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Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit/~tBerlin und dem Laboratorium ffir 0bermikroskopie der Siemens & Halske AG., Berlin-Spandau. Zur Pathologie der roten Blutkiirperchen. IV. Mitteilung * [Jber die h[imolytische Wirkung des Arsenwasserstoffs. Von FmTz JuN~, z. Z. Wiirzburg. Mit 10 Tcxtabbildungen. (Eingegangen am 22. Januar 1947.) In den vorhergehenden Mitteilungen ist das Verhalten der roten Blut- kSrperchen gegenfiber verschiedenartigen Sch~tdigungen in vitro und vivo geschildert worden, ~vobei es gelungen war, die :Natur einer Anzahl patho- logischer Erscheinungen, die durch h~tmolytische Gifte hervorgebracht werden, zu kl~ren. Die folgende Untersuchung setzte sich das Studium der h/~molytischen Wirkung des Arsenwasserstoffs zum Ziel; sie konnte nicht ganz zu Ende geffihrt werden, doch soll fiber ihre Ergebnisse berichtet werden, da aus ~u6eren Grfinden zun/~chst keine Aussicht auf Weiter- fiihrung der Arbeit besteht. LA]3ES 1 hatte die h/~molytische Wirkung des Arsenwasserstoffs als eine Wirkung kolloider Arsenteilchen erk]Srt, die bei der Oxydation des Arsenwasserstoffs durch den Blutsauerstoff entstehen und ~hnlich wie kolloider Schwefel h~molytisch wirken sollen. Diese An- sicht ist aus folgenden Grfinden nicht ganz befriedigend: 1. Wenn man eine mechanische H~mo]yse der Art, wie sie etwa beim Schiitteln yon Erythrozyten mit Glaspulver entsteht, ausschlieBt, so sind h~molytische Wirkungen kleinster kolloider Teilchen nur verst/indlich, falls diese konkrete chemische Reaktionen mit der Substanz der Erythro- zytenmembran eingehen kSnnen. Tats~chlich wird in den kolloiden As- LSsungen im Laufe einiger Wochen das As allm~hlich in Arsenige Siiure umgewandelt, doch ist die Deutung der H~tmolyse als ~qebenreaktion dieser Umsetzung ebenso gesucht wie die Annahme einer mechanischen H~molyse. Die letztere wfirde das Auftreten scharfkantiger Teilchen und eine heftige Agitation der Blutk6rperchenaufschwemmung oder des Blutes voraussetze~, beides ist aber ffir die Arsenwasserstoffhiimo|yse nicht not- wendig. * II. Mitteilung: Naunyn-Schmiedbergs Arch. 204. 139 (1947) III. Mitteilung: Klin. Wsehr. 1947, 459.

Zur Pathologie der roten Blutkörperchen

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Page 1: Zur Pathologie der roten Blutkörperchen

Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit/~t Berlin und dem Laboratorium ffir 0bermikroskopie der Siemens & Halske AG., Berlin-Spandau.

Zur Pathologie der roten Blutkiirperchen. IV. Mitteilung *

[Jber die h[imolytische Wirkung des Arsenwasserstoffs.

Von

FmTz JuN~, z. Z. Wiirzburg.

Mit 10 Tcxtabbildungen.

(Eingegangen am 22. Januar 1947.)

In den vorhergehenden Mitteilungen ist das Verhalten der roten Blut- kSrperchen gegenfiber verschiedenartigen Sch~tdigungen in vitro und vivo geschildert worden, ~vobei es gelungen war, die :Natur einer Anzahl patho- logischer Erscheinungen, die durch h~tmolytische Gifte hervorgebracht werden, zu kl~ren. Die folgende Untersuchung setzte sich das Studium der h/~molytischen Wirkung des Arsenwasserstoffs zum Ziel; sie konnte nicht ganz zu Ende geffihrt werden, doch soll fiber ihre Ergebnisse berichtet werden, da aus ~u6eren Grfinden zun/~chst keine Aussicht auf Weiter- fiihrung der Arbeit besteht. LA]3ES 1 hatte die h/~molytische Wirkung des Arsenwasserstoffs als eine Wirkung kolloider Arsenteilchen erk]Srt, die bei der Oxydation des Arsenwasserstoffs durch den Blutsauerstoff entstehen und ~hnlich wie kolloider Schwefel h~molytisch wirken sollen. Diese An- sicht ist aus folgenden Grfinden nicht ganz befriedigend:

1. Wenn man eine mechanische H~mo]yse der Art, wie sie etwa beim Schiitteln yon Erythrozyten mit Glaspulver entsteht, ausschlieBt, so sind h~molytische Wirkungen kleinster kolloider Teilchen nur verst/indlich, falls diese konkrete chemische Reaktionen mit der Substanz der Erythro- zytenmembran eingehen kSnnen. Tats~chlich wird in den kolloiden As- LSsungen im Laufe einiger Wochen das As allm~hlich in Arsenige Siiure umgewandelt, doch ist die Deutung der H~tmolyse als ~qebenreaktion dieser Umsetzung ebenso gesucht wie die Annahme einer mechanischen H~molyse. Die letztere wfirde das Auftreten scharfkantiger Teilchen und eine heftige Agitation der Blutk6rperchenaufschwemmung oder des Blutes voraussetze~, beides ist aber ffir die Arsenwasserstoffhiimo|yse nicht not- wendig.

* II . Mitteilung: Naunyn-Schmiedbergs Arch. 204. 139 (1947) III . Mitteilung: Klin. Wsehr. 1947, 459.

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2. In den Versuchen yon LABES zeigen nur hoeh konzentrierte Arsen- sole eine h~molytisehe Wirkung. Diese hiingt ferner vom Einwirkungs- modus ab: Die Sole flocken a]le naeh einer bestimmten Zeit; H~molyse tritt nur ein, wenn die Erythrozyten und das Sol im Augenbliek der Sol- flockung gemiseht sind, wird das Sol vor der Floekungsperiode den Zellen zugesetzt und wieder entfernt, oder wird es nach der Flockung zugesetzt, so ist es wirkungslos. Das weist aber darauf hin, daI~ die hi~molytische Wirkung einer Verunreinigung des Sols zukommen kSnnte, die fest an die Teilchen gebunden ist und bei dem Umladungsph~tnomen der Flockung frei wird. Auch die VerzSgerung der Flockung wie der Hi~molyse dureh Sulfit kann ~hnlich erkl~trt werden. Eine Verunreinigung des kolloiden As dureh chemisch aktive Bestandteile ist bei der yon LAZES gewiihlten Herstellungsmethode seiner Sole fast unumg~nglich.

3. Sehr geringe Mengen Serum hemmen die H~molyse durch Arsensole. Ahnliehe Hemmungswirkungen mfiBten in vivo .einerseits dem Plasma, andererseits dem hochkonzentrierten Hiimoglobin des Zellinneren zu- kommen. Aueh ist Arsenwasserstoff auf Blur und BlutkSrperehensuspen- sionen in KochsalzlSsung gleiehermaBen h~imolytiseh wirksam.

LABES selbst weist noeh aui eine andere Erkli~rungsmSglichkeit ffir die H'~molyse hin, indem er die Mitwirkung yon Wasserstoffsuperoxyd in Betracht zieht. Wasserstoffsuperoxyd tritt bei der Oxydation yon Arsen- wasserstoff in alkaliseher (HENzE 3) oder h~tmoglobinhaltiger (Jvl~o a) L5sung intermedi~ auf: Die Umsetzung des Arsenwasserstoffs mit dem H~mo- globin und Luftsauerstoff gehSrt zu den sog. gekoppelten Oxydationen. Unter dem Einflul] des Katalysators H~moglobin wird zun~tehst der Arsen- wasserstoff durch den Sauerstoff oxydiert, wobei die Oxydationsreaktion den Sauerstoff aktiviert (Peroxydbildung). Er greift infolgedessen auch das H~moglobin unter Hiimiglobinbildung und schlieBlieh Verdobildung bzw. Denaturierung an. Spielt sieh diese Umsetzung innerhalb der roten Blutzelle ab, so wird sich die Denaturierung auch an deren Membran zeigen, d. h. die Zelle wicd h~molysiert. Diese zweite ErkliirungsmSglich- keit fiir die H~molyse seheint uns einleuchtend. Die folgenden Versuche wurden zur Stiitzung dieser tIypothese und zur Priifung der alten Ansicht yon LAB]~S vorgenommen. Sie schlieBen sich an Arbeiten fiber die h~imo- lytisehe Wirkung des Phenylhydrazins , des Phenylendiamins und Kalium- chlorats an.

I. Hiimolyseversuche mit kolloidem Arsen. Um die Verunreinigung der As-Sole bei den von LABES gew~hlten

I)arste]lungsverfahren zu vermeiden, versuchte ich brauchbare As-Sole mit Hilfe einer Dispergierung durch Ultraschall zu erzielen.

Arsenwasserstoff wurde gleichzeitig mit Sauerstoff in n/10-Natronlauge eingeleitet. Die LSsung nahm einen braunen Ton an und schliel]lich flockte

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606 FRiTz JUNG:

das allm~hlich fast schw~rz gewordene Arsensol aus. Die Arsenflocken warden durch Zentrifugieren bis zu 7mal mit destilliertem Wasser ge-. wasehen und dann in wechselnden Konzentrationen in TyrodelSsung auf- geschwemmt. Diese Suspension kolloider ArsenteiIchen wurde mit Hilfe eines hoehfrequenten magnetostriktiven Schallgebers bis zu 30 Min. Dauer bestrahlt. Dabei lSste sich d ie braune Flockung allm~hlich wieder. Die Suspension wurde durchsiehtig, und schlieBlich waren alle groben Teilchen verschwunden und nur ein schwacher TYNDALL-Effekt deutete auf die ursprting]iche Darste]lung hin. Solche Sole waren ziemlich resistent, sie diirften wegen ihrer einfacben Darstellungsweise kaum Verunreinigungen enthalten. Um sie noeh welter zu definieren, wurden die Arsenteilchen iibermikroskopisch dargestellt. (Allerdings flockten die Teilchen beim Ein- troeknen auf dem Objekttr~gerfilm aus.) Die Teilchen besaBen eine GrSi~e yon etwa 30 m/~ maxima], die kleinsten kamen bereits an die Grenze des AuflSsungsvermSgen des ()bermikroskopes heran und diirften etwa 2--5 m/z Darchmesser gehabt haben. Wie eine Elektronenbeugung zeigte, hatten die Teilehen eine kristalline Struktur.

Einigen Pri~parationen wurde Serum vor der Beschallung zugegebem Sie zeigten keine besonderen Eigenschaften. Die Dipersion wurde durch das Serum nicht sichtbar beeinflul3t.

Zu s~mtlichen Versuchen in vitro warden menschliehe rote Blutzellen verwandt, da diese besonders gut untersucht sind und stets als gleieh- m/iBiges Material zur Verfiigung stehen. /).as Blut wurde in Zitrat auf- gefangen und die Zellen darch WasChen mit KochsalzlSsung daraus isoliert. Zum Versueh wurden sie in TyrodelSsung aufgeschwemmt. :Die Sole wurden im Verh/~ltnis 1/1 mit den Zellsuspensionen gemischt. Schon nach kurzer Zeit setzten sich die Erythrozyten ab, w/~hrend das braune, an- seheinend unver/~nderte Sol fiberstand. Hi~molyse wurde niemals erhalten.

Tabdla 1.

I H~molyse Aussehen des Sol ' Nach 2 Stunden I Nach 24 Stunden

Arsensol I dunkelbraun, leichter TYNDALL- Effekt

Arsensol II braun, TYNDALL-Effekt. Sol nur in diinner Schicht durchsichtig

m

Serumhaltige Sole hatten ebensowenig eine hi~molytische Wirkung. - - Es sei darauf hingewiesen, dab ieh schon friiher 3 berichtet habe, dab Arsen- sole, welehe durch Evakuieren AsH3-frei gemacht warden, nicht hi~mo- lysieren.

Rote BlutkSrperchen wie isolierte Erythrozytenmembranen wurden mit Arsensolen gemiseht und etwa 10 Min. beisammen gelassen. Dann

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Zur Pathologie der roten BlutkSrperchen. IV. 607

w u r d e n die Membranen bzw. die Zellen abgetrennt und zur fibermikro- skopischen ~ntersuchung pr/~pariert. In den Pr/~paraten linden sich neben den Zellmembranen zahlreiche kleine Arsentei]chen, sie ve'rteilten sich jedoch im Gesichtsfeld gleichm/~Big fiber die Zellen und den ]eeren Objekt- tr/~gerfilm. :Eine Bindung oder Adsorption der Teflchen an die Zellmem- branen kann demnach nicht stattgefunden haben.

Sicher arsenwasserstofffreie Arsensole besitzen demnach keine hamo- ]ytische Wirkung, auch werden die Teilchen nicht an die Erythrozyten adsorbiert.

II. H~imolyseversuche in vitro. a) Arsenwassersto]] fiihrt eine schnelie H/~mo]yse nur in Sauerstoff-

gegenwart bei :Einwirkung in gr6Berer Konzentration herbei. Meist zer- fallen die roten Blutzellen erst 1/ingere Zeit, oft viele Stunden nach Be- rfihrung mit dem Gase. Die folgende Tabelle bringt eine ~)bersicht:

Tab¢lle 2.

f der isolierten Stomata, | Stunden: I Farbst.off

Stunden [ 24 ~ ' 1

I a) Hamolysegrad; b) Farbstoffgehalt

nach sofort [ 4

Einwirkung Farbe der Suspension

20 Sek. AsIff a violett-braun a).-- a) =E a) +-f-~- Hb (2) b) gering b) leicht b) leicht Hb (3)

vermehrt vermehrt 1 Min. AsH~ braun a) - - a) ± a) +A-A- Hb (3)

b) gering b) leicht b) leicht Verdo vermehrt vermehrt

1 Min. AsH 3 A- 0 ~ braun-griin a) i a) -4- a) =t= ttb (3) b) grfin-braune, farbstoffreiche, schnell Verdo

sedimentierende Stromata, koagu- lierte Zellen und koagulierter Farb- stoff

b) Resistenzversuche. Die Technik war dieselbe wie in den vorangehenden Mitteilungen. ])as Ergebnis ist in der Kurventafel dargestellt. Die Deutung derartiger Kurven ist an Hand der von WIL]~RANDT 4 entwickelten Vor- stellungen ohne Schwierigkeit mSglich. :Es liegt eine ganz ausgesprochene Schwellungsh/~molyse (kolloidosmotische H~mo]yse) vor, wie sie bei einer Aufhebung oder Verminderung der selektiven Permeabilit~t der Membran zustande kommt. Ganz analoge Vorg~nge lassen sich bei der UV-H/imolyse (WmBRA~DT 4) und der tI/~rnolyse durch Silbernitrat (JUNG, F. u. BLOESI, S., unver6ff.) feststellen. Die :Erscheinung geht truf eine geringgradige Dena- turierung des :EiweiBes der Erythrozytenmembran zurfick, di~ sich weder morphologisch nach an der (sofort gemessenen) Resistenz ausdrficken muB.

Aus den abgebildeten Kurven 1/ClOt sich fibrigens entnehmen, dal] die Wasseraufnahme der Zellen in der Zeit ziemlich gleichfSrmig verl/iuft. Bei

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608 FmTz JUNG:

nicht allzu intensiver und langer Einwirkung des AsH a geht die Sch/idigung der Zellen auBerdem immer etwa gleich welt, d .h . die H~imolyse setzt etwa nach" derselben Zeit ein. Das w/irde darauf hinweisen, dab der Arsenwasserstoff an den Zellen eine ganz bestimmte Ver~nderung setzt.

c) ~)bermikroskopische Ergebnisse. Die fibermikroskopischen Unter- suehungen wurden mit dem yon B. v. BORRIES und E. I~USKA entwiekelten Instrument vorgenommen. Methodische Einzelheiten wurden in den vor- hergehenden Arbeiten gesehildert. Zur Kontrolle wurden laufend Ze]len

i /

/ / . . . . 2 : ~ ~ I I

0,9 o,~ 0,7 ~ o,s Ty/'ode- Konz.

Abb. 1. Osmot l sche Res i s tenz mensch l i ehe r B lu tkSrpe rchen , die in T y r o d e a u f g e s c h w e m m t , 30 Sek. m i t AsH3 b e h a n d e l t w u r d e n . I. K o n - t ro l l e ; I I . so fo r t ; I I I . nach 30 Min.; IV. n a c h 60 Minu ten ; V. n a c h 340 Min. Ord ina te : el0 H~- mo lyse ; Abszisse : T y r o d e K o n z e n t r a t i o n im

l o g a r i t h m i s c h e n Mal ls tab ( I so tonie : 1).

95

86

70

I x

+

yon unbehandelten Blutproben dargestellt. Solche KontroIlen sind zur Vermeidung-von Fehl- deutungen notwendig, da mit- unter in gesundem Blut Zellen mit nicht vollsti~ndig wa~serlSsliehem H'~moglobin vorhanden sind.

Sofort nach Einwirken des Arsenwasserstoffs isolierte Mem- branen zeigen eine sehr deutliche Strukturierung, welehe im un- fixierten Zustand unverkennbar und nach Osmiumfixation sehr auffallend ist. Bei sehr starker Vergr6Berung lassen sieh in der Membran ~iele kleine LScher dar- stellen, welche etwa einen Dureh- messer yon 3mal l0 -4 cm besitzen. Im unfixierten Pr~tparat finden sich zahlreiche feinste KSrnchen

auf der Zellmembran, welche einen starken Kontrast geben. Es handelt sich mSglicherweise um kolloides Arsen, das unter den Versuchsbedingungen in sehr feiner Verteilung entstanden sein mag. Die Teilehen lassen sich aueh im fixierten Pr~[parat noch nachweisen, vgl. hierzu Abb. 2 u. 3.

Werden die Stromata erst bei beginnender H~molyse pr~ipar~ert, so zeigen die Zellen kein einheitliches Bild mehr. Sowohl in den Darstel- lungen fixierter wie unfixierter Zellen lassen sieh Ausfftllungen yon H~i.mo- globin in sehr weehselndenMengen nachweisen. Daneben ist die Struk- turierung der Membran sehr deutlich, auch die feinen staubartigen K6rnchen sind in zahlreichen Zellen noch nachweisbar. Erfolgt die Preparat ion erst nach 24 Stunden, d. h. naeh eingetretener Totalh~molyse: so ist die Aus- fi~llung des Hitmoglobins noch ausgesprochener, und bei vielen Zellen ist zwisehen den H:~tmoglobink0agula nieht mehr vie! yon der zerst6rten Membran zu sehen (Abb. 4---7).

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Zur Pathologie der roten BlutkSrperchen. IV. 609

Wesentlich grS]ere Mengen Koagula bleiben in den Zellen liegen, wenn mit dem Arsenwasserstoff zusammen Sauerstoff einge]eitet wird. Unter

Abb. 2. Unf ix i e r t e M e m b r a n . Zelle ku rz m i t AsHs b e h a n d e l t u n d sofor t

p r~par ie r t . Vergr . 9700 ×.

Abb . 3. F ix ie r te Ylembran, sons t wie Abb. 2. Yergr . 9700x .

Abb . 4. F ix ie r te M e m b r a n . Zelle k u r z mi~ AsH8 (20 Sek.) behande l t ,

24 S t u n d e n s p a r e r pr~ipariert. Vergr . 7200 x .

Abb . 5. F ix ie r te M e m b r a n . Zelle m i t AsHs (10 Min.) b e h a n d e l t , nach Ein- t r l t t der Totalh~imolyse pr~tpariert .

Vergr . 6700x .

Umst'~nden kann dann im Pr~parat auch H~moglobin au~erhalb der Zellen ausgefi~llt werden. Die entstehenden Bilder entsprechen etwa den Befunden, welche ~ls Endstadieu nach Hitze, Sublimat, aber auch nach Phenyl- hydrazin und Phenylendiamineinwirkung gesehen wurden (Abb. 8).

A r c h l y fiir e x p e r i m c n t . P a t h . u. P h a r m a k o l . Bd. 204. 39

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610 F~ITZ JUNG:

d) Chemisc~ Ver(inderungen der Membran. Die Membranen arsemvasser- stoffbehandelter Zellen zeigen neben den geschilderten funktionellen und

Abb . 6. F ix ie r t e M e m b r a n n a c h E i n t r i t t Abb. 7. F ix ie r t e ]~Iembran, s t a r k e de r To ta lhhmolyse . Vergr . 8000x . S c h r u m p f u n g . Vergr . 9700x .

morphologischen Ver~nderungen auch ein auffa]lend starkes Reduk~ions- vermSgen gegenfiber Osmiumtetroxyd. Wiihrend normale Membranen bei

der Osmiumfixation sich lediglich schwach bri~unlich verfiirben, er- geben AsH3-behandelte Membra- nen einen dicken schwarzen Niederschlag, der sehr schnell sedimentiert, so dab manversucht ware, ihn fiir einen Osmium- niederschlag zu halten. Mikrosko- pisch enth~lt der Niederschlag ausschlieBlich Membranen. Diese Eigenschaft geht bei mehrmali- gem Waschen mit destilliertem Wasser nicht verloren, kann also nicht auf anhaftenden Astt 3 zu- rfiekgeffihrt werden.

A b b . 8. Fix-Ierte M e m b r a n ; Zelle n a c h 10 iV/in. E i n w i r k e n yon AsH~ + O~. Beach te koagu l i e r t e s III. Versuche in vivo.

Hb, sowie die S c h r u m p f u n g des S t romas . Vergr . 1 7000 x. In einigen Katzenversuchen

sollten die entsprechenden Ver- haltnisse in vivo untersucht werden. Die Vergiftung der Tiere erfo]gte innerhalb einer Gaskammer.

a) Akute Vergiftung. Zwei Tiere erhielten eine kraftige akute Ver- giftung, in deren Verlauf sie info]ge Anox~mie starben. Der Tod trat nach

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Zur Pathologie der roten Blutk6rl~erchen. IV. 611

45 Min. ein, sofort anschlieBend wurde Blur durch Herzpunl(tion ent- nommen. Es war bereits H/imolyse eingetreten. In der kr~ftig braun gefarbten Blutprobe befanden sich iiberh~upt keine normalen Zellen mehr, sondern alle Erythrozyten waren gleich- m/~13ig gesch/~dig~. ])as Auf- t re ten griiner H/~moglobinde- rivate konnte aus der l~arbe des Blutes vermutet werden.

b) Subakute Vergi [tung. Zwei weitere Tiere erhielten eine etwas geringere Arsen- wasserstoffdosis, an deren Folgen sie im Verlauf yon 4--6 Stunden zugrunde gin- gen. Unmittelbar nach Ver- suchsbeendigung zeigten die hellroten Blutzellenkeine Spur yon Zerfall. Die H/imolyse t ra t ers~ innerhalb der n~ch- sten Stunde auf, beim Tode der Tiere war sie ganz aus- gesprochen. Eine Ver/~nderung de r Stromata war iibermikro- skopisch bereits nach 45 Min. nachweisbar, sie wurden farb- stoffreicher und zeigten bus- gesproehene ZerstSrungen der Membranstruktur. In sehr vielen Pr/~paraten waren we- ~en der leichten Zerst6rbar- kei~ der Zellen schlief]lich nur nocb undefinierte Zerfallspro- dukte zu sehen. Die Ausf/~llung des H/~moglobins war zum Teil sehr massiv (Abb. 9 u. ]0). Nach dem Tod der Tiere war das Bild dasselbe.

Abb. 9. F i x i e r t e M e m b r a n . Zelle e ine r K a t z e , 7 S t u n d e n n a c h V e r g i f t u n g m i t A r s e n w a s s e r s t o f f

pr/~pariert . Vergr . 9400 x .

Abb. 10. F i x i e r t e M e m b r a n . Ve rg r . 9,i00 × .

IV. Besprechung. Eine sehr eingehende Untersuchung der chronischen Arsenwasserstoff-

vergiftung am Hund st~mmt yon KIESES. Eigentfimlicherweise berichtet 39*

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612 FRITZ JUNO:

er nichts fiber die Bildung toxisch gesch~tdigter Erythrozyten, dafiir kommen die Xnderungen der :Erythrozytenresistenz in seinen Kurven sehr deutlich heraus. Es f/illt nun bei Betraehtung seiner Befunde auf, dab bei einem grotlen Teil seiner Kurven (vgl. Abb. 1--5) die Abnahme der osmotischen lgesistenz und die t~etikulozytenzahl sich gleiehsinnig verhalten. Die beob- achteten Retikulozytenwerte sind ferner ganz auBerordentlieh hoch (10 bis 72%), auIterdem treten die Anstiege - - namentlieh bei den Vergiftungen mit den hSheren Dosen fast gleichzeitig mit tier l~esistenzabnahme und dem Sturz der Gesamtzahl der Erythrozyten auf. Da wir nun in unseren Unter- suchungen fiber toxische Ver/inderungen der roten BlutkSrperchen wieder- holt pathologische Erscheinungen an den Zellen beobachten konnten, die liehtoptisch nach Vitalf£rbung 4urehaus wie Retikulozyten wirkten und da wir ferner nachweisen konnten, dab verschiedene Autoren (etwa bei der Phenylhydrazin-, Toluylendiamin- und Pyrogallolvergiftung) diese Ver- ~nderuhg) als Retikulozyten registrierten, nlfissen wir annehmen, dab mindestens bei einem Teil der yon KIESE beobaehteten Ze]len gesch~digte Zellen und keine unreifen Formen vorliegen. Bei Brillantkresylblauf';irbung geben tats~chlich die oben bei elektronenoptischer VergrSfierung gezeigten Zellen ein lichtoptisches Bild, das sehr an lgetikulozyten erinnert.

Akute Arsenwasserstoffvergiftungen an Tieren hat LENDLE 6 untersucht, mit dessen Methodik und Hilfe die obenbesehriebenen Tierversuche durch- geffihrt wurden. Bei den vergifteten Katzen trat keine Spur einer Retikuto- zytenaussehfittung, viehnehr aussehlieBlieh die beschriebene Erythro- zytenst6rung auf.

Beide Versuchsreihen best/ttigen die sehon lunge bekannte Tatsache, dab die tt/tmolyse (neben cter H/tmiglobinbildung bei der akuten Ver- giftung) im Mittelpunkt des Vergiftungsbildes steht. Die alte yon LABES vertretene Ansicht kann aber weder den unmittelbaren H~molysemechanis- mfis noeh das Auftreten tier elektronenoptisch oder durch Vitalf£rbung darstellbaren ErythrozytenverSnderungen verst/indlich machen. Die obigen Befunde tragen jedoch alle zur Stfitzung der eingangs angedeuteten H~To- these einer H~molyse 4urch oxydative Denaturierung der Erythrozyten- membran bei: Zun'iiehst I/~Bt sich lichtoptisch wie aueh inl Reagenzglas . feststellen, dab bei der Umsetzung des Arsenwasserstoffs mit Ht~moglobin bzw. Blutk6rperehen EiweiBausf~llungsprozesse regelmttBig vorkommen. Es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dab diese Denaturierung vor dem an sich sehr empfindlichen und schon in destilliertem Wasser sehnell denaturierenden StromaeiweiB Halt maeht und lediglich das H~moglobin trifft. Man kann somit ohne jede Voraussetzung sehon aus dem Versueh mit H~imoglobinl6sungen in vitro sehlieBen, dab Arsenwasserstoff in vitro h~tmolysieren muB. Wie die Abbildungen zeigen, I/iBt sieh der Ablauf der Denaturierungsvorg~inge an der Zelle verfolgen und es lassen sieh je nach dem AusmaB der H~.moglobinausf~illung einzelne Stadien festhMten. Sehr

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Zur Pathologic der roten BlutkSrperchen. IV. 613

bezeichnend ist nun, dab die Zellmembranen nach Arsenwasserstoffein- wirkung schon bei Konzentrationen, die noch zu keiner sichtbaren Aus- fitllung des Hiimoglobins ffihren, eine deutliche Strukturierung zeigen. Es ist anzunehmen, dab diese Strukturierung der morphologisehe Ausdruck fiir die geringgradige Permeabilit/~tssteigerung ist, welche zur Ursache der obenbeschriebenen Schwellungsh~molyse wird. Auf eine ~;~nderung der Stromastruktur l~Bt auch die ver/inderte Reaktionsweise der isolierten Stromat~ nach Arsenwasserstoffeinwirkung mit Osmiumtetroxyd schliel~en.

Kleinste Arsenwasserstoffmengen ffihren also zu einer geringgradigen Struktur~nderung 4er Membran, deren Fo/ge eine Permeabilit~ts/~nderung und eine SchwellungshSmolyse ist. Bei etwas grSl~eren Arsenwasserstoff- mengen kommt auch zunehmend Hiimoglobin im Verlauf von einigen Stunden innerhalb der Zelle zur Ausf~llung. Die isolierten Stromata sind daher urn so farbstoffreicher, je spiiter man sie nach einem Versuch aus der Blutprobe isoliert. Bei noch hSheren Arsenwasserstoffkonzen- trationen treten die Ausf'~llungen des Farbstoffes und die grob morpho- logischen ZerstSrungen mehr und mehr in den Vordergrund, bis schliel3- ]ich die Zellen (vgl. Tabelle 2) gar nicht mehr hamolysierbar erscheinen, obwohl sie vollst~ndig zerstSrt sind. Die einzelnen Stadien der Einwirkung des Arsenwasserstoffes ]assen sich nichtnur an den Erythrozytenver~inde- rungen un4 den Eiweiitausfitllungen, sondern auch un den sonstigen che- mischen Ver~nderungen des H~moglobins registrieren (tIiimiglobin- und Verdoglobinbildung).

Arsenwasserstoff ist im allgemeinen eine ziemlich reaktionstr~ige Sub- stanz, er zerf~llt erst in Gegenwart bestimmter Katalysatoren. Aus diesem Grund ist er auch bei 4er Einatmung vSllig reiz- und im reinen Zustand auch geruchlos. Im Serum ist er 15slich, wird abet nicht welter umgesetzt. Daraus folgt also, dab der Arsenwasserstoff sich bis zu seinem Eintritt ins Blut wie ein indifferentes Gas verh~lt und da~ sich sein Verhalten erst dann grundlegen4 ~ndert, wenn er ins Inhere der Erythrozyten gelangt. Erst dort setzt die genannte gekoppelte Oxydation ein und ffihrt zu dem beschriebenen Bild. Da bei den Versuchen in vivo die gesch~digten Erythro- zyten nicht wesentlich anders erscheinen als bei den Versuchen in vitro und d~ in beiden F~llen auch der zeitliche Ablauf der h~molytischen Pro- zesse etwa derselbe ist, miissen sich jeweils dieselben Vorg~nge im :Erythro- zyten abspielen. - - Die spezifische Biutgiftwirkung des Arsenwasserstoffs l~l~t sich ~lso in jeder Einzelheit aus seinem chemischen und physiko- chemischen Verhalten ableiten.

Zusammenfassung. Eine h~molytische Wirkung yon Arsensolen konnte nicht nachgewiesen

werden.

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614 FRITZ JVNG: Zur Pathologic der roten BlutkSrperchen. IV.

Die h~molytische Wirkung des Arsenwasserstoffs wurde an isolierten menschlichen Biutzellen und an der Katze untersucht. Sic ist nicht auf eine Wirkung kolloiden Arsens, sondern auf die Umsetzung des Arsenwasser- stoffs in der Blutzelle zurfickzuffihren. Als Nebenreaktion der gekoppelten Oxydation des Arsenwasserstoffs kommt es zu Denaturierungsvorg~ngen am Membraneivceil~. Diese Ver~nderungen der Blutk6rperchenmembranen lassen sich unmittelbar nach der Behandlung mit Arsenwasserstoff an der Struktur im iibermikroskopischen Bild feststellen.

Die HEINzschen K6rperchen, welche man bei der Arsenwasserstoff- vergi~tung beobachtet hat, sind Hiimoglobinausf~llungen im Inneren der Zelle, die bei intensiven Arsenw~sserstoffeinwirkungen attftreten und die ebenfalls Folge der Denaturierungsprozesse im Laufe der gekoppelten Oxydation sind.

Literatur. 1 LABES, L.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 124, 126 (1927). - - ~ HE~ZE: Klin.

Wschr. 1938 I, 24. - - a JUNO, F. : Biochem. Z. 302, 294 (1939). - - 4 WIL]3RA~DT, W.: Pflfigcrs Arch. 245, 22 (1941). - - 5 KIESE, M.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 186, 337 (1934). - - s LE~DLE, L.: Unvcr6ffentlichte Versuche.