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377 Zur Frage fiber die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes beim Kaninchen. Yon Dr. L W. Ssobolew zus PetersbcL'g. Zur Fortsetzung meiner frfiheren Arbeit fiber dasselbe Thema babe ich noch einige Experimente nach einer schon damals aus- gesprochenen Idee (Archiv f. mikr. Anat., Bd. 62, 1903) ausgefiihrt. Um den Einfluss tier Unterbindung und der funktionellen Aus- scbliessung des Wurmfortsatzes auf die fibrigen Gedarme zu prfifen, hielt ich jetzt die Tiere noch ]angere Zeit am Leben. Die Resultate der nicht zahlreicheu Experimente gestatte ich mir doch zu ver0ff'enttichen, da ich nichts fiber ~thnliche Versuche kenne und da die Ausffihrung dieseL"Experimente tiberaus schwierig ist. Wena man z. B. die Operation an den neugeborenen Tieren zu spat vornimmt, so haben schon die Jungen viel Milch gesogen und diese Milch befindet sich im Coecum. Wenn ich dann die Ligatur an der lJbergangssteHe vom Coecum i~ den Wurmfort- satz anlegte, entwickelte sich eine diffuse oder circumscripte Peritonitis, an welcher die Tiere starben. Es ist auch schwer ein Kaninchenweibchen zu bekommen, welches immer sorgfaltig seinen Wurf, auch die operierten 3ungen, piiegt. Ich verfiigte fiber fiinf Paar Tiere: ffinf operierte und ftinf Kontrolltiere vom selben Wurf. Vom ersten Paare ]ebten die Tiere 29 Tage. Das operierte starb an einer narbigen Darmstriktur. Seine Gedarme unterschieden sich nur wenig yon denen des Kontrol]- tieres und zwar waren sie um 24 cm kfirzer als bei diesem. Das operierte Tier des zweiten Paares starb aus einer un- bekannten Ursache nach 50 Tagen wahrend der Ferien. Das zu ihm gehSrige Kontrolitier wurde gleichzeitig get6tet und die Gedarme yon beiden gemessen and kouserviert. Jetzt fanden sich folgende Yerhaltnisse: Operiertes Tier Kontrolltier Dfinndarm 189 175 Coecum 7 18 Appendix 12 (mit ein. Tell d. Coecum) 7I/2 Dickdarm . 72 72 Gesamtlhnge 280 2701/2

Zur Frage über die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes beim Kaninchen

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Zur Frage fiber die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes beim Kaninchen.

Yon Dr. L W. Ssobolew z u s PetersbcL'g.

Zur Fortsetzung meiner frfiheren Arbeit fiber dasselbe Thema babe ich noch einige Experimente nach einer schon damals aus- gesprochenen Idee (Archiv f. mikr. Anat., Bd. 62, 1903) ausgefiihrt. Um den Einfluss tier Unterbindung und der funktionellen Aus- scbliessung des Wurmfortsatzes auf die fibrigen Gedarme zu prfifen, hielt ich jetzt die Tiere noch ]angere Zeit am Leben.

Die Resultate der nicht zahlreicheu Experimente gestatte ich mir doch zu ver0ff'enttichen, da ich nichts fiber ~thnliche Versuche kenne und da die Ausffihrung dieseL" Experimente tiberaus schwierig ist. Wena man z. B. die Operation an den neugeborenen Tieren zu spat vornimmt, so haben schon die Jungen viel Milch gesogen und diese Milch befindet sich im Coecum. Wenn ich dann die Ligatur an der lJbergangssteHe vom Coecum i~ den Wurmfort- satz anlegte, entwickelte sich eine diffuse oder circumscripte Peritonitis, an welcher die Tiere starben. Es ist auch schwer ein Kaninchenweibchen zu bekommen, welches immer sorgfaltig seinen Wurf, auch die operierten 3ungen, piiegt.

Ich verfiigte fiber fiinf Paar Tiere: ffinf operierte und ftinf Kontrolltiere vom selben Wurf. Vom ersten Paare ]ebten die Tiere 29 Tage. Das operierte starb an einer narbigen Darmstriktur. Seine Gedarme unterschieden sich nur wenig yon denen des Kontrol]- tieres und zwar waren sie um 24 cm kfirzer als bei diesem.

Das operierte Tier des zweiten Paares starb aus einer un- bekannten Ursache nach 50 Tagen wahrend der Ferien. Das zu ihm gehSrige Kontrolitier wurde gleichzeitig get6tet und die Gedarme yon beiden gemessen and kouserviert. Jetzt fanden sich folgende Yerhaltnisse:

Operiertes Tier Kontrolltier Dfinndarm 189 175 Coecum 7 18 Appendix 12 (mit ein. Tell d. Coecum) 7I/2 Dickdarm . 72 72

Gesamtlhnge 280 2701/2

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Das dritte Paar wurde nach 343 Tagen getOtet. Das operierte Tier wog 100 gr mehr, hatte aber augenscheinlich eine schlechtere Ern~thrung; sein Bauch war evident gr0sser. Bei der Sektion fand sich der Wurmfortsatz durch die Ligatur abgetrennt. Der Magen und die Gedarme fielen durch ihre welt starkere Fiillung auf. Auch die leeren kontrahierten Strecken des Dick- darms zwischen den Kotkugeln waren dicker als beim Kontroll- tiere. Die Lange der einzelnen Darmabschnitte war bei dem operierten Tiere ebenfalls gr0sser, wie es aus der Tabelle er- sichtlich ist. Operiertes T ie r Kontrolltier

Diinndarm . . . . . 348 28:3,5 Coecum . . . . . . 33,5 30 Appendix . . . . . . 4 9 Dickdarm . . . . . 133 121,5

Gesamtltlnge 518,5 ,143,5

Das vierte Paar lebte 427 Tage. Beide Tiere waren gut ernithrt und hatten dasselbe Gewicht. Die Ligatur trennte den unteren Teil des Fortsatzes ab: dieser Teii stellte eine Blase dar mit dtinnen durchsichtigen Witnden und einem dfinnfliissigen schleimigen Inhalt; oberhalb der Ligatur blieb noch ein 1,5 cm langes Sttick des uuverltnderten Wurmfortsatzes. In der Dicke und Ftillung der Gedarme bemerkte ich keine Unterschiede. Die Lange war aber wieder beim operierten Tier gr0sser.

Operiertes Tier Kontrolltier Dfinndarm . . . . . . 244 20!) Coecum . . . . . . . 21 25,5 Appendix . . . . . . 1,5 + 3 6 Dickdarm . . . . . . 75 62

Gesamtl/~nge 34:4,5 302,5

Das ftinfte Paar lebte 572 Tage. Das operierte Kaninchen hatte wieder dasselbe Gewicht und eine etwas schlechtere Er- nahrung bei etwas gr0sserem Bauche als das Kontrolltier. Die Wand des Wurmfortsatzes oberhalb und unterhaib der Ligatur- stelle ist beinahe gleichdick. Diese Stelle erkennt man an einer kleinen Einschnfirung; die Ligatur selbst fehlt. Die Fiillung der Darme, besonders des Coecum, und die Dicke der kontrahierten Bezirke des Dickdarms war auch grSsser; die Dicke der auf- geschnittenen Darmwand ist aber bei beiden Tieren gleich. Dem-

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zufolge ist diese Verdickung der kontrahierten Bezirke nur der Ausdruck der gr5sseren Flachenausdehnung des Darmrohres.

Operiertes Tier Kontrolltier Diinndarm . . . . . . 328 311 Coecum . . . . . . . 40 35 Appendix . . . . . . 1 10 Dickdarm . . . . . . 136 136

Gesamtlhnge 505 492

Die LrmgenverhhItnisse sind wieder derselben Art, - - bei dem operierten Tiere ist der Darm langer.

Auch in diesem Falle wie in den iibrigen konnte ich keinen mit blossem Auge sichtbaren Unterschied im Bau der Darmwand bemerken. Ebenfalls sah ich keinen Unterschied in der Zahl und GrSsse der lymphatischen Bildungen. Mikroskopisch sah ich auch keine Abweichungen im Bau der Darmwand sowie der Lymphk(irper.

In der Literatur fand ich keine Erw~thnung fiber i~hnliche Versuche. Die L~mge des Darmkanals bei den normalen Kaninchen ist bei K r a u s e und T a r e n e t z k y , in einer Arbeit yon C r a m p e und im Lehrbuch der vergleichenden Anatomie yon C u v i e r an- gegeben. Nach diesen Angaben soU diese Liinge in weiten Grenzen wechseln: der Danndarm yon 1,970 bis 3,192 cm; der Dickdarm yon 0,920 bis 1,215 cm; das Coecum yon 0,324 bis 0,510 cm. I) Es variiert also die Darmlange bei den Tieren derselben Species in hohem Marie wie die iibrigen kSrperlichen Eigenschaften; nach C r a m p e kann sie sogar das Doppelte erreichen. C r a m p e sagt welter, dass die Nachkommen derselben Eltern nur selten gleich langen Darmkanal haben. ~Es ist hierbei zu unterscheiden die absolute und die relative Darml~tnge. Absolute Gleichheit wird h~tufiger gefunden, als relative. In dell meisten F~llen besitzen einige Nachkommen desselben Wurfs absolut oder relativ gleich lange Eingeweide ; die iibrigen zeigen bald grtissere, bald geringere Unterschiede und zwar sind solche yon 1 : 1,5 bis 1 : 1,7 nicht so selten, als man vielleicht anzunehmen geneigt sein wfirde. ~ Diese Beobachtungen kSnnten scheinbar die Bedeutung meiner Mit- teilung vollsti~ndig vernichten. Die Unterschiede, welche ich beobachtete, liegen nicht ausserhalb der Grenzen der individuellen Schwankungen und kSnnten einfach als solche erklart werden.

1) Meine Zahlen sind oft grSsser.

3 8 0 L . W . S s o b o I e w : Die FoIgen der U n t e r b i n d u n g etc.

Aber in meinen Fallen waren samtliche Abweichungen nur ein- s e i t i g , - der Darmkanal hatte bei den operierten Tieren eine grSssere Fl~chenausdehnung. Nur beim ersten Paare, welches nach der Operation nur 29 Tage lebte, war der Darmkanal des Kontrolltieres um 24 cm 1/tnger und eher breiter als beim Operierten. Man kann es dadurch erkI/~ren, dass der Einfluss der Operation sich in dieser kurzen Zeit noch geltend machte in einer die Entwicklung des Darmes hemmenden Wirkung. Diese Wirkung iibte vermutlich denselben Einfluss auf die Entwicklung des Darmes auch bei den iibrigen Tieren, und wenn die Ver- langerung doch beobachtet wird, so ist sie dutch diesen hemmenden Einfluss noch beschr~nkt.

Da bei den fibrigen Tieren die Lsnge des Darmkanats mit der Zeit zunimmt, so ist es doch nach den Angaben desselben Forschers C r a m p e leicht erkl}trlich, wenn man zugibt, dass die verdauende Kraft des Darmkanals herabgesetzt ist. Das Tier versucht diese Herabsetzung durch das Fressen einer gr6sseren Menge yon Nahrung zu kompensieren. Dies fffl~rt aber zur Ver- grSsserung der Darmschleimhautflache. C r a m p e schreibt auf S. 723: j, Ein Tier, welches sich bei gehaltlosem Futter in einem mageren Zustande befindet, verfiigt fiber eine welt grSssere Darm- schleimhautflache; als ein Tier im Mastzustande. Die Darm- schleimhautfl~che verringert sich in ganz demselben Ma~e, als das Tier bei Mastfutter an Gewicht zunimmt." Die geringe Anzahl der Versuche erlaubt mir freilich nicht, diese Schlfisse als vSliig bindend hinzustellen.

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s .

C r a m p e, H. : Verg le ichende U n t e r s u c h u n g e n fiber das Var i ie ren der D a r m - lange und tier GrSsse der Da rmsch l e imhau t f l~che bei T ie ren e iner Ar t .

A rch l y f. Anat . , Phys io l . und wissensch . 5led., 1872.

C u s t o r , J. : LTber die re la t ive GrSsse des D a r m k a n a l e s und der h a u p t -

s ach l i chs t en K S r p e r s y s t e m e be im Menschen und bei Wi rbe l t i e ren . Arch. f. Ana t . u. Physiol . , R e i c h e r t u n d D u B o i s - R e y m o n d, 1873.

C u v i e r , G. : Lemons d ' a n a t o m i e compar~e, T. IV, P a r i s 1835. K r a u s e , W. : Die Ana t omi e des K a n i n c h e n s . Le ipz ig 1884.

T a r e n e t z k y , A.: Be i t r~ge zu r Ana t omie des D a r m k a n a l s . l~I~moires de

l 'Acad, imper, des sc iences St. P e t e r sbou rg , T. 28, 1881.