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XII. Aus dem pharmakologischen Institute der Universittit Breslau. Zur Kenntniss der Wirkung des Chloroforms als Inhalations- anistheticums. Yon Wilh. Filehne und Priwtdoeent Dr. Joh. Biberfeld. I. Ueber die Wirkung w~ssriger ChloroformlOsungen auf die peripheren Arterien. Im Miirz 1904 theilten E. A. Sch~fer und H. J. Scharlieb 1) in der Royal Society of Edinburgh Versuehe mit, die sie fiber die Wirkung des Chloroforms auf Herz und Arterien angestellt hatten. Das Wesentliche an ihren Schlussfolgerungen ist Folgendes: Die durch zu reichliche Chloroformeinathmung herbeigefiihrte Erniedrigung des Blutdrucks und damit die das Leben gefiihrdende Circulationsschwi~chung riihre nicht her yon einer Erschlaffung, L~hmung der Arterienmusculatur, sondern aus- schliesslieh yon der das Herz l~hmenden Wirkung des Chloroforms. Die Arterienmusculatur erschlaffe nicht nur nicht~ sondern werde vielmehr direct vom Chloroform in Erregung 2) versetzt 7 sodass die kleinsten Arterien sich verengern: an und ffir sich wfirde dies zu einer Blutdruck- steigerung ffihren, wenn nicht das Schwaehwerden des Herzens die Senkung veranlasste~ die demgem~ss durch Herzreizung (z. B. durch Ammoniak, Alkohol veranlasst) hintan gehalten werden kSnne. -- Dariiber~ dass die yon den beiden Edinburger Forschern berichteten und yon uns welter unten ausffihrlicher zu erSrternden Beobachtungen den Thatsachen entsprechen7 waren wir uns klar; abet die Deutung der Beobachtungen -- oder richtiger gesagt, die nach unserer Meinung zweifellos unerlaubten Vorausse~zungen, yon denen aus sie die Deutung unternommen haben 7 gaben uns Veranlassung~ eine experimentelle Untersuchung fiber diesen Gegenstand anzustellen. SehKfer und Scharlieb hatten den an sich ffir manche Fragen Erfolg versprechenden Gedanken~ das Chloroform mittels Ringer'scher LSsung 7 einer isotonischen SalzlSsung~ die das Leben der. Gewebe mSg- lichst lange ungestSrt l~sst~ unter constantem Drucke zu dem isotirten 1) Transactions of the R. S. of E. Vol. 41. Part. 2. No. 12. 2) 1. c. p. 319 unten: .direct excitation of the peripheral arterioles. ~

Zur Kenntniss der Wirkung des Chloroforms als Inhalationsanästheticums

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XII.

Aus dem pharmakologischen Institute der Universittit Breslau.

Zur Kenntniss der Wirkung des Chloroforms als Inhalations- anistheticums.

Yon

Wilh. Filehne und Priwtdoeent Dr. Joh. Biberfeld.

I. Ueber die Wirkung w~ssriger ChloroformlOsungen auf die peripheren Arterien.

Im Miirz 1904 theilten E. A. Sch~fer und H. J. Schar l i eb 1) in der Royal Society of Edinburgh Versuehe mit, die sie fiber die Wirkung des Chloroforms auf Herz und Arterien angestellt hatten. Das Wesentliche an ihren Schlussfolgerungen ist Folgendes: Die durch zu reichliche Chloroformeinathmung herbeigefiihrte Erniedrigung des Blutdrucks und damit die das Leben gefiihrdende Circulationsschwi~chung riihre nicht her yon einer Erschlaffung, L~hmung der Arterienmusculatur, sondern aus- schliesslieh yon der das Herz l~hmenden Wirkung des Chloroforms. Die Arterienmusculatur erschlaffe nicht nur nicht~ sondern werde vielmehr direct vom Chloroform in Erregung 2) versetzt 7 sodass die kleinsten Arterien sich verengern: an und ffir sich wfirde dies zu einer Blutdruck- steigerung ffihren, wenn nicht das Schwaehwerden des Herzens die Senkung veranlasste~ die demgem~ss durch Herzreizung (z. B. durch Ammoniak, Alkohol veranlasst) hintan gehalten werden kSnne. - - Dariiber~ dass die yon den beiden Edinburger Forschern berichteten und yon uns welter unten ausffihrlicher zu erSrternden Beobachtungen den Thatsachen entsprechen 7 waren wir uns klar; abet die Deutung der Beobachtungen - - oder richtiger gesagt, die nach unserer Meinung zweifellos unerlaubten Vorausse~zungen, yon denen aus sie die Deutung unternommen haben 7 gaben uns Veranlassung~ eine experimentelle Untersuchung fiber diesen Gegenstand anzustellen.

SehKfer und Schar l i eb hatten den an sich ffir manche Fragen Erfolg versprechenden Gedanken~ das Chloroform mittels Ringer'scher LSsung 7 einer isotonischen SalzlSsung~ die das Leben der. Gewebe mSg- lichst lange ungestSrt l~sst~ unter constantem Drucke zu dem isotirten

1) Transactions of the R. S. of E. Vol. 41. Part. 2. No. 12. 2) 1. c. p. 319 unten: .direct excitation of the peripheral arterioles. ~

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(veto Einflusse des Centralnervensystems befreiten) Organe gelangen zu lassen, indem sie die betreffende LSsung in die Arterien des Organs ein- trieben, anstatt das Blur zum Tr/iger zu w~;hlen. Aus der Fliissigkeits- menge, dig vor und naeh Zufiigung yon Chloroform aus verletzten peri- pheren Gef/issen abfioss, konnten sie erkennen, ob das Chloroform eine Aenderung (Erweiterung oder Verengerung) der Strombahn erzeugt babe. War die Ringer 'sehe LSsung mit Chloroform gesg, ttigt, was nach ihnen etwa 1 Chloroform auf 200 Fliissigkeit bedeutet, oder war diese LSsung dureh Zusatz yon reiner Ringer 'seher Fliissigkeit bis zum Verhiiltniss 1 :500 verdiinnt, so verengten sieh die Arteriolen, d.h. kS flOSS weniger ab oder das Ausfliessen stoekte beinahe ganz. Selbs~ bei einer Ver- diinnung 1 : 20000 war, wenn auch nur geringfiigig, die Verengerung d0ch eben noch zu erkennen. Naehspfilen von reiner Ringer'seher LSsung liess das Ausfiiessen wieder reichlieher werden, nur selten aber erreichte die Austlussmenge wieder die urspriingliehe HShel). Noeh sehw~ehere Liisungen als 1:20000 ~tnderten in ihren Yersuehen niehts: eine Ver- mehrung der Ausflussmenge, also eine Erweiterung der Arterien, wurde dureh sehw/tehere LiSsungen nieht verursaeht. Die Nieren seheinen hierin eine Sonderstellung e inzunehmen . - DiGs ist dig thatsgehliehe Unterlage fiir die oben referirte Deutung Sehiifer 's und Seharl ieb 's~ (lass dig kleinsten Arterien Vom Chloroform direct erregt und zu aetiver Contraction veranlasst werden. Indem dig beiden genannten Porseher das Verhalten der so behandelten krterien zur Stiitze ihrer Ansieht fiber die Genese der Blutdrucksenkung bei der Chtoroformnarkose heranziehen, maehen sie~ ohne kS auszuspreehen, zweifellos folgende Voraussetzungen:

1. Die yon ihnen als wirksam befundenen w/issrigen Chloroform- liisungen entspreehen in ihrer Giftwirkung der Giftwirkung des Blutes tines sehr tier ehloroformirten Thieres.

2. Die beobaehtete Verengerung, oder riehtiger gesagt, dig aus tier Ausflussverlninderung zu ersehliessende Verengerung tier Arterien beruht auf einer Erregung und Contraction im physiologisehen Sinne.

Beide Voraussetzungen sind so an sieh unzul/tssig, ja noeh mehr, .sie sind, wit wir zeigen werden, sogar unriehtig. Die Verengerung sahen dig Edinburger Porseher deutlieh noeh bei 1 :500, bei weiterer Ver- diinnung war sie geringer~ bei 1 : 20000 kaum noeh wahrnehmbar. Sehen wir uns im Vergleiehe damit dig Verhitltnisse im Blute des sehwer ehloroformirten Thieres an. Hier besitzen wir brauehbare Bestimmungen yon J. Pohl:) . Das Blur enthiilt naeh ihm im Mittel 0~035 pCt. Chloro- form. Wenn nun das st/~rkst ehloroformirte Thier in seinem Gesammt- blute kaum 0,05 pCt. Chloroform~ also 1 : 2000 hat~ so sind wit dnrehaus nieht etwa bereehtigt, eine Ringer-L6sung~ die 1 : 2000 Chloroform ent- hglt, mit diesem Blute als gleiehwerthig anzusehen. Vielmehr ist hierfiir nur eine wgsserige Fliissigkeit mit einem solehen Chloroformgehalte in Betraeht zu ziehen~ die mit dam so lipoidreiehen und daher in Bezug auf Chloroform so 16sungskrMtigen Blute des Chloroformirten in dem

1) 1. c. p. 313 ,,but the orginal rate is rarely again obtained. '~ 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. "28. S. 239ff.

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Sinne volls~ndig im Gleichgewieht ist, dass sie an dieses Blut weder Chloroform abgeben noch yon ihm Chloroform entnehmen wiirde. Bei einem solchen Chloroformgehalte dieser w~ssrigen Fliissigkeit wiirde sie an Ganglienzellen und Gef~ssmusculatur~ die dutch jenes Blur die entsprechende Chlorof0rmmenge erhalten haben, ebenfalls weder Chloroform abgeben~ noeh ihnen Chloroform entziehen. Und demzufolge wiirde sie danny dutch Organe ge[eitet~ die noch nicht chloroformirt sind, bei fortgesetzter Durchleitung genau so viel Chloroform in ihnen sieh aufspeiehern lassen~ bis das vorher besproehene Gleiehgewicht wie gegen jenes Blut sehliesstich erreicht w~ire. Wie gross der hierzu erforderliehe Chloroformgehalt der w~issrigen LSsung zu sein hi~tte, litsst sieh ungeffthr aus einer Bestimmung Poh t ' s 1) aufzeigen. P o h l extrahirte Rinderblut mit einem Gemische aus gleiehen Theilen Aether und Alkohol. Das Ex- tract wurd% mit Wasser angeriihrt~ in einen 1)ergamentschlaueh (1) ge- bracht und in ein mit Chloroformwasser beschicktes Gef~ss gleiehzeitig mit einem mit destillirtem Wasser geffillten Sehlaueh (2) gesenkt. Naeh 18 Tagen wurden beiden Sehl~tuehen Proben entnommen. Das destillirte Wasser des Sehlauches 2 enthiilt jetzt 0~778 pCt. Chloroform. Der Schlauch 1~ dessen wasserfreier Inhalt (ira Wesentlichen Lecithin und Cholesterin) 0~15 pCt. des ganzen Inhaltes betriigt~ enth~lt an Chloroform 1,105pCt. Also sehon etwa 1/6pCt. Beimengung yon Lipoiden l~sst den Chloroformgehalt erheblich anwaehsen. Nun ist das Blut sehr viel reicher als 1/6 pCt. am Lipoiden und enthiilt wohl sicher auch noch andere chloroformbindende Substanzen. Es wiire festzustellen, welchen Chloro- formgehalt destillirtes Wasser (resp. Ringer-LSsung) haben muss~ um dem Blute des stark chloroformirten Thieres, das bis zu 0~05Proe. Chloroform, d. h. Chloroform 1:2000~ enthalten kann, im besprochenen Sinne das Gleichgewicht zu halten. Es ist hSchst wahrseheinlich~ dass bier dasWasser entsprechend seinem geringenLSsungsvermSgen um ein Vie]laches weniger yon dem enthalten wiirde, was das Blur enthiilt. Also nieht wgssrige LSsungen yon 1 : 2 0 0 0 - gesehweige denn die ,wirksamen ~ Seh~fer ' s und Scha r l i eb ' s , 1:200 und 1:500, sondern wohl erst jene Verdiinnungen k~men in Frage~ die Seh. und Sch. als unwirksam befanden.

Mit anderen Worten: wo sich eine deutliehe ,Verengerung ¢~ der Arterien zeigte, da sind bei diesen zarten Apparaten unverhiiltnissm~tssig hohe Coneentrationen benutzt worden. Es liegt dann der Verdacht nahe, dass es sich unl grobe materielle ¥er~nderungen der glatten Muskelfasern in den Arterien gehandelt habe. Und dieser Verdacht dr'~ngt sieh um so mehr auf~ als ja Chloroform in den quergestreiften Muskeln das Myosin zur Gerinnung zu bringen vermag und~ in eine Muskelarterie gespritzt, den Muskel todtenstarr maeht. Dieser Verdacht kann nicht behoben werden, durch die bereits erwithnte Beobachtung Sch~fer ' s und Schar l ieb ' s , dass innerhalb m~ssiger Grenzen d u rch Nachspiilen reiner Ri n g e r- LSsung einige Riiekbildung der ,Verengerung :: zu erzielen ist (~the flow again becomes more rapid~); - - wurde doeh yon ihnen nicht die ver- engerte Stelle~ sondern die Ausflussmenge eontrollirt; es kSnnten sehr

1) 1. ~. S. 249--250.

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wohl selbst bci schwerster 8ch/~digung einiger Stellen andere weniger lt~dirte Stellen der Collateralen wieder einigermaassen durchg~ngig werden. Ferner ist daran zu denken~ dass bei schw/~eherer L~sion die Aenderung der Muskelsubstanz reversibel sein kann.

Es gait also sich yon der Sachlage an Oft und Stelle zu iiberzeugen. Zu vorl~ufiger Orientirung ersehien es niitzlich~ die Einwirkung der yon den Edinburger Forschern benutzten Coneentrationen an der quergestreiften Skelettmusculatur zu beobachten. Denn wenn auch, wit bemerkt~ be- kannt ist, dass ein Froschbein sofort todtenstarr wird, sobald man in die zufiihrende Arterie reines Chloroform einspritzt~ so war doch~ so viel wir wissen~ nicht ermittelt~ ob Chloroform in physiologischer SalzlSsung gelSst, und bis zu welcher Verdiinnung as in dieser Beziehung wirksam ist. Mit Chloroform ges/~ttigte Ringer ' sche LSsung, yon Sch/ t fe r und S c h a r l i t b als 1 : 2 0 0 benannt~ und die aus ihr dargestellte Verdiinnung 1 : 5 0 0 gaben an Esculenten sofort vSllige Todtenstarre. Erst bei Ver- diinnungen yon 1 :1000 an konnte man dan Zustand nitht mehr als Todtenstarre bezeichnen; aber hier und selbst noch bei Verdiinnung yon 1:5000 war eine schwtre, bleibende FunctionsstSrung der behandelten Musculatur zu constatiren: Das Bein wurde nut langsam angezogen, nachgeschleppt u. s .w., und bei ZerstSrung des Riicktnmarks trat der bekannte schroffe Tetanus nut auf der nicht behandelten Seite auf~ w~hrtnd das behandelte Bein unvollkommene Contractionen zeigte. Auch directe faradisehe Muskelreizung ergab nut unvollkommene Contraction1).

Als Object zur Beobachtung der Chloroformwirkung auf Arterien- musculatur w/ihlten wit die Mesenterialgefi~sse von FrSschen. Bei sonst vSllig erhaltener Blutcirculation wird veto untersten Ende der Aorta her mittels einer eingefiihrten Caniilt centralw~rts 1 ccm der betreffenden Ringer ' schen LSsung mit odtr ohne Chloroform eingespritzt. Diese LSsung ergiesst sieh zun~chst unter Verdr/ingung des Blutes durch die mikroskopische betrachtete Mesenterialarterie Nach Beendigung der In- jection wird die LSsung alsbald wieder durch Blut ersetzt~ falls die Arterie wegsam bleibt, u n d e s strSmt das Blut so wie vorher. Bei Chloroformgehalt I : 200~ 1 : 500 und auch selbst 1 : 1000 tritt sofort starke Triibung der Gefiisswand tin, mit vSlliger und zwar b l e i b t n d t r Undurchg/ingigkeit2). Bei 1 : 1000 manchmal und bei 1 : 5000 meist~

1) Reine Ringer-LSsung war, wie wir bei Injection in alas andere Bein sahen, ohne Einfluss.

2) Wir haben auch am herausgeschnittenen Froschherzen bestimmt, wie ver- diinnt eine LSsung yon Chloroform noch sein dart, um nach einiger Zeit eine dauernde Schiidigung erkennen zu lassen, ferner haben wir diejenige Concentration ermittelt: die binnen weniger Minuten (2--3) das Herz tSdtet~ ohne Muskelstarre zu erzeugen. Ersteres tritt bei Verdfinnung 1 zu 5000 bis 1 zu 10000 auf. Letzteres etwa bei 1 zu 1000. Die gesiittigte LSsung tuft fast sofort Starre hervor.

Es steht dies im Wesentlichen in Uebereinstimmung mit den Resultaten von Sherr ington und Sowton (Bericht des Specialchloroformcomit6s der Britisch Me- dical Association, ref. yon Josef Winter in einem Vortrage fiber Chloroform und Suprarenin. Wiener kiln. Wochenschr. 1905. bTo. 20)~ dass cine 3--4prom. Chloro- formlSsung in 60 Secunden das ausgeschnittene Warmbliiterherz zum Stillstand bringe.

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wird das Gef/iss allm/ihlich wieder durchg/ingig: Zuerst sieht man ein ,va et vient ~ yon der Vent her, nach und nach dr/ingt das Blur yon der Aorta her, eine schmale Bluts/iule kommt herein; die Nut- kSrperchen schimmern dureh die getrtibte Gef/isswandung wit durch einen Schleier hindurch: alas Gef/iss ist nur noeh durchscheinend, nicht mehr durchsichtig; die Bluts~/ule pendelt hin und her und kann zu- niichst noch nicht passiren; hierbei kann kS sein Bewenden haben und es kommt zu definitiver Ruhe. Oder die Blutmasse erzwingt dig Passage und die Circulation stellt sigh wieder her; aber nit gewinnt der Blutstrom seine urspriingliche Breite: dig getriibte Arterie bleibt dauernd verengt. Materielle Ver~nderung der Wand und keineswegs physiologische ,Erregung" und Muskelcontraction ist es also, womit wit es hier zu thun haben. Und bei st/irkeren Concentrationen ist es unverkennbare Todtenstarre.

Zur Vervollst/indigung der Beweisfiihrung sahen wir, wenn auch wohl iiberflfissiger Weise, nach, oh jene bleibende Triibung der Gef/iss- wand, die wir noch dutch Einspritzung einer L6sung yon Chloroform I zu 5000 erhalten hatten, sich an den Mesenterialarterien etwa auch beobachten lasse, wenn ein intactes Thief dutch Chloroformd/impfe aufs schwerste narkotisirt worden ist, wo doch das Blur bis zu 0,05 pCt. Chloroform (Pohl , 1. c.), das ist 1 zu 2000, enthi~lt, also zwei bis drei- real so grosse Menge wie in unserer Fliissigkeit. Selbstverst~ndlich zeigt sich am narkotisirten Thiere keine Triibung (Gerinnung)in der Gef~sswand. Nach unseren Ausfiihrungen muss man wohl die nach Zufiigung yon Chloroform yon den Edinburger Physiologen beohachtete Verminderung der aus erSffueten peripheren Gef/issen ausfliessenden Ringer-LSsung auf materieIle Sch/idigung der Arterienwandung und nicht auf physiologische Erregung der contractilen Elemente beziehen.

II. Ueber die Zweckm~ssigkeit der Zufiigung yon fliiehtigen Analepticis zum Chloroform.

E. A. Sch/ i fer und H. J. Scha r l i eb suchen gem/iss ihrer Anschauung (siehe das Vorhergehende), dass die Blutdrucksenkung aussehliesslich durch Herzschw/ichung verursacht 'werde, nach Mitteln, mit denen sich diese Chloroformwirkung ,antagonistisch" verhiiten liesse.

Wenn nun auch, nach dem yon uns im Vorhergehenden Dargelegten dig Versuche yon Sch/ ifer und Scha r l i eb dig a;Ite Lehre (Seheinesson) yon der st/indigen, wesentlichen Betheiligung des vasomotorischen Appa- rates nicht ersehOttern, so ist doch die Seh/idigung des Herzens dureh Chloroform, zumal bei unvorsichtiger Dosirung allerseits zugegeben. Der Gedanke jcner Autoren, dem Chloroform flfiehtige Mittel beizugeben, die, entgegengesetzt, das Herz excitiren, war deshalb durchaus rationell. Als wirksam in dieser Hinsicht glauben sie Ammoniak und Alcohol in Anspruch nehmen zu diirfen, da die Beimengung yon Ammoniak-und. Alcohol- d/impfen zu den Chloroformd'/impfen das Sinken des Blutdrucks verhiite. Was das Ammoniak anbetrifft, so kSnnen wir dig Versuche der genannten Autoren als beweiskr/ii'tig nicht anerkennen~ da aus ihren Ergebnissen ein

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pharmakodynamiseh-antagonistischerEinfluss des eingeathmeten Ammoniaks auf das ehloroformirte Herz nieht abzuleiten ist. Sie verfielen auf das Ammoniak in Folge einer Angabe Ringer 's . Ringer hat nitmlieh ge- zeigtl), dass Ammoniak ein Frosehherz wieder zum Sehlagen bringen kann, das dutch Chloroform zum Stillstehen gekommen ist. Ob man dies, wie Seh~fer und Sehar l i eb as thun, als eehten Antagonismus be- zeiehnen soll, oder ob es nieht besser w~re, yon einer additionellen Steigerung des inneren geizes zu spreehen, bra.ucht hier ni&t diseutirt zu werden. Aber Ringer liess das Frosehherz wirklieh mit Ammoniak in Ber i ih rung kommen. Seh~fer und Sehar l i eb , die ihre Hunde neben Chloroformd/impfen aueh Ammoniakdiimpfe einathmen liessen~glauben offenbar dasselbe erreieht zu haben. Nun existirt aber eine Untersuehung yon R. Magnus ~) naeh der eingeathmetes Ammoniak in der Lunge nieht resorbirt wird und also nieht zum Herzen gelangt, und dass umgekehrt das in das Blu~ der Pulmonalarterie gebraehte Ammoniak in der Exspirationsluft nieht erseheint: die Alveolarwand ist flit NH 8 undureh- l~ssig. Solange nun die Magnus'ehe Angabe nieht als irrig naeh- gewiesen ist 7 muss erkl~rt werden, dass die Edinburger Physiologen bier yon einer unriehtigen Voraussetzung ausgegangen sind, und dass das Ammoniak in ihren Versuehen, die yon ihnen angenommene antagonistiseh- pharmakodynamisehe Wirkung nieht entfalten konnte, da es in der Lunge nieht aufgenommen wurde und nieht zmn Herzen gelangte. Ob z.B. bei subentaner oder intravenSser Beibringung: das Ammoniak eine niitzliehe Wirkung auszuiiben vermag~ wiire eine Frage flit sieh~ die wit zu priifen keinen Anlass hatten. Und dass bei drohender Synkope Einathmung der reizenden Ammoniakd'~mpfe, zumal dutch die Nase (wie aus Rieeh- fliisehen), nieht niitzlieh sei, behaupten wir natiirlieh nieht - - das gehSrt aber nieht hierher. - - Ausser mit Ammoniak und Ammoniak 4- Alcohol haben Seh~fe r und Sehar l ieb , wie gesagt, aueh den Zusatz yon Alcohol allein zu Chloroform erprobt, und zwar 7 wie sie glauben, mit Erfolg. Sie haben bei diesen Versuehen ein Gemiseh yon 1 Alcohol auf 9 Chloro- form verwendet; dieses Gemiseh gossen sie in eine Flasehe auf einen Wattebauseh und liessen dann das Thier aus der Flasehe athmen. Die Autoren sehliessen, dass naeh ihren Versuehen Alcohol a n t a g o n i s t i s e h gegen Chloroform auf das Herz wirke. Hierzu h~tten sie abet zu zeigen gehabt~ dass eine bestimmte Menge Chloroform an Sehitdlichkeit verliere, wenn ihr 1/9 Alcohol hinzugefiigt werde. Das h~tten sie aber nut dann zeigen kSnnen, wenn die Versuehsanordnung eine genaue Dosirung ver- biirgte. In dan Versuehen der Verfasser ist das, wie wit alsbald zeigen wollen; night der Fall, ihre Schlussfolgerung ist also nieht zwingend, - - womit natiirlieh das T h a t s ~ e h l i e h e ihrer Beobaehtung nieht bezweifelt wird. Eine genaue Dosirung ist hi, milch nur vorhanden, wenn die Thiere eine Luft athmen, in tier eine ganz bestimmte 7 genau gemessene Menge der einzelnen Dampfarten enthatten ist. Dies aber ist in den kritisirten

1) Practitioner. Vol. XXVI. 1881. p. 436 (cit. nach SchEfcr und Schar- l ieb, 1. c. S. 335.)

2) Archly f. exp. Pathologie und Pharmakologie. Bd. 48. S. 100.

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Yersuchen nicht geschehen, trotzdem die Verfasser, anscheinend um diescm Gesichtspunkte gerecht zu werden, stets eine mit Chloroform- resp. Gemischdtimpfen ,,ges/~ttigte" Luft einathmen liessen. Deft wird, wie bereits erw/ihnt, das Chloroform odor das Gemiseh auf Baumwolle in der Flasche aufgegossen, aus der das Thier zu athmen hat. Die Verfasser geben jedoch nicht an, wie sic eine ,:S/tttigung" (,:air charged as strongly as possible, at the ordinary temperature of the laboratory, with the vapour to be inhaled ~, S. 337) f(ir die Dauer des Versuchs sieher gestellt haben. Abet selbst zugegeben, class nach der Versuchsanordnung eine S~ttigung mSglich gewesen und durchgefiihrt worden set, so wttren dennoch die Versucbe mit reinem Chloroform nicht vergleichbar denen mit dem Gemisehe (Alcohol und Chloroform). Stillschweigend nehmen die Experimentatoren an, dass, wenn sic das Gemisch yon 9 Volumen Chloroform und 1 Volumen Alcohol aufgegossen haben, das Thier Chloro- form etwa zu 9/1 o der Menge einathme, die es friiher bet Anwendung reinen Chloroforms erhalten hatte; dies giebt ihnen auch offensichtlich die Aufkl~rung da.fiir, dass tier Corneallidreflex eine Kleinigkeit friiher erlischt bet Anwcndung reinen Chloroforms (,flisappearence of the lid reflex occurs a little sooner when pure chloroform is used, but the difference is not great", S. 339). Ferner nehmen sic an, class der Dampf des fehlenden Volumzehntels veto Alcohol geliefert werde, und dass die in der Watte zudickbleibende Fliissigkeit auch w~thrend des ganzen Ver- suches zu 9/lo aus Chloroform und 1/~ o aus Alcohol zusammengesetzt bleibe. Demgem/iss glauben sie (ohne es auszusprechen), dass am Ende des Versuehs das Thier immer noch 9/loChloroform und 1/1 o Alcohol und zwar in g le icher abso lu t e r Menge wie zu Anfang inhalire. Das ist abet irrigl Denn 1) vermindert Zusatz yon Alcohol (wie yon jeder anderen im Chloroform 15s- lichen Substanz) die Dampfspannung des Chloroforms und 2) verdunstet das Chloroform schneller als Alcohol~ sodass der Gehalt des Gemischs an Alcohol zu-, der an Chloroform abnimmt, und progressiv sinkt dann die Spannung der Chloroformd/impfe. (Dass diese fiir Fliissigkeitsgemische im Allgemeinen giltigen Beziehungen auch bet einem Gemische yon 1 Alcohol zu 9 Chloroform vorhanden sind, haben wit zur mehreren Sicherheit noch experimente]l festgestellt.) --- Mit dem vorstehend Er- 5rterten wollten wir niehts wetter als cinige der Quellen des Irrthums aufdecken, miissen es aber mangels zul/inglieher Angaben dahingestellt sein lassen, wie welt die Resultate der genannten Forseher durch sie beein- flusst worden sind. Wir hielten es nun fiir empfehlensWerth, unter Ver- meidung der besprochenen Irrthumsquellen den an sich so interessanten Gedanken jener Autoren beziiglicll einer etwaigen antagonistisehen, an- rcgenden Wirkung des Alcohols auf den Gef / t s sappara t (wie wi res ausdriicken wollen, um nichts zu praejudiciren) gegeniiber der schwttehen- den des Chloroforms in Blutdrucks-Versuchen zu priifen. Ausserdcm wollten wit auch nicht mit einem Uebermasse yon Gift, d.h. nicht mit chloroformdampfges'attigter Luft, sondern mit abgemessenem, nur genau so hohem Chloroformgehalte der Inspirationsluft arbeiten~ wie eben gerade zur Herbciffihrung einer lebensgeftihrdenden Blutdruekssenkung erforder-

Zeitsehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 3. Bd. 12

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lich ist. Dann musste sich zeigen, ob die Schgdigung verhtitet werden kSnne dadurch, dass die D/impfe yon 1/10 Alcohol zur Inspirationsluft zugefiigt werden. Wir stellten diese Versuche an: das R e s u l t a t war g/~nzlieh negativ. Die Edinburger Forscher miissen also, vielleieht durch die erSrterten kenderungen der Coneentrationen und der Dampf- drueke, zumal wenn in ihren Versuehen die Inspirationstuft nieht wirklioh gesgttigt blieb, get/~useht worden sein.

Die Grundidee unserer Methodik war folgende: Es musste ein Ap- parat benutzt werden, der es verbiirgte, dass in ihm die beiden genau zu dosirenden Bestandtheile des Narkose-Gemisehes (Chloroform und Alcohol), trotz der Versehiedenheit ihres Siedepunktes sofort naeh ihrer Einbringung vollkommen verdampften. Ferner musste in dem Apparate dafiir Serge getragen sein, dass die entstandenen D/tmpfe schnell zur Vermeidung yon Condensation fortgefiihrt wiirden. Diese Bedingungen erfiillte uns der yon Kionka eonstruirte Apparat des hiesigen Instituts. Indem wir far die genaue Besehreibung auf Kionka 's Arbeit 1) verweisen, wollen wir bier nur erw/thnen, dass das Prineip des Apparates folgendes ist: Durch einen mechanischen Antrieb wird ein Glasstab in eine weite, mit dem Narcotieum gefiillte RShre gleichm/~ssig gesenkt, und dadurch wird pro Min. eine bestimmte Menge des Narcotieums, die dureh Besehteunigung resp. Verlangsamung des Senkens versehieden gross gemaeht werden kann, verdr/ingt und in einen K.olben getrieben. Dieser wird dureh ein per- manentes Wasserbad constant auf einer Temperatur yon fast 1000 ge- halten, so dass natiirlieh der Alcohol ebenso gut wie das Chloroform augen- blieklieh in Dampfform iibergefiihrt wird, sobald er in den Kolben gelangt ist. Die D'ampfe werden dutch einen starken Luftstrom (ca. 35 Liter pro Min.) angesaugt und gelangen mit diesem Luftstrom gemiseht an alas Versuehsthier.

Kionka katte in seiner Arbeit Worth darauf gelegt, am nicht traeheo- tomirten Thiere zu arbeiten und deshalb vermittels eines Triehters das Gemiseh yon Luft und Nareotieumdgmpfen direct auf die Einathmungs- 5ffnungen des Thieres geleitet, diesem also eingeblasen: er nahm trotz des nieht continuirlichen Ganges der Masehine an, dass das Thier nieht Luft yon we anders her gegen den starken, veto Apparate gelieferten Strom ansaugen kSnne. Bei dieser Anordnung beobaehteten wir aber fast jedesmal, besonders zu Anfang der Chloroformzufiihrung so starke Unregelmiissigkeiten an der Blutdruckseurve, dass es uns wiinsehenswerth ersehien, an traeheotomirten Thieren zu arbeiten, und so die fiir unsere Zweeke anseheinend reeht erheblichen Fehlerquellen zu vermeiden, die yon der Reizung der Nasen- und Kehlkopfsehleimhaut bei nieht traeheotomirten Thieren herriihrten. Um den Rionka'sehen Apparat aueh hierfiir braueh- bar zu maehen, schalteten wir ein Reservoir ein. Das Luft-Nareotieum- dampf-Gemiseh gelangte nieht direct aus dem Apparate an das Thier, sondern wurde in eine grosse Flasehe (ca. 60 Liter Inhalt) geleitet. Der Stopfen dieser Flasehe war dreifaeh durchbohrt; durch die Bohrungen

I) Arch. internation~les de Pharmacodynamie et de Thgrapie, Bd. 7. 1900, p. 489ff.

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gingen GlasrShren, yon denen zwei bis an den Boden der Flasche reichten~ w~hrend die dritte kurz unter dem Stopfen endete. Von den beiden ersteren war die eine mittels eines Gummischlauches mit dem Kionka- schen Apparate~ die andere mit einer kleinen Flasehe verbunden, aus der das Thier einathmen musste (s. u.). Die dritte, kurze RShre diente als Auslassventil, um eine Compression des Gasgemisches in der grossen Flasehe zu verhiiten. Der Aussentheil dieser RShre war mit einem weiten, ca. 3 m langen Gummischlaueh versehen~ der zum Fenster hinausgeleit¢t wurde. Durch Einsehaltung dieser langen Leitung war wohl mit Sieher- heir ein ]~indringen yon Aussenluft in die Flasehe vermieden, das fibrigens bei der St/£rke des naeh aussen gerichteten Luftstromes ohnehin kaum zu befiirehten war. Ausserdem hatten wit hierdurch noeh den Vortheil~ dass die mit Chloroformdampf beladene Luft~ die nicht zur Narkose Ver- wendung fand~ aus dem Zimmer hinausgeleitet wurde und uns nicht bel/~stigte, ein Vortheil, der besonders bei l~inger dauernden Versuehen nieht zu untersehStzen war. - - Ferner ist noch zu. erw/~hnen~ dass beim Gebrauch des Chloroform-Alcoholgemisches in geeigneter Weise durch Kiihlung daf~ir gesorgt wurde, dass der Titer des Gemisches sigh wtihrend des Versuehes nieht /~nderte.

Im Einzelnen gestalteten sich nun unsere Versuche wie fo]gt: Das Kaninchen wurde tracheotomirt und die eine sciner Carotiden mit dem Hiirthle 'schen Kymographion verbunden. In die Tracheotomiewunde wurde eine T-fSrmige Canfile eingebunden, deren beide Sehenkel zu zwei kleinen Flaschen ffihrten. Dicse Flasehen batten Lippenventile; die eine gestattete nut Inspiration 7 die andere nur Exspiration. Nun wurde der Narkotisirungsapparat in Gang gesetzt, und zuerst die Luft aus dem Re- servoir durch das Luft-Narkoticumdampf-Gemisch verdr/~ngt. Nach ca. zwei Minuten wurde dann die kleine Inspirationsflasche mit dem Reservoir verbunden~ so dass yon nun an das Thier nur die Luft aus dem Reservoir zum Athmen erhielt. In allen Versuchen liessen wir das Thier stets erst Chloroform athmen und bestimmten dabei, indem wir mit unwirksamen Dosen anfingen: durch allm/thliche VergrSsserung der verdampfenden Chloroformmenge diejenige Concentration an Chloroform- dampf, bei tier sich nach kurzer Zeit (2--3 Min.) eine zunehmende Ver- schlechterung der Circulation, kenntlich am progressiven Sinken des Blutdruekes, bemerken liess. Hierauf unterbrachen wir die Narkotisirung und warteten (mindestens 1/' 2 Stunde), his das Thier sich wieder ganz erholt und der Blutdruck seine urspriingliche HShe erreicht hatte. Nun wurde die Narkose mit dem Gemisch begonnen, und zwar w~hlten wir zun~chst die Dosis des verdampfenden Gemenges so, dass die gleiche 3lenge Chloroform wie vorher neben dem Alcohol zur Verwendung kam. Hierzu wurde der Apparat so gestellt, dass er 1/1 o mehr yon dcm Alcohol-Chloroformgemisch lieferte als vorher reines Chloroform. Das Resu l t a t war s te t s , dass alas Gemisch genau so seh/idlich wi rk te , wie re ines Chloroform: in fast genau derselben Zeit sank der Blutdruck "/ihnlich schnell und progressiv ab. Jetzt unterbrachen wir nochmals die Narkose auf ca. 1/2 Stunde, his das Thier sich wieder erholt hatte, und sahen dann mit Chloroform ohne Alcohol nach, oh es

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noch auf die erste Dosis in gleicher Weise wie friiher reagirte oder ob es weniger widerstandf~hig geworden set. Ausnahmlos konnten wir fest- stellen, dass der Circulationsappara~ dutch die vorausgegangene Narkoti- strung nicht sichtlich ge/indert war.

Uebrigens haben wit auch mit genau demselben Gemisch wie Sch/tfer und Schar l i eb (9 Vol. Chlorof. auf 1 Vol. Alcohol) Yersuche angestellt, indem wit, wie besehrieben, die eben stark schiidliche Concentration an Chloroform feststellten und dann eine entsprechende Menge des Gemisches verdampfen liessen (beispielsweise zuerst 27 ccm in 5 Min. yon reinem Chloroform und dann 30 ccm des Gemisches). Auch dies /~nderte nichts an dem Ergebnisse. Ja sogar, wenn wir beispielsweise die Wirkung yon 27 ccm Chloroform pro 5 Min. mit der yon 27 ccm des Gemisches ver- glichen, konnten wir keinen wesentlichen Unterschied erkennen.

Somit kSnnen wit, wenigstens ffirs Kaninchenl), nicht zugeben, dass die gleichzeitige Einwirkung von Alcohol, der per inhalationem zur Resorption gebracht worden ist, dig cireulationsschgdigende Wirkung des Chloroforms in erkennbarer und ioraktisch verwerthbarer Weise zu ver- hiiten imstande set. Selbstverstgndlieh ist hierdurch kein Urtheil dahin abgegeben, dass gewissen alcoholischen Getr~nken iiberhaupt kein ,analep- tischer" Werth zukomme. Aber selbst wenn wit dieses im A1]gemeinen zugeben, ist es keineswegs ausgemacht, dass gerade bet der Chloroform- s y n k o p e der Alcohol niitzlich ski. Ferner wird ja zur Behebung yon plStzhch eintretenden Schw~ichezustgnden niemals die reine AlcohollSsung gegeben: Vielmehr giebt man stets stark alcoholische Getr~nke, die durch Reizung von Mund und Magen W/~rmegefiihl erzeugen und die vermSge ihres Gehaltes an aromatischen Stoffen u.s .w, lebhafte Geruehs-, Ge- schmacks- u. a. Empfindungen hervorrufen. Ein Theil der analeptischen Wirkung ist also auf Bewusstseinsvorgitnge zu heziehen, die yon der sensiblen und sensorischen Peripherie her veranlasst werden.

Zur Entfaltung rein resorptiver analeptischer Wirkung werden be- kanntlich vielfach kleine Mengen Aethyl/~thers yon den Aerzten (sub- cutan) angewendet - - und dies auch bet bewusstlosen Patienten. 1Nun geben Sehitfer und Schar l ieb ausdriicklich an (S. 339), dass Zugabe yon ~/~o Vol. Aether zu 9/~ o Chloroform den giinstigen Effect, den sie von Alcohol sahen, nicht habe. Aber ihre Darreichungsweise kann, nach dem friiher Er(irterten, selbsverst~tndlich die Frage nicht zur Entscheidung bringen. Denn wenn sie heispielsweise nur tin Ma], zu Anfang des Versuches, das Gemisch auf die Watte aufgiessen (niihere Angaben in dieser Beziehung sind yon den Autoren nicht gemacht), so bekommt alas Thier gerade im Anfange der Inhalation den Aether in grSsserer Menge - - also dann, wenn das Chloroform noch kein Unheil angerichtet hat;

1) An Hunden haben wir absichtlich Versuche fiber analeptische Wirkungen (in Beziehung auf den Blutdruck) nicht angestellt. Nicht morphinisirte Hunde sind so unruhi K, dass eine etwaige Aenderung des Drucl~es nach irgend einem Eingriffe nicht ohne Weiteres auf diesen bezogen warden l~ann. Es wfirde hierzu einer sehr grossen Zahl yon Versuchen bedfirfen. Morphin anzuwenden abel- konnten wir uns wegen der H~ufung narkotisirender Faktoren nicht entschliessen,

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und wenn der Sehaden zu entstehen droht~ ist der Aether wegen seiner Flfichtigkei~ zum gr6ssten Theile aus dem Gemische entwichen und alas Thier, das den vorher inhalirten Aether inzwischen exspirirt hat, erh/~lt fast reines Chloroform. Wir haben deshalb mit der oben geschilderten Methodik aueh Versuche darfiber angestellt, ob dutch Zusatz von 1 Vol. Aether auf 9 Vol. Chloroform sich die sch~dliche Wirkung des Chloroforms auf die Circulation vermeiden liesse. Dies war nicht der Fall. - - Ob indes kleinere, ffir kurze Zeit gegebene Mengen yon Aether nicht doch irgend welchen analeptisehen Werth haben, darf aus unseren Versuchen nieht verneint werden.

Es braucht wohl kaum noch besonders ausgesprochen zu werden~ dass unsere Versuche ffir die Frage nach der Niitzlichkeit yon ,Misch- narkosen% besonders Aether und Chloroform nicht in Betracht kommen. Wie experimentell (z. B. yon Honigmann l ) , und wohl auch klinisch fest- gestellt worden ist~ haben diese unleugbare Vorziige vor der reinen Chloroformnarkose. Wir wollten nut angesichts der Behauptung S c h afer 's und Scharl ieb 's , class die yon ihnen angewende~en geringen Mengen yon Alcohol antagonistisch (analeptisch) wirkten, diese Seite tier Frage strenger prfifen; wie gemeldet, war das Resultat ein negatives.

1) Arch. f. klin. Chirarg. Bd. 58. S. 14 ft. d. S.-A.