Transcript
Page 1: Afrikanisches Zeckenbissfieber – Papulovesikuläres Exanthem mit Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

PDFlib PLOP: PDF Linearization, Optimization, Protection

Page inserted by evaluation versionwww.pdflib.com – [email protected]

Page 2: Afrikanisches Zeckenbissfieber – Papulovesikuläres Exanthem mit Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

DOI: 10.1111/j.1610-0387.2007.06435.x Fallberichte 379

© The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag, Berlin • JDDG • 1610-0379/2008/0605-0379 JDDG | 5˙2008 (Band 6)

English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg

ZusammenfassungRickettsiosen werden durch die ste-tige Zunahme von Fernreisen immerhäufiger auch in Mitteleuropa beob-achtet. Das afrikanische Zeckenbiss-fieber ist eine erst kürzlich beschrie-bene, akute febrile Erkrankung mitcharakteristischen Hautveränderun-gen. Erreger des afrikanischen Zecken-bissfiebers ist Rickettsia africae, welchedurch Zecken der Gattung Ambly-omma auf den Menschen übertragenwird. Wir berichten über eine 60-jährige Patientin, die sich nach einerSüdafrika-Reise mit papulovesikulö-sem Exanthem, Fieber und Kopf-schmerzen vorstellte. Am Unterschen-kel bestand ein livider Knoten mitzentraler Nekrose („tache noire“, „es-char“). Serologisch konnten Antikör-per gegen Rickettsien der Zeckenbiss-fiebergruppe nachgewiesen werden.Doxycyclin p. o. führte nach wenigenTagen zur Abheilung.

SchlüsselwörterRickettsiose – Rickettsia – Zeckenbiss-fieber – tache noire – eschar –Tropendermatose

EinführungRickettsien sind kleine, gramnegative,kokkobazilläre Bakterien, die sich wieViren nur in lebenden Zellen vermehren.Das Reservoir der Rickettsien sind Ar-thropoden, z. B. Zecken, Flöhe, Läuseoder Milben. Mit den Fäzes dieser Vek-toren werden sie über die Haut undSchleimhaut auf den Menschen übertra-gen [1, 2]. Durch Befall der Endothelzel-len kleiner Blutgefäße kommt es zu einersystemischen Vaskulitis.Nach der aktuellen Klassifikation wer-den drei Gruppen humanpathogenerRickettsiosen unterschieden: dieZeckenbissfiebergruppe, die Fleckfieber-gruppe und die Tsutsugamushi-Fieber-gruppe (Tabelle 1) [3]. In der Diskussionunseres Fallberichts werden wir näherauf die Erkrankungen der Zeckenbissfie-bergruppe eingehen. Zu dieser Gruppegehören u. a. das Rocky-Mountain-Fleck-fieber, verursacht durch Rickettsia rickett-sii, das Mittelmeerfleckfieber, verursachtdurch Rickettsia conorii, und das afrikani-sche Zeckenbissfieber, welches durchRickettsia africae verursacht wird [4–6].

FallberichtAnamneseWir berichten über eine 60-jährige Pati-entin, die drei Tage vor der Heimreisevon einer dreiwöchigen Rundreise durchSüdafrika erstmals einen bläulichenKnoten am linken Unterschenkel be-merkte. Am Folgetag entwickelte sie Fie-ber bis 38,8 °C und Schüttelfrost. Zeit-gleich trat ein generalisierter Ausschlagohne Juckreiz auf. Ferner bestand seit ei-nigen Tagen Kopfschmerz. Ein Zecken-biss ist der Patientin nicht erinnerlich. Siehatte durchgängig eine Malariaprophy-laxe eingenommen. Sechs Tage nach Symp-tombeginn erfolgte die stationäre Auf-nahme auf die infektiologische Abteilungdes Klinikums der Universität zu Köln.

Klinischer BefundDie Patientin stellte sich konsiliarisch inder Hautklinik mit einem generalisiertenmakulopapulösen, teils vesikulösenExanthem vor (Abbildung 1a). Am lin-ken Unterschenkel bestand ein livider,zentral ulzerierter, druckschmerzhafterKnoten, eine „tache noire“ oder „inocu-lation eschar“ (Abbildung 1b). Inguinalzeigte sich beidseits eine Lymphknoten-schwellung. Die Untersuchung von Cor,Pulmo und Abdomen sowie die neurolo-gische Untersuchung waren unauffällig.

SummaryIn the wake of expanding internation-al tourism, rickettsioses are increas-ingly observed also in central Europe.African tick bite fever is a recentlydescribed, acute febrile illness withcharacteristic skin lesions. It is causedby Rickettsia africae, which is transmit-ted to humans by ticks of theAmblyomma genus. A 60-year-oldwoman presented with a papulovesic-ular exanthem, fever, and headacheafter returning from South Africa. Apurple node with central necrosis(„tache noire", „inoculation eschar")was noticed on the lower leg.Antibodies against rickettsia of thespotted fever group were detectedserologically. Oral doxycycline led toclearance of the disease after fewdays of treatment.

KeywordsRickettsiosis – Rickettsia – tick bitefever – tache noire – eschar – tropicaldermatosis

Afrikanisches Zeckenbissfieber –

Papulovesikuläres Exanthem mit

Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

African tick bite fever – Papulovesicular

exanthem with fever after staying in South Africa

Jan Schuster1, Iliana Tantcheva-Poor1,Claudia Wickenhauser2,Jens-MarcusChemnitz3,Nicolas Hunzelmann1,Thomas Krieg1,Karin Hartmann1

(1) Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Universität zu Köln,Germany

(2) Institut für Pathologie, Universität zu Köln, Germany(3) Klinik I für Innere Medizin, Universität zu Köln, Germany

JDDG; 2008 • 6:379–382 Eingereicht: 13. 4. 2007 | Angenommen: 17. 4. 2007

Page 3: Afrikanisches Zeckenbissfieber – Papulovesikuläres Exanthem mit Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

DiagnostikLabor: Leicht erhöht waren �-GT mit43 U/l und LDH mit 279 U/l, die übri-gen Routineparameter waren unauffällig.Serologie: Der Titer von Rickettsia cono-rii-AK (bekannte Kreuzreaktivität desAntiserums auch mit anderen Rickett-sien der Zeckenbissfiebergruppe [6]) warinitial unauffällig (Normbereich < 1 :40), nach 7 Tagen positiv (1 : 320). Es er-gab sich kein Anhalt für Borreliose, Bru-cellose oder Coxiella-Infektion, es konntelediglich eine stattgehabte Chlamydien-infektion nachgewiesen werden.Zytologie peripherer Blutausstriche: Eswurden keine Plasmodien nachgewiesen.Virologie: Es fand sich kein Anhalt füreine frische Infektion mit HBV, HIV, CMV,EBV, HSV, VZV oder Dengue-Viren.Histologie: In der papillären Dermiszeigte sich ein ausgeprägtes Ödem. Inder oberen und tiefen Dermis fand sichperivaskulär und interstitiell ein entzünd-liches Infiltrat mit mononukleären Zellenund Eosinophilen (Abbildung 2a). ImBereich angeschnittener Kapillaren undVenolen waren vaskulitische Verände-rungen mit fibrinoider Wandverdickungzu sehen (Abbildung 2b).Weitere Befunde: EKG, Röntgen-Thoraxund Sonographie-Abdomen ergaben kei-nen auffallenden Befund.

Therapie und VerlaufAufgrund der Anamnese und der klinischenBefunde, vor allem des typischen Exan-thems mit vesikulösen Hautveränderungenund tache noir, stellten wir die Diagnoseeines afrikanischen Zeckenbissfiebers.Eine Woche später konnte die Diagnosedurch den serologischen Nachweis von

380 Fallberichte

JDDG | 5˙2008 (Band 6)

Abbildung 1: Charakteristisches Exanthem mit Papulovesikeln (a) und tache noire (b, linker Unterschenkel proximal lateral) bei einer Patientin mit afrikanischem Zeckenbissfieber.

Abbildung 2: Deutliches perivaskuläres und interstitielles Infiltrat mit mononukleären Zellen und Eosino-philen (a) und fibrinoiden Wandveränderungen (b).

Page 4: Afrikanisches Zeckenbissfieber – Papulovesikuläres Exanthem mit Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

Antikörpern gegen Rickettsien derZeckenbissfiebergruppe bestätigt wer-den. Es wurde eine 9-tägige antibiotischeTherapie mit Doxycyclin (200 mg/die p.o.) eingeleitet, worunter die Patientinrasch und anhaltend entfieberte. Lokalbehandelten wir mit Vioform-Lotio.

DiskussionDas afrikanische Zeckenbissfieber zähltzu den häufigsten Ursachen febriler Er-krankungen bei Afrika-Reisenden [5, 6].Es wurde erstmals 1934 von Pijper inSüdafrika beschrieben, der ErregerRickettsia africae wurde jedoch erst 1992durch Kelly identifiziert [4, 7]. Rickettsiaafricae wird von Viehzecken der GattungAmblyomma (vor allem Amblyomma va-riegatum und Amblyomma hebraeum) aufden Menschen übertragen, eine aggres-sive Zeckenart, die im Gegensatz zu an-deren Zecken nicht passiv wartet, bis einmöglicher Wirt vorbeikommt, sondernden Wirt aktiv aufsucht. Deshalb trittdas afrikanische Zeckenbissfieber auchhäufig in Clustern auf [5]. Rickettsia af-ricae kommt vor allem in den ländlichenRegionen der afrikanischen Länder süd-lich der Sahara und auf Guadeloupe vor.In diesen Ländern findet sich eine sehrhohe Seroprävalenz von Antikörpern ge-gen Rickettsien (bis zu 70 %) [2, 3].Jahrzehntelang wurde die Bezeichnung„afrikanisches Zeckenbissfieber“ als sy-

nonymer Begriff für das Mittelmeer-fleckfieber verwendet (Tabelle 1) [4].Tatsächlich ist die Unterscheidung zwi-schen beiden Erkrankungen wegen desgemeinsamen Vorkommens in Afrikaund einer ausgeprägten Antikörper-kreuzreaktivität schwierig, oft bleibt derHautbefund das entscheidende Differen-zierungskriterium. Beim afrikanischenZeckenbissfieber findet man meist eineoder mehrere taches noires an denZeckenbissstellen. Multiple taches noiresgelten als pathognomonisches Zeichendes afrikanischen Zeckenbissfiebers. Biszu 50 % der Patienten weisen ein genera-lisiertes Exanthem auf, das im Gegensatzzum Mittelmeerfleckfieber und Rocky-Mountain-Fleckfieber auch – wie bei un-serer Patientin – vesikulös und nicht nurmakulopapulös sein kann. Weiter ab-grenzend zum Rocky-Mountain-Fleck-fieber treten fast nie Hämorrhagien oderPetechien auf. Häufig ist das afrikanischeZeckenbissfieber von einer lokalen Lymphadenopathie begleitet. Weitereallgemeine Symptome umfassen Fie-ber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit,Grippegefühl, Myalgien und Nacken-steifigkeit. Bisher wurden keine schwe-ren Komplikationen oder Todesfälle be-schrieben. Die Inkubationszeit beträgt5–7 Tage [4–6].Die klinische Verdachtsdiagnose einerRickettsiose kann serologisch bestätigt

werden. Für die Untersuchung wird An-tiserum gegen Rickettsia conorii-Antikör-per verwendet, welches jedoch auch mitanderen Rickettsien aus der Zeckenbiss-fiebergruppe kreuzreagiert [6]. Zu be-achten ist, dass die Antikörpertiter beiRickettsiosen typischerweise erst spät,häufig erst nach 3 Wochen ansteigen.Auch bei unserer Patientin war die Sero-logie zunächst negativ und konvertierteerst am Ende der zweiten Krankheitswo-che. Neben der serologischen Untersu-chung werden auch Immunhistochemie,PCR und Kultur für die weitere Erreger-diagnostik eingesetzt [8, 9].Differenzialdiagnostisch kommen allefiebrigen Erkrankungen mit Exanthemund Kopfschmerzen in Frage, u. a. Ma-sern, Influenza, virale Meningoenzepha-litis, infektiöse Mononukleose, HIV-Pri-moinfektion, Rückfallfieber, Typhusabdominalis und Malaria.Therapie der Wahl ist Doxycyclin p. o.(2 x 100 mg/die) oder i. v. über minde-stens 7 Tage [6]. Alternativ kann, z. B. inder Schwangerschaft, Chloramphenicol(4 x 500 mg/die) eingesetzt werden [1].Zusätzlich sind in der Literatur erfolgrei-che Rickettsiose-Therapien mit Ciproflo-xacin (2 x 750 mg/die) und bei Kindernmit Clarithromycin und Azithromycinbeschrieben worden [10]. Prophylak-tisch empfiehlt sich das Tragen von lan-ger Kleidung und festem Schuhwerk,

Fallberichte 381

JDDG | 5˙2008 (Band 6)

Tabelle 1: Die häufigsten Rickettsiosen.

Krankheit Erreger Vorkommen Vektor

Zeckenbissfiebergruppe („spotted fever group“)

Rocky Mountain-Fleckfieber R. rickettsii Nord-, Mittel- und Südamerika Zecken

Mittelmeerfleckfieber R. conoriiMittelmeerraum, Afrika, Indien, Schwarzmeerraum

Zecken

Afrikanisches Zeckenbissfieber R. africae Afrika südlich der Sahara, Guadeloupe Zecken

Rickettsienpocken R. akari USA, ehem. UdSSR, Korea, Afrika Milben

Queensland-Zeckentyphus R. australis Australien Zecken

Nordasiatisches Zeckenbissfieber R. sibirica Sibirien, Mongolei, Pakistan, Nordchina Zecken

Fleckfiebergruppe („typhus group“)

Epidemisches Fleckfieber R. prowazekii Mittel- und Südamerika, Afrika, Asien Läuse

Murines Fleckfieber R. typhi weltweit Flöhe

Tsutsugamushi-Fiebergruppe („scrub typhus group“)

Japanisches Fleckfieber Orienta tsutsugamushi Asien, Südpazifik, Australien Milben

Page 5: Afrikanisches Zeckenbissfieber – Papulovesikuläres Exanthem mit Fieber nach Südafrika-Aufenthalt

Meiden von Tierkontakten und die re-gelmäßige Zeckensuche am Körper. In-sektenrepellenzien können zusätzlichenSchutz bieten [6]. Impfstoffe stehen zurZeit noch nicht zur Verfügung [1]. <<<

InteressenkonfliktKeiner.

KorrespondenzanschriftPriv.-Doz. Dr. Karin HartmannKlinik und Poliklinik für Dermatologieund VenerologieUniversität zu KölnJoseph-Stelzmann-Straße 9D-50931 KölnTel.: +49-22 1-47 8-45 00Fax: +49-22 1-47 8-45 38E-Mail: [email protected]

Literatur1 Jensenius M, Fournier PE, Raoult D.

Rickettsioses and the international trave-ler. Clin Infect Dis 2004; 39: 1493–1499.

2 Bassetti S. Rickettsiosen der Zeckenbiss-fieber-Gruppe. Internist 2004; 45:669–675.

3 Parola P, Paddock CD, Raoult D. Tick-borne rickettsioses around the world:emerging diseases challenging old con-cepts. Clin Microbiol Rev 2005; 18:719–756.

4 Kelly P, Matthewman L, Beati L, Ra-oult D, Mason P, Dreary M, MakombeR. African tick bite fever: a new spottedfever group rickettsiosis under an oldname. Lancet 1992; 340: 982–983.

5 Raoult D, Fournier PE, Fenollar F.Rickettsia africae, a tick-borne patho-gen in travelers to sub-saharan Africa.N Engl J Med 2001; 344: 1504–1510.

6 Jensenius M, Fournier PE, Kelly P, Myr-vang B, Raoult D. African tick bite fever.Lancet Infect Dis 2003; 3: 557–564.

7 Pijper A. Tick-bite fever: a clinical lec-ture. S Afr Med J 1934; 8: 551–556.

8 Stenos J, Graves SR, Unsworth NB. Ahighly sensitive and specific real-timePCR assay for the detection of spottedfever and typhus group Rickettsiae. AmJ Trop Med Hyg 2005; 73: 1083–1085.

9 Owen CE, Bahrami S, Malone JC, Cal-len JP, Kulp-Shorten CL. African tickbite fever. A not-so-uncommon illnessin international travelers. Arch Derma-tol 2006; 142: 1312–1314.

10 Cascio A, Colomba C, Antinori S, Pa-terson DL, Titone L. Clarithromycinversus azithromycin in the treatment ofMediterranean spotted fever in child-ren: a randomized controlled trial. ClinInfect Dis; 34: 154–158.

382 Fallberichte

JDDG | 5˙2008 (Band 6)


Recommended