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Dr. Peter Zenker Zwangsarbeit in Siegburg

Zwangsarbeit in Siegburg - Dr. Peter Zenker · In der Terminologie der Nationalsozialisten wurden Zwangsarbeiter verharmlosend als Zivil-, Fremd-, oder Ostarbeiter bezeichnet, beziehungsweise

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Dr. Peter Zenker

Zwangsarbeit in Siegburg

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Dr. Peter Zenker

Zwangsarbeit in Siegburg

Inhalt

1. Einführung

2. Zwangsarbeiter

3. Zwangsarbeit in größeren Siegburger Firmen

4. Zwangsarbeit in kleineren Siegburger Betrieben, Gesellschaften und Einrichtungen,

5. Zwangsarbeiterlager

6. Gefängnis/Haftanstalt/Zuchthaus

7. Tod, Vernichtung, Befreiung

8. Zusammenfassung

Verwendete Quellen und Literatur

Impressum, Dank, Bildnachweis

Titelbild: Ausschnitt aus Picasso, P. Guernica, 1937, Museo del Prado, Madrid;

© 2005 by Dr. Peter Zenker, Siegburg;im Netz veröffentlicht unter: www.peter-zenker.de

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Dr. Peter Zenker

Zwangsarbeit in Siegburg

1. Einführung

Zwangsarbeit in Siegburg während der Zeit des Nationalsozialismus ist eines der dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte. Erst mit der Diskussion um die Entschädi-gung der Zwangsarbeiter rückte das Schicksal der Menschen, die zwischen 1939-1945 gegen ihren Willen in Siegburg zum Arbeitseinsatz gezwungen wurden, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück.Entwurzelte, wehrlose Menschen mussten wider ihren Willen einen Teil ihres Lebens fern der Heimat unter erniedrigenden Bedingungen Zwangsarbeit im Regime des Na-tionalsozialismus (NS-Regime) in Siegburg leisten. Hiesige Einrichtungen, Firmen und Gesellschaften zogen damit schändlich Profit aus dem NS-Regime.

2. Zwangsarbeiter

In der Terminologie der Nationalsozialisten wurden Zwangsarbeiter verharmlosend als Zivil-, Fremd-, oder Ostarbeiter bezeichnet, beziehungsweise als Kriegsgefangene geführt. Sie wurden aus den von den Deutschen überfallenen und besetzten Ländern rekrutiert. Unter Zwangsarbeitern werden in der neueren Literatur die Personen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit verstanden, die ab Kriegsbeginn nach Deutschland kamen und hier zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Bis auf einen verschwindend kleinen Bruchteil arbeiteten sie in Siegburg nicht freiwillig, sondern waren „dienstver-pflichtet“ und hierher verschleppt worden. Bei dem sogenannten „fremdvölkischen Ar-beitseinsatz“ wurden von den Nazis „volkspolitische Gefahren“ und durch „Vermi-schung der Rassen“ eine „Verunreinigung des deutschen Blutes“ befürchtet. Deshalb erfolgten drastische Ausgrenzungsmaßnahmen zwischen Zwangsarbeitern und der übrigen Bevölkerung. Um kontrollierbar und abgesondert von der deutschen Bevölke-rung zu bleiben, wurden die Zwangsarbeiter in Lagern interniert.Unter den Zwangsarbeitern galt bei den Nazis eine Mehrklassenhierarchie. „Westar-beiter“ standen über den “Ostarbeitern“. „Westarbeiter“ kamen aus den west- und nordeuropäischen Ländern, „Ostarbeiter“ aus Polen und Russland, der UDSSR. Po-len und Russen hatten den Status von gekennzeichneten Sklaven. 1 2 3

Sie mussten auf ihrer äußeren Kleidung das Schild„P“ (für Polen) – violettes „P“ auf gelbem Grund- und „OST“ (für Russen)-weißer Schriftzug auf blauem Untergrund- tragen (Bild 1).

Bild 1: Vorgeschriebene Abzeichen für Zwangsarbeiter aus Polen und Russland 4

1 Weinmann, M. (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt a. M. 1998;2 Staatz, P.: Zwangsarbeit im Kreis Neuss, Düsseldorf 2003;3 Reininghaus W./Reimann N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld 2001;4 Arbeitsgemeinschaft der Archivarinnen und Archivare im Erftkreis (Hrsg.): Gezwungenermaßen – Zwangsar- beit in der Region Rhein–Erft-Rur, Bergheim/Erft 2002;

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3. Zwangsarbeiter in größeren Siegburger Firmen

Über die Zahl, Einsatzorte und Nationalitäten der Zwangsarbeiter geben die Quellen des Archivs der Stadt Siegburg Auskunft (Tabelle 1). 5

Firma, Gewerbe, Anschrift

über die Jahre

1939-1945 eingesetzte

ZWA

Anzahl der Zwangsarbeiter (ZWA)nach Nationalitäten

B F G J L NL P R TGedien&Schwade

Maschinenfabrik, Alfredstr. 55

1

1

Ley, WilhelmWilhelmstr.

53 6 47

Rheinische Zell-wolle AG, (Phrix),Wolsdorf

2864 610 33

6 628 489 1080 18

Hagen, ReinoldKunststofffabrik

64 8 56

Meltzko,Maschinenfabrik

12 3 1 8

Wurm&Söhne,Schuhfabrik,Kronprinzenstr.

21

7 10

4

Gefängnis,Strafanstalt Siegb.

4 4

Krankenhaus Siegburg

6 6

Koch, Heinr.Maschinenfabrik,Jakobstr.

3 3

Schneider 19 19Breuer, Brauerei 1 1Insgesamt 3048 617 51 10 6 5 634 490 1217 18

Legende: B = Belgier, F =Franzosen, G = Griechen, J = Jugoslawen, L = Luxemburger, NL = Niederländer, P = Polen, R = Russen, T = Tschechen,

Tabelle 1: Zwangsarbeiter in größeren Siegburger Firmen 6

5 Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;6 Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;

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Bei der Rheinische Zellwolle AG, ein Teilbetrieb des Phrix-Werke Konsortiums, waren die meisten Zwangsarbeiter in Siegburg eingesetzt. 7 Aus der Meldung für den Juni 1943 ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 2: Bei der Rheinische Zellwolle AG im Juni 1943 ein-gesetzte Zwangsarbei-ter

4. Zwangsarbeit in kleineren Siegburger

Betrieben, Gesellschaften und Einrichtungen

Die Zwangsarbeiter wurden aus den besetzten Gebieten über zentrale Sammellager nach Deutschland transportiert und dort von den Arbeitsämtern „verwaltet“. Hier konnten sich „Arbeitskräftesuchende“ aus Industrie, Handwerk, Firmen und Landwirt-schaft „ihre“ Zwangsarbeiter aussuchen. Vergleichbar einem antiken Sklavenmarkt.8

Folgende Stellen machten davon Gebrauch:9

Abtei Michaelsberg10

Ahlefeld, Kartonage, Wilhelmstr.Bennerscheid, Hindenburgstr.Billig, Schuster, Kaiserstr.Bolz, Bäckerei, Luisenstr.Brauerei, Hubertusstr.Clarenz, Papagei 2Degen, Firma, Wilhelmstr.Eichen, Bäckerei, Mühlenstr.Gies, H.-S.-Str.10Haenschel,E., KGHagen, Firma, Hindenburgstr. 140Hagen, Reinh. Wilhelmstr.

(Fortsetzung der Auflistung auf der nächsten Seite)

(Fortsetzung der Auflistung der vorstehenden Seite)

Hans, Firma, Dresbach

7 Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;8 Weinmann, M. (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt a. M. 1998;9 Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;10 Anm.: Im Juni 1940 wurde in großen Teilen der Abteigebäude ein Lazarett eingerichtet. Die Einrichtung des Lazaretts lag ganz im Interesse der Mönche; denn sie hofften, dadurch der drohenden Aufhebung der Abtei durch die Geheime Staatspolizei entgehen zu können. Trotzdem erfolgte am 6.5.1941 die Beschlagnahme des Klosters wegen angeblicher Reichsfeindlichkeit. Die Abtei war von da an nur noch Lazarett. Vor der Zerstö- rung der Abtei am 28.12.1944 waren zeitweilig bis zu 800 Betten dort belegt. [Weber, W., Mittler, ,M.: Die Geschichte der Abtei Michaelsberg in Siegburg seit ihrer Neugründung im Jahre 1914, Siegburg 1967];

Nationalität/ Herkunft

Anzahl der Zwangsarbeiter

Belgier 144Franzosen 32Niederländer 142Polen 236Russen 548Kriegsgefangene 39Strafgefangene 185Insgesamt 1326

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Heinrich, Firma, Wilhelmstr.Honnef, Andreas, KohlenhandlungKlein, Metzger, Zeithstr.52Koch, Jakobstr.84Kohr, FirmaKurscheid, FirmaKurtenbach, Kohlenhandlung, Zeithstr.Lamsfuß, Rud., Ernststr.Limbach, Kaiserstr.137Marenbach, Peterstr.8Mikus, FriseurMirus, Firma, Bonnerstr.Müller, DentistMüller, Hindenburgstr.152Müller, Metzgerei, Kaiserstr.18Neifer, GartenbaubetriebPeters, Firma, Mühlenstr.Poppel, Firma, Kronprinzenstr.Raderscjeod, AulgasseRath, Gartenstr.Rech, Zahnarzt, Bahnhofstr.Reute, Bonner Str.Rück, Bäckerei, Zeithstr.55Schastian, Alleestr. 7Schneider, DahnwegSchüler, OttoSeiler, Seehofstr.Siegwerke, Alfredstr.Sinzig, Gärtnerei,Zeithstr.17Stadtbauamt, Abt. Stadtwald/ForstStiel, Gebr., Luisenstr.Sünner, BäckereiSünner, Kaiserstr.28Ufer, Firma, Alleestr.Walterscheid, Firma, Augustastr.Weber, Hohenzollernstr.45Wegemann, Heinrich, KohlenhandlungWeiser, Metzgerei, Holzgasse 5Werner, ConditoreiWesterwerke, Zeithstr.Wintgen, Firma, Adolf-Hitler-Platz 25Wolter, MetzgereiZimmermann, Bäckerei, Holzgasse 64

In den durchgesehenen Quellen und der Literatur wurden keine Hinweise auf jüdi-sche Zwangsarbeiter in Siegburg gefunden. Hierzu geben sicherlich Daten des Stan-desamtes Siegburg Aufschluss. Obwohl im Rahmen dieser Untersuchung eine An-onymisierung von Standesamtsdaten vom Verfasser zugesichert war, wurde der Ein-blick in diese Daten vom Standesamt nicht gestattet.11

11 Anm.: Auch für den Geschichtsverein von Siegburg (Prof. H. Fischer, Stadt Blankenberg/Sieg) stellte sich die Frage nach den jüdischen Zwangsarbeitern, (Memo vom 4.1.2006);

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5. Zwangsarbeiterlager

Für die Unterbringung von Tausenden von Zwangsarbeitern richtete das NS-Regime in Siegburg verschiedene Lager ein: „Arbeitslager“, „Gemeinschaftslager“ „Lager für Kriegsgefangene“, die besonders streng bewacht wurden, oder „Wohnlager“, wie eini-ge verharmlosend genannt wurden. Eine besonders menschenunwürdige Form der Unterbringung erfuhren die Zwangsarbeiter in der Haftanstalt in Siegburg und den auf dem Gelände der Haftanstalt befindlichen Baracken.Über die Unterbringung in Zwangsarbeiterlagern kann der Autor deshalb so genau berichten, weil er selbst gleich nach dem Krieg in einem von Zwangsarbeitern ge-räumten Lager in Neurath/Grevenbroich unter Zwangsarbeiterbedingungen leben musste. In Bild 2 ist dieses Barackenlager dargestellt.Als Lagerstatt dienten in diesem Lager, das aus einfachen Holzbaracken bestand, doppelstöckige Eisenbetten mit Strohmatratzen. Die Bettdecke war eine raue Pferde-decke. Für jede Person stand ein Haken zum Aufhängen der Kleidung zur Verfügung. Für zwei Räume gab es einen Kohleofen als zentrale Feuerstelle. Die Fenster waren vergittert. Fließendes Wasser gab es an Zentralstellen außerhalb der Baracken. Als Toiletten waren ebenfalls außerhalb der Baracken Plumpsklos aufgestellt. Schlimms-te hygienische Verhältnisse waren Kennzeichen des Lagers. Mangel an Chlorkalk für die Plumpsklos war Ausgangspunkt für Ungeziefer wie Läuse, Mäuse und Ratten.12

Die Epidemie im Gefängnis Siegburg mit den vielen Toten kurz vor dessen Befreiung resultierte aus den furchtbaren hygienischen Verhältnissen. Darauf wird in Kapitel 6 genauer eingegangen.

Bild 2: Barackenlager für Zwangsarbeiter; Gesamtansicht und Detail

12 Zenker, P.: Die Zwangsarbeiterlager und das Flüchtlingslager in Neurath, in: Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2005, Neuss 2004, S.104-109; Zenker, P.: Zwangsarbeiter- und Flüchtlingslager in Neurath, www.peter-zenker.de

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In Siegburg gab es 12 Zwangsarbeiterlager. Hinzuzurechnen ist das Gefängnis/Zuchthaus Siegburg, welches 16 sogenannte „Arbeitskommandos“ hatte. Das waren Arbeitsgruppen von bis zu 500 Menschen, die in verschiedenen Firmen eingesetzt und in Lagern untergebracht waren, die sich auf den Firmengeländen be-fanden.13 14 15 16

In der nachstehenden Tabelle 3 sind aus Gründen der Vollständigkeit auch das Ge-fängnis/Zuchthaus in Siegburg (Nr. 13 in der Tabelle), aus dem heraus auch Zwangs-arbeit verrichtet wurde sowie das Lager des Reichsarbeitsdienstes (Nr. 5 in der Ta-belle) aufgenommen. 17

(Tabelle 3 siehe nachfolgende Seite)

13 LVR-Rhein. Archiv- und Museumsamt, Brauweiler: Bestand BUR 73, Reg. Bez. Köln/412, „Camps douteux“; Archiv des Services des Victimes de la Guerre, Brüssel: Aktenbestände der „Enquête sur les prisons et les camps douteux“;14 Schröder, J.: Überraschender Fund umfangreicher Zwangsarbeiter-Listen im Archiv des Services des Victimes de la Guerre in Brüssel, Der Archivar 53 (2000), H. 4;15 Schröder, J.: Aktenbestände im „Archiv Des Service Des Victimes De La Guerre“ in Brüssel; Die „Enquête sur

les Prisons et les champs douteux“ in Reininghaus W./Reimann N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv-und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld 2001;16 Schröder, St.: Disparate Quellenlage: Die Displaced Persons; in: Reininghaus, W./ Reimann, N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv-und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrate- gien, Bielefeld 2001;17 LVR-Rhein. Archiv- und Museumsamt, Brauweiler: Bestand BUR 73, Reg. Bez. Köln/412, „Camps douteux“; Archiv des Services des Victimes de la Guerre, Brüssel: Aktenbestände der „Enquête sur les prisons et les camps douteux“;

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Lfd.

Nr.

Name, Anschriftdes Lagers

Anzahl der

ZWA

Nationa-litäten Art des Lagers

1 Lager Ritzdorf, Hinden-burg-, heute Frankfurter-str.140

100 k.A. Gaststätte, sog.“ Zivilarbeiterlager“

2 Lager Uhlrather Hof,(Kriegsgefangenlager 333) Uhlratherstr./B56

30-50 F Inh. Heinr. Dahs, ehemaliges Ausflugslokal an der Agger,Tanzsaal, Stacheldraht, von Soldaten bewacht,

3 Lager Driescher Hof, Augusta-/Gartenstr.

150-180 F, I, H, B Inh. Frau Maria Drewes, Tanzsaal, Fabrikar-beiter

4 Lager Hubertushof 80 R Frauenlager, 1 Holzbaracke, Arbeit in der Zellwollfabrik

5 Lager 7/103 Kreuzkapel-le

k.A. D 5 Holzbaracken im Wald, Lager des Reichs-arbeitsdienstes (RAD)

6 Lager Fleißig, Luisenstr. k.A. R Saal in der Gaststätte, Kriegsgefangene, von Soldaten bewacht

7 Zellwolle Kriegs-gefan-genlager

35-40 F 1 Holzbaracke auf Fabrikgelände, Stachel-draht, von Soldaten bewacht

8 Zellwolle Ausländer-la-ger, „Ostarbeiter“

300-400 R, P 6 Holzbaracken innerhalb des Werksgelän-des, Maschendrahtzaun

9 Zellwolle „Braunes La-ger“(DAF Gemein-schaftslager, Hangelar)

200 R, P, H, B, F

10 Holzbaracken, davon 3 mit Stacheldraht für Kriegsgefangene, diese von Soldaten be-wacht

10 Lager Kemp, Wolsdorf, 100-150 B, P, R, F Lager im Saal, ZWA bei Zellwolle eingesetzt, Kriegs- und Strafgefangene, Stacheldraht und Soldatenbewachung für Kriegsgef.

11 Lager Mohr, ab 1945 Auffang- und Durch-gangslager, Seiden-bergstr.

30-40teils 70

P Frauenlager Saal Mohr für Zellwolle;zu Kriegsende Durchgangslager für ZWA aus Siegburg vor Weitertransport

12 Lager (privat) k.A. B Wolsdorferstr. 3812a Flamenlager k.A. B, Flamen ungeklärt13 Lager Luisenstr.90 hierbei handelt es sich um das

Gefängnis/Zuchthaus, s. Abschn.614 Städtisches Russenla-

ger, Humperdinckstr.5433 R Sonderlager beim Bau von Luftschutzstollen

am Michelsberg, Verpflegung durch Fa. Ley15 Städtisches Lager Sei-

denbergstr. 14412 R, P Lager des Stadtbauamtes, Waldarbeit

16 Unbestimmte Lager Lager Bahnweg 6; Behelfsheim Deichhaus; Lager Stallberg; Lager im Rosengarten (Mi-chelsberg)

Tabelle 3: Zwangsarbeiterlager in Siegburg

Bei dem in Tabelle 3 unter Nr. 2 aufgeführten Lager handelt es sich um das umfunk-tionierte ehemalig beliebte Ausflugslokal „Uhlrather Hof“ an der Agger. Heute erinnert nur noch eine Ruine an das Lager (Bild 3). Die Ruine ist gleichzeitig als Gedenkstätte für drei junge luxemburgische Zwangsarbeiter gestaltet, die an dieser Stelle von den Nazis ermordet wurden. Eine Gedenktafel wurde am 24.8.1984 an dieser Stätte an-gebracht (Bild 4).

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Bild 3: Ruine des Zwangsarbeiterlagers Uhlrather Hof

Bild 4: Gedenkstätte Uhlrather Hof

Bei dem in Tabelle 3 unter lfd. Nr. 3 aufgeführtem Lager „Driescher Hof“ geht es um einen 1907 errichtetes Hotel und Ausflugslokal. Es hatte damals den größten Saal in der Stadt Siegburg. Dieser Saal wurde zum Zwangsarbeiterlager umgebaut. Heute finden sich dort eine Gaststätte und ein Kino. (Bild 5).

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Bild 5: Ehemaliges Zwangsarbeiterlager Driescher Hof (Augustastraße-Ecke Garten straße)

Bei dem in Tabelle 3 unter lfd. Nr. 16 aufgeführten Lager „Rosengarten“ handelt es sich nach Aussagen von Zeitzeugen um ein bewachtes mit Stacheldraht bewehrtes Lager. Es befand sich linker Hand in der Auffahrt zum Michaelsberg in dem heutigen dort angelegten Rosengarten.18

Bild 6: Standort des Lagers „Rosengarten“ unterhalb des Michaelbergs

18 Bergweiler, J.: Interview 31.10.2005, Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Siegburg a.D.;

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Die Gaststätte mit Saal (heute: Frankfurter Hof) an der heutigen Frankfurter Stra-ße 140 war ebenfalls Zwangsarbeiterlager. Es wurde geführt als „Lager Ritzdorf" mit 100 Zwangsarbeitern [siehe Tabelle 3, lfd. Nr. 1] (Bild 7).

Bild 7: Ehemaliges Zwangsarbeiterlager Ritzdorf –heute „Frankfurter Hof" (Frankfurter

Straße-Ecke Wahnbachtalstraße)

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6. Gefängnis / Haftanstalt / Zuchthaus

In der Haftanstalt in Siegburg, Luisenstr. 90, die gleichzeitig Gefängnis und Zucht-haus war, waren ständig fast über 2300 ausländische Staatsbürger/Zwangsarbeiter inhaftiert. Darunter waren allein 986 Franzosen, wovon 104 dort unter den widrigsten Lebensbedingungen ihr Leben ließen.19

In der Haftanstalt waren zwischen 1936 bis 1945 u.a. Bürger folgender Nationen ein-gesperrt (Tabelle 4).:

Nation Anzahl der InhaftiertenBelgier 492Dänen 4Franzosen 986Engländer 6Griechen 30Jugoslawen 9Luxemburger 79Niederländer 1495Norweger 4Tschechen 73Russen 37Insgesamt 3215

Tabelle 4: Gefangene/Zwangsarbeiter in der Haftanstalt in Siegburg20

Hinzu kamen Bürger aus folgenden Ländern:

Bulgaren Deutsche Esten Letten Litauer IranerItaliener Polen Portugiesen RumänenSchweden Schweizer Slowaken Spanier Staatenlose Ungarn

Für viele der Gefangenen war das Gefängnis/Zuchthaus nur erste Station auf dem Weg ins Konzentrationslager (KZ). Gefangene kamen von Siegburg aus in die Kon-zentrationslager Auschwitz, Buchenwald b. Weimar, Mauthausen und Sachsenhau-sen.21

Die Organisatoren des „fremdvölkischen Arbeitseinsatzes“ hatten eine Vielzahl von Verhaltensvorschriften ersonnen, die ständig ergänzt wurden. Die Schwelle zum „poli-zeiauffälligen“ Verhalten war dementsprechend sehr niedrig. Der Weg ins Gefängnis war damit vorprogrammiert. Hieraus resultiert auch die hohe Zahl an Inhaftierten aus-ländischen Bürgern.

19 Anm.: Bei der Diskussion um die Zuordnung der in der Strafanstalt von Siegburg gefangen gehaltenen auslän- dischen Staatsbürger zu den Zwangsarbeitern weist das Archiv der Stadt Siegburg (Frau Dr. A. Korte-Böger) darauf hin, dass die dort inhaftierten Menschen zum einen Gefangene in der Haftanstalt waren, aber auch als Zwangsarbeit leistende Strafgefangene verstanden werden können.20 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Schloss Kalkum, Findbuch 222.02.6, Gerichte Rep. 321, Nr. 147, 1362, 1028, 934,940; Findbuch 227.01, Rep. 349 Nr. 1-29;21 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Schloss Kalkum, Findbuch 222.02.6, Gerichte Rep. 321, Nr. 147, 1362, 1028, 934,940; Findbuch 227.01, Rep. 349 Nr. 1-29;

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Ein Großteil der ausländischen Inhaftierten waren von deutschen Sondergerichten in den besetzten Gebieten verurteilt und nach Siegburg verschleppt worden. Der andere Teil war in Deutschland verurteilt worden, darunter insbesondere Zwangsarbeiter aus den verschiedenen Siegburger Zwangsarbeiterlagern.22

Die Verurteilung erfolgte insbesondere wegen folgender „Vergehen“:23

Abhören ausländischer Sender, Rundfunkverbrechern,Deutschfeindliche Kundgebung,Fahnenflucht,Fahrlässiger Landesverrat,Feindbegünstigung,Feindhilfe, Unterstützung von Engländern,Hochverrat, Vorbereitung zum Hochverrat,Landesverrat,Rassenschande,Sabotage,Schutzhaft,Spionage,Umgang/Unterstützung von Kriegsgefangenen,Wehrkraftzersetzung.

Aus den Gefängnis-/Zuchthausinsassen wurden Arbeitsgruppen (Arbeitskommandos) unterschiedlicher Stärke gebildet und anderen Firmen zur Zwangsarbeit zur Verfü-22 Weinmann, M. (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt a. M. 1998;23 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Schloss Kalkum, Findbuch 222.02.6, Gerichte Rep. 321, Nr. 147, 1362, 1028, 934,940; Findbuch 227.01, Rep. 349 Nr. 1-29;

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gung gestellt. Diese Arbeitskommandos sind in Tabelle 5 aufgelistet:24

Lf-d.Nr.

Arbeitskommando bei Firma;mit Lager

Anzahl der ZWA

Nationa-litäten Art des Lagers

1 Lager Fa. Soenne-cken, Bonn

30-60 B, D, H, F

Tanzsaal der Gaststätte Schützenhof in Tannen-busch, bewaffnete Wachposten des Zuchthauses. Siegburg, Stacheldraht

2 Lager Gut Zis-sen-dorf, Hennef

12-20 H, D, F, T, B

Steinhaus auf dem Gut, bewaffnete, uniformierte Gefängniswärter, Arb.-Zeit:10 h/d.

3 Lager Fa. Jakobi, Hennef

30-60 B, D, H, L

1 Holzbaracke auf dem Fabrikgelände, Stachel-draht, Bewachung wie bei Nr. 2, Arb.-Zeit: 10 h/d.

4 Lager Fa. Löhe, Hennef

10-30 H, D, F, B

1 Steinhaus auf dem Werksgelände, Bewachung wie bei Nr. 2

5 Lager Fa. Meis, Hennef

12-30 k. A. untergebracht im Lager Nr. 4

6 Lager Fa.Reuther, Hennef

40-60 F, D, B 1 Holzbaracke, 300 m vom Werk, Stacheldraht-zaun, Bewachung wie bei Nr. 2, Arb.-Zeit: 10 h/d.

7 Lager Haus Frei-heit, Inger

10-20 F, D, B, H, P, T, J,

1 Steinhaus auf dem Gut, bewacht wie Nr. 2

8 Arbeitslager Rhein. Metallwerke, Porz

120-150 veschie-dene

1 Steinhaus auf d. Werksgelände, mit Stacheldraht umschlossen, Arb.-Z. 9-10,5 h/d, Bewachung s. Nr.2

9 Lager Rhein.-Zell-wolle, Siegburg

450-500 k.A. 3. Holzbaracken, „Strafgefangenenlager“, Ma-schendraht und Stacheldraht, Anstaltskleidung, Be-wachung s. Nr.2

10 Lager Fa. Ufer, Siegburg

20-60 F, H, U 1 Steinbau auf Betriebsgelände, Holzverarbeitung, Bewachung s. Nr.2

11 Lager Fa. Well-stein, Sieglar

10-14 D, k.A. 1 Steinbau auf d. Werksgelände, Feldarbeiten, 10-11 h/d.

12 Lager Dynamit AG, Troisdorf

150-300 k.A. 3 Steinbauten auf d. Werksgelände, Maschendraht und Stacheldraht, Bewachung s. Nr.3

12a Lager DAG Trois-dorf, Zündhütchen-werk

60 k.A. Ab 1.11.1942, Arb.-Zeit: Zuchthäusler-12 h/d, Ge-fangene 11 h/d.

13 Lager Klöckner Werke, Troisdorf

130-300 k.A. 1 Holzbaracke auf d. Werksgelände, Eisenzaun, Dauerbewachung s. Nr.2

14 Lager Fa. Pilgram, Untereschbach

8-30 D, k.A. Steinbaracke, Drahtzaun, Arbeit im Steinbruch, Dauerbewachung s. Nr.2

15 Lager Union Kraft-stoff AG, Wesseling

150-600 H, k.A. 4 Holzbaracken außerhalb des Werkes, Maschen-drahtzaun, Bewachung s. Nr.2, auch Lager „Zu den Dolinen“ genannt

16 Reichsburg Co-chem, Mosel

k.A. k.A. Umbau für NS-Schulungen und Tagungen, Hand-werker

17 Lager Frankenforst 20 k.A. Versuchsgut Frankenforst

Tabelle 5: Arbeitskommandos des Gefängnisses / Zuchthauses Siegburg

Im Jahre 1942 wurde auf dem Gelände der Haftanstalt eine große Kfz-Reparatur-werkstatt als staatseigener Betrieb errichtet für Fahrzeuge der Wehrmacht und der

24LVR-Rhein. Archiv- und Museumsamt, Brauweiler: Bestand BUR 73, Reg. Bez. Köln/412, „Camps douteux“; Archiv des Services des Victimes de la Guerre, Brüssel: Aktenbestände der „Enquête sur les prisons et les camps douteux“;;

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Organisation Todt (OT = Sonderorganisation des NS-Regimes für Baumaßnahmen).Der Plan auf dem Gelände zur Weiterverarbeitung von Zellwolle auch eine größere Spinnerei und Weberei zu bauen, wurde mangels Baumaterial und Maschinen nicht realisiert. Infolge des hohen Verwaltungsaufwandes in Zuchthaus wurde jedoch die Anstaltskirche in Büroraum umgebaut.25

Ein Massensterben unter den Eingesperrten setzte im Zuchthaus Siegburg Anfang 1945 in Folge des Ausbruchs einer Fleckfieberepedemie (Lagertyphus) ein. Auslöser für diese Epidemie waren die katastrophalen hygienischen Verhältnissen (u.a. Verlau-sung, Wäschewechsel alle 3 Wochen), die Unterernährung und die Nichtbehandlung der erkrankten Menschen mit entsprechenden Medikamenten. So hatten die Betriebs-krankenkassen die Ausgabe von Medikamenten an „Ostarbeiter“ verboten.26

7. Tod, Vernichtung, Befreiung

Wegen Unterernährung, der schlechten sanitären Verhältnisse und der fehlenden Medikamente war die Erkrankung unter den Zwangsarbeiter sehr hoch. Diese Erkran-kungen führten häufig in den Tod. Das Massensterben im Gefängnis/Zuchthaus Sieg-burg war das Ergebnis dieser Verhältnisse. Die von der Anstaltsleitung im Jahre 1943 beantragte bauliche Vergrößerung des Lazaretts wurde verweigert. Viele Zwangsar-beiter fanden auch den Tod bei Luftangriffen, da sie nicht die Luftschutzräume wie die Bürger Siegburgs nutzen durften.Hunderte von Zwangsarbeiter fanden in Siegburg den Tod. Wie viele es genau wa-ren, lässt sich im Rahmen dieser Studie nicht genau beziffern, da in die Daten des Standesamtes Siegburg aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht eingesehen wer-den durfte.Anders verhält es sich mit den toten Zwangsarbeiter des Gefängnisses/Zuchthauses Siegburg mit den angeschlossenen Arbeitskommandos. Die Daten hierüber standen im Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf dem Autor zur Verfügung. Auch Aufschreibungen des Friedhofes Siegburg trugen bedeutend zur Klärung der Geschehnisse bei.27 Gestorbene Zwangsarbeiter fanden ihre letzte Ruhe zunächst meist auf verschiede-nen Feldern des Nordfriedhofs. Auf dem Alter Friedhof (Johannisstrasse), Judenfried-hof und Klosterfriedhof fanden wenige Beerdigungen statt. 28 29

Auf dem Nordfriedhof wurden (in den Jahren 1939 bis1945) 401 Zwangsarbeiter der Haftanstalt Siegburg beerdigt, darunter allein 133 Franzosen. Nach dem Krieg wur-den die meisten Beigesetzten umgebettet und in ihre Heimat überführt, um dort die letzte Ruhe zu finden. So wurden die Gräber der Franzosen 1948 umgebettet, 25 ita-lienische Tote wurde 1953 exhumiert und in ihre Heimat überführt. Gleiches galt für die in Deutschland umgekommenen belgischen Zwangsarbeiter. (Bild 8). 30

25 Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;26 Weinmann, M. (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt a. M. 1998;27 Kreisstadt Siegburg: Akte „Ehrenfriedhof, Grabfelder E25, E27“, Stand 10/2005;28 Schubert, F.: Verwaltung Nordfriedhof der Stadt Siegburg, Interview am 25.10.2005;29 Beyer, R.: Grünflächenamt der Stadt Siegburg, Interview 31.10.2005;30 Arentz, H.: Le Bataillon des Chasseurs Ardennais 1946-1949, Siegburg 1949;

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Bild 8: Rückführung in Deutschland verstorbener belgischer Zwangsarbeiter

Für die in Siegburg verbliebenen toten Zwangsarbeiter wurden auf dem Nordfriedhof die beiden Sondergrabfelder E 17 und E 25 geschaffen (Bild 9). Alle auf dem Friedhof noch in anderen Feldern ruhende Zwangsarbeiter wurden dahin umgebettet.

Bild 9: Gräberfelder für Zwangsarbeiter auf dem Nordfriedhof in Siegburg 31

31 Kartengrundlage Stadt Siegburg, Friedhofsamt mit freundlicher Genehmigung;

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Im Zeitraum 1945/1946 entstand das Gräberfeld E 17 für die gestorbenen russischen Zwangsarbeiter (Bilder 10, 11, 12). Die befreiten noch in Siegburg weilenden Russen gossen hierfür aus Betonmaterial Einzelgrabsteine und das dazugehörige Ehrenmal (Bild 10).1953 entstand das Gräberfeld E 25 für die Zwangsarbeiter anderer Nationalitäten (Bil-der 13 und 14).

Bild 10: Gräberfeld für verstorbene russische Zwangsarbeiter

In fünf Grabreihen finden sich 108 Einzelgräber und ein etwas größerer Grabstein, der für ein Massengrab mit 17 Toten steht. Er trägt die Aufschrift in Russisch. Über-setzt bedeutet die Inschrift:„Unbekannt“ (kein Name) (Bild 11).

Bild 11: Massengrab im russischen Gräberfeld

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Zentraler Punkt des russischen Ehrenfeldes ist ein Grabdenkmal, welches wie die Einzelgrabsteine auch aus gegossenem Beton besteht (Bild 12).

Bild 12: Denkmal für die in Siegburg gestorbenen russischen Zwangsarbeiter

Im Jahre 1953 wurden die in Siegburg verbleibenden toten Zwangsarbeiter anderer Nationalitäten in das Grabfeld E 25 umgebettet (Bilder 13, 14).

Bild 13: Gräberfeld für Zwangsarbeiter anderer Nationalitäten

Dieses Ehrenfeld besteht aus vier Einzelgrabreihen mit 59 Holzkreuzen und drei klei-neren Grabsteinen (Bild 13). Zentralpunkt dieses Ehrenfeldes ist ein aus Lavastein errichtetes Grabmal (Bild 14).

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Bild 14: Ehrenmal für Zwangsarbeiter anderer Nationalitäten

Im April 1945 standen amerikanische Truppen vor Siegburg. Da auf dem Gefängnis die gelbe Fahne für ansteckende Krankheiten wehte, verzögerte sich deren Ein-marsch in Siegburg bis zum 10.4.1945.32 Mit der Niederschlagung der NS-Herrschaft in Siegburg erlangten die Zwangsarbeiter ihre Freiheit zurück. Über DP-Lager (Dis-placed Persons), die die Alliierten einrichteten, traten sie als freie Menschen den Weg in ihre Heimat an. Stellvertretend für die Opfer unter den Zwangsarbeitern erinnern mahnend insbesondere die Gedenkstätten auf dem Nordfriedhof an das grausame Zwangsarbeitsregime in Siegburg, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten wur-den.

8. Zusammenfassung

32 Bergweiler, J., Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Siegburg a.D.; Interview 31.10.2005;

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Zwangsarbeit in Siegburg während der NS-Zeit ist eines der dunkels-ten Kapitel der Stadtgeschichte. In der vorliegenden Untersuchung wird erstmals für die Kreisstadt Siegburg das Thema Zwangsarbeit in Gänze aufgearbeitet und dargestellt. Erst mit der Diskussion um die Entschädigung der Zwangsarbeiter rückte das Schicksal der Men-schen, die zwischen 1939-1945 gegen ihren Willen in Siegburg zum Arbeitseinsatz gezwungen wurden, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück. Entwurzelte, wehrlose Menschen mussten wider ihren Willen einen Teil ihres Lebens fern ihrer Heimat unter erniedrigenden Bedingungen Zwangsarbeit unter der NS-Herr-schaft in Siegburg leisten. Hiesige Einrichtungen, Firmen und Gesellschaften zogen schändlich Profit aus dem NS-Regime.In den Jahren von 1939 bis 1945 waren in größeren Siegburger Firmen 3048 Zwangsarbeiter eingesetzt. Dazu gab es 57 kleinere Betriebe, Gesellschaften, Einrichtungen und die Stadtverwaltung selbst, die Zwangsarbeiter benutzten. Über das Arbeitsamt wurde der Bedarf abgerufen. Die Zwangsarbeiter waren Verschiebe-masse, Sklaverei in der Neuzeit.Damit es bei dem „fremdvölkischen Arbeitseinsatz“, wie es die NS-Chargen nannten, nicht zur „Verunreinigung deutschen Blutes“ kam, mussten die Zwangsarbeiter von der Siegburger Bevölkerung getrennt werden. Sie wurden deshalb in Zwangsarbeiter-lager verbracht. In Siegburg gab es 19 derartige Lager, darunter je ein Lager für rus-sische und polnische Frauen.Eine besondere Funktion hatte das Gefängnis/Zuchthaus in Siegburg. Hier waren gleichzeitig teils über 2300 ausländische Staatsbürger inhaftiert. Insgesamt wurden über die Nazizeit dort 3216 Menschen weggesperrt. Aus den Gefängnis- und Zucht-hausinsassen wurden Arbeitsgruppen, sog. Arbeitskommandos von bis zu 500 Mann gebildet und Firmen in und um Siegburg als Zwangsarbeiter zur Verfügung gestellt. Es gab 17 Arbeitskommandos. Diese wurden meist in Lagern auf den Firmengelän-den untergebracht.Wegen Unterernährung, der schlechten hygienischen Verhältnisse und der fehlenden Medizin waren Erkrankung und Tod unter den Zwangsarbeitern sehr hoch. Auf dem Nordfriedhof in Siegburg wurden 401 von ihnen beerdigt. Die meisten der in Siegburg gestorbenen Zwangsarbeiter wurden nach dem Krieg in ihre Heimat zur letzten Ruhe überführt.Verschiedene Orte in der Stadt, dort wo einmal Zwangsarbeiterlager standen, rufen heute die grausame Zeit immer wieder mahnend in Erinnerung. Auf dem Nordfriedhof sind für die in Siegburg gestorbenen und hier gebliebenen toten Zwangsarbeiter zwei Gräberfelder mit Ehrenmalen errichtet. Eine Gedenkstätte findet sich an der Uhlrat-herstrasse - Bundesstraße B 56.Mit den Zwangsarbeitern in Siegburg tut sich die ganze Schizophrenie des Krieges auf: Deutsche wurden aus ihrer Heimat abgezogen, um in den Nachbarländern zu tö-ten und zu zerstören. Gleichzeitig werden Menschen aus den Nachbarländern nach Deutschland zwangsevakuiert, um dazu beizutragen, damit die deutsche Kriegsma-schinerie weiterlief und die Familien der Unterdrücker genug zum Essen und zum Le-ben hatten.Mit der Zerschlagung des NS-Regimes erlangten die Zwangsarbeiter ihre Freiheit zu-rück. Über DP-Lager (Displaced Persons), die die Alliierten einrichteten, traten sie als freie Menschen den Weg in ihre Heimat an.

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Verwendete Quellen und Literatur

A. Quellen

LVR-Rhein. Archiv- und Museumsamt, Brauweiler: Bestand BUR 73, Reg. Bez. Köln/412, „Camps douteux“; Archiv des Services des Victimes de la Guerre, Brüssel: Aktenbestände der „Enquête sur les prisons et les camps douteux“;Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Schloss Kalkum, Findbuch 222.02.6, Gerichte Rep.321 Nr. 147, 1362,1028,934,940; Findbuch 227.01, Rep.349 Nr. 1-29;Kreisstadt Siegburg: Akte „Ehrenfriedhof, Grabfelder E25, E27“, Stand 10/2005;Stadtarchiv Siegburg: Bestand III Nr. 103 und 239;

B. Interviews

Bergweiler, J., Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Siegburg a.D.; Interview 31.10.2005;Beyer, R., Grünflächenamt der Stadt Siegburg; Interview 31.10.2005;Schubert, F., Verwaltung Nordfriedhof der Stadt Siegburg; Interview 25.10.2005;

B. Literatur

Arbeitsgemeinschaft der Archivarinnen und Archivare im Erftkreis (Hrsg.): Gezwun- genermaßen - Zwangsarbeit in der Region Rhein–Erft-Rur, Bergheim/Erft 2002;Arentz, H.: Le Bataillon des Chasseurs Ardennais 1946-1949, Siegburg 1949;Reininghaus W./Reimann N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld 2001;Schröder, J.: Überraschender Fund umfangreicher Zwangsarbeiter-Listen im Archiv des Services des Victimes de la Guerre in Brüssel, Der Archivar 53 (2000), H.4;Schröder, J.: Aktenbestände im „Archiv Des Service Des Victimes De La Guerre“ in Brüssel; Die „Enquête sur les Prisons et les champs douteux“ in Reininghaus, W./Reimann N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv-und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld 2001;Schröder, St.: Disparate Quellenlage: Die Displaced Persons; in: Reininghaus W./ Reimann, N. (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945 Archiv-und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld 2001;Staatz, P.: Zwangsarbeit im Kreis Neuss, Düsseldorf 2003;Weinmann, M. (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt a. M. 1998;Weber, W., Mittler, M.: Die Geschichte der Abtei Michaelsberg in Siegburg seit ihrer Neugründung im Jahre 1914, Siegburg 1967;Zenker, P.: Die Zwangsarbeiterlager und das Flüchtlingslager in Neurath, in: Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2005, Neuss 2004, S.104-109;Zenker, P.: Zwangsarbeiter in Siegburg in: Siegburg - 65er Nachrichten 33 (2005), H.135, S.14Zenker, P.: Zwangsarbeiter- und Flüchtlingslager in Neurath, www.peter-zenker.de

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Impressum

Der Autor, Jahrgang 1939, aus Siegburg musste gleich nach dem Krieg drei Jahre unter Zwangsarbeiterbedingungen in ei-ner während des Krieges als Zwangsarbeiterlager genutzten Holzbaracke in Grevenbroich-Neurath (bei Düsseldorf) leben. Daher rührt der Bezug zu dem Thema. Er nahm sich des The-mas für seine jetzige Heimatstadt Siegburg an, da es bisher keine Aufarbeitung zu diesem Thema hier gibt.

Der Bericht ist abrufbar im Netz unter: www.peter-zenker.de

Dank

Nachstehende Personen und Institutionen haben mir bei der vorliegenden Untersu-chung besonders geholfen. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank.

Dr. Bouresh, Bettina, Rheinisches Archiv- und Museumsamt, Pulheim/Brauweiler;

Dr. Korte-Böger, Andrea, Stadtarchiv Siegburg;

Schröder, Joachim, M.A., Heinrich-Heine Universität Düsseldorf;

Dr. Stahlschmidt, Rainer, Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf/Kalkum;

Dr. Staatz, Peter, Historiker, Merzenich;

Schubert, Frank, Nordfriedhof der Stadt Siegburg;

Beyer, Ralf, Baubetriebsamt Stadt Siegburg;

Bergweiler, Josef, Neunkirchen-Seelscheid.

Bildnachweis

Sämtliche Bilder vom Autor;zu den Bildern 1 und 8 siehe die Angaben im Text.

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