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(Aus der Universit/~ts-Frauenklinik Hamburg-Eppendorf. -- Direktor: Professor Dr. Th. Heynemann.) Zur Prognose der intraligamen6iren Schwangerschaft. Yon Dr. Johann Batisweiler, Assistent an der II. Universit~tts-Frauenklinik zu Budapest (Direktor: Prof. v. T6th). Mit 3 Textabbildungen. Der Einbettungsvorgang des Eies in der Geb~irmutter ist in all seinen Einzelheiten genau bekannt. Wir wissen, dab sich das befruchtete Ei unterhalb des Schleimhautepithels einnistet und in der Decidua zur Weiterentwieklung gelangt. Es ist auch nachgewiesen, dag bei der ektopisehen Einbettung die Insertion des Eies ebenfalls subepithelial erfolgt, jedoch erreicht das wuchernde Trophoblast in der diinnen, decidual nicht umgewandelten subepithelialen Bindegewebsschich~ sehr bald die Muskelwand der Tube und wgchst in der Muskelschicht weiter. Werth unterseheidet zwischen sog. columnarer und intereolum- narer Implantation, je nachdem sich das Ei in einer Tubenfalte oder zwischen zwei Tubenfalten einbettet. Die erste Form fiihrt ]eicht zum Abort, die letztere zur t~uptur. Die Bedingungen zur Weiterentwick- lung des Eies liegen also in den topographischen Verh~ltnissen reeht ungiinstig. Dabei spielt die Dehnungsf~higkeit der muskul~ren Tuben- wand eine bedeutende Rolle. Diese ist im allgemeinen recht gering. Die gewebszerstSrende Kraft der wuchernden Trophoblastzellen ge- hSrt aueh mit zu den Ursachen des friihzeitigen Eitodes bei der ektopi- sehen Eiansiedlung. Nur die sog. ,,mesosalpingeale" oder ,,basiotrope" Einbettung und die naehfolgende Entwieklung des Eies zwischen den Bl~ttern des Lig. latum kann ein Weiterwaehsen in seltenen Fallen begiinstigen, ghnlieh den intraligament~ren Ovarialtumoren, abet die Gefahr eines friihzeitigen Unterganges dureh Arrosion yon grSBeren Gef~gen droht bei dieser Entwicklungsrichtung ebenso, wie bei allen anderen Formen der ektopisehen Schwangersehaft. Es seheint mir ein Irrtum zu sein, wenn Lichtenstein auf Grund yon weiterlebenden intraligamenti~ren Sehwangersehaften den Sehlu6 zieht, da6 ,,der Fortbestand einer Extrauteringravidit~t in erster Linie yon der Pla- centationsrichtung abh~ngen muB und dag die mangelnde tIyper- trophie der Muskulatur und die fermentative Wirkung des Syneytiums

Zur Prognose der intraligamentären Schwangerschaft

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(Aus der Universit/~ts-Frauenklinik Hamburg-Eppendorf. - - Direktor: Professor Dr. Th. Heynemann.)

Zur Prognose der intraligamen6iren Schwangerschaft. Y o n

Dr. Johann Batisweiler, A s s i s t e n t a n der I I . Univers i t~t ts-Frauenkl inik zu B u d a p e s t (D i r ek to r : Prof. v. T6th).

Mit 3 Textabbildungen.

Der Einbettungsvorgang des Eies in der Geb~irmutter ist in all seinen Einzelheiten genau bekannt. Wir wissen, dab sich das befruchtete Ei unterhalb des Schleimhautepithels einnistet und in der Decidua zur Weiterentwieklung gelangt. Es ist auch nachgewiesen, dag bei der ektopisehen Einbet tung die Insertion des Eies ebenfalls subepithelial erfolgt, jedoch erreicht das wuchernde Trophoblast in der diinnen, decidual nicht umgewandelten subepithelialen Bindegewebsschich~ sehr bald die Muskelwand der Tube und wgchst in der Muskelschicht weiter. Werth unterseheidet zwischen sog. columnarer und intereolum- narer Implantat ion, je nachdem sich das Ei in einer Tubenfalte oder zwischen zwei Tubenfalten einbettet. Die erste Form fiihrt ]eicht zum Abort, die letztere zur t~uptur. Die Bedingungen zur Weiterentwick- lung des Eies liegen also in den topographischen Verh~ltnissen reeht ungiinstig. Dabei spielt die Dehnungsf~higkeit der muskul~ren Tuben- wand eine bedeutende Rolle. Diese ist im allgemeinen recht gering. Die gewebszerstSrende Kraf t der wuchernden Trophoblastzellen ge- hSrt aueh mit zu den Ursachen des friihzeitigen Eitodes bei der ektopi- sehen Eiansiedlung. Nur die sog. ,,mesosalpingeale" oder , ,basiotrope" Einbet tung und die naehfolgende Entwieklung des Eies zwischen den Bl~ttern des Lig. la tum kann ein Weiterwaehsen in seltenen Fallen begiinstigen, ghnlieh den intraligament~ren Ovarialtumoren, abet die Gefahr eines friihzeitigen Unterganges dureh Arrosion yon grSBeren Gef~gen droht bei dieser Entwicklungsrichtung ebenso, wie bei allen anderen Formen der ektopisehen Schwangersehaft. Es seheint mir ein I r r tum zu sein, wenn Lichtenstein auf Grund yon weiterlebenden intraligamenti~ren Sehwangersehaften den Sehlu6 zieht, da6 ,,der Fortbestand einer Extrauter ingravidi t~t in erster Linie yon der Pla- centationsrichtung abh~ngen muB und dag die mangelnde t Iyper- trophie der Muskulatur und die fermentative Wirkung des Syneytiums

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erst eine sekund~re Rolle spie l t" . Diese Anschauung wurde - - m i t Rf icksicht auf ihre theoret ische, wie auch p rak t i sche Bedeu tung - - u. a. yon Hdhne und yon R. Meyer einer scharfen K r i t i k unterworfen . Zu dieser S t re i t f rage will ich an der H a n d eigener Beobach tungen und Unte r - suchungen Stel lung nehmen. Meine Ans ieh t geht dahin , daft die in- t r a l i g a m e n t a r e En twick lung des Eies sowohl in den ers ten Wochen der Sehwangerschaf~ wie auch bei ]~ngerem Be s t a nd i m m e r eine Lebens- gefahr fiir die F r a u bedeu te t , eben wegen der Arros ion yon groBen Ge- f~gen, welehe in der Mesosalpinx und zwisehen den B1/~ttern des Lig. l a t u m verlaufen,

Vor al lem mSehte ieh auf die Sehwier igke i ten hinweisen, die sehon bei der Bes t immung der I m p l a n t a t i o n s s t e l l e und der I m p l a n t a t i o n s - r i eh tung des ek top isehen Eies en t s t ehen kSnnen. Aus den Ergebn issen der Un te r suchung eines einsehlggigen, h is to logiseh durehfor seh ten Fal les i s t es zu ersehen, dab seltene, pa thologisehe Befunde in naher ana tomisehe r Beziehung zum i m p l a n t i e r t e n E i de r a r t kompl iz ie r t e Verhal tnisse sehaffen k6nnen, dab eine siehere Or ien t ie rung sogar naeh Durehmus t e rung der das ganze E i en tha l t enden Ser iensehn i t t e auf groBe Sehwier igkei ten stoBen kann .

Die Krankengesehiehte des Falles ergibt folgende Daten: Frau H., 37 Jahre alt, wird am 9. II. 1927 um 7 Uhr morgens in die Klinik eingeliefert. Patientin gibt an, 1919 eine GonorrhSe erworben zu haben, die in einem Krankenhaus zur Aus- heilung gebracht wurde. Patientin hat 4 normMe Geburten durehgemacht. Kein Abort. Letzte Entbindung im Mi~rz ]925. Erste Menses mit 17 Jahren, immer regelm/~Big, 4wSehentlich, 4--5 Tage lang ohne Schmerzen, Letzte Regel am ]8. I. mit einer 3ti~gigen Versp/~tung. Die Regel dauerte 4 Tage lang. Die Blutung war geringer als gewShnlich. Am 8. II. traten heftige, krampfartige Leibsehmerzen auf. Patientin hat 2 mM im Laufe des Tages erbrochen. Kein Fieber. Die Schmer- zen dauerten die ganze Nacht hindurch, und so wurde sie frtihmorgens mit der Diagnose ,,Beckenperitonitis" in die Klinik eingeliefert.

Bei der Untersuehung stand die peritoneMe Reizung im Vordergrunde. Puls beschleunigt, bis 120, klein, leieht unterdrfiekbar. Gesicht blaB, Zunge belegt. Leib etwas aufgetrieben, bei leisester Berfihrung tr i t t Bauehdeekenspannung auf. Patientin klagt fiber Schmerzen. Sensorium ungest6rt. Bei der gyn~kologischen Untersuehung ffihlt man eine geringe Auflockerung der Portio. SeheidengewSlbe nicht vorgew61bt. Wegen der grogen Spannung kSnnen weder Uterus noeh Adnexe abgetastet werden. Temperatur normM. Senkung 3 mm naeh Westergren. Mit Riieksicht auf den bedrohlichen Zustand der Patientin Laparotomie (Professor Heynemann).

Nach Er6ffnung des Leibes quillt reiehlich frisehes und geronnenes Blur hervor, besonders in der Appendixgegend finden sich groBe Blutkoagula. Bei der Durchmusterung der Adnexe ergibt sieh folgender Befund: Beide Tuben sind normal; nicht die geringste Verdickung. Erweiterung oder Verletzung ist zu sehen; die Fimbrien sind intakt. Auf Druck entleert sich kein Blur aus den Tuben. Die Ov~rien sind yon normaler Gr6ge; im reehten Ovar eine kirschgr0ge VorwSlbung: das Corpus luteum. An der Oberfl~ehe der Ovarien, besonders an der Konvexit/~t des Corpus luteum, kein Rig, keine Blutung. Uterus, Douglas- scher Raum, Appendixgegend werden sorgfi~ltig durchsucht. Es finder sich kein

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Anhaltspnnkt ftir die schwere innere Blutung. Endlich fMlt eine kaum 2 mm lange, blutende Stelle am hinteren Blatt des reehten Ligamentum latum, dicht unterha]b des isthmisehen Teiles der Tube auf, woselbst eine kleine kaum erbsen- groBe Vorw61bung sichtbar wird. Beim Vergleieh der Tuben bemerkt man jetzt eine m~tBige 5demat6se Schwellung der rechten Tube. In der sieheren Annahme, dab die genannte RiBstelle die Quelle der Blutung sei, werden die rechten An- Mnge exstirpiert.

Krankheitsverlauf ungest6rt. Patientin wurde am 21. II. geheilt entlassen.

Anatomiseher Befund des Operationspr~parates: Die Tube ist 7,5 em lang, m~igig gesch]ingelt , vou normaler Dicke. Die Serosa is t / iberal l glatt , ohne fibrinOse oder blutige Auflagerung. Die Fimbrien zeigen norma]e S t ruk tur ; makroskopiseh sieht man auch hier nieht

Abb. 1. Die rechten A d n e x e in natt irl icher GrSl~e. Links unterhalb des i s thmischen Tubenab- schni t tes is t an der Mesosa lp inx eine l insengro6e V e r w S l b u n g (Stel le des implant i er t en :Eies) mi t

e iner k le inen Ril~stelle s ichtbar.

die geringste Spur yon Auflagerungen, Die Tube wird der Lgnge nach aufgeschnit ten. Makroskopisch ist auch die Tubensehle imhaut intakt . Die FMtelungen sind deutlieh ausgepr ig t ; kein Zeichen einer voraus- gegangenen Blu tung; kein Defekt. Man kSnnte also auf Grund der makroskpoischen Untersuehung mit gewisser Wahrscheinl iehkeit an- nehmen, dab die E inbe t tung des Eies auSerhalb der Tube stat tgefun- den hat.

Das Ovar ist 4•215 cm groB; in der Mitre seiner Konvexitit wSlbt sich das Corpus luteum vor ohne siehtbare Verletzung und ohne bedeekendem Blutgerinnsel. Am aufgesehnittenen Priparate finder sieh ein gewOhnliches Corpus luteum graviditatis ohne blu- tigen Kern.

Nur die Mesosalpinx zeigt einen deutliehen pathologisehen Be- fund (siehe Abb. i): An der bereits erwihnten Stelle unterhalb des isthmisehen Tubenabsehnittes, i em entfernt yore uterinen Tu- benende, finder sieh eine 6--8 mm breite, halbkugelige, mit ziem- lieh glatter Serosa bedeekte Vorw01bung, deren Mitre eine ungefihr

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2 m m lange RiBstelle zeigt. Auf Druek entleert sieh aus dieser Stelle wenig Blur.

In der Annahme, dab es sich um eine intraligament~re Gravidit~t oder einen geplatzten Varixknoten, evtl. ein Aneurysma handeln k6nnte, wird diese Ste]le zur histologisehen Untersuehung in Paraffin einge- better.

Die histologisehen Pr~parate haben dann ergeben, dab die Tube normal gefaltete Schleimhaut mit in taktem Epithel besitzt, ohne ent- ziindliehe Erscheinungen. Die Muskelwand ist von normaler Breite, zwischen den Muskelbtindeln linden sieh, besonders in der ~ugeren Schieht, rundzellige Infiltrate, bestehend aus Lymphoeyten, verein- zelten Plasmazellen und Leukoeyten. Aul~erhalb der muskul~ren Tuben- wand sitzt das Ei zwischen den Bl~ttern der MesosMpinx. Auf Grund der ersten Pr~parate mul3ten wir annehmen, dal~ das Ei auBerhalb der Tube implantiert wurde. Zur Bekrgftigung dieser Annahme wurde das Ei und die benaehbarten Part ien der Tube und Mesosalpinx in Seriensehnitte zerlegt; weiterhin wurden yon der fibrigen Tuben- wand, yore Fimbrienende und Ovar noeh eine Reihe histologiseher Pr~parate angefertigt. Insgesamt wurde das Ei selbst in 8 2 0 - - 6 # Sehnitte, die benaehbarten Tubenabsehnit te in etwa 4 0 0 - - 1 0 # Sehnitte zer]egt.

Das Ergebnis dieser histologisehen Untersuehung besti~tigte die oben angeftihrte Annahme (siehe Abb. 2). Das Ei liegt ganz au[3erhalb der ~'ubenwa,nd. Die Tubenwand ist nieht nut yon dem Ei versehont geblieben, es sind aueh keine Trophoblastwueherungen in der Mus- kelwand siehtbar. Nur an einer umsehriebenen Stelle sieht man ein- zelne deeidual ver~nderte Bindegewebszellen in der ~ugersten Mus- kelsehicht. Die Muskulatur ist aueh frei von entziindliehen Erschei- nungen, nur in der Umgebung des Eies sind l%undzelleninfiltrate sieht- bar, die gegen die Sehleimhaut zu allm~hlieh versehwinden. Das Ei ist bei der Ruptur in die Bauehh6hle ausgestogen worden. I m Pr~- parat blieb nur die Kapsel des Eies und vereinzelte Chorionzotten. Die prim~re EihShle ist dutch eine deutliehe Fibrinoidsehieht gekenn-. zeiehnet. Die in lebhafter Wueherung befindliehen Trophoblastzellen durehsetzen das benaehbarte Bindegewebe, wuehern in die Gef~ge, ersetzen deren Wandung, und bilden aueh ganze Thromben. Ihre ge- f~Bwandzersetzende Kraf t ist an einer groBen Anzahl von diekwan- digen GefgBen siehtbar. Diese Wueherung fiihrte dann an einer Stelle zur Arrosion einer ziemlieh diekwandigen Vene und zum klinisehen Bilde einer lguptur. Uberall, wo die Trophoblastzellen erseheinen, sieht man als Folge kleinzellige Infi l trate und deeiduale Aufloekerung im Bindegewebe. An mehreren Stellen sind aueh frisehe und pig- menthaltige Blutungsherde siehtbar.

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Bei der Feststellung der Implantat ionsstehe sind folgende Sehwierig- keiten in Erseheinung getreten. Es sind in der Nachbarscha/t der Ei- hShle dri~senartige Gebilde in einer variablen Anzahl zu sehen, die den Verdaeht einer Nebentube oder Divertilcelbildung erwecken. Um diese MOgliehkeiten auszusehlie6en odor zu bekr~ftigen, haben wir die Pr~- parate liickenlos untersueht und gefunden, dag zwisehen den Driisen- sehl~uehen und der Tubenliehtung kein kontinuierlieher Zusammen- hang besteht. Wir konnten feststellen, dab die Driisenschlguche fast ausnahmslos mit der Tubenaehse parallel vertaufen und, ohne mit-

Abb. 2. Schnitt durch die Tubenwand und Mesosalpinx. Die EihShle befindet sich dicht unter- halb der Tubenmuskelschicht im intraligament~tren Gewebe.

einander in Verbindung zu stehen, blind endigen. Sgmtliche Drtisen- gi~nge konnten wir yon Anfang his zum Ende verfolgen. Man finder sie fiberall in einer gewissen Entfernung yon der Tubenwand, vom Ei u n d von dem peritonealen 1Jberzug. Die Annahme einer Nebentube miissen wir also fallen lassen, ebenso konnte die Abstammung der Epi- thelg~nge vom Peritonealepithel nieht bewiesen werden. Die Drtisen- sehl~uehe linden sich im loekeren Bindegewebe des Lig. la tum meist yon kleinzelligen Infi l t raten umgeben, die ohne seharfe Begrenzung in das normale Bindegewebe fibergehen. Diese Infi l trate entsprechen nieht dem, bei der Adenomyosis wohl bekannten sog. , ,cytogenem" Gewebe, sie bestehen aus Lymphoeyten und vereinzelten Plasma- zellen. Wo die Drfisengi~nge in der Muskulatur der Tubenwand vet-

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l~ufen ist die begleitende kleinzellige Inf i l t ra t ion geringer. D~s be- schriebene histologische Bild entspricht einer abgeheilten, chronischen Entziindung der Tubenwand unter Bildung von intramuskul~iren und sub- serSsen Epithelg~ingen und dri~senartigen Abzweigungen der Tubenschleim- haut. Da/i~r spricht besonders ein Dri~sengang, der sich als ein senkrecht zur Tubenachse verlau/endes Divertikel erwiesen hat (s. Abb. 3). Diesen Driiseng~ng finder m~n in der N~he des Eies, er ist zwar dureh eine ziem-

]ich breite Muskelschicht vom Ei getrennt, es besteht ~uch kein nach-

Abb. 3. Stelle des Tubendivertikels und der Driiseng~nge in der Umgebung des Eies.

weisb~rer ~n~tomischer Zusummenh~ng zwischen Ei und Divertikel, und trotzdem ist die MOg|ichkeit einer Einbet tung ~uf dem Wege dieses Di- vertikels nicht ohne weiteres yon der H~nd zu weisen. Wir glauben sogar das ge/undene Divertikel ]i~r die wahrscheinliche Fangstelle des be- ]ruchteten Eie8 betrachten zu kSnnen.

Es bleibt nur noeh die Ann~hme einer peritonealen Einbettung zu besprechen. An einer Stelle des peritone~len l~berzuges h~ftet ein Blut- gerinnsel, die Fibrinoidk~psel des Eies bildet hier eine deutliche Aus- buchtung und m~n sieht in mehreren Pr~p~r~ten hier eine n~rben- ~hnliche Stelle, bestehend ~us Fibrobl~sten, wuchernden Tropho- bl~stzellen, Lymphocyten und Leukocyten. Die Kontinuit~t des Peri- tone~lepithels ist aueh unterbrochen, die intervillSsen R~ume sind ai~.

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3 94~ J. tlatisweiler :

beiden Seiten dieser Stelle gut sichtbar, wghrend sie in der Mitte selbst versehwinden. Die Muskelbiindel des Lig. latum, die an dieser Seite parallel zur Peritonealoberfl~ehe verlaufen, bilden eine Liieke. Das Bild ~hnelt den bekannten Befunden, die bei der intrauterinen Eiein- bet tung solch friihzeitiger Eier erhoben wurden.

Wenn man auch aus dieser Besehreibung an eine peritoneale Ein- bet tung denken kann, so ist ein Beweis dafiir nieht zu erbringen, denn die gewebs- und gef~6zerst6rende Kraf t des Trophoblasten ist an den hier vorliegenden Gef~13en deutlieh sichtbar, man kann also mit dem- selben l~eeht auch eine zentrifugale Wueherung der syncytialen Ele- mente annehmen, um so mehr, als wir in dem besehriebenen Divertikel einen viel wahrseheinlicheren Anhaltspunkt zur Einbet tung gefunden haben.

Zur Best immung des Alters des Eies bleibt uns nur die Anamnese und die histologisehe Struktur der Chorionzotten und Trophoblast- zellen iibrig. Die Frau gibt an, die letzte Regel um 3 Tage versp~tet bekommen zu haben. Diese Tatsaehe kann man auf eine stattgefun- dene Konzeption zuriickfiihren, die wahrscheinlich einige Tage zuriiek- lag. Seit der letzten Menstruation, die bereits mit einer bedeutend geringeren Blutung einhergegangen ist, sind bis zur erfolgten Ruptur 20 Tage verlaufen, also der Zeitberechnung naeh kann die Graviditgt in der 3.--r Woehe gewesen sein. Diese Annahme k6nnen wir auf Grund der histologisehen Struktur der Eireste bestgtigen. Das Zottenbinde- gewebe ist feinfaserig, locker gebaut, ohne deutlich erkennbare Gef~ft- bildungen, die bekanntlich in der 3. Woche erseheinen. Nur an ein- zelnen Stellen sieht man Andeutungen yon Gef~ftsprossen; aber yon ausgebildeten Capillaren kann noeh keine Rede sein.

Wir k6nnen nun sagen daft as sich in unserem Falle um eine primiir- tubare Diverti/celimplantation handelte mit Weiterentwic/clung des Eies in das intraligamentiire Bindegewebe. Das Ei h a t sieh mesosalpingeal oder basiotrop angesiedelt, kam schon in den friihesten Zeiten seiner Entwieklung in das intraligament~re Gewebe und ist sehr bald unter- gegangen, sehon zu einer Zeit, wo von einer zentripetalen resp. zentri- fugalen Plaeentation im Sinne Lichtensteins keine Rede sein konnte. Wir miissen also aus dem Fall den Sehluft ziehen, dag die Entwiek- lung des ektopischen Eies im wesentliehen yon der fermentativen und gef~BzerstSrende~l Kraf t der Zottenepithelien abh~ngt, und es ist lediglich dem Zufall zuzuschreiben, wo und wann die Trophoblast- wucherung gr61~ere Gef~fte erreicht. Bei der mesosalpingealen Einbettung liegen die Verh~ltnisse aus diesem Gesichtspunkt insofern sogar beson- ders ungiinstig, da in dem intraligament~tren Bindegewebe dieht unter- halb der Tubenwand Gef~fte von erheblieher Gr0fte verlaufen. Schon Werth hat auf diesen Umstand hingewiesen und dadurch die Selten-

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Zur Prognose der in~raligamentgren Sehwangersehaft. 395

hei t der Wei t e r en twick lung eehter i n t r a l i g a m e n t i r e r Schwangerschaf ten t ro tz H~uf igke i t der mesosalp ingealen E i n b e t t u n g e r k l i r t . W e n n auch Lichtenstein bei den ausge t ragenen ek top i schen Schwangerschaf ten bis zu 90% mesosalpingeale und i n t r a l i g a m e n t i r e E n t w i c k l u n g nach- weisen konnte , so dar f das noch ke ins Veranlassung geben, bei der in t ra - l i gament~ren E i n b e t t u n g , ,sine unges tSr te We i t e r e n tw ie k lung abzu- w a r t s n ~ ~.

Hdhne h a t fiber einen Fa l l ber ieh te t , bei dem das im Sinne Lichten- steins idea l e ingebe t te te Ei im 3. Mona t der Schwangersehaf t zur inneren Blu tung geffihrt hat , t r o t z d e m sieh das Ei ha sh mesosa lp ingea ler In - ser t ion mi t zent r i fugaler P l acen t a t i on en twieke l t ha t . Das Ei wuehs abe t n i sh t in das in t ra l igament~re Gewebe hinein, sondern in das L u m e n der Tube.

Es gibt l~eine ,,ideale" Einbettung au[3erhalb der Gebiirmutter, es liegt deshalb auch /~ein Grund vor bei der Diagnose einer e/ctopischen Sehwanger- seha/t abzuwarten, nieht nut wegen der gro[3en Zahl yon Mifibildungen bei ausgetragenen e~topischen Friichten, sondern wegen der Verblutungs- ge/ahr, die aueh bei weiterlebender Frueht zu ]eder Zeit pldtzlich auJtreten ~ann. Dafi i r spreehen neben den A n g a b e n der L i t e r a t u r (Hdhne, Katz) auch 3 eigene F i l l e , die ich un te r 100 pl6 tz l ichen Todesf~llen - - be d ing t du r sh ek top isshe Sehwangerschaf t - - des Ge r i ch t s i r z t l i ehen Ins t i - tu tes yon Budapest gefunden habe.

Der 1. Fall bezieht sich auf eine 29j~hrige Frau, dig seit 4 Wochen t~ber Unterleibsschmerzen klagte. Sie war im 5. Monat der Sehwangersehaft gewesen. Der Tod trat so pl6tzlieh ein, dal3 yon einer irztliehen Hilfe keine Rede sein konnte. Bei der Sektion land sich eine frische Ruptur des ,,tubaren" Eisaekes mit 2000 cem Blur in der Bauchh0hle.

hn 2. Fall handelt es sich um eine 27jihrige Frau, dig im 6. Monat der Sehwangersehaft auf der Stral3e zusammengebrochen und nach wenigen Minuten gestorben ist. Die Obduktion ergab eine mit der Gebirmutter breit verwachsene, lateral gelegene Eih6hle mit grol3er Ruptur und Verblutungstod.

Im 3. Fall: Eine 38j~hrige Frau, die zu FuB ins Krankenhaus kam und mit wehenartigen Schmerzen bei ausgetragener Schwangersehaft aufgenommen, wurde wegen lebensbedrohlichem Kollaps laparotomiert. Bei der Operation land siGh neben der faustgrogen Gebirmutter eine reife, friseh abgestorbene Frucht in einem friseh geplatzten, sonst gut erhaltenem Eisack. Der Tod erfofgte in allen 3 Fil len durch Verblutung.

Diese F i l l s s ind auf Grund der Sek t ionspro toko l le al ler Wahrsehe in - l iehkei t naeh als i n t r a l i g a m e n t i r e Sehwangerschaf ten aufzufassen, die in d e n k b a r k i i rzes ter Zei t zura Ve rb lu tungs tod geffihrt haben. Sie s ind ein Beweis daft ir , daft die ek topische Sehwangerschaf t w i h r e n d ihres ganzen Bes tandes s te ts eine Lebensgefahr bedeu te t , auch dann, wenn die Schwangersehaf t d is e rs ten kr i t i sehen Monate ohne besondere StSrungen f ibers tanden ha t .

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396 g. ]~atisweiler: Zur Pr0gnose der intraligament~ren Schwangerschaft.

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