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Heft3] 1977 261 J. 0rn. 118,1977:S. 261--267 Zur Frage der H/iufigkeit von Zweitbruten beim Haubentaucher (Podiceps eristatus) Von Herwig Zang 1. Einleitung Zur Zahl der Bruten beim Haubentaucher schreiben BAUER & GLUTZ (1966): ,,In Mitteleuropa in der Regel nut eine Jahresbrut. W~ihrend normale Zweitbruten in Grof~britannien recht h~,iufig vorkommen (JoI3RDAIN in WITI~ER~Y 4, 1943), scheinen sie bier eher selten." Im Original bei Jo~31~DmN heii~t es ,,Often single- brooded, but instances of two broods not rare." HOLLOlVl(1971) schreibt fiir Groi~- britannien ,,Generally one, sometimes two broods". Diese Begriffe ,,recht h~ufig -- nicht selten -- manchmal" fiir Grof~britannien bzw. ,,eher selten" ffir Mitteleuropa sind vage und besagen recht wenig. Deshalb ist es erforderlich, den Anteii der Zweitbruten zahlenm~ii~ig anzugeben, um einen sinnvollen Vergleich anstellen zu k~Snnen (vgl. L6HRL 1970). Dies will ich versuchen, ffir Mitteleuropa im wesent- lichen eingeschr~nkt auf meine Kennmisse der niedersiichsischen und z.T. auch der westdeutschen Population. Der Vergleich w~ire unvollstiindig, wenn nicht gleich- zeitig die Frage nach mSglichen und insbesondere vergleichbaren Vorbedingungen Rir Zweitbruten untersucht wird. Den im Folgenden genannten Damen und Herren bin ich ffir oft zahlreiche briefliche Aus- kiinfte zu Dank verpflichtet, ebenso Frau C. LASXE (Gosla,r) ffir die l[~bertragung der Zusammenfassung ins Englische. 2. Zum Anteil der Zweitbruten in Grot~britannien Aus England stammen die ersten Zweitbrutnachweise ffir den Haubentaucher; HARRISSON & HOLI~OM (1931) erkennen 25 Nachweise an. Der friiheste stammt aus dem Jahre 1925; auf das Jahr 1931 entfallen 10, wobei insgesamt 1154--1161 Paare gez~ihlt wurden. Danach unternahmen also mindestens 0,870/0 der Paare nach erfolgreicher Erst- eine Zweitbrut. Dies ist ein Mindestwert, dernur die zuver- l~issigen Nachweise beriicksichtigt. SIMMONS (1974) errechnet aus HARRISSON & HOLLOM (1931) 4,3 0/0 Zweitbrutanteil, ohne allerdings n~iher anzugeben, wie er auf diese Zahl kommt. Von 1948--1957 stellte er in Burghfield und Oldtheale 4,6 0/0 Zweitbrutanteil lest. Bei der Gesamtz~ihlung ffir Grot~britannien 1965 wurden 1 1 % ermittelt (PI~ESST & JEFFERIES 1969). SIMMONS (1974) bemerkt zu diesem hohen Anteil, daf~ zur Bildung yon Zweitbruten entsprechend giinstige Bedingungen nut selten auftreten; 1965 miissen diese besser gewesen sein als sonst. Insgesamt l~if~t

Zur Frage der Häufigkeit von Zweitbruten beim Haubentaucher(Podiceps cristatus)

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Heft3] 1977 261

J. 0rn. 118,1977:S. 261--267

Z u r Frage der H/iufigkeit von Zweitbruten b e i m

H a u b e n t a u c h e r (Podiceps eristatus)

Von Herwig Zang

1. Einleitung

Zur Zahl der Bruten beim Haubentaucher schreiben BAUER & GLUTZ (1966): ,,In Mitteleuropa in der Regel nut eine Jahresbrut. W~ihrend normale Zweitbruten in Grof~britannien recht h~,iufig vorkommen (JoI3RDAIN in WITI~ER~Y 4, 1943), scheinen sie bier eher selten." Im Original bei Jo~31~DmN heii~t es ,,Often single- brooded, but instances of two broods not rare." HOLLOlVl (1971) schreibt fiir Groi~- britannien ,,Generally one, sometimes two broods". Diese Begriffe ,,recht h~ufig - - nicht selten - - manchmal" fiir Grof~britannien bzw. ,,eher selten" ffir Mitteleuropa sind vage und besagen recht wenig. Deshalb ist es erforderlich, den Anteii der Zweitbruten zahlenm~ii~ig anzugeben, um einen sinnvollen Vergleich anstellen zu k~Snnen (vgl. L6HRL 1970). Dies will ich versuchen, ffir Mitteleuropa im wesent- lichen eingeschr~nkt auf meine Kennmisse der niedersiichsischen und z.T. auch der westdeutschen Population. Der Vergleich w~ire unvollstiindig, wenn nicht gleich- zeitig die Frage nach mSglichen und insbesondere vergleichbaren Vorbedingungen Rir Zweitbruten untersucht wird.

Den im Folgenden genannten Damen und Herren bin ich ffir oft zahlreiche briefliche Aus- kiinfte zu Dank verpflichtet, ebenso Frau C. LASXE (Gosla,r) ffir die l[~bertragung der Zusammenfassung ins Englische.

2. Zum Anteil der Zweitbruten in Grot~britannien

Aus England stammen die ersten Zweitbrutnachweise ffir den Haubentaucher; HARRISSON & HOLI~OM (1931) erkennen 25 Nachweise an. Der friiheste stammt aus dem Jahre 1925; auf das Jahr 1931 entfallen 10, wobei insgesamt 1154--1161 Paare gez~ihlt wurden. Danach unternahmen also mindestens 0,870/0 der Paare nach erfolgreicher Erst- eine Zweitbrut. Dies ist ein Mindestwert, d e r n u r die zuver- l~issigen Nachweise beriicksichtigt. SIMMONS (1974) errechnet aus HARRISSON & HOLLOM (1931) 4,3 0/0 Zweitbrutanteil, ohne allerdings n~iher anzugeben, wie er auf diese Zahl kommt. Von 1948--1957 stellte er in Burghfield und Oldtheale 4,6 0/0 Zweitbrutanteil lest. Bei der Gesamtz~ihlung ffir Grot~britannien 1965 wurden 1 1 % ermittelt (PI~ESST & JEFFERIES 1969). SIMMONS (1974) bemerkt zu diesem hohen Anteil, daf~ zur Bildung yon Zweitbruten entsprechend giinstige Bedingungen nut selten auftreten; 1965 miissen diese besser gewesen sein als sonst. Insgesamt l~if~t

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sich feststellen, dai~ der Anteii der Zweitbruten in Groi~britannien im Mittel wohl bei 1--5 % liegt. Er zeigt deutliche j~ihrliche Schwankungen.

3. Zum Anteil der Zweitbruten in Niedersachsen

Die ersten zuverl~ssigen Zweitbrumachweise aus Deutschland stammen aus Nieder- sachsen bei Braunschweig in den Jahren 1952 und 1961 (ULLRmH 1962). Nach diesem Anstof~ folgten bald zahlreiche weitere Feststellungen: Auf dem Darnsee bei Bramsche, Bez. Osnabrtick 1958--1962 (KuNz 1963), im Teichgebiet Laatzen 1943, 1966, 1967, 1969, 1974 (C. BR~UNING brfl.) und 1975 (J. PREss brfl.), auf dem Annateich in Hannover 1966 (RINGLr~EN & SCHRAMM 1969), 1971, 1972, 1974 (zweimal), wahrscheinlich auch 1967 und 1968 (A. SCHRAMM brfl., H.-D. MARTENS brfl.), auf dem Kl~rteich der Grube Fortuna bei Heissum, Lkr. Goslar 1972 und 1973 (L. ST~INER brfl.), auf dem Grot~en Schillerteich in Wolfsburg 1971 (LATzEL 1974), auf einem Fischteich in einer frtiheren Kiesgrube N Denstorf bei Braunschweig 1973, 1974 und 1976 (F. M~LC~tERT brfl.) und auf einem Kiesteich im Steinfeld NE Goslar 1976 (P. KUNZe, Verf.).

Diese 25 Zweitbrutnachweise, davon 23 in den Jahren 1958--1976, verteilen sich nahezu gleichm~iffig auf die letzten 19 Jahre. Ihre Feststellungen sind eher zufiillig und stellen somit eine Mindestzahl dar. Alle zuverl~issigen Zweitbrutfeststellungen sind auf kleineren, meist nur wenige Brutpaare beherbergenden Gewiissern gemacht. Auf den beiden grof~en Seen Niedersachsens, Diimmer und Steinhuder Meer, sind ebenfalls Zweitbruten wahrscheinlich (vgl. WEISSKOPPEL 1975), doch ist ihr Nach- weis schwierig. Deshalb sind zur Berechnung des Mindestanteils fiir Niedersachsen diese Brutpaare nicht mitgez~ihlt. 1974 wurden aui~erhalb der beiden grot~en Seen 243--251 Paare gez~hlt (ZiNg 1976). Das ergibt for 1958--1976 einen Mindest- anteil yon 0,49 °/0 Zweitbruten. Bei der Z~ihlung 1974 in Niedersachsen wurde die Frage nach den Zweitbruten nut in Siid- und Siidostniedersachsen gestellt (Regie- rungsbezirke Hannover ohne Steinhuder Meer und Hildesheim und der Verwaltungs- bezirk Braunschweig). Hier wurden 4 Zweitbruten beobachtet; bei 80 Brutpaaren bedeutet dies 5 0/o der Paare.

Folgende lokale Feststellungen haben insofern Bedeutung, da es sich hierbei urn meist langj~.hrige und genaue tiber die gesamte Brutzeit gehende Beobachtungsreihen handelt: a) Kiesteiche in der Leineniederung S Hannover: ca. 2,5 0/0 Zweitbrutanteil (5 Zweitbruten bei ca. 200 Bruten yon 1966--1975, C. BR~UNINO brfl., J. PREss brfl.), b) Annateich in Hannover: 18,5--25,9°/o (mind. 5--7 Zweitbruten bei 27 Bruten 1966--1975, RINGLE~EN & SCHRAma 1969, A. Sct~RAma bell., H.-D. MARTENS brfl.), c) Teiche in Wolfsburg: 2,6 °/o (1 Zweitbrut bei 39 Bruten 1965 bis 1976, LATZEL 1974 U. brfl., M. FLAI)E brfl.), d) Raffteich und Denstorfer Teich am Ostrand von Braunschweig: 300/0 (3 Zweitbruten bei 10 Bruten 1969--1976, F. MELCI~ERT brfl.), e) Kliir- und Kiesteiche im niSrdlichen Harzvorland: 15,8 °/o (3 Zweitbruten bei 19 Bruten 1969--1976, P. KuNzr brfl., L. STEINeR brfl., Verf.).

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Damit ergeben die Brutpliitze a)--e) 17 Zweitbruten bei 295 Bruten; das ist seit etwa 1966 ein Anteil von 5,8 °/0. Man kann in Niedersachsen den Anteil der Zweit- bruten im Mittel wohl bei 1--5 °/0 ansetzen.

4. Zum Anteil der Zweitbruten in Westdeutschland

Neben Niedersachsen sind mir quantitativ verwertbare Daten nur aus Hessen und dem Saarland bekannt: FiJr Hessen l~i~t sich nach BrRG-ScHLOSSEI~ (1968) ein Zweit- brutanteil yon 2,6 °/0 sch~itzen (3 Nachweise 1964 und 1965 bei i~ihrlich 54--62 Brut- paaren). FiJr das~Saarland ergab die erst seit 1971 bestehende Brutpopulation fiJr 1971--1975 10 °/0 Zweitbruten (HrYNE 1975, 1976). Fi.ir Schleswig-Holstein nennt R. K. BrRNDT (1974) Zweitbruten ,,mSglicherweise nicht selten" und gibt 5 Nach- weise an. Eine Feststellung auf den groi~en Seen ist ~ihnlich wie in Niedersachsen schwierig. Insgesamt kann man vermuten, dafg in West- und Nordwestdeutschland der Anteil der Zweitbruten ebenfalls in der GrSt~enordnung yon 1--5 °/0 liegen diJrfte.

5. Erfolg der Zweitbruten in Niedersachsen

Um eine Aussage iiber die Fortpflanzungsrate einer Art machen zu kSnnen, ist neben dem Anteil der Zweitbruten auch deren Erfolg yon Bedeutung. Aus Nieder- sachsen liegen mir hierzu folgende Daten vor: Bei Zweitbri~tern wurden in der ersten erfolgreichen Brut 5 X 1, 6 X 2, 6 )< 3 und 3 × 4 Junge fliJgge, im Mitre] 2,35 Junge pro Paar (n = 20); die 2. Brut war zweimal erfolglos und ergab 6 X 1, 9 5< 2 und 3 X 3 fliigge Junge, im Mittel 1,65 Junge pro Paar (n = 20). Damit unterscheidet sich der Mittelwert fi.ir die erste Brut kaum yon dem der erfolgreichen Brutpaare in Niedersachsen mit 2,29 (n ~ 194, ZANG 1976). Dies unterstreicht auch die Abb., die zeigt, dat~ der Schli.ipftermin der Zweitbriiter sich dem aller Brutpaare gut einpaf~t. Der Bruterfolg atler Brutpaare betr~igt in Niedersachsen 1,48 Junge je Paar (ZANG 1976), legt man weiter einen Zweitbrutanteil yon 1--5 °/0 zugrunde, so erhSht sich der Gesamtbruterfolg um 1,1--5,5 °/0 auf 1,5--1,56 Junge je Paar (das kSnnen in Niedersachsen bis 65 fliigge Junge je Jahr zusiitzlich sein).

6. Diskussion

Trotz der Schwierigkeiten, die einem Vergleich des vorgelegten Materials entgegen- stehen, wie z. B. die unterschiedliche GrSf~e des Zweitbrutanteils in den verschiedenen Jahren (vgl. L6HI~L 1970), die Zuverl~issigkeit der Feststellungen, die Intensit~it der Beobachtungst~itigkeit, meine ich feststelten zu kSnnen: Der Zweitbrutanteil des Haubentauchers in Grof~britannien und in Niedersachsen liegt mit 1--5 °/0 etwa gleich hoch, nur lokal bzw. in einzelnen Jahren wird dieser Anteil deutlich tiber- schritten. Die in 4 fiir Hessen und das Saarland angegebenen Abschiitzungen lassen vermuten, daf~ diese Aussage auf Nordwest- und Westdeutschland ausgedehnt werden kann. Ob sie generell gilt oder nur fiir die letzten Jahrzehnte, soll weiter unten noch diskutiert werden.

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April Moi duni JoE August September

Abb. Die Schliipftermine des Haubentauchers in Niedersachsen nach Dekaden (n = 203). Durchge- zogen = alle Brutpaare; gestrichelt = Zweitbrti- ter (1. Brut), punktiert = Zweitbriiter (2. Brut). The hatching-times of the Great Crested Grebe in ten days periods (n = 203); lines = all breeding-pairs, broken lines = second brooders (lst brood), dotted lines--second brooders

(2nd brood).

KuNZ (1963) vermutet, dat3 die Zweitbrutnachweise in Niedersachsen auf die in den letzten Jahren milden atlantischen Winter, die eine Vorverlegung des Legebeginns bedingt haben sollen, zur~ickzuftihren sind. Andere Autoren (MELDE 1973, R .K. B~I~NDT 1974) iibernehmen dies. Urn diese Frage zu prtifen, erscheint es mir not- wendig, den Legebeginn der 1.Brut der Zweitbriiter mit dern der gesamten Population zu vergleichen. Da der Legebeginn nur selten bekannt ist, habe ich ersatzweise den viel leichter zu errnittelnden Schliipftermin zum Vergleich heran- gezogen, die Kurve des Legebeginns liif~t sich daraus durch Verschieben um etwa 3 Dekaden nach links erhalten. In der Abbildung zeigt sich fiir Niedersachsen, dai3 sich die Kurve fiir die Zweitbri~ter gut in die der i~brigen Paare einpai~t (r = 0,88; n = 7; P = 0,01). Eine Verschiebung zu frtiherem Legen ist erkennbar, aber nicht so grof~, dal3 sie aus dern Rahmen fiillt (Students+Test: t = 2,40; n = 7; P > 0,05). Darnit ist gezeigt, dai3 ein fri~her Legebeginn nicht die Ursache ftir den Beginn der Zweitbruten sein kann (vgl. L6HRL 1972).

Aus der Abb. ist ftir Niedersachsen neben der Zwei-(Drei-)gipftigkeit auch der Zeitraum des Legens abzulesen. Er erstreckt sieh yon der 2. M~irzdekade bis zur 2. Augustdekade, also fiber 5 Monate, mit einem Gipfel in der 2.--3. Aprildekade (vgl. auch WEISSK6VV~n 1975). Vergleichsdaten fiir Niedersachsen fehlen aus friiheren Jahren weitgehend, lediglich BLASlUS (1896) nennt fiir das Braunschweiger Gebiet: . . . . . volles Gelege zweite Woche A p r i l . . . " Auch die 14 Einzeldaten des Legens bei BLAsIus (1863) passen gut in die Abbildung. Darnit ist zumindest angedeutet, dai~ sich hier langfristig kaum etwas gdindert haben diirfte.

F/.ir Grof~britannien gibt JOURDAIN in WITHERBY (1940) fiir das Legen an: ,,Gelegentlich im April, gewiShnlich im Mai his Juli und manchrnal August/Sep- tember", nach SImMOnS (1974) erstreckt sich das Legen ,,irn Extrem yon Februar bis September, normalerweise yon M~irz bis August", eine genaue Kurve fehlt leider.

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Abet auch so wird deutlich, dalg der Legebeginn ftir Groi~britannien und Nieder- sachsen etwa parallel liegt und somit etwa glei&e Vorbedingungen bestehen.

Dai~ ein friiher Legebeginn einer Population zwar nicht die Ursache, wohl aber eine n0twendige Voraussetzung ftir das Auftreten yon Zweitbruten sein diirfte, zeigt folgende Gegentiberstellung: Der Legebeginn in Niedersachsen und Grolg- britannien liegt im Mittel ca. 1--5 Dekaden vor dem der schleswig-holsteinischen, sowie dem der weiter ~Sstlich bzw. siid&tlich liegenden Populationen (vgl. R .K. BEI~NBT 1974, FIAtA 1974, M~LD~ 1973), eine Abh~ingigkeit, die zweifellos mit der Liinge der Frostperiode und der Vegetationsentwi&lung parallel l~iuft. Die Anzahl der Zweitbrutnachweise ist entspre&end klein: MELDE (1973) nennt fiJr die DDR nut einen, mir sind seitdem 2 weitere bekannt geworden (KLEI313 & Svo'rT 1974, FRrTSCHE 1975). FIALA nennt fiir ein Teichgebiet in der CSSR keinen, R. K. B~RNDT (1974) fiir Schleswig-Holstein 5, bezeichnet das Auftreten yon Zweitbruten aber als mSglicherweise nicht selten.

Auch SIMMONS (1974) h~ilt fiir England einen frtihen Legebeginn als wichtig fiir das Zustandekommen yon Zweitbruten; er nennt dariiber hinaus eine kleine Brut- population und damit in engem Zusammenhang als wichtigsten Faktor die ver- fiigbare Nahrungsmenge. Dies ist zweifellos der entscheidende Gesichtspunkt. Mit Ausnahme der Schweiz (GEIGER 1957) fehlen hierzu genaue Untersuchungen. Trotz- dem meine ich, daf~ man fiber die verfiigbare Nahrungsmenge an Hand der folgenden 13berlegung eine Aussage gewinnen kann. In vielen L{indern West- und Mittel- europas wurde ftir den Haubentaucher in diesem Jahrhundert, insbesondere aber in den letzten 30--40 Jahren eine Neubesiedlung bzw. eine deutliche Zunahme des Bestandes festgestellt (umfangreiche Daten zusammengefat~t bei MEn)E 1973). Diese Zunahme trotz der stark gestiegenen StSrungen wi.rd teilweise als Folge der fort- schreitenden Eutrophierung dieser Gew~isser und der damit in Zusammenhang stehenden Zunahme des Weif~fisch- und Barschbestandes angenommen (BAUER & GtUTZ 1966, FIALA 1974). Andere Griinde fiir Bestandszunahmen sollen hier nicht diskutiert werden. Es ist durchaus wahrscheinlich, dat~ die hierdurch ange- deutete Zunahme der verftigbaren Nahrungsmenge fiir den Haubentaucher auch das Durchftihren und Aufziehen yon Zweitbruten in nennenswertem Umfang iJberhaupt erst mSglich macht. Deshalb nehme ich an, dat~ der Zweitbrutanteil des Hauben- tauchers in den letzten Jahrzehnten auf Grund der verbesserten Ern~ihrungsgrundlage gestiegen ist und in Verbindung mit verst~irkter Beobachtungst~itigkeit zu den zahl- reichen Nachweisen vor allem in Niedersachsen gefiihrt hat. Also doch ein Unter- schied zu Grof~britannien? Es ist zu vermuten, dat~ auch hier die Entwi&lung der Zunahme des Zweitbrutanteils etwa parallel verlaufen ist. Die erste Zweitbrut, die HARRISSON & HOLLOM (1931) anerkennen, stammt aus dem Jahre 1925. Die erste mir aus Niedersachsen bekannt gewordene Zweitbrut stammt aus dem Jahre 1943 (C. BRKUNING brfl.), also 18 Jahre sp~iter. Diese Zeitverschiebung ftihre ich auf die im Vergleich zu Niedersachsen intensive Beobachtungst~itigkeit in England zurti& sowie die grot~e Aufmerksamkeit, die gerade dem Haubentaucher dort gewidmet

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wurde (vgl. HuxLeY, [-'IoLLOM, SIMMONS 11. a.). Bislang wurde in der Frage des Anteils yon Zweitbruten Grot~britannien eine Sonderstellung einger~iurnt (vgl. Ein- leitung). Nun scheint es, dat~ in Mitteleuropa Niedersachsen bzw. Nordwest- und Westdeutschland diese Rolle zuf~illt. Doch diirfte dies prinzipiell wenig wahrschein- lich sein. Eher ist zu vermuten, dat~ ein Sinken des Anteils in ~Sstlicher (auch n~Srd- licher und sLidlicher?) Richtung erfolgt, wie bereits angedeutet wurde (vgl. auch

R. K. BrRNDT 1974). Genaue Aussagen k~Snnen abet nut analoge Feststellungen in diesen Gebieten bringen.

Zusammenfassung

Der Zweitbrutanteil des Haubentauchers in England und NJedersachsen bzw. Nordwest- und Westdeutschland liegt bei 1--5 °/0. Deutliche j~ihdiche und lokale Schwankungen treten auf.

Der Bruterfolg der Zweitbrtiter in Niedersachsen betr~igt in der 1. Brut 2,35, in der 2. Brut 1,65 fli.igge Junge pro Paar (n = 20).

Der Legebeginn der Zweitbr~iter unterscheidet sich in Niedersachsen kaum yon dem der iibrigen Paare. Er liegt etwa gleichzeitig mit dem in England. Daher wird fl.ir das Zustande- kommen der Zwe~tbruten in nennenswerter Zahl, wie sie in den letzten Jahren beobachtet wurde, die in letzter Zeit auf Grund der Eutrophierung der Gew~,sser verbesserte Nahrungs- grundlage verantwortlich gemacht.

Summary

O n t h e f r e q u e n c y of s e c o n d b r o o d s in t h e G r e a t C r e s t e d G r e b e

The percentage of second broods of the Great Crested Grebe in Great Britain and Lower Saxony amounts to 1--5 °/0. There are, however, distinct yearly and local variations.

In NW-Germany the breeding success of pairs breeding twice a year amounts to 2,35 fledged young per pair in the first and 1,65 (n = 20) in the second brood.

In NW-Germany as well as in Great Britain the beginning of the laying season in birds breeding twice hardly differs from that of those breeding once. Second broods in such considerable numbers as observed in the last few years are due to the eutrophication of lakes and ponds providing an improved food basis.

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Anschrift des Verfassers: Oberer Triftweg 31 A, 3380 Goslar.