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Zur Pathologie des Ich-Bewusstseins

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Page 1: Zur Pathologie des Ich-Bewusstseins

II.

Zur Pathologie des Ich-Bewusstseins. $tudie aus der a11gemeinen Psychopathologie .

Von

Prof. A. Pick in Prag.

V or Kurzem hatte ieh Gelegonheit (Neurol. Centralbl. 1908, No. 1)~ aus Anlass einer Darlegung yon Alionationen des sogenannten Bekannt- heitsgeftihls zu zcigen~ wie erst dureh die Wfirdigung dieses Gefiihls- factors sich ein Verst•ndniss fiir eine Reihe pathologischer Erseheinungen erSffnet~ die bisher: bei ausschliesslich intellectualistischer Auffassung einem solchen unzug~mglich geblieben waren. Yon dem gleichen Stand- punkte aus mSchte ich jetzt wicderum auf gewisse St6rungen aufmerksam machen~ in denen mehrfach abnorme Geffihlszustande die entscheidende Rollc spielen und die bei der bisher~ wenigstcns bei uns in Deutsch- land: in der Psychiatrie gepfiegten~ ebenfalls ausschliesslich intellec- tualistischen Deutung tier St0rungen des PersSnlichkeitsbewusstseins kamn beachtet worden sind. Die Mittheilung einschl~igiger Beobach- tungen scheint mir fiberdies auch noch dadnrch gerechtfcrtigt~ dass der Gegenstand in der psychiatrischen Literatur Deutschlands nur in S t0r- r ing ' s .Vorlesungen fiber Psychopathologie :~ 1900~ S. 286 Besprechung gefunden~ diese mancher Erweiterung und vielleicht auch Correctur be- darf und St. iiberdies die racist f,'anzOsische Literatur des Gegenstandes~ den Zwecken seiner Vorlesungen entsprechend~ kaum berfihrtl).

Die Erscheinungen~ die ich im Auge habe~ sind zuerst beschrieben worden yon dem als Laryngologen bekannten Krishaber~ einem Lieb- lingsschfiler Claude Bernard ' s~ in seiner 1873 erschienenen Mona- graphic .De la N6vrepathie c6r6bro-cardiaque a. Der unter dieser Be- zeichnung yon ihm beschriebene Symptomencomplex bildet~ wie dann Axenfe ld und H u c h a r d gezeigt und jetzt in einer~ eben erschienen

1) Vergleiche dazu die Bemerknng am Schluss.

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Th~se de Montpellierl~ deutlieh zu Tage tritt, eine 8pielart, m6ehte ieh sagen, der als Neurasthenie zusammengefassten nervSsen Zust~nde, in deren Darstellung es allerdings aueh nieht an Zfigen der Hysterie fehlt.

Eine grSssere Bedeutung erlangte K r i s h a b e r ' s Sehrift, die often- bar des eben erwNmten Umstandes wegen in der neurologisehen Lite- ratur wenig Beaehtung gefunden~ erst~ als gewisse, yon ibm beriehtete Erseheinungen an seinen Kranken in ihrer tieferen Werthung ftir die Psyehologie des Ieh-Bewusstseins yon Ta ine in seinem bekannten Werke ,De ['intelligence a (4. Auflage 18837 Vol. II. pag. ~65) gewtirdigt wur- den; die Bedeutung~ die Ta ine jenen Erseheinungen beim[sst~ setzt er damit in das riehtige Lieht, dass er am Sehlusse elner den Kranken- protokollen K r i s h a b e r ' s entnommenen Sehilderung des betreffenden Zustandes sagt: ,je trouve le petit r~eit plus instruetif Clu'un volume metaphysique sur la substance du moi".

Diejenigen StSrunge~ welehe T a i n e ' s Interesse veto Standpunkte der Psyehologie so fesselten, ~!aren solehe des Pers6nliehkeitsbewusst- seins; die betreffenden Kranken~ die im Uebrigen ein vollkommen in- taetes Ged~tehtniss nnd Urtheil besitzen~ klagen in der ersten Zeit, dass ,:sie nieht sind", spf~ter~ ,dass sie andere sind"; die klinisehe Unter- suehung derselben ergiebt~ dass diese StSrungen des PersSnliehkeits- bewusstseins sieh einmal aus St0rungen der Sinnespereeption eutwiekelt~ die~ objeetiv nieht naehweisbar~ in der Weise sieh darstellenv dass die Kranken klagen, ihre eigene Stimme komme ihnen fremd vor, sie ffihlen ihre Beine niehtv alles Gesehene komme ihnen so plan vet n. s. w. Ausserdem finden sieh bei diesen Kranken (was bei Ta ine nur ange- deutet ist) aueh StSrungen des jetzt sogenannten Aetivit~itsgeffihles, die Kranken fiussern, dass sie die Empfindung hS, tten~ dass nieht sie es wftren~ yon denen ihre Bewegungen veranlasst wfirden u. Aehnl.

Ehe ieh nun in der historisehen Darstellung des Themas weiter geh% m6ehte ieh zuerst einen eigenen Fall mittheilen~ der~ zum Theil wesentlieh reiner als die meisten der yon K r i s h a b e r besehriebenen und yon Ta ine benutzten~ die typisehen, hier zu bespreehenden Er- seheinungen deutlich hervortreten l~tsst.

Am 20. Pebruar dieses Jahres erseheint eine 33j~hrige Gastwirthsfrau in der Ambulanz tier Klinik mit der~ zuni~ehst einzigen, ganz spontan vorge- braehten Klag% sic babe kein Bewusstsein~ sie kenne sieh selbst nieht mehr;

1) Gran ie r , Essai sur la N6vropathie e~r6bro-eardiaque ou Maladie de Kr i shaber . 1903. Literarisch ist zu dieser These zu bemerken~ dass die- selbe absolut niehts zu dem bier abgehandelten Gegenstande beibringt.

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anamnestisch ergiebt sieh~ class sic ausser einigen normalen Geburten auch mehrere Abortus hinter sieh hat; seit einem halben Jahre geht das Gesch~ift sohledht~ sic hat viele Sorgen. Im Herbst 1902 stand sic in augen~rztlichcr Behandhng; die nachtriiglich eingeholte Erlmndigung darfiber ergab als da- maligen Befund Paresis aeeommod, oenl. utr. praeeip, dext.; Hyperaemia papillae co. dext.

Ngher fiber den yon ihr beldagten geistigen Zustand befragt~ giebt Patien- tin an~ class sic vor etwa 3 Wochen eine Verg, nderung bemerkt babe; am Tage vorher wg~re sic noch gesund gewesen und schon am folgenden Tage wiire sic ,wie yon sieh" gewesen; es sei plStzlioh~ wD, hrend sic sasg~ fiber sic gekom- men; so ein Geffihl yon Bewusstloswerden~ wie wenn sic die Gedanken ver- 15re; ihr Mann habe ihr das angesehen und sic gefragt~ was ihr sei. (Also siohtlieh l~eine reohte Bewusstlosigkeit.) Seither babe sic kein Bewusstsein~ babe sieh selbst nieht mehr erkannt; sic babe das Gef~ihl~ wie wenn das nicht ihre Gedanken w~iren; wenn sic geh% so ffihle sic wohl~ dass ihre Beine sic tragen~ sic hat abet kein Geffihl davon~ ,die bewegen sioh selbst"; sic habe das Geffihl, als sei sic das nieht selbst, es sei ihr~ ~wie wenn sic keincn Geist im KSrper hgtte '~. Bei weiterem Examen stellt sieh als Hauptklage das dar~ class sic nieht das Gefiihl hab% dass alle ihre Handlungen yon ihr aus- gehen; was sic thu% was sic denk% das komme nicht yon ihr~ das sei nicht ih r Geist~ nicht ihre Gedanken~ sic erltenne nieht~ class sic das sei~ die wirk- lich denke und handle; sic babe nicht das Geffihl~ dieselbe Person~ wie fr/iher zu sein~ aber aueh nieht eine andere. Wenn sic nicht gehen~ nieht arbeiten wfird% sich selbst nicht in Action sehen wfird% wfisste sic nieht, dass sic aaf der Welt s@ sic wfisste niehts yon sich; ,ich weiss nicht~ dass ieh das bin~ ioh erkenne mieh ganz nnd far nicht"; - - am sehlimmsten ist der Zustand Naehmittags~ des Morgens eher etwas besser.

Patientin ist fiber ihren Zustand sehr deprimirt~ ffirehtet eine schwere GeistesstSrung~ klagt aueh fiber Interesselosigkeit; keine Zeichen yon Hemmung. Somatisch klagt sic dartiber~ class sic kbrperlich herunter gekommen sei~ ausserdem an Pari~sthesien im Gesiehte leid% deren Umgrenzung sic genau im Gebiete des zweiten rechten Quintusastes priieisirt~ sie fiihle auch in diesem Gebiete nicht so deutlieh wie auf de~ anderen Seite. Ausserdem zeigt sic totale [ridoplegie reehts; links die Pupille etwas weniger weit als die recht% auf Liohteinfall ohne jede geaotion~ bei Convergenz sehr wenig ausgiebige Contraction; die Pupille bleibt dabei noch immer 5 mm weit, bei Bliek in die Ferne erweitert sic sich zur fl'fiheren Welt% doeh nur allm~ilig und ruckweise. Augenhintergrund beiderseits normal; die Sehsoh~rfe reehts 6/6~ links 6/8; Rechts tier Nahepunkt auf eine ArmI~nge hinausgerficl(t; mit 45 D. liest Patientin kleinste Drnekschrift. Gcringe Facialisdifferenz zu Ungunsten tier rechten Seite.

In der Folgezeit erscheint Patientin immer wieder in tier Klinik mit den gleiehen odor wenig variirten Kiagen; es werde immer schlechter~ sic sehe Alles wie im Traum% sic lebe nieht~ sic erkenne sieh nieht; sie sehe wohl Alles~ habe abet kein Bewusstsein~ keine Gedanken; thut sic etwas~ so denke

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sle an gar niehts; oder wenn gie etwas thu% so komme es ihr vor~ wie wenn nieht sic es thun wiirde; sic wisse zwar Alles~ was sic thue, we sic sieh be- time, sic sehe aueh, aber es ist nicht so, wie friiher, es komme ihr vor, wie wenn Alles yon ihr fern wgre; dabei sehe sic aber nieht etwa Alles kleiner; sit kSnne es nicht erklgren: ,~das Sehen ist wie abgerissen a. Wenn sic etwas thue, so sehe sic wohl, dass sie es thue, sic weiss es aueh, es sei ihr aber, wie wenn es nicht yon ihr kiime; ein andermal wieder sagt sic, es komme ihr vor, ~wie wenn Gott selbst ihre Hand dirigiren w~irde~q Wiirde sic sieh nieht sehen, sic wiirde nieht wissen, dass sie existire. Sic sehe Mles so ,,erstarrff'; damit~ seheint es, will sic die ihr fehlende Empfindang yon den Bewegungen der ;M~gen bezeiehnen. Gelegentlieh iiussert sic spgter~ sie sei nicht mehr so ohne Bewusstsein~ es gelingt auch sic durch Gespr/ich yon ihren u lungen~ die den einzigen Gegenstand ihres Kiagens bilden~ abzulenken. Im April ldagt sic, sie erkenne nicht einmal mehr ihre eigene Stimm% doeh er- seheine nur ihre eigene Stimme ver~ndert; es seheine ihr~ wie wenn das Gehbr verSmdert w/ire (objeetiv nichts naehweisbar), alles komme ihr so ganz anders, so sonderbar vet; sic arbeite wohl, habe aber nieht das (3eftthl, dass sic es thue; wenn sic nicht den Effect tier Arbeit sehen wiirde, wiisste sie nieht, dass sie gearbeitet hat. Sie spreehe, hSre aber nicht ihre eigene Stimm% es komme ihr so vor, wie wenn das eine andere Stimme wKre; trotzdem sic gut aussieht, klagt sic dariiber, dass ihr Appetit so sei, dass sie eigentlich nicht essen m~isste; es komme ihr vor~ wie wenn sic kein Gehirn hgtte, die Stirn sei wie hSlzern. Spgter klagt si% sic babe kein Ged/iehtniss. alas Gehirn komme ihr so wie todt vor. Erw/ihnenswerth ist noeh~ class die Kranke aueh eine Aenderung ihrer Trgume beriehtet; frtiher habe sic oft den bekannten Traum des Fliegens gehabt, das babe jetzt aufgehSr~; der Sehlaf sei aueh nicht so tier wie frfiher.

ghe ieh auf die psyehisehen Erseheinungen der Kranken eingehe, m~Sehte ieh einige klinisehe Bemerkungen vorweg sehieken, haupts~eh- lieh darfiber~ dass die die Sinnesempfindungen betreffenden Klagen night auf die an den Augen vorhandenen StOrungen zu beziehen sind; alas zeitliehe Verh~iltniss der beiden sehliesst wohl einen solehen Zusammen- hang aus; was die somatisehen Erseheinungen selbst betrifft, so muss man wohl annehmen, das Syphilis dabei im Spiele, obzwar die, natur- gemltss dem entspreehend eingeleitete Therapie his jetzt ohne Erfolg geblieben ist. Eine weitere Bemerkung m5ehte ieh dem Umstande widmen, dass die Erseheinungen~ die im Weiteren zu bespreehen sind, nieht allm~lig, sondern ziemlieh plOtzlieh aufgetreten sind und zeitlieh auch den Erseheinungen yon Depression, leiehter subjeetiver Itemmung und gelegentlieh ge~iusserter Apathie reran gehen, was ja dafCir sprieht, class wit es nieht mit einem grankheitsbilde zu thun haben, das man etwa der landl~iufigen Melancholic zureehnen kOnnte, tier die erst seeun- d~,ir entwiekelten, eben hervorgehobenen Symptome entspreehen. Mit

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Bezug auf diesen plStzlichen Beginn mSehte ieh auf die sp~ter mitge- theilten weiteren FNle hinweisen, bet denen die gleiehe Entwiekelung beriehtet wird, ohne dass ich daraus irgend welche bestimmte Schltisse glaube ziehen zu kSnnen; es ist aber gewiss bemerkenswerth, dass K r i s h a b e r (1. e. p. 179) fiber diesen Pankt sagt: ,:Brusqtle dams la forme grave l'invasion est lente et progressive dans la forme 16gfrel); permanent d'abord les symptomes plus tard ne st presentent que par acces".

Was nun die besonderen psychisehen Erscheimmgen betrifft, so ent- sprechen dieselben nicht bless dem yon K r i s h a b e r beschriebenen klinischen Bilde, sondern vor Allem in ihren wesentlichen Zfigen den- jenigen, die T a i n e an der citirten Stelle in ihrer Bedeutung ffir die Beurtheilung der einzelnen Componenten des Ieh-Bewusstseins wfirdigt. Wir finden bet unserer Kranken die Klagen fiber die ver~tnderte Sinnes- empfindung und die trotz Erhaltenbleibens des Gedltehtnisses und Ur- theils daraus resultirende Vorstellung ether Aenderang des Ieh's, ge- legentlieh die~ tiberhaupt nieht, racist die~ nieht Inehr die alt% sondern eine andere zu sein.

im Vordergrunde dmjenigen Stfrungen, welehe diese Aenderung des Ieh-Bewusstseins hervorrufen, steht aber bet m)serer Kranken das Gefiib] nieht selbst diejenige zu sein~ yon der ihre~ im fibrigen inhalt- Itch ungestOrten Willenshandlungen ausgehen; es liegt bet unserer Kran- ken deutlieh eine Stfrung dessen vor~ was man neuerlieh als Aetivi- t.atsgeffihl, die Engl~inder noeh besser als ,sense of selfaetivity" be- zeiehnen 2).

Es stimmt dieses aueh mit den Ausffihrungen S t f r r i n g ' s (l. c.) zusammen, der~ wenn aueh fast auschliesslieh auf T a i n e ' s Darstellung fussend, mehr als dieser darauf hinweist, dass Kranke der besproehenen Form als eine den anderen ebenbfirtige StSrung aueh eine solche des Aetiviti~ts-oder Strebungsgeftihl aufweisen; kS 15,sst sieh aber naeh- weisen, und dadureh wird gerade diese StOrung als ein wiehtiger Zug im Krankheitsbilde erwiesen, dass aueh bet K r i s h a b e r ' s Kranken diese Erseheinung, in T a i n e ' s Darstellung allerdings nieht genfigend ange-

l) Dazu wiire iibrigens zu bemerken~ class K r i s h a b e r gerade in seiner ,forme ldgfre" vieles znsammenfasst, was gewiss nicht hierher gehiirt.

2) Vergl, dazu Ausfiihrung yon B r y a n t (Mind. 1897. N. S. 6~ p. 82/g) Self consciousness includes all those feelings of agency-directed energy-which go with all our voluntary . . . acts. Generically, as subjective affections and are com- pounded equally with other feelings . . . Specifically the feeling of agency is distinguished from feeling in the emotional sense by the direction in it is felt to work i. e. towards effects in the objective rather ~han in the subjective series.

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deutet (I1 semble au malade ,qu'il est un automate" 1. c. II. 474), uicht fehlt 1).

Acceptire ich roll dis Ausfiihrungen S t 6 r r i n g ' s fiber die hervor- ragende Stellung der Aetivit~ttsgefiihle unter den Componenten des Ich- Bewusstseins und die uns daraus verst~ndliehe StSrung des letzteren in unseren Fi~]len, so glallbe ieh dagegen die yon ihm versuchte Nahe- stellung der K r i s h a b e r ' s e h e n Fglle an solche, die S c h a f e r (Zeitschrift fiir Psychiatric 36. Bd. S. 240ff.) darstelit, nicht ftir gerechtfertigt au- sehen zu kSnnen. Gewiss klingen die Klagen soleher Kranken, die seit Ze l l e r und G r i e s i n g e r uns besonders bekannt und seither als Er- seheinungen psychiseher An~sthesie in der klinischen Psychiatrie ge- l'~ufig sind~ i~hnlieh denen~ wie sic Kranke der hier besprochenen Art vorbringen, einen tiefereu Zusammenhang kann ieh darin aber nieht iinden~ denn dann mfisste die Erseheinung der ~Depersonnalisation" vor Allem bei der Me]ancholie viel h~mfiger vorkommen~ als dies thatsach- lieh der Fall ist. Aueh ist die Entwieklung der ganzen Erscheinung~ wie ieh eben an raeinem Falle gezeigt~ eine wesentlich andere. Man kSnnte freilieh auf das zuerst yon Melancholisehen beschriebene Dglire de negation Cotard's hinweisen; da eine Auseinandersetzung dieser Frage zu welt ftihren wiird% muss ieh reich mit dem fiir den Kenner kaum nSthigen Hinweise begntigen~ dass die beiden Erscheinungen~ die Deper- sonnalisation und das D61ire de negation sieh ,nueh saehlieh ganz ver- sehieden darstellen.

Aueh die Heranziehung der Sehfifer 'sehen F~lle, wie das StSr- r ing behufs Erg~nzung des Kr i shabe r ' s ehen Symptomeneomplexes dureh die St6rung des Aetivit~tsgeffihles thut~ seheint mir nieht ge- reehtfertigt; denn abgesehen davon, dass, wie ieh zuvor gezeigt, sieh dieses aueh sehon bei K r i s h a b e r selbst besehrieben findet~ liegt bei S e h ~ f e r ' s F~llen die Saehe doeh anders; sic zeigen die typisehe Hem- mung der Melaneholisehen mit dem entspreehend gestSrten Selbstgeftihl: ,,ieh will und ieh kann nieht" (Seh~fe r 1. e. 242). Gewiss liegen F'~lI% die aueh als Melaneholie zu elassifieiren sind, vor~ in denen, zum Theil unter dem Einfluss von~ der D6personnalisation ahnliehen Erseheinungen, es zu StSrungen des Aetivit~ttsgeffihles z. B. unter der Form der D~monomanie kommt, aber dabei spielen doeh offenbar noeh andere klinisehe Momente mite). Die F~tlle yon B 6 t t i g e r (Dieses Arehiv 31.

1) Darauf Bezug habende Stellen finden sieh bei Kr i shabe r auf den Seiten 161 47, 67, 80~ 152 and 165. ~ Ieh eitire die letzte: ,,il lui semble que ses jambes ne lui appartiennent loas et que les mouvements se produisent en vertu d'un automatisme auquel sa volont~ reste gtrang~re".

2) Yergl. dazu den Fall 2zt bei Raymond und Jane t (Les t)bsessions

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1./2.)~ die S tSr r ing mehrfach heraazieht, zeigen gewiss manche hierher gehSrigen Zfige, aber es ~iberwiegen doch, was hier auszufi~hren, zu weitl'~ufig wgre~ andere Erseheinungen: so dass Jch die ~Ton B 6 t t i g e r selbst hervorgehobene Aenderung des Geffihles der Ich-PersSnliehkeit nicht mit den hier besprochenen Erscheinungen der Depersonnalisation gleichstellen m6chte.

Noch auf einen Umstand mSchte ich aufmerksam machen; man kannte bisher in der Psyehopathologie einen ganz bestimmten Typus yon Verdoppelung der PersOnlichkeit; es ist nun wichtig zu wissen~ dass auch auf der Basis der hier besprochenen StSrungen eine anders ge- artete Verdoppelung zu Stande kommen kann. Schon in den Kran- kengesehichten K r i s h a b e r ' s linden sieh derartige Andeutungen; so sagt einer seiner Kranken ,une id6e des plus etranges mais q u i m ' obsMe et s'impose ~ men 6sprit malgr6 moi, e'est de me eroire double. Je seas un moi qui pense et un moi qui exdeute".

Aueh bei R a y m o n d und J a n e t finden sicb an der mlten citirten Stelle Hinweise auf solche Beziehungen, and der yon mir am Sehlusse dieser Ausffihrungen kurz beriehtete Fall ffihrt die Verdoppelung der PersOnliehkeit besonders deutlich vet Augen. Besonders schSn tritt das Gef(ihl der Ver~nderung der Pers0nliehkeit in Folge der St6r,ng des Activitatsgeffihles in der Aeusserung eines yon Bernard Leroy (Rev. philos. 1898, II. p. 159) citirten Arztes vet: ,il me semble, qu'il-y-a une individualit6 qui ne fasse qu'agir, tandis que l'autre volt l'aete et 6prouve les sentiments affgrents ~ eet aete".

Veto klinisehen Standpunkte beseh~tftigen sieh R a y m o n d und P. J a n e t (Les obsessions et la psyehasthenie II. 1903~ p. 41) mehrfaell mit unserem Gegenstande; sie beriehten unter dem Titel ,Sentiment de d@ersonnalisation" den Fall einer Frau, bei der die Klagen fiber das Fehlen des Aetivit~itsgeftihles im Vordergrunde der Erseheinung stehen (,ses actions lui font l'effet de ne pas venir d'elle"), und welehe die Autoren speeiell zur 6ruppe der psyehasthenisehen Erseheinungeu stel- len; ,,le sentiment de la d6personaalisation n'est k notre avis qu'un symptome et une phase dans l'dtat psyehasthenique"; auch frfiher sehon haben dieselben Autoren denselben Gegenstand berfihrt; in ihrem Werke (N6vroses et id6es fixes II. 1898~ p. 62) berichten sie fiber einen Fall, wo die granke neben anderen Erscheinungen dariiber klagt ,ce n'est pas moi qui parl% ce n'est pas moi qui mange~ ce n'est pas moi qui

II. p. 47)~ we die Autoren angesichts der yon der Kranken laohend gemaehten Bemerkang~ wie schrecklich es w~re, wean der Teufel ,,la ferait agir en sa plaee"~ auf solche F~lle yon Besessenheit hinweisen.

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travaille". B e i d e r Besprechung der Erscheinung deuten die Autoren dieselbe d~hi% dass es sieh um sine besondere, wenig bekannte Func- tion handelt~ welehe die Elemente des Denkens vereinigt und daraus das Bewusstsein der PersSnliehkeit bildet. Dieselbe Erseheinung zeigt such der zweite p. 79 von ihnen beriehtete Fall.

Endlich haben sich such psychologische Schriftsteller in der letzten Zeit mit unserem Gegenstande befasst; zuerst D u g a s (Rev. philos. 1898~ 1. p. 502): der die Erseheinung ale ,ali4nation de ]a personnalitg" auf- fasst und yon dem der Name ,~D@ersonnalisation ~ stammt; sehliesslieh ware noch B e r n a r d L e r o y l) zu nennen; ich vermeide es auf die Aus- ftihrungen dieser Autoren einzugehen und will nut darauf hinweisen~ dass der letztere selbst in seiner letzten Publication erkl~trt~ er komme nieht welter ale zu dem Nachweise eines ,sentiment partieulier~ qui normalement n'accompagne que lee ~tats de conscience 6trang% nou- veaux, inattendus".

Als Ergtinzung zu dem vorstehend mitgetheilten Falls will ich noeh einen zweiten anffihren und gleichzeitig bemerken~ dass die Fiille naeh meinen Erfahrungen speeiell ausserhalb der Irrenanstalten nieht so ganz selten sind und deshalb deren Nichtbeachtung in der deutsehen Liters- tur umso befremdlieher erseheint.

Es handelt sich um sine 29j~ihrlge Frau aus sehwer belasteter Familie; Mutter ]itt an allerlei nervSsen StSrungen und starb an Dementia ssnilis~ zwei Sehwsstern sehwer nervSs; Patisntin~ selbst seit jeher nervSs~ giebt an, dass sis in frfihersn Jahren I - -2 Mal im Jahrs unter gleichzeitigem Angstgef[ihl, in dem sie ,,aufschreien kSnnter plStzlich wie sins Art Anfall bekommt, in dem ss Jhr vorkommt~ wis ,wenn sic ss nieht sslbst wfire :~ and angeblich niehts yon sieh weiss; besonders leieht seider 7~AnfalP~ aufgetreten, wenn sie allein war; das Ganze dauere sin paar Minuten~ ss wS~re auch mSglieh, dass es visl l~firzer sei und dann sei ss wieder vorbsi und lasso nut ftir l~urzs Zeit sins Angst zurfiek; sol&s ~,Anftills a babe sis vereinzelt his in dis letzts Zsit ge- habt, und nun~ seit dem letzten mshrfaeh yon Angst und gestbrtem Bswusst- ssin bsglsitetsn Anfall% der in den lstzten Tagen eingetreten ssi~ sei sis fiber- haupt nieht mehr ,zu Bewusstsein" gsl~ommsn. Ein genausrss Eingshen auf diesss ~Fehlen des Bewusstssins" zsigt~ dass es sieh um die gleichs Ersehei- nung~ wis bsi unsersr srst gesehilderten Kranl(en handsl~ wis das aus den eigenen Aeusserungen der Patientin hervorgsht. Sic ist ,sich jstzt frsmd", der KSrper ist wohl dsrselb% es ist aber~ wis wsnn sis sine anders wiirs; sic habs fortwS.hrsnd Angst fiber den ,,frsmdsn Zustanda~ sis spreohs mit mir~ wisse such, dass sis vernfinftig spreeh% ffihls sieh abet nicht als diejsnig% die sic vor dem Montag (dem Tags des letzten ,Anfallss ~) gewesen.

1) Revue philos. 1898~ II. pat. 158 nnd ,IV. Congr5s internat, de psy- ehol. C. r. 1901" pat. 480.

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30 Prof. A. Pielr

Wenn das ~,fremde Gefiihl" naehlgss~ hat sio Kopfsohmerzen und dann ist ihr besser; wenn sie etwas thut, i s t es nieht s% wie wenn das yon ihr aus- Hinge; wenn sic allein ist~ in don Spiegel sohaut~ ist das Gofiihl, des sie spontan als ,,Entfremdung des eigenen Ioh" bezeiehnet, am stgrksten; ge- legentlieh vergisst sie fiir wenige Seeunden daran und ist ~wieder im alten Zuslande a, dann aber i s tes um so sehlimmer~ wenn ,es zurfiekkehrt". Be- senders sehlimm sei es ouch im Traum% denn aueh da habe sie das ,fremde" Gefiihl; wenn sie dana aufwaoht~ ist ihr sehreeldieh zu Muth% dann sehlgft sie wieder ein und tri~umt. Nach den Angaben des Mannes sprieht sie fast fortw~ihrend yon ihrem Leiden, ist gusserst deprimirt dartiber~ glaubt nieht mehr gesund zn werden~ klagt auch~ sie macho 3_lles meehanisch~ habe l~ein Interesse an Kindern und Hauswirthsohaft, wiinseht sieh 5fter den Ted.

Einer auf meinen Wunsch erfolgten sehriftlichen Darstellung ent-

nehme ieh Folgendes:

~Ihrem Wunsehe gemS~ss will ich versuehen Ihnen meinen Zustand auf's Genanste zu sehildern; ob es gelingen wird~ weiss ieh nieht, da ieh mieh gegenwS~rtig in einem Zustande befind% der jeder Besohreibung spotter. Ieh habe nieht nurAngst~ ich kSnnte verriickt werden~ ieh hobo des Gefiihl ja sogar die Ueberzeugung~ ieh bin bereits geisteskrank~ verr~ekt.

Meine n~iheren Zust~inde~ die ioh ihnen aueh gestern mittheilte 7 sind etwas Fremdes im t(opf~ ein ganz anderes Wesen wie friiher~ aber nur geistig~ ldirperlieh f/ihle ieh mieh dieselbe~ es ist~ wie wenn ieh 5~usserlieh reden~ innertich aber yon etwas Fremdem beherrseht wtird% dabei hage ieh neben diesem grgssliehen Zustande aueh noeh Angst and die Ueberzeugung, dass ieh dieses Geffihl~ dieses mein Leiden~ niemals los werd% dass mir nie besser werden wird und babe des bestimmte Gefiihl~ dass i6h diesen Zustand aueh nicht mehr lange aushalten kann; was noeh daraus werden kann, weiss ieh nieht, Gules jedoeh nieht. Trotzdem war mir gestern Naehmittag viel besser~ ieh habe mieh fast ganz normal befunden, mindestens 6 Stunden~ ng~mlieh wiihrend tier Fahrt und zu House aueh noeh.

Ieh babe aueh sehr gut geschlafen and erst friih hat sioh tier schreek- liehe Zustand wieder eingestellt~ der mieh wie im Banne hglk Ieh spreehe mit Jemandem~ fiihle etwas in mir und frage mieh~ was ist dir und gebe mir zur Antwort~ du hast etwas Premdes~ Schreekliehes im Kopfe.

Da mir im Belt am besten noeh ist~ so haben wit den Entsehhss gefasst~ eine Liege- nnd Mastenr vorzunehmen. Vor dem Wegfahren grout mir; vor tier Hand liege ioh zu House im Bett% we ieh reich noch am wohlsten fiihl% soweit yon einem Wohlgefiihl die I~ede sein kann. Mein Zustand ist kein gleieh bleibender, zumeist befinde ioh reich in dem geschilderten~ doeh wird mir aueh manchmal noeh viol sehlechter. Des Fremdsein verstgorkt sieh ira AngstgeNhl~ paekt mish~ ieh bekomme Uebelkeiten vomMagen; die Kehle ist wie gesehniirt~ dann geht es wieder in die alton schreekliehen Zustg~nde zuriiek. Am ~irgsten ist mein Zustand~ wenn ich allein bin~ oder mit Jemandom~ mit dem ich reich ,nioht auspreehen kann; am boston fable ich mich~ wenn ieh reich ~iber meinen

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Zustand ausgesproehen hub% da ich wghrenddem an mein eigenes Ieh vergesse und reich nur mit meinen Znst~inden und Empfindungen besehgftige, aber das fremde Gefiihl behalte ieh, aber sehr geschwgeht im Kopfe. Manehmal~ aber sehr selten~ kommen ~r we ieh mieh wohl fiihle oder glaube mieh wohl zu fiihlen~ und sin Gliieksgefiihl tiberstrSmt mieh; aber sehon in der n~iehsten Minute ist mein alter Zustand in seiner ganzen Sehwere da~ und bilde ieh mir ein~ die Besserung war gar nicht~ ich habe mir sic nur eingebildet und zum Schlusse bin ieh iiberzeugt~ es war mir gar nieht besser; so lunge ieh sehreib% hat es reich erleiehtert".

Die somatische Untersuehung der Kranken ergiebt ausser Obsti- pation, Herabsetzung des Conjunetivalrettexes~ leiehte Deviation der Zunge naeh reehts.

Patientin berichtet noch, dass aueh ihre beiden Sehwestern an den gleiehen Zust~tnden gelitten haben; die eine gebe jetzt an~ sic h~itte sieh an die eigenthfimlichen Zust~inde gewShnt.

W~hrend Angesichts der Schilderung unserer Kranken darfiber, dass der ehronisehe Zustand~ den sie selbst eharakteristiseher Weise als ,Entfremdung des eigenen leh" bezeiehnet~ vollst~indig eomform dem ist~ was die franz6sisehen Autoren als D6personnalisation bezeichnen, kann man zuerst Zweifel tragen~ wohin wir die yon ~hr aus fr~herer Zeit besehriebenen ZustS, nde mit anfallsweisem Auftreten zu rangiren haben. l)a finden wir nun einen gewissen Anhalt in der Besehreibung der An- f~lle selbs L die gerade durch die Hervorhebung der~ wenn aueh nieht n~iher pr~ieisirten StOrung des Selbstbewusstseins - - um Bewusstlosig- keit im gewShnliehen Sinne seheint es sieh bestimmt nieht gehandelt zu haben - - an irgend welehe, den epileptisehen nahe stehenden Zu- st~inde denken lassen. Und diese Vermuthung seheint mir nun dureh- aus bereehtigt; in seiner Cavendish-Leeture On dreamy mental states 1895~ p. 17 beriehtet C r i e h t o n B r o w n e Q yon einem Fall vererbter dreamy states ,They were called frightened feelings:' and consisted in a loss of p e r s o n a l i d e n t i t y . The youth . . . . . said that suddenly he lost his hold of the universe and ceased to know who he was. Everything seemed changed in a twinkling and he lest his relations to time and space. He felt intense terror while the attack lasted lest he should never become himself again . . . . . . The frightened feelings almost invariably came on w h e n he was a l o n e . . . . . . . At one time he could bring them, on by g a z i n g at himself intently in a l o o k i n g - - g l a s s . . . . . - - His sister's . . . . . . . attacks were in

1) Vergl. dazu auch meinen Anfsatz : Symptomatologisches zur Epilepsie, Prager med. Wochenschr, 1901.

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all respect similar to his and consisted in a temporary loss of perso- nal identity".

[eh glaube nieht fehl zu gehen~ wenn ich auf Grund dieser Be- sehreibung die Identit/it der ,Anfglle" meiner Patientin mit den yon C r i e h t o n B r o w n e beriehteten annehmel); damit erscheint aber der Uebergang des letzten Anfalles der Kranken in den ehronisehen Zustand zun~ichst nieht verst~tndlieh; eine Brfieke daftir scheint mir nun gegeben dutch den yon mir, in einem dem,,Brain" zur Publication eingesehiekten 2) Artikel geffihrten Naehweis: dass die yon den englisehen Autoren und yon H u g h l i n g s J a c k s o n so eingehend studirten Dreamy states bei Epileptischen aueh in ehroniseher Gestaltung zu beobaehten sind. Den Sehluss, dass das Krankheitsbild bei meiner Patientin dadurch als ein der Epilepsie gleichzustellendes zu betraehten ist, mSchte ieh trotzdem noeh nicht ziehen, abet die psyehologisehe Aehnlichkeit scheint mir zu bedeutend~ als dass man davon abstehen sollt% die Krankheitserschei- nungen nebeneinander zu stellen.'

Zum Beweise, dass wie in den eben besehriebenen Fallen auch sonst noch die D@ersonnalisation sehr raseh~ fSrmlich pl/Stzlieh ein- treten k6nn% m6ehte ieh noeh eine hier einschlSogige Krankengeschiehte kurz mittheilen.

Es handelt sieh um ein 21j~ihriges l~I~idehen~ yon frfiher her sehon ner- vSs~ leicht sehreekhaft; Ueberanstrengung dureh gleiehzeitiges Erlernen dreier fremder Spraehen; im Allgemeinen aber gesund bis vor ,t Tagen.

An diesem Tage zuerst Angstgefiihle mit Anfregung, aber doeh noeh friseh~ arbeitet his zum Abend; Abends aufgeregt, Angst vor der Nacht, dann aber gut gesohlafen; am folgenden Tage Bangigkeit, Beffirchtung, nieht nor- real zu sein. ,die Sinne verwirren sichC~ es wirren sieh die Gedanken dureh einander; und yon da ab Klagen fiber Vergndertsein ihres ,leh", sic sei nieht mehr sic selbst~ sprieht yon sieh selbsC in tier dritten Person~ fiiblt Angst vor sieh selbst, ffirehtet allein zu sein; die somatische Untersuehung ergiebt kei- nerlei hysterische Stigmata his auf Flimmern der gesehlossenen Augenlider und An~sthesie der Conjunetiva.

1) Eine Unterstiitzung finder diese Aaffassung dadurch, dass I~aymond und J a n e t (Les obsessions 1903~ I[. p. 59) die Erseheinungen der Deperson- nalisation~ darunter aueh den Verlust des Aetivitg, tsgefiihls als Aura eines epileptischen Anfalles beriehten; am Sehlusse ihrer Auseinandersetzunge% in denen sic die Gleiehheit derErseheinungen mit denjenigen naehweisen, die bei der Psyehasthenie vorkommen~ sagen sic bez/iglieh der letzteren Kranken~ ehez les autres rnalades il se prolongeait plusieurs eomme un aura qui n'abon- tirait pas.

2) Derselbe ist seither im Sommerheft 1903 ersehienen.

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Patientin wurde damals in eine Kaltwasserheilanstalt geschickt~ doeh blieb: w~hrend die tibrigen nervSsen Erscheinungen sich besserten: gerade die Aenderung des Pers6nliehkeitsgeffihles noeh ffir l~ngere Zeit bestehen~ um dann spi~ter dauernd zu verschwindenl).

Einem spliteren Berichte der Patientin entnehme ich die folgende Angabe:

Eines Abends wurde mir sehr schlech L so dass ich die Meinung hatte: sterben zu miissen; unser Arzt erkl~trte die Sache ffir einen Ohn- maehtsanfall.

Naehtrag bei der Correetur.

Erst nach Absendung des Manuskripts finde ich in Wern icke ' s Grundriss der Psychiatrie S. 307 und S t o r c h ' s Studie ,Muskelfunction und Bewusstsein" 1901~ S. 56 hierher gehOrige Thatsachen; neuestens ver0ffentlicht F o e r s t e r (Septemberheft der Monatsschrift fiir Psychiatrie und Neurologie 1903) eine vollst~mdig gleichgeartete Beobachtung und endlich bringt eine eben ersehienene Arbeit von Al te r (Octoberheft der- selben Zeitschrift) gleichfalls z. Th. hierher zu beziehende Thatsachen.

1) Vergleiche dazu fibrigens Fall XXVI. yon Krishaber~ in welchera nm" grosse Bromdosen den anf~llsweise auftretenden Zustand fernhalten konnten. - -

ArcMv L Psychiatrie, Bd, 38. Heft 1, 3