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Aus dem Pharmakologisch-pharmakognostischen Institut der Deutschen Universit~it in Prag. Zur Methodik der Priifung schmerzstillender .~Iittel im Tierversuch. Yon E, Starkenstein. (Eingegangen am 29. I. 1932.) Einleitend zu einer Versuchsreihe fiber die bio]ogische Wertbestim- mung der Analgetika und ihrer Kombinationen hat Erich Hesse m~t einer Reihe yon ~Iitarbeitern 1 dar~uf hingewiesen, dal~ es bisher an einer experimentellen )[ethode fehle, die die schmerzlindernde Wirkung der Analgetika zahlenm:~t~ig zu erfassen gestattet. Das war ftir ihn der An- la6, eine solche Methode auszuarbeiten und die verschiedenen Analgetika und deren Kombinutionen hinsichtlich ihres schmerzstillenden Effek- tes zu priifen. Schon 2 Jahre vorher hatte Haffner 2 auf Grund i~hnlicher Uberlegungen eine ~[ethode zur Priifung der Anaigetika im Tierversuch angegeben und mit dieser eine Reihe yon Untersuchungen ausgefiihrt. 5Teuerdings haben Pohle und Spickermann 3, Pohle und V~oge] 4, so- wie P o h 1 e und D i t tri c h 5 in ausgedehnten Versuchsreihen sich bemiiht, unter Verwendung einer weiteren neuen Methode die verschiedenen An- algetika und ihre Kombinationen einer ,,exakten quantitativen Priifung im Tierversuche" zu nnterziehen. Dies hielten P ohle und seine Mitarbei- ~er, insbesondere auch im Hinblick auf racine Untersuchungen fiber die E. Hesse, Schulze, Bock und ~echutnys: Zur biologischen Wert- bestimmung der Analgetika. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1930, Bd. 158 S. 233. -- E. Hesse, Riisler und Brtihler, Ebenda 1930, Bd. 158~ S. 247. 2 Haffner, Dtsch. reed. Wochenschr. 1929~ INr. 18. 3 Pohle und Spickermann, Vergleichende Untersuchungen tiber die anal- getische Breite verschiedencr Antipyrer bei Kombinationen mit Schlafmitteln. I. ~iitteilung: Kombinationen mit Yeronal. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. ]931~ Bd. 162, S. 865. Pohle und Vogel, II. )Iitteilung: Kombinationen mit Urethan. Ebenda 1931, Bd. 162, S. 706. 5 p o h 1 e und D i t t r i c h, III. )iitteilung: Kombinationen mit Sulfonal. Eben da 1931, Bd. 162, S. 716.

Zur Methodik der Prüfung schmerzstillender Mittel im Tierversuch

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Aus dem Pharmakologisch-pharmakognostischen Institut der Deutschen Universit~it in Prag.

Zur Methodik der Priifung schmerzsti l lender .~Iittel im Tierversuch.

Yon

E, S t a r k e n s t e i n .

(Eingegangen am 29. I. 1932.)

Einleitend zu einer Versuchsreihe fiber die bio]ogische Wertbestim- mung der Analgetika und ihrer Kombinationen hat E r i c h H e s s e m~t einer Reihe yon ~Iitarbeitern 1 dar~uf hingewiesen, dal~ es bisher an einer experimentellen )[ethode fehle, die die schmerzlindernde Wirkung der Analgetika zahlenm:~t~ig zu erfassen gestattet. Das war ftir ihn der An- la6, eine solche Methode auszuarbeiten und die verschiedenen Analgetika und deren Kombinutionen hinsichtlich ihres s c h m e r z s t i l l e n d e n Effek- tes zu priifen. Schon 2 Jahre vorher hat te H a f f n e r 2 auf Grund i~hnlicher Uberlegungen eine ~[ethode zur Priifung der Anaigetika im Tierversuch angegeben und mit dieser eine Reihe yon Untersuchungen ausgefiihrt. 5Teuerdings haben P o h l e und S p i c k e r m a n n 3, P o h l e und V~oge] 4, so- wie P o h 1 e und D i t t r i c h 5 in ausgedehnten Versuchsreihen sich bemiiht, unter Verwendung einer weiteren neuen Methode die verschiedenen An- algetika und ihre Kombinationen einer ,,exakten quantitativen Priifung im Tierversuche" zu nnterziehen. Dies hielten P oh le und seine Mitarbei- ~er, insbesondere auch im Hinblick auf racine Untersuchungen fiber die

E. Hesse, Schulze, Bock und ~echutnys : Zur biologischen Wert- bestimmung der Analgetika. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1930, Bd. 158 S. 233. -- E. Hesse, Riisler und Brtihler, Ebenda 1930, Bd. 158~ S. 247.

2 Haffner , Dtsch. reed. Wochenschr. 1929~ INr. 18. 3 Pohle und Spickermann, Vergleichende Untersuchungen tiber die anal-

getische Breite verschiedencr Antipyrer bei Kombinationen mit Schlafmitteln. I. ~iitteilung: Kombinationen mit Yeronal. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. ]931~ Bd. 162, S. 865.

Pohle und Vogel, II. )Iitteilung: Kombinationen mit Urethan. Ebenda 1931, Bd. 162, S. 706.

5 p o h 1 e und D i t t r i c h, III. )iitteilung: Kombinationen mit Sulfonal. Eben da 1931, Bd. 162, S. 716.

326 g. STARKENSTEIN :

pharmakologisehe Wirkung der Analgetika und ihrer Kombinati0nen, ffir nStig, da ieh ,,den analgetisehen Effekt einerseits allein naeh dem Ein- ch'uek am Krankenbette bewertet babe, d. h. eine experimentelle Prt~fung der unalgetisehen Krgfte sei nieht erfolgt, und zweitens habe ieh - - w~s besonders yon L o ewe betont worden ist - - von den zahllosen versehie- denen Misehungen, die an sieh yon beiden Paaren mSglieh waren, nut ein einziges, mehr oder minder willktirlieh herausgegriffenes Misehungs- verhgltnis zum Gegenstand meiner Untersuehungen gemaeht, d.h. die Kombination sei yon mir nieht vollst~ndig durehgeprtift worden".

Solehen Grundlagen gegeniiber, die yon den genannten Autoren zum Gegenstand ausgedehnter Untersuehungen fiber die ?/[essung der S e h m e r z e m p f i n d u n g im T i e r v e r s u e h e gemaeht wurden, ersehien es mir nStig, 1. die Voraussetzungen ft~r solehe Untersuehungen, 2. die angewandte ~ethodik und 3. die damit erhaltenen Ergebnisse einer Prii- lung zu unterziehen.

I. Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, wurde die Priifung der

sehmerzstillenden Wirkung am Nensehen yon einzelnen der oben genann- ten Autoren als unzureiehend und wenig exakt befunden und dieser an- geblieh subjektiven lV[ethode gegent~ber die objektivere im Tierversuehe gew~hlt. Diesen Voraussetzungen gegenttber sind zungehst eine ganze Reihe pharmakologiseher Untersuehungen in Erinnerung zu bringen, die es zumindest sehr zweifelhuft erseheinen lassen mttssen, ob eine Sehmerz- prttfung im Tierversuehe iiberhaupt mSglieh ist und ob diese als objek- river bezeiehnet werden kann, als die Sehmerzprtifung am Nensehen.

Den Sehmerz objektiv messen wollen, heil~t wohl iiberhaupt das we- sentliehste Moment des Sehmerzes unbertteksiehtigt lassen: S ehmerz ist ein subj ek t ives Symptom und wird kliniseh als solehes gewertet. Ohne hier auf Einzelheiten hinsiehtlieh der Bedeutung des Sehmerzes als sub- jektives Symptom ngher einzugehen, sei hierauf die 3/[onographie yon R. Sehmid t 1 verwiesen. Das, was als Folge der primgren subjektiven Sehmerzempfindung fiir den Beobaeh te r - und damit vermeintlieh ob- jekt iv--sekundgr in Erseheinung tritt, die A b w e h r s y m p t o m e , sind nieht der unmittelbare Ausdruek des Sehmerzes, sondern diesem sub- ordinierte Symptome, die keineswegs ein Nag fiir die Intensitgt der primgren subjektiven Sehmerzempfindung darstellen.

Diese Abwehrbewegungen sind bekanntlieh hinsiehtlieh ihrer Genese ungemein kompliziert, zu einem Teile rein reflektoriseh, und kSnnen bei

1 R. S chm i d t, Die Sehmerzph~inomene bei inneren Krankheiten. Wien 19{36.

Znr ~Iethodik der Pr[ifung schmerzstillender ~r im Tierversneh. 327

einem gesetzten Sehmerzreiz uuch dann noch vorh~nden sein, w e n n - wie wir es in den ersten Stadien der sich ausbildenden ~qarkose sehen - - tlas BewuStsein und damit die subjektive Sehmerzempfindung bereits ausgesehaltet sind. Hier tritt dann als Folge desselben Reizes, der bei erhaltenem Bewul~tsein zur subiektiven Sehmerzempfindung und zu teils bewul~ten, teils reftektorisehen Abwehrbewegungen fiihrt, nurmehr die tetztgenannte Reaktion ein, so alas wir zwar noch eine seheinbare Ab- wehrbewegung sehen; das wesentliehste Symptom des Schmerzes uber, die subjektive Wahrnehmung, fehlt, was uns wohl die Bereehtigung nimmt, hier noeh yon ,,Sehmerz" zu spreehen.

Wie wenig ~us der Abwehrbewegung auf die Intensit~t des wahrge- nommenen Sehmerzes gesehlossen werden kann, das beweist wohl aueh der Vergleieh der Sehmerz~uf~erungen auf den gleiehen Reiz in der Ent- wieklung des ~ensehen yore K inde bis zum erwaehsenen Manne. Wenn das Kind auf den leichtesten Sehlag, der sicherlieh nieht als groSer Sehmerz empfunden wird, mit lange nicht stiUbarem Sehreien und Weinen reagiert und mit zunehmendem Alter solehe Schmerz~ul~erungen selbst bei inten- siven Schmerzempfindungen immer geringer werden, so ist damit keines- wegs gesagt, dal~ der Sehmerz im reifen Alter weniger empfunden wird als im Kin@salter, sondern dal~ in diesem die S e h m e r z a u S e r u n g nicht nur der Ausdruek der Intensit~t des gesetzten oder empfundenen Schmerzes ist, sondern vielfaeh der Ausdruek einer Mischung v on w i rk l i ehem S chin er z un d Angst , die infolge des Immerstarkerwerdens der sieh aus- bildenden H e m m u n g e n mit der geistigen und kSrperliehen Entwieklung immer geringer wird. Dort, woes infolge mangelhafter geistiger Entwiek- lung nieht zur Ausbildung der nStigen Hemmungen kommt, sehen wir auch im reiferen Alter selbst geringer Sehmerzintensitat scheinbar starke Schmerzreaktionen folgen, die sieh in Flueht, inWeinen, iaBriillen hu$ern, wie wires bei geistig ~inderwertigen, intellektuell Zuriiekgebliebenen, bei Kretins usw. immer wieder beobaehten kSnnen.

Zu diesen psyehologisehen Momenten, die wir zur Beurteilung der Abwehrreaktion heranziehen kSnnen, kommt weiter eine Reihe physio- logischer und pharm~kologiseher Unt ersuchungen, die yon S h e r ri n g t o n 1, Ka rp lu s und Kre id l 2, sowie v~ Amsler 3 und Silver4 ansgefiihrt

I Sherringto n, The integration action of the nervous system. London !906. 2 Karplus und Kreidl, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1909~ Bd. 129,

S. 138 and 1910, Bd. 135, S. 401. 3 Amsleri Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1921, Bd. 90, S: 257. 4 Silver, Ebenda' 1930, Bd. 158, S. 219. �9

3 2 8 E. STARKE~NSTE.[N :

worden sind. Ohne auf die Einzelheiten dieser Untersuehungen, die ja besonders beilia Pharmakologen als bekannt vorausgesetzt werden diir- fen, n/~her einzugehen, sei hier nut darauf hingewiesen, da6 sieh diese Untersuehungen vorzugsweise auf den S h e r r in g t o n schen Komplex der Pseudoschmerzreflexe beziehen, die yon einem subzerebralen 3Ieehanis- mus ausgelSst werden. Das S e h m e r z z e n t r u m an der Basis des Zwi schenh i rn s l~st A b w e h r r e a k t i o n e n aus, die ohne Bewul~t- werden des Schmerzes vor sieh gehen. Da diese aueh auf Schmerz- reize am dezerebrierten Tiere wahrnehmbar werden, wurden sie eben als Pseudoschmerzreflexe bezeiehne~. Fiir diese Schmerzreflexe bestehen in der Grol3hirnrinde Hemmungen, bei deren Wegfall Sehmerzreize zu jenen ungehemmten Schrherz~u6erungen fiihren k@nen, die ohne Bewul~t- werden des Schmerzes als seheinbar objektive Schmerzreakti0nen in Er- seheinung treten. Da solehe Hemmungen auch dureh Narkotika beseitigt werden, so t r e t e n - seheinbar p a r a d o x - naeh kleineren Gaben yon Chloralhydrat, Paraldehyd, Pernoeton, in dem Stadium, wo die bewul]te Sehmerzempfindung ausgeschaltet ist, die Reflexe abet no6h erhalten sind, Abwehrbewegungen und Sehreien starker in Erscheinung als in der ~orm.

Wenn A m s ler auf Grund seiner wiehtigen Untersuchungen auch zu dem Schlusse kommt, dal3 die den Schmerz begleitenden physisehen Xu6e- rungen des Sehreiens und der Abwehrbewegungen an die Schmerzempfin- dung gekntipft sind und daher beim normalen Tiere als Zeiehen empfun- denen Schmerzes im Sinne 5 Ian tegazzas 1 aufzufassen sind und nieht als Erseheinungen nu t reflektorischer Natur im Sinne yon RiehetZ, so geht doch andererseits aus allen diesen Untersuehungen hervor, wie aul3er- ordentlieh kompliziert tier gauze Schmerzkomplex zustande kommt und da$, was besonders aus den Arbeiten S h e r r i n g t o n s und der yon Xarp- lus und Kre id l hervorgeht, A b w e h r a k t i o n e n ohne Bewul3 twerden des Schmerzes ausge15st we rden kSn~en.

Berticksiehtigen wit welter die au•erordentliehen Untersehiede in der Grol~hirnfunktion, die zwisehen Menseh und Tier einerseits und welter innerhalb tier Tierreihe selbst bestehen, beriicksiehtigen wit dabei noch die versehiedenartigen und bei ein und derselben Tierart versehieden star- ken Itemmungen, so wird es uus verstgndlieh, da6 z. B. Xaninehen bis- weilen beim blol~en Anfassen und sehon beim Aufspannen heftige Abwehr- bewegungen maehen und sogar sehreien, wghrend oft die gleiehe Tierart selbst bei abdominalen Operationen ohne ~arkose kaum mit Schmerz- ~tut~erungen reagiert. Dies steht in voller ~bereinstimmung mit der den

~Iantegazza, La Physiologie de la douleur. Paris 1888. 2 Ch. Riehet, Douleur, dictionaire de physiologie V. Faris.

Zur lVIethodik der Prtifung schmerzstillender Mittel im Tierversuch. 329

Physiologen bekannten Tatsaehe, dal~ es eine exakte Asthesie- bzw. An- asthesieprfifung am ganzen Tiere noch nicht gibt und da6 selbstverst~nd- lieh noeh viel weniger eine Pri]fung des Sehmerzes als einer subjektiven Reaktion im Tierversueh mSglieh sein wird.

Wir verfiigen aber aueh beim Menschen noch fiber Beobaehtungen, welehe uns zeigen, wie sehr die subjektive Sehmerzwahrnehmung vonder jeweiligen Funktion des Gro6hirns abhhngig ist. Dies gilt zun~ehst yon dem oben erw~hnten Pernocton, fiber das auch klinische Beobachtungen beriehten, dal~ w~hrend seiner Wirkung, also im Sehlafzustande, eine his zur hSehsten motorischen Unruhe gesteigerte Erregung aus versehiedenen Ursachen, vor allem abet auf Grund yon Schmerzreaktionen eintreten kann (H. P~"ibraml). Da~ allerdings auch im Stadium des herab- gesetzten Bewul~tseins Schmerzreaktionen starker empfunden werden kSnnen als im vo]lkommen waehen Zustande, das beweisen mir die Selbstbeobaehtungen, da[t im Halbschtaf, also vermutlich in den dem Erwaehen vorangehenden Augenblieken, Kopfsehmerzen, abet aueh neuralgische Schmerzen, au6erordentlieh stark empfunden werden, die dann im vollkommen waehen Zustande eigentlich kaum mehr wahr- zunehmen sind. Diese Beobachtung ist wohl unsehwer in dem gleiehen Sinne zu deuten, dal~ im Halbsehlaf dureh die Ausschaltung der das Schmerzzentrum hemmenden Grol~hirnfelder das Sehmerzgeffihl un- gehemmter zum Sehmerzzentrum geleitet wird.

So sehwer es zungchst ist, diese komplizierten Vorggnge genauer ana- lysieren zu kSnnen, so zeigen sie immerhin, alas Abwehrbewegungen nicht als Mal~ der wirkliehen Schmerzintensitgt zu bewerten sind.

Fiir die p h a r m a k o l o g i s e h e B e u r t e i t u n g tier S c h m e r z e m p - f indung und ih re r B e e i n f l u ~ b a r k e i t ist es abet welter yon grS~ter Bedeutung, da~ sogar: das sehmerzstillende Mittel xav' ~oZ~r, alas Mor- phin, hinsichtlich seines Angriffspunktes und seiner Wirkungsweise eben als schmerzstillendes Mittel so sehwer zu deuten ist, was insbesondere aus den erwghnten Untersuehungen yon Amsler hervorgeht. Gerade die Tatsaehe, dal~ ~orphin schon in kleinen Dosen beim ~ensehen ausgespro- chert sehmerzstillend wirkt, in Tierversuehen, insbesondere bei der Katze, dagegen das Bild hochgradiger Erregung erzeugt, bewe]st sehon, wie wenig im Tierversuche motorisehe Effekte und Schmerz in Parallele gesetzt wet- den dfirfen.

Dureh den 7Naehweis, dal~ es gelingt, die durch Morphin aufgeregte Katze durch eine Coffeininjektion zu beruhigen - - ein Versuch, dessen Er-

1 H. P~'ibram, Festschrift fiir Pletnew 1932 (ira Manuskript ~orliegend).

330 E. STARKE~STEI~:

gebnis wohl ~ls paradox h~tte ~ngesehen werden mtissen 1 --, glaube ieh Anhaltspunkte daftir erbraeht zu haben, da] diese Aufregungen durch Morphin nicht als eine erregende Morphinwirkung zu deuten sind, son- dern als eine li~hmende, da6 dureh die L~hmung yon Hemmungen der bekannte Aufregungszustand hervorgerufen wird und dal~ das zentral er- regende Coffein eben dieser Li~hmung entgegenwirkt und dadurch - - seheinbar paradox - - beruhigend wirkt.

Gerade dieser Versueh zeigt abet, wie sehr wir uns davor htiten mils- sen, gesteigerte motorisehe Reaktionen im Tierversuch zum Sehmerz in unmittelbare Beziehung zu bringen.

D~s bisher Dargelegte gibt uns die Bereehtigung zu der Behauptung, dal] Abwehrbewegungen nieht unbedingt als Ausdruck wirklicher Schmerz- empfindungen gedeutet werden dilrfen, da~ sie vielmehr gerade in der Tierreihe bei heftigen sensiblen Reizen fehlen kSnnen, wahrend sie bei minimalen Reizen oft aul~erordentlich stark in Erseheinung treten und daI~ hierfilr der jeweilige Zustand tier Grol~hirnrinde mal3gebend ist.

Dies ftihrt uns nunmehr zur Beurteilung der ) [ e tho dik, die die oben- erw~hnten Autoren zur vermeintlieh objektiven Messung des Sehmerzes verwendet haben. H a f f n e r benntzte als Schmerzreaktion die Abwehr- bewegung, die )[i~use nach Kneifen an der Sehwanzwurzel i~u~ern. Diese ~[ethode ist filr Hess e unzureichend, da nieht alle Miiuse mit Abwehr- bewegungen auf diesen Reiz reagieren, andererseits sieh einzelne Tiere an diesen Schmerzreiz gewShnen. Trotz dieser M~ngel halt aber Hesse das Prinzip filr richtig und insbesondere die Tiergattung Maus filr solche Versuehe geeignet.

Die von Hesse ,,verbesserte" ~r besCeht darin, dal~ mit den Branchen einer Arterienklemme die Analsehleimhaut und die Schwanz- wurzel gleiehzeitig gefa6t werden. Etwa 70% der hi,use ,,schreien" und quieken auf diesen Sehmerzreiz hin und alle fahren blitzschnell mit dem Kopfe nach dem Schwartz herum und versuehen dutch 57agen die Klemme loszulSsen, was als sieheres Zeichen eines reeht krgftig empfundenen Schmerzes angesehen wird. Mit dieser Methode gelang es Hesse, bei der Prtifung von sehmerzstillenden Mitteln drei Stadien zu unterscheiden, und zwar das Stadium der vollen Schmerzempfindlichkeit, das Stadium der Abschwgchung tier Sehmerzempfindung und das Stadium der Analgesie.

Allen diesen Versuehen sind wohl die Sgtze H e s s e s voranzustellen: ,,Wenn man bedenkt, da6 der Zustand, den wit klinisch als Schmerz be- zeichnen, ganz verschiedenartigen Ursachen entspringt, wird man die

1 S t a r k e n s t e i n , Gibt es eine erregende Wirkung des Morphins? Arch. s wiss. u. prakt. Tierheilk. Festschrif t fiir H. D e x ! e r 1926.

Zur ~Iethodik der Prtifung schmerzstillender Mittel im Tierversuch. 331

Schwierigkeit begreifen, auf die die Wiedergabe dieser Verhi~ltnisse im Experiment stSl~t." ,,Ein einziges experimentelles Verfahren kann natiir- lieh niemals den vielseitigen klinisehen Verh~ltnissen gerecht werden."

Dies ist fiir He s s e der Anla~ geworden, die zuerst verwendete Me- rhode wiederum zu i~ndern und den Schmerzreiz an der Reizung einer ent- ziindeten Ki~rperstelle zu priifen. Obwohl in der I. Mitteilung Hesses das Prinzip H affn ers als riehtig und die Tierart ~aus ftir die objektive Prtifung des Schmerzes als geeignet befunden wurde, wird doch schon in der II. Mitteilung H esses und seiner Mitarbeiter das Meersehweinehen ftir die Untersuchungen herangezogen nnd die durch KrotonS1 an der cnt- haarten Riickenhaut hervorgerufene Entziindung als Ob]ekt fiir die Schmerzempfindung Verwendet. ,,Diese Tiere reagieren auf ein leichtes Zusammendrticken des Entztindungsherdes mit lantern Schreien und Ab- wehrbewegungen . . . . Aber nieht alle Meerschweinchen reagieren gleich stark auf den Schmerzreiz. 5% sind wegen zu geringer Sehmerzreaktion nicht verwendbar."

Wit sehen somit hier in drei Arbeiten zur ,,ob]ektiven" Messung des Schmerzes schon drei verschiedene Methoden verwendet. Eine weitere Ab~nderung finder diese Methodik bei den Untersuchungen yon P o hle und seinen Mitarbeitern. Ebenso wie Hesse die Haffnersche Methode ablehnte, werden yon Pohle und seinen Mitarbeitern die Methoden von Hesse und Haf fne r als unzureiehend bezeichnet, ,da der applizierte Schmerzreiz sich seiner Intensitiit naeh hie wird gleiehmii~ig gestalten und es zweifelhaft erscheint, ob damit wirklich maximale Schmerzreize gesetzt werden kSnnen". Erzeugung maximaler Schmerzeize und deren Verhinderung ist die Grundlage der ~ethodik, die P o hl e und Mitarbeiter verwendeten. Sie lehnen auch die lgethode yon Leb e r m a n n 1 (Auftragen eines Sauretropfens auf die Haut) und die yon M. V. F r e y 2 (Reizung einer begrenzten Hautstelle durch einen mit einer Linse erzeugten Brennstrahl) ab. Ihre Methode besteht darin, ,,eine rotgltihende Nadelspi~tze in Form einer kurzen, ganz leichten Bertihrung mit der Li~ngsseite tier Schnauze einer Maus - - der empfindliehsten Stelle des Tieres - - zu ni~hern". ,,Dar- auf erfolgt heftiges Wegzucken des Kopfes, begleitet yon Abwehrbewe- gungen der vorderen Extremit~ten, wi~hrend bei einem gentigend analge- tiseh gemachten Tiere die Reaktion unterbleibt."

Zur Beurteilung dieser letztgenannten )[ethode darf wohl dem Satze die grSl~te Bedeutung beigemessen werden, ,,dal~ bier die empfindlichste Stelle der Maus mit einer gltihenden Nadel bertihrt wird". Wollten wir

t L e b e r m a n n , Zeitschr. f. Biol. 1922, Bd. 75, S. 239. M. V. F r e y : Ebenda 1923~ ]3d. 76, S. 1.

332 E. STARKENSTE:[N :

dieser Art yon Prttfung eine Analgesieprt~fung beim ~'Ienschen gegent~ber- stellen, so mttgte diese als gleiehwertig etwa derart vorgenommen werden, dag mit einer gltthenden Nadel die Cornea bertihrt wird und als braueh- bar far die Sehmerzstillung initiate jenes ~{ittel angesehen werden, welches imstande w~tre, die Abwehrreaktion auf diesen Reiz aufzuheben.

?/[an wird wohl in der Beurteilung der hier angewendeten 5Iethoden kaum fehlgehen, wean man annimmt, da6 hier n i eh t Sehmerz re ize , sondern b e s t i m m t e Ref lexe als 5iag far den analgetisehen Effekt be- nutzt wurden. Diese Annahme basiert vorwiegend auf den noeh sp~ter zu bespreehenden Untersuehungen tiber die W.irkung des Norphins bei diesen ~{ethoden, yon dem wir ja wissen, dal3 sehon naeh ldeinsten Dosen die Sehmerzempfindung erlosehen sein kann, ohne dug eine Abnahme der itbrigen Sinnesempfindungen naehweisbar sein miigte und da6 der Reiz- erfolg motoriseher Zentren selbst dureh grol~e Norphindosen nieht abge- sehwgeht sein mug. Umgekehrt verfiigen wir iiber keinerlei Grundlagen dufttr, dag herabgesetzte Reflexerregbarkeit mit der Herabsetzung der Sehmerzempfindung unbedingt parallel gehen mttgte, wiewohl die MSg- liehkeit hierft~r keineswegs in Abrede gestellt werden soll. Sieher aber ist es, dal~ das Bestehenbleiben soleher Abwehrre~ktionen keineswegs bereits eingetretene Analgesie im Sinne der Wirkung der Analgetika beim 3gen- sehen aussehliel3en lggt. Am auffallendsten ist der Gegensatz zwisehen Anulgesie und Reflexfunktion bei manehen Arzneimitteln aus der Reihe der Pyrazolone, vor allem beim P y r a m i d o n , yon dem wir wissen, da6 es in Dosen, die yon den toxisehen noah weit entfernt sind, beim Nensehen b e d e u t e n d e a n a l g e t i s e h e W i r k u n g e n entfaltet, dal~ aber mit Zu- nahme der Dosis eine immer stgrker werdende S t e ige rung der Ref lex- e r r e g b a r k e i t sowohl im Tierreieh als aueh beim 5iensehen in Ersehei- hung tritt.

Gerade die Wirkung, die einzelne der obenerwghnten Autoren bei An- wendung ihrer 3gethoden mit der Prt~fung der beiden erwghnten Stoffe ){orphin und P y r a m i d o n erhalten hatten, hgtte sie eigentlieh sehon dazu ftihren miissen, diese ?/[ethodik fiir die quantitative Messung der An- algetika im Tierversuehe als unbrauehbar zu erklgren.

Ohne auf alle Einzelheiten der Versuehs e r g e b nis s e obengenannter Autoren einzugehen, die mit den aus ihren eigenen Versuehen gezogenen S e h l u g f o l g e r u n g e n im Widersprueh stehen, sei zungehst auf die GrSge der Morphindosen hingewiesen, mit denen z. B. H e s s enoeh keine Angsthe- sie und mit denen er erst voile An~lgesie erzielte. Noeh deutlieher tritt dies bei den P yramidonversuehen in Erseheinung, also bei einem unserer besten Analgetika, das sieh H e s s e bei seinen mit zwei versehiedenen l~{e-

Zur Methodik der Priiftmg schmerzstillender Mittel im Tierversuch. 333

~hoden durchgeftihrten Untersuchungen hinsichtlich analgetischer Wir- kung als u n w i r k s a m erwiesen hat.

Nicht unerwiihnt mSge bleiben, da~ in einem Teile der Versuche yon Hesse die verschiedenen auf ihre analgetische Wirksamkeit gepriiften Pr~p~rate nach Dosen yon ~illigramm-Tabletten pro Gramm Maus bzw. pro 100 g ~eerschweinehen untereinander verglichen werden.

Schlie~lich mul~ auch noch darauf hingewiesen werden, dal~ in den Arbeiten Hesses zwischen den E rgebn i s sen der Versuche und deren Z u s a m m e n f a s s u n g in den Schhll~si~tzen eine sonst wohl nicht iibliche I n k o n g r u e n z nachweisbar ist.

Die Beurteilung der Versuehe H esses yon diesen Gesichtspunkten .aus mu~ zu dem S chlul~ fiihren, dal~ weder die objektive Beurteilung der angewendeten Meth0den noch die damit erhaltenen Resultate die Uber- zeugung gewinnen lassen, dal~ dutch diese Methoden eine Beeinflussung des S chm e r z e s in objektiver Weise nachweisbar ist. H e s s e sagt selbst, dal~ niemals ein einziges experimentelles Verfahren den vielseitigen kli- nischen Verhi~ltnissen gerecht wird und dal~ nach wie vor die klinische Erfahrung ftir die Beurteilung eines schmerzstillenden Mittels ausschlag- gebend sein wird. Es ist verwunderlich, da6 trotz der ausdriicklichen Be- tonung einer so]chen 1Jberzeugung yon Hesse die erwiihnten Untersu- chungen durchgefiihrt wurden, die einerseits einen Reflex, andererseits Wundschmerz als h[a6 fiir die Priifung schmerzstillender Mittel w~hlten. Es ist hilll~nglich bekannt, dal~ gerade gegentiber dem Wundschmerz die Analgetika beim ~enschen meist versagen und dal~ die Hauptindikatio- nen, ftir die Analgetika in der klinischen Therapie verwendet werden, in erster Linie ~euralgien, KopC und Zahnschmerzen, Menstruationsbe- schwerden und schliel~lich Spasmen der glatten Muskulatur und ihre Folgezust~nde, die kolikartigen Schmerzen, darstellen. Es wird wohl kaum mSg]ich sein, diese Schmerzursachen im Tierexperiment als Grund- lage einer experimentellen Priifung der Analgetika zu erzeugen, und wenn dies mSglich wi~re, so wird es unmSglich bleiben, die Intensit~t des Schmerzes und die Wirkung der dagegen gepriiften Analgetika am Tier zu messen, da, wie oben nigher ausgeftihrt wurde, der Schmerz ein sub- jektives Symptom darstel]t und Auftreten und Ausbleiben tier Abwehr- reaktionen weder ein Mal~ ftir die Intensitht des Schmerzes, noch fiir den Grad der Wirkung der Analgetika sein kann.

Aus diesem Grunde babe ich schon in der I. )/[itteilung fiber Kom- binationsversuche in der Analgetikareihe~ ausdrticklich betont, da6 die

1 S t a r k e a s t e i n , Therapeut. Monatshefte 1921, Nr. 20. Arch iv f. exper iment . :Path. u. :Pharma.kol. Bd. 165. 22

334 E. STAI~KENSTELN :

zentralanalgetische Wirkung nur durch den Versueh am Menschen gezeigt werden kann. Auch MShrke 1 hat seine Untersuchungen fiber die Schmerzempfindung nur am ~ensGhen vorgenommen, und W. S t raub 2 hat zum Nachweis der pharmako-dynamischen Wirkung des Narkotin~ im Opium night irgendeine den Schmerz unterdrt[ckende Wirkung der 0piumalkaloide als Ma6stab genommen, sondern einerseits die Exzita- tionswirkung des Morph~ns an Katzen, die spezifische ~arkose des Atem- zentrums und die letale Minimaldosis. Hier seien auch die Untersuchun- gen Wi e ch o w ski s 3 erw~hnt, der die Fiebermittel als Analgetika nut hin- sichtlich ihres Einfiusses auf die intrakranielle Blutzirku]ation priifte, die gerade am Zustandekommen yon Kopfschmerzen und Migra.ne besonders stark beteiligt ist.

Wfirden nile Schlul~fo]gerungen iiber die Wirkung der Analgetika lediglich auf Tierversuchen basieren, dann mii6te wohl gefordert werden, da6 zum Naehweis ihrer klinischen Brauchbarkeit Kontrollversuche am ~r durehzufiihren seien. Das Umgekehrte zu verlangen und die am Menschen gewonnenen Resultate erst im Tierversuche objektiv mess en wollen, bedeutet, wie bereits einleitend gesagt wurde, das grundshtzliehe Wesen des SGhmerzes zu verkennen, n~mtich seine Subjektivit~t.

II. Ein weiterer Einwand, der gegen meine friiheren Untersuehungen von

Pohle und seinen ]_~[itarbeitern erhoben wurde, ist der, da~ ieh nur eine mehr oder weniger witlkfirliche Mischung geprifft habe und nicht alle mSg- lichen Misehungen, die man yon den beiden Komponenten der Veronal- Pyramidonkombination herstellen kSnne.

Diesbez[iglich mSehte ich den genannten Autoren das entgegenhal- ten, was W. S t r aub ~ fiber das Problem der Kombinationen mehrerer Alkatoide des Opiums gesagt hat: Alle mSglichen Kombinationen phar- makologiseh durchzuftihren, ist wohl praktisch unm6glich, aber es kommt dabei gar night darauf an, da~ das rationellste Prgparat durchaus das beste sein mtisse, nicht einmal derzeit das beste; es genttge, wenn die Kombination rationell ist und nach einer oder mehreren Richtungen bin gegent~ber den einzelnen Komponenten Vorteile bei ihrer therapeutisehen Anwendung besitzt.

Es trifft aber keineswegs zu, da~ das von mir gew~hlte Misehungs- verhgltnis ein willkiirliches ist, ebenso wie es unrichtig ist, da6 nur dieses

~ S h r k e ~ Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1921, Bd. 90, S. 180. 2 W. S t r a u b , Biochem. Zeitschr. 1913, Bd. 57, S. 156. 3 W. W i e c h o w s k i ~ Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1902, Bd. 48, S. 376. 4 W. S t raub~ Biochem. Zeitschr. 1913, Bd. 57, S. 156.

Zur Methodik der Priifung schmerzstillender ]~Iittel im Tierversuch. 335

eine Mischungsverh~ltnis gepriift wurde; aber das letzten Endes gew~hlte Mischungsverhiiltnis hat sich uns als rationell und bei der Pr i i fung am Menschen hinsichtlich seiner ana lge t i s chen Wirkung als besonders brauchbar erwiesen, und zwar erstens auf Grund des analgetischen Effektes, insbesondere auf Grund der Schnelligkeit des Eintrittes dieses Effektes, und zweitens auf Grund der geringen toxischen Wirkung bzw. tier nachgewiesenen wechselseitigen Entgiftung der beiden Komponenten, die ohn e Beeintr~chtigung des Additionsergebnisses der schmerzstillenden Wirkung beider Komponenten erfolgt.

Gerade das Moment der E n t g i f t u n g spielt nun in den Untersuchan- gen yon Pohle und Mitarbeitern eine gro6e Rolle und fiihrt die Autoren zu Ergebnissen, die zu den von mir verSffentlichten in Widerspruch ste- hen. Wahrend der t h e r a p e u t i s c h - a n a l g e t i s c h e E f f ek t , wie oben ausgefiihrt wurde, im T i e r v e r s u c h e n i ch t m e , b a r ist, ist fttr die E n t g i f t u n g wohl in erster Linie nur der T ie rve r such ftir genau messende Versuche b rauchbar . Hierbei ist aber die App l ika t ions - ar t der zu prtifenden Analgetikakombinationen yon entscheidendem Ein- fluid. Pohle und Mitarbeiter sind nun der Meinung, dal~ entsprechend einer Angabe yon S c r e min i bei Kombinationsversuchen die intravenSse Injektion die Methode der Wahl darstelle, well da am besten eine gleich- zeitige Wirkung beider Komponenten der Mischarznei in dem gerade ge- wtinschten Verhaltnis gewahrleistet ist. Da P o hle und Mitarbeiter aber wegen der SehwerlSslichkeit einiger yon ihnen gepriiften Pri~parate diese Methode nicht anwenden konnten, wiihlten sie die subkutane Injektion.

Sowohl die Annahme Scremins, als auch die yon Pohle und Mit- arbeitern trifft hinsichtlich ihrer allgemeinen Anwendbarkeit nicht zu und sie ist gerade ftir die hier in Frage stehende Kombination yon Veronal mit Pyramidon nicht geltend; denn es isr eine falsche Voraussetzung, da6 bei tier intravenSsen oder auch nur subku~anen Injektion die beiden Stoffe gleichzeitig zur Wirkung kommen miissen. Die Autoren haben gerade hicrbei alas Grunds~ttzlichste dieser Kombination, auf das ich in der obenerw/~hnten I. Mitteilung meiner Untersuchungen hingewiesen habe, unberiicksichtigt-ge]assen: Veronal unterscheidet sich hinsichtlich des Eintrittes seiner Wirkung grunds/~tzlich yon anderen 5Tarkoticis der Alkoholreihe. Verabreicht man einem Kaninchen z.B. Urethan oder Chloralhydrat per os oder subkutan, dann dauert es eine gewisse Zeit, ehe die hypnotische bzw. narkotische Wirkung eintritt. Injiziert man dagegen die wirksame Dosis dieser l~arkotika in~ravenSs, dann tritt unmittelbar

i S c r e m i n , Studi Sassaresi 1930, Set. II , Bd, 8, S. 6.

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336 E. STARKENSTEIN:

naeh der Injektion, bisweilen schon wahrend der Injektion die voile Wir- kung ein. Hiervon unterseheidet sieh nun aber die Veronalwirkung grund- satzlieh; denn auch naeh intravenSser Injektion ]iegt hier zwisehen Appti- kation und Eintritt der Wirkung ein mehr oder minder groger Intervall, was wohl beweist, daf~ zum Untersehiede yon Urethan und Chloralhydrat die Bindung des Veronals an die wirksamen Zellen langere Zeit in An- sprueh nimmt als bei den anderen ~arkotieis. Verabreieht man nun mit dem Veronal subkutan oder gar intravenSs Pyramidon, dann sieht man, dal~ dieses unmittelbar naeh der Applikation zur Wirkung kommt und da6 ein antagonistiseher Entgiftungseffekt des Veronals bei dieser Art der Applikation aus dem Grand nicht in Erseheinung tritt, weil eben die Veronalwirkung viel sparer eintritt als die des Pyramidons. Wird dugegen die Pyramidon-Veronalkombination oral verabreieht, dann erfolgen Re- sorption und Eintritt der Wirkung derart, dal~ letztere fi]r beide Kompo- nenten zasammenf~llt.

Wir sehen somit, dal3 die hnnahme yon P o hle und Mitarbeitern, dal3 gleiehzeitig gegebene Stoffe aueh gleiehzeitig zur Wirkang kommen miissen, gerade fi~r die Veronal-Pyramidonkombination, der sic so aus- gedehnte Untersaehungen widmen, nieht zutrifft.

Dies geht am besten aus folgenden Versuehen hervor: Verabreieht man einem Kaninehen die letale I)osis 1,5 g Veramon

pro Kilogramm Tier per o s, so tritt naeh etwa 1 Stun@ Mehte narko- tisehe Wirkung ein, die sieh immer mehr vertieft und innerhalb von etwa 5 SturLden zu tiefer Narkose ausbildet. In diesem Stadium kann das Tier 1--2 Tage liegen und geht dann, ohne zu erwaehen, in dieser tiefen Lah- mung zugrunde. Verabreieht man dagegen einem Kaninehen i g Veramon pro Kilogramm Tier s a b k u t a n , so treten binnen 5 ~[ inu ten sehwerste tet~nisehe Krampfe auf und in wenigen Minuten sparer geht das Tier in diesen Krampfen zugrunde. Gibt man dagegen 1 g Veramon pro Kilo- gramm per os oder 0,5 g pro Kilogramm subkutan, dann ,tritt in beiden Fallen die Veronalwirkung hervor, die zum Sehlaf fiihrt and aus der die Tiere wiederum vollkommen normal erwaehen.

Diese Versuehe zeigen deutlieh, dag bei der ora len Verabreiehung einer t 6 d l i e h e n Veramondos i s der Ted ein Ve rona l t od , bei der s u b k u t a n e n dagegen ein P y r a m i d o n t o d ist. Verwendet man da- gegen eine nieht tSdliehe I)osis, dann ist oral bis zu einer gewissen I)osis eine vollkommene Entgiftang beider Komponenten, bei grSl~erer Dosis ein l~'berwiegen der Veronatwirkung festzustellen, was darauf zuriiekzu- ft~hren ist, dal3 als erste Wirkung die weehselseitige Toxizit~it aufgehoben ist, allmahlieh aber das Pyramidon za Rubazonsaure abgebaut wird, wah-

Zur Methodik der Prtifung schmerzstillender gittel im Tierversuch. 337

rend das Veronal nur langsam den KSrper verlal~t und infolgedessen noeh naehhaltigere Wirkungen entfalten kann.

Aus all dem ergibt sich, da6 tolglieh die Veronal-Pyramidonkom- bination in dem im Veramon vor]iegenden ?r yon zwei 3~olekiilen Pyramidon und einem 3{olekiil Veronal nut bei oraler Verabreiehung eine Entgittung der beiden in toxiseher Dosis verabreieh- ten Komponenten ermSglieht, wahrend die gleiehe Dosis derselben Kom- bination subkutan gegeben eine ausgesproehene Pyramidonvergittung zur Folge haben mug. Aus diesem Grunde kamen ja aueh Pohle und ){it- arbeiter zu dem Sehlug, dal3 bei ihrer Applikationsart (subkutan) wesent- ]ieh grOl3ere Veronalmengen zur Entgittung des Pyramidons nOtig sind, was ja mit unseren tri]heren Versuehen und den oben wiedergegebenen vollkommen in Ubereinstimmung steht. Die von ihnen als brauehbar be- tundene Kombination ware somit nut fiir subkutane Applikation mOglich, oral gegeben mii6te sie dagegen ausgesproehene Veronalvergiftung zur ]?olge haben.

Die yon P ohle und lV[itarbeitern hinsichtlieh tier Entgiftung dureh- gettihrten Versuehe stellen somit keine Naehprtitung unserer Versuehe dar und ihre Resultate mul]ten selbstverstandlieh ganz anders ausfallen, als die von uns erhaltenen; sie lassen keinerlei Sehluf~tolgerungen tiir die k li nis eh e Brauehbarkeit ihrer Untersuchungen zu.

Zusammenfas sung .

1. Eine exakte und quantitativ messende Priifung ana]getiseh wir- kender Arzneistoffe und ihrer Kombinationen ist im Tierversueh nieht mSglieh, denn ,,Sehmerz" ist Bin subjektives Symptom und seine ver- meintlich objektiven Xu6erungen, wie Abwehrbewegungen- und Sehreien, stehen in keinem Parallelismus zur Intensit/it des Sehmerzes; sie sind, wenn nicht vol]standig, so doch zum grol~en Teile reflektorisehe Vorgange und kSnnen wegen bestehender Hemmungen in der Groghirnrinde bei emptundenem Sehmerz tehlen, andererseits eben wegen des Wegtal]es die- ser Hemmungen bei herabgesetztem oder tehlendem Bewul~tsein verstarkt in Erseheinung treten.

2. Die bei der experimentellen Priitung der Analgetika dureh tt aft- ne t , Hesse, Pohle und deren Mitarbeiter mit den yon ihnen angegebe- nen Methoden erhaltenen Resultate sind nur jeweils als Wirkungen der gepriitten Stotte gegeniiber den angewendeten Reizen bei der betreftenden Tierart zu bewerten, vertragen abet keine Verallgemeinerung tar die tier- experimentelle Priitung und gestatten noch weniger einen Sehlul3 aut die schmerzstillende Wirkung dieser Stotte beim Mensehen. Das beweist vor

338 E. STARKENSTEIN: Zllr Methodik der Priifung schmerzstillender ~Iittel.

allem die geringe analgetische Wirkung des ?r und die vollkommen fehlende sehmerzstillende Wirkung des Pyramidons in den angeftthrten Experimenten, im Gegensatz zur ausgesproehen analgetischen Wirkung dieser Stoffe in klinischen Versuchen.

3. Im Gegensatz zur Priifung der ana lge t i s ehen Wirkung ist die dutch Kombination erreichbare E n t g i f t u n g im Tierversuehe malabar. Itierbei kommt es jedoch wesentlieh auf die Art der Applikation an. Bei allen Kombinationen yon Veronul mit Pyramidon ist die Wirkung naeh subkutaner Injektion dieser Stoffe grunds~tzlieh versehieden von deren Wirkung bei oraler Verabreichung, well die beiden Komponenten je naeh der Art ihrer Zufuhr entweder gleiehzeitig oder naeheinander zur Wirkung gelangen. Die yon Pohle und seinen ~Iitarbeitern bei subkutaner Injek- tion dieser Kombination erhaltenen Ergebnisse sind daher zu einem Ver- gleieh mit der or~len Wirkung der gleichen Kombination nicht geeignet und sind fiir die Bewertung des analgetisehen Effektes oral zu verabrei- ehende Praparate der gleichen Kombination nieht verwendbar.