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69 2 KLINISCHE WOCHENSCH die groBe grundsiitzliche Bedeutung, die gerade dieser Grnppe yon Kranken zukommt. Und wit werdell heute ill der Beurtei- lung yon den Erfahrungen gerade bet diesen Kranken allsgehen, auch wo es sich um F~ille handelt, bet denen die Entschei- dung ,,psychogen" oder ,,somatogen" mSglich erscheint. Man hat, um ein anderes Beispiel zu nennen, friiher ver- sucht, einen grundsiitzlichen Unterschied zwischen der nerv6sen Polydipsie und dem Diabetes insipidus aufzustellen und zahl- reiche Merkmale benannt, die den echten vom falschen Insipi- dus unterscheiden sollen. Abet alte diese Zeichen wie die Bluteindickung bet Wasserentzug, die H6he der Serumkoch- salzwerte, die obj ektiven Zeichen des Durstes, wie Schleimhaut- austrocknnng, habell sich als triigerisch herausgestellt. Wir haben gelernt, dab es auch bet solchen Kranken, die ursprfing- lich nur aus einer affektiven Verstimmung heraus das Wasser- trinken beginnen, zu tiefgreifenden StSrungen des Wasser- ulld Mineralhaushaltes kommen kann und wissen, dab anderer- seits fast alle Kranken nit Diabetes insipidus (set es anch anf dem t~oden ether Lues oder eines Tumors) psychopathisehe und neurotische Ziige aufzuweisen pflegen. Wir muBten also eine scharfe .Grenzziehung zwischen dem somatischell und dem psychogenen Syndrom aufgeben und unsere Beurteilung prinzipiell nmstellen. Wit kennen Neurotiker nit Magenbeschwerden, bet denen die RSntgenuntersnchung Schleimhantllision ergibt und wisSen anderer- seits, dab viele Ulcuspatienten neurotische Zi~ge aufweisen. Wir k6nnen es erleben, daB ein und derselbe Kranke yon einem Arzt -- etwa einem Chirurgen -- als Ulcuspatient nit nenrotischen Zi~gen und yon einem zweiten Arzt -- etwa einem Internisten -- als Nenro- tiker nit Ulcus bezeichnet wird. Wir haben keine Methode, keine M6glichkeit mehr, solche Krankheitsbilder grnnds~ttzlich zu trennen. Ganz ~hnlichen Verhgltnissen begegnen wir bet manchen Kranken mit Asthma bronchiale. Die 13eengung der Brust er- scheint uns bet ihnen als ein unter Umst~nden klar determiniertes Ausdrucksph~nomen psychischer Not. Gleichzeitig abet finden wir organische Zeichen wie Lungenver~nderungen oder Eosinophilie im Blur. Und wit beobachten wetter, dab wit solchen Kranken sowohl mit pharmazeutischen als rnit psychotherapeutischen Mitteln helfen k6nnen. Darf ich Sie noch an das Bild der Hyperemesis gravidarum er- innern? Wir beobachten da einmal Zeichen, die zweifellos auf eine Sch~digung der Leberfunktion und des Stoffwechsels hinweisen, daneben abet wissen wir, wie sehr seelische ?r das IZrank- heitsbild bestimmen, wenn nicht verursachen kSnnen. 13ei der Behandlung sehen wir, dab Insulin und Traubenzucker, ebenso aber auch die einfache Verlegung des Patienten in die Ktinik, das Er- brechen heilen kann. Wie soll man da trennen, was organisch- somatogen nnd was Iunktionell-psychogen ist? Wir sehen aus diesen Beispielen auch, wie falsch eine Entweder-oder-Einstellung gerade ill der Therapie ist. Als ein Kriterium, das die Entscheidung, ob ein Krank- heitssymptom psychisch oder somatisch bedingt set, erm6g- lichen sollte, galt lange Zeit der Erfolg ,,ex juvantibus". Man schloB aus psychischen 3/Ianifestationen einer Krallkheit zungchst auf ihre Psychogenese und glaubte dann, mit dem Erf01g der Therapie den Beweis dafiir zu liefern. Wenn ein chronisches Erbrechen durch, hypllotische Suggestion geheilt wurde, so sollte damit die Psychogenese des Erbrechens be- wiesen sein. Wir haben aber lernen miissen, dab dieser SchluB durchaus unberechtigt ist. Wir kennen z. ]3. Fglle yon Him- RIFT. 12. JAHRGANG. Nr. i8 6. MAI I9~ 3 tumor, bet denen das Erbrechen suggestiv beseitigt werden konllte; erst kiirzlich ist aus einer amerikanischen l~linik ein ~ihnlicher Fall mitgeteilt worden: ein Junge, der an einer schweren Polydipsie litt, wurde psycho-allalytisch unter- sucht und behandelt, nit den Erfolge, daB die Polydipsie v611ig beseitigt wllrde. Kurze Zeit darauf starb er, und die Sektion ergab einen Tumor des 3. Ventrikels. Wir sehen daraus einmal, daB wit die M6glichkeit und damit die Verpflichtung haben, auch sicher organische Krank- heiten auf psychischem Wege nit zu behandeln (MoHR), und zum anderen, wiewenig wir aus dem therapeutischen Effekt auf die Genese einer Krankheit schlieBen k6nnen. Zusammen]assung: Die ph~inomenologische Betrachtung der psychosomatischen Wechselwirkung hat uns zahlreiche grund- s~tzliche Zweifel gebracht. Von den Objekten unserer t3e- trachtung wurden wir zwangsI~ufig zu den Methoden nnserer Betrachtung geftihrt. Wit sahell, wie der Gegensatz, der aus den Begriffen ,,psyche" und ,,soma" klingt, verschwinden kann, wie die Unterscheidung der 13egriffe Iiir den Arzt un- m6glich werden kann. Wir kommen so zu der Frage, handelt es sich bet Psyche und Soma wirklich um kategoriale Unter- schiede, die dem lebendigen Geschehen als solche zugeh6ren, oder handelt es sich nicht vielmehr nm Denkkategorien, aus denen herans wir das Lebendige betrachten? Sind es nicht nur Betrachtunysweisen, die wir heute wohl anwenden, die abet yon anderen Nienschen zu anderen Zeiten nicht angewandt wurden ? Liegt die Antithetik Leib-Seele obj ektiv in den Lebens- vorg~ngen beschlossen oder tragen nut wit, die wit denkend und nrteilend an das Leben herantreten, sie erst hinein? Wit glauben allerdings, ohne eine letzte Begriindung geben zu k6nnen, dab dies so ist. DaB das lebendige Geschehen irrational und unteilbar schlechthin ist. u der Beispiele, die wir brachten, scheinen uns das zu belegen. "Welehe Haltung des Arztes aber kSnnen wit nun hieraus ableiten ? Wit werden -- uud das mSchte ich scharf betonen -- solange wir iiberhaupt nit rationalen Mitteln an den Kranken herangehen, die Begriife ,,psychogen" und ,,somatogen" in der Krankenbeurteilung anzuwenden haben. Wir werden das reiche Material, das die Leib-Seele-Forschung, zumal der letzten Jahre, herbeigeschafft hat, dabei verwenden und die Wege, auf denen sich lebendiges und krankhaftes Geschehen im psychischen oder im somatischen manifestiert, wetter zu kl~ren suchen. Aber wir sollen uns der grunds~itzlichen Problematik dieses Beginnens bewuBt bleiben. Dadurch wird dann auch unsere Haltung in der t(ranken- behandlung bestimmt werden, wir werden uns nicht mehr yon ether Petitio prinzipii unsere Behandlung vorsehreiben lassen, werden nicht mehr nur k6rperlich 0der nut seelisch zu be- handeln suchen. Wir werden uns bewul3t bleiben, daB wit zwei Wege haben, den psychischen und den somatischen, den Kranken anzugehen. Unsere Ausgangsstellung dazu soll nicht auf einem der beidell Wege, sondern vor ihrem 13eginne liegen. Auch im Einzelfalle werdell wir nns nicht scheuen, beide Wege -- nach gellauem Plane freilich -- zu benlltzen. So kommen wit zu einer neuen inneren Freiheit nnseres ~irztlichen Handelns. So auch kSnllen wir hoffen, zu einer neuen einheitlichen Erfassung der Physis zu kommen, vor ihrer Scheidung in soma und psyche. ORIGINALIEN. ZUR PATHOGENESE DES POSTENCEPHALI- TISCHEN PARKINSONISMUS. (Vorl~iufige Mitteilung.) Von Dr. J. HALLERVORDEN. Aus der Landesanstalt Landsberg-Warthe (Direktor: Dr. SPLIIEDT). Das aknte Stadium der Encephalitis epidemica ist durch eine reiche Fiille verschiedenartigster Symptome ausgezeich- net, die sich in die groBen Gruppen eines ,,hypertonisch- ophthalmoplegischen" und eines ,,irritativ-hyperkinetischen'" Komplexes fassen lassen. Anatomisch finder sich eine diffuse Entziindung der grauen Substanz ill den Hirngebieten um den 3. und 4. Ventrikel. In typischen Fiillen sind erkrankt (SPaTz): Irn 1Viittelhirn das H6hlengran um den AquXdukt nnd die Augennmskelkerne, das Vierhiigelgebiet und die lateralen Teile der Mittelhirnhaube, regel- m~Big und besonders schwer die Substantia nigra, dagegen ist der rote Kern meist verschont; im Zwischenhirn die Kerne am Boden

Zur Pathogenese des Postencephali-Tischen Parkinsonismus

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die groBe grundsiitzliche Bedeutung, die gerade dieser Grnppe yon Kranken zukommt. Und wit werdell heute ill der Beurtei- lung yon den Erfahrungen gerade bet diesen Kranken allsgehen, auch wo es sich um F~ille handelt, bet denen die Entschei- dung ,,psychogen" oder , ,somatogen" mSglich erscheint.

Man hat, um ein anderes Beispiel zu nennen, friiher ver- sucht, einen grundsiitzlichen Unterschied zwischen der nerv6sen Polydipsie und dem Diabetes insipidus aufzustellen und zahl- reiche Merkmale benannt, die den echten vom falschen Insipi- dus unterscheiden sollen. Abet alte diese Zeichen wie die Bluteindickung bet Wasserentzug, die H6he der Serumkoch- salzwerte, die obj ektiven Zeichen des Durstes, wie Schleimhaut- austrocknnng, habell sich als triigerisch herausgestellt. Wir haben gelernt, dab es auch bet solchen Kranken, die ursprfing- lich nur aus einer affektiven Verstimmung heraus das Wasser- tr inken beginnen, zu tiefgreifenden StSrungen des Wasser- ulld Mineralhaushaltes kommen kann und wissen, dab anderer- seits fast alle Kranken n i t Diabetes insipidus (set es anch anf dem t~oden ether Lues oder eines Tumors) psychopathisehe und neurotische Ziige aufzuweisen pflegen. Wir muBten also eine scharfe .Grenzziehung zwischen dem somatischell und dem psychogenen Syndrom aufgeben und unsere Beurteilung prinzipiell nmstellen.

Wit kennen Neurotiker n i t Magenbeschwerden, bet denen die RSntgenuntersnchung Schleimhantllision ergibt und wisSen anderer- seits, dab viele Ulcuspatienten neurotische Zi~ge aufweisen. Wir k6nnen es erleben, daB ein und derselbe Kranke yon einem Arzt -- etwa einem Chirurgen -- als Ulcuspatient n i t nenrotischen Zi~gen und yon einem zweiten Arzt -- etwa einem Internisten -- als Nenro- tiker n i t Ulcus bezeichnet wird. Wir haben keine Methode, keine M6glichkeit mehr, solche Krankheitsbilder grnnds~ttzlich zu trennen.

Ganz ~hnlichen Verhgltnissen begegnen wir bet manchen Kranken mit Asthma bronchiale. Die 13eengung der Brust er- scheint uns bet ihnen als ein unter Umst~nden klar determiniertes Ausdrucksph~nomen psychischer Not. Gleichzeitig abet finden wir organische Zeichen wie Lungenver~nderungen oder Eosinophilie im Blur. Und wit beobachten wetter, dab wit solchen Kranken sowohl mit pharmazeutischen als rnit psychotherapeutischen Mitteln helfen k6nnen.

Darf ich Sie noch an das Bild der Hyperemesis gravidarum er- innern? Wir beobachten da einmal Zeichen, die zweifellos auf eine Sch~digung der Leberfunktion und des Stoffwechsels hinweisen, daneben abet wissen wir, wie sehr seelische ?r das IZrank- heitsbild bestimmen, wenn nicht verursachen kSnnen. 13ei der Behandlung sehen wir, dab Insulin und Traubenzucker, ebenso aber auch die einfache Verlegung des Patienten in die Ktinik, das Er- brechen heilen kann. Wie soll man da trennen, was organisch- somatogen nnd was Iunktionell-psychogen ist?

Wir sehen aus diesen Beispielen auch, wie falsch eine Entweder-oder-Einstellung gerade ill der Therapie ist.

Als ein Kriterium, das die Entscheidung, ob ein Krank- heitssymptom psychisch oder somatisch bedingt set, erm6g- lichen sollte, galt lange Zeit der Erfolg ,,ex juvant ibus" . Man schloB aus psychischen 3/Ianifestationen einer Krallkheit zungchst auf ihre Psychogenese und glaubte dann, mit dem Erf01g der Therapie den Beweis dafiir zu liefern. Wenn ein chronisches Erbrechen durch, hypllotische Suggestion geheilt wurde, so sollte damit die Psychogenese des Erbrechens be- wiesen sein. Wir haben aber lernen miissen, dab dieser SchluB durchaus unberechtigt ist. Wir kennen z. ]3. Fglle yon Him-

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tumor, bet denen das Erbrechen suggestiv beseitigt werden konllte; erst kiirzlich ist aus einer amerikanischen l~linik ein ~ihnlicher Fall mitgetei l t worden: ein Junge, der an einer schweren Polydipsie litt, wurde psycho-al lalyt isch unter- sucht und behandelt, n i t d e n Erfolge, daB die Polydipsie v611ig beseitigt wllrde. Kurze Zeit darauf starb er, und die Sektion ergab einen Tumor des 3. Ventrikels.

Wir sehen daraus einmal, daB wit die M6glichkeit und damit die Verpflichtung haben, auch sicher organische Krank- heiten auf psychischem Wege n i t zu behandeln (MoHR), und zum anderen, wiewenig wir aus dem therapeutischen Effekt auf die Genese einer Krankheit schlieBen k6nnen.

Zusammen]assung: Die ph~inomenologische Betrachtung der psychosomatischen Wechselwirkung hat uns zahlreiche grund- s~tzliche Zweifel gebracht. Von den Objekten unserer t3e- t rachtung wurden wir zwangsI~ufig zu den Methoden nnserer Betrachtung geftihrt. Wit sahell, wie der Gegensatz, der aus den Begriffen ,,psyche" und ,,soma" klingt, verschwinden kann, wie die Unterscheidung der 13egriffe Iiir den Arzt un- m6glich werden kann. Wir kommen so zu der Frage, handelt es sich bet Psyche und Soma wirklich um kategoriale Unter- schiede, die dem lebendigen Geschehen als solche zugeh6ren, oder handelt es sich nicht vielmehr nm Denkkategorien, aus denen herans wir das Lebendige betrachten? Sind es nicht nur Betrachtunysweisen, die wir heute wohl anwenden, die abet yon anderen Nienschen zu anderen Zeiten nicht angewandt wurden ? Liegt die Anti thet ik Leib-Seele obj ektiv in den Lebens- vorg~ngen beschlossen oder tragen nut wit, die wit denkend und nrteilend an das Leben herantreten, sie erst hinein?

Wit glauben allerdings, ohne eine letzte Begriindung geben zu k6nnen, dab dies so ist. DaB das lebendige Geschehen irrational und unteilbar schlechthin ist. u der Beispiele, die wir brachten, scheinen uns das zu belegen.

"Welehe Hal tung des Arztes aber kSnnen wit nun hieraus ableiten ? Wit werden -- uud das mSchte ich scharf betonen -- solange wir iiberhaupt n i t rationalen Mitteln an den Kranken herangehen, die Begriife ,,psychogen" und ,,somatogen" in der Krankenbeurteilung anzuwenden haben. Wir werden das reiche Material, das die Leib-Seele-Forschung, zumal der letzten Jahre, herbeigeschafft hat, dabei verwenden und die Wege, auf denen sich lebendiges und krankhaftes Geschehen im psychischen oder im somatischen manifestiert, wetter zu kl~ren suchen. Aber wir sollen uns der grunds~itzlichen Problematik dieses Beginnens bewuBt bleiben.

Dadurch wird dann auch unsere Hal tung in der t(ranken- behandlung best immt werden, wir werden uns nicht mehr yon ether Petitio prinzipii unsere Behandlung vorsehreiben lassen, werden nicht mehr nur k6rperlich 0der nut seelisch zu be- handeln suchen. Wir werden uns bewul3t bleiben, daB wit zwei Wege haben, den psychischen und den somatischen, den Kranken anzugehen. Unsere Ausgangsstellung dazu soll nicht auf einem der beidell Wege, sondern vor ihrem 13eginne liegen. Auch im Einzelfalle werdell wir nns nicht scheuen, beide Wege -- nach gellauem Plane freilich -- zu benlltzen.

So kommen wit zu einer neuen inneren Freiheit nnseres ~irztlichen Handelns.

So auch kSnllen wir hoffen, zu einer neuen einheitlichen Erfassung der Physis zu kommen, vor ihrer Scheidung in soma und psyche.

ORIGINALIEN. ZUR PATHOGENESE DES POSTENCEPHALI-

TISCHEN PARKINSONISMUS. (Vorl~iufige Mitteilung.)

V o n

Dr. J . HALLERVORDEN. Aus der Landesanstalt Landsberg-Warthe (Direktor: Dr. SPLIIEDT).

Das aknte Stadium der Encephalitis epidemica ist durch eine reiche Fiille verschiedenartigster Symptome ausgezeich-

net, die sich in die groBen Gruppen eines ,,hypertonisch- ophthalmoplegischen" und eines ,,irritativ-hyperkinetischen'" Komplexes fassen lassen. Anatomisch finder sich eine diffuse Entziindung der grauen Substanz ill den Hirngebieten um den 3. und 4. Ventrikel.

In typischen Fiillen sind erkrankt (SPaTz): Irn 1Viittelhirn das H6hlengran um den AquXdukt nnd die Augennmskelkerne, das Vierhiigelgebiet und die lateralen Teile der Mittelhirnhaube, regel- m~Big und besonders schwer die Substantia nigra, dagegen ist der rote Kern meist verschont; im Zwischenhirn die Kerne am Boden

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des 3. Ventrikels, der Hypothalamus, ventromediale Abschnit te des Thalamus, Subs tant ia innomina ta und unterer Tell des Pallidums, w~ihrend die dorsomedialen Gebiete dieses Zentrums frei zu sein pflegen. Im Rau tenh i rn sind befallen die Kerne am Boden des 4. Ven- trikels, aber auch der Nucleus denta tus und die Dachkerne, jedoch n icht die Kleinhirnrinde ; die Brflckenhaube ist regelm~gig erkrankt , der FuB aber fast stets verschont. Eine Beteiligung tier Rinde und des Str ia tums hei dem ProzeB ist bereits Ms atypisch anzusehen.

Die E n c e p h a l i t i s ep idemiea k a n n in ein ehron i sches Siech- t u rn f ibergehen, dessen v im e in fachere S y m p t o m a t o l o g i e im w e s e n t l i e h e n d u r c h das , , a k i n e t i s c h - h y p e r t o n i s c h e " - - a u c h P a r k i n s o n i s m u s g e n a n n t - - u n d das , , p s e u d o p s y c h o p a t h i s c h e " S y n d r o m g e k e n n z e i c h n e t wird. D e r P a r k i n s o n i s m u s is t wei t - aus a m h~iufigsten u n d i m p o n l e r t f a s t als selbst~indiges K r a n k h e i t s b i l d . W e n n er a u c h d i r e k t aus d e m e r s t en S t a d i u m h e r v o r g e h e n k a n n , so k o m m t er doeh of t e r s t n a e h e inem l~ingeren, a n s c h e i n e n d g e s u n d e n I n t e r v a l l y o n M o n a t e n oder se lbs t J a h r e n z n m A n s b r u c h ; es geseh ieh t a b e r . a u c h n i c h t sel ten, d a b er s ieh unm er k l i ch , ohne eine naehweis l i ch v o r a n - gegangene K r a n k h e i t s ch le ichend e n t w i c k e l t . De r wei te re Ver l au f is t r e c h t ve r sch ieden , me i s t z ieh t s ich die E r k r a n k u n g f iber l ange Zeitr~iume hin, z u m Tell in Schfiben, abe r i m m e r u n a u f h a l t s a m fo r t s ch re i t end .

A n a t o m i s c h s t e h t i m V o r d e r g r n n d e eine deu t l i ch aus- gesproehene N a r b e in de r s ehwarzen Zone de r S u b s t a n t i a nigra , d e r e n Gangl ienze l len gr6Btente i l s z u g r u n d e gegangen sind. Dagegen i s t in den fibrigen, anf~ngl ich be t ro f f en ge- wesenen H i r n g e b i e t e n k a u m e twas zu sehen : die E n t z f i n d u n g i s t l~ngs t abgek lungen , es s ind n u r di i r f t ige Zellausfii l le u n d al lenfal ls eine v e r m e h r t e O l i a f a se rwuche rung zu f inden. I n de r D e u t u n g dieses ]3efundes h e r r s c h t b i she r ke ine e inhe i t - l iche Auf fassung . JAKOB n a h m eine ch ron i sehe P a r e n c h y m - d e g e n e r a t i o n an, die y o n d e m E n t z f i n d u n g s p r o z e B u n a b - h~ng ig sein sollte, u n d s p r a c h v o n e iner Me tencepha l i t i s in Ana log ie zu r Metasyphi l i s . SPATZ dagegen l a n d ke iner le i A n h a l t s p u n k t e ffir e inen so lchen V o r g a n g u n d be ton t e , dab ,,alle ~berg~inge v o r k o m m e n zwischen den d u r c h fr isehe en tz f ind l i che Ver~ inderungen g e k e n n z e i c h n e t e n F r f i h s t a d i e n u n d d e m Z u s t a n d de r N a r b e de r t e r m i n a l e n F~ille". [ , ,Ence- p h a l i t i s " in BUMKES H a n d b u e h de r G e i s t e s k r a n k h e i t e n I I (1931).] D a a b e t de r f o r t s ch r e i t ende Ver l au f des P a r k i n - son i smus ein p rozeBhaf te s G e s c h e h e n e r w a r t e n lieB, w u r d e doch i m m e r wieder au f e inen e h r o n i s c h e n P a r e n c h y m u n t e r - gang zuriickgegriffen, der durch toxische Einflfisse ( S T E R N

u. a.) oder d u r e h Aus l6 sung a b i o t r o p h i s c h e r Vorg~nge in den Zel len (PETTE) v e r u r s a c h t sein smi te ; a u c h KORNYEu s p r a c h s ich in ~ h n l i c h e m Sinne aus. Ff i r diese V e r m u t u n g e n feh l te j e d o c h eine e indeu t ige a n a t o m i s c h e Grund lage .

I n d ieser 1Riehtung k 6 n n e n v ie l l e ich t neue ]3efunde eine K1/irung b r ingen , die ich a n Gangl ienze l len in den Aus- b r e i t n n g s g e b i e t e n de r E n c e p h a l i t i s ep idemica b e i m Pa r - k i n s o n i s m u s e r h e b e n konn te , n~m l i ch Agzheimersd~e Fibrillen- ver~mlerungen u n d a r g e n t o p h i l e Kuge ln . P l aques w a r e n nie v o r h a n d e n . Die F i b r i l l e n v e r ~ n d e r u n g e n k o n n t e n z u m Tell in e inem so f r f ihen A l t e r b e o b a c h t e t werden, wie dies b i she r n o c h n i c h t b e k a n n t ist .

Der am besten untersuchte Fall betr i f f t ein ll]~hr. M~chen, welches wegen ,,Idiotie mi t spastischen L~ihmungen" in die Ansta l t in Obrawalde* eingeliefert wurde. Die Vorgeschichte ist unbekannt . Der Verlauf der Erk rankung war progredient ; aus dem mehr halb- seitig ausgesprochenen Rigor entwickelten sich mi t der Zeit Kon- t r ak tu ren mi t Babinski, zum SchluB heftige Schmerzen, getlende Schreie und "Kr~mpfe. Die schon makroskopisch abgeblaBte Sub- s tan t ia nigra zeigte einen s tarken Zellausfall und typische encephali- t ische Narbenbildungen. In ihr fanden sich schon im Thionin- pr/iparate deufliche, durch die Silberimpr~ignation yon BI~LSCHOW- SKY und yon BRAUNMOHL** sichergestellte Alzheimersche Fibrillen-

* Fiir i3berlassung der Krankengesehichte und des Materials bin ieh Herrn Direktor Medizinalrat Dr. S'I~EINEBACH sowie Herrn Direktor Dr. KNUST ztl grol~em Danke verpfliehtet. ** Diese urspriinglieh zur Sehnelldarstellung cler senilen Plaques empfohlene Me- thode [Z. Neur. 122, 314 (I929) und Spielmeyers Tectmik. 4. Aufl. 19~0. S. ~3 a erlaubt in kurzer Zeit sehr klare und pr~gnante Bilder auch von Fibrillenver~nde- rungen und anderen Gewebsstrukturen herzustellen, und hat sich mir bei diesen Untersuchungen ausgezeichnet bew~ihrt. Aueh bei viele Jahre altem Material gelang es, Flecke und Unregelm/iBigkeiten durch kurzes Baden der Schnitte in 70% A1- kohol mi t naehfolgendem AbsP/ilen der Schni~te in Wasser vor Beginn des Ver- fahrens zu vermeiden.

R I F T . 12. J A H R G A N G . N r . 18 693 vergnderungen yon ausgepr~gter ]3ildung in groBer Zahl. Soweit die Untersuchung bisher durchgeffihrt ist, sind diese Fibrillen- vergnderungen vorhanden in der GroBhirnrinde (~uBerst spiirlich), in groBen und kleinen (!) Nervenzellen des Putamens, im Globus pallidus, Corpus Luys, Hypothalamus, Nucleus substant iae inno- minatae, Nucleus tuber, Teilen des Thalamus, Vierhfigelgebiet und ]3riickenhaube, Boden des 4. Ventrikels, Nucleus denta tus ; dagegen fehlen sie im Claustrum, BrfickenfuB, Oliven und Kleinhirnrinde, Im groBen ganzen entspr icht also auch hier die Ausbrei tung etwa derjenigen der frische n Encephalitis, wenn auch die Einbeziehullg der Rinde und des Putamens schon ein etwas atypisches Verhal ten darstell t .

Bei einem zweiten, fibrigens auch 11j~hr. Kinde, dessert Gehirn ich der Landesanstal t Lfibben verdanke, fanden sich die gleichen Alzheimerschen Fibrillenver~inderungen reichlich in der Substant ia nigra, im t Iypothalamus sowie in der Brfickenhaube, sic fehlten wieder im BrfickenfuB.

N u n m e h r v o r g e n o m m e n e S t i c h p r o b e n bei 6 P a r k i n s o n - fa l len des e igenen Mater ia ls , die im 23:, 2 9 , 35., 39. u n d 46. (2 P a t i e n t e n ) L e b e n s j a h r g e s t o r b e n sind, e r g a b e n regel- m~i/3ig in de r t3r f ickenhaube , j e d o c h n i e im FuB (gerade dieser U n t e r s c h i e d is t j a besonde r s cha rak t e r i s t i s ch ! ) , sowie a n c h me i s t ens in de r S u b s t a n t i a n ig ra Alzhe imersehe F ib r i l l en - v e r ~ n d e r u n g e n . Al le rd ings w a r e n sie h ie r te i lweise in we l t ger ingerer Zah l a n z u t r e f f e n als be i den K i n d e r n . W~ihrend z. B. n o c h bei d e m 23j~ihr. P a t i e n t e n in de r B r f i c k e n h a n b e bei m i t t l e r e r Verg r6Berung fas t in j e d e m Gesiehts fe ld min - des tens zwei u n d m e h r ver~inderte Z e l l e n zu s ehen waren , was i m m e r h i n schon als re ich l ich ge l ten k a n n , s i n d in a n d e r e n F/illen mit gr6Bter Mfihe nach sorgf~iltigem Durchmustern vieler Pr/iparate llUr vereinzelte Exemplare aufzutreiben. Won 2 weiteren Parkinsonkranken, einem 34 und einem 31 Jahre alt gewordenen Manne, mit positivem Befunde yon Alzheimerschen Fibrillenver~inderungen, verdanke ich Herrn Prof. ]31ONDI und Herrn Dr. v. BRAUNMOHL Pr~parate und Material.

In der Literatur sind Alzheimersche Fibrillenveriinderungen bei Parkinsonismus nur ein einiges Mal, und zwar erst neuerdings be- schrieben worden [FgNYBs, /krch. f. Psychiatr. 96, 70o (1932)]. Es handelt sich um ein 28jiihr. M~idchen, bei welchem die Wer~nde- rungen auf den Hirnstamm beschr~nkt waren; sic fanden sich in den groBen Zellen des Putamens, des Globus pallidus, des Hypo- thalamus, der IKerne um den 3. und 4. Ventrikel, dabei auch des Nucleus tecti cerebelli. Merkwfirdigerweise ist die Substantia nigra nicht erw/ihnt, wahrscheinlich war sie auch nicht betroffen. Nichts bemerkt isf ferner fiber den BrfickenfuB und den roten Kern, da- gegen wird das Freibleiben des Nucleus dentatus und elnboliformis, der Klein- und GroBhirnrinde sowie des Rfickenmarks ausdrficklicn betont. Diese Feststellung ist deshalb wichtig, well die nicht- erw~hnten und als nicht erkrankt bezeiehneten Teile auch bei der Economoschen Krankheit nicht befallen zu werden pflegen. I)em Verf. ist dieser enge Zusammenhang der Ver/inderungen mit der Topographie der frischen Stadien entgangen, well er in anderen Fiillen yon Parkinsonismus keine Fibrillenver~nderungen geluuden hat und sie bei seiner Beobachtung ffir eine Komplikation h~it, die durch innersekretorische oder Stoffwechselst6rungen hervorgerufen sein k6nnte.

]3ei e iner Re ihe v o n ]3eobach tungen aus d e m h 6 h e r e n L e b e n s a l t e r s ind ke ine A l z h e i m e r s c h e n F ib r i l l enver~ inderungen v o r h a n d e n , s t a r t dessen abe r argentophile KugeM, welche a m m e i s t e n a n die g le ichen Oebi lde bei de r P i c k s c h e n A t r o p h i e e r inne rn .

Diese Einschlfisse sind einzeln, seltener zu zweien oder dreien in einer Zetle vorhanden, meist kugelrund, aber auch unregelm~iBig, etwa wie eine Kartoffel gestaltet, ein wenig kleiner, aber auch gr6Ber als der Kern der Zelle. Manchmal zeigen sie eine Andeutung yon Schichtung, gewOhnlich aher sind sie homogen, vereinzelt auch yon einem hellen Hot umgeben. Im Silberpr~iparat erscheinen sie dunkel, im Thioninpr~parat kaum t ingier t oder farblos, so dab sie yon einer Vakuole nicht zu unterscheiden sind; daher l~Bt sich aus dem farbigen Zellpfiiparat allein ihre Anwesenheit n icht mit Sicher- heir feststellen, die Silberimpr~ignation muB stets zum Yergleich herangezogen werclen. "vVenn sie kugelrund und noch dazu etwas geschichtet sind, ist ihre ldnterscheidung yon Corpora amylacea nicht m6glich, aber diese Formen sind offenbar selten. Ubrigens begegnet man den Kugeln auch hier und da auBerhalb der Zellen. Bisher habe ich sie bei drei Pa t ien ten mi t Parkinsonismus, die im 58., 59- und 66. Lebensjahr vers torben sind, in Zelien tier Sub- s tant ia nigra gefunden; bei einem yon ihnen waren sic auch stellen=

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weise in der Rinde zu sehen. In weiteren, abet durch die Silber- impregnation noch nicht best~tigten Beobachtungen im h6heren Lebensalter scheinen diese Einschltisse -- nach den Thionin- pr~paraten zu urteilen -- durchweg, wenn auch in sehr verschiedener H~ufigkeit, vorhanden zu seth. Dies alles wird noch Gegenstand weiterer Untersuchungen sein mtissen, nach deren Abschlul3 sich auch Gelegenheit geben wird, tiber ~hnliche in der Literatur be- schriebenen Einschltisse zu berichten.

Sehen wir eillmal yon diesen letzterw~hnten, noch llicht gentigend gekl~rten Befundell der argentophilen Kugeln ab, so bleibt als gesichertes Ergebllis das Vorkommen Alzheimer- seher Fibrillenver~nderungen beim postencephalitischen Par- kinsonismus im Hirnstamm, den Ausbreitullgsgebieten des akuten Stadiums entsprechelld, bei 2 Kindern and 8 Er- wachsenen bis etwa zum 5o. Lebensjahre, wozu noch ein weiterer Fall aus der Literatur kommt, im ganzen also bis- her in 11 Fiillen. Wenn auch durchaus lloch weitere Unter- suchungen notwendig sind, um die Richtigkeit dieser Fest- stellungen z u best&tigell, so zeigt doch schoI1 diese Zahl, dab es sich nicht um einen Zufallsbefulld handeln kann.

Die Alzheimersche Fibrillenver~nderung ist sonst nur eine der senilen und pr~senilen Erkrankung eigentfimliche Form der Zelldegeneration. Erst wenige Male ist sie im mittleren und jfingeren Alter bis zum 23. Jahre herab beobachtet worden, und zwar immer llur bei rein degenerativen Erkran- kungell, allenfalls war eine Beziehung zu St6rungen des Stoffwechsels oder der illneren Sekretion z u vermuten. Die Hauptpr~dilektionsstelle der Ver~nderung ist die GroBhirll- rinde, ihr gelegentliches Vorkommen in anderen Hirngebieten wurde stets als Besonderheit gewertet. In allen diesen Punk- ten weicht das Verhalten der Fibrillenveranderungen in unseren Beobachtungen yon der Regel ab, ja verh~It sich geradezu gegens~tzlich: Beim Parkinsonismus treten sie bereits im ganz jugendlichen Alter auf und da sogar besonders zahlreich; sie silld nicht in der 1Rinde, sondern ganz vor- wiegend im Hirl ls tamm lokalisiert; sie linden sich in Gebieten, in welchen nachweislich eine entzfindliche Erkrankung vorangegangen ist. Gerade diese Ansnahmestellung der Fibrillenver~nderungen beim Parkinsonismus weist auf be- sondere pathogenetische Verh~tltnisse hin, die jetzt zu deuteI1 versueht werden soll.

Hinsichtlich der Entstehung der Alzheimerschen Fibrillen- ver~nderungen kann die bisherige Vorstellung einer Anlage- rung silberaffiner Stoffe an die Fibrillen nicht befriedigen, denn sie erkl~rt nicht die Schl~ngelung und Kn~tuelbildung. Hier hat v. BRAUNNUHL auf Grulld der modernen Vorstel- lungen yon den Fibrillen als ,,St~Lbchensolen" (Ps wahrscheinlich zu machen versucht, dab daftir physikalisch- chemische Einflfisse maBgebend sind. Die Fibrillen sind gegenfiber geringftigigen J~nderungen des osmotischen Milieus sehr empfindlich und reagieren leicht durch Quellung. Es kommt zu einer Volumzunahme, Verdickung und Verl~nge- rung, so dab die ausgedehnten Fibrillen in dem engen Raum der Zellen sich zusammenrollen mfissen; damit geht eine Ver~nderung des optischen Verhaltens und der F~rbbarkeit einher. Spi~ter k6nnen Schrumpfullgen weitere Ver~nde- rungen bewirken; so erkl~ren sich wohl die eigelltfimlichen starren, drahtartigen Gebilde, die den Untergang der Zelle tiberleben. Die mit den Fibrillenver~llderungen so h~ufig vergeselIschafteten senilen Plaques werden yon dem gleichen Autor ebenfalls als physikalisch-chemisehe Ph~tnomelle dutch F~llungen aus der Gewebsflfissigkeit erkl~rt. Da die Fibrillen- ver~nderungen und die Plaques bei den senilen und pr~Lsellilen Erkrankungen am verbreitetsten sind, mtissen in diesem Zustande die ftir ihre Entstehung gfinstigsten kolloidchemi- schen Bedingungen vorliegen. Die Ursache ist in der Syn- aerese der Gehirnkolloide zu suchen.

V. BRAUNMUtIL hat dieses in einer grundiegenden Arbeit [,,Kolloidchemische Betrachtullgsweise seniler und pr~seniler Gewebsver~nderungen" usw., Z. Neur. 142, I (1932)] aus- einandergesetzt, aus der hier nur einige Punkte erw~thnt werden k6nnen. Die Kolloide, aus denen sich die Organismen durchweg aufbauen, sind als instabile chemische K6rper dauernd langsam ablaufellden Zustandslinderungen unter-

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worfen im Sinne einer Kondensation ihrer Teilchen, so dab eine Verminderung ihrer Dispersit~it eintri t t (Synaerese). Die Veriindernngen sind zwar zum Teil reversibel, doch bleibt immer eine leichte Nachwirkung zurfick (Hysteresis), so dab der vorige Znstand hie vollkommen wieder erreicht wird. Diese ,,Protoplasmahysteresis" (RuD~I~KA) ist die Ursache der Alterserscheinungen und schlieBtich almh des physiologischen Todes. Als Auswirkung der Syllaerese entstehen sekund~r eille Reihe yon Gewebsver~inderungen, zu denen auch die Plaques- ~nd Fibrillenver~nderungen gehhren. Ihre An- wesenheit erlaubt umgekehrt den Schlul3, dab kolloide.Ver- ~nderungen im Sinlle eines hysteretischen Prinzips vor sich gehen. Es ist aber wichtig Zu betonen, dal3 ihre Anzahl keineswegs einell Gradmesser ftir die Intensit~t der kolloid- chemischen Ver~inderungen abgibt. Ja es kalln sogar ge- schehell, dab trotz des Vorhandenseins synaeretischer Vor- g~nge die /~ildung you Plaques oder Fibrillenver~inderungen ausbleibt, da diese yon einer Mellge nicht iibersehbarer und ja auch lloch nnbekannter physikalisch-chemischer Bedill- gullgen abh~ngt, die !eicht yon Fall zu Falt wechseln ; ans dem Experiment kennen wir als solche das Dasein oder Fehlen yon Schutzkolloiden, verschiedener Ionen, Temperatur- einfliisse usw.

In derselben Arbeit hat v. BRAUNMf3HL auch die Ver- mutung ausgesprochen, dab dieser synaeretische ProzeB keineswegs an die Alterserscheinungen gebunden zu sein brauche, sondern auch durch eine alldersartige Erkrankung, wie z. B. eine encephalitische, friihzeitig und intensiv aus- gel6st werden khnne: ,,Es w~ire so, dab nach einem urspriillg- lich entzi indlichen Syndrom 8p~iter ein ,,atrophisierellder" Prozel3 nach einem hysteretischen Prinzip abliiuft. Man spricht heute davon, dab eine ,,selbst~indige Parenchym- degeneration" das Bild beherrscht, ohne fiber den Vorgang als solchen etwas aussagen zu k6nllen!"

Diese Vorstellung scheint durch die mitgeteilten t3eob- aehtungeI1 fiir den Parkinsollismus in vollem Umfange be- st~tigt zu werden. Dallach wfirde der synaeretische l<omptex direkt oder indirekt dutch das Virus der Encephalitis epi- demica ausgelhst werden k6nnen, ebenso wie der vielleicht gleichgeordnete Entziindungskomplex. Eine Folge des kol- loidchemischeI1 Geschehens sind die Alzheimerschen Fibrillell- vertinderungen, die uns als Indicator dieses Vorganges wichtig sind. Aber viel bedeutsamer als diese Zetldegenerationen, die in manchen F~llen vim zu sp~irlich silld, um die Schwere des klinischen Bildes zu erkl~ren, ist der jenseits des mikr0- skopisch Erkennbaren sich abspielende physikalisch-chemische ProzeB, dessen Einflul3 auf die Funktion wir zwar nicht ken- n n , aber keinesfalls gering anschlagen dtirfen. Wenn weitere Ulltersuchungen diese Betrachtungsweise best~tigen, so wtirde verst~ndlich, dab das chronische Stadium der Encephalitis epidemica sich von dem akuten durch eine eigene Note unter- scheidet und fast wie eine selbst~ndige Krankheit mit be- sonderen klinischen Eigenttimlichkeiten verlaufen kann. Wir begreifen so auch, dab sich 6fret ein freies Intervall zwischen die beiden Kranl~heitsabschnitte schiebt, well kolloidchemische Vorg~nge sich langsam zu entwickelll pflegen and geranme Zeit vergeht, ehe deutliche Ausf~lle zustande kommen.

Einem Mil3verst~ndnis mul3 aber vorgebeugt werden: die verschwommelle Lehre yon der Metellcephalitis soil hier nicht in neuer Form anferstehen. Es bleibt nach wie vor richtig, dab es viele l~berg~Lnge zwischen den beiden Stadien der Economoschen Krankheit gibt; nur wenn man die Anfangs- und die Endstadien der Reihe betrachtet, treten die Gegen- s~ttze so klar hervor. Es ist nicht so, d a b das entztindliche Stadium yon einem nichtentzfindlichen degenerativen ab- ge16st wird, sondern beide gehen ineinander fiber; ja es hat sogar die Annahme manches itir sich, dab beide Vorg~tnge parallel gerichtet sind und ann~hernd gleichzeitig dutch die Noxe der Encephalitis in Gang gebracht werden, und dab llur der zeitliche Ablauf der beiden Komplexe die erhebliche Differenz der Erscheinungen bewirkt: wenn die rasch ent- standene Entziindung l~ngst im Abklingen begriffen ist, werden erst ganz allm~ihlich die Sch~den des synaeretischen Prozesses in degenerativen Ver~nderullgen bemerkbar.

6. MAI 1933 K L I N I S C t t E W O C H E N S C H R I F T . 12. J A H R G A N G . Nr . 18 695 Bei unseren Beobachtungen fiel es auf, dab in den beiden

kindlichen F~illen die Alzheimerschen Fibrillenver~nderungen so vie1 zahlreicher waren Ms bei dell ~lteren Personen; es ist m6glich, dab dies mit den andersgearteten kolioidchemi- schen Verh~iltnissen im Kindergehirn zusammenhiingt. Es schelnen hier noch unerkannte Gesetzm~iBigkeiten ~r zu sein, denn in dell wenigen bisher untersuchten F~illen jenseits des 5 o. Lebensjahres, bei denell man doch sonst viel eher die Alzheimerschen Fibrillenver~inderungen erwartet, waren niemals diese, sondern stets nur argentophile Kugeln vorhanden. Diese Einschlfisse, die man h~iufig bei der Pick- schen Atrophie, einer ausgesprochen pr~isenilen Erkrankung, antrifft, sieht v. BRAUNMLTHL als Produkte einer Aufl6sung und Zusammensinterung der Fibrillen in der Zelle an; sie sind mithin eine andere Art von Fibrillenver~inderungen als die Alzheimerschen, yon diesen also lediglich hinsichtlich ihrer Genese, nicht aber dem Wesen nach unterschieden.

Noch aus einem anderen Grunde sind die Fibrillenver~inde- rungen yon Interesse. Die Ausbreitung der Entziindung im Zelltralnervensystem bei der Encephalitis epidemica s t immt mit derjenigen der Lyssa, Poliomyelitis und ]3ornaschen Krankheit der Pferde nahezu fiberein, wie SPATZ auseinander- gesetzt hat ; auch sonst bestehen viele enge Beziehungen zwischen diesell 4 I(rankheiten. Nun ist es lange bekannt, dab bei d e r Lyssa Verdickungen der Fibrillen vorkommen, die freilich nicht denjenigen der Alzheimerschen Ver~inde- rungen gleichen, aber doch etwas Verwandtes darstellen diirften (vgl. SPIEL~EYXRS Lehrbuch, Abb. 42c, S. 83). In akuten F~illen der epidemischen Encephalitis ist auch danach gesucht, aber nichts gefunden wordell (z. ]3. MARINESCU-BALOI). In meinen beiden einzigell frisch erkrankten F~illen, 2 M~innern im Alter yon 4 ~ und 5 ~ Jahren, welche 2 - - 3 Wochen llach Ausbruch der Erkranknng 1923 gestorbell sind, habe ich eben- falls keine Fibrillenver~inderungen feststellen k6nnen. - -Diese r Frage mug yon neuem nachgegangen werden, auch sollen die anderen verwandten Encephalit iden auf das Vorkommen yon Fibrillenver~nderungen hin untersucht werden.

Zusammen]assung: Beim postencephalitischen Parkinsonis- mus wurden in i i F~llen (bei 2 Kindern yon I I Jahrell und 8 Erwachsenen im Alter bis zu 50 Jahren, wozu I Fall aus der Lit'eratur kommt) im Hirnstamm, entsprechend den Ausbreitungsgebieten des akuten Stadiums der Encephalitis epidemica, Alzheimersche Fibrillenver~inderungen in ver- schiedenem AusmaBe gefunden. . - - Im kindlichen Alter sind diese Ver~inderungen bisher noch nicht beobachtet worden.

Jenseits des 5 o. Lebensjahres waren - - bisher in 3 F~illen - - s ta t t dessen argentophile Kngeln nach Art der Einschliisse bei der Pickschen Atrophie in den Nervenzellen vorwiegend der Substantia nigra vorhanden; doch sind zur abschlieBenden Beweisftihrung lloch weitere Untersuchungen notwendig.

Wie v. BRAUNMf)HL wahrscheinlich gemacht hat, werden die Alzheimerschen Fibrillenver~inderungen durch physi- kalisch-chemische Ver~inderungen in der Hirnsubstanz her- vorgerufen. Sie sind Ausdruck eines kolloidchemischen Vor- ganges (Synaerese), der als eine Art Iriihzeitiger Alters- erscheinung aufgefaBt werden kann. Die entziindlichen und synaeretischen Vorgiinge sind mSglicherweise gleichgerich- tete, nur durch das Tempo ihrer Entwicklung unterschiedene Folgezust~nde, welche durch die unbekannte Noxe hervor- gerufen sind. So sinnf~illig sich die Anfangs- und Endstadien der Encephalitis epidemica auch unterscheiden, so ist doch der Parkinsonismus nicht als eine besondere Nachkrankheit aufzufassen.

ALLERGIE GEGEN P F E R D E S E R U M BEI PARABIOTISCHEN KANINCHEN.

V o n

W. KRANTZ und K. voM HOFE. Aus der Hautklinik (Prof. Dr. BERING) und der Augenklinik (Prof. Dr. ENGELKING)

der Universit~it K61n.

In den theoretischen Er6terungen fiber das Zustande- kommen allergischer Reaktionen spielen neben humoralen

zellst~ndige Antik6rper eine Rolle. Man n immt an, dab an dell Zellen selbst spezifische Ver,inderungen eintreten, ihre Reaktionsf~ihigkeit ge~Lndert wird, dab sie , ,umgest immt" werden. Die Experimente, die zur Stfitzullg dieser Vorstel- lung bisher beigebracht wurden, sind all Zahl gering und nicht vollkommen befriedigend. Es ist bier zu erinnern an den Versuch yon ]3LOCH und MASSlNI 1, ein gegen Trichophytie allergisches Epidermisl~ippchen auf einell nichtallergischen Menschen zu transplalltieren. Dieser Versuch ist nut einmal gelungen, und BLOCH 2 selbst ~uBerte sp~tter Bedellken da- gegen. Eine Gruppe ftir sich bilden die Autotransplantationen yon Hautstellen, die Sitz eines ,,fixen Arzlleiexanthems" waren, an andere unempfindliche K6rperstellen (NAEGZLI, QUERVAIN und STALDI~,R a U. a . ) .

Diese Versuche zum Nachweis der histiogenen Allergic sind gewissermaBen Rarit~tell gebliebell, llnd ihre Bedelltung ist angezweifelt worden. Es w~re wfinschenswert, breitere und sicherere experimentelle Grundlagell fiir dell Nachweis der histiogenen Allergie zu haben. Dazu mtiBte eille NIethode ausfindig gemacht werden, die es gestattet, Gewebe eilles allergischen Tieres auI ein normales zu fibertragen. Es ist einerseits bekannt, dal3 bei h6heren Tieren freie Transplan- tationen nut ausnahmsweise unter besonderell Bedingungen (ScH0XE 4) anheilen. Anderseits wird berichtet, dab die 1)ber- pflanzung yon Hornhautlappen yon einem auf eill anderes Individuum m6glich ist. Danach wtirde das Gewebe der Cornea als Trallsplantat eine Sonderstellung einllehmen.

Wir habell versucht, Hornhautlappen yon Kallinchen, die mit Pferdeserum sensibilisiert waren, auf normale zu fiber- tragen. Jedoch erzieltell wit in keillem Falle eill Allheilen des Transplantats ohne Trtibungen und gabell schlieBlich die Methode auf.

Auf diesem , ,Umwege" kamen wit dazu, parabiotische Kaninchen zu benutzen. Mall kann ja mit einer gewissen Bereehtigung das mit einem anderen parabiotisch vereinigte Tier als Trallsplantat auf alas andere Tier auffassell (SAGER- BRUCH und t lEYDES).

Behandelt mall ein. Kaninchen mit ar tfremdem Serum, etwa Pferdes'erum, vor (sensibilisierende Injektion), wartet 8--12 Tage ab und spritzt dann eine Meine Mellge (o,o 5 ccm) Pferdeserum (ausl6sende Injektion) in eine Cornea ein, so entwickelt sich innerhalb yon 2 4 Stunden eine heftige Keratitis und Iritis ( W E S S E L Y 6, V. SZILY 7 n , a . ) : Der geschilderte Verlauf ist die Regel, yon der es allerdings seltene Ansnahmen gibt: einzelne Tiere reagieren auf die wiederholte Injektion nach Ab lau fde r Inkubatiollszeit nicht, wenn die Reinjektioll in die andere Cornea vorgenommen wird. Wird die Reinjek- tion an derselben Cornea vorgenommell wie die Erstinjektion, so t r i t t nach v. SZILY und ARISAWA (a. a. O.) ausnahmslos eine Reaktion ein, ebenso wenn man die Reinjektion intraven6s macht. Wir w~ihlten die Cornea als Ort ftir die ausl6sende In- jektion, weil sich hier die Reaktion am leichtesten und schiirf- sten beurteilen l~il3t.

Um den Vorgang zu erkl~ren, n i m m t mall all, dab dutch die erste sensibilisierende Injektion die ]3ildullg yon spezi- fischen Antik6rpern verursacht wiirde und die allergische Reaktion bei der wiederholten Injektion der Ausdruck einer Antigen-Antik6rperreaktion sei. Auf weitere theoretische Er6rterungen, z. B. fiber das Wesen dieser Antik6rper, oder welche Rolle physiko-chemische Ver~inderungen an dell Zell- membranen spielen n. dgh, wollen wir llns nicht einlassen, sondern nur den Verlauf unserer Versuche schildern.

Die Methode der Parabiose ist alt. Es gelliigt, auI die Li te ra tur zu verweisen und einige erg~inzende 13emerkullgen hinsichtlich unserer eigenen Versuche anzufiigen.

Zur Narkose benutzten wir Pernokton (o,2 ccm der I0proz. LOsung Iiir iooo g Kaninchen). ~Vir vereinigten die ]3auchh6hlen der Partner miteinander, um durch die Vermischung der Bauch- h6hlenfliissigkeiten einen m6ghchst raschen Austausch yon spezi- fischen Stoffen zu erzielen. Das Peritoneum des einen Tieres wurde mit dem Peritoneum des anderen in einer Ausdehnung yon ca. 5 cm dutch Catgut vereinigt. Dariiber wurden die iib- rigen Gewebe schichtweise miteinander vern~iht. Als Verband bew~hrte sich am besten folgender: Die Naht und die um- gebende Haut wurde mit einem Borsalbenlappen bedeckt. Da-