung bei den verschiedenen Krankheitsbildern gegeben, um auf dieser Grnndlage die Mitarbeit weiter Kreise zu erm6gtichen. Selbst- verst~lldlich ist die Hormonbehandlung kein Allheilmittel, sondern nur eir~ Faktor in nnseren therapeutischen Be- mtihnngen. Es scheint mit aber sieher, daB wir durch die von uns dargestellten Hormone des Eierstocks und des Hypophysenvorderlappens, durch das Folliculin ulld Prolai1, klinisch weitergekommell sind. ZUR BEHANDLUNG DER VASOMOTORISCHEN STORUNGEN IM KLIMAKTERIUM. Von L. SCI~OENI{OLZ und C. W~RNEI~. Aus der Universit~tts-Frauenklinik zu Freiburg (Direktor: Prof. Dr. O. PANKOW). In dem Symptomenkomplex der klimakterischen Be- schwerden nehmen die vasomotorischen St6rungen w,egen ihrer t{~ufigkeit in der Praxis eillen herv0rragenden Platz ein. Meist treten sie als die ersten t3el~stigungen in der beginnen- dell Klimax auf, um sich auf viele Jahre bis in die Menopause hinein zu erstrecken. Ihre Symptome sind allgemein bekannt und unter ihnen k6nnen Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindelanfglle, Schweil3ausbrtiehe llnd vor allem der Blut- andrang nach dem Kopf solche Grade erreichen, dal3 sie zu einer unertr~glichen Quai werden und Lebenslllst wie Arbeits- f~higkeit herabsetzen. Die Analysierung dieser St6rungen verdankell wir B. ZOI~D~K, der plethysmographiseh feststellte, daB sie einer vom Vasomotorenzentrum ausgehenden Inner- vationsstSrung entspringen, wodurch globe Blutmengen ans dem Splanchnicusgebiet in die Peripherie gedr~ngt werden. Nach kurzer Zeit werden unter Mitbeteiligung der peripheren Vasoeonstrictoren die Blutmassen wieder dllrch Vasodila- ration in die BauchgeiXBe gesaugt, und es ist ZO~DEt~ zuzu- stimmen, wenn er sagt, daB bei derartigen Blutverschiebungen Ohnmachts- nnd Schwindelgeffihle, Angstzust~nde, SchweiB- ausbrtiche und FIerzklopfen nicht verwunderliclt silld. Weiter- hin woIlen wir ira Rahmell dieser Arbeit der Par~sthesiell gedenken, die mit den verschiedenartigsten Schmerzsensa- tionen im Bereiche der Muskulatur verbundeI1 sein k6nnen. Diese ,,rlaeumatischen" Beschwerden geh6ren mit zu den meist geklagten $ymptomell; sie werden mit spastischen Zust~llden an den Gef~Ben in Zusammenhang gebracht, Besonderer Erw~Lhnung bedarf schlieBlich noch die Hyper- tonie, die wir im t™ nicht selten antreffell. E. STRASS~A~~ konnte durch sehr eingehende Untersuchungen feststellen, daB der t31utdruck in der Mellopause durchschnitt- lictl um 2o mm Hg, oit st~rker, in anderen F/tllen weniger stark, erh6ht ist. Ande Autoren fanden eine Blutdruck- erh6hung nicht mit der Regelm/~Bigkeit (WALTHARD). WIESEL macht daranf aufmerksam, daB gerade ira Klimakterinm abnorme Schwankungen im Blutdruck auftreteI1, dal3 diese Schwankungen innerhalb kurzer Zeit bis zu 6o mm Hg be- tragen, ja, daB Zeiten des Uberdruckes mit solchen abnorm tiefen Druckes abweehseIn. WlESEL h~lt nicht die Hyper- tonie, sondern das Schwanke~ des Blutdruckes innerhatb be- tr~chtlicher Werte ftir das Charakteristikum des Klimakte- riums und weist darauf hin, dal3 es gerade die Frauen mit hohem Blutdruck sind, die an den Krampfzust~nden der Ge~XBe leiden. Schon auf Grund der klinischen Erfahrung ist es als feststehend zu betrachten, dag die Hypertonie als eine Teilerscheinung unter den vielen klimakterischen Zeichen an- zusehen ist, daB die vorher gekennzeichneten vasomotorischen St6rungen nebe der Hypertonie existieren und nicht etwa von ihr abh~ngig sind oder doch nicht zu sein brauchen; sie kommen ohne Blutdruckerh6hung vor und sind auch -- wie wir sp~ter sehen werden -- beeir~fluBbar in F~llen, in denen der Blutdruck sich nicht herabsetzen I~Bt. W~hrend wir nun in der Hypertonie ein objektiv nach- weisbares Symptom vor uns haben, sind wir in der Beurteilung der vasomotorischell St6rungen auf die subjektiv gef~rbten Angaben unserer Patientinnen angewieseI1. Auf diesen Punkt m6chten wir gerade in dieser Arbeit, in der es sich, wie wir ncch sehen werden, u. a. um die klinische Prtifung eines neuen Heilmittels auf seine Brauchbarkeit halldelt, be- sonders aufmerksam machen. Dal3 solche Angaben nur sehr vorsichtig zu bewerten sind, und speziell bel Frauell mit psycho-neurotischem Einschlag in bezug auf die Heftigkeit der geschilderten Symptome einzuschr~nken sind, ist eine Vorbedingung ftir die richtige Wahl des therapeutischen Vor- gehens. Bei diesen Frauen erreicht man auch mit gutem Zureden und allgemeinell Mal3nahmen Besserungen, und man muB sich h~iten, die Branchbarkeit eines Heilstoffes nach den _~uBe- rungen einer solchen Patientin zu beurteilen. Wenn wir auch diese Fehlerquelle bel der t™ nnserer F~lle keineswegs ausschlieBen k6nnen, so haben wir uns doch bemtiht, sie durch Auswaht der Patientinnen einzuschr&nken ; insbesondere verzichteten wir auf jedwede Aul3erung, durch die die Patien- tinnen psychisch h~tten beeinfluBt werden k6nnell. Wenn wir llunmehr zur Betrachtung der uns bis heure zut Verfiigung stehenden therapeutischen Mal3nahmen tiber- gehen, so mu[3, will mlan die kausalen Zusammenh~nge er- kennen, an die Spitze gestellt ?verden, daB die Ursache aller St6rungen des Klimakteriums im Erl6schen der Ovarial- funktion zu suchen ist und daB die Schwere der Erscheinungen nach allen Beobachtungen in eillem direkten Abh~ngigkeits- verhXltnis zu stehell scheint von dem Tempo der Ausschaltung der Eierstockst~tigkeit. Als Test ftir dieses Verhalten besitzen wir die Menstruation, deren plStzliches Vr auf eillen pI6tzlichen Ausfall der ihr iibergeordlleten Ovarialt~tigkeit hinweist. In diesen F~llen sind die geklagten Beschwerden gew6hnlich sehr riel heftiger als bel den Frauen, bel denen der Eierstock seine Arbeit allm~thlich einstellt. Ein Mittel, die Ovarialfunktion allm~hlich abklingen zu lassen, besitzen wir bis heute nicht! Unser therapeutisches u hat sich vielmehr auf die Tatsache einzustellen, daB mit dem Fortfall des Eierstoeks Mi1 in der Korrelatioll s~mtlicher inkretoriseher Dr~3sen offellbar sehr wichtiges Glied ausgeschaltet ist, dessert ,,Ersatz" eine mehr oder weniger lange Zeit beansprucht. Bei der therapeutisehen Beeinflussung der ans dieser Kor- relationsst6rullg resultierenden Beschwerden werden drei Wege begangen, die von den einzelllen Therapeuten nicht immer scharf getrennt werden, die aber rein theoretisch gegen- einander abgegrenzt werden k6nnen. Einmal wird versucht, das ausgefallene Organ ode das von ihm gelieferte I.iormon k/instlick zu substituieren; zweitens kann man einen EinfluB aus/iben auf die Funktion der im K6rper verbliebenen Drfisen mit illllerer Sekretion und drittens versueht man, einen Ein- fluB auf die einzelnen Symptome zu gewinnen. Zu der ersten t™ geh6rt die Transplantation von Ovarien und die Organotherapie. So verheiBungsvoll der Versuch sein mag, bei funktioneller Amenorrh6e die Trans- plantation von Eierstoeksgewebe vorzunehmen, so wenig hat diese Methode bei der Bek~mptung der klimakterischen t3e- schwerden geteistet; ebenso gering war der ErIolg der Organo-

Zur Behandlung der Vasomotorischen Störungen im Klimakterium

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Behandlung der Vasomotorischen Störungen im Klimakterium

2232 K L I N I S C H E W O C I - � 9 8. J A H R G A N G . Nr. 4 8 26. NOVEMBER I929

8o--12o E. intraven6s. Die vasomotorischen Ausfallserschei- nungen sind nicht strellg an die Hormonschwankungen gebunden.

Als Autor ist man subjektiv eingestellt und leicht ge- neigt, bel Anwendung der selbstgefulldenell Mittel Erfolge zn sehen, die vielleieht gar llicht aui die Mittel zurfickzufiihren sind. Ich glaube aber sagen zu k6nnen, daB ich auch bel meinen klinischen Untersllchungen sehr kritisch vorgegangen bin, so daB meine Erfahrullgen nicht ohne Wert sein dtirften. Ich mSchte nochmals vor kritikloser Anwendung des Folli- culins warnell. Bei jedem Fall ist genaue Anamnese, exakter gyn~kologischer Genitalbefund und m6glichst umfassende Allgemeinuntersuchung erforderlich. Ferner ist Hormon- analyse des I.iarns noLwelldig, um zu einer mSglichst exakten Diagnose zu kommen. Wenn ich, �87 es mir wiederholt ge- lungen ist, durch einfache vaginale Punktion eines cystischen Ovarialfoltikels eine monatelang anhaltende polyhormonale t~lutung mit einem Schlage heilell konnte, so wird die Be- dentung der exakten Diagnostik klar. Ich habe in dieser Arbeit Anhaltspunkte fiir die hormonale Dosierung bei den verschiedenen Krankheitsbildern gegeben, um auf dieser Grnndlage die Mitarbeit weiter Kreise zu erm6gtichen. Selbst- verst~lldlich ist die Hormonbehandlung kein Allheilmittel, sondern nur eir~ Faktor in nnseren therapeutischen Be- mtihnngen. Es scheint mit aber sieher, daB wir durch die von uns dargestellten Hormone des Eierstocks und des Hypophysenvorderlappens, durch das Folliculin ulld Prolai1, klinisch weitergekommell sind.

ZUR BEHANDLUNG DER VASOMOTORISCHEN STORUNGEN IM KLIMAKTERIUM.

V o n

L. SCI~OENI{OLZ und C. W~RNEI~. Aus der Universit~tts-Frauenklinik zu Freiburg (Direktor: Prof. Dr. O. PANKOW).

In dem Symptomenkomplex der klimakterischen Be- schwerden nehmen die vasomotorischen St6rungen w,egen ihrer t{~ufigkeit in der Praxis eillen herv0rragenden Platz ein. Meist t reten sie als die ersten t3el~stigungen in der beginnen- dell Klimax auf, um sich auf viele Jahre bis in die Menopause hinein zu erstrecken. Ihre Symptome sind allgemein bekannt und unter ihnen k6nnen Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindelanfglle, Schweil3ausbrtiehe llnd vor allem der Blut- andrang nach dem Kopf solche Grade erreichen, dal3 sie zu einer unertr~glichen Quai werden und Lebenslllst wie Arbeits- f~higkeit herabsetzen. Die Analysierung dieser St6rungen verdankell wir B. ZOI~D~K, der plethysmographiseh feststellte, daB sie einer vom Vasomotorenzentrum ausgehenden Inner- vationsstSrung entspringen, wodurch globe Blutmengen ans dem Splanchnicusgebiet in die Peripherie gedr~ngt werden. Nach kurzer Zeit werden unter Mitbeteiligung der peripheren Vasoeonstrictoren die Blutmassen wieder dllrch Vasodila- ration in die BauchgeiXBe gesaugt, und es ist ZO~DEt~ zuzu- stimmen, wenn er sagt, daB bei derartigen Blutverschiebungen Ohnmachts- nnd Schwindelgeffihle, Angstzust~nde, SchweiB- ausbrtiche und FIerzklopfen nicht verwunderliclt silld. Weiter- hin woIlen wir ira Rahmell dieser Arbeit der Par~sthesiell gedenken, die mit den verschiedenartigsten Schmerzsensa- tionen im Bereiche der Muskulatur verbundeI1 sein k6nnen. Diese ,,rlaeumatischen" Beschwerden geh6ren mit zu den meis t geklagten $ymptomell; sie werden mit spastischen Zust~llden an den Gef~Ben in Zusammenhang gebracht,

Besonderer Erw~Lhnung bedarf schlieBlich noch die Hyper- tonie, die wir im t™ nicht selten antreffell. E. STRASS~A~~ konnte durch sehr eingehende Untersuchungen feststellen, daB der t31utdruck in der Mellopause durchschnitt- lictl um 2o mm Hg, oit st~rker, in anderen F/tllen weniger stark, erh6ht ist. Ande�9 Autoren fanden eine Blutdruck- erh6hung nicht mit der Regelm/~Bigkeit (WALTHARD) . WIESEL macht daranf aufmerksam, daB gerade ira Klimakterinm

abnorme Schwankungen im Blutdruck auftreteI1, dal3 diese Schwankungen innerhalb kurzer Zeit bis zu 6o mm Hg be- tragen, ja, daB Zeiten des Uberdruckes mit solchen abnorm tiefen Druckes abweehseIn. WlESEL h~lt nicht die Hyper- tonie, sondern das Schwanke~ des Blutdruckes innerhatb be- tr~chtlicher Werte ftir das Charakteristikum des Klimakte- riums und weist darauf hin, dal3 es gerade die Frauen mit hohem Blutdruck sind, die an den Krampfzust~nden der Ge~XBe leiden. Schon auf Grund der klinischen Erfahrung ist es als feststehend zu betrachten, dag die Hypertonie als eine Teilerscheinung unter den vielen klimakterischen Zeichen an- zusehen ist, daB die vorher gekennzeichneten vasomotorischen St6rungen nebe�9 der Hypertonie existieren und nicht etwa von ihr abh~ngig sind oder doch nicht zu sein brauchen; sie kommen ohne Blutdruckerh6hung vor und sind auch -- wie wir sp~ter sehen werden -- beeir~fluBbar in F~llen, in denen der Blutdruck sich nicht herabsetzen I~Bt.

W~hrend wir nun in der Hypertonie ein objektiv nach- weisbares Symptom vor uns haben, sind wir in der Beurteilung der vasomotorischell St6rungen auf die subjektiv gef~rbten Angaben unserer Patientinnen angewieseI1. Auf diesen Punkt m6chten wir gerade in dieser Arbeit, in der es sich, wie wir ncch sehen werden, u. a. um die klinische Prtifung eines neuen Heilmittels auf seine Brauchbarkeit halldelt, be- sonders aufmerksam machen. Dal3 solche Angaben nur sehr vorsichtig zu bewerten sind, und speziell bel Frauell mit psycho-neurotischem Einschlag in bezug auf die Heftigkeit der geschilderten Symptome einzuschr~nken sind, ist eine Vorbedingung ftir die richtige Wahl des therapeutischen Vor- gehens. Bei diesen Frauen erreicht man auch mit gutem Zureden und allgemeinell Mal3nahmen Besserungen, und man muB sich h~iten, die Branchbarkeit eines Heilstoffes nach den _~uBe- rungen einer solchen Patientin zu beurteilen. Wenn wir auch diese Fehlerquelle bel der t™ nnserer F~lle keineswegs ausschlieBen k6nnen, so haben wir uns doch bemtiht, sie durch Auswaht der Patientinnen einzuschr&nken ; insbesondere verzichteten wir auf jedwede Aul3erung, durch die die Patien- tinnen psychisch h~tten beeinfluBt werden k6nnell.

Wenn wir llunmehr zur Betrachtung der uns bis heure zut Verfiigung stehenden therapeutischen Mal3nahmen tiber- gehen, so mu[3, will mlan die kausalen Zusammenh~nge er- kennen, an die Spitze gestellt ?verden, daB die Ursache aller St6rungen des Klimakteriums im Erl6schen der Ovarial- funktion zu suchen ist und daB die Schwere der Erscheinungen nach allen Beobachtungen in eillem direkten Abh~ngigkeits- verhXltnis zu stehell scheint von dem Tempo der Ausschaltung der Eierstockst~tigkeit. Als Test ftir dieses Verhalten besitzen wir die Menstruation, deren plStzliches Vr auf eillen pI6tzlichen Ausfall der ihr iibergeordlleten Ovarialt~tigkeit hinweist. In diesen F~llen sind die geklagten Beschwerden gew6hnlich sehr r iel heftiger als bel den Frauen, bel denen der Eierstock seine Arbeit allm~thlich einstellt. Ein Mittel, die Ovarialfunktion allm~hlich abklingen zu lassen, besitzen wir bis heute nicht! Unser therapeutisches u hat sich vielmehr auf die Tatsache einzustellen, daB mit dem Fortfall des Eierstoeks Mi1 in der Korrelatioll s~mtlicher inkretoriseher Dr~3sen offellbar sehr wichtiges Glied ausgeschaltet ist, dessert , ,Ersatz" eine mehr oder weniger lange Zeit beansprucht.

Bei der therapeutisehen Beeinflussung der ans dieser Kor- relationsst6rullg resultierenden Beschwerden werden drei Wege begangen, die von den einzelllen Therapeuten nicht immer scharf getrennt werden, die aber rein theoretisch gegen- einander abgegrenzt werden k6nnen. Einmal wird versucht, das ausgefallene Organ ode�9 das von ihm gelieferte I.iormon k/instlick zu substituieren; zweitens kann man einen EinfluB aus/iben auf die Funktion der im K6rper verbliebenen Drfisen mit illllerer Sekretion und drittens versueht man, einen Ein- fluB auf die einzelnen Symptome zu gewinnen.

Zu der ersten t™ geh6rt die Transplantation von Ovarien und die Organotherapie. So verheiBungsvoll der Versuch sein mag, bei funktioneller Amenorrh6e die Trans- plantation von Eierstoeksgewebe vorzunehmen, so wenig hat diese Methode bei der Bek~mptung der klimakterischen t3e- schwerden geteistet; ebenso gering war der ErIolg der Organo-

Page 2: Zur Behandlung der Vasomotorischen Störungen im Klimakterium

26. NOVEMBER 1929 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr. 48 2233

therapie mit peroral verabreichten Eierstockspr~iparaten. Die an die M6glichkeit der Reindarstellung des Ovarialhormons geknfipftell Erwartungen sind in dieser Beziehung bis heure ebenfalls nieht ganz in Erffillung gegangen, wenngleich llnsere ErIahrungell weitaus besser sind als die von ~'R�9 NKXL mit- geteilten und wir eille Vermehrung der t3eschwerden nur ganz selten einmal gesehen haben. Wir sahen sowohl bei peroraler Verabfolgung von Ovarialhormon (Ovovop) als allch be- sonders bei der Illjektionstherapie (MenIormon-Folliclllin) zum Teil gute Erfolge. Wir m6chten jedoch nicht llnerw~hnt lassen, daB wir bei der Menformon-Therapie zur Erzielung eines gfinstigen Resultates oft zahlreichœ Injektionen ben6- tigten (bis zu 2ooo ME. und mehr), so dal3 man diese heure jedenfalls noch sehr kostspielige Therapie nur einem gallz be- schr~tnkten t™ von Pat ienten zugute kommell lassell kann.

Dem Versuch, auf dem Umwege fiber eine ,,Reizung" der dem K6rper verbliebenen inkretorischen Drfisen einen Einflul3 anf die klimakterischen Erscheinullgell auszuiiben, ist ebell- falls ein durchgreifender Erfolg nicht beschieden gewesen. Die Proteink6rpertherapie hat v611ig versagt! Die von WE~NER illaugurierte ulld auch von BORAK propagierte R6ntgenbestrahlnng der Hypophyse bzw. der Schilddrfise kann, wenll diesem Vorgehell ein Erfolg auch aui Grund unserer Erfahrungell nicht abzusprechen ist, keinen Anspruch darauf erheben, ill der Praxis eine groBe Rolle zu spielen, schon aus dem einen Grunde llicht, weil sie, wenigstens nach nnseren Beobachtullgen, einen Dauererfolg nicht zeitigt und weil eine h~ufigere Wiederholung des Eingriffes sich schon durch die sieher nicht als harmlos zu bezeichnende Methode als solche verbietet.

Frit die Niehrzahl aller F~ille sind wir also auf die Bek~mp- fung der einzelnen Symptome durch allgemeine MaBllahmen oder durch Pharmaca angewiesen. Es ist hier llicht der Ort, eine f3bersicht zu gebell fiber alle MaBnahmell, die je ver- sllcht oder empfohlen worden silld. Wir wollen uns beschr~ill- ken auI die speziell bei den y t™ der I™ von erfahrenen Therapeuten anerkannten MaBnahmen.

Ullter den allgemeinen Mal3nahmell wird von den verschie- dellstell Autoren besonders aui den guten EinIluB des Ader- lasses aufmerksam gemacht, der 6fters wiederholt werdell kann, der aber fur empfindliche Patielltinllell immerhin eine Irrifierung darstellt, die um so eher vermiedell oder doch eingeschr~llkt werden kann, als wir ausgezeichnetes leistellde Pharmaca besitzen, die per os genommen werden k6nllell. Auch diš Hydrotherapie und die psychische ]3eeinflussung leistet in der ]3ehandlung klimakterischer Beschwerden oit sehr gute Dienste, und es sel nieht daran vergessen, daB mit der 13ehalldlung 8ter8 einhergehen muB die Fernhal tung von Sch~den, die den labilen Vasomotorenapparat der t™ risehen besonders stark beeinflllssen, wie z. B. Aufregungen, Alkohol, I™ u. a. m.

In den meistell F~llen werden wir ohlle Beanspruchung von pharmazeutischen Mitteln, die den Symptomell angepaBt sind, nieht auskommen. Bevor wir zu diesen Mitteln fiber- gehell, m6chten wir nochmals an unsere vorherigen theore- tischen Bemerkungen anklliipien, in denen wir von der Kor- relatiollsst6rung der inkretorischen Drtisen durch den Fort- fmi der Eierstocksfullktion sprachen. Dieser Anllahme liegen eillmal anatomische Ver~inderullgen zugrunde, die man an Hypophyse, Schilddriise, Nebenlliere, Zirbeldrfise und Pan- kreas in der IKlimax oder auch nach t™ nachweisell kollnte. Weiterhin sind es aber auch die Begleiterscheinungen der Wechseljahre, die diese Allnahme stfitzen. Die vasomoto- rischen Erscheinullgen einschlie/31ich der Hypertonie werden als Reizerscheillungen des Sympathicus anfgefaBt; es wird angellommen, daB das funktionierende Ovarium hemmend auf den Sympathicus einwirkt ulld daB nach dem Erl6schen der Ovarialfnnktion diese Hemmung iortI~llt, um allm~ihlich durch die anderen Blutdrfisen ersetzt zu werden. Wie die Verh~ltllisse ira einzelnen liegen, ist /loch v611ig Ungekl~trt. Die Hypertonie ihrerseits weist besonders eindringlich auf Beziehullgen zum alltagonistisehen Adrenalinstoifwechsel hill, wenngleieh gerade bei diesem Symptom die M6glichkeit von Fehlschlfissen und therapeutischell Fehlern besonders leicht

KIinische Wochenschrift, 8. J ahrg.

gegebell ist. Fraglich ist ja immer, wiewe�9 die esselltiellen Hypertonien der Klimax mit organischen Ursachell (Nephro- pathie, Stauung im PIortaderkreislau™ II. a.) in Zusammell- hang stehell.

Wie dem auch sel: den auf eine Beeinflussullg des vaso- motorischen Apparates hillzielellden therapeutischell MaB- nahmen, die sich zum Ziel setztell, dell Sympathicnsreiz eill- zuschrXnken, ist ein Erfolg beschiedell gewesell.

Auf diesen theoretischen Grulldlagell hat I-IALBAN sein wirk- sames Klimasan aufgebaut. Er ging von der Voraussetzung aus, daB eine Herabsetzullg der Erregbarkeit des Sympathicus bei der t3ek~mpfullg der klimakterischell Kongestionen von Vorteil sein ratisse llnd stellte sich vor, daB, welln es gel~tnge, die Gef~f3e in dilatiertem Znstande zu erhalten, ein kongestiv wirkellder Reiz nicht dieseIbe Wirkung entIalten k6nllte wie bei Gef~Ben, die sieh in llormalem Kontraktionszustand be- Iinden. E�9 Herabsetzullg der Erregbarkeit des Nerven- systems suchte HALBAN, aufbauend auf den Befunden von t™ und ADLER, durch Calcium lacticum zn erreichen. Als gef~Berweiternde Mittel fiigte er Theobromin und Nitro- glycerill in kleinell Dosen seinem Pr~parate zu. Gleichsinllig wirkt auch das den Gef~Bspasmen entgegenarbeitende Papa- verin. Aueh das Klimakton, das aus Calciumdiuretill, t3rom- nral, Ovaraden und Thyraden besteht, will, zum Teil wenig- stens, fiber eine l-terabsetzung der Empfindlichkeit der Ge- f~Bnerven eine /3eseitigullg der klimakterischen Symptome bewirken. Beziiglich des Anteils all Eierstocksubstanz ill diesem Pr~parat verweisen wir auf das Vorhergesagte. Der Sehilddrfisenanteit soll dem im I™ h~ufig beobach- teten hypothyreotischen Einschlag mit Neignng zu myx6de- mat6sen Symptomen entgegenwirken. Diese Medikatioll ist jedoeh kontraindiziert in allœ dell F~llen, in denen ein hyperthyreoidischer Symptomkomplex besteht.

Eille Reinsubstanz m6chten wir hier besollders erw~ihnen: das Ergotamin. PORGES ulld AI)LERSBERG berichten fiber gtillstige Resultate bel klimakterischen Beschwerden. ROTItLIN und GANTER konnten zeigell, dag das Ergotamin (Gynergen) in kleinen Dosen bei anf~tnglich hohell Blutdruckwerten den ]31ut- druck herabsetzt, ulld die Experimente von GANTER ergabell die M6glichkeit, mit dem Ergotamin den normalell Sympathico- tonus auszuschalten und datait eine Gef~13erweiterullg zu erzie- len. Jfingst maehte auch BRACK die Beobachtullg, dag Gef~t3- spasmen durch GynergeI1 zum Verschwillden gebracht werden konnten. Wir k611ntell uns also die Wirkung des Pr~parates ~hnlieh erkl~tren, wie sie HALBAN ffir sein Klimasan angenom- men hat. AuBer von den genanntell Autorell scheint mit dem Ergotamin bei den klimakterischell t �9 bisher kein Gebrauch gemaeht worden zu sein. Wir k6nnen demgem~13 fiber Art und Ausmal3 der Erfolge nichts berichtell; insbeson- dere wfirde noch zu prfifen sein, wie die geeignœ 3dedikation quant i ta t iv beschafien sein mul3 und ob dieses immerhin differente Mittel l~ngere Zeit ohne Schaden verabfolgt werden kann.

Eine weitere Substanz, deren klinische Prfiiung wir uns besonders arigelegell sein lief3ell und von deren Brauchbarkeit wir uns fiberzeugen kollnten, ist das �99 Im Gegensatz zn den vorgenannten Pr~paraten ist das Cholin eine k6rper- eigelle Substanz, die i n allen Organen vorkommt (besollders hoch ist der Cholingehalt der Nebennieren) .ulld die in geeig- neter chemiseher Form per os t~ngere Zeit ohne Sehaden ge- nommen werden kann; ihre pharmakologischen Eigenschaften sind eingehend geprfiIt. Das Cholin verdankt seille Ent- s~cehung wohl zum Teil der Abspaltung ans dem Lecithin.

Auf den Blutdruck wirkt das Cholin im Si�9 einer vor- fibergehenden Senkung. Das Gef~f3system reagiert auf Cholin- gabe mit einer Erweiterung, die von H u i t , EPt'INGER und HESS an den peripheren Arteriell, voll MoTT und I-IALLI- BURTON an den Darmgef~Ben, von ZONDEIK l l n d ~PRANt™ FURTER an rien Lungengef~13en dargestellt wurde. LOUROS llnd SCHMECI~EL sahen bel intraperitonealer Injektion von Aeetylcholin in der N~he des Uterus bei Kaninchen eine 6rtliche Dilatation nnd Blu td rucksenk t ing im Bereich de r Uterusgef~tBe. Durch Cholin wird wei te rh in die Pankreas- sekretion gei6rdert und die Gallenabgabe vermehrt. Durch

143

Page 3: Zur Behandlung der Vasomotorischen Störungen im Klimakterium

2234

Acety l ie rung wird die In tens i t~ t der Wirkung gesteigert ; die Wirkungsdauer des Acetylchol ins ist, ebenso wie bel dem s ta rk hygroskopischen und deshalb leicht zersetzl ichen Cholin- chlorid, aber nur eine kurze.

E in therapeut i sch ve rwer te te r Chol inabk6mmling ist das Pacyl, das krysta l l in isch und best~ndig ist und dessen Wi rkung nach kl inischen Pr t i fungen l~mgere Zei t anh~lt . -- Da wir uns in dieser Arbeit ausIiihrlieher mit der Bedeutung des Cholins beseh~ftigen, so wollen w[r uns etwas eingehender mit den bisher vorliegœ klinischen und experimentellen ErIahrungen, die mi t diesem Pr~Lparat gemach t wurden, befassen.

Das Pacyl wurde eingehend in der v. Bergmannschen Klinik von LEwY geprflft. LEWY konnte feststellen, daB durch das Pacyl der Blutdruck herabgesetzt wird und dag die mit der arteriellen ttypertonie verbundenen Beschwerden beseitigt bzw. vermindert werden. Gleichzeitig mit der Herabsetzung des Blutdruekes er- weitern sich die Gef~Be, und es t r i t t eine bessere Dnrchblutung des Organismus ein. Die Ausscheidung der Verdauungsdrtisen (Magen, Pankreas, Leber, Darm, Nieren) wird durch Pacyl erheblich ge- steigert. Die Wirkung ist anhaitend und t~ber lange Zeit wieder- holbar.

GANTEa konnte bel seinen Hochdruckpatienten, die er mit Paeyl behandelte, mit dem Herabgehen des Blutdruckes ein Schwinden der subjektiven Symptome beobachten. Er macht besonde�9 darauf aufmerksam, daB auch ohne ErhShung des Blutdruckes Be- schwerden, wie ste die Blutdruckkrankheit sonst hervorruft, gfinstig beeinflul3t werden k6nnen.

BARAT~I sah gfinstige Erfolge mit Pacyl bei spastischen, labilen Hypertonien, und auch S~NATOR empfiehlt das Mittel bei spastisch nerv6ser Hypertouie. Bel klimakteriseher Hypertonie sah er in Ver- bindung mit Klimakton und Ovobrol eine Beseitigung der auf- steigenden Hitze und des Herzklopfens.

Nicht ohne Bedeu tung ftir die Wirkungsweise des Cholins 'erscheint uns auch die Fes ts te l lung ICURAS, daB nach Cholin- gabe bei R a t t e n eine Vermehrung der eosinophilen Zellen im Vorder lappen der H y p o p h y s e und eine al lgemeine Hyper - t rophie der Drtise eintrit%. Die Schilddrfise und der T h y m u s reagieren auf Cholin mi t einer Hypoplas ie . W e n n wir aueh tiber die Bedeutung, die das Cholin ira t™ spielt, noch n ich t vSt[ig un te r r i ch t e t sind, so dtirfte doch aus den bisher vor l iegenden Un te r suchungen hervorgehen, daB das Cholin in einer gewissen Wechse lbez iehung zu den inkre- tor ischen Drtisen s teh t ; die kl inischen und exper imente l len Beobach tungen weisen terrier darauf hin, daB das Paey l ins- besondere zut Bek• vasomotor i scher S t6rungen ge- eignet ist.

Aus diesem Grunde versprachen wir uns einen Erfolg von der Behandlung der konges t iven Beschwerden der K l i m a x m i t Sedicyl, einer Chol ines terdoppelverb indung (Herstel ler : Chemische Fabr iken Dr. Joach im Wiern ik & Co. A.G., Berl in- Waidmanns lus t ) . -- Es set vorweggenommen, daB sich uns das P r~para t durchaus bew~hr t ha t .

l[lber die A r t der Medika t ion und fiber unsere kl inischen Beobach tungen m6gen 9 F~Llle AufschluB geben, die wir aus e inem gr6Beren Material , das wir w~Lhrend der le tz ten If/2 J ah re beobachte ten , herausgreifen. -- S~mtl iche F~.lle rea- gier ten gleich gut aui das Pr~para t .

Fal[ 1: Frau E. M., 42 Jahre, Landwirtsfrau; menstruiert noch, Pr~klimakterium.

Besehwerden: Schwindelgeffihl, Wailungen, andauernd starke t™ v611ige Arbeitsunf~higkeit. Genitaibefund o. B. Blutdruck i75/r45.

Medit~ation: Tg~glich 3mal i Tablette Sedicyl. Nach 4 Tagen ]Blutdruck z IO/65 mm Hg. S~mtliche Beschwerden sind im Zurfick- gehen. Yom 5. Tage an nach Enttassung t~gtich I Tablette Sedicyl. Die Besehwerden sind nach 4 Wochen v611ig geschwunden. Die Pat. berichtet, dag ste wieder voll arbeitsf~hig set. Bel Unter- brechung der Medikation I[lr mehrere Tage stellen sich wieder leichte Beschwerden ein, die wiederum erfolgreich durch t~tglieh I Tablette Sedieyl bek~mpft werden k6nnen.

I"all 2: Frau A. K., 59 Jahre. Vor einem Jahr R6ntgenkastration wegen Blutungen.

Beschwerden: Sehr starke Waiiungen, die rien Schlaf beeintrikch- tigen. Blutdruck ~6o/8o mm Hg.

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr . 48 26. NOVEMBER OEge 9

Medikation: T~gl. 3 mal I Tabl. Sedicyl. Nach 4 Wochen sind die Beschwerden so gebessert, daB die Pat. weitere poliklinische Beobachtung ablehnt. Blutdruck unverandert I6O/8o. Weiterhin t~glich i Tabl. Sedicyl.

Fall 3: Frau M. B., 43 Jahre, Landwirtsfrau. Vor einem Jahr R0ntgenkastration wegen Menorrhagien.

Beschwerden: Seit der Bestrahlung heftige Wailungen, Hitze ira Kopf, n~chtliche SchweiBausbrflche. Blutdruck i45/;oo.

Medikation: T~glich 3 mal i Tablette Sedicyl. 14 Tage sp~ter: Wailungen geringer und seltener, Hitze im Kopf geschwunden, Nachtschweil3 unver~ndert stark. Arbeitsf~higkeit erheblich herauf- gesetzt. Weitš 4 Wochen t~glich i Tablette Sedicyl. Allgemein- zustand sehr gut bel fast v•lligem Fehlen der Wallungen, die t~glich noch i - a mal in geringem AusmaB einsetzen, w~hrend ste vor der Behandlung angeblich aile Viertelstunden auftraten. Die SchweiI3- ausbrache bestehen unver~ndert fort. Blutdruck Iao/85 mm Hg.

l~all 4: Frau K. Nf., 52 Jahre, Landwirtsfrau. Menstruiert un- regelmaBig.

Beschwerden: I™ HerzMopfen, Atembeklemmung. Hitzegefiihl im Kop�9 m~Big Wallungen, unablXssig Kreuzschmer- zen. Blutdruck i48/9o mm Hg.

Medikatlon: T~glich 3mal I Tabl. Sedicyl. 3 Wochen nach Beginn der Behandlung sind s~mtliche Be-

schwerden einschlie131ich der I™ (die Kopfschmerzen sind v6]lig verschwunden) zurfickgegangen ohne Beeinflussung des t31utdruckes. Die Pat. hebt besonders hervor, dag die seit langer Zeit bestehende Obstipation v611ig beseitigt ist; ebenso beobachtete ste eine reichlichere ttarnsekretion, von der ste spontan berichtet. Wegen ihres Wohlbefindens verweigert die auswarts wohnende Pat. weitere Beobachtung, bekommt Sedicyl mit und soll t~glich I - -2 Tabletten nehmen bis die Beschwerden v611ig verschwunden sind.

Falt 5: Frau E. I., 38 Jahre, Landwirtsffan. Seit 3 Jahren in der Menopause t™ praecox.

Beschwerden: Kopf- und I™ keine Wallungen. ArbeitsfXhigkeit seit Jahren stark herabgesetzt. ErIolglos mit Organ- pr~paraten (Eierstoek) und Hormontherapie lange Zeit behandelt. Blutdruck i4o/85 mm Mg.

Me” T~glich 3mai I Tablette Sedicyl. Die Beschwerden gehen langsam zurfick. 6 Wochen nach der

Cholinbehandlung Kreuzschmerzen vNlig verschwunden, Kopf- schmerzen ira Abklingen. Nach weiteren 6 Wochen sind auch die Kopfschmerzen v611ig verschwunden. Die Pat. ist wieder in der Lage, schwere Feldarbeit zu verrichten. Blutdruck I25/75 mm Hg. Pat. nimmt bel Bedarf t~glich I - Z Tabletten.

Yall ¤ Frau E. R., 5I Jahre, ArchitektenIrau. Menopause seit 3 Jahren.

Beschwer” Heftige Wallungen, Schwei2ausbr0che besonders des Nachts. Herzklopfen. Blutdruck i35/ioo mm Hg.

Medilcatlon: 3mai I Tablette Sedicyl. Eine Woche nach Beginn der Behandlung keine Besserung des

Befindens. Blutdruck i18/75 Hg. Nach zwei weiteren Woehen Wailungen und Herzklopfen nicht mehr vorhanden. SchweiSaus- brfiche m~Big gebessert. Allgemeinbefinden gut. Pat. beobachtete in der Folgezeit, daB die Beschwerden wieder einsetzten, sobald ste 4--5 Tage keine Tabletten nahm. Nahm ste dann wieder i - - 2 Ta- bletten pro die, so lieBen sich die St6rungen coupieren. Blutdruck bei Beobachtung fiber I Jahr ara I2o.

Bei den geschi lder ten 6 F~lIen hande l t es sich u m Frauen mi t e inem m/iBig erh6hten Blutdruck.!~.i Die k l imakter i schen Beschwerden bes tanden in Wal lungen, Hi tzegef t ihl im Kopf, Herzklopfen, Atemnot , Kopfschmerzen, Kreuzschmerzen und SehweiBausbrtichen. Wir sehen ' in Mien F~llen, wie die Be- schwerden b i s a u f die SehweiBausbrfiche nach 3 - - 6 Wochen so zurtickgehen, daB die in ihrer Arbei%f~higkei t sehr s ta rk herabgese tz ten Pa t i en t innen ihrer meis t schweren Arbe i t als Landwir t s f rauen wieder nachgehen kSnnen. Die Besserung dieser Besehwerden ist offenbar unabh~ngig von der Herab- se tzung des Blu tdrucks ; in FMI 2 und 4 konn ten wir jeden- �9 bei e inem Blu• der dem An�9 entsprach, n ich t un te r den AnIangswer t herunterging, ein deutl iches Zurt iekgehen der sub jekf iven S y m p t o m e �9

Unsere Medika t ion war im al lgemeinen so, dag wir bis zu dem Augenbl ick einer deut l ichen Besserung tXglich 3 • I Ta- b le t te Sedicyi gaben. W a r die Besserung e ingetre ten, so lieBen wir gewShnlich nur noch I Tab le t t e • nehmen. W e n n

Page 4: Zur Behandlung der Vasomotorischen Störungen im Klimakterium

26. NOVEMBER I929 K L I N I S C H E W O C H E N S C t t R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr . 48 2235

die Beschwerden v611ig zur t ickgegangen waren, so h™ wir m i t der Medika t ion auI und sahen dann zumeis t nach 3 bis 5 Tagen wieder die Beschwerden in le ich tem Mage auf- t re ten . Diese Beschwerden lieBen sieh aber durch eine Sedicyl- t ab le t t e tggl ich coupieren. Wir waren bei den bisher von uns behande l ten F~llen zun~chst rech t vors icht ig in der Dosie- rung, glallben aber agi Grund unserer Beobachtungel l , die in ke inem Fal le i rgendeine unangenehme Begle i terscheinung zeigtell, auch eine h6here Dosierung gegebenenfalls emp- fehleii zu k6nnen. Wir beabs icht ig ten jedenfalls, in Zukun~t bei s tgrkerei i Beschwerden auf tggl ieh 3 • 2 Tab le t t en Sedicyl heraufzugehen un4 erhoffen dadurch einen schnel- leren Erfolg. Die Medika t ion muB sich, wie berei ts angedeu te t wurde, i iber lgngere Zei t e rs t recken; das kann, wie die Aus- zfige unserer I™ zeigen, ohne jede Gefahr geschehen.

Auffa l lend ist die geringe Beeinflussung der SchweiBsekre- tion. Aus exper imente l l en Beobach tungen (MOI, LER) wissen wir, dal3 nach Cholingabe bel Ka tzen eine s t~rkere SehweiB- sekret ion auf t r i t t . Es ist demnach verst~tndlich, daB t ro tz des Rt iekganges aller anderen vasomotor i schen StSrungei i die Schweil3sekretion dnrch das Sedicyl weiiig beeinfluBt wird. Die Tatsache , dal3 die Rt ickenschmerzen bei unsereii Pa t ien- t i l lnen sehr gu t beeinflul3t wurdell , deu t e t vie l le icht darauf hin, dal3 auch ftir diese Beschwerden iii unseren Fgllei i vasomoto - rische St6rungen als Ursache in Frage k o m m e n k6nnen. Es darI j edoch IIicht vergessen werden, dal3 gerade dieses Sym- p t o m bel F rauen o i t verschwindet , wenn sicl�9 der Allgemein- zus tand bessert . Wei te rh in sei noch auf die Angabe von der Pa t i en t in ira Fal le 4 hingewiesen, die spoi i tan iiber eine reiehl ichere Harnsekre t io i i ber ichte te und die auch angab, dal3 ihre bis dahin sehr schlecht beeinIluBbare Obs t ipa t ion v611ig besei t igt wurde. Die Anregung des Cholin agi die Nieren- Iul ikt ion ist, wie berei ts beschrieben wurde, bekannt . Die Anregung der D a r m t g t i g k e i t b e r g h t auf der f/Srdernden Ein- wirkul lg des Cholills ag i die Funk t ion der g la t ten Muskula tu r und ist ebenfalls schoii von anderer Seite b e t o n t worden (s. u. a. VO~EL). Wi r m6eh ten an dieser Stel le noch kurz erwghnen, dal3 auf dieser Ta tsache auch die ]3eeinfluBbarkeit der Wehen durch Cholill beruht . Wir werden auf diesen P u n k t iii eiiier anderei i Arbei t , die sich m i t IInseren dies- bezfiglichen Er iahru l lgen beschgft igen wird, noch ngher zli- r t ickkommeii .

Bei den l e t z t en 3 Fgllell, deren I™ aus- zugsweise hier wiedergegeben werden soli, hande l t es sich um Frauen, die eine ErhShung des Blu tdruckes vermissen liel3en.

Fall 7: Frau A. K., 51 Jahre, Landwirtsfrau. Vor einem J~t=.r R6ntgenkastratioli wegen Meliorrhagien.

Beschwerden: Schwindelgeffihl, Wallungen, tterzklopfen, Kopf- schmerzen. Depressionen. Blntdruck 12o/8o.

Medikation: Tgglich 3mal I Tablette Sedicyl. Nach 8 Tagen keine )i-iiderung ira Befinden. Nach weiteren

8 Tagen Besserung der Kopfschmerzen. 14 Tage spgter erhebliche Besserung sgmtlicher Symptome. Pat. hebt die Besserulig ihrer Stimmung besonders hervor. Pat. ben6tigt von da an IIur IIoch geringe Doseli von Sedieyl, um die Beschwerden hintanzuhalten.

teall 8: Frau N. St., 42 Jahre, Landwirtsfrau. Vor einem Jahr RSntgenkastration wegen Megorrhagien.

Beschwerden: Starke Wal!ungen und SchweiBausbrtiche. Blut- druck i 18/75.

Medilcation: 3 mal t~glich I Tablette Sedicyl. Nach 14 Tagell Wallungen verschwunden, Schweil3ausbrt~che

noch heftig. Wghrend des folgeliden halben Jahres kommt die Pat. in Abstgnden von 3-- 4 Wocheg zut t™ :Bei Applikation von tgglich I Tablette Sedicyl bliebell die Walluligen v611ig aus, wghrend die Schweil3ausbrache fast unvermindert allhalteg. Blut- druek stets normal.

Fall 9: St., t™ Seit Anfalig 1928 Menopause. Besd*werden: Sehr starke Wallungen, SehweiBausbrfiche, UII-

ruhe, Depressionen. Blutdrnck 12o/8o. Meg$1ca~4on: Ovarialhormon in Gestalt von Drag› der I. G.-

Farbeli 4 Wochen lalig; Vermehrung der Beschwerden.

Darauf Sedicyl 3mal t~glich I Tablette. Nach 14 Tagen Be- schwerden unveriindert. Naeh weiteren io Tagen Besserung, die in der Folgezeit weitere Fortschritte macht und nach 14 Tagell die Wallungen iast galiz zum Yersehwinden bringt, wghrend die Schweigausbrtiche nicht erheblich beeinf]uBt werdeli. Pat. nimmt jetzt bel Bedarf I --2 Tablettell pro die und ist wieder v611ig arbeits- f~ihig.

Die Beschwerden dieser Pat ie l l t innen, bei denen eine Hyper ton ie n ieht nachzuweisen war, waren ira grol3en und ganzen dieselben wie bel der vorigel l Gruppe. Die S y m p t o m e waren auch bel diesen F rauen analog den bel der ers ten Gruppe gesehi lderten Er fah rungen g t in s t ig zu beeinflussen und alleh die in den Fgl len 7 uiid 9 vorhandenel l Depress ionen gillgen deut l ich mi t der Besserung der i ibrigen Beschwerden zurtiek. Aueh in diesen 3 F~illen tgl l t w iede rum auf, daB die SchweiBausbrtiehe sich nur Schlecht beeinflussen lieBen. Be- ziiglich des le tz ten Fal les (FMI 9) sel noeh darai i f a l l fmerksam gemacht , dal3 die der Chol inverabre ichung voranfgehende Be- hand lung m i t Ovar i a lhormon zu einer Ve rmehrung der Be- sehwerden fi ihrte.

Sedieyl hat, wie sich aus den mi tge te i l t en Fgl len ergibt , eine ganz typisehe und zuverl~issige Wirkungsweise . Die vaso- motor i sehen St6rungen der K l i m a x lassen sich al lsgezeichnet mi t diesem P r g p a r a t beeinfliissen. Es wi rk t wei ter auch gtinstig auf die Ausseheidungsorgane, wie Niere und I )a rm, und ha t tiberdies den Vorziig, dal3 es billiger als aile anderen P rgpa ra t e ist. Ira Gegensatz zu den meis ten anderen Mit te ln ist es keiiie Mischulig mehre re r Stoffe, soiiderii eine einhei t - lich chemische Verbindung. -- E in wei terer Vorte i l des Seclieyl is t seine nahe Verwand t scha f t zu dem k6rpereigenen Cholin, der zuIolge es eine groBe Dosierungsbre i te bes i tz t llnd ohne Nebenwi rkungen lange Zeit h indureh gegeben werden kann.

Es s tehen uns, wie wir sehen, eine gr6Bere Zahl je naeh Lage des Falles b rauchbare r P rgpa ra t e und MaBnahmen �9 die BekgmpIung der o i t sehr lgstigeii und hartn~ickigen St6- rungen im K l i m a k t e r i u m zur Verft igung. W e n n wir das Cholinpr~iparat Sedieyl insbesondere ftir eine Anwendung bel k l imakter i schen Besehwerden, soweit sie allf einer vaso- motor ischei i StSrung beruhen, nach a l lem ftir sehr geeignet halten, so sind wir uns klar darfiber, dal3 wir hinsicht l ieh der kausaleii Momente , die die Verwel ldul lg eilles Chol inprgpa- ra ies empfehlen, l loch n ich t v611ig klar sehen; empir isch ha t es sich jedenfal ls als zuverl~issig erwiesen, so dal3 wir seille Verwendul lg in geeigneten F~llen empfehlen zu sollell g lauben. Dar t iber soll die Al lgemeinbehandlung jedoch nicht vergessen werden. Bei der hiesigen Bev61kerung werden wir besonders an ein Verbot des Alkoholgenussœ zu denken habell . Bel der Bek~tmpfullg der durch das P r g p a r a t schlecht beœ239 Schweil3ausbrtiche haben sich uns als sehr einIaches IInd bil- liges Mit te l Abwaschungei i m i t Essigwasser (i : 2) bew~hrt .

L i t e r a t u r : A D L g R , Arch. Gyngk, 95, H. 2. -- 7BARATH, Dtsch. med. Wschr. I928, Nr 44, 1834. - - BRAeK, Klin. Wschr. I929, Nf 36, 1652. - - BROK, Wien. Min. Wschr. 19a4, Nr 37, 373. -- FRs XEL, Dtsch. med. Wschr. I927, Nr 51, 2154--59. -- GANTgR, Arch. f. exper. Path. II3, H. 3/4 (I926). -- GUGGEN~tEIXt, Die biogeneli Amine. Spriliger I924; Bioehem. Z. 65, 2i 5 (i914), -- HALBAN, Med. t™ I922; Mtinch. med. Wschr. i923, H. 4, i io . -- Ir zit. nach RONA 44, 152. -- KAYSER, Berlin. klili. W-schr. I92o, Nr 36, 849. -- LEWV, Z. klin. Med. Io7, Il. 1/2. -- MOTT und I:IA5LIBI~RTON, Phil. Trans. Vol. I9i , /3., 211--267 (1899). -- M*SLI,eR, PfFigers Arch. I34, 289 (191o). -- ROT~ILIX, Biochem. Z. I I I , 257--298. -- PORGES und ADLERSB~RG, ref. 3/[ed. Klin. I924, t:I. I, 36o. -- SENATOg, Dtsch. med. Wschr. I928, Nr 42, 1756. -- SPR�9 ulid SWAHg, Z, f, exper. Path. i9o3, 622. -- E. SOERASSMA>IIV, Arch. Gyngk. Ia 5, 269 (1925). -- TI~END]~LENBURG, I-Iandb. d. Pharm. I. -- VOaBL, Klin. Wschr. I928, Nr 36, I695. -- WALTI~ARD, Prakt. Erg. Geburtsh: 2 (I9IO); Mschr. Geburtsh. 36 (Erggnzungsband) ; Zbl. Gyngk. I912, Il. �9 -- WlESEL, Wien. klin. Wschr. ~928, Nf 41, 1924; Halban-Seitz III. -- ZONI)~K, Z. Geburtsh, 88, 559 (192o). -- ZOXD~K und F~ANKVlJROE~R, Arch. f. Physiol, ~914, 565.

i43"