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Zur Frage der Entstehung des Schlafes beim Menschen

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(Physiologisches Laboratorium der Universit~t Amsterdam.)

Zur Frage der Entstehung des Sehlafes beim Mimschen. Von

J. ten Cate.

(Eingegangert am 21. Juni 1929.)

Vor einigen Jahren hat Pawlow das Auftreten von Schlafzust~nden bei Hunden w/s der Versuche mit den bedingten Reflexen beschrie- ben und sie auf Hemmungsprozesse, welche in der Grol~hirnrinde ent- stehen und sich von hier auch auf die subcorticalen Zentra ausbreiten, zurfickgefiihrt. Diese Versuche Pawlows unterscheiden sich dadureh yon allen anderen bisherigen, dal~ der Sehlaf wiihrend dieser Versuche ganz spontan auftri t t unter Verh/~ltnissen, welche den normalen sehr nahe stehen. Merkwiirdigerweise ist, soweit mir bekannt, noch kein Versueh gemacht worden, das Auftreten des Schlafes beim Menschen unter normalen Verh/iltnissen, vom Standpunkte der Pawlowschen Lehre, n/~her zu untersuchen. Aus diesen Griinden werde ich versuchen, die Bedingungen des Auftretens des Schlafes beim Menschen n~her festzustellen, um sie danach mit den von Pawlow gefundenen Bedin- gungen fiir das Entstehen der Schlafzust/~nde bei Hunden zu ver- gleichen. Inwieweit der normale Schlaf des Menschen auf die yon Pawlow beschriebenen Hemmungserseheinungen im zentralen Nerven- system zuriickgefiihrt werden kann, werde ich gleichfalls zu beant- worten versuchen.

Um das Auftreten der Schl~frlgkeit und des Schlafes bei den Ver- suehen mit den bedingten Reflexen verst/~ndlieh zu machen, muB ieh die Versuchsverh/~ltnisse, wenn auch ganz kurz, beschreiben. Fiir diese Versuche werden die Hunde in einem vom Experimentator vollkommen isolierten Raum gehalten, der mSglichst ger/~uschlos und vor allen un- erwiinsehten Einwirkungen der Au$enwelt geschiitzt, gew/~hlt wird. Es ist n/imlich eine der Hauptbedingungen ffir das Gelingen dieser Versuehe, dab die Umgebung, in der sich das Tier befindet, w/~hrend des ganzen Versuches mSgliehst unver/s bleibt; denn jede aueh noeh so kleine Ver~nderung der Umgebung wirkt reizend auf den Hund, tuft, wie es Pawlow nennt, eine Orientierungsreaktion hervor und wirkt somit auf die bedingten Reflexe. Ffir diese Versuche wird der Hund auBerdem

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noch in einem Gestell untergebracht, wodurch er in seinen Bewegungen eingeschr~nkt wird. Dureh diese Verhinderung der normalen Bewegungs- freiheit werden die propriozeptiven Reize, welehe bei jeder Bewegung stets aufs neue entstehen und einander abl6sen, wesentlich vermindert. Die EinfSrmigkeit der Umgebung zugleich mit der Reduktion der pro- priozeptiven Reize, kann bei einigen Hunden schon allein genfigen, um Schl~frigkeit hervorzurufen.

Eine andere interessante Erscheinung, die Pawlow gleichfalls auf- gefallen war, besteht in folgendem. Wenn der bedingte Reiz eine Zeit- lang (30" bis 3'/allein wirkt und erst dann vom unbedingten (Ffitterung) gefolgt wird, so tritt, beim 6fteren Wiederholen solcher Versuche, bei den meisten Tieren eine Schl/~frigkeit ein, welche mit der Zeit in einen tiefen Schlaf w/~hrend des ganzen Versuches fibergehen kann. Gerade die VerzSgerung des unbedingten Reizes und die langanhaltende Wir- kung ein und desselben bedingten Reizes, sind als das ausschlaggebende Moment ffir das Auftreten des Schlafes zu betrachten, denn ein Hund, der frfiher niemals geschlafen hat, verf/~llt bei einer solchen Versuchs- anordnung frfiher oder sp/iter in Sehlaf. Noch leichter entwickelt sich die Schl/~frigkeit bei den Hunden, wenn man einen gut ausgebildeten bedingten Reflex 5fters nacheinander wiederholt, ohne Ffitterung folgen zu lassen. Bei solchen Versuchen erlischt der bedingte Reflex nach einigen Wiederholungen. Es tritt in diesen F/~llen eine Hemmung ein, denn der bedingte Reflex geht nicht ffir immer verloren; nach einiger Zeit, in direkter Abhiingigkeit vonder IndividualitKt des Hundes und der Stabilit/~t des bedingten Reflexes, wird derselbe ganz spontan wiederhergestellt.

Auf Grund der eben angefiihrten Erfahrungen und einer Reihe anderer Versuche, die im Laufe der letzten 30 Jahre ausgefiihrt wurden, kam Pawlow zu der SchluBfolgerung, dab jeder lang anhaltende, ein- f6rmige Reiz, der auf den Hund wirkt, und nieht yon gleichzeitigen anderen Reizen begleitet, noch abgel6st wird, frfiher oder sp/~ter zum Schlafe ffihrt. Da weiter durch Versuche mit Exstirpation der GroB- hirnrinde festgestellt werden konnte, dab die bedingten Reflexe nur bei der Unversehrtheit der Rinde gebildet werden, konnte Pawlow noch welter pr/~zisieren und feststellen, da{~ der anhaltende, einfSrmige Reiz auf die Rinde fallen mul~, um einen Schlafzustand hervorzurufen.

Nun entsteht die Frage, wie man sich das Entstehen der Schlaf- zust/~nde in den Versuchen Pawlows vorzustellen hat. Pawlow gibt in seinen ,,Vorlesungen fiber die Arbeit der Hemisph/~ren des GroBhirns" eine Antwort auf diese interessante Frage. Ebenso wie Sherrington bei der Erkl/~rung der antagonistischen Reflexe des Rfickenmarks, neben der Erregung noeh eine ttemmung annimmt, ffihrt auch Pawlow alle Erscheinungen, welche w/~hrend der Funktion des Grofthirns festge-

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stellt werden k6nnen, auf die Erregungs- und Hemmungsvorg/~nge in den ZeUen der Rinde zurfick. Die Versuche mit dem Erl6schen der bedingten Reflexe, welche einen der einfachsten F/ille der Hemmung vorstellen, und seine Erfahrungen sowohl mit den bedingten Reflexen auf ganz bestimmte Reize, als auch mit den allgemeinen Reaktionen der Hunde, den Orientierungsreaktionen, haben Pawlow zu folgenden Schlul]folgerungen gefiihrt. Die Zellen der Hirnrinde geraten unter dem Einflusse der h/~ufigen Wiederholungen eines gleichf6rmigen Reizes mehr oder weniger schnell in einen Hemmungszustand. Die Zellen der Rinde, welche die hSchste Reaktivit/~t besitzen, zeigen zu- gleich auch eine verh/~ltnism/iBig schnell auftretende Ermfidung. Der Hemmungszustand, der yon Pawlow yon der Ermiidung und um so mehr yon der Ersch6pfung, unterschieden wird, bewahrt die Rinden- zellen vor diesen sch/idlichen Einflfissen. W/~hrend der }temmung stellen sich nach Pawlow die Rindenzellen wieder her. Der l~bergang in einen Hemmungszustand unter dem Einflusse eines sich schnell wiederholenden Reizes, ist ffir alle Zellen der Rinde giiltig, deshalb kann auch die ganze Rinde in einen solchen Hemmungszustand verfallen. AuBerdem kann ein Hemmungszustand, der an einem beliebigen Punkte der Rinde entstanden ist, sich dank der Irradiation fiber die ganze Rinde und die subcorticalen Zentra verbreiten. Diese Irradiation des Hemmungszustandes auch auf die nicht in T/~tigkeit gewesenen Zellen, spricht entschieden gegen die Identifizierung der Hemmung mit Er- miidung und Ersch6pfung.

Die experimentellen Erfahrungen Pawlows haben welter gezeigt, dab die Schl~frigkeit und der Schlaf bei den Hunden, welche bei der Wirkung anhaltender und einf6rmiger Reize auftreten, als innere in der Rinde des GroBhirns entstandene, Hemmungszust/~nde aufgefaBt werden mfissen. Pawlow konnte verschiedene l~bergi~nge der tIemmungs- zust~nde in Schlaf und umgekehrt, beobachten. Aus diesen Grfinden kann man annehmen, dab das Auftreten des Schlafes auf derselben Eigenschaft der Rindenzellen, bei wiederholten Reizungen in einen Hemmungszustand fiberzugehen, beruht, wie es ffir die innere Hemmung, z.B. ffir das Erl6schen der bedingten Reflexe, festgestellt ist. Das Entstehen des Schlafes bei den Hunden kann man sich so vorstellen, dab ganz bestimmte Rindenzellen, die auf einen bestimmten, anhalten- den, einf6rmigen Reiz reagieren, nach einer bestimmten Zeit ermfiden, und deshaib in den eben beschriebenen Hemmungszustand fibergehen. Dieser Hemmungszustand breitet sich dank dem Ausbleiben yon Gegen- wirkungen, yon seiten der anderen Zel|en der Rinde in den oben be- schriebenen Versuchsverh/~ltnissen (alle anderen Reize werden sorg- fiiltig ausgeschaltet), auf die ganze Rinde und die subcorticalen Zentren aus. Nach Pawlows Auffassung ist die innere Hemmung und der Schlaf

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ein und derselbe Vorgang. Hemmung ist ein lokalisierter Schlaf; der Schlaf ist eine fiber die ganze Rinde und die subcorticalen Zentra ver- breitete Hemmung.

Zum Problem des Schlafes beim Menschen fibergehend, werde ich zun/ichst die Bedingungen, welche einerseits zur Schl/~frigkeit und zum Sehlafe ffihren, andererseits das Auftreten beider verhindern, zu be- stimmen versuchen. Dabei ist es am besten mit der Besprechung der versehiedenen Faktoren, welehe auf das Auftreten des Schlafes beim Menschen einen Einflul~ haben, zu beginnen. Aus dem t/~gliehen Leben ist es allgemein bekannt, dab beim gesunden Menschen Schl/~frigkeit oder Schlaf niemals mit ten in einer regen T/~tigkeit, welche stets eine bestimmte physische und psychische Anstrengung erfordert, auftri t t . Wenn Schli~frigkeit oder Schlaf eintritt, so mfissen stets bestimmte Bedingungen erffillt sein. Davon kann man sich leicht fiberzeugen, wenn man die t/~ghchen Vorbereitungen zum Schlafe, welche der Mensch, dank der anerzogenen Gewohnheit, jeden Abend fast unwillkfirlich trifft, n/~her analysiert. Eine der Hauptbedingungen ffir das Auftreten von Schli~frigkeit und Schlaf besteht bekanntlich in einer mSglichst vollkommenen Ausschaltung aller Reize der Aul~enwelt, darauf ist die Hygiene des Sehlafzimmers gerichtet. Denn Reize, gleichgfiltig welcher Art, sind es, die einen schl/~frigen Menschen ermuntern; nicht selten aber aueh beim grSl~ten Bedfirfnis nach Sehlaf, das Auftreten desselben verhindern. An die erste Stelle gehSren hierbei die Licht- reize; sehon der rhythmische Vorgang des Schlafes, der dem rhythmi- schen Wechsel yon Tag und Nacht folgt, weist auf die grote Bedeutung der Lichtreize. Die Lichtreize liefern die grSilte Mannigfaltigkeit yon Empfindungen, welche zum Aufbau unseres Bewul~tseinsinhaltes dienen. Der Mensch schaltet die Lichtreize aus, schliel~t die Augen, wenn er einsehlafen will. Dies ist aber nicht das einzige; um besser einschlafen zu kSnnen, versucht der Mensch auch alle anderen Sinnes- reize, wenn nicht ganz aus~uschalten, so doch mSglichst einzuschr/~nken. Der Mensch sorgt daffir, dab sein Schlafzimmer mSgliehst geriiuschlos, frei von ungewohnten oder reizenden Geriichen, nicht zu warm und nicht zu kalt, sei. Zu den Vorbereitungen zum Schlaf gehSrt auch das Ein- nehmen einer horizontalen Lage, die mit einer Entspannung der Mus- kulatur yerbunden ist. Dadurch wird die Zahl der afferenten proprio- zeptiven Reize wesentlich vermindert, und ebenso die Funktion des Vestibularsystems herabgesetzt. In den Vorbereitungen zum Schlaf, welche der Menseh t/~glich trifft, findet man ganz unzweideutig die Bedingungen wieder, welche yon Pawlow f fir das Auftreten der Schl/~f- rigkeit und des Schlafes bei den Hunden als aussehlaggebend beschrie- ben sind, nhmlieh die EintSnigkeit der Umgebung und die Beschr/~n- kung der Bewegungen, mit anderen Worten, eine mSglichst vollkommene

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Ausschaltung aller ~ul~eren Reize, zugleich mit Reduktion der kin- i~sthetischen.

Fortw~hrende Reizungen der Sinnesorgane sind es, die den Wach- zustand beim Menschen und Tier bedingen, indem sie das allgemeine Erregungsniveau des ze, ntralen Nervensystems auf einer bestimmten HShe erhalten und fortdauernd Stoff flit unser Bewul~tseinsleben schaffen. Mit der Verminderung der peripheren Reize nimmt auch die mittlere ErregungshShe des zentralen Nervensystems allm~hlich ab und zugleich wird die Entwicklung yon Hemmungsprozessen begfin- stigt. Dies kann man sehr deutlich an kleinen Kindern beobachten; es gentigt 5fters sie ins Bett zu bringen, damit sie, zuvor ganz munter, schnell einschlafen. Die Reizausschaltung scheint somit bei Kindern zu genfigen, um den Schlaf auszul5sen. Aus diesen Grfinden ist es auch begreiflich, dab die mSglichst vollst~ndige Ausschaltung aller i~uBeren Reize als eine der Grundbedingungen fiir das Auftreten des Schlafes angesehen wird. Als ein Beweis daffir werden gewShnlich die bekannten Beobachtungen yon Striimpell mit dem B~ckergesellen angeffihrt, der durch den VerschluB der beiden einzig in Funktion gebliebenen Sinnes- organe, eines Auges und eines Ohres, regelm~l~ig in Schlaf versenkt werden konnte.

Da man aber in diesem Falle mit einer stark pathologischen Person zu tun hatte, haben diese Beobachtungen nur eine geringe Beweiskraft. Kreidl und Herz haben den Schlaf bei Blinden und Tauben untersucht und keinerlei Abweichungen vom Auftreten und vom Verlauf des Schlafes eines normalen Menschen gefunden. Aber auch diese inter- essanten Versuche kSnnen nicht als Gegenbeweis dienen, denn einer- seits mul~ man gerade bei Blinden und Tauben eine erhShte Reizbarkeit der anderen Sinnesorgane berficksichtigen, andererseits aber mui~ man nicht vergessen, dab nicht die Ausschaltung des einen oder des anderen Sinnesorgans, sondern die Verminderung des Erregungszustandes aller Sinnesorgane, das allgemeine Erregungsniveau des zentralen Nerven- systems vermindert und so das Auftreten des Schlafes begfinstigt.

Die soeben beschriebene Ausschaltung der Reize der AuI~enwelt mul~ aber nicht zu beschr~nkt aufgefal~t werden. Allgemein ist es doch bekannt, dab unter den gewShnlichen Verh~ltnissen von einer voll- st~ndigen Ausschaltung aller Ger~usche aus dem Schlafzimmer keine Rede sein kann, und doch schl~ft der normale Mensch unter solchen Bedingungen ungestSrt. Aus dem t~glichen Leben sind genug Beispiele bekannt, wobei der Schlaf auch bei verh~ltnism~l~ig starken Reizen eintritt. Wenn man z. B. yon einem stillen Sommeraufenthalt in eine groBe Stadt zuriickkehrt und gezwungen ist, in einem Zimmer, das an einer lebhaften VerkehrsstraBe gelegen ist, zu schlafen, so ist das Ein- schlafen in der ersten Zeit erschwert, und auch der Schlaf ist meisten-

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teils unruhig. Aber nach einer bestimmten Zeit, in direkter Abh~ngig- keit vonde r individuellen Erregbarkeit des zentralen Nervensystems, gewShnt man sich, wie es gewShnlich genannt wird, an den st6renden StraBenl~rm und schl~ft ebenso gut, wie in einem ger~uschlosen Zimmer. Auch fiir diese merkwtirdige Erscheinung findet man eine Erkl~rung in den Versuchen Pawlows mit den Hunden. Wenn man n~mlich die Versuche mit den Hunden in einem Raum, der v o n d e r Aul~enwelt nicht geniigend gut isoliert ist, anstellt, so kann man sich leicht iiber- zeugen, das jedes Gespr~ch im Nebenzimmer, jedes Ger~usch auf der Stral3e, eine deutliche Wirkung auf den Hund austibt. Bei jedem Ge- r~usch oder bei anderen, unerwartet auftretenden Reizen, wird der Hund unruhig, schaut nach der Seite, woher das Ger~tusch kommt, es tri t t eine mehr oder weniger ausgesprochene Orientierungsreaktion ein. Zu gleicher Zeit werden die bedingten Reflexe schw~cher und unbest~n- diger. Wiederholt sich aber ein solcher Reiz 5fters, oder nimmt er einen best~ndigen Charakter an, dann verschwindet allm~hlich die Orien- tierungsreaktion, und die Wirkung dieses Reizes auf die bedingten Reflexe wird stets kleiner, bis er zuletzt ganz unwirksam wird. Ver- gleicht man diese Erfahrungen Pawlows an Hunden mit dem oben angeftihrten Beispiel der stSrenden Wirkung der StraBenger~usche auf das Einschlafen des Menschen, so kann man sich leicht iiberzeugen, dab man in beiden F~llen mit ein und derselben Erscheinung im zen- tralen Nervensystem zu tun hat. Diese Erscheinung beruht auf einer besonderen Eigenschaft des zentralen Nervensystems; es reagiert n~mlich auf jeden Reiz, welcher aus der Umwelt kommt, nur so lange derselbe neu ist oder jedes mal ganz unerwartet auftritt, wiederholt sich jedoch ein solcher Reiz 6fters, dann verliert er seine Wirkung, wenn er keine weitere Bedeutung ftir das Leben oder das Wohlsein des Orga- nismus hat.

Aul~er den eben beschriebenen Ausschaltungen der exterozeptiven und propriozeptiven Reize, spielt auch der allgemeine psycho-physi- sche Erregungszustand des zentralen Nervensystems eine nicht minder wichtige Rolle beim Entstehen der Schlafzust~nde beim Menschen. St6rungen des Schlafes, welche beim Menschen am h~ufigsten vor- kommen, werden, wie allgemein bekannt, haupts~chlich durch allerlei Gedanken, Aufregungen und Sorgen verursacht. Alle diese psychischen Prozesse, welche auf Dauererregungen in der GroBhirnrinde beruhen und als Nachwirkungen der Erlebnisse des Tages anzusehen sind, k6nnen das allgemeine Erregungsniveau der Rinde w~thrend l~ngerer Zeit auf einer bestimmten H6he erhalten. Wenn es auch gelingt, die ~ul~eren Reize auszuschalten, so k6nnen diese intrazentralen, ideatorischen Erregungen, wie sie von Ebbeke genannt werden, den Menschen nicht zur Ruhe kommen lassen. Aus dem t~glichen Leben sind aber ver-

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schiedene Mittel bekannt, mit welchen es in vielen F~llen gelingt, diese intrazentralen psycho-physischen Erregungszust~nde zu d~mpfen und auch ganz zu unterdriicken. Hierher gehSren die verschiedenen Haus- mittel, welche allgemein zur Ablenkung der stSrenden Gedanken empfohlen werden. Gut bekannt ist die einschl~fernde Wirkung des Lesens eines Buches, welches die Gedanken in Ansprueh nimmt, ohne durch seinen Inhalt aufzuregen; auch das Aufsagen von Versen, Zahlen usw. gehSrt zu solchen einschl~fernden Mitteln.

Es sind aber auch aul3ere Reize bekannt, welche auch am Tage beruhigend wirken und bei gfinstigen Bedingungen das Auftreten von Schlafzust~nden fSrdern. Der eintSnige Klang der Stimme beim Wiegen- lied ist ein treffendes Beispiel dafiir. Derselbe eintSnige Klang einer Stimme beim Lesen eines Buches oder Halten eines Vortrages, der auch durch den Inhalt die Aufmerksamkeit des ZuhSrers nicht beansprucht, wirkt gleichfalls einsehl~fernd. Dieselbe Wirkung haben auch andere akustisehe Reize, z. B. das gleichm~Bige Ticken einer Uhr, das Rauschen des Regens, das Rattern des Eisenbahnwagens. J~hnlich kSnnen auch optische Reize wirken; das Tanzen des Kaminfeuers, das langsame Fallen der Schneefloeken haben, eine beruhigende Wirkung und pr~- disponieren zum Schlaf. Bei kleinen Kindern ist auch eine Reihe taktiler Reize bekannt, welche eine einschl~fernde Wirkung haben, wie das Streichen der Stirn, das Schaukeln und Wiegen (Ebbeke). Untersucht man die Wirkungsweise der eben beschriebenen Reiz~ n~her, so kann man sich leicht fiberzeugen, da~ die beruhigende und einsehl~fernde Wirkung nicht in diesen Reizen selbst, sondern in dem einfSrmigen und anhaltenden Auftreten derselben liegt,

In allen diesen Fallen findet man eine Schl~frigkeit nicht infolge der Ausschaltung aller ~ul3eren Reize, sondern sie tritt dank der Wir, kung dieser ~ul3eren Reize, welche auf die Sinnesorgane wirken, ein, sobald diese Reize einen eintSnigen und anhaltenden Charakter annehmen, Diese merkwiirdige Wirkung der eintSnigen und anhaltenden ~uI3eren Reize erinnert aul3erordentlich an die von Pawlow festgestellten Bedin, gungen fiir das Auftreten der Schli~frigkeit und des Schlafes bei Hunden. Wie in den Versuchen Pawlows, so wirken auch in den beschriebenen F~llen anhaltende und einfSrmige Reize einschl~fernd auf den Menschen, wenn sie unter mSgliehst gleichen Verh~ltnissen der Umgebung auftreten, vorausgesetzt natfirlich, dab die psycho-physischen Prozesse, die sich in der GroBhirnrinde best~ndig abspielen, ein bestimmtes Erregungs- niveau nicht iiberschreiten. Gleichwie Pawlow in seinen Versuchen mit den Hunden das Auftreten von Schl~frigkeit und Schlaf bei der Wirkung eines anhaltenden und einfSrmigen Reizes auf eine innere Hemmung in der GroBhirnrinde zurfickffihrt, so kann man ohne Zweife! fiir das Entstehen derselben Erscheinungen beim Menschen gleichfalls

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das Auftreten einer inneren Hemmung annehmen. Auch beim Menschen kann somit ein anhaltender, einfSrmiger Reiz, wenn er nicht von anderen gleichzeitigen oder nachfolgenden Reizen begleitet wird, eine innere Hemmung in bestimmten Zellen der GroBhirnrinde hervorrufen, welche sich fiber die ganze Rinde und die subcorticalen Zentra ausbreiten kann. Auch beim Aufsagen von Versen und Zghlen, beim Lesen eines lang- weiligen Buches, welche wir zur Ablenkung der stSrenden Gedanken anwenden, haben wir mit demselben ProzeB in der Grol~hirnrinde zu tun.

In allen oben besprochenen Fallen handelt es sich ohne Zweifel um eine Verminderung des allgemeinen Erregungszustandes der GroG- hirnrinde, welche einerseits auf der Abnahme der Wirkung ~u{~erer und innerer Reize, also auf der Verminderung der Erregungsprozesse beruht, andererseits infolge der Hemmung entsteht, welche durch die Wirkung anhaltender, einfSrmiger Reize hervorgerufen wird. Es ist ja leicht zu begreifen, dab das mittlere Erregungsniveau des zentralen Nervensystems im allgemeinen, und das der GroBhirnrinde ganz be- sonders, als das Resultat der im gegebenen Moment herrschenden Erregungs- und Hemmungszust~nde angesehen werden mul~. 13ber- wiegen die Erregungszust~nde in einem gegebenen Augenblick, dann steigt das mittlere Erregungsniveau der GroBhirnrinde, iiberwiegen da- gegen die Hemmungszust~nde, dann sinkt das mitt[ere Erregungsniveau.

W~hrend des ganzen Tages empfangen die Zellen der Grol~hirn- rinde fortdauernd unzghlige Reize aus der Umwelt; dadurch entstehen fortwghrend immer neue Erregungsherde, deren Anzah| durch die asso- ziative T~ttigkeit der Rinde noch unendlich vergrSf~ert wird. Bei zahl- losen Wiederholungen der meisten Reize, welche zweifellos w~hrend des ganzen Tages stattfinden, mfissen auch Ermfidungserscheinungen in bestimmten Zellen der Rinde auftreten. Demzufolge entstehen nach Pawlow neben den Erregungsherden auch noch Hemmungsherde in der Gro{~hirnrinde. Diese beiden Prozesse : Erregung und Hemmung, welche sich, wie die Versuche yon Pawlow gezeigt haben, von ihrer Ursprungsstelle nach allen Richtungen fiber die Rinde verbreiten, irra- dieren kSnnen, neutralisieren sich fortwahrend, so dab das mittlere Erregungsniveau der Rinde am Tage auf einer bestimmten HShe bleibt. Sinkt das mittlere Erregungsniveau infolge des Ausbleibens ~uBerer Reize, und sind auch die psychischen Prozesse, also die inneren Er- regungszust~nde, nicht zu lebhaft, herrscht sin Zustand von Gleich- gfiltigkeit, so kann, wie schon oben erw~hnt, ein anhaltender, einfSr- miger Reiz auch mitten am Tage Sehlgfrigkeit hervorrufen. In diesen F~l|en tritt augenscheinlich ein Uberwiegen der Hemmungszust~nde ein und das allgemeine Erregungsniveau der GroBhirnrinde sinkt.

Infolge der sich fortwghrend wiederholenden, ~ufieren und inneren Reize, treten im Laufe des Tages Ermfidungserscheinungen in eine~

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stets zunehmenden Anzahl von Zellen der GroBhirnrinde auf, welche zur Entstehung zahlreicher Hemmungsherde fiihren. In tJbereinstim- mung mit den von Pawlow festgestellten Gesetzen der Irradiation yon Erregungs- und Hemmungszust/~nden, zeigen diese Hemmungsherde eine Neigung, sich fiber die ganze Rinde zu verbreiten, sie werden aber w/~hrend des Tages, so lang sich der Mensch in reger T/~tigkeit befindet, durch die stets von neuem auftretenden Erregungsherde daran ver- hindert. Die Erregungsprozesse, welche gleichfalls fortw/~hrend an verschiedenen Stellen der Rinde entstehen, irradieren ebenfalls und neutralisieren so die Wirkung der Hemmungsprozesse. Infolgedessen bleibt auch das mittlere Erregungsniveau der GroBhirnrinde auf einer bestimmten H6he. Am Ende des Tages nehmen die Ermfidungs- und Hemmungserscheinungen in der GroBhirnrinde selbstversti~ndlich merk- bar zu, infolgedessen sinkt das mittlere Erregungsniveau. Deshalb wird der Mensch nach einem in reger T/~tigkeit verbrachten Tage am Abend, wenn er allein bleibt und seine Gedanken durch niehts bean- sprucht werden, leicht schl/ifrig. Die Hemmungsprozesse nehmen in diesen Fallen die Oberhand, das allgemeine Erregungsniveau kann aber noch stets auf einen bestimmten Grad erh6ht werden. Ger/~t der Mensch in ein Gespr/~ch, wird er durch irgendeinen /~uBeren Reiz oder einen pl6tzlich einfallenden, aufregenden Gedanken erschreckt, so verschwindet in beiden F~llen die Schl/~frigkeit; in der GroBhirnrinde entstehen starke Erregungsprozesse, welche die Hemmungsprozesse mehr oder weniger neutralisieren und selbst ffir einige Zeit die Ober- hand gewinnen.

Wenn der Mensch des Abends, beim Schlafengehen, die schon oben beschriebenen, zur Gewohnheit gewordenen, MaBnahmen trifft, so versucht er alle /~uf3eren Reize nach M6gliehkeit auszuschalten, da- durch sorgt er dafiir, dal~ keine neuen Erregungen auftreten. Das Erregungsniveau der Grol~hirnrinde, das w/ihrend des Tages bis zu einem bestimmten Grade gesunken ist, wird dank diesen MaSnahmen nicht mehr erh6ht, sondern im Gegenteil durch das Ausbleiben neuer Reize noch mehr vermindert. Die Hemmungserscheinungen nehmen demzufolge immer mehr zu und der Schlaf tritt ein. Es ist nicht aus- geschlossen, dai3 auch die W/~rme des Bettes die Wirkung eines anhal- tenden, einf6rmigen Reizes hat und somit die Hemmungsprozesse noch verst/irkt. Die Versuche Pawlows haben doch gezeigt, dal~ gerade die thermischen Reize bei den Hunden ganz besonders oft zur Schl/tf- rigkeit fiihren.

Wie schon oben erw~hnt, verschwinden die Hemmungserschei- nungen, welche bei den Hunden w/~hrend den Versuchen mit den be- dingten Reflexen entstehen, ganz spontan. Die Hemmungsersehei- nungen, die in der Grof~hirnrinde bei der Ermiidung bestimmter Zell-

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gruppen entstehen, bewahren nach der Auffassung von Pawlow die Zellen vor ErchSpfung; wi~hrend des Hemmungszustandes findet eine Wiederherstellung der Zellen statt. Mit dieser Wiederherstellung der Rindenzellen nimmt auch ihre Empfindlichkeit ftir die verschiedenen Reize begreiflicherweise zu. Das allgemeine Erregungsniveau der Gro$- hirnrinde steigt somit nachts, und somit nimmt auch die MSglichkeit, wieder wach zu werden, gleichfalls zu; die Versuche yon Michelson sprechen daffir. Michelson, der die Schlaftiefe bei normalen Menschen bestimmte, konnte eine allmi~hliche Verflachung des Schlafes gegen den Morgen zu feststellen, welche durch kleine erneute Vertiefungen unter- brochen war. Michelson vermutete deshalb, dal~ es sich hier um zwei antagonistische Vorgi~nge, Erregung und Hemmung, handelt. Der eben beschriebene Verlauf der Erregungs- und Hemmungsprozesse in der GroShirnrinde gibt somit eine Erkl/irung fiir die Periodiziti~t des Schlafes.

Fassen wit alles besprochene kurz zusammen, so kSnnen wir uns leicht fiberzeugen, da$, wie bei den Versuchen Pawlows an Hunden, so auch beim Menschen der Schlaf als ein Hemmungsproze$, der in der Groi~hirnrinde entsteht und sich yon hier auch auf die subcorticalen Zentren ausbreiten kann, aufgefaBt werden kann. Selbstversti~ndlich sind unsere Kenntnisse noch unzureichend, um das ganze Problem des Schlafes in vollkommen befriedigender Weise zu erkl/iren; dank den angefiihrten Untersuchungen Pawlows, ist aber ein grol~er Fortschrit t in der Richtung zur Kliirung dieser schwierigen Frage gemacht worden.

Bis jetzt habe ich nur fiber das Auftreten von Hemmungszusti~nden in der Grol~hirnrinde gesprochen, welche zur Schli~frigkeit und zum Schlafe ffihren. Seit den Versuchen yon Goltz ist es abet bekannt, da$ grol~hirnlose Hunde ebenfalls schlafen. In der letzten Zeit sind sowohl yon Pathologen, als auch yon Physiologen Beobachtungen gemacht worden, welche es sehr wahrscheinlich machen, da$ Schlafzust/~nde auch im Zwischenhirn und Mittelhirn entstehen kSnnen. Diese Beob- achtungen haben selbst zur Annahme eines Schlafzentrums geffihrt. Inwiefern diese Annahme berechtigt ist, will ich hier nicht welter er- 5rtern, daf~ abet auch in diesen Abschnitten des Gehirns Hemmungs- zusti~nde entstehen kSnnen, welche zu schlaf/~hnhchen Zustiinden fiihren, haben meine Versuche mit der sogenannten tierischen Hypnose gezeigt. Ich konnte ni~mlich Tiere ohne Grol~hirn in Hypnosezusti~nde versetzen, wenn ich einen einfSrmigen taktilen Reiz unter ein und den- selben Bedingungen li~ngere Zeit auf das Tier wirken lieB. Da diese Hypnosezusti~nde auf eine Hemmung zurfickgeftihrt werden mfissen, so war damit die MSglichkeit unter der Einwirkung eines anhaltenden, einfSrmigen Reizes in einen Hemmungszustand fiberzugehen, auch ffir die subcorticalen Zentren bewiesen. In Analogie hiermit kann man

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unter bestimmten Bedingungen auch beim Menschen das Auftreten von Hemmungsprozessen, die zum Schlafe fiihren, in diesen Gebieten des zentralen Nervensystems annehmen. Da aber die GroBhirnrinde, der alleinige Sitz des psychischen Lebens, der Wirkung der Reize, welche aus der Umwelt kommen, am meisten ausgesetzt ist, so ist es am wahr- scheinlichsten, anzunehmen, dab unter normalen Verhaltnissen hier das Entstehen der Hemmungsprozesse, und also auch des Schlafes, zu lokalisieren ist.

Das Auftreten des Schlafes, an dem zweifellos der ganze Organis- mus teilnimmt, muG, wie es oben zu sehen war, in der GroBhirnrinde und den subcorticalen Zentren lokalisiert werden. Hier entstehen die Hemmungsprozesse, welche zum Schlafe des ganzen Organismus ftihren. Der Schlaf ist ein komplizierter, biologischer Zustand, der sich durch die Herabsetzung fast aller physischer und psychophysischer Leben.s- erscheinungen des Organismus charakterisiert. Kreislauf und Atmung, Driisensekretion, Stoffwechsel, Muskel- und Nerventatigkeit, zeigen wahrend des Schlafes mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Ver- anderungen. Alle diese somatischen Erscheinungen wahrend des Schlafes sind aber nicht primarer Natur, sie werden vielmehr direkt oder indirekt durch die Prozesse im zentralen Nervensystem hervor- gerufen. Anderseits ist es aber gut bekannt, dab die Funktionen des zentralen Nervensystems von den somatischen Prozessen in hohem Grade beeinfluBt werden. Die Erfahrungen der Pawlowschen Schule weisen gerade dareuf hin, dab die inkretorischen Organe einen groBen EinfluB auf die Tatigkeit des GroBhirns ausiiben. Sawitsch, der die Hendlungen des Menschen im Zusammenhang mit der Lehre von den bedingten Reflexen und der internen Sekretion bespricht, weiBt darauf hin, dab die Funktion der GroBhirnrinde in einer direkten Abhangig- keit vonder chemischen Beschaffenheit des Blutes steht. Durch die inkretorischen Stoffe, welche mit dem Blute das zentrale Nervensystem erreichen, wird eine Art Bereitschaft der Rinde und der verschiedenen Zentren fiir Erregung und Hemmung hervorgerufen. Aus der Patho- logie ist es gleichfalls gut bekannt, dab die Sekretion der inkretorischen Organe einen groBen EinfluB auf das zentrale Nervensystem austibt. So findet man in den Fallen von verminderter Funktion der Schild- drtise, bei den Hypothyreosen, meistens eine ausgesprochene Triigheit der nerv6sen Prozesse; bei den Kretinen wird nicht selten eine Schlaf- rigkeit, ja selbst Schlafsucht beobachtet. Die Falle mit einer erhShten Tatigkeit der Schilddrtise, die Hyperthyreosen, sind dagegen durch die leichte Erregbarkeit des zentralen Nervensystems charakterisiert; Schlaflosigkeit oder unruhiger Schlaf sollen bei solchen Kranken nicht zu den Seltenheiten gehSren (Biedl). Auch fiir andere inkretorische Organe sind ahnliche Wirkungen auf das zentrale Nervensystem be-

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schrieben. Durch die Stoffe der inneren Sekretion wird somit das all- gemeine Erregungsniveau des zentralen Nervensystems beeinflu~t. Wie oben schon dargelegt, wird das Auf t re ten der Schli~frigkeit und des Schlafes durch die Abnahme des Erregungsniveaus bedingt.

Die Bedeutung der inkretorischen Organe beim Auft re ten von Schlaf- zusti~nden wird durch die Beobachtungen Adlers fiber den Winter- schlaf der Tiere gleichfalls best~ttigt. Der Winterschlaf, der nach Tr6m- ner viel ~bere ins t immung mit dem gewShnlichen Schlaf zeigt, wird, wie die Untersuchungen Adlers gezeigt haben, durch best immte Ver- ~nderungen in der Funk t ion der inkretorischen Organe, haupts~chlich der Schilddrfise, bedingt.

Die verschiedenen Inkre te sind aber nicht die einzigen Stoffe, welche durch die Blu tbahn in das zentrale Nervensys tem gelangen und so- mi t auch einen Einflu~ auf das Auf t re ten der Schlafzust~nde haben kSnnen. Wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, sind auch die anorganischen Bestandteile des Blutes ffir das Ents tehen von Schlaf- zus tanden von Bedeutung. Nachdem Cloetta und Thomann gezeigt hat ten, dal~ w~hrend der Narkose eine Abnahme des Caleiumgehaltes im Blutplasma stat t f indet , haben Glaser w~hrend des hypnoti~chen, Demole w~hrend des normalen Schlafes eine Verminderung des Calcium- gehaltes im Blute festgestellt. Demole, Berggren und M6berg konn ten bei Ka tzen nach In jekt ionen von CaC12 in das Zwischen- oder Mittel- hirn Sehlafzust~nde hervorrufen. Ebbeke konnte beim Frosche nach Injelctionen sowohl von Ca-Salzen, als auch verschiedener anderer Stoffe (z. B. Narkotika), i~hnliche Zust~nde beobachten. Diese Unter- suchungen sind ohne Zweife! yon gro[~er Bedeutung, da sie vielleicht die ersten Hinweise auf die chemischen Prozesse sind, die der Hemmung , welche zum Schlafe fiihrt, zu Grunde liegen.

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