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Acta Medica Scandinavica. Vol. C, fasc. 111-V, 1939. Zur Morphologie des Vorhof-Elektrokardiogramms. Rechts- und Links-H yperfunktionstypus des Vorhof- Elektrokardi ogramms. \‘on LEO HAHN, fruher Teplitz-Schonau, dz. Prag und RICHARD LANGENDORF, Prag (C. S. R.). (Bei der Redaktion am 13. Februar 1939 eingegangen.) Der Vorhof-Komplex des Elektrokardiogramms (EKG) besteht ausser der eigentlichen P-Zacke auch noch aus einem zum griisse- ren Teil im Kammer-Komplex verborgenen Abschnitt, welcher zusammen mit dem PQ(R)-Interval1 gewohnlich als Nachschwan- kung des P bezeichnet wird [Ta Zacke, Hering (6)J (Lit. s. 21). Es ist wahrscheinlich, dass dieser Abschnitt, ahnlich wie beim Kammer- EKG aus einem Zwischenstuck und einer T-Welle besteht. Doch ist es,wenn man die Form der Nachschwankung des P, wie siesich in Fallen von totalem a-v Block am deutlichsten manifestiert, zum Ausgangspunkt der Betrachtung wahlt, ausserordentlich schwer, wenn nicht unmoglich, ein Zwischenstiick im Sinne des vom Kam- mer-EKG gelaufigen gleichartigen Abschnittes, deutlich von der eigentlichen Ta-Welle abzugrenzen. Nur zum Zweck einer kurzen und klaren Ausdrucksweise wird im Folgenden vom Zwischenstuck des Vorhof-EKGs gesprochen und darunter der Abschnitt P bis Q bzw. R verstanden; keineswegs sol1 damit fur diesen Teil des Vor- hof-EKGs begrifflich eine Gleichsetzung mit dem Zwischenstiick des Kammer-EKGs vorgenommen werden. Wir bezeichnen also ausdriicklich als Zwischenstuck des Vorhofs oder erstes Zwischenstuck oder Zsta die in der Regel isoelektrisch verlaufende Strecke P bis zum Beginn des Kammerkomplexes, fur welche die ubliche Bezeich-

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Acta Medica Scandinavica. Vol. C, fasc. 111-V, 1939.

Zur Morphologie des Vorhof-Elektrokardiogramms. Rechts- und Links-H yperfunktionstypus des Vorhof-

Elektrokardi ogramms.

\‘on

LEO HAHN, fruher Teplitz-Schonau, dz. Prag und RICHARD LANGENDORF, Prag (C. S. R.).

(Bei der Redaktion am 13. Februar 1939 eingegangen.)

Der Vorhof-Komplex des Elektrokardiogramms (EKG) besteht ausser der eigentlichen P-Zacke auch noch aus einem zum griisse- ren Teil im Kammer-Komplex verborgenen Abschnitt, welcher zusammen mit dem PQ(R)-Interval1 gewohnlich als Nachschwan- kung des P bezeichnet wird [Ta Zacke, Hering (6)J (Lit. s. 21). Es ist wahrscheinlich, dass dieser Abschnitt, ahnlich wie beim Kammer- EKG aus einem Zwischenstuck und einer T-Welle besteht. Doch ist es,wenn man die Form der Nachschwankung des P, wie siesich in Fallen von totalem a-v Block am deutlichsten manifestiert, zum Ausgangspunkt der Betrachtung wahlt, ausserordentlich schwer, wenn nicht unmoglich, ein Zwischenstiick im Sinne des vom Kam- mer-EKG gelaufigen gleichartigen Abschnittes, deutlich von der eigentlichen Ta-Welle abzugrenzen. Nur zum Zweck einer kurzen und klaren Ausdrucksweise wird im Folgenden vom Zwischenstuck des Vorhof-EKGs gesprochen und darunter der Abschnitt P bis Q bzw. R verstanden; keineswegs sol1 damit fur diesen Teil des Vor- hof-EKGs begrifflich eine Gleichsetzung mit dem Zwischenstiick des Kammer-EKGs vorgenommen werden. Wir bezeichnen also ausdriicklich als Zwischenstuck des Vorhofs oder erstes Zwischenstuck oder Zsta die in der Regel isoelektrisch verlaufende Strecke P bis zum Beginn des Kammerkomplexes, fur welche die ubliche Bezeich-

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nung PQ(R) zu schleppend und ungenau erscheint, weil bisher unter ihr gewohnlich das zeitliche Interval1 verstanden wird. Wegen der mangelnden Abgrenzbarkeit eines dem ST-Segment entsprechenden Vorhof-Zwischenstucks scheint uns auch die von uns vorgeschla- gene Bezeichnung gunstiger als die von den amerikanischen Auto- ren (1) gewahlte ))PT,-Segrnent)) und praziser als der Ausdruck PR-Segment (1 2).

Obwohl die Durchsicht von Elektrokardiogrammen der grossen elektrokardiographischen Literatur immer wieder auf Veranderun- gen dcs ersfen Zwischenstucks stossen lasst, eine Erfahrung, die man seit der Einfiihrung des Belastungs-Elektrokardiogramms noch viel haufigcr machen konnte, fehlt bis auf Ansatze aus allerletzter Zeit eine systematische Bearbeitung dieser elektrokardiographischen Erscheinung. Sogar die auffalligste und regelmassigste Verande- rung des ersten Zwischenstiicks bei Fallen mit Hypertrophie des linken oder rechten Vorhofs ist bisher den meisten Bearbeitern des Vorhof-Elektrokardiogramms entgangen.

Schon in den alten Lehrbiichern, so bes. bei Kraus u. Nicolai (1 l), finden wir Angaben uber das Verhalten des ersten Zwischenstiicks. Trotz der zwcifellos fur die Beurteilung dieses Abschnitts viel un- gunstigeren Kurven des Saitengalvanometers wird iibereinstim- mend vermerkt, dass das erste Zischenstuck normalerweise in der Isoelektrischen oder knapp unterhalb derselben verlauft. Genaue Zahlenangaben daruber fanden wir nur sparlich. N’ir haben des- halb zunachst ein Material unausgewahlter, also auch pathologischer Falle, in der Gesamtzahl von 5001 auf das Verhalten des ersten Zwischenstiicks gepriift (s. Tabelle 1). Ohne Rucksicht auf die klinischr Diagnose ergab sich dabei ein Prozentsatz von 24 yo mit Veranderungen am 1. Zst. Zieht man von der Gesamtzahl jene Falle klinisch eindeutiger Mitralstenose sowie aller Affektionen mit starker Belastung des rechten Herzens-elektrokardiographisch durch P pulmonale gekennzeichnet (22) - ab, so ergibt sich fur den Rest ein Prozentsatz ))positiver)) Falle von 19.6 yo. Erst die Durcharbeitung eines solchen, relativ grossen Materials erlaubt es, die Grenze zu fixieren, von wclclier ab von einer pathologischen Scnkung oder pathologischen Form des ersten Zwischenstucks zu sprechen gestattet ist.

1 Das Material riitstammt dern Ekg-Archiv tier ehemaligrn Herzstation ‘kplitz-Schoriau. (11.)

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z u R M o R P H o LO c I E D E s YO R H o F- E L E KT R O K A R D 10 G R A M M S. 281

Zahl der Falle % der *positiven* Fiille OL der Gesamtzahl . . . .

. . . . . .

Zsta dep. Zsta depri- Zsta depri- miert in I I miert in I t

und 111 1 und 111

11 76 2 31

9.2 I ::: 1 i:; 1 25 2.2 6.2

1 In diese Cruppe sind auch jene Falle (van hlitralstenose) einbezogen, br i denen eine deutliche Depression in I bestand und eine Depression in I1 durch eine Elevation in 111 aufgehoben wurde.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wollen wir gleich hier die Richtlinien festsetzen, die wir fur die Beurteilung von Grenz- und pathologischen Fallen in Bezug auf das erste Zwischenstiick durch- gefuhrt haben und fur die weitere Bearbeitung vorschlagen. Wie bei der Beurteilung des Zwischenstucks im Kammerelektrokar- diogramm bereitet auch beim ersten Zwischenstiick die Festsetzung der cigentlichen Isolektrischen gelegentlich recht grosse Schwierig- keiten. Bekanntlich sind die Auffassungen uber diese Frage noch heute recht divergent und erfordern eine einheitliche Regelung. Vie1 zu liaufig wird gerade von der Lage des ersten Zwischenstucks bei der Beurteilung des riveiten Zwischenstiicks (ST-Segments) ausge- gangen, und das fuhrt, wie unsere Arbeit neben anderem zeigen sol], haufig zu irrtumlichen Folgerungen. Als einzig verlasslich erscheint uns die TP-Strecke, soweit eine solche im Elektrokardiogramm deut- lich abgesetzt erscheint und nicht wie bei Tachykardie unter Um- standen vollig fehlt oder grosstenteils durch eine deutliche U-Welle ersetzt ist. Die, wie sich spater zeigen wird, so haufige Erscheinung einer Senkung des 1. Zst im Anstrengungs-Elektrokardiogramm erklart viele Irrtumer in der Wertung des zweiten Zwischenstucks, wenn der Beobachter lediglich das Ende des ersten Zwischenstucks als Niveau der Isoelektrischen ansieht. In solchen Fallen hat uns haufig die Form des ersten Zwischenstucks bei der Liisung der Frage, ob nocli physiologisch oder schon pathologisch, Hilfe geleis- tet. Es muss jedoch zugegeben werden, dass es mitunter trotz Beachtung der Morphologie unmoglich ist, iiber eine Verlagerung des ersten Zwischenstiicks etwas auszusagen, wenn das Niveau der

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Ah11. 1.

Ywatiderungen des ersten Zwischenstilcks hei Mitralstenose: Senkung i l l I ( $ 1 1 ) ii-c: bei neg. P3 gegensitiniges Yerhalten des Zstn in 1 u. 111 ( u l . i t I l i ~ -

11: he1 fast isoel. P3 fehlende 1)iskordanz des Zstu i n I u. I l l 15, f: bei pos. P3, I<ombination w i t Ixechts-it. I.itiksilherlastuti~, gleirhsiii-

hyper funk ti on sty pus^ des Yorhof-l.:I<Cs)

niges Verhalten (Setikung) cles %stu i n 1-111.

isoelektrischen Linie nicht feststellbar ist. Als noch normal fiir das Ruhe-Ekg innerhalb normaler Frequenz ist nach unserer Er- fahrung eine Senkung des ersten Zwischenstucks ohne Formver- anderung anzusehen, die ‘/z mm (0.05 mv) nicht uberschreitet. Die Art der Senkung macht sich in verschiedener Weise geltend. Ent- weder verlauft das erste Zwischenstuck fast horizontal unterhalb der Isoelektrischen oder es zeigt rinen ununterbrochenen Schragverlauf zu R bzw. Q (s. Abb. 1 c, d, f), oder aber nach einem scharfcn Absetzen des absteigenden Schenkels der P-Zacke kommt es zu einem bogigen, nach oben konvexen Verlauf des ersten Zwischcn- stucks unterhalb der Isoelektrischen (Abb. 2 b). Gerade diese Form- veranderung scheint uns fur ein pathologisches erstes Zwischen- stuck auch dann charakteristisch, wenn 0.05 mv nicht uberschritten werden.

Ausgangspunkt fur den Hauptteil unserer Arbeit bildete die Beobachtung, dass bei der heute wohl schon allgemein als Mitral-P bezeichneten Veranderung am P selbst fast regelmassig eine deut-

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ZUR M O R P H O L O G I E DES V O R H O F - E L E R T R O R A R D I O G R A M M S . 283

a

b

d I 1

Abb. 2. a, h: Yeranderungen des ersten Zwischenstllcks bei P pulmonale: Senkung

in I11 ( , I I ) (~Rechts-Hyperfunktionstypus* des Vorhof-EI<Gs). Im Falle h Akzentuierung der Senkung bei Stehen (Tachykardie). Beachte die charakteristische Form des wharf vom absteigenden P-Schenkel abge- setzten Zstn.

liche Senkung des Zsta in Abl. I und I1 zu finden ist. Eine Durch- sicht der in der Literatur zahlreich wiedergegebenen Abbildungen des Mitral-P (2. B. Boden 2, Abb. 22; Groedel 5, Tafel 110, 111, 113; Dressler 3, Abb. 16, 19; Holzmann 9, Abb. 14) bestatigte den am eigenen Material erhobenen Befund, fur den charakteristische Beispiele in der Abb. 1 gezeigt werden. In Analogie zum ,Hyper- funktions-Linkstypus, [ Holzmann (8)] des Kammer-Elektrokardio- gramms war es naheliegend, in der 111. Ableitung ein diskordantes Verhalten zu erwarten. Tatsachlich zeigt sich dieses, namlich ein nach oben verlagertes erstes Zwischenstuck dann, wenn die P-Zacke in Abl. I11 negativ ist (Abb. 1 c). In der Abl. I1 folgt das Verhalten des ersten Zwischenstucks in der Regel der Abl. 1. Nach der Eint- hoven'schen Regel kann sich in solchen Fallen (s. Abb. 16) in Abl. I1 ein isoelektrischer Verlauf des ersten Zwischenstucks ergeben. Besteht in der 111. Abl. ein positives P, meist dann wohl bereits als Hinweis auf eine Mitbeteiligung des rechten Vorhofs am Krank- heitsprozess (Kombination mit Tricuspidalvitium bzw. Pulmonal- sklerose), dann findet sich die Senkung des ersten Zwischenstucks in allen drei Ableitungen (s. Abb. 1 e, f). Man wiirde ja auch sonst in diesen Fallen von einer Kombination von Mitral- und Pulmonal-P sprechen mussen.

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Keineswegs zeigen alle Falle von klinischer Mitralstenose die eben angefuhrten Veranderungen; es kann das erste Zwischenstuck auch bei auskultatorisch eindeutigen Fallen in Abl. I und I1 iso- elektrisch verlaufen. Meist zeigte sich in diesen Fallen dann auch ein Fehlen oder nur mangelhafte Ausbildung des Mitral-P. Da uns autoptische Kontrollen fehlen, kann eine Deutung dieses Verhaltens nur vermutungsweise versucht werden. In Analogie zum Kammer- Elektrokardiogramm kann wohl mit einigem Recht angenommen werden, dass in derartigen Fallen es zu Hypertrophie des linken Vorhofs in erheblichem Grade noch nicht gekommen ist. Soweit die gleichzeitige Riintgcnuntcrsuchung dariiber einen Aufschluss geben kann, handelte es sich in den betreffenden Fallen um Mitral- fehler, die eine deutliche Yorwiilbung des linken Vorhofs (die Hyper- trophie des Vorhofs ist ja meist mit Dilatation verbunden) ver- missen liessen.

Die analoge Anwendung der uns aus der Beurteilung des Zwisclien- stucks und der T-Zacke des Kammerelektrokardiogramms gelautigen Regeln bei der Beurteilung der Wertigkeit der Zwischenstiicksveranderung des Vorhofkomplexes eriibrigt wohl eine ausfuhrliche Diskussion der Frage, wie weit entzundliche oder narbige Myokardprozesse einen Einfluss auf die Gestaltung dieser Abschnitte des Elektrokardiogramms besitzen. Uber- dies kann man zu dieser Frage ohne Kenntnis der zugehorigen Autopsie- befunde cine praktische Einstellung nicht beziehen. Wir glauben aber, dass, genau so wie bei den Hypertrophiekurven bei uberwiegender Belastung der rechten oder linken Kammer, die Beziehung auf das mechanische Belastungsmoment zur Erklarung der Erscheinungen ausreicht. Was die difterentialdiagnostische Abgrenzung der hier mitgeteilten Veranderun- gen des ersten Zwischenstucks gegenuber ischimisch bedingten Formvarie- taten betrifft, so verweisen wir auf einen der folgenden Abschnitte. \Vie weit akut entzundliche Prozesse in der Vorhofmuskulatur entsprechend den bekannten Abwandlungen des zweiten Zwischenstucks und der T-Zacke iihnliche Erscheinungen im Vorhof-Elektrokardiogramm hervorzurufen im Stande sind, wie die eben von uns beschriebenen, mussen wir mangels ausreichenden Materials unbeantwortet lassen. Von vorne herein ist dies nicht sehr wahrscheinlich, weil einerseits eine Reihe von infektios-toxi- schen Erkrankungen bekanntlich eine ausgesprochene Tendenz besitzt, das spezifische System zu affizieren, anderseits die reichliche und durch aus- giebige Anastomosenbildung gesicherte Durchblutung der Vorhofmuskula- tur es verhindert, dass, wie wir es aus der pathologischen Ilistologie des Kammermyokards bis der Diphtherie kennen, durch eine mangelliafte Blutversorgung pradestinierte Teil-Abschnitte des Myokards mit besonde- per Vorliebe toxischen Schadigungen unterworfen erscheinen. Die reich- liche Vaskularisierung bewirkt eine diffuse Ychadigung der gesamten Vor-

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hofmuskulatur ohne Bevorzugung einzelner Abschnitte und gewahrleistet andererseits eine beschleunigte .4usschwemmung. Tatsachlich betreften die uns gelaufigen Veranderungen bei akuter Myokarditis, abgesehen von den Schadigungen des Leitungssystems vorwiegend die P-Zacke allein.

Bei vorwiegender Belastung des rechten Herzens, wie wir sie bei Drosselung der Strombahn im kleinen Kreislauf oder mecha- nischem Hindernis fur den Lungenkreislauf finden (Emphysem kongenitale Herzfehler, Pulmonalsklerose. fibrose Phthise. Trikus- pidalvitium, Skoliose), zeigt sich neben den von Winternitz (22) als P-pulmonale beschriebenen morphologischen Veranderungen der P-Zacke, meist sogar viel deutlicher als beim Mitral-P, ein subisoelektrischer Verlauf des ersten Zwischenstucks, hier aber in der 11. und 111. Ableitung (s. Abb. 2 a, b). IVir zeigen in der Abbil- dung 2 b Elektrokardiogramme vom gleichen Fall (Asthma bron- chiale, Emphysem), die in liegender und stehender Stellung auf- genommen wurden. Im Stehen kommt das Tiefertreten des ersten Zwischenstucks viel deutlicher zum Ausdruck, eine uns beim Zwischenstiick des Kammer-Elektrokardiogramms gelaufige Er- scheinung [Leimdorfer (IS)]. Die Bedeutung der U-Welle fur dieses Phanomen der orthostatischen Akzentuation der Zwischenstucks- veranderungen darf nicht vernachlassigt werden, In Abl. I verlauft in den abgebildeten Fdlen das erste Zwischenstuck isoelektrisch, ubereinstimmend mit der Tatsache, das P1 positiv bleibt und sehr niedrig ist (vgl.das oben iiber P mitrale ausgefuhrte).

In Erinnerung an die von Master (17) beschriebenen P-Verande- rungen bei akutem Myokardinfarkt, revidierten wir unser ziemlich grosses Material von Myokardinfarkten auf die Frage hin, ob eine akute Uberlastung des Vorhofs bei durch den Infarkt plotzlich gesetzter Schwache des linken Ventrikels Zwischenstucksverande- rungen im Vorhofkomplex hervorruft. Tatsachlich findet sich mitunter, vorwiegend in Abl. 11, aber auch in Abl. I oder 111 eine Senkung des ersten Zwischenstiicks, in erster Linie aber die patho- logische Form des Zwischenstuckablaufs, wie sie sich durch scharfe Absetzung des absteigenden P-Schenkels von dem weiterhin nach oben konvex und unterhalb der Isoelektrischen verlaufenden Zwischenstucks kennzeichnet. Eine Beteiligung der Vorhofmuskula- tur an den ischamischen Folgen des Gefassverschlusses kann dabei nur bei Fallen mit Verschluss des R. circumflexus der linken oder

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der arteria coronaria dextra in Frage kommen. Eine weitere uber- prufung dieser Frage encheint uns noch erforderlich.

Als ein weiteres Beispiel dafiir, dass akute Uberlastung der Vorhofmuskulatur zu lhnlichen Zwischenstucksveranderungen im

= , I

Abb. 3.

EI<C vor und nach Anstrengung. a: Senkung beider Zwischenstlicke b: Isolierte Senkung des 2. Zst c: Isolierte Senkung des 1. Zst (passagerer uRechts-Hyperfunktionstypusc

des Vorhof-EKCs)

Vorhofkomplex fuhren kann wie die chronisch gesetzten Belastungs- folgen, konnen die Veranderungen des Vorhofelektrokardiogamms in einem Teil der Falle von Embolie der Pulmonalarterie oder eines ihrer Hauptaste gelten [vgl. die Abbildungen in der Unter- suchung (15)].

Auffallend ist es, dass in gleicher Weise zu erwartende Veran- derungen des ersten Zwischenstucks dort haufig fehlen, wo es als zweite Krankheit bei grossem hypertrophischen linken Ventrikel zu sekundarer Mitralisation gekommen ist und daher durch Belas- tung des linken Vorhofs hervorgerufene Veranderungen zu erwarten waren. Allerdings vermissen wir in derartigen Fallen ebenso haufig wie Alterationen des ersten Zwischenstucks eine abnorm hohe und breite P-Zacke. Grunde dafiir zu diskutieren wollen wir uns man- gels autoptischer Kontrollen enthalten. War es hingegen beim

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hypertrophischen Ventrikel zu intraventrikularen Leitungssto- rungen gekommen, so beobachteten wir Zwischenstucksverande- rungen im Vorhofkomplex recht haufig. Beispiele hiefiir s. Abb. 2 c, d. In solchen Fallen bleibt es natiirlich offen, wie weit ischamisch oder toxisch bedingte Parenchymschadigungen an der Veranderung kausal beteiligt sind. Diese Frage bildet die Aufgabe kiinftiger genauer histologischer Untersuchungen der Vorhofmuskulatur.

Entsprechende Veranderungen, d. h. in diesem Falle gleich- sinnige Senkung des ersten Zwischenstucks unter Digitalis-Wirkung, wie wir sie vom Kammerelektrokardiogramm kennen, waren a priori auch beim Vorhofkomplex zu erwarten. Eigenes und aus der Literatur herangezogenes Material erlaubt noch keinen eindeutigen Schluss betreffs der Richtigkeit dieser Vermutung. Wir mochten lediglich einen Fall aus der Literatur [Holzmann (9), Abb. 391 anfuhren. Es erscheint uns wahrscheinlich, dass bei Beachtung des ersten Zwischenstucks sich derartige Veranderungen in einschlagi- gen Fallen werden haufiger auffinden lassen.

Was die ischamisch bedingen Veranderungen des ersten Zwi- schenstiicks betrifft, so sind die Alterationen des Vorhofkomplexes bei anhaltender zirkumskripter Ischamie der Vorhofmuskulatur, die zu Infarktbildung fiihrt, anlasslich eines klinisch beobachteten und autoptisch verifizierten Falles von Koronarverschluss mit akutem Infarkt des rechten Vorhofs von einem von uns ausfuhrlich beschrie- ben worden (14); auch hinsichtlich der Besprechung der aufschluss- reichen Tierversuche mit Unterbindung der Vorhofarterien resp. Verschorfung der Vorhofmuskulatur [Lambert (12) sowie Abram- son, Fenichel u Shookhoff (l)], sei auf diese Untersuchung ver- wiesen. An dieser Stelle wollen wir uns darauf beschranken, die bei transitorischer Ischamie im Vorhofgebiet zu erwartenden Veran- derungen des Elektrokardiogramms zu diskutieren. Wir sind berechtigt, analog zu den Veranderungen des zweiten Zwischen- stucks, wie wir sie vom spontanen Angina pectoris-Anfall oder aus dem Arbeitsversuch oder der Sauerstoffmangelatmumg bei Angina pectoris-Kranken her kennen, Verlagerungen des e n t e n Zwischen- stiicks als Ausdruck einer Ischamie des Vorhofmyokards zu erwar- ten. Das Studium einer ischamisch bedingten Verlagerung des ersten Zwischenstiicks gewinnt dadurch an Redeutung, dass es mit der praktisch so wichtigen Beurteilung einer Abweichung des zweiten Zwischenstiicks aufs engste verkniipft ist. 19 - A d a med. scandinav. Vol. C.

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Walirend in den ersten Untersuchungen, die sich mit den Veranderungen des Kammer-EKG:s Angina pectoris- Kranker und normaler Kontrollper- sonen nach Arbeit befassten, Veranderungen des ersten Zwischenstiicks kaum Erwahnung finden, wird seit der Arbeit von Goldhammer u. Scherf (4) (1932) meist eine Depression der PQ-Strecke nach Arbeit beachtet, dersel- ben aber eine sehr verschiedene Bedeutung beigemessen. Im Gegensatz zu den meisten Autoren, die die PQ-Senkung nach Belastung in jedem Falle nur als physiologische Erscheinung bewerten, fassten Scherf u. Gold- hammer (20) die Senkung der PQ-Strecke als Verstiirkung und Vertiefung der Nachschwankung von P auf und fiihrten sie auf denselben Prozess zuriick, der die Veranderungen der Nachschwankung des Kammerkom- plexes herbeifiihrt. Lambert (12) vollends, sieht eine ausgepragte Sen- kung des PQ-Segments als sicheres Zeichen, ev. als Friihzeichen (13) einer insuffizienten Koronardurchblutung an. Herles (7) ha t der Bedeutung der T,-Welle fur die Beurteilung von Veriinderungen des ST-Segments eine eingehende Untersuchung gewidmet und die physiologischen T,-Ver- anderungen nach Arbeit fur eine Nfalscheo ST-Senkung verantwortlich gemacht, indem nach seiner Meinung in derartigen Faillen, die T,-Welle die alleinige Ursache fur die Deformierung des ST-Segments darstellt. Diese Ansicht griindet sich darauf, dass die Dauer des gesamten Vorhof- komplexes, wie sic von Herles in ubereinstimmung mit fruheren Unter- suchern bei Fallen von totalem a-v Block gemessen wurde, ca. 0.40 scc. betragt und dalier die Nachschwankung des Vorhofs normalerweise uber die Aufangsschwankung der Kammer hinaus, ins ST-Segment hineinreicht. Herles gab auch morphologische Kriterien an, diese Bhfalschei ST-Senkung von einer solchen zu unterscheiden, die tatsachlich eine Ischiimie der Kammermuskulatur zum Ausdruck bringt. Die Moglichkeit einer ischa- misch bedingten, pathologischen Senkung des ersten Zwischenstiicks im Arbeitsversucli wird von Herles jedoch nicht diskutiert. Ebenso mussen Holzmann u. Wuhrmann ( lo) , sowie Puddu (18) die PQ-Senkung im Arbeitsversuch stets nur als physiologisch ansehen, denn die ersteren empfehlen, nach ihrer praktischen Erfahrung die Zwischenstiicksenkung auf das PQ-Niveau zu beziehen und nur dann von einer Senkung des (2 . ) Zwischenstucks zu sprechen, wenn ST unter das Niveau von PQ gesenkt ist, und der italienische Autor gibt als Grenzwert der Norm eine Senkung des ST-Abgangs bis zu 1 mm unter das Ende dcs (gesenkten) PR-Segmentes an.

Die Senkung des ersten Zwischenstiicks spiegelt ohne Zweifel den gleichen Vorgang in der Vorhofmuskulatur, den eine Senkung des zweiten Zwischenstucks fur die Kammer zum Ausdruck bringt. Eben aus diesem Grunde scheint es uns falsch, einer Senkung des ersten Zwischenstucks immer nur die Bedeutung einer physiolo- gischen Erscheinung beimessen zu wollcn und nicht, analog zur Depression des zweiten Zwischenstucks, ein pathologisches Aus- mass zu erwagen. Wenn wir dies tun wollen, dann durfen wir die beiden Zwischenstucke nicht nur nebeneinander. das zweite a m

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Z U R MORPHOLOGIE D E S V O R H O F - E L E K T R O K A R D I O G R A I M S . 289

ersten messend, betrachten, sondern mussen sie auch unabhangig von einander auf ein isoelektrisches Niveau beziehen. Wenn dies nicht geschieht, nehmen wir uns die Moglichkeit, pathologische Verlagerungen des ersten Zwischenstucks zu erkennen und laufen auch Gefahr, pathologische Senkungen des zweiten Zwischenstucks zu iibersehen. Bei den Hyperfunktionstypen, sowohl des Kammer- wie des Vorhof-EKGs, muss die Gegensinnigkeit von Anfangs- und Endschwankung im Ruhe-EKG beriicksichtigt werden; so wird z. B. das bei der Linksform des Kammerkomplexes leicht gehobene zweite Zwischenstiick in Abl. 111, im Arbeitsversuch haufig gewiss schon als gesenkt zu betrachten sein, auch wenn es nicht unter das Niveau einer gesenkten PQ-Linie verlagert erscheint. Wir glauben nach unseren Erfahrungen, in Ubereinstimmung mit anderen Auto- ren [z. B. Riehl, Huttmann u. Spiegl (19)] als Grenze der physiolo- gischen Depression des ersten Zwischenstiicks nach Belastung, ebenso wie beim zweiten Zwischenstuck, den Wert von 0.1 mv angeben zu konnen. Da die Durchblutung der Kammern haufiger gestort ist als die der Vorhofe, ist eine pathologische Senkung des zweiten Zwischenstucks haufiger zu beobachten als die des ersten. Daraus folgt auch, dass die Beurteilung der pathologischen Sen- kung des zweiten Zwischenstucks nach dem Kriterium, ob sie das Niveau des ersten Zwischenstucks uberschreitet, fur die Mehrzahl der Falle zutreffen muss. In ihrer prinzipiellen Formulierung mochten wir jedoch diese Betrachtung ablehnen, da sie eine pathologische Senkung des ersten Zwischenstiicks ausser Acht lasst und uns daher unrichtig erscheint. Neben dem Ausmass der Zwi- schenstucksenkung wird, insbes. in Grenzfallen, wie wir dies schon bei Besprechung des Ruhe-EKGs ausgefiihrt haben, die Beach- tung einer pathologischen Formanderung des Zwischenstiicks von ausschlaggebender Bedeutung sein. Dies gilt ebenso fur Art des Absetzens von der P-Zacke und bogigen Verlauf des ersten Zwi- schenstuck wie fur die bekannte muldenformige Senkung oder horizontale Depression des zweiten Zwischenstiicks.

Zur Aufklarung uber jene Gruppe spositivero Falle von Ver- anderungen am ersten Zwischenstuck, welche in den vorangehenden Abschnitten nicht beriicksichtigt erscheinen, gingen wir vom klinisch beurteilten Material aus. Die klinischen Daten von 150 ambulatorischen Patienteri wurdcn rcgistriert und hierauf die zu- gehorigen EKGe ohne Rucksicht auf die klinische Diagnose nach den

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Tabelle 2.

26 FBlle mit abnormen Verlnderungen des ersten Zwischenstlicks aus einer Gruppe von 150 elektrokardiographierten Patienten, in der sich kein Fall [nit I' polmonale oder P mltrale befindet und die 28 Falle mit klinisch normalem

Kreislaufstatus enthalt.

2G 1;alle

5

De Ha Hi Ho Ra W'i Ye

7

GI Ho Ju M u Pr Pa Sch

Ze

Flih Fli Ki

.I<r

Diagnose

Koronarsklerose * * * * D

s

Mesaortitis luetica *

Hochdruck * * D

* * *

Struma D

Alyokardschidig. n. Diphtherie * s

Pleurltis mediastinalis

Asthenia neuro-circulatoria

Klinisch a. B. * * *

\-eratiderun gen in Abl.

I, I 1 11, I 1 1 I , I1 I, I 1 11, I l l I, I1 11, 111

1, I1 I1

1-111 11, 111 11, 111 11, 111 11, I l l 1-111 I , I 1

11, I 1 1 11, I l l '

11, 111 11, I 1 1

11, I 1 1

11, 111

1-111 11, I 1 1 11, 111 11, I11

1 Nicht Depression, wie bei den librigen Fallen, sondern Elevation des ersten Zwischenstkks. Dicse elgentlimliche Abweichung findet sich unter den durchgesehenen EKGen von insgesamt 650 Patlenten nur in diesem ein- zigen Falle. Eine Deutung kann naturgemass nicht gegeben werden.

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eingangs gegebenen Grundsatzen beurteilt. Ausgeschlossen wurden nur Falle von Mitralstenose und solche, die in die Gruppe des P pulmonale gehoren. Bei 28 Fallen der Serie (von 150 Patien- ten,) die durchwegs uber Herzklopfen, Stechen in der Herzgegend oder Atemnot klagten, konnte bei genauer klinischer und rontgeno- logischer Untersuchung kein pathologischer Befund erhoben wer- den. Die Durchsicht der 150 EKGe mit Hinblick auf ein abnormes Verhalten des ersten Zwischenstiicks ergab 26 (17.3 yo) positive, 31 (20.6 yo) fragliche und 93 (62 o/o) negative Falle. Unter den posi- tiven Fallen kamen auf solche mit abnormen erstem Zwischen- stuck in Abl. I und I 1 6 (23 yo), in I1 und I11 16 (61.5 %), in I 1 allein 1 (3.8 %) und in 1-111 3 (11.5 Yo). Eine ubersicht der Ver- teilung der positiven Falle auf einzelne Krankheitsgruppen (s. Tabelle 2) lehrt, dass 4 (von 28 der klinisch Herzgesunden) der 26 Falle objektiv-klinisch einen vollig negativen Befund ergaben, wahrend bei 22 (von 122 der klinisch Herzkranken) das Herz affi- ziert war. Die grosste Krankheitsgruppe innerhalb der positiven Falle stellen mit 9 Fallen (von 21 der gleichen Diagnose im Aus- gangsmaterial) die Patienten mit der Diagnose Koronarsklerose bzw. Mesaortitis und klinischen Zeichen beeintrachtigter Myokard- durchblutung.

Die Kleinheit des Materials hei der eben angefuhrten Unter- suchungsreihe erlaubt kein abschliessendes Urteil uber die dia- gnostische Bedeutung der ZSt,-Veranderungen in dieser Gruppe. Es wird vor allem notig sein, an einen grosseren Erfahrungsgut von Hochdrucksfallen die Wertigkeit der Depression des 1. Zwi- schenstucks zu priifen, wohei der auffalligen Erscheinung der Senkung gerade in der 11. und 111. Abl. (Kombination des Hochdrucks mit Emphysen oder Arteriolosklerose der Lungen- arterien oder Anderung der elektrischer Achse der Vorhofe?) be- sondere Aufmerksamkeit zu widmen ware.

Zusammenfassung.

1) Zum Vorhofkomplex des Elektrokardiogramms gehort ausser der eigentlichen P-Zacke Zwischenstuck und T,-Welle, die, wie das Studium von 500 eigenen Fallen sowie der Literatur belegt, analogen Veranderungen unterworfen erscheinen, wie die entsprechenden Ab- schnitte des Kammer-EKGs.

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2) Unter 500 unausgesuchten EKGen zeigten 24 yo Verande- rungen des PQ(R)-Segments, fur das die Bezeichnung uerstes Zwischenstuck, vorgeschlagen wird. Nach Ausschluss der klinisch eindeutigen Falle von Hypertrophie des linken oder rechten Vorhofs, verbleibt ein Rest mit Veranderungen des ersten Zwischenstiicks von 19.6 %.

3) Die Grenze physiologischer und pathologischer Verlagerung des ersten Zwischenstiicks wird besprochen, 0.05 mv im Ruhe-EKG, 0.1 mv im Anstrengungs-EKG als oberste Grenze der Norm ange- geben. Die Griinde, weshalb fur die Bestimmung der Isoelektrischen lediglich die TP-Strecke herangezogen werden darf, werden aus- fuhrlich erortert und auf die Bedeutung einer U-Welle in diesem Zusammenhang hingewiesen.

4) Falle von Hypertrophie des linken oder rechten Vorhofs (P mitrale, P pulmonale im EKG) weisen in der iiberwiegenden Mehr- zahl charakteristische Veranderungen des ersten Zwischenstiicks auf, die gleich dem Verhalten bei Kammer-Hypertrophie Tendenz zu diskordantem Verlauf in der I. und 111. Ableitung zeigen: bei Mitral-P Senkung in I (11) u. supraisoelektrischer Verlauf in I11 (Links-Hyperfunktionstypus), bei Pulmonal-P Senkung in I I1 u. I1 und isoelektrischer Verlauf in I (Hechts-Hyperfunktionstypus). Ausser der typischen Verlagerung des ersten Zwischenstiicks kommt r s manchmal zu Gestaltanderungen des ersten Zwischenstiicks der- art, dass nach scharfem Absetzen des absteigenden P-Schenkels das erste Zwischenstuck in einem nach oben konvexen Bogen ver- lauft. Diese Abartung scheint uns auch dann fur einen ,Hyper- funktionstypusi) des Vorhof-EKGs charakteristisch, wenn ein aus- gesprochen subisoelektrischer Verlauf des ersten Zwischenstiicks nicht vorliegt.

5) Falle mit sekundarer Mitralisation (Corda bovina) lassen auf- falliger Weise die fur den Links-Hyperfunktionstypus des Vor- hofs charakteristischen Veranderungen am ersten Zwischenstiick meist vermissen.

6) Analog den Verhaltnissen beim zweiten Zwischenstuck (ST-Segment) werden fur die Hyperfunktionstypen des Vorhof- EKGs vorwiegend durch Oberbelastung des entsprechenden Herz- abschnittes gegebene Verhaltnisse und nicht entzundlich oder ischamisch bedingte Myokardlasionen verantwortlich gemacht.

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7) Bezuglich der akuten transitorischen Veranderungen am ersten Zwischenstuck, wie sie im Arbeitsversuch auftreten, werden die gleichen Bedingungen angenommen, wie bei den bekannten Abwandlungen des zweiten Zwischenstucks im Belastungs-EKG. Bei der Beurteilung derartiger EKGe ist die Moglichkeit in Be- tracht zu siehen, dass in einer abnorm tiefen Depression des ersten Zwischenstucks Ischamie des Vorhofmyokards zum Ausdruck kommt.

Summary.

1) The auricular complex of the electrocardiogram consists besides the P wave of the PT,-segment and the T,-wave. The study of 500 cases of our own and cases in literature shows that these portions of the auricular complex are submitted to similar changes as are the comparable portions of the ventricular electro- cardiogram.

2) Out of 500 unselected electrocardiograms 24 yo exhibited changes of the PQ(R)-segment, for which in German terminology the designation ,erstes Zwischenstuck)) is proposed. If the cases with clinical evidence of hypertrophy of the right or left auricle are omitted, 19.6 yo remain, showing changes of the PT,-segment.

3) The limit of physiological and pathological displacement of the PT,-segment is discussed and a value of 0.05 mv during rest and 0.1 mv after exercise is considered the upper normal limit of the deviation from the isoelectric line. Reasons are given, why in fixing the isoelectric level the TP-interval must be referred t o and the importance of an U wave is stressed in this connection.

4) Hypertrophy of the left or right auricle (HP mitrale, or eP pulmonale, in the electrocardiogram) is associated in the great majority of cases with changes in the PT,-segment with a tendency towards discordant modifications in lead I and 111. As in ventricu- lar hypertrophy, with a depressed PT, in lead I ( , I I ) in casesof P mitrale, there is an elevated PT, in lead 111 (type of left hyper- function). With P pulmonale the PT,-segment is depressed in 111 and I1 and isoelectric in I (type of right hyperfunction). Apart from the displacement of the PT,-segment sometimes an altered shape of this portion of the electrocardiogram may be observed: after a sharp rise from the descending limb of the P wave the P la forms

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an arch with upward convexity. This variation seems to demon- strate the type of #hyperfunction* of the auricular complex even then, when marked depression is missing.

5) Cases with secondary mitralisation (corda bovina) rarely show the changes in the PT,-segment characteristic of the type of left hyperfunction of the auricular electrocardiogram.

6) Just as we consider the typical ST-deviations of cases with marked preponderance of one ventricle, the discussed changes of the PT,-segment in the type of left or right hyperfunction of the auricular electrocardiogram are attributed chiefly to the sequels of onesided strain and not to lesions of the auricular myocardium inflammatory or ischemic in nature.

7) The acute transient changes of the PT,-segment, as met with in electrocardiograms after exercise, are thought to be due t o the same conditions, as are the well known modifications of the ST- segment after effort. I t must be taken into consideration that an abnormally deep depression of the PT,-segment may express ischemia of the auricular myocardium.

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